Einführung und Psalm 109 im Überblick
Wir haben das letzte Mal Psalm 110 zweimal vollständig studiert. Nun möchte ich zu Psalm 109 kommen. Aus bestimmten Überlegungen habe ich zunächst Psalm 110 gewählt. Jetzt möchte ich zeigen, welcher Zusammenhang zwischen diesen beiden Psalmen besteht.
Zu Beginn wollen wir einfach den Psalm so lesen, wie er da steht. Anschließend gehen wir auf die Zusammenhänge ein.
Einen Psalm Davids vorzusingen:
Gott, mein Ruhm, schweige nicht,
denn sie haben ihr gottloses, lügenhaftes Maul wieder gegen mich aufgetan.
Sie reden erneut mit falscher Zunge gegen mich und sprechen giftig über mich, überall.
Sie streiten ohne Grund gegen mich.
Dafür, dass ich sie liebe, feinden sie mich an,
ich aber bete.
Sie erweisen mir Böses für Gutes und Hass für Liebe.
Gib ihm einen Gottlosen zum Gegner,
und ein Verkläger stehe zu seiner Rechten.
Wenn er gerichtet wird, soll er schuldig gesprochen werden,
und sein Gebet werde zur Sünde.
Seine Tage sollen wenige werden,
und sein Amt soll ein anderer empfangen.
Seine Kinder sollen Waisen werden,
und sein Weib eine Witwe.
Seine Kinder sollen umherirren und betteln,
vertrieben aus ihren Trümmern.
Es soll ein Wucherer alles fordern, was er hat,
und Fremde sollen seine Güter rauben.
Niemand soll ihm Gutes tun,
und niemand erbarme sich seiner Weisen.
Seine Nachkommen sollen ausgerottet werden,
ihr Name soll schon im zweiten Glied getilgt werden.
Der Schuld seiner Väter soll gedacht werden vor dem Herrn,
und seiner Mutters Sünde soll nicht getilgt werden.
Der Herr soll sie nie mehr aus den Augen lassen,
und ihr Andenken soll ausgerottet werden auf Erden,
weil er so gar keine Barmherzigkeit übte,
sondern den Elenden, Armen und Betrübten verfolgte, um ihn zu töten.
Er liebte den Fluch, so komme er auch über ihn.
Er wollte den Segen nicht, so bleibe er auch fern von ihm.
Er zog den Fluch an wie sein Hemd,
der dringe in ihn hinein wie Wasser und wie Öl in seine Gebeine.
Er werde ihm wie ein Kleid, das er anhat,
und wie ein Gürtel, mit dem er alle Zeit sich gürtet.
So geschehe denen vom Herrn, die gegen mich sind
und Böses über mich reden.
Aber du, Herr, sei du mit mir um deines Namens willen,
denn deine Gnade ist mein Trost, errette mich.
Denn ich bin arm und elend,
mein Herz ist zerschlagen in mir.
Ich fahre dahin wie ein Schatten, der schwindet,
und werde abgeschüttelt wie Heuschrecken.
Meine Knie sind schwach vom Fasten,
mein Leib ist mager und hat kein Fett.
Ich bin ihnen zum Spott geworden;
wenn sie mich sehen, schütteln sie den Kopf.
Steh mir bei, Herr, mein Gott,
hilf mir nach deiner Gnade
und lass sie innewerden, dass dies deine Hand ist
und du, Herr, das tust.
Fluchen sie, so segne du;
erheben sie sich gegen mich, so sollen sie zu Schanden werden.
Aber dein Knecht soll sich freuen;
meine Widersacher sollen mit Schmach bekleidet werden wie mit einem Mantel.
Ich will dem Herrn sehr danken mit meinem Munde
und in Rühmen vor den Menschen,
denn er steht dem Armen bei,
dass er ihm helfe von denen, die ihn verurteilen.
Messianische Deutung von Psalm 109
Bevor wir näher auf die Details des Psalms eingehen, stellt sich zunächst die Frage: Woher stammt die Überzeugung, dass Psalm 109 ein messianischer Psalm ist? Das bedeutet, dass dieser Psalm auf den Messias, also auf Christus, hinweist. Besonders relevant ist dabei Vers 8.
Warum ist das so? Gibt es dafür noch weitere Belege oder Argumente? Ein wichtiger Hinweis findet sich in der Apostelgeschichte, Kapitel 1. Dort versammeln sich die Jünger und Jüngerinnen nach der Himmelfahrt des Herrn Jesus zu einer eindrücklichen Gebetsversammlung, die ab Kapitel 1, Vers 13 beschrieben wird.
In diesen Tagen steht Petrus auf und klärt verschiedene Fragen. Man kann das ab Vers 15 und den folgenden Versen nachlesen. Hier finden wir ein Zitat aus Psalm 69, Vers 25. Diesen Psalm haben wir bereits als messianischen Psalm studiert.
Weiterhin zitiert Petrus Psalm 109, Vers 8 beziehungsweise 9, je nach Bibelausgabe. Damit erklärt der Apostel Petrus, dass sowohl Psalm 69 als auch Psalm 109 messianische Psalmen sind.
Woher hatte Petrus dieses Wissen? Es ist bekannt, dass der Herr Jesus während seiner Zeit mit den Jüngern immer wieder darauf hingewiesen hat, dass er in Jerusalem leiden und sterben würde. Die Jünger verstanden das jedoch nicht, ihre Herzen waren verhärtet, wie uns die Evangelien berichten.
Schließlich, in Matthäus 16, als Jesus darüber sprach, widersprach Petrus ihm und sagte: „Das widerfahre dir nicht, Herr!“ Daraufhin antwortete Jesus: „Gehe hinter mich, Satan, denn du sinnst nicht auf das, was Gottes ist, sondern auf das, was der Menschen ist.“
Mit dem Sterben und der Auferstehung des Herrn Jesus trat jedoch geistlich eine gewaltige Wende ein. Denken wir an die zwei Jünger, die mit Jesus auf dem Weg nach Emmaus gingen (Lukas 24). Sie erhielten eine Art Privatunterricht, wie wir uns ihn nur von Herzen wünschen könnten.
Jesus erklärte ihnen auf dem etwa zweieinhalbstündigen Weg das gesamte Alte Testament. Er führte sie durch das Gesetz Mose, die Propheten und die Schriften, also auch die Psalmen, und zeigte ihnen, wie alles auf ihn hinweist.
Nach seiner Auferstehung war Jesus zudem vierzig Tage lang mit den Jüngern zusammen (Apostelgeschichte 1, Vers 3). Könnte jemand diesen Vers noch lesen? In dieser Zeit unterwies er die Jünger systematisch im Wort Gottes. Er verdeutlichte ihnen die Zusammenhänge mit dem Alten Testament, besonders dort, wo es zuvor noch unklar war.
Dieser Hintergrund erklärt, warum Petrus die Schrift mit solcher Autorität und Überzeugung auslegen konnte. Wenn wir weiter in Apostelgeschichte 2 und 3 lesen, sehen wir, wie die Apostel nach Pfingsten täglich die vielen Menschen, die zum Glauben kamen, unterwiesen.
Sie gaben die fundamentalen Belehrungen weiter, die Jesus ihnen während seiner dreijährigen Dienstzeit, besonders aber am Ende, vermittelt hatte.
So haben wir im Neuen Testament einen klaren Hinweis darauf, dass Psalm 109 messianisch ist. Insbesondere bezieht sich Vers 8 beziehungsweise Vers 9 auf Judas. Dort heißt es, seine Tage seien wenige, und sein Amt solle ein anderer empfangen.
Tatsächlich starb Judas frühzeitig durch Selbstmord. Das Apostelamt, das er während der langen Zeit des öffentlichen Wirkens Jesu innehatte, wurde an Matthias übertragen.
Diese Erkenntnisse helfen uns, Psalm 109 mit ganz anderen Augen zu lesen, als wenn wir diesen Hintergrund aus dem Neuen Testament nicht kennen würden.
Verbindung zwischen Psalm 109 und Psalm 110
Nun zum Zusammenhang mit Psalm 110: Wir haben beim letzten Mal gesehen, dass Psalm 110 im Neuen Testament sehr häufig zitiert und durch den Heiligen Geist ausgelegt wird – viel mehr als Psalm 109. Dabei ergibt sich eine ganz interessante Brücke.
Liest noch jemand Psalm 110, Vers 1? Jawohl! Wir haben beim letzten Mal gesehen, dass der Herr Jesus nach seiner Himmelfahrt den Ehrenplatz zur Rechten Gottes eingenommen hat. Dies ist eine Auszeichnung, ein Lohn dafür, dass er bis in den Tod gegangen ist.
Um die Worte aus Philipper 2, Vers 5 zu nehmen: Dort sehen wir sieben Stufen, wie der Herr Jesus, der Gott gleich war, sich als Mensch erniedrigt hat. Dann heißt es sechstens: „Und er war gehorsam bis zum Tod“ – aber nicht irgendein Tod, sondern der Tod am Kreuz.
Die Antwort Gottes auf diese siebenfache Erniedrigung des Herrn ist, dass Gott ihn hoch erhoben und ihm einen Namen gegeben hat, der über alle Namen ist. Dieser Name ist „Herr“, Kyrios.
Hier steht: „Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten.“ Das ist also der Ehrenplatz des Herrn Jesus seit seiner Himmelfahrt bis heute.
In Psalm 109 finden wir den Herrn Jesus auf Erden während seines Lebens. Dort sehen wir, wie er angefeindet wurde. Trotz dieser Feindschaft, die er von den Menschen erlebte, sehen wir, wie Gott zu ihm stand.
Liest jemand den letzten Vers von Psalm 109? „Denn er steht dem Armen zu Rechten, dass er ihm helfe von denen, die ihn verurteilen.“ Jawohl, Gott stand zu Rechten des Menschen Jesus hier auf Erden.
Der Herr Jesus ist bis zum Schluss gegangen. Er kam in den Himmel, und Psalm 110, Vers 1 sagt: „Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße lege.“
Dieser Zusammenhang ist also ganz interessant: Vom letzten Vers in Psalm 109 zum ersten Vers in Psalm 110 sehen wir Gott zur Rechten des Herrn Jesus als dem Armen und tief Erniedrigten. Dann sehen wir den Herrn Jesus, der erhöht ist zur Rechten Gottes.
Das zeigt uns, dass die Psalmen nicht einfach willkürlich angeordnet wurden. Es ist nicht so, dass die Psalmen in einer chronologischen Reihenfolge stehen – Psalm 1, 2 und so weiter. Das Ordnungsprinzip folgt ganz anderen Kriterien.
Erstens können wir sagen, dass die 150 Psalmen in mehrere Bücher eingeteilt sind – nämlich in fünf Bücher. Das haben wir auch schon gesehen. Diese Einteilung ist im Grundtext so vorhanden. Man kann kurz zurückblättern, zum Beispiel zu Psalm 107 am Anfang des fünften Buches. Das ist keine künstliche spätere Einfügung, sondern im Grundtext so vorgesehen.
Diese Einteilung in fünf Bücher unterschiedlicher Länge zeigt inhaltlich ganz bestimmte Parallelen zu den fünf Büchern Mose.
Außerdem haben die Psalmen in ihrer Anordnung eine inhaltlich zusammenhängende Linie. Zum Beispiel haben wir bei Psalm 23 das sehr schön gesehen oder bei Psalm 22.
Dort sieht man den Herrn Jesus als den guten Hirten, der sein Leben lässt – ein Kreuzespsalm. Dann kommt Psalm 23, wo wir den Herrn Jesus als den großen Hirten der Schafe finden, auferweckt aus den Toten, so wird er in Hebräer 13 genannt.
In Psalm 24 wird der Herr Jesus als der König beschrieben, der am Ende der Zeit zurückkehren wird, um nach Jerusalem einzuziehen. Dort haben wir den Erzhirten, der offenbar werden wird in der Endzeit, wie es in 1. Petrus 5 heißt.
Also: Psalm 22 zeigt den guten Hirten (Johannes 10), Psalm 23 den großen Hirten (Hebräer 13) und Psalm 24 den Erzhirten oder Oberhirten (1. Petrus 5).
Deshalb ist es wichtig, beim Lesen der Psalmen nicht nur die einzelnen Psalmen für sich zu betrachten, sondern den Zusammenhang der fünf Bücher der Psalmen und die Reihenfolge der Psalmen zu beachten.
Das ist meistens nicht so leicht und auf den ersten Blick nicht immer zu erkennen. Niemand behauptet, dass es einfach sei. Aber es lohnt sich, darin zu forschen.
Wir lesen ja in Sprüche 25: „Es ist Gottes Ehre, eine Sache zu verbergen, aber der Könige Ehre, eine Sache zu entdecken.“
Wir sind als Gläubige zu einem Königtum und zu Priestern gemacht worden, seinem Gott und Vater (Offenbarung 1,5). Das ist eine Würde, die uns verpflichtet zum Bibelstudium.
Die Stimme des Herrn Jesus im Gebet
Ja, jetzt schauen wir uns nochmals die ersten fünf Verse an. Hier hören wir ganz klar die Stimme des Herrn Jesus auf der Erde. Lest bitte Psalm 109, Vers 1: „Dem Vorsänger, ein Psalm Davids: O Gott, den ich rühme, schweige nicht!“
Der Herr Jesus war in seinem Leben ständig in der Anbetung; er hat Gott gerühmt. Ein Beispiel dafür finden wir in Matthäus 11, Vers 25. Dort sehen wir, wie der Herr Jesus in seinen Erdentagen Gott gelobt hat. Gott wird hier mit dem Titel „Gott meines Lobes“ genannt, sein Name ist Gott.
Wer liest Vers 25 und 26? „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies vom Weisen und Verständigen verborgen und den Unmündigen geoffenbart hast. Ja, Vater, denn so war es wohlgefällig vor dir.“
Diese Bemerkung von Matthäus ist wichtig: Zu jener Zeit betete der Herr Jesus und sagte: „Ich preise dich, Vater.“ Was ist der Zusammenhang? Gleich in den Versen davor, 20 bis 24, finden wir, wie der Herr Jesus die Städte schalt, in denen er die meisten Wunderwerke getan hatte und die trotzdem keine Buße getan hatten.
Vers 20: „Dann fing er an, die Städte zu schelten, in welchen seine meisten Wunderwerke geschehen waren, weil sie nicht Buße getan hatten.“ Das sind Chorazin, Bethsaida und Kapernaum. Geografisch bilden sie ein Dreieck ganz am oberen Ende des Sees Genezareth. Man nennt es auch das evangelische Dreieck, weil in diesen drei Städten der Herr Jesus am meisten gewirkt hatte.
Gerade diese Städte lehnten ihn ab, obwohl die Überzeugungskraft der Wunder nirgends so intensiv war wie gerade dort. Dann heißt es: „In jenen Tagen hob Jesus an und sprach: Ich preise dich, Vater.“ Eigentlich müsste man doch völlig niedergeschlagen, enttäuscht und frustriert sein, wenn Menschen so reagieren wie die Menschen von Bethsaida, Chorazin und Kapernaum. Doch der Herr Jesus sagt: „Ich preise dich, Vater.“
Selbst in dieser Enttäuschung, die er wirklich empfunden hatte, kann er preisen, weil er einen höheren Plan Gottes darin sieht. Er preist den Vater dafür, dass er den Stolzen das Licht nicht gegeben hat, sondern es den Unmündigen offenbart hat. Die Unmündigen sind die, die bewusst sind, wie klein und unselbständig wir Menschen eigentlich sind. Gott offenbart es ihnen.
Ganz interessant: In den Medien wurde vor kurzem eine Studie über Atheisten veröffentlicht. Dort wird behauptet, dass der Durchschnitts-Atheist sechs IQ-Punkte mehr hat als religiöse Menschen. Das ist natürlich problematisch, da Religionen wie Christentum, Islam und andere zusammengeworfen werden. Die Untersuchung zeigt auch, dass Atheisten im Allgemeinen mehr Selbstbewusstsein haben und nicht meinen, jemanden zu brauchen, der ihnen hilft, sondern alles selbst zu schaffen.
Diese Menschen sind die Stolzen, denen Gott das Licht verbirgt. Den Unmündigen hingegen, die merken, dass sie als erwachsene Menschen Gottes Gnade brauchen, um durch die Stürme des Lebens zu gehen, offenbart Gott sich. So blicken wir in Matthäus 11 in das Herz des Sohnes Gottes als Mensch auf der Erde: „Gott meines Lobes, schweige nicht!“
Das tut er im Zusammenhang mit den Menschen, die ihn abgelehnt haben. Genau darum geht es auch in Psalm 109, Vers 1 nochmal: „Gott meines Lobes, schweige nicht!“ Wer liest weiter? „Mit Worten des Hasses haben sie mich umgeben und ohne Grund gegen mich gestritten. Für meine Liebe feindeten sie mich an, ich aber bin stets im Gebet.“
Bis hierher. In den Evangelien könnten wir alle Stellen nachlesen, wo gegen den Herrn Jesus geredet wurde und ihm Fallen gestellt wurden, um ihn vor Gericht bringen zu können. Ein Beispiel finden wir in Matthäus 26, Vers 59. Wer liest?
„Zwei falsche Zeugen traten hinzu und sprachen: Dieser hat gesagt, ich kann den Tempel Gottes abbrechen und in drei Tagen ihn aufbauen. Der Hohepriester stand auf und sprach zu ihm: Antwortest du nichts? Was zeugen diese wider dich? Jesus aber schwieg.“
Das reicht. Hier sehen wir die nächtliche Verhandlung im Privathaus des Hohenpriesters Kajafas. Der eigentliche Prozess Jesu, der juristisch gelten sollte, fand erst statt, als das Morgenlicht am Freitagmorgen aufging.
Matthäus 27, Verse 1 und 2, kann jemand kurz lesen? Ja, das ist wichtig: „Als es aber Morgen geworden war, versammelten sich die führenden Priester und Ältesten des Volkes gegen Jesus, dass sie ihn zum Tod verurteilten.“
In der rabbinischen Literatur findet man das Gesetz, dass eine Gerichtssache, wenn es um Leben und Tod geht, nicht nachts geführt werden darf. Nach dem Passafest, als der Herr Jesus im Garten Gethsemane verhaftet wurde, konnte keine Gerichtsverhandlung durchgeführt werden.
Um die Zeit auszunutzen, fanden zunächst Zusammenkünfte im Privathaus von Annas, dem Schwiegervater von Kajafas, statt – das wird nur im Johannesevangelium erwähnt – und dann wurde Jesus zu Kajafas gebracht.
Bei dieser Verhandlung wurden bereits Zeugen aufgerufen, um gegen den Herrn auszusagen. So wollte man Zeit sparen. Es war zwar inoffiziell und unverbindlich, aber man hatte Vorarbeit geleistet. Sobald die Sonne aufging, konnte man in die königliche Säulenhalle, den Sitz des Sanhedrins, eilen und die Gerichtsverhandlung durchführen.
Das zeigt den Hass gegen den Herrn Jesus. Man umging das Gesetz, indem man die Gerichtsverhandlung zwar durchführte, aber inoffiziell. Das Ergebnis war bereits für den Morgen klar. Kurz darauf konnte die Todesstrafe gefällt werden.
Da das Judentum damals von den Römern keine Todesstrafe vollstrecken durfte, musste Jesus Pontius Pilatus, dem Landpfleger, übergeben werden, damit dieser die Todesstrafe vollzieht.
In der rabbinischen Literatur steht auch, dass das Ergebnis einer Gerichtsverhandlung nicht von Anfang an festgelegt sein darf, wenn es um Leben und Tod geht. Doch wir sehen, dass sie zusammenkamen.
Matthäus 26, Vers 59: „Die führenden Priester, Ältesten und das ganze Sanhedrin suchten falsches Zeugnis gegen Jesus, um ihn zu töten, fanden aber keines.“
Das Ziel war klar: Er muss sterben. Nun brauchten sie Gründe dafür. Das offenbart den ganzen Hass. Der Herr Jesus hatte drei Jahre lang nur Gutes getan, doch sie feindeten ihn an, wie es in Psalm 109, Vers 4 heißt: „Mit Worten des Hasses haben sie mich umgeben und ohne Ursache gegen mich gestritten. Für meine Liebe feindeten sie mich an.“
Damit wir sehen, was der Herr getan hat: Petrus beschreibt in Apostelgeschichte 10 den Dienst des Herrn Jesus. Dort wird deutlich, wie sehr man ihn für das Gute angefeindet hat.
Apostelgeschichte 10, Vers 38: „Jesus von Nazareth, wie Gott gesalbt mit Heiligem Geist und Kraft, zog umher und tat Gutes und heilte alle, die vom Teufel überwältigt waren, denn Gott war mit ihm.“
Das ist eine knappe Zusammenfassung seines Dienstes: Jesus von Nazareth zog wohltuend und heilend umher, alle, die vom Teufel überwältigt waren, wurden geheilt. Gott war mit ihm. Das Ergebnis: Er musste sterben.
Das ist wirklich Hass und Ablehnung des Erlösers, obwohl man keinen Grund dafür hatte. In Psalm 109, Vers 4, heißt es über die Haltung des Herrn Jesus: „Dafür, dass ich sie liebe, feindeten sie mich an, ich aber bin stets im Gebet.“ Wer liest das nochmal? Ja, die neue Elberfelder oder die alte? Die neue, richtig.
In der neuen Elberfelder steht in Klammern „stets“, was bedeutet, dass er ständig gebetet hat. Im hebräischen Text steht das nicht ausdrücklich, sondern wurde für das bessere Verständnis im Deutschen ergänzt.
Wörtlich steht im Hebräischen: „Wa ani de fila, Ani de fila“ – „Ich bete.“ Das ganze Leben des Herrn Jesus war Gebet. Er war in vollkommener Gemeinschaft mit dem Vater, sein ganzes Leben lang im Gebet.
Im Neuen Testament finden wir verschiedene Aufrufe, immerzu zu beten. Zum Beispiel sagt der Herr Jesus seinen Jüngern in Lukas 18, Vers 1, dass sie allezeit beten sollen.
Dort kommt das Gleichnis von der Witwe, die ständig zum ungerechten Richter ging. Weil sie den Richter mit ihrem Anliegen unermüdlich bearbeitete, gewährte er ihr schließlich Recht, damit sie nicht weiter nervt.
Dieses Gleichnis zeigt uns, wie wir uns gegenüber dem gerechten Richter im Gebet verhalten sollen: eindringlich, beharrlich und anhaltend.
Natürlich ist damit nicht gemeint, dass kein Moment ohne Gebet vergeht. Gott will, dass wir unsere Arbeit tun und sie gut tun. Es drückt aus, dass eine ständige Verbindung da ist – eine Art „Online-Verbindung“ zum Herrn.
Heute versteht man das gut mit dem Computer: Der PC läuft den ganzen Tag, auch wenn man nicht ständig E-Mails anschaut. Die Verbindung ist da, und plötzlich kommt eine Nachricht rein, es findet Kommunikation statt.
So sollten Gläubige eine ständige innere Verbindung zum Vater durch den Heiligen Geist haben. Der Herr Jesus ist das vollkommene Beispiel dafür: „Ich aber bin Gebet.“
Im Lukasevangelium finden wir den Herrn Jesus elfmal im Gebet. Schauen wir uns das kurz an:
Die erste Stelle ist Lukas 3, Vers 21. Das war, bevor der Herr öffentlich zu dienen begann.
Lukas 3,21-22: „Es geschah aber, als das ganze Volk getauft wurde, dass auch Jesus getauft wurde und betete. Und der Himmel öffnete sich, und der Heilige Geist kam in leiblicher Gestalt wie eine Taube auf ihn herab. Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.“
Er begann seinen öffentlichen Dienst mit Gebet, obwohl er der Sohn Gottes war und alle Macht hatte. Als Mensch war er so abhängig vom Vater, dass er mit Gebet seinen Dienst begann.
Wenn er das schon so tat, wie viel wichtiger ist es für uns, keinen Dienst ohne Abhängigkeit von Gott im Gebet zu tun.
Die nächste Stelle ist Lukas 6, Vers 12: „Es geschah aber in jenen Tagen, dass er auf einen Berg ging, um zu beten, und die ganze Nacht im Gebet zu Gott verharrte.“
Das war, bevor er die zwölf Jünger auswählte, um Apostel zu werden. Er verbrachte die ganze Nacht im Gebet.
Dann kam die Wahl der Zwölf, darunter Petrus (Vers 14), Andreas, Jakobus, Johannes und schließlich Judas Iskariot (Vers 16), der sein Verräter wurde.
Jesus wusste von Anfang an, wer sein Verräter sein würde (Johannes 6). Er sagte: „Einer von euch ist ein Teufel.“ Für „Teufel“ steht das griechische Wort „Diabolos“, was Verleumder bedeutet.
Die hebräische Rückübersetzung von „Diabolos“ ist „Satan“. Dieses Wort kommt von einem Verb, das „widerstehen“ bedeutet, im Sinne von jemandem feindlich gegenübertreten, besonders vor Gericht als Ankläger.
„Satan“ als Name des Teufels bedeutet also „der Ankläger“, der gegen die Gläubigen vor Gott auftritt.
Dieser Gedanke ist wichtig für Psalm 109. Dort geht es darum, wie der Teufel in der Zukunft vor Beginn der großen Drangsalszeit aus dem Himmel hinausgeworfen wird.
Wer liest Offenbarung 12, Vers 9 und folgende? „Und der große Drache, die alte Schlange, die Teufel und Satan genannt wird, der die ganze Welt verführt, wurde auf die Erde geworfen, und mit ihm wurden seine Engel geworfen.“
„Der Verkläger unserer Brüder, der sie vor unserem Gott Tag und Nacht verklagt, wurde gestürzt. Sie haben ihn überwunden durch das Blut des Lammes und durch das Wort ihres Zeugnisses und haben ihr Leben nicht geliebt bis in den Tod.“
„Darum seid fröhlich, ihr Himmel und die darin wohnen! Wehe denen, die auf der Erde wohnen und am Meer, denn der Teufel ist zu euch herabgekommen mit großem Zorn, weil er weiß, dass er nur wenig Zeit hat.“
Hier wird der Teufel als Verkläger unserer Brüder bezeichnet, der ständig die Gläubigen vor Gott verklagt, sobald ein Kind Gottes sündigt.
Doch 1. Johannes 2, Vers 1 sagt: „Wir haben einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesus Christus, den Gerechten.“
Jesus Christus ist unser Anwalt. Er spricht für uns vor dem Vater, bezeugt, dass er für unsere Sünden gestorben ist, und wirkt in uns, dass wir unsere Sünden erkennen und vor Gott ordnen.
Der Teufel ist der Ankläger, der nicht nur die Wahrheit sagt, sondern sie so verdreht, dass es zu unserem Nachteil ist.
„Satan“ drückt aus, dass dieser Hass und die Feindseligkeit gegen die Gläubigen aus tiefem Hass entstehen.
Judas wird hier als Teufel bezeichnet, als Satan, der sich gegen den Herrn wendet. Kommen wir zurück zu Psalm 109, Vers 4, wer liest? „Für meine Liebe feindeten sie mich an, ich aber bin stets im Gebet.“
Das Wort „anfeinden“ ist auf Hebräisch „Satan“. Es kommt auch in Vers 20 vor, und in Vers 6 heißt es: „Ein Verkläger tritt zu seiner Rechten.“
Hier ist „Satan“ als Name des Widersachers gemeint. Das göttliche Gericht, das David ausspricht, soll sich gegen diese Menschen wenden, die sich als „Satane“ gegen den Herrn aufgeführt haben.
In Vers 6 heißt es, dass dieser Satan zu seiner Rechten treten soll – die rechte Seite ist die Seite der Ehre, hier aber der Platz des Widersachers.
In Vers 6 steht dieser Satan auf der Seite der Widersacher des Herrn, während Gott in Vers 1 des Psalms den Ehrenplatz zur Rechten des Armen gibt, um ihn zu retten. Psalm 110, Vers 1 sagt: „Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße mache.“
Das ist sehr interessant. Nun zurück zum Lukasevangelium. Schauen wir die nächste Stelle über das Gebet an: Lukas 9, Vers 18: „Es geschah, als er für sich allein betete, waren die Jünger bei ihm, und er fragte sie: Was sagen die Volksmengen, wer bin ich?“
In diesem Zusammenhang kommt das schöne Bekenntnis des Petrus: Er bekennt, dass Jesus der Christus, der Messias, der Sohn Gottes ist. Auch hier betet Jesus für sich allein, bevor er die Jünger anspricht, um ihre Entscheidung zu hören.
Im gleichen Kapitel, Vers 28: „Etwa acht Tage nach diesen Worten stieg er mit Petrus, Johannes und Jakobus auf einen Berg, um zu beten. Und als er betete, veränderte sich sein Aussehen, und sein Gewand wurde weiß und strahlend.“
Diese Verklärung auf dem Berg war sehr wichtig. Für die Juden bedeutete sie, dass der Messias kommen und auf Erden herrschen wird.
Der Herr Jesus kam als der leitende Messias, der von der Masse verworfen werden sollte. Diese Begebenheit war ein Pfand, um den Jüngern zu zeigen, dass mit dem herrschenden Messias die Herrschaft kommt – aber erst in der Zukunft.
Sie sollten an einen verworfenen Messias glauben, so wie David, der jahrelang verworfen war, obwohl er gesalbt war. Erst später kam seine Königsherrschaft.
Dieses Zeugnis war wichtig, damit es von Petrus, Jakobus und Johannes, den führenden Aposteln, weitergetragen werden konnte.
Der Herr hatte die Herrschaft noch nicht angetreten, aber sie sahen ihn bereits in der Herrlichkeit, wie er sie im Tausendjährigen Reich haben wird.
Das ist auch der Grund, warum der Teufel versucht hat, diese Zeugen zu eliminieren. In Apostelgeschichte 12 wurde Jakobus von einem Sohn Herodes’ getötet.
Als der König sah, dass es der Masse der Juden gefiel, wollte er auch Petrus töten. Doch die Gemeinde betete um Befreiung, und Petrus wurde aus dem Gefängnis befreit.
Man kann sich fragen, warum Jakobus sterben musste, Petrus aber nicht. Das ist die Souveränität Gottes.
Mindestens zwei Zeugen mussten erhalten bleiben, um das Zeugnis weiterzutragen: Johannes und Petrus.
Im Gesetz, 5. Mose 19, Vers 15, heißt es, dass ein glaubwürdiges Zeugnis durch zwei oder drei Zeugen bestätigt werden muss.
Darum nahm der Herr Jesus drei Zeugen auf den Berg mit. Als einer starb, wurden die anderen beiden von Gott bewahrt.
Petrus starb durch Kreuzigung um 67 nach Christus, Johannes überlebte alle Apostel und starb erst zu Beginn der drei Jahre der Regierung, etwa um 100 nach Christus.
So trug er das Zeugnis weiter. Auch bevor dieses Zeugnis öffentlich wurde, finden wir den Herrn Jesus im Gebet. Er wusste, was kommen würde.
Die nächste Stelle wollen wir nach der Pause anschauen. Wir machen jetzt 20 Minuten Pause.
Wir hatten noch eine Stelle über das Gebet ausgelassen, Lukas 5, Vers 16. Wer liest? „Er aber zog sich zurück in die Wüste und betete.“
Der Zusammenhang ist wichtig. Im Abschnitt davor geht es um die Heilung eines Aussätzigen, der nach Jerusalem gehen musste, um sich den Priestern zu zeigen und die Opfer nach 3. Mose 13 und 14 darzubringen.
Man muss wissen, dass Aussatz damals eine schreckliche Krankheit war. Im Judentum sagte man, ein Aussätziger sei ein lebendig Begrabener.
Man sagte, es sei so schwierig, einen Aussätzigen zu heilen, wie einen Toten aufzuerwecken.
In 3. Mose 13 und 14 sind die Vorschriften für die Priester zur Diagnose von echtem Aussatz gegeben, im Gegensatz zu anderen Hautkrankheiten.
Kapitel 14 beschreibt, welche Opfer ein geheilter Aussätziger darbringen muss.
Im Alten Testament finden wir kaum Beispiele für Heilung von Aussatz, außer bei Miriam in 4. Mose, die eine Woche Aussatz hatte.
Die zehn Aussätzigen, die der Herr Jesus heilte, sind ein neues Testament-Wunder.
Im Alten Testament gab es keine Heilung von Aussatz bei Israeliten, nur bei Ausländern wie Naaman, dem Syrer.
Das ist erstaunlich. Nun kommt der Herr Jesus und heilt einen Aussätzigen.
Dieses Wunder war im jüdischen Kontext so außergewöhnlich, dass die Frage gestellt wurde: Ist dieser Mann der Messias?
Der geheilte Aussätzige musste nach Jerusalem gehen, um sich den Priestern zu zeigen. Dort war seine Krankheit diagnostiziert worden, und er war aus der Gesellschaft ausgeschlossen.
Jetzt kam er zurück, geheilt. Die Priester konnten ihn identifizieren.
Der Sanhedrin, geleitet vom Hohenpriester Kajafas, musste sich fragen: Ist das der Messias oder nicht?
Der nächste Vers, Lukas 5, Vers 17, wer liest? „Und es geschah an einem der Tage, dass er lehrte, und es saßen Pharisäer und Gesetzeslehrer da, die aus jedem Dorf Galiläas, Judäas und aus Jerusalem gekommen waren. Und die Kraft des Herrn war bei ihm, um zu heilen.“
Das ist erstaunlich. Man sieht, wie schnell wir manchmal in der Bibel Dinge überlesen.
Woher kamen diese Gesetzeslehrer, um den Herrn Jesus zu hören? Aus jedem Dorf Galiläas und Judäas, also aus ganz Israel.
Die gesamte rabbinische Führung Israels musste sich der Frage stellen: Ist das der Messias oder nicht?
Zuerst sagten sie nichts, später begannen sie Fragen zu stellen, um zu testen, ob er der Messias ist.
Der Herr Jesus ist im Gebet. Das war der entscheidende Punkt für Israel, ihn als Messias zu erkennen oder zu verwerfen.
Auch aus Jerusalem kamen die führenden Rabbiner.
In Matthäus 23 sagt Jesus zu Jerusalem: „Jerusalem, Jerusalem, wie oft wollte ich deine Kinder versammeln, wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel sammelt, und ihr wolltet nicht.“
Doch der Herr ist in Gemeinschaft mit dem Vater.
Weiter in Lukas 11: Die Jünger nehmen das Beten des Herrn wahr, und sein Beispiel macht ihnen Mut, auch zu beten.
Der Herr lehrt sie das Vaterunser: „Wenn ihr betet, sprecht: Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, gib uns unser tägliches Brot…“ (Verse 41 und 42).
Er richtet sich etwa eine Steinwurfweite von ihnen entfernt aus.
Der Herr sieht in Gethsemane die Schrecken von Golgatha vor sich. Er weiß, dass er von Gott getrennt sein wird, weil er der Sündenträger sein soll.
Er bittet: „Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber!“
Doch er ist bereit, den Weg zu gehen, wenn es keine andere Möglichkeit gibt.
Im gleichen Kapitel, Vers 31, betet Jesus für Simon Petrus, im Blick auf den Moment, wo Petrus ihn verleugnen würde.
Das war ein kritischer Moment, in dem sein Glaube Schiffbruch hätte erleiden können.
Der Satan wollte das.
Darum sagte Jesus: „Der Satan hat begehrt, euch zu sichten wie den Weizen.“
Das bedeutet, der Glaube von Petrus sollte geprüft werden, ob er echt ist.
Petrus fiel, aber nicht endgültig.
Der Herr betete für ihn, dass sein Glaube nicht aufhöre.
Er hatte auch die Wiederherstellung im Blick, die Petrus befähigen sollte, die anderen als Hirte zu stärken.
Darum gab der Herr Jesus nach seiner Auferstehung in Johannes 21 Petrus den Auftrag: „Hüte meine Schafe, weide meine Lämmer.“
Nachdem er Petrus gefragt hatte: „Liebst du mich mehr als diese?“
Petrus verlor seinen Stolz und Hochmut und konnte den Auftrag annehmen.
So sehen wir das Gebet des Herrn Jesus in der Fürbitte für seine Jünger.
Weiter, Lukas 23, Vers 34: Hier betet der Herr um Gnade für seine Widersacher.
In Psalm 109 finden wir Davids Aufruf zum Gericht über die Feinde des Messias – das ist die eine Seite.
Die andere Seite ist hier das Gebet des Herrn Jesus um Gnade.
Sogar diejenigen, die ihn ans Kreuz gebracht hatten, konnten noch Vergebung empfangen.
Wenn sie diese Gelegenheit nicht wahrnahmen, blieb nur das Gericht, wie es in Psalm 109 in schrecklichen Worten dargestellt wird.
Im Moment des Sterbens, Lukas 23, Vers 46, wer liest? „Vater, in deine Hände übergebe ich meinen Geist.“
Als er dies gesagt hatte, verschied er.
Das Gebet des Herrn im Sterbemoment ist so schön.
In dem Lied „O Haupt voll Blut und Wunden“ heißt es in der letzten Strophe: „Und wenn ich einmal soll scheiden, so scheide nicht von mir.“
Der Moment des Sterbens ist auch für Gläubige eine schwere Stunde.
Die Freude ist, dass wir wissen, wohin wir gehen und die Herrlichkeit danach.
Doch das Sterben ist eine Folge der Sünde und des Sündenfalls.
Der Tod wird in der Bibel klar als Feind bezeichnet (1. Korinther 15).
Selbst in diesem Moment darf der Gläubige im Vertrauen auf den Erlöser im Gebet hinübergehen.
Darum lesen wir in 1. Thessalonicher 4, Vers 13 von den Gläubigen, die bereits verstorben sind: „Von denen, die durch Jesus entschlafen sind.“
„Durch Jesus entschlafen“ ist ein wunderbarer Ausdruck. Es bedeutet, dass die Gläubigen im Sterben vom Herrn in die Arme genommen werden.
Dann Lukas 24, Vers 30: „Als er mit ihnen zu Tisch lag, nahm er das Brot, segnete es, brach es und gab es ihnen.“
Ihre Augen wurden geöffnet, und sie erkannten ihn, doch er wurde unsichtbar.
Das bezieht sich auf die Geschichte mit den Emmaus-Jüngern, mit denen der Herr den zweieinhalbstündigen Weg gegangen war und das Alte Testament erklärt hatte.
Sie hatten nicht erkannt, wer dieser Fremde war.
Dann baten sie ihn: „Bleib bei uns, es will Abend werden!“
Er nahm das Brot, dankte vor dem Essen – das heißt, er segnete es, das Dankgebet vor dem Essen.
Beim Brotbrechen sahen sie seine Wunden an den Händen, den Erlöser, und dann verschwand er.
Er betete vor dem Essen und offenbarte sich so seinen Jüngern als Erlöser.
Diese elf Stellen über das Beten finden wir so nirgends in den Evangelien als im Lukasevangelium.
Das Lukasevangelium setzt den Akzent auf eine Seite des Herrn: den wahren, vollkommenen Menschen.
Matthäus betont den König, Markus den vollendeten Knecht, Lukas den vollkommenen Menschen und Johannes den wahren Gott.
Es ist eindrücklich, dass gerade in diesem Evangelium, wo die Menschheit Jesu am meisten betont wird, ein roter Faden durch das Evangelium führt: Jesus betet.
Das illustriert so schön Psalm 109, Vers 4: „Ich aber bin stets im Gebet.“
Das ist das vollkommene Vorbild des Herrn Jesus für eine tiefe, anhaltende Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn durch den Heiligen Geist.
Gericht über die Widersacher des Messias und die Rolle Judas
Ja, und jetzt kommen wir zurück zu Psalm 109. Ab Vers 6 folgt der Aufruf zum Gericht über die Widersacher des Messias. Das hatten wir schon einmal in einem Psalm, in Psalm 69. Schlagen wir diesen kurz auf. Dort haben wir gesehen, wie die Verse 1 bis etwa 21 sich ganz auf den Herrn Jesus in seinen Leiden beziehen, ganz besonders am Kreuz.
Liest noch jemand vielleicht die Verse 21 bis 22? „Die Schmach hat mein Herz gebrochen, und ich bin elend. Ich wartete auf Mitleid und auch Tröster, aber ich fand sie nicht. Und sie gab mir Galle zur Speise, Essig zu trinken in meinem Durst.“
Das hat sich ganz eindrücklich am Kreuz erfüllt. Beides, diese Galle, diese bittere Beigabe mit Droge zur Schmerzstillung, die die Soldaten dem Herrn anboten, hat er nicht angenommen. Denn er, als Sündenträger, der stellvertretend unter dem Gericht Gottes leiden sollte, wollte keine Schmerzstillung. Das dürfen wir nicht auf uns anwenden, wenn wir leiden, dass wir keine Schmerzmittel benutzen dürften. Glücklicherweise hat die Medizin in dieser Hinsicht unglaubliche Fortschritte gemacht, wie man Schmerzmittel so fein dosieren kann. Das ist gewaltig.
Ich erinnere mich, wie mein Vater mir als Kind erzählte von einer Verwandten, die an Krebs gestorben ist und das Taschentuch in den Mund nahm, um nicht vor Schmerzen laut herauszuschreien. Die heutige Schmerztherapie ist wirklich etwas Gewaltiges, wofür wir Gott danken sollen.
Beim Herrn ging es jedoch darum, dass er das Gericht Gottes auf sich nehmen wollte für unsere Sünden. Deshalb nahm er keine Schmerzstillung an, aber den Essig als reinen Durstlöscher hat er angenommen. Darauf bezieht sich der Text.
Jetzt kommt die Ankündigung des Gerichts ab Vers 23. Wer liest da? „Und zum Fallstrick den Sorglosen. Ihre Augen sollen finster werden, dass sie nicht mehr sehen, und ihre Lenden sollen allezeit ranken. Gieße deinen Grimm über sie aus, und die Glut deines Zorns erfasse sie. Ihre Wohnstätte soll verwüstet werden, und in ihren Zelten wohne niemand mehr, denn sie verfolgen den, welchen du geschlagen hast, und haben sich unterhalten über die Schmerzen deiner Verwundeten.“
Hier wird das Gericht über die Feinde des Messias ausgerufen. Von ihm wird gesagt, Vers 27: „Denn den, den du geschlagen hast, haben sie verfolgt.“
In Römer 10 wird aus diesen Versen zitiert, und dort werden diese Verse als Gerichtsausspruch von David vorgestellt. Paulus erklärt in Römer 11, dass über das jüdische Volk, das den Messias verworfen hatte, das Gericht Gottes kommen musste. Das wird belegt mit Psalm 69, Römer 11, Vers 9 (oder Vers 8, des Zusammenhangs wegen): „Wie geschrieben steht: Gott hat ihnen einen Geist der Betäubung gegeben, Augen, dass sie nicht sehen, und Ohren, dass sie nicht hören bis auf den heutigen Tag. David spricht: Lass ihren Tisch zur Falle werden und zu einer Schlinge und ihnen zum Anstoß und zur Vergeltung. Ihre Augen sollen finster werden, dass sie nicht sehen, und ihren Rücken beuge allezeit.“
Das ist also direkt aus Psalm 69. David, der Patriarch und König Israels, drückt hier das Gericht aus über die aus seinem eigenen Volk, die den Messias verwerfen würden. Wir haben damals gesehen, wie grausam sich das erfüllt hat.
Ihr Tisch wäre vor ihnen zur Schlinge geworden. Der Tisch ist eine Bezeichnung für den Altar in Jerusalem, den Tisch des Herrn (Malachi 1). Und das wurde tatsächlich, wie hier steht, zur Falle für Israel im Jahr 70 nach Christus. Im Frühjahr 70 gingen die Juden aus dem ganzen Land Israel, aus allen Städten, nach Jerusalem zum Passafest. Das war der Zeitpunkt, als Titus, der Feldherr von Rom, nach Israel kam, um im Auftrag seines Vaters Vespasian den Krieg gegen die Juden zu Ende zu führen.
Josephus Flavius beschreibt das eindrücklich: Er sah die Festbesucher nach Jerusalem hinaufziehen und wartete, bis die Stadt zum Bersten voll war. Die Passalämmer mussten ja in Jerusalem geschlachtet werden. Man durfte kein Passalam essen, das nicht beim Altar, beim Tisch des Herrn in Jerusalem, geschlachtet worden war. Darum mussten alle in die Stadt.
Dann schloss Titus endgültig den Belagerungsring, und in 140 Tagen war die Stadt dem Erdboden gleichgemacht. Josephus berichtet von etwa einer Million Toten. So wurde der Tisch des Herrn ihnen zur Falle.
Alle Juden, die glaubten, dass Jesus der Messias ist, gingen nicht mehr nach Jerusalem. Denn der Herr hatte in Lukas 21 gesagt: „Wenn ihr Jerusalem von Armeen umzingelt seht, so wisst, dass ihre Zerstörung nahe ist. Dann sollen die, die in Judäa sind, auf die Berge fliehen und nicht in die Stadt zurückkehren.“
So wussten sie, dass sie auch beim Passa nicht nach Jerusalem gehen durften. Sie mussten ins Westjordanland auf die Berge fliehen. Alle sind gerettet worden. Von keinem einzigen messiasgläubigen Juden ist bekannt, dass er in die Falle getreten ist und nach Jerusalem ging.
Schrecklich hat sich dieses Wort erfüllt. Im Psalm 69 lesen wir auch, Vers 25: „Verwüstet sei ihre Wohnung, in ihren Zelten sei kein Bewohner.“ Das hat Petrus auch zitiert in Apostelgeschichte 1, Vers 20, und dann auf Judas bezogen. Dabei ist sogar die Mehrzahl gemeint: „Verwüstet sei ihre Wohnung.“ So bezieht sich das auf alle Feinde des Herrn. Diese Gerichtsankündigungen gelten für alle, die sich gegen den Herrn Jesus wandten und ihn ablehnten.
Das wird eindringlich in der Einzahl beschrieben, aber wir finden auch den Plural, zum Beispiel in Psalm 109, Vers 29 und auch Vers 20. „Das sei der Lohn meiner Widersacher von Seiten des Herrn und derer, die Böses reden gegen meine Seele.“
In Vers 8 hat sich dieser ausgewiesene Feind des Herrn, Judas, ganz speziell erfüllt. „Seine Tage seien wenige, sein Amt empfange ein anderer.“ Er beging Selbstmord und war vielleicht etwa so alt wie der Herr, um die dreißig Jahre. Ganz schrecklich. Man muss sagen, der Selbstmord war ein Gericht Gottes über Judas.
Der Herr hatte ihm während der drei Jahre immer wieder Gelegenheit zur Umkehr gegeben. Er hatte ihm auch die Kasse anvertraut, doch Judas betätigte sich immer wieder als Dieb, wie Johannes 12 berichtet. Er entwendete immer wieder Geld.
Der Herr vertraute ihm diese Aufgabe an, um ihn zu testen und sein Gewissen zu wecken. Doch Judas blieb beim Betrug bis zum Schluss. Als er schließlich sah, dass er mit dem Verrat des Herrn Geld machen könnte, erhob er sich aus Geldliebe gegen seinen Herrn.
Im Garten Gethsemane, wo Judas mit den Feinden zur Verhaftung kam, wie hat der Herr ihn begrüßt? Judas küsste ihn, aber der Herr sagte: „Freund, wozu bist du gekommen?“ Dieses Wort „Freund“ hätte ihn noch einmal zusammenzucken lassen sollen.
Man könnte einwenden, dass der Satan bereits am Vorabend in ihn gefahren war. Doch Besessene können immer wieder frei werden. Es ist nicht endgültig. Auch Besessene können noch frei werden.
Der Herr sagt: „Freund, wozu bist du gekommen?“ Judas bricht nicht sofort zusammen. Der Zusammenbruch kommt erst später. Hier sehen wir, dass Gott Gnade gibt und immer wieder ruft. Aber es gibt auch ein „zu spät“. So ließ Gott schließlich diesen Judas stürzen und fallen.
Lesen wir ganz speziell Psalm 109, Vers 16. Dort spricht David über den Messias. Wer liest Vers 16? „Weil er nicht daran dachte, Gnade walten zu lassen, sondern den elenden und armen Mann verfolgte, den der verzagten Herzens war, um ihn zu töten.“
David spricht hier vom Messias, der aus seinen Ländern als Mensch hervorkommen sollte, der elende und arme Mann, verzagt des Herzens. Wir denken an Jesus in Gethsemane. Gerade in Lukas, wo seine Menschheit besonders betont wird, lesen wir, dass sein Schweiß wie Blutstropfen wurde.
Das muss man sehr konkret nehmen. In der Medizin ist das Phänomen bekannt, aber nur bei ganz extremen seelischen Belastungen, dass Blut aus den Blutgefäßen ins Gewebe austritt. Der Ausdruck „Blut schwitzen“ ist im Volksmund nicht medizinisch falsch, sondern es gibt das tatsächlich.
Das zeigt uns, was der Herr empfand, als er die Schrecken von Golgatha vor sich sah. Nicht nur das, was die Menschen ihm antun würden bei der Kreuzigung – etwas Brutaleres kann man sich kaum vorstellen –, sondern auch das Gericht Gottes, das über ihn kommen sollte.
Er wurde zu Sünde gemacht, doch er gedachte nicht, Güte zu üben, sondern verfolgte den elenden und armen Mann und den, der verzagten Herzens war, um ihn zu töten.
Er liebte den Fluch, so komme er auf ihn. Das Bild in Vers 18 ist drastisch. Wer liest das noch? „Er zog den Fluch an wie sein Kleid, so dringe er wie Wasser in sein Inneres, wie Öl in seine Gewebe.“
Man muss sich vorstellen, Öl, das man auf die Haut reibt. Öl hat die Eigenschaft, schnell ins Gewebe einzudringen. So soll der Fluch über ihn kommen, wie Öl, das in den Körper, ins Gewebe eingerieben wird. Ein schreckliches Bild.
Von diesem Fluch heißt es in Vers 19: „Er sei wie ein Gewand, in das er sich hüllt, wie ein Gürtel, womit er stets gegürtet ist.“ Der Fluch als Gewand.
Als Gegensatz könnte man Römer 13 am Schluss lesen: Anstatt „das Kleid des Fluches“ heißt es dort: „Lasst uns anständig wandeln wie am Tag, nicht in Schwälgerei und Trinkgelagen, nicht in Unzucht und Ausschweifungen, nicht in Streit und Eifersucht, sondern zieht den Herrn Jesus Christus an und treibt nicht Vorsorge für das Fleisch, damit die Begierden erwachen.“
Hier haben wir den Ausdruck: „Sondern zieht den Herrn Jesus Christus an.“ Das ist die enge Verbundenheit der Erlösten mit ihrem Erlöser. So eng, wie wir mit Kleidern verbunden sind, so sind wir in ihn gehüllt.
Das ist der Kontrast zu denen, die den Fluch anziehen, weil sie Feinde des Herrn bis zum Schluss bleiben wollen.
Im Psalm 109 kommt dann eine interessante Wende, Vers 20. Wer liest Vers 20? Hier kann man natürlich nicht mehr sagen, David spricht, sondern hier spricht der Herr selbst. In der Übersetzung, die wir gehört haben, klingt es wie ein Wunsch, wie das vorher geschehen ist. Aber im Hebräischen steht hier keine Jussiv-Form (Wunschform).
In den Versen davor steht oft „jehi“ – „es möge sein“. Aber hier heißt es wörtlich: „Sot peulat sotnai“, „dies ist der Lohn meiner Widersacher.“
Die Übersetzer dachten, im ganzen Zusammenhang seien es Jussiv-Formen, und ergänzten sinngemäß hier ein Verb als Jussiv. Aber streng genommen steht hier einfach die Feststellung: „Das ist der Lohn meiner Widersacher.“
Nicht der Herr bittet hier um Gericht. Am Kreuz bat er noch um Gnade für seine Widersacher: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“
Ähnlich ist es in Vers 29, wo es heißt: „Begleitet möge sich meine Klage mit Schande und in ihrer Schmach.“ Hier ist eine sogenannte Futurform, die man als Wunsch (Jussiv) oder als reines Futur übersetzen kann: „Sie werden bekleidet werden mit Schande, meine Widersacher.“
So kann man in Psalm 109 unterscheiden zwischen König David, der das Gericht über die Feinde des Messias ausspricht, und dem Herrn, der feststellt, dass dieses Gericht so kommen wird.
In 1. Petrus 2, im letzten Abschnitt, sagt der Apostel, dass wir den Fußstapfen des Herrn Jesus nachfolgen sollen, der gelitten hat, ohne zurückzuschlagen oder zu drohen, sondern sich dem übergab, der gerecht richtet.
Das ist der Punkt: Sich dem zu übergeben, der gerecht richtet.
In Römer 12, am Schluss, werden die Gläubigen aufgefordert: „Rächt euch nicht selbst.“ Als Nachfolger des Herrn wünschen wir nicht die Rache für unsere Widersacher, sondern Gnade.
So hat der Herr getan. Sein Gebet „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ war keine bedingungslose Allversöhnung, sondern damit ihnen tatsächlich ab Apostelgeschichte 2, 3, 4, 5, 6, 7 das Evangelium verkündigt wurde.
Auch der Sanhedrin hatte wiederholt Gelegenheit, kollektiv Buße zu tun. Doch sie taten es nicht. Trotzdem heißt es in Apostelgeschichte 6, dass viele Priester dem Glauben gehorsam wurden. Viele Priester erkannten im Nachhinein: Unsere Opfer im Tempel – das war genau das, was in diesen Tagen geschah. Der Messias gab sein Leben am Kreuz.
So erfüllte sich das Wort: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Es ist keine bedingungslose Gnade ohne Ende. Es gibt ein Gericht. Es gibt ein „zu spät“.
So sagt der Herr in Vers 20: „Das ist der Lohn meiner Widersacher von Seiten des Herrn.“
Dann sehen wir, wie der Herr als Mensch betet, Vers 25. Wer liest? „Und ich bin ihnen zum Hohn geworden. Wenn sie mich sehen, schütteln sie den Kopf.“
In Matthäus 27,39 schüttelten die Vorübergehenden den Kopf. Judas’ Schuld wird auch auf seine Eltern zurückgeführt. So verstehe ich Vers 14: „Gedacht werde vor dem Herrn der Ungerechtigkeit seiner Väter.“
Ezechiel lehrt ganz ausdrücklich, dass Kinder nicht für die Sünde ihrer Väter gestraft werden, sondern jeder für seine eigene Schuld (Ezechiel 18). Das ist ein wichtiges Kapitel.
Aber es ist auch so, dass in den Zehn Geboten beim zweiten Gebot steht, dass Gott die Sünde der Väter bis ins dritte und vierte Geschlecht erreichen wird, aber nur derer, die ihn hassen.
Wo Menschen über Generationen im Bösen weitergehen, kommt eines Tages das Gericht – so wie zur Zeit Nebukadnezars über das jüdische Volk. Die Väter gingen im Götzendienst voran, und dann kam der Moment, wo die letzte Generation unter das Gericht der Babylonier kam.
So war es auch im Jahr 70. Da kam das Gericht über das jüdische Volk. In den Jahrzehnten davor fand die Verwerfung des Messias statt.
So kommt quasi ein Punkt, aber nicht bedingungslos, sondern das Gericht über die, die wegen ihrer eigenen Sünden und der Schuld ihrer Väter weitergehen.
Man sieht das manchmal in Familien, wie sich Dinge über Generationen im Übel fortsetzen. Es ist interessant, Familiengeschichten zu betrachten.
Im Gegenzug steht in den Zehn Geboten auch: „Der Güte erweist er über Tausende, denen, die ihn lieben.“
Es ist interessant, wenn man Stammbaumforschung betreibt, wie ich vor kurzem bei jemandem gesehen habe, der bis fast in die Reformationszeit zurückforschte. Dort waren ständig Gläubige in der Familie, bis etwa 1600.
Ich kenne auch eine Familie aus La Rochelle in Frankreich, die Stammbaumforschung betrieben und bis zu einem Onkel von Luther zurückkamen. Das ist erstaunlich.
Man sieht immer wieder, wie sich das weiter fortsetzt. Aber man kann nicht sagen, sie seien auserwählter als andere. Jede Generation muss sich neu bekehren.
Wir haben keine Garantie, dass nicht manche sich als Feinde des Herrn wenden. Aber man sieht den Zusammenhang, wie das über Generationen weitergehen kann – sowohl im Guten als auch im Schlechten.
Niemand ist festgelegt oder determiniert. Gerade in der Zeit der Könige in der Bibel gab es oft gottlose Väter und Urgroßväter, doch dann kam jemand, der umkehrte und unter den Segen Gottes kam. Es gab eine Reformation.
Das zeigt, jede Generation hat die Chance, ganz neu anzufangen und Vergebung und Segen des Herrn zu erhalten. Somit kann dieser Fluch jederzeit abgeschnitten werden.
Zum Schluss noch Vers 29. Wir haben gesehen, dass man ihn als Futur übersetzen kann: „Meine Widersacher werden bekleidet werden mit Schande.“
Dann Vers 30. Wer liest? Jawohl, das reicht.
Der Psalm schließt wieder mit Vers 1: „Gott meines Lobes, schweige nicht.“
Diese Ankündigung des Herrn Jesus müssen wir im Zusammenhang mit Hebräer 2 sehen. Zum Schluss noch Hebräer 2, Vers 11, des Zusammenhangs wegen.
Es geht um den Herrn Jesus, den Anführer der Errettung der Gläubigen. Vers 11: „Denn sowohl der, welcher heiligt, als auch die, welche geheiligt werden, sind alle von einem. Aus diesem Grund schämt er sich nicht, sie Brüder zu nennen, indem er spricht: ‚Kundtun will ich deinen Namen meinen Brüdern, inmitten der Gemeinde will ich dir Lob singen.‘“
Das ist ein Zitat aus Psalm 22. Der Herr Jesus sagt dort als Auferstandener, wie wir damals sahen, wo die Wende kommt, mit der Auferstehung Jesu im Psalm 22, in diesem Kreuzespsalm.
Dann kommt die Ankündigung: „Ich will deinen Namen verkündigen meinen Brüdern.“ Jesus liest Maria Magdalena sagen: „Gehe hin und sage meinen Brüdern: Ich fahre auf zu meinem Gott und zu eurem Gott, zu meinem Vater und zu eurem Vater.“
Hier das Bekenntnis: „Inmitten der Gemeinde will ich dir Lob singen.“
Das tut der Herr Jesus seitdem in allen Gemeinden, wo die Gläubigen versammelt sind, um den Herrn zu loben. Da will er durch sie Gott loben.
Das bedeutet: Der Herr Jesus sagt in Matthäus 18,20, dass da, wo zwei oder drei zu seinem Namen versammelt sind, er in ihrer Mitte ist.
Wo wir im Namen Jesu zusammenkommen, will der Herr Jesus durch seinen Geist das Lob in unseren Herzen bewirken.
Wenn wir als Erlöste gemeinsam singen in Anbetung, tut das der Herr gewissermaßen durch uns. Er, der sein ganzes Leben Gott, dem Vater, vor Augen hatte als „Gott meines Lobes, schweige nicht.“
Wir kommen zum Schluss. Ich möchte nächstes Mal, da mir jetzt die Zeit fehlt, noch die anderen Psalmen hinzufügen, in denen Hinweise auf Judas zu finden sind. Nicht nur Psalm 109.
Ich habe diese Stellen bewusst früher ausgelassen, doch beim nächsten Mal möchte ich Psalm 109 damit verbinden, denn es ergibt sich ein abgeschlossenes Bild über Judas. Dort gehen wir weiter im Thema.
Lasst uns beten.
Herr Jesus, wir möchten dich preisen, dass wir in deinem Wort deine Herrlichkeit sehen durften – in deiner Erniedrigung hier auf Erden, in deinem Gehorsam, in deiner Hingabe bis zum Schluss, bis nach Golgatha, bis hinein in dein Sterben, wo du gebetet hast: „In deine Hände übergebe ich meinen Geist.“
Herr Jesus, du bist uns in allem das vollkommene Vorbild. Wir bitten dich, dass du uns hilfst, wenn wir dich so betrachten, dass wir, wie dein Wort verheißt, immer mehr in dein Bild verwandelt werden.
Du möchtest nicht, dass wir uns dauernd mit uns selbst beschäftigen, sondern mit dir. Doch wir dürfen wissen, dass das auch uns verändert, damit wir wirklich in deinen Fußstapfen vorangehen können.
Dass wir auch den Menschen Gnade wünschen und nicht zurückgeben, sondern uns ganz dir anbefehlen, auch in Momenten, in denen uns Unrecht getan wird.
Wie du, Herr Jesus, der du den Menschen die Möglichkeit gabst zur Buße und Vergebung. Diese Gesinnung möchtest du in unser Herz einprägen.
Amen.
