Einführung in die Struktur des Buches Daniel
In unserer fortlaufenden Betrachtung des Buches Daniel kommen wir heute zu Kapitel 6. Alle haben ein Skript bekommen – wer keines hat, bitte Hand heben. Da vorne gibt es noch welche.
Gleich zu Beginn habe ich die Grobstruktur des Buches noch einmal dargestellt. Wir sehen, dass das Buch Daniel ganz klar aus zehn Teilen besteht. Jeder Teil ist in sich abgeschlossen. Das lässt sich gut an den Kapiteln ablesen: bis Kapitel neun jeweils einzelne Teile, und schließlich bilden die Kapitel zehn bis zwölf eine in sich geschlossene Einheit.
Nun ist es so, dass wir diese zehn Teile deutlich in zwei Blöcke aufteilen können: die Kapitel eins bis fünf und die Kapitel sechs bis zwölf. So ergeben sich zwei parallele Fünferblöcke.
Oft hört man, das Buch Daniel sei in einen historischen und einen prophetischen Teil gegliedert. Diese Einteilung stimmt aber nicht ganz. Man sagt beispielsweise, die ersten sechs Kapitel seien der historische Teil. Doch gerade in Kapitel zwei finden wir sehr viel Prophetie. Andererseits wird behauptet, ab Kapitel sieben bis zum Schluss sei der prophetische Teil. Das stimmt ebenfalls nicht, denn in Kapitel neun gibt es viele historische Bezüge.
Diese Einteilung funktioniert also nicht. Die Aufteilung in zwei Fünferblöcke hingegen schon. Außerdem spiegelt sich der erste Teil von Block I inhaltlich im ersten Teil von Block II wider.
In Kapitel 1 haben wir Daniels Ausbildung in Babylon. Dort wird er gezwungen, Unreines zu essen. Kapitel 6, das parallel dazu steht, zeigt Daniel in Persien – nicht mehr in Babylon. Dort wird er gezwungen, nicht zu beten. In beiden Fällen sehen wir, wie Daniel überwunden hat. In Kapitel 1 hilft Gott ihm aus seiner Not, und wir sehen Ähnliches in Kapitel 6.
Es gibt noch viele weitere Parallelen zwischen diesen beiden Kapiteln, auf die ich nur andeutungsweise eingehe.
Im zweiten Teil von Block I, also Kapitel 2, haben wir den Traum vom Standbild. Darin geht es um die vier Weltreiche von Babylon bis zum Reich Gottes. Dieser Teil spiegelt sich im zweiten Teil von Block II, Kapitel 7, wider. Dort finden wir den Traum von den wilden Tieren, der ebenfalls die vier Weltreiche von Babylon bis zum Reich Gottes darstellt – nur aus einer anderen Perspektive. Eine ganz klare Parallele.
So geht es weiter: Teil drei in Block I spiegelt sich in Teil drei von Block II, Teil vier in Block I spiegelt sich in Teil vier von Block II und so weiter.
Nicht nur das: Wir könnten auch die aramäischen Kapitel des Buches Daniel für sich herausnehmen. Das sind die Kapitel zwei, drei, vier, fünf, sechs und sieben. Auch diese spiegeln sich gegenseitig wider.
Kapitel zwei spiegelt sich klar in Kapitel sieben. Kapitel drei spiegelt sich in Kapitel sechs. Kapitel drei und Kapitel sechs? Ja, natürlich. In Kapitel drei weigern sich die drei Freunde, das Götzenbild anzubeten, und werden in den Feuerofen geworfen. In Kapitel sechs weigert sich Daniel, Gott nicht mehr anzubeten, und wird in die Löwengrube geworfen. In beiden Fällen sendet Gott seinen Engel, um sie zu befreien.
Das setzt sich fort: Kapitel vier spiegelt sich in Kapitel fünf. In Kapitel vier geht es um den Hochmut Nebukadnezars, in Kapitel fünf um den Hochmut Belsazars. Beide werden von Gott gedemütigt. Doch bei Belsazar gibt es keine Gnade mehr. Ihm wird vorgeworfen: „Du hattest das Beispiel deines Vaters Nebukadnezar, hast dich aber trotzdem so am lebendigen Gott versündigt.“ Deshalb ist sein Gericht endgültig.
Das Gleiche könnten wir mit den hebräischen Kapiteln machen, also mit Kapitel eins, dann acht, neun sowie zehn bis zwölf. Auch hier spiegeln sich Inhalte wider.
Was soll das? Ist das nur eine Spielerei? Nein, diese Parallelen helfen uns bei der Auslegung.
Wir werden gleich heute sehen: Wenn wir wissen, dass Kapitel sieben mit den vier wilden Tieren parallel zu Kapitel zwei mit dem Standbild und den vier Teilen steht, wird uns das sehr helfen, um die Texte korrekt auszulegen.
Ich komme darauf zurück.
Die Glaubwürdigkeit des Buches Daniel und seine historische Genauigkeit
Und noch mehr
In der liberalen Theologie hat man versucht, das Buch Daniel unglaubwürdig zu machen. Man behauptete, es sei eine Fälschung aus dem zweiten Jahrhundert vor Christus. Demnach sei alles erfunden.
Später, als es gute Beweise gab, dass Daniel unmöglich einfach so aus dem zweiten Jahrhundert vor Christus stammen kann, änderte man die Ansicht. Man sagte nun, vielleicht seien gewisse Teile noch älter. Aha, und dann habe jemand einfach älteres Material mit gefälschtem neuem Material zusammengemischt.
Doch dadurch würde nie eine so in sich geschlossene Einheit entstehen, in der sich alles widerspiegelt. Gleichzeitig sehen wir eine klare lineare Struktur, die sich schön von einem Kapitel zum anderen durchzieht.
In Daniel 1 finden wir Daniel, der treu war und sich nicht verunreinigen wollte. Dafür gab Gott ihm Weisheit, sogar in der Traumdeutung. Dann kommt Kapitel 2: Niemand kann den Traum Nebukadnezars deuten, außer Daniel.
Kapitel 3 kommt nicht einfach von ungefähr. Dort errichtet Nebukadnezar zu seiner Ehre ein Standbild aus Gold. Natürlich hatte er die Idee von seinem Traum mit dem Standbild, aber in diesem Traum war nur der Kopf aus Gold. Daniel hatte erklärt: Das Haupt von Gold bist du, Nebukadnezar, und nach dir wird ein anderes Reich kommen.
Aber was macht Nebukadnezar? Er stellt sich als eine ganze goldene Statue dar, als würde nichts mehr nach ihm kommen. Das wird in Kapitel 3 vorgestellt, und dort greift Gott ein und entlarvt diesen Irrtum.
So geht es von Kapitel zu Kapitel in einer schönen linearen Struktur weiter. Man sieht, dass das Buch Daniel eine in sich geschlossene und vollkommene Einheit ist. Man kann nicht einfach ein Kapitel herausreißen, denn dann würde die ganze Struktur kaputtgehen.
Darum kann man niemals sagen, gewisse Teile seien älter. Man muss sagen: Alles ist alt, und nichts ist später noch eingeschoben worden. Denn das würde die ganze Einheit aufbrechen.
Das nur mal zur Struktur. Jetzt gehen wir gleich zu Kapitel 6.
Daniel unter Darius dem Meder: Einführung und historische Hintergründe
Ich lese ab Vers 1: "Und Darius, der Meder, bekam das Königreich, als er ungefähr zweiundsechzig Jahre alt war. Es gefiel Darius, über das Königreich hundertzwanzig Satrapen zu bestellen, die im ganzen Königreich sein sollten, und über diese drei Vorsteher, von welchen Daniel einer war, damit jene Satrapen ihnen Rechenschaft geben und der König keinen Schaden erlitte."
Wie Sie hier sehen, haben wir also im Kapitel zuletzt die letzte Party von Belsazar in Babylon betrachtet. Noch in dieser Nacht wurde das Babylonische Reich durch die Meder und Perser erobert. Dadurch wurde erfüllt, was Daniel prophetisch an der Schrift an der Wand gedeutet hatte.
Ich lese nochmals aus Kapitel 5,26-28: "Dies ist die Deutung der Sache: Mene, Gott hat dein Königtum gezählt und macht ihm ein Ende noch in derselben Nacht. Tekel, du bist auf der Waage gewogen und zu leicht befunden worden. Peres – ein Wort, das Teilung bedeutet und zugleich an das Wort Perser anklingt – Peres, dein Königreich wird zerteilt und den Medern und Persern gegeben."
In dieser Nacht wurde Babylon erobert. Die Medo-Perser hatten bereits ein Abkommen mit den Priestern von Babylon geschlossen, die daraufhin die Tore öffneten. Die erstaunlichen Truppen von Kyrus, König von Persien, hatten den Lauf des Euphrats umgelenkt, sodass sie unter den Stadtmauern von Babylon, die als uneinnehmbar galten, im Flussbett vorrücken konnten.
Durch einen Schwertstreich wurde schließlich Belsazar beseitigt. Babylon selbst wurde nicht zerstört. Die Medo-Perser übernahmen den gesamten Beamtenapparat von Babylon praktisch unverändert. Darum stimmt das genau mit dem überein, was wir hier in Daniel 6 lesen: Daniel, der eine wichtige Position früher im babylonischen Reich innehatte, wurde nun auch wieder als hoher Beamter im medopersischen Reich eingesetzt.
Hier steht jedoch nichts von Kyrus, sondern in Vers 1 heißt es: Darius, der Meder. Ihn darf man nicht mit dem König Darius von Persien verwechseln, der später in der biblischen Geschichte erwähnt wird, im Buch Esra und auch in Sacharja und Haggai. Es ist nicht Darius der Perser, sondern Darius der Meder.
Das Interessante ist: Im 19. Jahrhundert, als die Bibelkritik in der liberalen Theologie aufkam, wurde behauptet, Belsazar habe es nie gegeben. Man hielt ihn für eine Erfindung eines Bibelschreibers. Doch genau im 19. Jahrhundert, um 1850, wurden Keilschrifttafeln in Babylon entdeckt. Als man sie entzifferte, waren das originale Tafeln aus Babylon, die Belsazar als letzten Regent in Babylon erwähnten. Damit war die Bibelkritik widerlegt.
Sogar der Spieß wurde umgedreht. In der Geschichte von Belsazar, die wir zuletzt gesehen haben, fragt man sich: Warum versprach Belsazar Daniel, wenn er die Schrift an der Wand deuten könne, dass er der Dritte im Königreich werde? In 5,29 heißt es am Schluss: "Und man rief über ihn aus, dass er der dritte Herrscher im Königreich sein solle." Aber wenn schon Platz zwei nicht möglich war?
Diese Tafeln aus Babylon machten klar: Der eigentliche König von Babylon damals war Nabonid, Belsazars Vater. Er war nicht so politisch interessiert, zog sich zurück in die arabische Wüste und setzte seinen Sohn mit königlichen Zeichen als Vertreter in Babylon ein. Belsazar hatte also den Platz zwei inne, und darum blieb für Daniel nur Platz drei.
Die liberalen Forscher wussten bis dahin nichts von dieser Konstellation in Babylon. Nun dreht sich der Spieß. Der Schreiber des Buchs Daniel kannte diese Details sehr genau. Das zeigt, dass es ein authentischer Schreiber war, der die Situation Babylons im sechsten Jahrhundert genau kannte.
Die Bibelkritik gibt jedoch nie auf. Man behauptete, Darius der Meder habe nie existiert. Das Problem war, dass man keine Schrifttafeln fand, in denen ein Herrscher in Babylon zur Zeit der Perser erwähnt wurde, der auf Darius den Meder gepasst hätte. Doch einige Dinge passten überhaupt nicht zusammen.
Man musste abwarten, bis ein weiterer Gelehrter feststellte, dass bei der Übersetzung dieser Keilschrifttafeln ein Fehler gemacht wurde. Man hatte zwei Personen miteinander vermischt. Man muss nämlich unterscheiden zwischen Gubaru, dem Statthalter von Babylon, und Ugbaru.
Wenn man Gubaru und Ugbaru nicht unterscheidet, passt es natürlich nicht. Doch in einer korrigierten Übersetzung wird klar: Gubaru passt genau auf Darius den Meder.
Der Erste, der das so ganz klar ans Licht brachte, war John C. Whitcomb in seinem Buch "Darius der Meder", das auch auf Deutsch übersetzt wurde. Man staunt, wie dieser Mann mit Scharfsinn und Klarheit des Denkens das so deutlich herausgearbeitet hat. Die ganze Bibelkritik wurde damit über den Haufen geworfen, und die Bibel erwies sich als richtig.
Übrigens kennt man John C. Whitcomb vielleicht eher aus einem anderen Zusammenhang. Er hatte zusammen mit Henry Morris das Buch "The Genesis Flood", später übersetzt als "Die Sintflut", herausgegeben. Das war eines der ersten kreationistischen Bücher, geschrieben etwa Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre.
Dieses Buch brachte einen wesentlichen Durchbruch in der Schöpfungsforschung und im Kampf gegen die Evolutionslehre. John Whitcomb war ein wichtiger Vorkämpfer auf diesem Gebiet. Seither wurden viele Fortschritte gemacht, und nicht alles in diesem Buch kann man heute noch so halten. Dennoch war es ein Pionierwerk, und vieles darin ist auch heute noch beeindruckend.
Übrigens haben Sie auch schon erwähnt, wie interessant das Matterhorn ist – als Amerikaner. Beim Matterhorn ist es so, dass, wenn man die Schichten aufgrund der Fossilien analysiert, was man in der Evolutionslehre normalerweise tut, man anhand der Fossilien das Alter einer Schicht bestimmt.
Sind zum Beispiel nur sogenannte primitivere Fossilien oder ältere Leitfossilien enthalten, wird eine Schicht als alt datiert. Sind höher entwickelte Tiere enthalten, gilt die Schicht als jünger.
Beim Matterhorn ist es jedoch so, dass der Untergrund dieses Viertausenders aufgrund der Fossilien jünger sein muss als der Berg selbst. Natürlich kann man in manchen Fällen eine umgekehrte Reihenfolge durch Überschiebung erklären. Wenn Schichten überschoben werden, können ältere über jüngere Schichten liegen.
So ist es auch in den USA, wo es das riesige Gebiet der sogenannten Lewis Overthrust gibt. Das ist ein großes Gebiet in den Rocky Mountains, wo die Schichten völlig verkehrt liegen. Das wollte man mit einer Überschiebung erklären, daher der Name "Overthrust", was Überschiebung bedeutet.
Doch das Gebiet erstreckt sich über unzählige Quadratkilometer, und es gibt keine Spuren von typischen Zerstörungsspuren, die bei Überschiebungen üblich sind. Diese Erklärung funktioniert also nicht.
Wie will man sich dann erklären, dass das Matterhorn viel später über die Schichten hinweggeschoben worden sein soll? So viel Glauben habe ich nicht.
Das nur zu John C. Whitcomb und Darius der Meder.
Die politische Situation unter Darius dem Meder
Jetzt kommen wir zu den Versen zwei und drei. Darius war ein Unterkönig. Der Oberkönig über das gesamte Medo-Persische Reich war Kyros. Der Unterkönig über die Provinz Babylonien war Darius, der Meder.
Es ist interessant zu wissen, dass das Babylonische Reich viel kleiner war als das Persische Reich. Dieses Persische Reich konnte sich schließlich ausdehnen – von Teilen Afrikas, von Ägypten bis über den Indus hinaus, damals Indien, heute Pakistan. Das Gebiet Babylonien, das Kerngebiet des babylonischen Weltreiches, bekam Darius als seine Provinz, über die er regierte.
Noch etwas Interessantes am Rande: Die Kurden sind heute stolz darauf, Nachkommen der alten Meder zu sein. Es ist gut zu wissen, wenn man mit Kurden zu tun hat, dass man sie auch fragt, ob sie wissen, was die Bibel über die Kurden sagt. Im Buch Daniel gibt es ein ganzes Kapitel, das über Darius den Meder spricht. So kann man einen Zugang gewinnen.
Es gibt noch weitere Stellen über die Meder, zum Beispiel die Prophetien in Jeremia 50 und Jesaja 13, 14, die über die Endzeit von Babylonien sprechen. Dort werden die Meder und ihre Kampflust erwähnt. So kann man einen Zugang schaffen.
Ich habe das einmal erlebt: Wir hatten eine Nachbarin, eine Kurdin, die sehr politisch motiviert war. Wenn man über das Evangelium sprechen wollte, war das schwierig, denn sie zeigte kein Interesse. Wir wollten ihr auch Literatur geben, doch sie wollte nichts annehmen.
Dann hatte ich ein Buch mit dem Titel „Israel und das Schicksal des Irak“. Darin geht es auch um die Kurden und die Meder in der Bibel. Als wir darüber sprachen, sagte sie: „Ah, die Meder, ja, ja, wir sind die Meder.“ Da leuchteten ihre Augen, und sie nahm das Buch an.
Man muss wissen, dass im Koran bereits etwas über die Kurden steht. Aber man muss ihnen auch sagen, dass sie in der Bibel vorkommen. So kann man über Darius den Meder eine Brücke für die Kurdenmission schlagen.
In den Versen zwei und drei lesen wir weiter: Die Eroberung Babylons war also nur eine Art Umsturz. Babylon wurde nicht verwüstet. Die Perser übernahmen im Wesentlichen die Beamten Babylons und setzten sie neu ein.
Das ist wichtig zu wissen, denn damals erfüllten sich die Worte aus Jesaja 13,14 und Jeremia 50,51 über Babylonien nicht. In vielen Kommentaren liest man, die Besiegung Babylons, die in diesen Kapiteln beschrieben wird, habe sich damals erfüllt, als die Medo-Perser Babylon verwüsteten. Aber das ist nicht der Fall. Sie haben Babylon nicht verwüstet.
Es gab relativ wenige Kriege, die zum Sieg führten. Doch was wir in Jesaja 13,14 und Jeremia 50,51 lesen, ist etwas ganz anderes. In diesen prophetischen Kapiteln geht es tatsächlich um das Endzeit-Babylonien, also den Irak in der Endzeit.
Dort wird gesagt, die Juden sollen aus Babylonien fliehen, bevor das Gericht über Babylonien kommt. Damals war es jedoch anders: Die Medo-Perser hatten Babylon erobert. Daraufhin gab Kyros den Juden im babylonischen Reich offiziell die Erlaubnis, heimzukehren.
Er gab auch gestohlene Tempelschätze heraus, die er den Juden gab (siehe Esra 1). Die Juden sollten zurückkehren und den Tempel in Jerusalem wiederaufbauen. Es war also keine Flucht, sondern ein Auszug mit erhobenem Haupt.
Dieser Auszug fand nach dem Gericht Gottes über Babylon statt, das aber keine Verwüstung war. Im Endzeit-Kapitel heißt es jedoch, die Juden sollen fliehen, und zwar bevor das Gericht Gottes über das Land kommt.
So war es in der Endzeit, der Zeit, in der die Juden aus der weltweiten Zerstreuung wieder heimkehren ins Land der Väter. Praktisch die gesamte Judenheit im Irak ist im 20. Jahrhundert geflohen. Zu einer gewissen Zeit durften sie sogar noch ausziehen.
Auch das sagt die Prophetie: Fliehen und ausziehen, bevor das Gericht kommt. Der schreckliche Iran-Irak-Krieg mit Hunderttausenden Toten kam erst, nachdem die Juden fliehen und ausziehen konnten.
Auch der erste und der zweite Golfkrieg kamen erst danach. So müssen wir die historischen Fakten vor Augen halten, um die Prophetie besser verstehen und einordnen zu können.
Daniels herausragende Position und die Intrige gegen ihn
Jetzt lese ich weiter in Vers 4: Da übertraf dieser Daniel die Vorsteher und die Satrapen, weil ein außergewöhnlicher Geist in ihm war, wenn der König gedachte, ihn über das ganze Königreich zu bestellen.
Die Vorsteher und die Satrapen suchten einen Anklagegrund gegen Daniel vonseiten der Verwaltung. Aber sie konnten keinen Anklagegrund und keine schlechte Handlung finden, weil er treu war und kein Vergehen oder schlechte Handlung an ihm entdeckt wurde.
Wir sehen hier Daniels enorme Begabung, die ein Geschenk Gottes war, kombiniert mit großer Treue Gott gegenüber. Das löst ein Problem aus: Eifersucht. Aber was hätte Daniel tun sollen? Hätte er einfach seine Begabung verstecken sollen, damit die anderen nicht eifersüchtig werden? Nein. Er hat seine Begabung im Dienst für den Herrn eingesetzt. Auch in dieser Arbeit wollte er das für den Herrn tun. Es war für ihn klar: In all den Aufgaben, die mir gestellt werden, will ich treu sein.
Das ist ein wunderbares Beispiel auch für Christen im Betrieb. Ich kannte einen ganz einfachen Arbeiter, der bei Rieter gearbeitet hatte, damals in Schlieren. Von ihm konnte man wissen, der Chef kontrolliert seine Teilchen nicht mehr, weil er wusste: Wenn der Vito das gemacht hatte, dann war das so eh in Ordnung. So zuverlässig war er, dass auch die Vorgesetzten darauf zählen konnten.
So war es auch bei Daniel, aber es löst Eifersucht aus. Mit diesem Problem haben wir auch zu tun.
Ich lese weiter ab Vers 6: Da sprachen diese Männer: Wir werden gegen diesen Daniel keinen Anklagegrund finden, es sei denn, dass wir in dem Gesetz seines Gottes einen gegen ihn finden.
Dann liefen diese Vorsteher und Satrapen eilig zum König und sprachen zu ihm: „Also, König Darius, lebe ewiglich! Alle Vorsteher des Königreichs, die Statthalter und Satrapen, die Räte und Landpfleger sind sich einig geworden, dass der König eine Verordnung aufstelle und ein Verbot erlasse, dass jeder, der binnen dreißig Tagen von irgendeinem Gott oder Menschen etwas erbittet außer von dir, o König, in die Löwengrube geworfen werden soll.“
„Nun, o König, erlass das Verbot und lass eine Schrift aufzeichnen, die nach dem Gesetz der Meder und Perser, welches unwiderruflich ist, nicht abgeändert werden darf.“
Deshalb ließ König Darius die Schrift und das Verbot aufzeichnen.
Hier finden wir Politik im Widerstreit mit der Bibel. Es war für sie klar: Daniel kann man einfach nichts vorwerfen. Aber wir müssen ihn kriminalisieren – und zwar durch seinen Glauben, dass es irgendwie mit seinem Glauben zusammenhängt.
Das ist eine sehr aktuelle Sache, denn das wird insbesondere heute gemacht durch linke Politik. Die linke Politik versucht, eine Gerechtigkeit aufzubauen, die aber gegen Gottes Gerechtigkeit ist.
Das erinnert mich an Römer 10, vielleicht überraschend, dieser Zusammenhang.
Parallelen zu Römer 10 und die Problematik eigener Gerechtigkeit
Kommen wir kurz zu Römer 10, wo der Apostel Paulus über das orthodoxe Judentum spricht, in dem Jesus als Messias keinen Platz hatte. In Römer 10, Vers 2 lese ich: „Denn ich gebe ihnen, den orthodoxen Juden, Zeugnis, dass sie Eifer für Gott haben, aber nicht nach Erkenntnis.“
Da sie Gottes Gerechtigkeit nicht erkannten und versuchten, ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten, haben sie sich der Gerechtigkeit Gottes nicht unterworfen. Im orthodoxen Judentum wollte man also nicht einsehen, dass das Gesetz die Menschen verurteilt und zeigt, dass wir Sünder sind und einen Erlöser brauchen. Stattdessen versuchte man durch Auslegung, das Gesetz so zu verändern, dass man es äußerlich erfüllen könne.
So bauten sie ihre eigene Gerechtigkeit auf, die aber im Widerspruch zu Gottes Gerechtigkeit stand. Ähnlich sehen wir heute in der linken Ideologie und Politik den Versuch, eine gerechte Welt zu schaffen, in der Gottes Gerechtigkeit keinen Platz hat.
In dieser Welt ist das Endziel eine Gesellschaft ohne soziale Unterschiede. Alle sollen gleich sein und alles gleich verteilt werden. Ideologen sagen sogar: „Eigentum ist Diebstahl.“ Sie errichten eine eigene Gerechtigkeit, nach der alle gleich viel haben und gerecht verteilt wird. Die Bibel schützt jedoch das Privateigentum, wie schon in den Zehn Geboten: „Du sollst nicht stehlen.“ Wenn der Staat seine Bürger enteignet, wird er zum Dieb.
Er darf Steuern erheben, das sagt uns Römer 13 ganz klar, aber er darf Eigentum nicht auflösen. Indem man in der linken Ideologie eine eigene Gerechtigkeit aufbauen wollte, wandte man sich klar gegen Gottes Gebote und Gerechtigkeit.
Auch in der sogenannten politischen Korrektheit werden Regeln aufgestellt: Man darf nur so sprechen, und wer das nicht tut, wird automatisch als rechts und ungerecht abgestempelt. So entstehen Gesetze, die Äußerungen gegen Homosexualität verbieten. Wer dagegen spricht, gilt als jemand, der Minderheiten hasst und unterdrückt.
Auch hier wird eine Gerechtigkeit aufgebaut, die nicht der Gerechtigkeit Gottes entspricht. Immer mehr Gesetze entstehen, auch in unserem Staat und in der EU, und sogar die UNO fördert solche Entwicklungen weltweit. Diese führen dazu, dass Christen kriminalisiert werden, wenn sie biblische Sündenbezeichnungen aussprechen. Dann gelten sie als Gesetzesbrecher.
Darüber hinaus werden Gesetze zur Kindererziehung erlassen. So gilt das Schlagen von Kindern als Unrecht – was grundsätzlich richtig ist. Allerdings wird nicht mehr unterschieden zwischen liebevoller, fördernder Züchtigung und Missbrauch. Beides wird in einen Topf geworfen und als Kindesmissbrauch bezeichnet.
Dadurch werden Christen, die ihre Kinder wie früher nach biblischer Lehre erziehen, kriminalisiert, wenn sie eine körperliche Züchtigung für angemessen halten, wie es das Buch der Sprüche lehrt. Die Auswirkungen sehen wir bereits in Deutschland: Ein Vortrag über biblische Kindererziehung führte zu einer Anzeige – von Linken.
Dieses Problem kennen wir schon aus der Bibel: Wenn man nichts Unrechtes findet, das objektiv unrecht ist, ändert man das Gesetz, um jemanden kriminalisieren zu können, der eigentlich unschuldig ist. So ist es auch bei Daniel der Fall.
Die hohen Politiker schmeicheln dem König und sagen: „Schau mal, 30 Tage darf man nur von dir etwas verlangen.“ Sie täuschen ihn und er fällt darauf herein. Sie lügen und stellen dar, dass alle Politiker in der babylonischen Provinz dieselbe Meinung hätten – obwohl Daniel, einer der obersten Drei, es anders sieht. Sie betrügen ihn bewusst.
Im Perserreich war es so, dass Könige nicht absolut herrschten. In den ersten fünf Kapiteln von Daniel sehen wir, dass Nebukadnezar ein absoluter Herrscher war, der jederzeit Befehle ändern konnte. Im Perserreich jedoch war ein einmal erlassenes Gesetz unwiderruflich.
Das erklärt das Problem im Buch Esther, das ebenfalls in der Perserzeit spielt, einige Jahrzehnte nach Darius dem Meder. Der Perserkönig Xerxes, genannt Ahasveros in der Bibel, wurde von einem Minister überzeugt, ein Gesetz zu erlassen, das die Vernichtung eines Volkes vorsah – der Juden.
Xerxes wusste nicht, dass die Königin Esther eine Jüdin war. Durch wunderbare Wege konnte Esther dem König bezeugen, dass die geplante Judenvernichtung falsch war. Doch Ahasveros konnte das Gesetz nicht mehr rückgängig machen.
Was blieb ihm? Er erließ ein Gegengesetz, das am selben Tag den Juden erlaubte, sich zu wehren. So wurde die Vernichtung abgewendet.
Dieses Problem zeigt sich auch, wenn wir auf die Statue in Daniel zurückblicken, die vier Weltreiche darstellt. Das erste Weltreich ist Babylonien, dargestellt durch den Kopf aus Gold. Danach folgt die Brust und die Arme aus Silber, das medopersische Reich.
Silber hat weniger Wert als Gold, und das Glanz dieses Reiches war nicht mit Babylon zu vergleichen. Die Könige waren selbst dem Gesetz unterworfen. Die zwei Arme symbolisieren die zwei Völker, die dieses Reich bildeten: Perser und Meder.
In Vers 9 wird ausdrücklich vom Gesetz der Meder und Perser gesprochen. In der liberalen Theologie wurde behauptet, das Buch Daniel spreche fälschlich von einem unabhängigen medischen Reich vor dem Perserreich.
Hier muss man etwas Geschichte aufrollen. Professor Baumgartner, einst Theologieprofessor an der Universität Zürich, vertrat die Ansicht, das Buch Daniel spreche von vier Weltreichen: Babylon, Medo-Persien, Griechenland und Rom.
Er ging davon aus, das Buch Daniel sei eine Fälschung aus der Makkabäerzeit, dem 2. Jahrhundert vor Christus. Diese Zeit lag vor dem Aufstieg Roms zur Weltmacht Nummer eins. Rom marschierte erst 63 v. Chr. unter Pompeius in Israel ein und wurde mit der Schlacht von Actium 40 v. Chr. zur Weltmacht.
Es wäre problematisch, wenn die vier Weltreiche in Daniel Babylon, Medo-Persien, Griechenland und Rom wären. Das wäre echte Prophetie! Da man aber echte Prophetie ablehnte, behauptete man, das Buch Daniel spreche fälschlich von einem unabhängigen medischen Reich.
Ein einfacher Blick in die Bibel zeigt jedoch, dass vom Gesetz der Meder und Perser die Rede ist. Schon in Daniel 5, Vers 28 heißt es in der Deutung des Wortes „Peres“: „Dein Königreich wird zerteilt und den Medern und Persern gegeben.“
Das erinnert an 1. Korinther 1, Vers 18: „Denn das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren gehen, Torheit; uns aber, die wir gerettet werden, ist es Gottes Kraft.“ Und 1. Korinther 2, Vers 14: „Der natürliche Mensch aber nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist; denn es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt wird.“
Man kann Theologie studieren, wie man will, die Bibel bleibt schwer verständlich. Doch gerade das Buch Daniel zeigt, dass Gott Weisheit denen gibt, die treu sind.
Daniel 1, Vers 8 sagt: „Daniel nahm sich in seinem Herzen vor, sich nicht zu verunreinigen.“ Und es heißt, dass Gott ihm Weisheit gegeben hat. So erhält man durch Treue und Nachfolge Licht und Weisheit von Gott.
Daniels Gebetsleben und die Konfrontation mit dem königlichen Verbot
Ja, jetzt gehen wir weiter zu Vers 11.
Als Daniel erfuhr, dass das Verbot schriftlich festgelegt war, ging er in sein Haus. Dort hatte er in seinem Obergemach offene Fenster, die nach Jerusalem hin ausgerichtet waren. Dreimal am Tag kniete er nieder, betete und lobte seinen Gott, so wie er es zuvor immer getan hatte.
Es fällt auf: Kaum liest Daniel von dem Verbot zu beten, geht er gerade zum Beten. Daniel lebte nach dem Grundsatz aus Römer 13, Vers 1 und folgende – Gehorsam gegenüber der Obrigkeit. Das galt zu allen Zeiten. Christen waren nie staatsgefährdend, sondern haben sich klar an die Lehre aus Römer 13 gehalten.
Ich lese vor: „Jede Seele unterwerfe sich den obrigkeitlichen Gewalten.“ Interessant ist, dass hier „jede Seele“ steht und nicht „jeder Mensch“ oder „jeder Christ“ oder „jeder Gläubige“. Die Seele ist der Sitz unserer Persönlichkeit und in der Bibel auch stark mit unseren Emotionen und Gefühlen verbunden. Hier wird gesagt: Jede Seele unterwerfe sich den obrigkeitlichen Gewalten.
Das heißt nicht einfach gehorchen und innerlich die Faust gegen den Staat ballen, sondern eine Bereitwilligkeit, obrigkeitliche Verordnungen zu akzeptieren.
Jetzt geht es weiter: „Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott, und die, welche da sind, sind von Gott verordnet.“ Es ist Gottes Plan, dass es Obrigkeiten gibt, dass es den Staat gibt, der für Ordnung sorgen muss.
Vers 2: „Wer sich daher der Obrigkeit widersetzt, widersteht der Anordnung Gottes; die aber widerstehen, werden ein Urteil über sich bringen.“ Es geht also nicht, dass wir uns gegen den Staat erheben. Wenn wir gegen den Staat agieren, bekommen wir ein Problem. Im Untergrund ist das klar, aber hier wird ganz deutlich gesagt: Das ist ein Urteil, ein Gericht, das man über sich bringt.
Denn die Obrigkeiten sind nicht Schrecken für das gute Werk, sondern für das Böse. Das ist interessant, denn obwohl die Geschichte voll ist von ungerechten Regimes, sehen wir doch, dass ein allgemeines Regime das Gute im Sozialen und im Umgang unter den Menschen schützt und das Böse bestraft. Wenn ein Regime ungerecht wird, fördert es gewisse böse Dinge und bestraft sie nicht mehr. Aber das ist nicht das Normale, hier wird der Normalfall beschrieben.
Nun lese ich weiter: „Willst du dich aber vor der Obrigkeit nicht fürchten, so übe das Gute, und du wirst Lob von ihr haben.“ Wenn wir in einem Staat das Gute fördern und uns in der Gesellschaft einbringen, wird das normalerweise von der Obrigkeit positiv aufgenommen – man bekommt Lob. Denn sie ist Gottes Dienerin, dir zum Guten.
Tatsächlich erfahren wir, wie der Staat uns schützt und auch unsere Grundrechte wahrt.
„Wenn du aber das Böse übst, so fürchte dich, denn sie trägt das Schwert nicht umsonst.“ Hier wird dem Staat sogar die Schwertgewalt übertragen. Darum sehen wir hier auch eine Grundlage für eine biblische Rechtfertigung des Polizeiwesens. Unsere Polizisten sind bewaffnet, das Schwert ist nicht zum Kitzeln unter dem Arm da.
Allerdings haben unsere Polizisten nicht den Auftrag, beim Einsatz der Schusswaffe zu töten. Es ist interessant, wie das geregelt ist. Solche Fälle sind Ausnahmen. Zum Beispiel gab es vor Jahren in Chur einen Vorfall, bei dem jemand wild herumgeschossen hat. Der Befehl zum Töten wurde nicht an irgendwelche Polizisten gegeben, sondern an ganz spezielle Einsatzkräfte. In diesem Fall war der Befehl da, diese Person zu töten. Aber das ist nicht die Regel.
Natürlich haben wir hier mit dem Schwert, das erwähnt wird, auch eine Grundlage für eine Verteidigungsarmee. Denn sie ist Gottes Dienerin, eine Rächerin zur Strafe für den, der Böses tut.
Wenn der Staat diese Gewalt missbraucht, müssen sich die Personen, die den Staat oder die Regierung ausmachen, vor Gott verantworten.
Weiter: „Darum ist es notwendig, untertan zu sein, nicht allein der Strafe wegen, sondern auch des Gewissens wegen.“ Wir sollen Gesetze also nicht nur einhalten, weil wir wissen, dass es eine Strafe geben wird, sondern auch, weil unser Gewissen es verlangt.
Das gilt auch für Dinge, bei denen wir sicher sind, dass uns niemand erwischen wird. Zum Beispiel illegale Handlungen im Internet oder das Brechen von Urheberrechten. Niemand wird nachweisen können, dass man illegal kopierte Computerprogramme benutzt. Aber das Gewissen ist da – es ist eine Form von Diebstahl.
Anders sieht es aus, wenn man Musik oder Ausschnitte aus Büchern oder Noten kopiert. Hier hat der Staat Ausnahmeregelungen im Urheberrecht geschaffen. Für den privaten Gebrauch ist das zulässig, da muss man kein schlechtes Gewissen haben.
Bei Computerprogrammen ist der Gesetzgeber dagegen streng. Das revidierte Urheberrechtsgesetz sagt ganz klar: Für Computerprogramme gibt es keine Kopie zum privaten Gebrauch.
Also nicht nur der Strafe wegen, sondern auch des Gewissens wegen.
Der Text geht weiter und sagt in Vers 6: „Denn deswegen entrichtet ihr auch Steuern; denn sie sind Gottes Beamte, die eben hierzu fortwährend beschäftigt sind.“
„Gebt allen, was ihnen gebührt: die Steuer dem, der Steuer, den Zoll dem, der Zoll, die Ehrfurcht dem, der Ehrfurcht gebührt, die Ehre dem, der Ehre gebührt. Seid niemandem irgendetwas schuldig, außer einander zu lieben; denn wer den anderen liebt, hat das Gesetz erfüllt.“
Hier wird deutlich: Steuern müssen wir zahlen. Es ist keine Frage, ob man Steuern hinterziehen darf oder Steuerbetrug begehen darf – beides ist Unrecht. Die Bibel sagt ganz klar, wir sollen unsere Steuern bezahlen. Sie sagt nicht, wir sollen zu viel bezahlen.
Natürlich sollen wir alle Möglichkeiten des Gesetzes nutzen, um den gerechten Betrag zu zahlen. Ich weiß, jahrelang habe ich viel zu viel bezahlt. Das hing auch damit zusammen, dass ich als Missionar als Einzelhandelsfirma eingestuft war. Wenn man keine Firma hat, wird man so eingestuft. Privat und Arbeit wurden nicht getrennt, und ich habe keine Kinderzulagen erhalten. Ich habe jahrelang zu viel bezahlt, bis ich merkte, dass man das anders organisieren kann. Ich musste Arbeit und Privat trennen, und das brachte klare Vorteile. So bekomme ich jetzt auch Kinderzulagen.
All diese Möglichkeiten, die das Gesetz uns bietet, sollen wir ausnutzen. Aber das, was wir zahlen müssen, sollen wir bezahlen – und nicht mit der Faust im Sack.
Auch die Zollgebühren müssen wir bezahlen.
Daniel hat all das beachtet. Doch sobald der Staat seine Kompetenz überschritten hat, galt für ihn schon damals der Grundsatz, den wir in Apostelgeschichte 4, Vers 19 finden.
Ich lese Apostelgeschichte 4,19: „Petrus aber und Johannes antworteten und sprachen zu ihnen: Ob es vor Gott recht ist, euch mehr zu gehorchen als Gott, urteilt ihr. Denn es ist uns unmöglich, von dem, was wir gesehen und gehört haben, nicht zu reden.“
Der Staat, hier der oberste Gerichtshof, der Sanhedrin, hatte Missionsarbeit verboten. Johannes und Petrus fragen rhetorisch, ob es recht ist, mehr auf Menschen als auf Gott zu hören. Natürlich ist das nicht recht.
Der Staat darf Missionsarbeit nicht verbieten.
Interessant ist, dass im Kodex der Menschenrechte der UNO eines der Menschenrechte die Freiheit ist, den Glauben auch öffentlich zu bezeugen.
Das heißt, Menschenrechte erlauben Missionsarbeit.
Doch es gibt Kräfte in der Schweiz, die Christen zum Schweigen bringen wollen, damit sie sich in der Öffentlichkeit nicht äußern dürfen. Sie wollen zum Beispiel Gideons verbieten, auf öffentlichem Grund Bibeln an Schüler zu verteilen.
Diese Leute kämpfen gegen die Menschenrechte, das muss man klar sagen.
Auch bei den Freidenkern sieht man, dass sie gegen die Freiheit des Missionierens kämpfen. Damit kämpfen sie klar gegen die Menschenrechte, das müssen sie sich bewusst machen.
So sagen diese beiden Zeugen: „Es ist uns unmöglich, von dem, was wir gesehen und gehört haben, nicht zu reden.“
In der Sowjetunion waren Christen loyale Bürger, auch gegenüber einem kommunistischen Regime. Aber wenn es darum ging, ihre Kinder nicht im Glauben zu unterweisen oder ihren Glauben nicht anderen zu bezeugen, stellten sie sich dagegen.
Als der Staat sagte, sie dürften keine Bibeln besitzen, verbreiteten sie dennoch Bibeln im Untergrund. Bibeln wurden über die Grenzen geschmuggelt.
Hier hat der Staat ganz klar seine Linie überschritten. In diesem Punkt hat der Staat keine Kompetenz mehr.
Man kann das vergleichen mit einem Vater, der seine Autorität falsch einsetzt. Das bedeutet nicht, dass er in allen anderen Bereichen als Vater erledigt ist.
Noch einmal Apostelgeschichte 5,29: „Petrus und die Apostel antworteten und sprachen: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“
Das ist der Grundsatz.
Aber das ist niemals staatsgefährdend.
Der Christ muss loyal gegenüber der Regierung sein, und die Regierung darf wissen, dass Christen auch für sie beten.
Das wird sogar in 1. Timotheus 2, Vers 1 eingeführt: „Ich ermahne nun vor allen Dingen, dass Gebete, Bitten, Flehen getan werden für alle Menschen und auch für die, die in Hoheit stehen.“
Das gehört zu den Prioritäten.
Das prägt die richtige Haltung gegenüber Staat und Land.
So war es bei Daniel: Er betete, wie er es immer getan hatte, trotz des Verbots.
Wir haben gelesen, dass er offene Fenster nach Jerusalem hatte. Warum?
Daniel kannte schon den Vers, den König Salomo bei der Einweihung des Tempels sprach.
1. Könige 8, Vers 46: „Wenn sie sündigen – denn es gibt keinen Menschen ohne Sünde – und du über sie erzürnst, so dass du sie vor dem Feind dahingibst und ihre Besieger sie gefangen wegführen, in ein fernes oder nahes Land...“
Das beschreibt genau die Situation von Daniel. Er wurde im Jahr 606 v. Chr. durch Nebukadnezar deportiert, wie in Daniel 1,1 beschrieben, in die Gefangenschaft nach Babylon.
Weiter heißt es: „Und wenn sie es zu Herzen nehmen in dem Land, wohin sie gefangen weggeführt sind, und umkehren und zu dir flehen im Land ihrer Feinde, die sie gefangen weggeführt haben, und sagen: Wir haben gesündigt und verkehrt gehandelt, gesetzlos gehandelt, und kehren mit ganzem Herzen und ganzer Seele zu dir um, und beten zu dir nach ihrem Land, das du ihren Vätern gegeben hast, nach der Stadt, die du erwählt hast, und dem Haus, das ich deinem Namen erbaut habe – so höre im Himmel an dem Ort deiner Wohnung ihr Gebet und Flehen, führe ihr Recht aus und vergib deinem Volk, was es gesündigt hat...“
Das war genau Daniels Situation.
Übrigens hat er in dem Jahr, von dem Daniel 6 spricht, bereits erlebt, wie Gott diese Gebete erhört hat.
König Kyros, als Darius der Meder als Unterkönig an die Macht kam, gab den Juden die Erlaubnis, wieder heimzukehren ins Land ihrer Väter.
Daniel ging nicht zurück. Es wird nicht gesagt, warum.
Er war sehr alt, denn das war 67 Jahre nach Daniel 1, als er deportiert wurde. War er damals 13, war er jetzt etwa 80 Jahre alt.
Er hatte offensichtlich einen speziellen missionarischen Auftrag und blieb deshalb dort.
Er betete weiterhin nach Osten, zum Tempel in Jerusalem.
Ich lese weiter in Vers 12: „Da liefen jene Männer eilig herbei und fanden Daniel betend und flehend vor seinem Gott. Dann näherten sie sich und sprachen vor dem König bezüglich des königlichen Verbots: Hast du nicht ein Verbot aufzeichnen lassen, dass jedermann, der binnen dreißig Tagen von irgendeinem Gott oder Menschen etwas erbitten würde außer von dir, o König, in die Löwengrube geworfen werden sollte?“
Der König antwortete: „Die Sache steht fest nach dem Gesetz der Meder und Perser.“
Auch hier wieder Meder und Perser, ein unwiderrufliches Gesetz.
Hierauf antworteten sie: „Daniel, einer der Weggeführten von Juda, achtet nicht auf dich, o König, noch auf das Verbot, das du hast aufzeichnen lassen, sondern er verrichtet dreimal am Tag sein Gebet.“
Jetzt haben sie ihn in der Falle. Und das alles aus einer gewissen Ehrsucht. Darum ist er auf diese Schmeichelei hereingefallen. Jetzt wird es schwierig für ihn.
Ich habe dazu geschrieben: Daniels Gebetsleben führt zur Anklage.
Im Gegensatz zu Babylon konnten Herrscher im medopersischen Reich Gesetze nicht mehr rückgängig machen.
Was hier auch klar wird: Nach 67 Jahren war Daniel immer noch ein Fremdling.
Sie bezeichnen ihn ja in Vers 14 als „Daniel, einer der Weggeführten von Juda“.
Man kann das nicht gerade als Asylant bezeichnen, denn das war unfreiwillig. Aber zumindest das Wort „mit Migrationshintergrund“ würde passen.
Ist das nicht wunderbar? Daniel hat all die Jahre führende Posten in der Regierung in Babylon und später in Medo-Persien eingenommen – trotzdem war er immer noch als Fremder bekannt.
So sollen wir uns auch dort, wo wir den Auftrag haben, in unserer Arbeit und unseren Verpflichtungen voll einbringen. Aber die Leute sollen merken, dass wir eigentlich Fremde sind.
Ganz im Sinn von Philipper 3, Vers 20, wo der Apostel Paulus den Philippern etwas sehr Interessantes sagt. Da hat es sogar noch eine besondere Note.
Philippi war eine Stadt, die im Römischen Reich steuerbefreit war. Dort wurden Veteranen der römischen Legion angesiedelt. Leute, die dachten: „Wir sind etwas Besseres.“
Paulus evangelisierte in Philippi, und es entstand eine Gemeinde.
Es ist eine Gefahr, wenn man in so einer Stadt lebt, wo man sich als etwas Besonderes fühlt und keine Steuern zahlt. Dann klammert man sich innerlich umso mehr an sein Haus.
Genau da sagt Paulus in Philipper 3, Vers 20: „Denn unser Bürgertum ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Heiland erwarten, der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit, nach der wirksamen Kraft, mit der er vermag, auch alle Dinge sich zu unterwerfen.“
Vergesst das nicht: Eigentlich gehört ihr nicht nach Philippi und auch euer römisches Bürgerrecht ist nicht das eigentliche Bürgerrecht.
Paulus konnte sich bei Gelegenheit auch auf sein römisches Bürgerrecht berufen, aber das ist nicht das Wesentliche.
Wir müssen daran denken: Unser Bürgertum ist in den Himmeln.
Wir sollten uns bewusst sein, dass wir gewissermaßen – wie 2. Korinther 5 am Schluss sagt – Gesandte für Christus sind.
Was heißt Gesandte? Botschafter.
Wie ist das bei einer Diplomatenfamilie in der Schweiz, die aus einem fremden Land kommt? Hat man das Gefühl, sie sind richtige Schweizer? Nein, sie vertreten ihr Land im fremden Land.
Wenn man mit der amerikanischen Botschafterfamilie spricht, sollte man denken: Amerika muss ein großes, freies und schönes Land sein.
Wenn man einen Botschafter aus einem anderen Land trifft, sollte man beim Gespräch ein gewisses Fernweh nach dieser Heimat bekommen.
So soll das bei uns sein.
Wir sind Gesandte für Christus, und das soll bei den Menschen den Eindruck erwecken: „Oh, der Himmel muss herrlich sein! Wenn diese Leute so sind, dann muss der Himmel schön sein.“
1. Petrus 2, Vers 11: Petrus spricht hier zu Juden, die damals in der Diaspora lebten, in der heutigen Türkei.
Er sagt: „Geliebte, ich ermahne euch als Fremdlinge und als die, die ohne Bürgerrecht sind, dass ihr euch enthaltet von den fleischlichen Lüsten, die gegen die Seele streiten, und euren Wandel unter den Nationen ehrbar führt, damit sie, die euch als Übeltäter reden, durch eure guten Werke Gott verherrlichen am Tag der Heimsuchung.“
Er fügt hinzu: „Erwerbt euch nun aller menschlichen Einrichtungen um des Herrn willen, es sei dem König als Oberherrn oder den Statthaltern, die von ihm gesandt werden zur Bestrafung der Übeltäter, aber zum Lob der, die Gutes tun; denn so ist es der Wille Gottes, dass ihr durch Gutes tun die Unwissenheit der unverständigen Menschen zum Schweigen bringt.“
Hier werden diese Juden angesprochen: Ihr seid Fremdlinge, und natürlich hatten sie kein römisches Bürgerrecht.
Aber es wird gesagt: Ihr seid fremd in diesem Land, führt euch so auf, dass ihr nicht mit dem wilden und sündigen Treiben in der Gesellschaft mitmacht.
Die Leute sollen merken: Ihr seid wirklich fremd – aber im besten Sinn des Wortes.
Sie sollen auch merken, dass ihr nicht an diesem sündigen Treiben teilnehmt, sondern gottgemäß lebt.
Das soll dann ihre üblen Anklagen zum Schweigen bringen.
Und im Blick auf die Obrigkeit: Seid loyal.
Das klingt wieder an Römer 13 an.
Wir haben noch ein weiteres Argument.
In Römer 13 haben wir gesehen, man kann dem Staat gehorchen wegen der Strafe und wegen des Gewissens.
Hier wird gesagt: Wegen des Herrn, um des Herrn willen.
Noch ein drittes Argument: Titus 3.
Dort finden wir nochmals eine Stelle über die Haltung zur Obrigkeit, wo Gehorsam um des Zeugnisses willen gefordert wird – ein weiteres Argument, damit unser Zeugnis glaubwürdig bleibt.
In Titus 3, Vers 1 heißt es: „Unterwerft euch allen menschlichen Einrichtungen.“
Das heißt nicht nur „Einrichtung um des Herrn willen“, sondern „menschliche Einrichtung“.
Es gibt gewisse Einrichtungen im Staat, die sind sehr menschlich. Gerade im Straßenverkehr könnte man manchmal sagen: Da bin ich nicht einverstanden, dass Tempo 60 vorgeschrieben ist.
Das haben fehlbare Menschen so verordnet.
Es sind menschliche Einrichtungen, aber wir können nicht sagen, das gilt nicht, weil es so menschlich ist und wir es besser wissen.
Und so gehen wir zurück zu Daniel 6.
Die Verurteilung Daniels und die Reaktion des Königs
Nun kommt das Problem für Darius. Seine Reaktion ist interessant, besonders in Vers 15. Als der König von der Sache hörte, wurde er sehr betrübt. Er sann darauf, Daniel zu retten, und bemühte sich bis zum Untergang der Sonne, ihn zu befreien.
Es ist ein jämmerliches Bild von einem König: „Jetzt habe ich mich verrannt, jetzt kann ich mein eigenes Gesetz nicht mehr rückgängig machen.“ Er hätte sich auch überlegen können: „Was kann ich jetzt tun? Muss ich in diesem Fall das Gesetz trotzdem brechen, weil es gegen das Gesetz Gottes geht?“ Das wäre auch eine Möglichkeit gewesen. Doch er suchte nach irgendeiner Möglichkeit, Daniel zu retten – was aber nicht funktionierte. Bis zum Untergang der Sonne bemühte er sich, ihn zu befreien.
Dann liefen jene Männer eilig zum König und sprachen: „Wisse, o König, dass die Meder und Perser nochmals, wie ihr Kapitel 6 lesen könnt, ein Gesetz haben, das kein Verbot und keine Verordnung, die der König aufgestellt hat, abgeändert werden darf.“ Daraufhin befahl der König, Daniel zu bringen, und man warf ihn in die Löwengrube.
Hier habe ich zu Vers 17 vermerkt: Typisch im babylonischen Reich war die Verbrennung im Feuerofen – das kennen wir aus Kapitel 3 mit den Freunden Daniels. Typisch im medopersischen Reich war hingegen die Löwengrube. Geschichtlich bildet das genau die Situation ab, wie sie damals war.
In Vers 17 heißt es: „Dann befahl der König, und man brachte Daniel und warf ihn in die Löwengrube.“ Der König hob an und sprach zu Daniel: „Dein Gott, welchem du ohne Unterlass dienst, er möge dich retten.“ Er sieht also keine Möglichkeit für sich – obwohl es sie gegeben hätte.
Könige können sehr unter Druck geraten. Wenn wir an den König von Belgien denken, der sich weigerte, ein umstrittenes Gesetz zu unterschreiben, das Selbstmord in gewissen Fällen zulässt – auch bei Jugendlichen, nicht nur bei älteren Menschen – haben Tausende darauf gewartet. Doch der König hat unterschrieben. Er war in der Klemme. Ähnlich war es vor Jahren schon mit dem Abtreibungsgesetz in Belgien. Da kam der König wirklich in Schwierigkeiten und hat sich für kurze Zeit als König ausgeklinkt. Als das Gesetz dann da war, hat er sich wieder eingeklinkt. Es ist nicht einfach, König zu sein.
Doch sehen wir dieses Zeugnis über Daniel: „Dein Gott, welchem du ohne Unterlass dienst.“ Wenn die Leute an uns denken, was denken sie dann? Vielleicht: „Der ist schon ein bisschen Christ, ganz besonders ab und zu in der Woche.“ Aber dass sie den Eindruck haben: „Das ist ein Mensch, der für Gott lebt.“ „Er möge dich retten.“
Ein Stein wurde gebracht und auf die Öffnung der Grube gelegt, und der König versiegelte ihn mit seinem Siegelring und mit dem Siegelring seiner Gewaltigen, damit hinsichtlich Daniels nichts verändert würde. Sehr interessant! Das Siegel bedeutete hier, dass es keine Veränderung der Situation geben darf.
In Esther 8,8 geht es ebenfalls um ein Gesetz, das mit dem Siegelring des Königs unterschrieben wird. Dort wird gesagt, dass ein solches versiegeltes Gesetz nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Eine weitere interessante Stelle über Siegel finden wir in Offenbarung 5,3. Dort geht es im Himmel um das Buch mit den sieben Siegeln. Es wird gefragt: „Wer ist würdig, dieses Buch zu öffnen?“ Es wird ganz klar gesagt: „Es gibt niemanden im Himmel und auf Erden, der dieses Siegel öffnen kann.“ Diese Siegel sind Siegel Gottes. Wenn Gott etwas versiegelt hat, gibt es niemanden in der ganzen Schöpfung, der es öffnen könnte.
Dann wird aber gesagt: „Weine nicht! Der Löwe aus dem Stamm Juda hat überwunden.“ Der Herr Jesus, der Sohn Gottes, kann das Siegel brechen, aber kein Geschöpf kann ein Siegel Gottes öffnen. Das ist nun interessant im Zusammenhang mit Epheser 1,13-14. Dort wird gesagt, dass wir als Gläubige mit dem Heiligen Geist versiegelt worden sind. Epheser 4,30 ergänzt dazu: „Wir sind versiegelt auf den Tag der Erlösung.“ Das ist der Tag, wenn der Herr Jesus wiederkommt und die Gemeinde zu sich nimmt.
Das Siegel gilt also bis zur Wiederkunft. Das bedeutet, es gibt keine Veränderung an unserem Status. Epheser 1,13 sagt ganz klar: „Nachdem ihr zum Glauben gekommen seid, hat Gott euch mit dem Heiligen Geist versiegelt.“ Wenn sich jemand echt bekehrt, ist das Gottes Antwort auf die echte Bekehrung, dass er dieses Siegel gibt. Das bedeutet: Keine Veränderung an diesem Status. Dieser Entscheid ist beständig und kann nicht rückgängig gemacht werden. Kein Geschöpf kann dieses Siegel jemals wieder öffnen.
Manche sagen: „Ja, aber du kannst dich wieder lossagen.“ Ja gut, wer bin ich als Geschöpf, der ein Siegel Gottes öffnen könnte? Rein theoretisch hat das Konsequenzen. Es drückt die Sicherheit der Wiedergeborenen aus, dass sie bis zum Ziel kommen werden – nicht aus eigener Kraft, denn sonst müssten wir Angst haben. Aber weil Gott uns versiegelt hat, ist das von seiner Seite her sicher.
Ich lese weiter, Vers 19: „Darauf ging der König in seinen Palast und übernachtete fastend. Er ließ keine Nebenfrauen zu sich hereinführen.“ Nebenfrauen bedeuteten im Alten Testament übrigens nicht, dass sie nicht verheiratet waren. Nebenfrauen hatten kein Erbrecht wie die Hauptfrauen. Es war also ein erbrechtlicher Unterschied. Es war Polygamie, und das war natürlich gegen Gottes Schöpfungsordnung von Anfang an, denn Gott hat im Bund mit Adam einen Mann und eine Frau zusammengefügt als Ehe – nicht zwei Frauen.
Der König ließ keine Nebenfrauen zu sich hereinführen, und sein Schlaf floh von ihm. Dann stand der König bei der Morgenröte auf, sobald es hell wurde, und ging eilend zur Löwengrube. Als er sich der Grube näherte, rief er mit trauriger Stimme nach Daniel. Der König sprach zu ihm: „Daniel, Knecht des lebendigen Gottes! Hat dein Gott, welchem du ohne Unterlass dienst, vermocht, dich von den Löwen zu retten?“
Wir sehen hier, dass Darius irgendwie doch auf den Gott Daniels hofft. Denn wenn Daniel schon gefressen wäre, müsste man ja nicht mehr in die Löwengrube hineinrufen. Aber der König rechnete mit der Möglichkeit, dass Daniel noch lebt. Das zeigt etwas Positives an diesem König. Wenn ich jetzt ein Anwalt von Darius wäre, würde ich sagen, er hatte ein gewisses Gottvertrauen.
Schön ist auch, wie er von Daniel spricht: nicht einfach „Daniel“, sondern „Daniel, Knecht des lebendigen Gottes“, der nicht so ist wie die toten Götter. „Hat dein Gott, welchem du ohne Unterlass dienst“ – nochmals dieses Zeugnis, dass Daniel ohne Unterlass dient – „vermocht, dich von den Löwen zu retten?“
Daniel antwortete dem König: „O König, lebe ewiglich!“ Das war ein Gruß. Man kann da viel hineininterpretieren. Auch schon bei Nebukadnezar in Kapitel 2 sagte man: „O König, lebe ewiglich!“ Wenn wir so einen Gruß im Deutschen hätten, könnte man wirklich bewusst sagen: „Lebe ewiglich!“
In Johannes 3,16 heißt es: „Damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe als gegenwärtigen Besitz.“ Es gilt die Möglichkeit, ewig zu leben. Das ist nicht nur ein Spruch. „O König, lebe ewiglich!“ – das ist Daniels Wunsch.
Er sagt: „Mein Gott hat seinen Engel gesandt.“ Im Aramäischen bedeutet Engel einfach ein Gesandter. „Er hat seinen Engel gesandt und hat den Rachen der Löwen verschlossen, dass sie mich nicht verletzt haben, weil vor ihm Unschuld an mir gefunden wurde. Und auch vor dir, o König, habe ich kein Verbrechen begangen.“ Daniel wurde zwar kriminalisiert, aber objektiv hat er kein Verbrechen begangen.
Wir machen nun eine Pause. Wir sind stehen geblieben in Daniel 6, Vers 23: „O König, lebe ewiglich! Mein Gott hat seinen Engel gesandt und hat den Rachen der Löwen verschlossen, dass sie mich nicht verletzt haben, weil vor ihm Unschuld an mir gefunden wurde.“
Wer ist dieser Engel, von dem gesagt wird: „sein Engel“ – nicht „ein Engel“, sondern „sein Engel“? Wie gesagt, das aramäische Wort, wie auch im Hebräischen, Malach, heißt einfach Bote oder Gesandter. Im hebräischen Alten Testament wird Malach auch für Diener eines Königs benutzt, ebenso für Engel – die Geister, die Gott zu seinem Dienst geschaffen hat.
Aber das Wort Malach bezeichnet an manchen Stellen im Alten Testament ganz speziell Gott selbst, Yahweh. In 1. Mose 16 begegnet der Engel des Herrn oder der Bote des Herrn Hagar in der Wüste. Gleich in den weiteren Versen wird dieser Bote als Yahweh, der Ewige, also der ewige Gott selbst, genannt.
So ist es auch in Richter 6,11-14: Der Engel des Herrn ist nicht einfach ein dienstbarer Geist wie die Engel im engeren Sinn, sondern Gott selbst. In Sacharja 2 wird am Schluss wiederholt davon gesprochen: „Der Herr, Yahweh der Heerscharen, spricht: Ich komme zu euch, und ihr werdet erkennen, dass Yahweh der Heerscharen mich zu euch gesandt hat.“
Es ist erstaunlich, dass also der ewige Gott den ewigen Gott sendet. Bereits alttestamentlich wird klar: Es gibt nur einen Gott, aber in der Gottheit sind mehr als eine Person. Das Neue Testament macht es völlig klar, dass zwischen dem Vater, dem ewigen Vater, dem ewigen Sohn und dem ewigen Geist unterschieden werden muss.
Der Sohn wurde später in der Heilsgeschichte vom Vater in die Welt gesandt und wurde ein richtiger Mensch. Schon im Alten Testament sehen wir, wie der Sohn Gottes immer wieder in einer für den Menschen erträglichen Gestalt erschien. Auch hier ist dieser Bote des Herrn, der Daniel vor den Löwen rettete, offensichtlich der Sohn Gottes, genau wie bei den drei Freunden im Feuerofen in Kapitel 3.
Auch dort wird gesagt, dass Gott seinen Engel, seinen Boten, gesandt und seine Knechte errettet hat. Dort ist es eine ganz besondere Person. Nebukadnezar sah im Feuerofen, Kapitel 3, Vers 25: „Siehe, ich sehe vier Männer frei wandeln mitten im Feuer, und keine Verletzung ist an ihnen. Das Aussehen des Vierten ist gleich einem Sohn der Götter.“ Das ist die Beschreibung in seinem heidnischen Vokabular. Der, der bei ihnen war im Feuer, war der ewige Sohn Gottes.
So sehen wir die Parallele zwischen Kapitel 3 und 6. Bis in feinen Details spiegelt sich diese Geschichte wider. In beiden Kapiteln folgt etwas Interessantes.
Ich lese jetzt noch Vers 24: „Da freute sich der König sehr und befahl, Daniel aus der Grube herauszuholen. Daniel wurde herausgeholt, und keine Verletzung wurde an ihm gefunden, weil er auf seinen Gott vertraut hatte.“ Genau wie seine drei Freunde wurden sie durch das Feuer nicht verletzt, auch nicht im Kleinsten.
Übrigens ist auffällig, dass Daniel damals, als die drei Freunde ins Feuer kamen, nirgends erwähnt wird. Der Bibeltext sagt nicht, wie es kam, dass Daniel mit diesem Problem nichts zu tun hatte – ob er unterwegs war als einer der obersten Minister. Auf jeden Fall war er vor dieser Prüfung verschont.
Jetzt in Kapitel 6 lesen wir nichts mehr von den drei Freunden. Sind sie zurückgekehrt nach Babel oder schon verstorben? Daniel kommt nun in eine ähnliche Prüfung und bleibt treu, wie seine damaligen drei Freunde.
Vers 25: „Der König befahl, jene Männer, die Daniel angezeigt hatten, zu bringen, und man warf sie in die Löwengrube – sie, ihre Kinder und ihre Frauen. Ehe sie den Boden der Grube erreichten, bemächtigten sich die Löwen ihrer und zermahnten alle ihre Gebeine.“
Der König macht nun ein Gegengesetz, und das Unrecht kommt auf die Übeltäter zurück. Aber Daniel hat keine Rache gefordert. Das müssen wir klar sehen. Es kam schrecklich für diese Feinde heraus, aber Daniel hat es niemandem gewünscht und stand auch nicht dahinter. Es ging von dem König aus.
Vers 26: „Dann schrieb König Darius an alle Völker, Völkerschaften und Sprachen, welche auf der ganzen Erde wohnten: ‚Friede euch in Fülle! Von mir wird befohlen, dass man in der ganzen Herrschaft meines Königreichs sich fürchte vor dem Gott Daniels, denn er ist der lebendige Gott und besteht in Ewigkeit. Sein Reich wird nie zerstört werden, und seine Herrschaft währt bis ans Ende. Er rettet und befreit und tut Zeichen und Wunder im Himmel und auf der Erde, denn er hat Daniel aus der Gewalt der Löwen errettet.‘“
Dieser Daniel hatte Gedeihen unter der Regierung des Darius und unter der Regierung Chores des Persers. Man muss sich das überlegen in missionsgeschichtlicher Hinsicht, was das bedeutete.
Dieser Erlass machte es möglich, dass mindestens im ganzen babylonischen Reich als Provinz des persischen Reiches der Name des Gottes der Bibel bekannt wurde. Oft denkt man, Weltmission habe erst mit Pfingsten in Apostelgeschichte 2 begonnen, aber dem ist nicht so.
Denken wir an die Geschichte Josephs in Ägypten. Dort wurde der Pharao direkt mit dem wahren Gott konfrontiert, und ganz Ägypten, ein Land der Götzen, wurde durch Joseph, der nach dem Pharao oberster Minister war, mit dem wahren Gott bekannt. Joseph organisierte das Land zuerst im Überfluss und dann in der Hungersnot.
Später, in der Zeit Mose, kamen die zehn Plagen über Ägypten. Im Bibeltext wird ausdrücklich gesagt, dass diese Plagen kamen, damit die Ägypter den Herrn erkennen. Das war ein klares Zeugnis.
Israel zog aus Ägypten in die Wüste, und noch bevor sie nach Jericho kamen, war die Botschaft längst vorausgeeilt. Als die Spione nach Jericho gingen und mit der Hure Rahab redeten, wurde klar, dass die Bewohner alles wussten, was damals in Ägypten geschehen war.
Die Botschaft hatte sich also bis nach Kanaan verbreitet, ohne dass die Israeliten selbst es direkt verbreitet hätten. Das gehörte zur Mission.
Hier bei Daniel sehen wir wieder, wie der Gott Daniels im babylonischen Reich bekannt wurde – in den Kapiteln 1 bis 5 – und nun auch im persischen Reich.
Zum Thema Mission im Alten Testament: Vers 29 sagt zum Schluss, dass Daniel unter der Regierung Darius und unter der Regierung Cores des Persers Gedeihen hatte. Hier wird Cores als Oberkönig erwähnt, neben Darius dem Meder.
Wir haben hier eine Illustration von Psalm 1, Vers 3. In Psalm 1 geht es um den Mann, der nicht wandelt im Rat der Gesetzlosen, nicht steht auf dem Weg der Sünder und nicht sitzt im Sitz der Spötter, sondern seine Lust hat am Gesetz des Herrn und darüber nachsinnt Tag und Nacht.
Schließlich wird von ihm gesagt, Vers 3: „Er ist wie ein Baum gepflanzt an Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit und dessen Blatt nicht verwelkt. Alles, was er tut, gelingt. Der Herr bekennt sich zu ihm und gibt ihm Gelingen in seiner Aufgabe, die der Herr ihm gegeben hat.“
Beginn der prophetischen Vision: Die vier Weltreiche als wilde Tiere
Wir kommen zu Kapitel 7. Im ersten Jahr Belsazars, des Königs von Babel, sah Daniel einen Traum und Gesichte seines Hauptes auf seinem Lager. Dann schrieb er den Traum auf und berichtete die Summe der Sache. Hier werden wir zeitlich wieder zurückversetzt in die Zeit von König Belsazar, das wäre also etwa 549 v. Chr. Das ist klar noch vor dem Ende der babylonischen Gefangenschaft, das mit 539 v. Chr. begann. 539 war der Beginn der medopersischen Weltherrschaft.
Daniel hob an und sprach: „Ich schaute in meinem Gesicht bei der Nacht, und siehe, die vier Winde des Himmels brachen los auf das große Meer.“ In der Bibel ist das immer wieder ein Bild von Geisteswirkungen. Das wird umso klarer, wenn man weiß, dass das aramäische Wort hier, wie das gleichklingende Wort im Hebräischen, Ruach bedeutet – Wind, Geist. Es entspricht übrigens dem griechischen Wort Pneuma im Neuen Testament, das auch Wind bedeutet und ebenso Geist. Der Heilige Geist wird ja als Heiliger Pneuma beschrieben.
Aber eben auch falsche Geister können mit Ruach beziehungsweise Pneuma bezeichnet werden. So erklärt es sich auch, warum im Neuen Testament zum Beispiel in Epheser 4,14 falsche Lehren verglichen werden mit Winden, die die Unbefestigten hin und her werfen wie Meereswogen. Diese „vier Winde, die da losbrechen auf das Weltmeer“, sind ein Bild von all diesen Philosophien, Ideologien, religiösen Ideen und auch von den verschiedenen Arten von Zeitgeist, die aus allen Richtungen auf die Geschichte der Völker einwirken.
Das Meer ist in der Bibel immer wieder ein Bild der Völker. Jesaja 17,12 muss ich nur zitieren, dann ist es schon klar: „Wehe dem Getümmel vieler Völker, wie das Brausen der Meere brausen sie, und dem Rauschen von Völkerschaften, wie das Rauschen gewaltiger Wasser rauschen sie, Völkerschaften rauschen wie das Rauschen vieler Wasser.“ Im Traum ist dieses aufgepeitschte Meer ein Bild der Völker, die ständig in Unruhe sind – sozial, militärisch, wirtschaftlich, politisch. Das kennen wir aus den Tagesmeldungen.
Nun wird in Vers 3 und 4 erklärt: „Große Tiere stiegen aus dem Meer herauf, eines verschieden von dem anderen.“ Hier wird klargemacht, dass diese Tiere eins nach dem anderen kommen. Es ist nicht einfach viermal das Gleiche.
Das erste Tier war gleich einem Löwen und hatte Adlersflügel. Daniel schaute, bis seine Flügel ausgerissen wurden, und es von der Erde aufgehoben wurde, wie ein Mensch auf seine Füße gestellt, und ihm ein Menschenherz gegeben wurde. Wir werden gleich sehen, dass in den nachfolgenden Versen Daniel erklärt wird, was diese Tiere bedeuten. Es wird dadurch klargemacht, dass es Bilder für Königreiche, für Weltreiche sind, die eins nach dem anderen heraufkommen.
Jetzt sehen wir klar die Parallele dieser vier Tiere zu den vier Teilen der Statue im Traum von Nebukadnezar in Kapitel 2. Das goldene Haupt wies damals auf das babylonische Weltreich zur Zeit von Daniel hin. Brust und Arme aus Silber wiesen auf das nachfolgende Reich hin, das Daniel ausdrücklich als das Reich der Medo-Perser erklärte. Dann kommt der Bauch und die Hüften aus Bronze. Das deutet auf das nächste Weltreich in der Geschichte hin, das griechische Weltreich, begründet durch Alexander den Großen. Die Beine und die Füße aus Eisen, unten gemischt aus Eisen und Ton, weisen auf das vierte Reich in der Geschichte hin, nämlich das römische Reich.
In Kapitel 2 werden die Weltreiche als eine menschliche Statue dargestellt, hier in Kapitel 7 als blutrünstige Bestien. Das sind zwei verschiedene Blicke auf dieselbe Geschichte der Völker. Die menschliche Statue erinnert uns daran, dass der Mensch erschaffen wurde, nach 1. Mose 1,27, im Bild Gottes – übrigens nicht Ebenbild, das ist zu viel Bild Gottes. Das heißt, der Mensch wurde erschaffen, um etwas von der Herrlichkeit des unsichtbaren Gottes sichtbar zu machen hier auf Erden: Gottes Weisheit, seine Majestät, seine Gerechtigkeit, seine Liebe usw.
Darum ist es auch so schlimm, wenn der Mensch dann in Sünde gefallen ist. Denn dieses Geschöpf, von dem man einen Rückschluss auf die Herrlichkeit des Schöpfers ziehen sollte, wird ein Sünder und würde zum falschen Schluss führen: So ist Gott. Jede Sünde, die wir als Menschen tun, ist eine Verunehrung Gottes, denn wir sind in Gottes Bild erschaffen. Dieser Auftrag ist da: schöpfungsgemäß Gott hier auf dieser Erde etwas von Gottes Herrlichkeit wiederzugeben. Deshalb ist jede Sünde eine schreckliche Verunehrung Gottes.
Wenn der Mensch lügt, wenn wir lügen, würde das heißen, Gott lügt. Jede Sünde ist auch eine Sünde nicht nur zum Beispiel gegen den Nächsten, es gibt auch Sünde gegen sich selbst, indem man sich Unrecht tut. Aber jede Sünde gegen den Nächsten und gegen sich selbst ist immer auch eine Sünde gegen Gott. Darum sagt auch David nach seinem Ehebruch mit Bathseba in Psalm 51: „Gegen dich, gegen dich allein habe ich gesündigt.“ Das allein bedeutet nicht, dass er nicht gegen Uria, den Mann von Bathseba, gesündigt hätte, auch nicht, dass er nicht gegen Bathseba und gegen sich selbst gesündigt hätte, aber letztlich gehen alle Sünden gegen Gott.
Ein ganz wichtiger Unterschied zum Koran und zum Islam: Im Islam und im Koran wird ausdrücklich und immer wieder gesagt, dass Sünde Sünde ist, aber nicht gegen Gott. Man könne nicht gegen Allah sündigen, denn Allah sei so weit entfernt und von Menschen abgehoben, dass es ihn nicht betreffe. Darum ist das Sündenverständnis im Islam auch ein ganz anderes. Sie würden das nie so ansehen wie wir: Sünde ist Sünde gegen Gott. Wenn sie sagen, Sünde ist nicht mal Sünde gegen Allah, sondern man kann gegen den Nächsten oder gegen sich selbst sündigen, hat das sehr große Konsequenzen. Die Sünde wird nicht in ihrer tiefsten Schrecklichkeit erfasst.
Gut, der langen Rede kurzer Sinn: Die vier Weltreiche werden als eine menschliche Statue dargestellt, aber es ist nur eine Statue ohne Seele, ohne Geist. Gerade das Wesentliche fehlt. Aber es deutet doch an, was die Weltreiche hätten sein sollen. Sie hätten durch ihre Regierung darstellen sollen, wie gerecht Gott ist, wie barmherzig Gott ist, wie treu Gott ist.
Kapitel 7 zeigt nun, wie sie wirklich waren: Sie waren blutrünstige Bestien. Durch die ganze Weltgeschichte hindurch zieht sich eine schreckliche Blutspur von Millionen und Abermillionen Toten.
Das erste Reich, der majestätische Löwe – und nicht nur das, ein Löwe mit Adlersflügeln. Der Adler an sich ist schon majestätisch, aber hier haben wir beides kombiniert: Löwe und Adler. Das stellt das babylonische Weltreich in der Zeit von 609 bis 539 v. Chr. dar. Man stellt fest: Genau 70 Jahre, so wie Jeremia es vorausgesagt hatte in Jeremia 25 und 29.
Aber 539 v. Chr. verlor das Reich seine Macht. Es wurde nicht vernichtet durch die Medoperser, sondern erobert. Der Beamtenapparat wurde übernommen. Darum steht hier: Seine Flügel wurden ausgerissen, es wurde von der Erde aufgehoben. Aber es ist noch nicht fertig. Es erscheint da wie ein Mensch, auf seine Füße gestellt, und es bekommt ein Menschenherz.
Man muss hier noch wissen, dass das aramäische Wort für Mensch, Enasch, von der Wurzel Anasch kommt, was „schwach sein“ bedeutet. Das Wort Enasch für Mensch im Aramäischen hat immer den Nebensinn: Das ist ein Schwacher, Hinfälliger. Und was ist das Herz eines Schwachen? Es ist ein furchtsames Herz.
Wir wissen selbst, wie viel Angst und Furcht in unserem Leben eine Rolle spielt. Manchmal wünscht man sich das Herz eines Löwen, das keine Furcht kennt und auf den Feind zugeht. Das bedeutet also: Aus diesem einst majestätischen, absolut regierten Reich wurde eine Provinz, die sich selbst vor anderen fürchten musste, mit einem Menschenherzen. Aber es wurde nicht vernichtet.
Dann kommt Vers 5: „Und siehe, ein anderes, zweites Tier, gleich einem Bären, und es richtete sich auf einer Seite auf, und es hatte drei Rippen in seinem Maul zwischen seinen Zähnen. Und man sprach zu ihm: Steh auf, friss viel Fleisch!“
Der Bär stellt das medopersische Weltreich dar, ab 539 v. Chr. Es dauerte bis 323 v. Chr., bis Alexander der Große das Persische Reich endgültig am Boden vernichtete. Der Bär wirkt nicht gerade majestätisch. Wenn man Bären beobachtet, ist das etwas anderes als bei Löwen. Der Löwe strahlt durch seine graziösen Bewegungen etwas Majestätisches aus.
Ein Bär dagegen wirkt in seinen Bewegungen eher plump. So war das mit dem medopersischen Reich. Wenn man den steinreichen König Ahasveros im Buch Esther sieht, der einen Befehl gibt und dann merkt, dass er ihn nicht mehr zurücknehmen kann, ist das schon etwas Plumpes. Das wird hier durch den Bären dargestellt, ebenso wie in Daniel 2 durch die Wertabnahme von Gold zu Silber.
Es wird gesagt, dass der Bär sich auf einer Seite mehr aufrichtet als auf der anderen. Das weist auf das Ungleichgewicht im medopersischen Reich hin. Die Oberkönige waren immer Perser, keine Meder. Das muss man den Kurden nicht unbedingt unter die Nase reiben, aber vielleicht hat man auch mit Iranern zu tun. Dann kann man ihnen erzählen, dass in der Bibel viel über den Iran und die Vergangenheit Persiens erzählt wird.
Übrigens wird in Daniel 8, darauf kommen wir beim nächsten Bibelschultag, das Perserreich dargestellt als ein Widder (Daniel 8,3). Dort heißt es, er hat zwei Hörner, die zwei Hörner sind hoch, aber eines war höher als das andere, und das höhere stieg zuletzt empor. Die Perser waren anfangs nicht so mächtig, gewannen aber später die Obermacht über die Meder. Das Horn, das später hochkommt, bleibt immer höher – so waren die Perser immer die Führer ab 539 v. Chr.
Ein weiteres Merkmal sind die drei Rippen in seinem Maul, zwischen den Zähnen, und dass das Tier sehr gefräßig ist. Es wird ihm gesagt: „Friss viel Fleisch!“ Wenn man eine Karte der Weltgeschichte anschaut, zum Beispiel im Putzker, dem damals gehassten Geschichtsbuch, sieht man, wie das babylonische Reich und dann das persische Reich sich ausgedehnt haben. Von Teilen Afrikas, Ägypten, über den Nahen Osten, die Türkei bis in Gebiete der ehemals südsowjetischen Republiken und bis nach Pakistan und Indien – das alles wurde gefressen.
Die drei Rippen weisen darauf hin, dass dieses Reich, ausgehend von Persien, besonders in drei Himmelsrichtungen gefressen hat: Westen, Osten und Norden. Jedes Detail hat hier eine Bedeutung.
Dann kommt Vers 6: „Nach diesem schaute ich, und siehe, ein anderes Tier, gleich einem Leoparden, und es hatte vier Flügel eines Vogels auf seinem Rücken, und das Tier hatte vier Köpfe, und Herrschaft wurde ihm gegeben.“
Jetzt kommt das schnellste Tier unter den vier Tieren, der Leopard. Ein Leopard mit Flügeln – wie schnell ist denn der? Vier Flügel! Aber dann doch erstaunlich: vier Köpfe. Man könnte sagen, toll, hätte man vier Festplatten über dem Hals, aber das ist schon ein Problem. Mehrere Köpfe sind einfach problematisch. Übrigens sieht man auch in Ehen, wenn beide das Haupt sein wollen, dass das nicht gut geht. Also vier Köpfe.
Das weist auf das griechische Weltreich hin. Alexander der Große, ein junger Mann, von Griechenland ausgehend, also von Europa, eroberte mit zehntausend Soldaten innerhalb von 13 Jahren das ganze persische Reich bis über den Indus hinaus. Sagenhaftes Tempo – der Leopard mit vier Flügeln. Das Reich bestand von 336 bis 323 v. Chr.
Es gibt eine Anekdote, die nicht stimmt, aber ausdrückt, was geschehen ist: Alexander hätte nach dreizehn Jahren schrecklich geweint, weil es nichts mehr gab zu erobern. Er hatte quasi das, was man früher unter der ganzen Welt verstand, auf drei Kontinenten erobert: Europa, Teile von Afrika und große Teile von Asien. Dann starb er mit 33 Jahren in Babylon, als er den Turm von Babel wieder aufbauen lassen wollte. Möglicherweise starb er an Malaria. Er hatte keine Kinder, die alt genug gewesen wären, um Nachfolger zu werden. So kam es zu schrecklichen Bürgerkriegen, den sogenannten Diadochenkriegen.
Das haben wir in der Geschichte gelernt. Die Generäle Alexanders stritten sich, und nach diesen jahrelangen Kriegen zerfiel das Riesenreich in hauptsächlich vier große Blöcke. Das sind die vier Köpfe. Alles hat Bedeutung.
Die vier Teile sind: das Reich des Ptolemäus in Ägypten, das Reich des Seleukos, das syrische Reich von heute Syrien, Libanon bis nach Pakistan, inklusive türkischer Gebiete, Usbekistan, Turkmenistan, Tadschikistan, Afghanistan. Dann das Reich des Kassander und das Reich des Lysimachus.
Jetzt kommt Vers 7: „Nach diesem schaute ich in Gesicht der Nacht, und siehe, ein viertes Tier, schrecklich und furchtbar und sehr stark, und es hatte große eiserne Zähne. Es fraß und zermalmte, und was übrig blieb, zertrat es mit seinen Füßen. Und es war verschieden von allen Tieren, die vor ihm gewesen, und es hatte zehn Hörner.“
Das ist also das römische Reich. Es beschreibt die unglaubliche Kraft der römischen Legionen. Das war die Basis des römischen Reiches – Legionen, die ein Volk nach dem anderen vernichteten oder sich unterwarfen.
Dieses vierte Reich begann schon lange in der Geschichte. Im Lateinunterricht lernten wir: „Sieben, fünf, drei – Rom schlüpft aus dem Ei.“ Aber das Datum ist historisch falsch. Richtig ist, dass das römische Reich in Italien entstand, Jahrhunderte vor Christi Geburt, und langsam immer wichtiger wurde.
Man kann sagen, mit der Schlacht von Actium 31 v. Chr. war Rom schließlich unangefochtene Macht Nummer eins. Gleich darauf begann die Kaiserherrschaft. Der erste Kaiser war Octavian, der sich den Ehrennamen Augustus gab, der Erhabene. Da sind wir übrigens schon in der Weihnachtsgeschichte: Lukas 2 berichtet, dass ein Befehl ausging von Kaiser Augustus, den ganzen Erdkreis, die Oikumene, also das römische Reich, einzuschreiben. So wurde Jesus in dieser Zeit geboren.
Wenn ich irgendwo in der Welt einen Dienst tue, versuche ich immer, einen Bezug von diesem Land zur Bibel herzustellen. Nach dem Sturz der Sowjetunion 1991 war ich oft in Tadschikistan. Das sind Leute persischer Kultur. Persisch ist nicht nur in Iran verbreitet, sondern auch Dari in Afghanistan und Tadschikisch in Tadschikistan. Sie verstehen sich, das ist alles persische Kultur.
Ich habe einmal über die Magier aus dem Morgenland gesprochen (Matthäus 2) und erklärt, dass das Wort „Magier“ im griechischen Text „Magoi“ ein persisches Wort ist. Das waren Sterngucker, Astronomen aus Persien, die den König der Welt in Jerusalem suchten, ihn schließlich in Bethlehem fanden, während die Leute vor Ort alles verschliefen – auch den Stern. Hand aufs Herz: Wer hat letzte Nacht zum Himmel geschaut und die Sterne beobachtet? So schnell verschläft man, was da oben geschieht.
So macht man den Bezug. Und wie kann man das mit den Helvetiern machen? Es braucht mehr Umwege, aber man kann es so erklären: Die alten Helvetier wollten einmal nicht mehr in der Schweiz wohnen. Sie wollten nicht Ferien in Frankreich machen, sondern dorthin ziehen, zu den Galliern. Sie brannten ihre Hütten in Helvetia ab und zogen los nach Frankreich.
Julius Caesar gefiel das gar nicht. Er trat ihnen entgegen, es kam zur Schlacht bei Bibracte. Er schlug die Helvetier, die mussten heimkehren und ihre verbrannten Hütten wieder aufbauen. Dieser Feind der Schweizer kam fast gesagt aus der EU, nämlich aus Italien. Julius Caesar war der Adoptivvater von Octavian, dem ersten Kaiser Augustus.
So haben wir einen Bezug zu Kaiser Augustus und der Weihnachtsgeschichte über Julius Caesar, die Schlacht bei Bibracte und unsere abgebrannten Schweizer Hütten. Ein bisschen weniger direkt als bei den Tadschiken, aber es geht auch.
Man kann immer einen Bezug herstellen, sogar bei den Thailändern. Ich habe ihnen Stellen gezeigt, die von den „Enden der Erde“ sprechen. Damit meint die Bibel die Teile des Festlandes, die am weitesten von Jerusalem entfernt sind. Das Gleiche habe ich auch den Kolumbianern gesagt. Die sind auf der anderen Seite der Erde. Der Bezug ist da.
Nun, zurück zu Kaiser Augustus. In Vers 8 lesen wir: „Während ich auf die Hörner achtgab, siehe, da stieg ein anderes kleines Horn zwischen ihnen empor, und drei von den ersten Hörnern wurden vor ihm ausgerissen. Und siehe, an diesem Horn waren Augen wie Menschenaugen und ein Mund, der große Dinge redete.“
Ich schaute, bis Throne aufgestellt wurden und ein Alter an Tagen sich setzte. Sein Gewand war weiß wie Schnee, und das Haar seines Hauptes wie reine Wolle. Sein Thron war Feuerflammen, dessen Räder loderndes Feuer. Ein Strom von Feuer floss und ging von ihm aus. Tausendmal Tausende dienten ihm, und zehntausendmal Zehntausende standen vor ihm. Das Gericht setzte sich, und Bücher wurden aufgetan.
Dann schaute ich wegen der Stimme der großen Worte, die das Horn redete, ich schaute, bis das Tier getötet und sein Leib zerstört und dem Brand des Feuers übergeben wurde. Was die übrigen Tiere betrifft, ihre Herrschaft wurde weggenommen, aber Verlängerung des Lebens wurde ihnen gegeben bis auf Zeit und Stunde.
Hier wird gesagt: Schließlich wird das römische Reich völlig vernichtet werden, im Gegensatz zu den anderen Reichen, die weiter existierten. Babylon wurde erobert, aber Babylon gab es weiterhin, einfach als Provinz. Medopersien fiel, aber das Gebiet existierte weiter als griechisches Reich. Das griechische Reich fiel, aber es gibt Griechenland bis heute – mit ein paar Finanzproblemen, aber sie sind immer noch da.
Beim vierten Tier wird gesagt, dass es vernichtet wird. Jetzt fragen wir uns: Bezieht sich das auf den Untergang von Westrom 476 n. Chr., als die Barbaren das Reich auflösten und überrannten? Nein, da war nicht Schluss. Das oströmische Reich ging weiter bis 1453, als die Türken es zum Zusammenbruch führten. Aber auch dann war nicht Schluss, denn der Westen hatte sich wieder etablieren können.
Ab 800 n. Chr. war Kaiser Karl der Große, der wieder größere Gebiete beherrschte als das Heilige Römische Reich. Es setzte sich fort über die Ottonen. Später nannte man es das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Große Teile Europas wurden dadurch zusammengehalten. Es hieß „Deutsche Nation“, weil die Kaiser immer Deutsche waren, aber es war viel größer als Deutschland.
Die deutschen Kaiser wurden immer vom Papst in Rom eingesetzt. 1806 legte Kaiser Franz die Krone des römischen Reiches ab. Zwei Jahre zuvor, 1804, hatte Napoleon seine Feldzüge über ganz Europa bis nach Russland gemacht. Für ihn war klar, das römische Reich sollte unter seiner Herrschaft weiterbestehen.
Das schien eine Zeit lang so. Dann kam die Völkerschlacht von Leipzig 1813. Der Zuschauer wusste: Jetzt ist Schluss. Das französische Parlament befahl Napoleon zum Abdanken. Danach war das römische Reich vorbei. Es gab wirklich kein römisches Reich mehr.
Ist das das hier Gemeinte? Nein, denn hier wird von dem alten Antlitz gesprochen. Gott kommt als Richter in diese Welt. Das ist nicht 1806 oder 1814/15 mit Napoleon. Was ist das?
Wir müssen die ganze Bibel lesen. Darum sagt Petrus in 2. Petrus 1 am Schluss: „Vor allem sollt ihr wissen, dass keine Prophetie von eigener Auslegung ist.“ Kein einzelner prophetischer Abschnitt in der Bibel ist für sich selbsterklärend. Manches kann man direkt aus dem Text erklären, aber nicht alles.
Wir brauchen ein Bibelwort, um das andere aufzuhellen. Wir brauchen die ganze Bibel. Darum muss man beim Bibellesen ständig hin- und hergehen, von 1. Mose bis Offenbarung und wieder zurück. Nur so versteht man die Bibel immer besser.
In Offenbarung 17 sah Johannes das vierte Tier von Daniel noch einmal, dieses Tier mit den zehn Hörnern. Das sah er zur Zeit des römischen Reiches, 95 n. Chr., zur Zeit von Kaiser Domitian.
Ich lese aus Offenbarung 17,8: „Das Tier, welches du sahst, war und ist nicht und wird aus dem Abgrund heraufsteigen und ins Verderben gehen.“
Hier wird erklärt, dass das, was in Daniel global als dieses eine Tier beschrieben wird bis hin zum Endgericht, dieses Reich drei Phasen hat: a) Das Tier war, b) das Tier ist nicht, c) das Tier wird aus dem Abgrund heraufsteigen.
Hier finden wir die drei Zeitstufen der Grammatik: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. Das wird hier absolut dargestellt. Warum? Gott wird in Offenbarung 4,8 am Schluss genannt: Herr Gott Allmächtiger, der da war und der da ist und der da kommt. Das ist eine Umschreibung des hebräischen Gottesnamens Yahweh, was „der Ewigseiende“, „der Unwandelbare“, „der da war, der ist, der kommt“ bedeutet.
Das römische Reich war ein Reich, das sich selbst vergötterte. Die römischen Kaiser ließen sich als Götter verehren. Dieses sich selbst vergötternde Reich wird hier ganz ironisch beschrieben: „Das Tier war...“ – das klingt wie beim wahren Gott, Herr Gott Allmächtiger, der da war. Aber dann geht es weiter: „...ist nicht.“ Was ist das für ein Gott, der plötzlich aufhört zu existieren? Gott ist von Ewigkeit zu Ewigkeit. Gott hört nie auf, Gott zu sein.
Ganz wichtig: Als der Herr Jesus Mensch wurde, hörte er nie auf, allmächtiger Gott zu sein. Er hörte nie auf, der ewige Gott zu sein, aber er wurde ein wirklicher Mensch. Als Mensch war er nicht allgegenwärtig, aber er war Gott und Mensch in einer Person. Er ist als Mensch in den Himmel zurückgekehrt. Er hat nie aufgehört, Mensch zu sein, aber auch nie aufgehört, Gott zu sein.
Hier wird gesagt: „Es war, ist nicht.“ Ab 1814/15 war das römische Reich fertig. Dann kam die Zeit des Nationalismus in Europa. Jeder war stolz: „Ich bin Schweizer, ich bin Franzose, ich bin Deutscher, ich bin Italiener, ich bin Brite.“ Das war auch die Zeit in der Kunst, in der das Lokale, die lokale Tradition gefördert wurde.
Man denke an die ungarischen Tänze, die Sarasate mit seinen wunderbaren Zigeunerweisen komponierte. Im langsamen Satz hat er ein Zigeunerlied genommen, sein Liebeslied. Ich liebe dieses Lied. Die meisten wissen nicht, dass die Zigeunerweisen auf Deutsch übersetzt „Nur ein Mädchen gibt es auf der Welt, das mein Herz gefangen hält“ heißt. Gut hat es der Herr mit mir gemeint, als er unsere Herzen vereint hat.
Man war stolz auf seine Identität. Das war auch gefährlich, denn Nationalismus kann durch das böse Herz des Menschen dazu führen, dass man andere verachtet und sich besser fühlt als andere Kulturen. So war das in Europa. Europa wurde innerlich immer mehr gespalten, bis der Ausbruch kam: 1914, der Erste Weltkrieg. Es brauchte nur einen Thronfolgemord, und der schrecklichste Krieg der Weltgeschichte begann mit 18 Millionen Toten.
Das war nicht das Ende. Der Zweite Weltkrieg war die Fortsetzung mit 50 bis 70 Millionen Toten. Am Ende, 1945, als im Frühjahr die Glocken läuteten, auch in der Schweiz, war Europa am Boden zerstört.
Dann kam Winston Churchill nach Zürich und hielt die berühmte Rede an der Universität: „Let Europe Arise“ – Lasst Europa aufstehen. Wir müssen eine Art Vereinigte Staaten von Europa schaffen. Der Weg dahin ist nicht schwer. Es braucht nicht mehr als 300 oder 400 Millionen Bürger. Nein, er sagte: Männer und Frauen, Recht statt Unrecht tun und Segen statt Fluch ernten.
Man verstand das, und 1957 wurden die Römischen Verträge geschlossen – in Rom, wohlgemerkt. Damals schlossen sich sechs Nationen zusammen. Die Entwicklung ging weiter über die EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) hin zu einer Europäischen Gemeinschaft. Einheit ist mehr als eine Vereinigung, mehr als nur Gemeinschaft.
Jetzt haben wir ein Riesenschiff mit 27 Nationen und die Bedürfnisse, noch weiterzugehen, vor allem nach Osten, Richtung Russland und auch die Ukraine – ein Streit um Gebiete, zum Beispiel die Krim. Das wäre wieder ein eigenes Geschichtsthema.
Man sieht, dass sich etwas ausdehnen will. Was ist das? Die Europa-Vordenker haben das schon längst erklärt. Emil Lutz sagte in den 1950er Jahren: „Europa, die europäische Einheit brauchen wir nicht zu schaffen, sondern lediglich wiederherzustellen.“ Einer unserer ehemaligen Staatssekretäre, Dr. Franz Blankart, sagte als Europabefürworter: „Ein Heiliges Römisches Reich Europäischer Nation soll gezimmert werden.“ Ganz klar, was hier aufgebaut wird.
Dann lesen wir in Offenbarung 17,8: „Das Tier war, ist nicht und wird aus dem Abgrund heraufsteigen.“ Der Abgrund, griechisch abyssos, ist das Wort, das in Römer 10 das Totenreich bezeichnet.
Tatsächlich kam das neue Europa, das neue römische Reich in seiner dritten Phase aus dem schrecklichsten Krieg mit 50 bis 70 Millionen Toten aus dem Abgrund hervor. „Let Europe Arise“ 1946 – was konnte da aus dem Abgrund heraufsteigen?
Wir sehen diesen ganzen Prozess. Ich habe das einige Jahrzehnte beobachten können, wie es immer weiterging. Und heute? „Wo geht das weiter?“ – „Es steht hier: wird aus dem Abgrund heraufsteigen.“ Das entspricht dem „der da war, der da ist und der da kommt.“
Es wird heraufsteigen und ins Verderben gehen. Dann kommt Jesus Christus wieder, und das wird hier dargestellt, indem diese zehn Hörner erwähnt werden – das kleine Horn, das da emporsteigt.
Das ist die Zeit, wenn Gott als Richter der Welt eingreift. Dieses Reich wird untergehen, vernichtet werden. Es wird nicht so sein, dass seine Herrschaft noch verlängert wird. Das ist der Untergang des Abendlandes, den wir vor uns haben.
Wir erfahren noch viel mehr in den weiteren Versen. Das sparen wir uns für das nächste Mal auf, wenn wir im Detail durch alle Verse gehen, über die man oft nicht so viel hört. Über die vier Tiere hört man schnell mal etwas, aber dann kommen einige schwierige Verse.
Wir wollen nichts auslassen. Es wird uns helfen, unsere Zeit zu verstehen und richtig einzuordnen.
Schlussbetrachtung: Das Ende Europas und der Ruf zum Gebet
Aber was wollen wir zum Schluss noch mitnehmen? Dieses Europa, in dem wir leben, ist wirklich dem Untergang geweiht. Haben wir eine Antwort darauf? Ja, natürlich. Es ist eine Kultur, die das Evangelium über Jahrhunderte, um nicht zu sagen zwei Jahrtausende lang, wie keine andere Kultur gehört hat.
Heute leben wir in einer Zeit, in der die Masse das Evangelium offen verwirft und sogar verspottet. Man ist nicht nur bereit, alle christlichen Werte aufzugeben, sondern auch die natürlichen Werte – das, was der Mensch von Natur aus kennt. Wie die unvernünftigen Tiere verderben sich die Menschen darin, indem sie sogar so weit gehen, die Zuordnung von Mann und Frau als etwas Künstliches abzulehnen und diese aufbrechen wollen.
Das ist wirklich das Ende, das man sich an Abgrund vorstellen kann: nicht nur der Abfall von der Bibel, sondern sogar der Abfall von dem, was der Heide weiß. Jeder Heide im Urwald weiß: Das ist ein Mann, und das ist eine Frau. Und wenn man heiratet – die wissen übrigens, dass man heiratet. Wer hat ihnen das gesagt? Dann heiratet ein Mann eine Frau. Das wissen sie alles.
Aber Europa ist so weit gekommen, dass viele nicht einmal mehr wissen, wer wen heiraten muss. Deshalb verstehen wir, warum hier geschrieben steht, dass dieses Tier schließlich vernichtet wird und Gott, der „Alte an Tagen“, das ist der Ewige, das letzte Wort über die Welt sprechen wird.
Ja, bis dahin für heute. Wir wollen noch zusammen beten:
Herr Jesus, wir danken dir, dass wir dein Wort haben, das uns den Weg erleuchtet und uns zeigt, wie du über diese Welt denkst, aber auch über unsere Gesellschaft, über unser Land, über unsere Arbeit, unsere Familie und unsere Ehe. Und Herr Jesus, auch über unsere Gemeinden.
Danke, dass wir aus deinem Wort lernen dürfen, um dadurch ermutigt zu werden, diese letzte Wegstrecke bis zu deinem Kommen zu erleben, wenn du das letzte Wort in dieser Welt sprechen wirst.
Herr Jesus, hilf uns, dass wir die Letzten noch zu dir rufen dürfen und dass sich so viele wie möglich noch herausrufen lassen aus dieser Kultur, die dem Gericht geweiht ist. Amen!