Wir befinden uns weiterhin im Johannesevangelium, Kapitel 1, und kommen zum letzten Abschnitt, Johannes 1,43-51.
Am folgenden Tag wollte Jesus nach Galiläa aufbrechen. Er findet Philippus und sagt zu ihm: „Folge mir nach!“ Philippus stammte aus Bethsaida, der Stadt von Andreas und Petrus.
Philippus findet Nathanael und sagt zu ihm: „Wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben: Jesus, den Sohn Josephs, den aus Nazareth.“ Nathanael antwortet ihm: „Kann aus Nazareth etwas Gutes kommen?“ Philippus erwidert: „Komm und sieh!“
Jesus sieht Nathanael auf sich zukommen und sagt zu ihm: „Siehe, wahrhaftig, ein Israelit, in dem kein Trug ist!“ Nathanael fragt Jesus: „Woher kennst du mich?“ Jesus antwortet: „Ehe Philippus dich rief, als du unter dem Feigenbaum warst, habe ich dich gesehen.“
Nathanael sagt zu ihm: „Rabbi, du bist der Sohn Gottes, du bist der König Israels!“ Jesus erwidert: „Weil ich dir sagte, ich habe dich unter dem Feigenbaum gesehen, glaubst du. Du wirst Größeres als das sehen.“
Er fährt fort und sagt zu ihm: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Von nun an werdet ihr den Himmel geöffnet sehen und die Engel Gottes auf- und niedersteigen auf den Sohn des Menschen.“
Wir finden hier die Berufung des Philippus, Vers 43. Der Ausruf „Folge mir nach“ war die typische Berufungsformel eines Rabbis, der Studenten um sich sammelte. So wird Philippus ein Jünger Jesu.
Der Jünger geht dann zu Nathanael und gibt ihm das Zeugnis: „Wir haben den Messias gefunden“, also den, der von Mose prophezeit worden war. Er nennt hier den Herrn Jesus eigenartigerweise „wie“. Ja, Propheten – ist das ungewöhnlich? Der Messias sollte ja der Prophet sein.
Zuerst einmal zum Propheten: Er sollte ein Prophet sein. Nach 5. Mose 18,15 sollte der Messias als der große Prophet kommen. Aber der Mann aus Nazareth – was ist da ungewöhnlich? „Wie? Josephs Sohn?“ Ja, das meinte ich, das ist doch ungewöhnlich. Aber kann man das kritisieren oder soll man das kritisieren? Was sagt das aus: Jesus, der Sohn des Joseph?
Es gibt eine ganze Reihe von Vorschlägen. Aber die Frage ist: Ist die Aussage prinzipiell falsch? Biologisch ist sie falsch, ja, wenn sie so gemeint wäre. Aber wie kann man sie noch verstehen? Adoptiert? Juristisch natürlich. Denn dadurch, dass Joseph Maria geheiratet hat, ist Jesus in juristischem Sinne eben Sohn des Joseph geworden. In dem Sinn muss man das hier auch verstehen. Das ist keine Leugnung der Jungfrauengeburt, er war juristisch einfach bekannt als Sohn des Joseph.
Doch da klingt noch etwas Besonderes an, wenn hier der Messias quasi vorgestellt wird, der von Mose und den Propheten vorausgesagt war: Jesus, der Sohn des Joseph. Die Rabbiner haben ja den leidenden Messias wie genannt? „Messias ben Joseph“, Maschiach ben Joseph, Messias, der Sohn des Joseph. Im Gegensatz zum triumphierenden Messias, den nannten sie „Maschiach ben David“, Messias, Sohn des David.
Wieso, woher kommt wohl diese Benennung „Sohn des Joseph“, Messias, Sohn des Joseph? Im Alten Testament wird klar gesagt, der Messias werde ein Nachkomme sein, biologisch, von David. Psalm 132, Jeremia 23, Vers 5 und andere Stellen belegen das. Das ist klar etabliert. Aber nirgends steht im Alten Testament, dass der Messias von Joseph abstammen sollte. Trotzdem nannten sie den leidenden Messias, wie in Jesaja 53 usw., „Messias, Sohn des Joseph“.
Wer kommt auf diese Bezeichnung? Ja, wann haben Sie das gesagt? In den letzten zweitausend Jahren oder schon davor? Schon in der alten rabbinischen Literatur finden wir das, ja. Wenn sie gesagt hätten „Sohn Davids“, hätten sie sich ihm ja zuwenden müssen. So konnten sie sich praktisch zurückziehen und sagen: Es kann nicht der Messias sein, denn ...
Ja gut, aber sie erwarten ja den triumphierenden Messias als Sohn Davids. Der Sohn Josephs kann es also auf keinen Fall sein. Sie verfolgen das nicht zurück bis auf David, dass es auf keinen Fall der Sohn Davids sein kann.
Jetzt folge ich nicht ganz. Also, wenn der Messias kommen sollte, dann musste ja sofort sein Geschlechtsregister geprüft werden, zurück bis auf David, ob er daher stammt. Also in jedem Fall, wenn jemand als Messias auftrat, musste sein Geschlechtsregister überprüft werden, oder?
Nein, die Sache ist ganz einfach. Vom Typus Joseph. Und Joseph ist ja nicht der Vater, der als Stiefvater Jesu gemeint ist, sondern der Josef aus dem Alten Testament. Ja, klar. Von der Geschichte Josephs her kommt quasi die Idee des Leidenden. Joseph wird von seinen Brüdern verworfen und muss leiden. So hat man diesen Begriff gewählt für den leidenden Messias.
Derjenige, der von der Kategorie des Joseph ist, leidet so wie Joseph, und er herrscht letztendlich, wie Joseph in Ägypten auch herrschte. Das ist der Punkt. Es ist so schön zu zeigen, dass der leidende Messias dort, der leidende Joseph, der den leidenden Messias vorschattet, doch derjenige ist, der später über seine Brüder herrscht und auch der Herrschende ist.
Ganz genau so sollte es auch mit dem Messias sein. Es gibt nicht zwei verschiedene Messiasse, einen, der leidet, und einen, der herrscht. Es sind nur zwei verschiedene Phasen. Genauso wie man im Leben Josephs zwei Phasen hat: die Phase des Leidens und dann die Phase der Herrlichkeit.
Aber ist das nicht eine Interpretation im Nachhinein? Denn damals wussten Philippus und Nathanael doch noch nicht, was Jesus alles bevorstehen würde. Ist das nicht eine Interpretation im Nachhinein, dass man sagt, man meint Joseph aus dem Alten Testament?
Nein, wir haben uns wahrscheinlich nicht ganz verstanden. Die Rabbiner, wenn sie das Alte Testament gelesen haben, sahen, dass in manchen Kapiteln der Messias als einer beschrieben wird, der herrscht. In anderen Kapiteln wird er als einer beschrieben, der leiden muss und stirbt. Diese beiden Bilder haben sie nicht zusammengebracht.
Sie haben dann den Herrschenden einfach als „Messias, Sohn Davids“ bezeichnet, weil David der König ist. Den Leidenden haben sie „Messias, Sohn Josephs“ genannt, weil er dem leidenden Joseph entspricht.
Aus diesem Konzept der zwei Messiasse, einer, der dem Joseph entspricht, dem Leidenden, und einer, der dem David, dem herrschenden König entspricht, ist es interessant, wenn Philippus zu Nathanael sagt: „Wir haben den gefunden, von welchem Mose im Gesetz geschrieben hat und die Propheten“, also meinen sie den verheißenden Erlöser, den Messias, Jesus, den Sohn des Joseph, den von Nazareth.
Er nannte ihn so, weil der Mann, der Maria hieß, Joseph war. So war Jesus eben der Sohn des Joseph. Aber da klingt etwas mit, gerade in der Tatsache, dass Jesus als Sohn Josephs bekannt war und sie ihn als Messias bezeugen. Da ist es der Messias, Sohn des Joseph, der leidende Messias.
So kam es, dass der Herr Jesus bei seinem ersten Kommen auf die Erde nicht der herrschende Messias war, sondern tatsächlich der leidende Messias. Aber alles ist nur eine Frage der Zeit. So wie Joseph damals verworfen wurde und litt, kam er dann zur Herrschaft, zuerst über die Heiden.
Die Ägypter haben ihn als Herrscher anerkannt, während seine Brüder noch nichts von ihm wussten. So ist es auch: In den vergangenen zweitausend Jahren haben Millionen von Heiden Jesus Christus als den verheißenden Erlöser erkannt, während die große Masse seines Volkes ihn nicht erkannt hatte.
Als dann die Brüder Josephs in eine große Drangsalzeit kamen, war das die Zeit des Umdenkens, bis sie schließlich Joseph erkannten, weinten und ihre Schuld an ihm bereuten. So wurde er auch zum Herrscher über seine Brüder.
So wird es auch kommen: Israel wird noch durch eine große Drangsalzeit hindurchgehen. Dann wird die Masse dieses Volkes, die überlebt, den Herrn Jesus als Messias erkennen.
Mir ging es einfach darum, diesen Anklang „Jesus, der Sohn des Joseph“ gut zu verstehen. In jüdischen Ohren hat das einen ganz besonderen Klang. Auch das war kein Zufall, dass Gott es so gefügt hat, dass der Mann der Maria ausgerechnet Joseph heißen sollte. Das machte das Konzept des leidenden Messias als Titel klar und deutlich.
Ist noch etwas zu dem Thema offen? Ich glaube, es wurde noch etwas aufgeworfen, ja, wegen Nazareth. Jemand hat gesagt, das sei eigentümlich, also das heißt, den von Nazareth.
Was war da die Meinung, warum wäre das ungewöhnlich? Nein, aber sie haben ihn ja aus Bethlehem erwartet. Der Messias sollte ja in Bethlehem geboren werden, wie man in Matthäus 2,1 liest.
Das ist im Fall des Herrn Jesus auch so geschehen, aber aufgewachsen ist er eben in Nazareth. Damit hat sich erfüllt, dass der Messias den Namen „Spross“ haben sollte.
So steht das zum Beispiel in Sacharja 3,8. Kann das jemand vorlesen? „Joshua, du, der hohe Priester, du und deine Gefährten, die vor dir sitzen, denn Männer des Wunders sind sie, ja siehe, ich will meinen Knecht, Spross genannt, kommen lassen.“
Jawohl, auch die alten Rabbiner haben diese Stelle so aufgefasst. Sie sprechen vom Messias: „Siehe, ich will meinen Knecht kommen lassen.“ Aber dieser Knecht wird „Spross“ genannt.
Nazareth kommt von der Wurzel „Nezer“, das heißt „Spross“. Nazareth bedeutet also „Sprosslingen“. Darum heißt Jesus von Nazareth: das ist der Mann aus Sprosslingen oder der Nazarener, also der Spross.
So erklärte ihm Matthäus am Schluss seines zweiten Kapitels, dass dadurch, dass Joseph und Maria nach der Rückkehr aus Ägypten nicht nach Bethlehem gingen, sondern aus Angst wegen des grausamen Herrschers in Judäa nach Galiläa auswichen, der Herr in Nazareth aufwuchs.
Damit wurde erfüllt, was die Propheten gesagt haben: Er soll Nazarener genannt werden.
Und das ist diese Anspielung auf all diese Sprossstellen im Alten Testament, wie Sacharja, aber auch in Jeremia und Jesaja findet man das ebenfalls.
Ja, sonst noch etwas? Ja? Ich habe Schwierigkeiten. Und zwar: Wie hat sich Jesus Philippus so deutlich zu erkennen gegeben, dass dieser sagen konnte: „Wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, nämlich Jesus, den Sohn Josephs“? So einfach, so aus dem Ärmel heraus, kommt das ja nicht.
Ich finde das natürlich lebensbedeutsam. So wie bei Nathanael, da war die Sache klar und sehr wahrhaftig: ein Israelit, in dem kein Trug war. Da sieht man, wie sich der Herr Jesus Nathanael zu erkennen gab. Aber bei Philippus kann ich das einfach nicht erkennen. Wie kommt Philippus auf die Idee zu sagen: „Wir haben den gefunden“? Gut, er kannte die Schriften, aber durch welche Zeichen oder Offenbarungen hat Jesus sich ihm gezeigt?
Johannes beschreibt die Berufung des Philippus nur mit wenigen Worten. Philippus war also so weit, dass er sofort dem Ruf „Folge mir nach“ folgen konnte. Der Text erzählt uns nicht, welche Predigten er schon gehört hatte oder welche Gespräche er geführt hatte. Aber der Text macht deutlich, dass es für ihn genügend klar war, um dem Herrn nachzufolgen und sogleich ein Zeuge zu sein, der andere zur Nachfolge hinweisen konnte.
Es steht ausdrücklich, dass der Messias als Immanuel angekündigt war. Ich verstehe nicht, warum das nicht so sein sollte. Warum sollte es nicht so sein? Er hieß ja in seinem irdischen Leben nicht Immanuel, weil es um ihn ging. Ach so, ja, genau.
Es ist so, dass der Messias viele Namen hat. Es gäbe also noch viele weitere Bezeichnungen. In Psalm 72 wird er „Einon“ genannt, in Jesaja 9 „Friedefürst“, „Ewigvater“ und „starker Gott“ – das sind alles Bezeichnungen des Messias.
Diese Aussage, dass er „Immanuel“ heißt, bedeutet nicht, dass dies sein Eigenname ist, der anlässlich der Beschneidung gegeben wurde. Vielmehr sind das alles Namen, die er trägt. Seit zweitausend Jahren preisen und beten die Gläubigen Jesus Christus immer wieder als Immanuel an.
Er hat also diesen Namen, aber er ist nur einer unter vielen Namen. Es ist nicht der Beschneidungsname.
Noch etwas? Gut, also jetzt gehen wir weiter zu Nathanael und seiner Reaktion in Vers 46. Woher kommt dieses Verächtliche? Weil er aus Galiläa stammt. Was ist denn so schlecht daran, aus Galiläa zu kommen? Es war etwas ganz Unbekanntes.
Nein, das war mir gar nicht so bewusst. Galiläa war keine große Stadt mit vielen Soldaten, polnischen Soldaten oder so. Aber man kann sagen, Jerusalem war ja auch römisch besetzt. Neben dem Tempel lag die Burg Antonia, die ständig von der Garnison bewacht wurde. Das ganze Land lag fest in der Hand Roms.
Doch es geht schon in die richtige Richtung. Was ist denn mit Galiläa? Nicht militärisch war das Typische, sondern Galiläa war sehr stark durch Nichtjuden besiedelt. Ganz in der Nähe von Nazareth lag die Stadt Sepphoris, die in den vergangenen Jahren gründlich ausgegraben wurde. Das war eine völlig heidnische Stadt mit Theater und all den Vergnügungen, die sich die Römer als Heiden gerne leisteten.
Galiläa war geprägt von heidnischem, hellenistischem, also griechischem Kultureinfluss, mehr als der Süden mit Judäa und Jerusalem. Hinzu kommt, dass die jüdische Gelehrsamkeit ihr Zentrum im Süden, in Jerusalem, hatte. So wurden die Juden in Galiläa, die vom Gesetz wenig verstanden, besonders verachtet. Diese nennt man Amha'aretz, das Volk des Landes, das nichts versteht.
Der Ausdruck Amha'aretz wird immer wieder im Judentum als verächtliche Bezeichnung für diejenigen verwendet, die das Gesetz nicht kennen. Johannes 7, Vers 49 sagt: „Hat wohl jemand von den Obersten an ihn geglaubt oder von den Pharisäern?“ Diese Volksmenge aber, die das Gesetz nicht kennt, sei verflucht. Ja, die Volksmenge, die das Gesetz nicht kennt, sind eben speziell diese Leute des Landes, und das waren ganz besondere Leute aus Galiläa, die man tief verachtete.
So war Galiläa gewissermaßen der Inbegriff religiöser Ignoranz. Das zeigt auch Jesaja 9 in der Prophetie über das Licht, das aufgehen soll. Jesaja 9, Vers 2 (je nach Bibelausgabe können die Verse leicht verschoben sein) sagt: „Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht.“ Steht es so bei Ihnen? In Galiläa, der Nation?
Im Neuen Testament wird das in Matthäus 4, Vers 15 zitiert. Lassen wir beides mal offen! Genau so! Jesaja 9, Vers 2 sagt: „Um die erste Zeit hat er das Land Sebulon und das Land Naftali verächtlich gemacht, und in der letzten Zeit bringt er zu Ehren den Weg am Meer, das jenseitige des Jordan, den Kreis der Nationen.“ Dieses „Kreis der Nationen“ meint wohl auch Galiläa der Nationen, weil dort so viele Heiden wohnten.
Jesaja sah also bereits, dass das verachtete Nordisrael, das unter starkem heidnischem Einfluss durch deren Besiedlung stand, das Licht sehen sollte. „Das Volk, das im Finstern wandelt, hat ein großes Licht gesehen, die da wohnen im Land des Todesschattens, Licht hat über sie geleuchtet.“ Ausgerechnet im verachteten Galiläa sollte das Licht des Messias aufgehen, nach Jesaja 9.
Matthäus 4, Verse 15 bis 17 zeigt die Erfüllung davon. Dort wird Jesaja 9 zitiert: „Damit erfüllt würde, was durch den Propheten Jesaja geredet worden ist: Land Sebulon und Land Naftali, gegen den See hin, jenseits des Jordans, Galiläa der Nationen. Das Volk, das in der Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen, und denen, die im Land und Schatten des Todes saßen, ist Licht aufgegangen.“ Von da an begann Jesus zu predigen und zu sagen, was er wusste: „Denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen.“
Also begann Jesus in Galiläa seinen Predigtdienst, und dort ging ihm das Licht in Galiläa der Nationen auf. Galiläa war also an sich schon verachtet. Nun lesen wir Johannes 1, Vers 46: Es geht nicht nur um Galiläa, sondern es kann aus Nazareth etwas Gutes kommen. Warum diese Verachtung, insbesondere von Nazareth?
Weil Nazareth eines der kleinsten Städte in Galiläa war. Archäologisch betrachtet war Nazareth zur Zeit Jesu sehr klein. Man schätzt, es gab sechs Häuser, fünf Gaststätten und so weiter. Das waren vielleicht hundert bis dreihundert Personen. Ein sehr kleiner Ort. Manche Menschen in Galiläa wohnten sogar in Höhlen. Von daher war es wirklich der Inbegriff des Unterentwickelten, des Amha'aretz, des Volkes des Landes, das die Tora, das Gesetz, nicht kennt.
Aber ausgerechnet dort ist der Herr Jesus aufgewachsen, und das in so kleiner Entfernung zu Sepphoris, dieser Stadt mit starkem heidnischem Einfluss. Jesus wuchs also nicht irgendwo in einem abgeschotteten Ort in Judäa auf, wo nur jüdischer Einfluss herrschte, sondern mitten in der Auseinandersetzung mit der heidnischen Welt.
Darum das Erstaunen: Wenn das der Messias sein soll, wie soll er aus Nazareth kommen? Das war für Nathanael einfach unverständlich. Doch Philippus sagt: „Komm und sieh!“ Diesen Ausdruck kennen wir schon. Was bedeutet er? Er kommt oft im Talmud vor und ist ein typischer talmudischer Ausdruck. Immer wenn jemand etwas ganz Wichtiges folgen soll, eine wichtige Aussage, heißt es: „Komm und sieh!“
Das hatten wir schon in Kapitel 1, Vers 39: Die Jünger fragen: „Wo hältst du dich auf?“ Und er sagt: „Kommt und seht!“ Nun also: „Komm und sieh!“ So kommt Nathanael zu einer persönlichen Begegnung mit dem Messias.
Der Herr kann ihm ein besonderes Zeugnis ausstellen: „Siehe, wahrhaftig ein Israelit, in welchem kein Trug ist.“ Das ist nicht typisch, denn ein Israelit stammt ja von Israel ab. Was war der erste Name Israels? Jakob – Versenhalter, Überlister, ein Betrüger, voller Trug.
Doch der Herr sagt: „Wahrhaftig ein Israelit, in welchem kein Trug ist.“ Er ehrt also den Namen Israel, den Jakob erst später erhielt. Dieses Ereignis markiert eine deutliche Wende im Leben Jakobs. Bis dahin meinte er, mit seiner eigenen Kraft immer zum Ziel zu kommen, was ihm viel Schmerz bereitete.
Als er die Verletzung am Bein erhielt, wurde ihm seine Schwachheit bewusst. Da bekam er den Namen Israel, Gottesstreiter. Paulus sagt dazu: „Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.“ Die Kraft Gottes kann über uns ruhen, wenn wir uns unserer Schwäche bewusst sind. Das drückt sich in Israel aus.
Nathanael ist überrascht: „Woher kennst du mich?“ Er hatte noch nie eine Begegnung vorher. Doch Jesus kann ihm sagen, wie sein innerer moralischer Zustand ist. Jesus sagt: „Ehe Philippus dich rief, als du unter dem Feigenbaum warst, sah ich dich.“
Der Feigenbaum war damals ein beliebter Ort für das Thorastudium. Das weist darauf hin, dass Nathanael unter dem Feigenbaum das Wort Gottes las und studierte. Doch was im Inneren eines Menschen vorgeht, wenn er die Bibel liest, weiß niemand. Plötzlich fühlt sich Nathanael ganz ins Licht Gottes gestellt.
Diese Erfahrung überwältigt ihn so sehr, dass er zum Schluss kommt, Vers 49: „Rabbi, du bist der Sohn Gottes, du bist der König Israels.“
Wie kommt es, dass hier Nathanael über den Sohn Gottes spricht? Es gibt natürlich Kritiker, die sagen, dass dies überhaupt nicht der jüdischen Auffassung entspricht, wonach der Messias Sohn Gottes sein sollte. Stimmt das?
Das ist schon im Alten Testament als Sohn belegt. Ja, natürlich, wo genau? In einem Psalm küsst er den Sohn. Genau, Psalm 2 ist das. Schlagen wir ihn auf.
Psalm 2, Verse 7 und 12. Wer liest?
„Kundtun will ich den Ratschluss des Herrn, er hat zu mir gesagt: Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.“
Jawohl, und Vers 12: „Dass er nicht zürne und ihr umkommt auf dem Wege, denn sein Zorn wird bald entbrennen.“
Jetzt hast du aber nicht den Anfang des Verses erwischt, oder? Küst den Sohn? Das ist Vers 11 bei mir.
Ach so, dann hast du eine andere Übersetzung. „Dienet dem Herrn mit Furcht und küsst seine Füße mit Zittern.“
Nein, Lothar, „küsst den Sohn“. Hast du nicht „küsst den Sohn“?
Nein, „küsst seine Füße mit Zittern“.
Das ist aber eigenartig. Der hebräische Text sagt „Küsst den Sohn, dass er nicht zürne!“ Also haben wir hier zweimal in diesem Psalm den Messias als Gottessohn vorgestellt. Dass es im Zusammenhang um den Messias geht, wird schon klar in Vers 2: „Es treten auf die Könige der Erde, und die Fürsten ratschlagen miteinander gegen den Herrn und gegen seinen Messias.“ Da geht es also um den Messias in diesem Psalm, Vers 2, und von diesem Messias wird gesagt: „Du bist mein Sohn“, Vers 7.
Das Konzept des Messias als Sohn Gottes ist alttestamentlich ganz klar verankert. Er sollte durch Gott gezeugt werden, sogar die Zeugung durch Gott war schon ganz klar alttestamentlich verankert, wie in Psalm 2. Gibt es noch andere Stellen, die von dieser Zeugung oder davon sprechen, dass der Messias Sohn Gottes ist? Ja, das ist Sprüche 30. Können wir das mal aufschlagen?
Sprüche 30, Vers 4:
„Wer ist hinaufgestiegen zum Himmel und herniedergefahren? Wer hat den Wind in seine Fäuste gesammelt? Wer hat die Wasser in sein Tuch gebunden? Wer hat aufgerichtet alle Enden der Erde? Was ist sein Name und was der Name seines Sohnes, wenn du es weißt?“
Ja, das ist erstaunlich, oder? Gott wird hier als Schöpfer vorgestellt, und es wird gefragt: Was ist sein Name und was der Name seines Sohnes? Da wird der Sohn als jemand vorgestellt, der existiert, nicht als jemand, der irgendwann in der Zukunft einmal existieren wird.
Darum ist Folgendes beachtlich: Im Psalm 2 geht es darum, dass der Messias Sohn Gottes sein sollte durch Zeugung, also durch seine Menschwerdung. Aber hier in Sprüche 30 geht es um die ewige Sohnschaft.
Jesus Christus ist nämlich in zwei Hinsichten Sohn Gottes: Dadurch, dass er Mensch geworden ist durch die Zeugung, wie es in Matthäus 1 ausgeführt wird. Aber er ist als Gott schon von Ewigkeit her Sohn und hat von Ewigkeit her diese Beziehung als Sohn zum Vater. Das hat nicht erst mit seiner Menschwerdung begonnen.
Man muss also unterscheiden zwischen zwei Arten der Sohnschaft: Seine Sohnschaft als Gott und seine Sohnschaft als Mensch. Seine Sohnschaft als Gott ist ewig, von Ewigkeit zu Ewigkeit, und seine Sohnschaft als Mensch hat einen Beginn mit seiner Zeugung und währt in alle Ewigkeit.
Übrigens wird in Hebräer 7 diese ewige Sohnschaft sehr eindrücklich behandelt. Im Neuen Testament, Hebräer 7, wird der Herr Jesus mit Melchisedek verglichen, der im Alten Testament beschrieben wird als „ohne Geburt, ohne Tod, ohne Vorfahren“. Liest jemand Hebräer 7, Vers 3?
„Er ist ohne Vater, ohne Mutter, ohne Stammbaum und hat weder Anfang der Tage noch Ende des Lebens, zugleich dem Sohn Gottes gleichbleibend und bleibt Priester in Ewigkeit.“
Jawohl, also ohne Vater, ohne Mutter, ohne Geschlechtsregister, ohne Anfang, ohne Ende, dem Sohn Gottes gleich. Nicht Christus wird verglichen, sondern dem Sohn Gottes, eben ohne Anfang und ohne Ende. Das ist der ewige Sohn.
Und Hebräer 5, Vers 8. Wer liest?
Jesus Christus hat ja als ewiger Gott nie gehorchen müssen. Er ist dem Vater und dem Heiligen Geist absolut gleich. Es gibt kein Gehorsamsprinzip in der Gottheit.
Hier wird erklärt, dass Jesus Christus dadurch, dass er Mensch geworden ist, überhaupt kennengelernt hat, was es heißt, zu gehorchen, sich unterzuordnen. Das war für ihn kein Problem, aber es war etwas völlig Neues. Darum heißt es, er hat den Gehorsam gelernt.
Schauen wir mal, was der Text sagt: Es heißt hier nicht, weil er Sohn war, habe er an dem, was er litt, den Gehorsam gelernt, sondern was heißt es? „Obwohl“! Der Begriff Sohn beinhaltet nicht, dass er hätte gehorchen müssen, sondern eben: Obwohl er Sohn war, nämlich ewiger Sohn, hat er in dem, was er litt, den Gehorsam gelernt.
Auch das ist ein ganz interessanter Hinweis auf die ewige Sohnschaft Christi. „Kennst du seinen Namen und den Namen seines Sohnes, wenn du es weißt?“ Sehr geheimnisvoll, oder? Auch alttestamentlich.
Dann hat Nathanael also doch schon beachtliche Erkenntnis im Wort gehabt. Ja, das entspricht Sprüche 3: Dem Aufrichtigen lässt er es gelingen. Gott gibt dem Aufrichtigen sein Licht.
Reinhard, der Sohn Gottes – und Jesus sagt dann: „Glückselig bist du, Simon, Sohn des Jonas! Fleisch und Blut haben dir dies nicht offenbart, sondern mein Vater, der in den Himmeln ist.“ Ich denke, dass da doch die Offenbarung Gottes zu dieser Schrift dazugehört.
Das ist bei jeder wahren Erkenntnis und bei jeder wahren Bekehrung der Fall, dass jemand zur Überzeugung kommt, die Bibel ist von A bis Z hundert Prozent Gottes Wort, ohne Irrtum.
Wie kommt ein Mensch dazu? Man könnte doch so weit kommen, dass man sieht: Ja, was ich bis jetzt kontrollieren konnte, stimmt, aber wer weiß, vielleicht finde ich dann doch plötzlich etwas, das nicht stimmt?
Aber woher kommt es, dass ein Mensch diese innere, völlige Gewissheit bekommt, dass es hundert Prozent Wahrheit ist, nicht nur neunundneunzig Prozent? Das ist das Werk Gottes im Herzen.
Und woher kommt das? Johannes 7, Vers 17:
„Wenn jemand seinen Willen tun will, soll er von der Lehre wissen, ob sie aus Gott ist oder ob ich aus mir selbst rede.“
Die Voraussetzung ist also, dass jemand seinen Willen tun will. Wenn der Mensch wirklich bereit ist, ganz auf Gottes Willen einzugehen, dann wirkt Gott in ihm diese Gewissheit durch seinen Geist. Das ist ein Werk Gottes.
Das haben übrigens die Reformatoren sehr, sehr betont, besonders Calvin: das Testimonium Spiritu Sanctu Internum, das innere Zeugnis des Heiligen Geistes. Das ist ein Wunder.
Und das wirkt Gott bei einer echten Bekehrung: diese innere Gewissheit. Das ist genau das Gleiche hier. Dieser Nathanael war ein aufrichtiger Mensch. Er wollte sich dem Willen Gottes stellen, hatte aber seine Bedenken: Kann aus Nazareth etwas Gutes kommen? Aber der Herr überführt ihn, und er kommt zu dieser inneren Gewissheit: „Rabbi, du bist der Sohn Gottes, du bist der König Israels.“
Da haben wir auch gleich wieder eine Antwort für Reinhard wegen Philippus. Du sagtest, das macht dir etwas Mühe, das geht alles so schnell, oder? Aber es geht darum, dass Gott eben da, wo ein Herz wirklich offen ist für seinen Willen und bereit ist, sich unter sein Wort zu stellen, diese Gewissheit wirken kann.
Das kann man nicht erzwingen. Man sieht Menschen, die sind irgendwie ständig wie ein Brett, eine Barriere – sie kommen nicht zu dieser Gewissheit. Andere brauchen fast nichts und kommen zu dieser Gewissheit, inneren Ruhe und Überzeugung.
Aber wie man dazu kommt, da hat man schon eine Verantwortung. „Wenn jemand seinen Willen tun will“, das ist die Sache. Wenn jemand von vornherein sich gar nicht Gottes Willen beugen will, das ist dann unser Stolz, dann wird er auch nie die Gewissheit bekommen.
Das ist eben kein Gegensatz. Vorhin hat doch jemand gesagt: „Ja, das war doch sicher nicht nur einfach das Bibelstudium und so.“ Ja, aber Gott wirkt die Gewissheit durch das Bibelstudium.
Das Wirken des Geistes ist verknüpft mit seinem Wort, und wir dürfen das nicht trennen. Das wird heute immer mehr gemacht, dass das Wirken des Geistes vom Wort abgelöst wird. Dann landet man im Mystizismus, und am Schluss muss man realisieren, es ist gar nicht der Heilige Geist.
Der Heilige Geist hat sich an sein Wort gebunden und wirkt durch sein Wort. Durch sein Wort wirkt diese Gewissheit. Der Heilige Geist führt uns ein in alle Wahrheit. Ja, ganz genau.
Gut, und dann macht der Herr Nathanael noch eine Zusage. Das hat ihn schon so überzeugt, das mit dem Feigenbaum, aber er wird noch Größeres sehen. Lies doch mal Johannes 1,51. Da spricht Jesus zu ihm: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes den Lauf auf- und niedersteigen auf dem Sohn des Menschen.“
Das ist eine Anspielung auf den Traum von Jakob. Schlagen wir mal auf in 1. Mose 28. Jakob, ein Nachkomme Abrahams, in dem kein Falsch ist, wird gesagt: „Du wirst noch Größeres sehen, nämlich das, was Vater Jakob im Traum gesehen hat.“
Jakob musste Hals über Kopf fliehen, weil er so viel Betrug in seiner Familie angerichtet hatte. In Bethel, im heutigen besetzten Westjordanland, lesen wir Vers 12: „Und ihm träumte, und siehe, eine Leiter stand auf Erden, die rührte mit der Spitze an den Himmel, und siehe, die Engel Gottes stiegen daran auf und nieder.“
Jawohl, und weiter in Vers 13: „Und der Herr stand oben darauf und sprach: Ich bin der Herr, der Gott deines Vaters Abraham und Isaaks. Das Land, darauf du liegst, will ich dir und deinem Nachkommen geben.“ Noch bis Vers 14: „Und dein Geschlecht soll werden wie der Staub auf Erden, und du sollst ausgebreitet werden gegen Westen und Osten, Norden und Süden. Und durch dich und deine Nachkommen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden.“
Ja, also eine ganz beeindruckende Vision. Diese Himmelsleiter – oder Himmelstreppe, wie man sie auch übersetzen kann – zeigt Gottes Herrlichkeit oben, und Engel steigen auf und nieder. Das ist eine Vision mit Bezug auf das Tausendjährige Reich, wo Himmel und Erde in völliger Harmonie verbunden sein werden und Israel schließlich das ganze zugesagte Land besitzen wird.
Der Ort, auf dem du liegst, soll deinen Nachkommen gehören. Und das ist das heutige Westjordanland – ausgerechnet dort hat Jakob den Traum bekommen. Weiter wird gesagt: „Und in dir und in deinem Samen sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde.“ Also in Jakob und in seinem Samen, das ist der Messias, sein Nachkomme par excellence im vollsten Sinn. Durch ihn soll die ganze Welt gesegnet werden, nicht nur Israel, sondern auch die Völker. All das ist darin enthalten.
Im Urtext heißt es „in deinem Samen“, oder ist es Mehrzeit? Denn hier in der Elberfelder steht „in deiner Nachkommenschaft“, das wäre dann auch ein Mehrzeitbegriff. Das Wort „Samen“ (hebräisch: zera) ist immer im Singular. Darum wurde es in der neuen Elberfelder Übersetzung durch ein Kollektiv wiedergegeben: „Nachkommenschaft“.
In Galater 3 wird diese Einzahl jedoch tiefer ausgelegt. Wir können das kurz aufschlagen. Galater 3,16: „Abraham wurde ja auch die Verheißung gemacht: In dir und in deinem Samen sollen gesegnet werden alle Geschlechter.“ Und weiter heißt es: „Er spricht nicht von Nachkommen im Plural, sondern von einem Samen, der Christus ist.“
Warum wird es dann so falsch übersetzt? Das ist völlig irreführend. Bei der Revision der Elberfelder hatten die Übersetzer gedacht, das Wort „Samen“ verstehe heute niemand. Also müsse man es durch „Nachkommen“ ersetzen, weil das besser verständlich sei. Aber natürlich kommt die tiefere Bedeutung dadurch nicht richtig rüber.
In meiner alten Elberfelder heißt es: „Er sagt nicht ,Nachkommen‘ im Plural, sondern ,Samen‘ im Singular, welcher Christus ist.“ Darum habe ich das auch auf die Verheißung bei Jakob übertragen: „In dir und in deinem Samen“ – das ist der Messias. Ich habe mich dabei auf Galater 3 gestützt.
Dieser Traum von Jakob in Bethel war eine wunderbare Vision aufs Tausendjährige Reich. Dort soll die ganze Welt unter den Segen des Messias kommen, und die Herrschaft Gottes wird Himmel und Erde umfassen. Deshalb steigen die Engel auf und ab.
Was hier in 1. Mose 28 nicht genannt wird, ist Folgendes: Oben an der Himmelstreppe steht der Herr, der sagt: „Ich bin der Herr, der Gott Abrahams, deines Vaters.“
Der Herr Jesus fügt hier in Johannes 1,51 hinzu: „Ihr werdet die Engel Gottes auf- und niedersteigen sehen auf dem Sohn des Menschen.“
In der Vision der Himmelsleiter von Jakob wird der Menschensohn nicht genannt, aber hier fügt Jesus hinzu, dass er als Mensch auf Erden im Mittelpunkt stehen wird. Diese Himmelsleiter führt auf ihn hinunter, auf den Sohn des Menschen.
Das ist natürlich eine Antwort auf Nathanaels Erkenntnis: „Rabbi, du bist der Sohn Gottes, du bist der König Israels.“ Dann sagt Jesus zu ihm: „Ja, und du wirst Größeres sehen als die Sache mit dem Feigenbaum. Du wirst in der Zukunft sehen, wie die Engel Gottes auf dem Menschensohn stehen, der das Zentrum der Regierung Gottes in dieser Welt sein wird.“
Gibt es dazu noch irgendwelche Fragen? Ja gut, dann müsste man mit einer anfangen. Aber sonst machen wir jetzt mal Pause und gehen dann zur Hochzeit über.
Wir haben in Kapitel eins immer wieder von verschiedenen Tagen gelesen. In Vers 29 heißt es „des folgenden Tages“.
Wir hatten also einen Tag 1 in Vers 19 und den folgenden Versen. Dann ist es in Vers 29 bis 34 Tag 2. Ab Vers 35 folgt ein neuer Tag, „des folgenden Tages“, das wäre also ein dritter Tag. Weiter in Vers 43 ist wieder „ein Tag des folgenden Tages“, das ist die Geschichte mit Nathanael.
Nun heißt es in Kapitel zwei, Vers eins: „Und am dritten Tag“. Es ist uns also klar, dass hier nicht einfach die Tage durchgezählt werden und jetzt plötzlich der dritte Tag kommt, denn es wären ja schon mehrere Tage in Kapitel eins genannt worden.
Es ist dennoch etwas überraschend, warum es hier plötzlich heißt: „Am dritten Tag war eine Hochzeit“. Ja, Dienstag. Im Judentum heißen die Wochentage nicht so heidnisch wie bei uns – Sonntag, Montag, Dienstag usw. – nach den Namen verschiedener Götter, sondern der Sonntag heißt Yom Rishon, erster Tag, und der Montag Yom Sheni, zweiter Tag, alles entsprechend dem Schöpfungsbericht.
So heißt der siebte Tag nicht einfach „der siebte Tag“, sondern Yom Schabbat, der Tag der Ruhe, der Tag des Sabbats. Im Modernhebräischen klingt darum auch das Wort für Sonntagsschule sehr schön.
Weiß jemand, wie Sonntagsschule heißt? Schule heißt Bet Sefer, Haus des Buches. Die Sonntagsschule heißt dann Bet Sefer Yom Harishan, also Haus des Buches des ersten Tages – das ist die Sonntagsschule, so ein kleiner Zungenbrecher.
Der dritte Tag ist also Dienstag. Im Judentum ist das der beliebteste Tag für Hochzeiten. Natürlich nicht der Samstag wie in unserer Kultur, denn das wäre ein Problem mit all der Arbeit, die bei diesem Gastmahl getan werden müsste. Der Sabbat ist also gar nicht passend für eine Hochzeit.
Aber warum ausgerechnet der dritte Tag? Nun, die Erklärung finden wir in 1. Mose 1. Es heißt siebenmal, dass Gott sah, dass es gut war, im Verlauf der Schöpfung. Aber es ist nicht regelmäßig verteilt. Beim zweiten Schöpfungstag steht das nie, oder?
Beim dritten Schöpfungstag steht es jedoch zweimal: Vers 10 am Schluss „Und Gott sah, dass es gut war“ und Vers 12 am Schluss „Und Gott sah, dass es gut war“. Das ist der einzige Tag, an dem Gott zweimal dieses Zeugnis ausstellt.
Darum hat man diesen Tag als den beliebtesten Hochzeitstag gewählt – da, wo Gott zweimal sagt, es war sehr gut.
Wie ist das mit der Ehe? Das Problem der Scheidung ist unter den Orthodoxen sicher nicht so groß wie unter den Liberalen. Die Ehe hatte auch mehr Bedeutung und Pflege im Judentum als in unserer säkularisierten Kultur.
Das ist einfach der Hintergrund, warum uns nicht überraschen sollte, dass hier in Johannes 2,1 der Dienstag als Hochzeitstag vorgestellt wird in Galiläa.
Obwohl man in Galiläa als gottfern galt, wurde über solche Details trotzdem gewacht. Ich würde auch gar nicht sagen, dass die Menschen dort so gottfern waren, sondern es waren einfach die einfachen Leute. Das Urteil der Pharisäer in Johannes 7, dass das Volk das Gesetz nicht kennt, ist natürlich ein vorbelastetes, um es vorsichtig zu sagen, ein übles Pauschalurteil.
Man kann also nicht sagen, dass die Menschen in Galiläa einfach gottferner gewesen wären als die im Süden. Sie waren eben die Umgebildeten.
Selbst Nazareth, wie ich erklärt habe, war ein kleines Dörfchen. Wir hatten aber eine Synagoge. In Lukas 4 tritt der Herr Jesus in der Synagoge in Nazareth auf.
Hier sind wir nun in Kana in Galiläa, auf der Hochzeit. Das Besondere: Jesus war auch eingeladen zu der Hochzeit.
Darum ist dieser Text auch ein beliebter Hochzeitstext, denn man kann damit zeigen, wie wichtig es ist, eine Ehe zu beginnen, in der Jesus Christus von Anfang an eingeladen ist. Das ist die Voraussetzung für echten Segen Gottes.
Doch der Wein geht während des Festes aus. Der Herr Jesus greift ein, indem er Wasser in Wein verwandelt. Dadurch offenbart er zum ersten Mal durch dieses erste Wunder seine Herrlichkeit als Sohn Gottes.
Diesen Anfang der Zeichen machte Jesus zu Kana in Galiläa und offenbarte seine Herrlichkeit. Seine Jünger glaubten daraufhin an ihn. Dieses Wunder wird nur im Johannesevangelium erwähnt. Insgesamt finden sich im Johannesevangelium nicht sehr viele Wunderberichte, deutlich weniger als bei Matthäus, Markus und Lukas. Allerdings werden dort sieben Wunder ganz besonders ausgewählt, die jeweils eine besondere Bedeutung haben.
Dieses Wunder hebt hervor, dass es das allererste Zeichen des Messias war. Auffällig ist, dass Jesus Wasser in Wein verwandelte. Das erinnert an ein anderes Wunder im Alten Testament, bei dem Wasser in Blut verwandelt wurde – die erste Plage, die Mose als Zeichen auslösen musste. Mose brachte das Gesetz, während der Herr Jesus die Gnade brachte. Blut steht für Tod, Wein hingegen für die Freude der Gemeinschaft. Das ist ein auffälliger Gegensatz.
Dazu sollten wir Johannes 1,17 lesen: „Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben, die Gnade und Wahrheit aber durch Jesus Christus geworden.“ Hier wird genau dieser Gegensatz deutlich: Mose, der das Gesetz gab, und Jesus Christus, der Gnade und Wahrheit brachte. Das Gesetz ist gut, doch weil wir Menschen Gottes Forderungen nicht erfüllen können, verdammt uns das Gesetz nur – es verwandelt Wasser in Blut.
Der Herr Jesus kam als Messias, um zu leiden, und so konnte Gott uns Leben, Freude und Gemeinschaft bringen. Er verwandelte Wasser in Wein und offenbarte damit seine Herrlichkeit durch dieses Zeichen. Im Vers 11 wird dieses Wunder nicht als „Wunder“, sondern als „Zeichen“ bezeichnet. Was bedeutet eigentlich dieser Ausdruck „Zeichen“, wenn Wunder so genannt werden?
Die Wunder sollten auf Jesus hinweisen. Sie haben eine vorausweisende, zeichenhafte und bildliche Bedeutung. Es sind also keine Wunder um des Wunders willen, sondern sie drücken eine geistliche Botschaft aus. Dieses Prinzip gilt für alle Wunder Jesu.
So hat der Herr Jesus Brote vermehrt und erklärt: „Ich bin das Brot des Lebens, das vom Himmel gekommen ist.“ Er heilte einen Blindgeborenen und sagte dadurch: „Ich bin das Licht der Welt.“ Er erweckte Lazarus zum Leben und bezeugte damit: „Ich bin die Auferstehung und das Leben.“ Diese Beispiele aus dem Johannesevangelium zeigen, wie die Wunder eine zeichenhafte Bedeutung haben.
Es ist wichtig zu beachten, dass der Herr Jesus nicht gekommen ist, um Wunder zu tun, die dann zur Norm werden sollten. Zwar taten er und die Apostel Wunder, doch ab dem zweiten Jahrhundert verschwinden die Wunder in der Kirchengeschichte. Es gibt verschiedene Erklärungen dafür, warum wir heute nicht mehr dieselben Wunder sehen, die die Apostel vollbrachten.
Diese Zeichen waren geistliche Botschaften, und ihre Niederschrift in der Schrift hat eine besondere Bedeutung. Johannes 20,30-31 sagt: „Jesus tat noch viele andere Zeichen vor seinen Jüngern, die nicht in diesem Buch geschrieben sind. Diese aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben Leben habt in seinem Namen.“
Die in der Schrift festgehaltenen Wunder sollen auch für spätere Generationen Glauben erzeugen. Es war jedoch nicht Gottes Absicht, dass über alle Jahrhunderte hinweg Wasser in Wein verwandelt wird. Gott könnte das tun, aber er hat es nicht getan. Solche Wunder finden sich nicht im zweiten, dritten, vierten oder fünften Jahrhundert.
Stattdessen hat er die Wunder des Sohnes Gottes in den vier Evangelien niederschreiben lassen. Aufgrund dieses Schriftzeugnisses kann Gott den Glauben im Herzen wirken, wie wir bereits gesehen haben. Das ist eine ganz wichtige Sache.
Wer jedoch meint, die Menschen würden lieber Wunder erleben als die Schrift lesen, dem sei Lukas 16 in Erinnerung gerufen. Dort sagt ein Reicher im Hades: Wenn doch jemand aus dem Totenreich zu meinen Brüdern ginge, dann würden sie glauben. Mose antwortet: Sie haben Mose und die Propheten; wenn sie diese nicht hören, werden sie auch nicht glauben, wenn jemand von den Toten aufersteht.
Wer also nicht bereit ist, Gottes Zeugnis durch die Schrift anzunehmen, wird auch nicht bereit sein, ein sichtbares Wunder zu akzeptieren. So hat Gott sein Wirken, das Wirken des Heiligen Geistes, eng mit der Schrift verbunden.
Wir wollen uns noch einige weitere Gedanken über dieses Wunder machen. Der Speisemeister musste ja den Wein kosten (Vers 9), und er wusste nicht, wie diese ganze Umwandlung zustande gekommen war.
Man kann sich vorstellen, was bei ihm vorgegangen ist: Er merkt, dieser Wein ist viel besser als alles, was wir bisher hatten. Also muss er älter sein. Es muss ein ganz alter Wein sein, der lange gepflegt wurde. Die ganze Sache hat viel Zeit in Anspruch genommen.
Aber die anderen wussten, dass das überhaupt nicht stimmt. Das geschah alles in einem Moment: Wasser wurde zu Wein. Doch der Wein vermittelt den Eindruck einer längeren Entwicklung. Wenn man Wein trinkt, hat man den Eindruck, dass er viel Zeit gebraucht hat, um so zu werden.
Gottes Sohn zeigte hier seine Herrlichkeit, indem er Dinge tat, die aussehen, als bräuchten sie viel Zeit, aber die er auf einen Schlag vollbrachte. So ist es auch mit der Schöpfung. Wenn Menschen ohne die Heilige Schrift an die Schöpfung herangehen, kommen sie zu dem Gedanken, dass die Schöpfung uralt sein muss – Milliarden von Jahren alt – und alles in einem langen Prozess entstanden ist.
Doch wir lesen in Psalm 33, dass dies ein Irrtum ist. Es brauchte keine lange Entwicklungszeit. Wer liest Psalm 33, Vers 9? „Denn wenn er spricht, so geschieht's, wenn er gebietet, so steht's da.“
Man kann auch eine andere Übersetzung nehmen: „Er sprach, und es geschah, er gebot, und es stand da.“ Ich möchte das nicht in die Vergangenheit übersetzen, sondern es geschieht immer wieder. Es ist ein Bezug auf das Schöpfungsgeschehen: Er sprach, und es war; er gebot, und es stand da.
Das ist es, was viele ärgert, die nicht an den Schöpfungsbericht glauben wollen. Gott hat gesprochen, und dann war es plötzlich da. Mit einem solchen Gott können oder wollen sie nichts anfangen.
So war es aber: Gott hat seine Herrlichkeit in der Schöpfung gezeigt, indem er das Nichtsein rufen konnte, als wäre es schon da. So steht es in Römer 4: „Er hat das Nichtsein gerufen, als wäre es da.“
Wer hat das alles erschaffen? Eine Antwort finden wir im Johannesevangelium. Dort steht es klar: Johannes Kapitel 1, Vers 3. Das haben wir ja genauer betrachtet. Es geht um Jesus Christus, das Wort. Wer liest nochmals Vers 3? „Alles wurde durch dasselbe, und ohne dasselbe wurde auch nicht eines, das geworden ist.“
Also wurde durch das Wort Gottes, durch den Sohn Gottes, alles erschaffen.
Nun zeigt der Sohn Gottes in diesem ersten Zeichen im Johannesevangelium seine Herrlichkeit, indem er eben das vollbringt, was normalerweise viel Zeit braucht: Die Trauben müssen zuerst gepflanzt, gehegt und gepflegt werden. Dann müssen die Trauben überhaupt erst wachsen, anschließend geerntet, getreten und gelagert werden. Erst dann ist die Zeit des Genusses gekommen. Das dauert sehr lange.
Der Herr aber führte das alles ohne Zeitverlauf aus. So war es auch bei anderen Dingen in der Schöpfung.
Stellen wir uns vor, fünf Minuten nach der Erschaffung Adams hätten wir im Garten Eden zugeschaut. Wir hätten einen Mann gesehen, vielleicht zwanzig oder fünfundzwanzig Jahre alt, in besten Jahren und voller Kraft, doch er war erst fünf Minuten alt.
Oder wir hätten im Garten Eden spazieren gehen können und all diese Bäume gesehen. Mich hätte es interessiert, einmal die Jahresringe zu zählen. Dieser Baum hätte den Eindruck gemacht, dreihundert, zweihundert oder fünfzig Jahre alt zu sein – dabei war er erst drei Tage alt.
Das ist der Gott, der die Dinge ruft, und sie stehen da. Das ist Gottes Herrlichkeit: Er braucht keinen Entwicklungsprozess, um zu erschaffen. Er hat ihn nicht gebraucht und wollte ihn auch nicht.
Das kann man erst verstehen, wenn man den Sohn Gottes kennt.
Ich meine auch die Frage: Wenn das Weltall so gewaltige Distanzen hat, von Milliarden Lichtjahren, dann wäre das doch ein Beweis, dass das Weltall auch Milliarden Jahre alt sein muss.
Der Begriff Lichtjahr ist jedoch nur ein Distanzbegriff. Ein Lichtjahr ist die Distanz, die das Licht benötigt, um mit 300.000 Kilometern pro Sekunde diese Strecke zurückzulegen.
Wenn das Weltall also solche Dimensionen hat und die Sterne über Milliarden von Lichtjahren verteilt sind, müsste das Weltall auch so alt sein, wenn wir das Licht dieser Sterne sehen.
Aber dabei wird übersehen, dass Gott das Weltall so geschaffen hat, dass das Licht sofort sichtbar war auf der Erde. Das gehört zum Schöpfungshandeln Gottes.
Wenn man Gott ausklammert, kommt man zu einem alten Weltall. Sobald man aber Gott als den größten Faktor mit einbezieht, ist das gar nicht mehr nötig.
Das ist die Herrlichkeit des Sohnes Gottes.
Man sieht, wie verzweifelt sich manche bemühen, eine Evolution nachzuweisen. Sie graben in Zentralafrika nach, entdecken alte Kieferknochen und behaupten sofort, es sei ein Mensch, der vor einer bestimmten Zeit gelebt habe.
Sie versuchen, ihr Weltbild zu untermauern und suchen nach Sicherheit, Gewissheit und Bestätigung. Das brauchen sie, weil Unsicherheit da ist.
Diese Unsicherheit zeigt sich erstaunlich deutlich. Ein Beispiel ist der Film „Gott würfelt nicht“ von Fritz Poppel. Der Film sollte im deutschen Fernsehen ausgestrahlt werden, doch es gab ein Veto, und die Ausstrahlung wurde verboten.
Der Film wurde dann als Video erfolgreich vertrieben. Man hatte Angst, was der Film in Deutschland anrichten würde, weil er so evolutionskritisch ist und gute Argumente bringt.
Man sieht, wie hart gearbeitet werden muss, um das bestehende Weltbild zu schützen. Gewisse Leute haben wirklich Angst, dass ihr Gebäude zusammenbricht.
Wie schlimm wäre es, wenn die Deutschen erfahren würden, dass die Evolutionslehre nicht stimmt?
Einer meiner Söhne hatte vor kurzem im Lehrjahr Evolutionsunterricht. Er fragte seinen Lehrer, ob er den Film zeigen dürfe, doch offensichtlich war es nicht gewünscht.
Dann wollte er in Deutsch einen Vortrag halten. Sie konnten ein Thema wählen: Überschöpfung oder Evolution. Der Deutschlehrer sagte ihm, er solle das Thema nicht nehmen, denn die Schüler wüssten nicht, was sie dann antworten sollten.
Es wäre schlimm, wenn diese Schweizer Schüler plötzlich Zweifel an ihrem Glauben an die Evolution bekämen.
So ist unsere tolerante Gesellschaft, die mit dem Sohn Gottes nichts zu schaffen haben will.
Wir müssen das im Zusammenhang mit der Hochzeit sehen. Der Wein ist ein Bild der Freude, wie wir bereits gesagt haben. Biblisch wird dies unterstrichen, zum Beispiel in Psalm 104, Vers 15.
Die Hochzeit ist ein Ereignis, das mit viel Freude die Ehe beginnt. Doch im Laufe der Zeit kann der Wein ausgehen. Das haben viele erlebt. Die Erste, die auf dieses Problem aufmerksam macht, ist Maria, die Mutter Jesu. Mütter sind oft für alles zuständig. Jedenfalls ist es eine Frau, und Frauen haben oft ein feineres Gespür für Beziehungsprobleme oder ein tieferes Empfinden für Beziehungsstörungen.
In diesem Fall war es auch eine Frau, die das Problem des fehlenden Weines erkannt hat. Offensichtlich macht sie ihrem Sohn quasi einen Befehl. Sie sagt: „Sie haben keinen Wein.“ Das ist zwar keine direkte Aufforderung, sondern eine Feststellung. Doch in der modernen Linguistik weiß man, dass man Befehle auch ohne direkte Imperative geben kann – zum Beispiel nur mit einem Blick oder einem Nomen. Wenn der Vater am Tisch Brot hat, kann das schon als Befehl verstanden werden, obwohl es grammatikalisch nur ein Nomen ist.
Es gibt also verschiedene Arten, Befehle zu geben. Man könnte auch sagen: „Bitte Brot“, aber man kann es noch viel schöner ausdrücken. Maria sagt: „Sie haben keinen Wein.“ Die Reaktion des Herrn lautet: „Was habe ich mit dir zu schaffen, Frau?“ Das Wort „Frau“ entspricht dem hebräischen „Gweret“, was so viel bedeutet wie „Madame“. Es ist ungewöhnlich, denn normalerweise nennt man seine Mutter nicht „Madame“. Damit will der Sohn Gottes, der etwa dreißig Jahre alt ist, auf Distanz hinweisen. Eine Mutter befiehlt ihrem Sohn, solange er noch ein Kind ist. Mit dreißig ist das eigentlich vorbei oder sollte es zumindest sein.
Jesus sagt: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“ Er will die Befehle nur aus der Hand des Vaters annehmen, nicht von ihr. Die Reaktion der Mutter ist: „Was er euch sagt, das tut.“ Das ist das letzte Wort Marias im Neuen Testament. Es gibt keinen weiteren Satz von Maria, der später überliefert ist. Darum könnte man dies als das biblische Testament Marias bezeichnen: „Was er euch sagt, das tut.“ Das können Sie Ihren katholischen Freunden weitergeben.
Fragen Sie sich: Kennen Sie das Testament von Maria? Nein? Interessant. Wo bekommt man das? In welcher Buchhandlung? In der Bibel. „Was er euch sagt, das tut.“ Es gibt sogar Buchtitel wie „Die Botschaft Marias an die Welt“ oder Ähnliches. Dort ist genau beschrieben, wo es steht und wie es zu verstehen ist.
Schließlich schafft der Herr Jesus Wein, der besser ist als der Anfangswein. Hier können wir auch darauf hinweisen, dass, wenn in einer Ehe die Freude ausgegangen ist, das kein hoffnungsloser Fall sein muss. Der Sohn Gottes muss in diese Ehe eingreifen. Wenn er eingreift und seine Herrlichkeit offenbart, wird die späte Freude größer sein als die Anfangsfreude. Dieses Wunder kann man erleben und erfahren, aber man muss wirklich zum Sohn Gottes gehen. Ein Psychotherapeut oder wer auch immer kann das nicht. Nur der Sohn Gottes kann so eingreifen und eine Neuerung schaffen.
Vielleicht in diesem Zusammenhang: Wie kommt es, dass die Freude in einer Ehe verloren geht? Es gibt ja Eheleute, die sagen, nach dreißig, vierzig oder fünfzig Jahren sei ihre Beziehung heute schöner als am Anfang. Woher kommt es, dass es bei manchen so ist, dass die Freude verschwindet, und bei anderen wird es besser? Wo liegt der Schlüssel? Ich spreche hier von christlichen Ehen.
Wenn eine Ehe nach Gottes Gedanken begonnen hat, ist das natürlich eine ideale Voraussetzung. So wie bei Isaak und Rebekka, 1. Mose 24, wo ein ganzes Kapitel gebraucht wird, um zu zeigen, wie diese Ehe nach Gottes Plan zustande gekommen ist. Doch diese Ehe endete katastrophal. Rebekka weist den jüngeren Sohn an, wie er den Vater Isaak betrügen kann. Das ist katastrophal, wie es geendet hat. Also, es hat wirklich mit Gottes Führung begonnen und trotzdem so schlecht geendet.
Woran lag das? An der Sünde. Diese Beziehung wurde nicht mehr gepflegt. Wenn man ein Feuer hat und es brennen lässt, ist das normal. Die einzige Möglichkeit, es zu erhalten, ist immer wieder Holz nachzuschieben. So ist es auch im Eheleben: Wenn nicht ständig von beiden Seiten investiert wird, braucht es Energie und den Willen, dann bleibt das Feuer nicht erhalten und kann sich nicht entwickeln.
Das Kapitel Johannes 2 macht Mut, dass selbst dort, wo der Wein aufgehört hat, der Sohn Gottes eingreifen kann und aus Wasser Wein macht. Es war ja nicht einfach normales Wasser, sondern Wasser in steinernen Krügen, Vers 6, nach der Reinigungssitte der Juden. Es war Wasser, das für die rituelle Reinigung der Hände gebraucht wurde.
Übrigens waren das Steinkrüge. Weiß jemand, warum ausgerechnet Stein? Nein? Es wäre ja auch bei Ton denkbar, große Tonkrüge herzustellen, die man in die Erde einlassen kann. Nein, nach rabbinischer Lehre ist Stein das Material, durch das rituelle Verunreinigung unterbrochen werden kann. Wenn ein Tonkrug rituell unrein wird, muss man ihn zerbrechen. Ein Steinkrug jedoch kann gereinigt und weiterverwendet werden.
Darum hat man für die Reinigungskrüge Steinkrüge gewählt. Solche wurden ausgegraben, man kann sie in Jerusalem sehen. So kann man sich genau vorstellen, wie diese Wasserkrüge ausgesehen haben, die 80 bis 120 Liter Wasser fassten, wie der Text in Vers 6 sagt. Es war Reinigungswasser.
War es so, dass man das Wasser auf die Hände goss, oder wurden die Hände ins Wasser getaucht? Nein, das Wasser wurde herausgenommen. Genauso wie beim Waschbecken der Priester: Die Hände wurden nicht im Waschbecken gewaschen, sondern mit Wasser daraus gereinigt. Das war eine Steinmetzarbeit, die sehr teuer war. In Jerusalems sadduzäischen Vierteln hat man eine ganze Reihe solcher Steinkrüge und Steinbecher gefunden. Die Priester hatten viel Geld und konnten sich das leisten, auch für den Alltag.
Es wird von einer Schöpfkelle gesprochen. Das heißt, Wasser wurde mit einer Schöpfkelle entnommen. Das Wasser wurde dann in Wein verwandelt, aber im Steinkrug. Anschließend wurde daraus geschöpft, Vers 8. Die Steinkrüge sind sehr schwer, sie konnten nicht bewegt werden. Sie hatten auch keine Abflusseinrichtungen, man schöpfte also das Wasser heraus. Daneben wurde das Wasser, das zu Wein geworden war, für den Speisemeister geschöpft.
Das Reinigungswasser in der Bibel ist ein Bild für die Taufe? Nein, nicht direkt. Es ist ein Bild für das Wort Gottes. Wo steht das ausdrücklich? Zum Beispiel in Epheser 5,25 wird vom Reinigungsbad gesprochen, von der Waschung mit Wasser durch das Wort.
Die Bibel hat einen reinigenden Effekt, denn sie deckt uns auf, wo wir falsch stehen. Wenn wir dann bereit sind, unsere Schuld Gott zu bekennen, werden wir gereinigt. So ist das Rezept, damit neue Freude in die Ehebeziehung kommen kann: Umkehr und Korrektur durch Gottes Wort.
Darum ist es nicht zufällig, dass Reinigungswasser in Wein verwandelt wird. Hier haben wir den Schlüssel für eine ehrliche Wiederherstellung: Beide Ehepartner müssen sich im Licht des Wortes Gottes korrigieren lassen, bekennen und bereuen vor Gott und voreinander. Dann kann Gott diesen besten Wein eingießen.
Die Zeit ist fast um. Hat die Zahl sechs für die Anzahl der Krüge auch eine Bedeutung? Sieben ist doch die Zahl der Vollkommenheit. Ja, die Zahl sechs wird ausdrücklich erwähnt, aber es gibt keine eindeutige Kennzeichnung. Oft kann man Zahlen teilen: Zwei mal drei. Die Zahl zwei ist die Zahl des Zeugnisses, die Zahl drei die Zahl Gottes. Es ist also ein Zeugnis der reinigenden Kraft des Wortes Gottes. So könnte man die Zahl sechs hier deuten: Zeugnis der reinigenden Kraft des Wortes Gottes – zwei als Zeugnis, drei als Zahl Gottes.
Noch etwas Wichtiges zum Schluss: Ich habe mit den Zeichen Schwierigkeiten, denn Zeichen ist nicht gleich Zeichen. In Johannes 20 lesen wir: „Diese aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben Leben habt in seinem Namen.“ Es geht also durch die Wunder, die im Evangelium berichtet werden, um den Glauben an Jesus Christus als Gottes Sohn.
Im Markus-Evangelium finden wir ein anderes Zeichen, in Kapitel 16, Vers 17: „Diese Zeichen aber werden denen folgen, die glauben: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben, in neuen Sprachen reden, Schlangen aufnehmen, und wenn sie etwas Tödliches trinken, wird es ihnen nicht schaden; Kranken werden sie die Hände auflegen, und sie werden gesund werden.“ Diese fünf Zeichen werden hier genannt.
Im Lauf der Jahrhunderte wurden diese Zeichen vielleicht nicht mehr so gesehen. Ich glaube dennoch, dass Gott souverän ist und diese Zeichen auch heute noch schenken kann, vielleicht auf Missionsgebieten oder anderswo. Gott ist souverän und kann handeln, wann und wie er will.
Trotzdem erkennen wir eine gewisse Gesetzmäßigkeit, wie Gott handelt. Die Tatsache ist, dass Gott durch die Jahrhunderte hindurch die Wunder Jesu nicht dauernd wiederholen ließ, aber dass er in seiner Souveränität hier und da eingreifen kann, ist klar. Wenn solche Wunder geschehen, dann sind sie aber nicht das Übliche.
Man hört aus Zeitschriften, vor allem aus dem englischen Raum, dass in Afrika bei Evangelisationen häufig Wunder geschehen und viele Kranke gesund werden. Ich habe das zum Beispiel erlebt, als ich in Togo war. Dort war kurz vorher Reinhard Bonnke am Evangelisieren. Ja, den meine ich, aber ich spreche nicht nur von ihm. Dort wurden viele geheilt.
Das Problem ist, dass an Orten, wo heute solche Wunder geschehen, oft charismatische Lehren mitverknüpft sind. Diese weichen deutlich vom geschriebenen Wort ab. Wir bräuchten mehr Zeit, um das ausführlich zu belegen. Es ist interessant, dass dort offensichtlich ein anderer Geist wirkt. Wäre es Gottes Geist, würde er auch die wahre, richtige Lehre wirken.
Warum ist es gerade dort so mit Irrtum verbunden? Da muss man ein Fragezeichen setzen. Es wird gesagt, dort wirkt der Heilige Geist, aber warum gibt es dort so einen Mangel an biblisch gesunder Lehre? Wenn der Geist Gottes so besonders wirken würde, würde er doch auch die richtige Lehre hervorbringen. Wir haben ja auch die Stelle angeführt: „Er wird euch in alle Wahrheit leiten.“ Das Wirken des Geistes Gottes zeigt sich darin, dass Gläubige in alle Wahrheit geführt werden und nicht in Irrtum.
Eine Schwierigkeit besteht darin – ohne jemandem etwas abzusprechen – dass alles, was wie ein Wunder aussieht und vielleicht auch wirklich ein Wunder ist, sofort uns zugeschrieben wird. Die Bibel sagt aber klar, dass auch der Feind, also Satan, große Zeichen und Wunder tun wird. Das heißt, wenn ein Wunder sichtbar wird, kann man nicht automatisch auf Gott schließen. Es kann auch ganz woanders herkommen.
Wichtig sind die großen Zeichen und Wunder, die sogar, wenn möglich, die Auserwählten verführen sollen. Diese sind für die Endzeit vorausgesagt. Sie gehören zu den Endzeitzeichen, zusammen mit Krieg, Seuchen, Erdbeben usw. Diese Ereignisse kommen seit Beginn des 20. Jahrhunderts wie Geburtswehen immer intensiver und zyklisch wieder – auch Terrorismus und Schreckensereignisse, wie in Lukas 21 beschrieben.
Interessanterweise haben diese Zeichen ab Anfang des 20. Jahrhunderts zugenommen. Damals begann auch die Endzeit mit der Rückführung der ersten Juden ins Land 1882. Die erste Welle von Zeichen und Wundern begann. Matthäus 24, Vers 24 ist eine solche Stelle – die Endzeitrede auf dem Ölberg. Auch Lukas 21 und Markus 13 sprechen davon.
Die Zeichen werden immer intensiver. Die erste Welle begann Anfang des 20. Jahrhunderts, die zweite in den 1960er Jahren, die dritte in den 1980er Jahren. Es wird immer intensiver. Das wäre ein Thema, das wir ausführlicher behandeln müssten, um gründlich und gerecht zu sein.
Zum Schluss wollen wir noch beten.
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