Ich möchte zu Beginn noch gemeinsam beten.
Herr Jesus Christus, wir danken dir, dass du uns heute Nachmittag schenkst, damit wir miteinander sein und dein Wort betrachten können. Ich bitte dich, dass du unsere Herzen öffnest und dein Wort offenbarst. Hilf uns, dass dein Wort in unseren Herzen eingepflanzt wird und Frucht bringt, wie du gesagt hast: dreißig-, sechzig- und hundertfältig.
Wir danken dir für deine Hilfe und auch für die Bedürfnisse, die du kennst. Amen.
Einführung in das Buch Prediger
Heute Nachmittag beschäftigen wir uns mit dem Buch des Predigers. Ich beginne, indem ich die ersten Verse aus Kapitel 1 lese.
Worte des Predigers, des Sohnes Davids, des Königs in Jerusalem: „Eitelkeit der Eitelkeiten, spricht der Prediger, eitelkeit der Eitelkeiten, alles ist Eitelkeit. Welchen Gewinn hat der Mensch bei all seiner Mühe, womit er sich abmüht unter der Sonne? Ein Geschlecht geht und ein Geschlecht kommt, aber die Erde besteht ewiglich. Die Sonne geht auf und die Sonne geht unter und eilt zu dem Ort, wo sie aufgeht. Der Wind geht nach Süden und wendet sich nach Norden, sich wendend und wendend geht er, und zu seinen Wendungen kehrt der Wind zurück. Alle Flüsse gehen in das Meer, und das Meer wird nicht voll. An den Ort, wohin die Flüsse gehen, dorthin gehen sie immer wieder. Alle Dinge mühen sich ab, niemand vermag es auszusprechen. Das Auge wird des Sehens nicht satt und das Ohr nicht voll vom Hören.
Das, was gewesen ist, das ist, was sein wird, und das, was geschehen ist, das wird geschehen, und es ist gar nichts Neues unter der Sonne. Gibt es ein Ding, von dem man sagt: Siehe, das ist neu! Längst ist es gewesen in den Zeitaltern, die vor uns gewesen sind. Da ist kein Andenken an die Frühen, und für die Nachfolgenden, die sein werden, wird es auch kein Andenken bei denen geben, welche später sein werden.
Ich, der Prediger, war König über Israel in Jerusalem und richtete mein Herz darauf, alles mit Weisheit zu erforschen und zu erkunden. Was unter dem Himmel geschieht, ist ein übles Geschäft, das Gott den Menschenkindern gegeben hat, sich damit abzuplagen. Ich habe alle Taten gesehen, welche unter der Sonne geschehen, und siehe, alles ist Eitelkeit und ein Haschen nach Wind. Das Krumme kann nicht gerade werden, und das Fehlende kann nicht gezählt werden.
Ich sprach in meinem Herzen und sagte: Siehe, ich habe Weisheit vergrößert und vermehrt über alle hinaus, die vor mir über Jerusalem waren. Mein Herz hat Fülle von Weisheit und Erkenntnis gesehen, und ich habe mein Herz darauf gerichtet, Weisheit zu erkennen und Unsinn und Torheit zu erkennen. Ich habe erkannt, dass auch das ein Haschen nach Wind ist; denn bei viel Weisheit ist viel Verdruss, und wie Erkenntnis mehrt, mehrt Kummer.
Salomos Abkehr und Umkehr
Zunächst lässt sich das Buch des Predigers wie folgt zusammenfassen: Am Ende seines Lebens wandte sich Salomo von dem allein wahren Gott ab. Dies wird beschrieben in 1. Könige 11,1-8. Die vielen Frauen, die Salomo geheiratet hatte, wurden dem weisen König zum Verhängnis. Er begann, falsche Götter der umliegenden Völker zu verehren.
Salomo wandte sich also ab und suchte Befriedigung und Sinnerfüllung in allen möglichen und unmöglichen Dingen des Lebens. Durch Gottes Gnade und Zucht durfte er am Ende seines Lebens offensichtlich noch einmal eine Umkehr erleben.
Lesen wir dazu 2. Samuel 7: Gott hatte zu seinem Vater David gesprochen, insbesondere in den Versen 14 und 15. Gott spricht über die Nachkommenschaft Davids, über seinen Sohn: „Ich will ihm Vater sein, und er soll mir Sohn sein, so dass, wenn er verkehrt handelt, ich ihn züchtigen werde mit einer Menschenrute und mit Schlägen der Menschenkinder. Aber meine Güte soll nicht von ihm weichen, wie ich sie von Saul weichen ließ, den ich vor dir weggetan habe. Und dein Haus und dein Königtum sollen vor dir beständig sein auf ewig, dein Thron soll fest sein auf ewig.“
Hier wird die Möglichkeit des Abweichens in der Familie Davids angesprochen. Es wird deutlich gemacht, dass Gott den Sohn Davids züchtigen wird, wenn er abweicht, und zwar indem Gott Menschen gebraucht. Das ist gemeint mit „Menschenrute“ und „Schlägen der Menschenkinder“. Gleichzeitig verheißt Gott, dass seine Güte nicht von ihm weichen wird.
Im Fall von Saul, einem Mann, der nie eine wirkliche Bekehrung erlebt hatte – man sieht das in den Büchern Samuel, besonders im 1. Samuel – sprach Saul gegenüber Samuel immer von „deinem Gott“. Er hatte keine persönliche Beziehung zu Gott, und Gott wandte sich schließlich von Saul ab.
Im Blick auf den Sohn Davids wird jedoch gesagt, dass Gott seine Güte nicht von ihm weichen lassen wird, aber er soll unter die Zucht Gottes kommen. Das ist ein Hinweis darauf, dass es bei einem Abweichen bei Davids Sohn und Thronfolger Gottes Wiederherstellung geben sollte.
Durch Gottes Gnade und Zucht durfte Salomo am Ende seines Lebens offensichtlich noch einmal eine Umkehr erleben.
Es ist vielleicht noch interessant darauf hinzuweisen, dass der Abfall Salomos am Ende seines Lebens in 1. Könige 11 beschrieben wird. Man beachte die Fußnote eins auf dem Blatt. In 2. Chronik 9, der Parallelstelle, wird der Abfall Salomos überhaupt nicht erwähnt.
Das hat seine guten Gründe: Die Bücher der Könige betonen mehr die Verantwortung des Menschen, während die Bücher der Chronik den Akzent stärker auf Gottes Gnade legen. Das zeigt sich zum Beispiel darin, dass im Buch der Könige der Abfall erwähnt wird, im Buch der Chronik aber weggelassen wird – gewissermaßen ausgelöscht durch die Vergebung Gottes.
Die Botschaft des Buches Prediger
Das Buch des Predigers ist ein Rechenschaftsbericht, den Salomo verfasst hat, um das Volk vor der Sinnlosigkeit eines Lebens ohne Gott zu warnen. Wir lesen aus Kapitel 12, Vers 9, aber ich beginne schon einen Vers früher: „Eitelkeit der Eitelkeiten, spricht der Prediger, alles ist Eitelkeit.“
Über die Weisheit des Predigers hinaus lehrte er das Volk Erkenntnis. Er wog und forschte, verfasste viele Sprüche. Der Prediger suchte angenehme Worte, und das Geschriebene ist richtig – Worte der Wahrheit. Hier wird deutlich gesagt, dass der Prediger dem Volk Erkenntnis gelehrt hatte. Welche Erkenntnis? Dieser Rechenschaftsbericht sollte das Volk vor der Sinnlosigkeit eines Lebens ohne Gott warnen.
Der reiche König, der sprichwörtlich reiche König, hatte alles ausprobiert, was ihm Erfüllung bringen sollte. Doch ohne Gott war alles hohl und leer. Das ist die Bedeutung von Prediger 1,2: „Eitelkeit der Eitelkeiten.“ Das Wort „Eitel“ hat im Hebräischen den Sinn von Hauch, Nichtigkeit; es bedeutet höchste Hohlheit, höchste Sinnlosigkeit. Eitelkeit der Eitelkeiten – alles ist Eitelkeit.
Das Leben ohne Gott ist hohl und leer. Ohne Gott sind alle irdischen Genüsse und Bemühungen letztlich sinnlos. Darum die Frage in Prediger 1,3: „Welchen Gewinn hat der Mensch bei all seiner Mühe, womit er sich abmüht unter der Sonne?“ Was kommt dabei heraus, wenn man sich siebzig, achtzig Jahre abmüht? Letztlich alles sinnlos, sagt der Prediger, ohne Gott.
Die Lehre dieses Buches ist diese: Niemand soll Salomos schmerzhafte Irrwege nochmals gehen. Wir sollen aus Salomos Erfahrungen lernen. Es ist ja so: Man kann durch eigene Erfahrung lernen, aber auch durch Zuhören. Unsere Kinder können immer beides wählen. Die einen wählen den Weg des Schmerzes, die anderen den Weg des Gehorsams. Diese beiden Möglichkeiten gibt es. Doch Gott möchte nicht, dass wir den Weg der Schmerzen und der Irrungen gehen.
Darum warnt uns das Buch des Predigers davor, die Dummheiten des weisen Königs Salomo zu wiederholen. Hier sehen wir: Alter schützt nicht vor Torheit, und auch Weisheit schützt nicht vor Torheit!
Das Endziel des Predigers besteht darin, uns tiefe Gottesfurcht und Gehorsam gegenüber der Heiligen Schrift zu lehren. Das drücken die beiden letzten Verse aus, Prediger 12,13: „Das Endergebnis des Ganzen, lasst uns hören: Fürchte Gott und halte seine Gebote! Denn das ist der ganze Mensch.“ Dann ist er wirklich Mensch. Es bedeutet, dass Gott jedes Werk, ob gut oder böse, im Gericht über alles Verborgene bringen wird.
Diese zwei Schlussverse sind ganz entscheidend, um das Buch Prediger zu verstehen. Es ist kein Buch, das Skepsis, Zweifel, Verzweiflung oder Sinnlosigkeit lehrt. Vielmehr zeigt es den Ausweg aus den Zweifeln und der Sinnlosigkeit. Das haben viele übersehen.
Man sagt, Voltaire, der große Spötter und aufklärerische Philosoph aus Frankreich, habe sich auf dieses Buch berufen, um seine gottlosen Zweifel zu begründen. Doch offensichtlich hat auch eine so gescheite Leuchte das Buch nicht verstanden, denn er hat das Endergebnis nicht beachtet, das das Buch eigentlich vermitteln will.
Das ist interessant und gleichzeitig eine Bestätigung von 1. Korinther 2,14: „Der natürliche Mensch, also der nicht erneuerte Mensch, kann Gottes Wort gar nicht richtig verstehen. Der natürliche Mensch nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt wird.“ Der geistliche Mensch aber – das ist der Mensch, der durch Gottes Geist geleitet wird – beurteilt alles, er selbst aber wird von niemandem beurteilt.
Darum haben manche große Denker dieses Buch nicht verstanden – nicht, weil ihnen der Intellekt gefehlt hätte, sondern weil sie nichts vom Geist Gottes angenommen haben. Derselbe Voltaire hat übrigens damals im ersten aufklärerischen Stolz erklärt, dass nun alle Religion überwunden sei und bald die Bibel gar nicht mehr erhältlich sein werde. Später jedoch hat sich eine Bibelgesellschaft in seinem Haus eingerichtet.
Das nur so am Rande.
Wer Gott fürchtet und seinem Wort gehorcht – „Fürchte Gott und halte seine Gebote!“ – kann voll Dankbarkeit seinem Schöpfer gegenüber die guten, aber vergänglichen Gaben mit wahrer Freude maßvoll genießen.
Freude und Sinn im Buch Prediger
Es ist sehr erstaunlich: Manche haben gesagt, das Buch sei völlig pessimistisch und erfüllt von dem Gedanken der Sinnlosigkeit. Ja, aber man muss zum Beispiel lesen, dass nicht nur „Eitelkeit der Eitelkeiten“ darin vorkommt, sondern das Buch ist auch voll von Versen, die über Freude sprechen.
Schauen wir mal Kapitel 9, Vers 9. Ich lese schon Vers 7: „Iss dein Brot mit Freude und trinke deinen Wein mit frohem Herzen, denn längst hat Gott Wohlgefallen an deinem Tun.“ Da spricht er zu einem Menschen, der gottwohlgefällig lebt. Übrigens trinkt er den Wein mit frohem Herzen nicht, der Wein macht das frohe Herz. Ja, das ist wichtig. Denn längst hat Gott Wohlgefallen an deinem Tun.
„Deine Kleider seien weiß zu aller Zeit und das Öl mangle nicht auf deinem Haupt.“ Genieße das Leben mit der Frau, die du liebst, alle Tage deines eitlen Lebens, welches er dir unter der Sonne gegeben hat, alle deine eitlen Tage hindurch. Denn das ist dein Teil am Leben und an deiner Mühe, womit du dich abmühst unter der Sonne.
Ja, also hier wird gar nicht pessimistisch gesprochen, sondern hier heißt es: Genieße das Leben mit deiner Frau. Aber nicht ein maßloses Genießen, sondern die Dinge, die Gott als Schöpfer uns gibt, dankbar aus seiner Hand nehmen. Also das ist die Lehre in diesem Buch, die wir noch deutlicher finden werden.
Tiefe Gottesfurcht und Gehorsam der Heiligen Schrift gegenüber bringen uns dazu, dass wir voll Dankbarkeit dem Schöpfer gegenüber die guten, aber vergänglichen Gaben mit wahrer Freude maßvoll genießen können.
Meine Frau sagte immer wieder: Wie kann man sich das vorstellen, dass wir einmal nicht mehr verheiratet sein sollten? Die Heirat ist für dieses eitle, das heißt vergängliche Leben bestimmt, nicht für die Ewigkeit. Denn mit dem Tod wird die Ehe beendet.
Und was auch noch interessant ist: Der Mann, der tausend Frauen hatte, sagt hier „Genieße das Leben mit der Frau“, nicht mit den Frauen, die du liebst, sondern mit der Frau. Er wusste, was nach Gottes Schöpfungsplan das Wahre ist.
Mit dem Buch Prediger bezeugt uns Gott, dass er das Denken und Sinnen des von Gott entfremdeten Menschen versteht. Es ist Gottes tiefe Herablassung, dass er uns dieses Buch in der Bibel gegeben hat, das sich so im Detail mit dem Denken des von Gott entfremdeten Menschen beschäftigt.
Damit will er zeigen, dass wenn wir auf solche Gedanken kommen, Gott diese Gedanken kennt. Gott weiß, wie diese Gedanken funktionieren, aber er will uns auch den Ausweg aus diesem Denken herauszeigen. Das wäre eine Zusammenfassung des Buchs.
Autorenschaft des Buches Prediger
Nun schauen wir genauer an, wer der Autor dieses Buches ist. Wenn wir zu Beginn Kapitel 1 lesen, finden wir nirgends den Namen Salomo. In Vers 1 heißt es lediglich: „Worte des Predigers, des Sohnes Davids, des Königs in Jerusalem.“ In Vers 12 steht: „Ich, der Prediger, war König über Israel in Jerusalem.“
Diese Tatsache wurde von Kritikern aufgegriffen, um zu behaupten, dass nicht Salomo dieses Buch geschrieben habe, sondern jemand anders. Henri Rossier, der vor Jahrzehnten einige Kommentare zur Bibel auf Französisch verfasst hat, schrieb auch einen Kommentar zum Prediger. Am Anfang sagt er, dass Salomo der Autor dieses Buches sei. Doch Menschen, die alles in Frage stellen außer ihrem eigenen Denken, haben auch dies bezweifelt.
Die Bibel bezeugt uns jedoch klar: Dieser Sohn Davids hier, der aus der Königslinie Davids stammt, war tatsächlich ein Sohn Davids. In 2. Samuel 12,24 sehen wir, dass Salomo diese Bedingung erfüllte – er war ein Sohn Davids. Weiterhin war er König in Jerusalem, wie in 1. Könige 11,42 deutlich wird. Natürlich gab es auch andere Söhne Davids, die in Jerusalem regierten, aber es gibt weitere Punkte, die auf Salomo als Autor hinweisen: Er war König über Israel, was in Prediger 1,12 und Erster Könige 1,34 bestätigt wird.
Außerdem war er weiser als alle, die vor ihm über Jerusalem herrschten (Prediger 1,16). Dies entspricht Erster Könige 3, wo die außergewöhnliche Weisheit Salomos beschrieben wird, die ihresgleichen suchte. Somit kann es nicht jemand anderes aus seiner Linie gewesen sein, da dieser ja weiser als Salomo hätte sein müssen.
Es stellt sich die Frage: Wenn er sagt, „ich war weiser als alle, die vor mir über Jerusalem herrschten“, wer war denn vor ihm König in Jerusalem? Saul regierte nicht in Jerusalem, nur David. Doch es haben viele Könige in Jerusalem geherrscht, mindestens bis zurück zur Zeit Abrahams, als König Melchisedek als König von Salem (also Jerusalem) erwähnt wird. Salomo sagt also nicht, er sei weiser als alle israelitischen Könige in Jerusalem gewesen, sondern als alle, die als Könige in Jerusalem früher geherrscht haben. Damit meint er auch die kanaanitischen Könige, die dort schon mindestens etwa tausend Jahre regierten.
Ein weiterer Punkt: In Prediger 2,4-6 beschreibt sich der Prediger als großer Bauherr. Dies entspricht Erster Könige 9,15, wo Salomo als großer Bauherr genannt wird, der an verschiedenen Orten bedeutende architektonische Werke vollbrachte. Ferner sagt Prediger 2,8: „Ich sammelte mir auch Silber und Gold und Reichtum der Könige und Landschaften, ich schaffte mir Sänger und Sängerinnen und die Wonnen der Menschenkinder.“ Hier fehlt leider ein Punkt nach „Frau“. Es heißt also: „Frau und Frauen.“ Das entspricht seiner viel weiblichen Begierde, wie in Erster Könige 11,3 beschrieben: Salomo hatte sieben Hauptfrauen und dreihundert Nebenfrauen.
Vielleicht noch eine Erklärung: Nebenfrauen bedeutet nicht, dass sie nicht verheiratet waren oder Konkubinen waren. In der Bibel ist das ein erbrechtlicher Begriff. Eine Nebenfrau war eine richtig verheiratete Frau mit einem Ehebund, aber sie hatte kein Anrecht auf ein Erbe. Im Ehevertrag war sie gewissermaßen vom Erbe ausgeschlossen.
Weiterhin lesen wir in Prediger 12,9, dass der Prediger ein großer Sprüchedichter war. Dies entspricht 1. Könige 4,32, wo erklärt wird, dass Salomo einige Tausend Sprüche verfasst hat. Er ist auch der Verfasser eines großen Teils des biblischen Sprüchebuches (Sprüche 1,1). Es gibt keinen anderen Menschen, auf den diese Angaben zutreffen würden als nur auf Salomo.
Aber warum erwähnt er den Namen Salomo nicht? Er tut es im Sprüchebuch, wiederholt auch im Hohen Lied, aber nicht im Prediger. Eine mögliche Antwort finden wir in der Bedeutung des Namens: Salomo bedeutet „der Mann des Friedens“. Im Prediger beschreibt er jedoch seine friedelose Zeit ohne Gemeinschaft mit Gott. Darum ist es passend, dass er seinen Eigennamen nicht nennt.
Auch die jüdische rabbinische Tradition hat im babylonischen Talmud (Megillah 7a und Schabbat 30) das Buch des Predigers ganz klar Salomo zugeschrieben. Von bibelkritischer Seite wurde dies jedoch bestritten. Es wurde unter anderem behauptet, dass das Hebräisch im Buch Prediger eher dem Mishnah-Hebräisch des Talmuds um 200 n. Chr. ähnle als dem biblischen Hebräisch. Das Buch stamme demzufolge aus einer sehr späten Zeit.
Tatsächlich ist das Hebräisch in diesem Buch anders als das sonst im Alten Testament Gewohnte. Wer modernes Hebräisch kann, dem sei gesagt: Oft ist das Relativpronomen „der, welcher“ im Prediger „sche“ und nicht das gewohnte „asher“. Es gibt viele Eigenheiten im Hebräisch des Predigers. Das „sche“ ist beispielsweise üblich im rabbinischen Hebräisch, aber eher selten im Alten Testament.
Daher wurde gesagt, dies sei spätes rabbinisches oder Mischna-Hebräisch und könne unmöglich von Salomo stammen. Doch man sieht, wie wissenschaftliche Ansichten relativ sind. Es lohnt sich, Wissenschaft auf der Basis der Bibel zu betreiben, wo die Bibel und der Glaube an Gottes Wort die Ausgangslage sind. So können viele Fehler von vornherein verworfen werden und man kann in der richtigen Richtung weitermachen.
Das Hebräisch wurde weiter untersucht. Mit der Zeit lernte man auch immer mehr außerbiblisches Hebräisch durch Inschriften und verwandte Dialekte kennen. Es konnte gezeigt werden, dass das Argument der Ähnlichkeit zum Mishnah-Hebräisch widerlegt werden kann. Die sprachlichen Besonderheiten des Predigers lassen sich als Dialekt mit phönizisch-kanaanäischem Einschlag erklären.
Wenn man es genau untersucht, sind die Parallelen nur oberflächlich zum Mishnah-Hebräisch. Vielmehr lassen sich diese Eigenheiten und noch viele weitere durch einen alten phönizischen Einschlag erklären.
Allgemein gilt: Das Hebräisch des Predigers ist absolut einzigartig und ohne irgendeine Parallele in der gesamten hebräischen Literatur. Es ist weder ähnlich dem späten Hebräisch noch dem Hebräisch von Mose oder früherer Zeit. Es ist ein Hebräisch, das sonst nirgendwo gefunden wurde.
Auch die hebräische Gattung des Predigers, nämlich ein philosophisches Essay, ist in der hebräischen Literatur einzigartig und ohne Parallele. Die Sprache ist so einzigartig wie der Inhalt des Buches.
Das gibt eine Erklärung für diese Besonderheit. Wir haben verschiedene Sprachstile. Ich will das an einem anderen Gebiet illustrieren: Wenn man das Radio einschaltet, hört man sofort am Sprachklang, ohne genau zu verstehen, was gesagt wird, ob es sich um eine Sportsendung handelt. Oder man erkennt, wenn auf DRS3 neue Hits vorgestellt werden – diese sprechen viel cooler. Und man hört sofort, wenn Nachrichten kommen, denn die Sprache ist ganz anders.
Je nach Gattung haben wir in unserer Sprache verschiedene Stile. So ist es auch in der Literatur: Je nachdem, wie man schreibt, verwendet man unterschiedliche Sprachstile. Das gilt auch für die Bibel. Die Gesetzestexte von Mose klingen ganz anders als zum Beispiel die Erzählung im Buch Esther. Das hängt mit der literarischen Gattung zusammen und damit, was im Text ausgedrückt wird.
Die Sprache des Predigers ist, wie gesagt, kein Mishnah-Hebräisch, auch kein spätes Bibelhebräisch. Sie gleicht nicht dem Hebräisch in den Büchern Chronika, Haggai, Sacharja und Maleachi, den letzten Propheten bis etwa 400 v. Chr. Nein, sie gleicht nicht daran.
Wie will man das Buch also aufgrund der Sprache datieren? Das ist schwierig. Aber wir können sagen: Salomo pflegte intensiven Kontakt mit Phönizien. In 1. Könige 5,1 lesen wir, dass Hiram, der König von Tyrus, seine Knechte zu Salomo sandte, denn er hatte gehört, dass man ihn zum König gesalbt hatte – an seines Vaters Stadt. Hiram war ein Freund Davids gewesen.
Salomo sandte zu Hiram und ließ ihm sagen, dass sein Vater David nicht imstande gewesen sei, dem Namen des Herrn, seines Gottes, ein Haus zu bauen, wegen der Kriege. Daraufhin engagierte er den König von Tyrus als Materialgeber für den Tempelbau in Jerusalem. Sogar Künstler und Handwerker wurden aus Tyrus herbeigeholt, um mitzuwirken.
So bestand zur Zeit Salomos eine sehr enge Beziehung zu Phönizien. Diese ging sogar so weit, dass in 1. Könige 9,11 Hiram Salomo mit Zedernholz, Zypressenholz und Gold nach all seinem Begehr unterstützte. Damals gab König Salomo Hiram zwanzig Städte im Lande Galiläa. Hiram fand diese Städte allerdings nicht so großartig.
Dies zeigt, dass es einen sehr engen und damit auch sprachlichen Kontakt zu Phönizien gab. Hebräisch ist ja ein Dialekt aus der größeren Sprachgemeinschaft, die man das Kanaanäische nennt. Hebräisch war ein kananäischer Dialekt, ebenso Phönizisch. Im Prediger merkt man also eine besondere Beziehung zwischen dem Hebräischen und dem phönizischen Dialekt.
Wenn man Hebräisch kann, kann man auch phönizische Inschriften lesen, aber man muss die Besonderheiten kennen. Das passt wunderbar zur biblischen Aussage, dass Salomo der Autor des Predigerbuches ist.
In Qumran wurden zwei Predigerhandschriften gefunden: Die Handschrift 4QKoheletA und 4QKoheletB. Kohelet ist Hebräisch für Prediger. 4Q bedeutet, dass die Handschrift aus der vierten Höhle der elf Qumranhöhlen stammt. Diese Abkürzungen stehen für die Handschriften.
4QKoheletA wurde auf 175 bis 150 v. Chr. datiert. Es sind Teile aus den Kapiteln 5, 6 und 7 erhalten. Die zweite Handschrift, 4QKoheletB, datiert man auf etwa 50 v. Chr. oder etwas später. Dort sind Teile aus Kapitel 1 erhalten.
Mit diesen Funden ist die liberaltheologische Datierung des Predigers auf 170 bis 160 v. Chr. vom Tisch gewischt worden. Der berühmte Alttestamentler und liberale Theologe R. H. Pfeiffer (1892–1958) hatte den Prediger aufgrund sprachlicher und inhaltlicher Kriterien auf diese Zeit datiert.
Wenn wir nun eine Handschrift haben, die aus einer Höhle in der jüdischen Wüste stammt und auf 175 bis 150 v. Chr. datiert wird, müssen wir das Original noch früher ansetzen. Man kann auch nicht davon ausgehen, dass dies die erste Abschrift ist. Dieser Fund legt nahe, dass der Prediger weiter zurückdatiert werden sollte.
Dies ist ein schönes Beispiel, wie in der liberalen Theologie oft kritische Ansichten als wissenschaftlich dargestellt wurden, die später überholt wurden. Heute kann das niemand mehr akzeptieren. Für eine gewisse Zeit war das jedoch der Stand der liberaltheologischen Wissenschaft.
Das zeigt, wie wichtig es ist, sich nicht auf solche Meinungen zu stützen oder ihnen zu folgen. Wenn wir kritische Aussagen gegen die Bibel hören, können wir abwarten. Nach einigen Jahren wird vieles klarer.
Gerade die Funde aus der Höhle 4 wurden erst Jahre später veröffentlicht, weil es so viele kleine Fragmente waren – Zehntausende. Pfeiffer hat diese Auswertung offensichtlich nicht mehr erlebt, er starb 1958, im Jahr meiner Geburt. Seine Datierung ging also völlig daneben.
Dieses Beispiel zeigt, dass die liberale Theologie keine verlässliche Basis für unseren Glauben sein sollte. Hätte man in früheren Zeiten einfach auf die Aussagen der Bibel gehört, wäre man richtig gelegen und hätte das Buch Salomo zugeschrieben, der von 971 bis 931 v. Chr. regierte.
Das Buch Prediger entstand also im Alter Salomos und kann etwa in die 930er Jahre v. Chr. datiert werden. Das ist grandios. Worauf ist Europa kulturell so stolz? Auf das intellektuelle Erbe aus Griechenland, auf die großen Philosophen wie Plato, Aristoteles, Sokrates und andere.
Viele Gedanken, die Jahrhunderte später in Griechenland auftauchen, finden wir schon im zehnten Jahrhundert v. Chr. in Salomos Prediger. Und er sagt, dass das alles nichts gebracht hat. Das ist natürlich frustrierend für stolze europäische Akademiker zu hören: Ein Jude hat das alles schon früher durchdacht und gleich verworfen.
Die Spätdatierung des Predigers hängt damit zusammen, dass man ihn als Buch unter dem Einfluss der griechischen Philosophie sehen will. Das war er aber nicht. Er hat dieses Denken längst vorweggenommen und gleich in den Papierkorb geworfen.
Die Schlussfolgerung des Predigers lautet: Fürchte Gott und halte seine Gebote. Die wahre Weisheit findest du nur im geschriebenen Wort Gottes in der Bibel.
Sprachliche und literarische Besonderheiten des Buches Prediger
Nun kommen wir zu einigen Besonderheiten im Buch Prediger. Das Wort, das mit Prediger übersetzt wird, lautet auf Hebräisch Kohelet, wie schon gesagt. Oft liest man in Kommentaren, dass es ein ganz schwieriges Wort sei und man nicht genau wisse, wie man es übersetzen soll. Ich halte nicht viel davon, denn Kohelet kommt einfach von Kahal, was auf Hebräisch Versammlung bedeutet. So heißt der Kohelet jemand, der eine Versammlung einberuft und zu ihr spricht.
Dieses Wort Kohelet kommt siebenmal im Buch vor. Ich habe hier auf dem Blatt alle Stellen angegeben. Von der Form her ist Kohelet eigentlich ein Partizip Femininum. Also würde „ich versammle“ Anikohel bedeuten, und wenn ich eine Frau wäre, würde ich sagen Anikohelet. Hm, komisch? Nein, gar nicht komisch, denn das Partizip Femininum wird im Hebräischen manchmal gebraucht, speziell für Beamtentitel. Das macht deutlich, dass Kohelet gewissermaßen ein Amt ausdrückt.
Der Kohelet hat diese Aufgabe, diesen Status, um eben das Volk einzuberufen, zu ihm zu sprechen und diese Botschaft zu geben. Wie wir in Prediger 12 gelesen haben, war der Prediger weise und lehrte das Volk Erkenntnis. Das Wort kommt also nur im Buch Prediger im Alten Testament vor.
Nun ein paar typische Wörter dieses Buchs: Eitelkeit. Ich habe das schon angesprochen. Hebräisch heißt es Hevel, was Hauch bedeutet, also Nichtigkeit. Achtunddreißig Mal kommt es in diesem Buch vor. Es ist übrigens dasselbe Wort wie Abel, der Name Abel in 1. Mose 4, Vers 2. Auf Hebräisch spricht man das aus wie Hävel.
Warum haben Adam und Eva ihren zweiten Sohn Hävel genannt? Dem ersten haben sie einen viel schöneren Namen gegeben. Eva sagt: „Ich habe einen Mann gewonnen mit der Hilfe des Herrn.“ Und dieses Gewinnen ist im Hebräischen die Wurzel, die man in dem Wort Kain findet. Kain bedeutet erworbenes Gewinn.
Sie dachte: „Oh, jetzt ein Nachkomme!“ Gott hatte ja gesagt in 1. Mose 3: Der Same, der Nachkomme der Frau, wird der Schlange den Kopf zertreten. Adam hat dieser Verheißung geglaubt. Danach nannte er seine Frau Chava, deutsch Eva, was Leben heißt. Er hätte sie doch besser Mawet genannt, was Tod bedeutet.
Gott hatte ihr verheißen: An dem Tag, an dem du von diesem Baum isst, wirst du sterben. Aber Gott zeigte den Ausweg durch den kommenden Erlöser, der von Eva abstammen sollte. Dieser sollte der Schlange den Kopf zertreten und letztendlich Leben bringen.
So hat Adam im Glauben an die messianische Verheißung seine Frau entgegen der tragischen Tatsache, dass nun der Tod in die Welt gekommen war, Chava genannt – Leben. Und die Frau, die Stammmutter der Menschheit, sagt: „Ich habe einen Mann gewonnen mit der Hilfe des Herrn,“ Kain.
Dann merken sie schon sehr bald, das kann man ganz früh erkennen: Das ist ein Problem. Der Kleine tut gar nicht so, wie er sollte. Das Böse ist in ihm. Und dann haben sie schon gewusst: Ja, also gut, dann beim zweiten Baby war etwas los – Hävel, Hauch, Nichtigkeit.
So drückt also Hevel eigentlich die Frustration und die Enttäuschung der Menschen in einer durch die Sünde gefallenen Schöpfungswelt aus. Dieses Wort wird nun eben so im Prediger eindrücklich aufgenommen, achtunddreißig Mal. Und zwar zuweilen dreimal als Superlativ: „Eitelkeit der Eitelkeiten“, Hevel Havalim.
Wir kennen ja diesen Superlativ zum Beispiel aus dem Lied der Lieder. Luther hat es als Hohelied übersetzt, das schönste Lied, Hohelied 1,1, das Lied der Lieder, das ist Shir Haschirim. Hier heißt es: Havel Havalim oder das Allerheiligste, wörtlich das Heilige der Heiligen, Kodesch Kodeschim. Das sind alles Superlative im Hebräischen.
Also „Eitelkeit der Eitelkeiten“ will totale Eitelkeit sagen. Hauch, Nichtigkeit, totale Sinnlosigkeit ist die Übersteigerung. Dann finden wir neunmal den Ausdruck „ein Haschen nach Wind“. Wir haben es wiederholt in Kapitel 1 schon gelesen: Wer den Wind in seine Fäuste zu packen versucht, wird nur frustriert.
Salomo erklärt: All diese Bemühung des Menschen ist ein Haschen nach Wind, wo man letztlich nichts greifen kann, nichts bleibt. Wir können nicht sagen: Das ist jetzt mein. Ich habe das schon erlebt. Da habe ich eine ganz schöne Bibel gekauft und hatte richtig Freude daran, es ist ein schönes Ding.
Und dann geschieht es schon wieder: Irgendwie war eine Mappe schief drin, und ein anderes Buch hat es schon verwüstet, Seiten sind geknickt und zerrissen. Da muss man immer wieder lernen: Es ist alles so vergänglich, selbst die kleinen Dinge, an denen wir eine gewisse kindliche Freude haben. Wir müssen sie gehen lassen.
Wir haben nichts, wo wir sagen können: Das bleibt mir jetzt, habe ich mal. Es gibt Leute, die ein ganz schönes Auto haben, und dann kommt der erste Kratzer. Wir können es einfach nicht halten – ein haschender Wind in allen Bereichen.
21 Mal wird über Mühe gesprochen, und neunmal das hebräische Amal, das neunmal als Verb „sich mühen“ oder „abmühen“ vorkommt. Amal, Amal, dreimal. Amal insgesamt dreißig Mal. Und das ist doch das große Thema der Menschen: Warum arbeiten wir und krampfen uns eigentlich ab? Wo liegt der Sinn? Wo liegt das richtige Verhältnis?
Das ist die große Frage, und das beginnt bereits in der These des Buches in 1,2 und 1,3: Welchen Gewinn hat der Mensch bei all seiner Mühe, Amal, womit er sich abmüht, Amal, unter der Sonne? Und das Wort Jitron, Vorteil, Gewinn, kommt zehnmal vor, nur im Prediger, sonst nirgends im Alten Testament.
Schon in Vers 3 heißt es: Welchen Gewinn, welchen Jitron hat der Mensch bei all seiner Mühe, womit er sich abmüht unter der Sonne? Was bringt das Krampfen eigentlich? Wo liegt das Ergebnis? Letztlich können wir ja doch nichts behalten.
Der Prediger lehrt: Der Mensch kommt leer in die Welt hinein, und er geht leer wieder hinaus. Wir sind ohne Kleider auf die Welt gekommen, und wir gehen ohne Kleider. Wir können sie nicht mitnehmen, sie verwesen im Grab.
Das wird im Neuen Testament dann auch aufgenommen. In 1. Timotheus 6, obwohl es im Neuen Testament kein direktes Zitat aus dem Prediger gibt, haben wir verschiedene Stellen, die ganz deutliche Anspielungen auf dieses inspirierte Buch sind.
Hier ist 1. Timotheus 6, Vers 6: Die Gottseligkeit oder die Gottesfurcht, Frömmigkeit, das ist ja das Endziel des Predigers – die Gottseligkeit, die Gottesfurcht – aber mit Genügsamkeit ist ein großer Gewinn, denn wir haben nichts in die Welt hereingebracht. So ist es offenbar, dass wir auch nichts hinausbringen können.
Wenn wir aber Nahrung und Bedeckung haben, so wollen wir uns daran genügen lassen. Diese Stelle mahnt zu Bescheidenheit, Dankbarkeit und Genügsamkeit, zurückgreifend auf die Lehre des Predigers.
Prediger 5, Vers 15: Gleich wie er aus dem Leib seiner Mutter hervorgekommen ist, wird er nackt wieder hingehen, wie er gekommen ist, und für seine Mühe wird er nicht das Geringste davon tragen, das er in seiner Hand mitnehmen könnte.
Das haben doch die Völker in alter Zeit immer wieder versucht. Man hat ihnen Waffen beigelegt und Schmuck noch und noch – aber nicht zur Freude der Toten, sondern zur Freude der Grabstätten.
Auch dies ist ein schlimmes Übel: Ganz so, wie er gekommen ist, so wird er hingehen. Und was für einen Gewinn hat er davon, dass er sich im Wind müht? Auch ist er alle seine Tage in Finsternis und hat viel Verdruss, Leid und Zorn.
Ja, also das zum Thema Sinnlosigkeit im Buch des Predigers.
Weltbild und Gottesbild im Buch Prediger
Nun, das Weltbild des Predigers – oder besser gesagt das frühere Weltbild, das der Prediger in seiner Zeit vor seiner Rückkehr zu Gott hatte – zeigt sich deutlich. Neunundzwanzig Mal finden wir den Ausdruck „unter der Sonne“, auf Hebräisch „da Chata Schemisch“. Dieses Weltbild beschreibt, wie Salomo in seiner Gottferne nur die Dinge unter der Sonne betrachtete. Damit waren Gott und das Himmlische, das Jenseitige, ausgeblendet.
Ganz entsprechend der Philosophie von Aristoteles, auf die ich im Vortrag über den modernen Menschen bereits hingewiesen habe. Dort haben wir gesehen, dass Aristoteles die Betonung auf die Einzeldinge, die irdischen Einzeldinge, legte. Das Jenseits war nicht seine Sache. Doch dieses Denken wird bereits im Buch Prediger vorweggenommen. Ein Mensch betrachtet die Dinge unter der Sonne und kommt dann zur enttäuschenden Schlussfolgerung: Es ist alles so sinnlos, alles ohne Ziel.
Dreimal kommt noch der Ausdruck „unter dem Himmel“ vor, was als Synonym für „unter der Sonne“ zu verstehen ist. Dann finden wir achtmal die hebräische Wendung „al ha'aretz“, sechsmal übersetzt mit „auf der Erde“ und zweimal mit „auf die Erde“. Das zeigt uns die Sicht auf das Diesseitige, das Irdische. Und genau das ist auch das Weltbild des modernen Menschen.
Das, was hier ist – und auch die Wissenschaft beschäftigt sich mit dem, was hier ist. Sie kann nicht darüber hinausgehen. Wir können ja keine Experimente fürs Jenseits machen, obwohl das manchmal versucht wird. Das Problem ist, dass die moderne Wissenschaft sagt: Das ist der Bereich, den wir beobachten können, und mehr gibt es nicht. Wahr ist nur das, was wir sehen.
Doch das führt letztlich zur Sinnlosigkeit und erklärt die Krise des modernen Menschen in den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts. Damals stellte die breite Masse, besonders die Jugendlichen, plötzlich fest: Wohin führt uns dieses Diesseitsdenken, bei dem nur das diesseitige Wahrsein gilt? Es führt in die Verzweiflung. Deshalb versuchte man damals einen Sprung ins Irrationale, etwa durch den großen Kick oder was auch immer.
Man probierte es mit Rockmusik, mit Drogen, mit östlicher Religiosität und so weiter – bis hin zum Bungee-Jumping. Die ganz Mutigen machen das sogar ohne Seil. Das ist die Konsequenz aus dem modernen Denken. Doch das wird schon längst in einem alten jüdischen Buch der Bibel vorweggenommen. Wer nur dieses Weltbild hat, der verzweifelt und endet in Frustration.
Manche großen Denker haben dieses Malaisé, dieses Unwohlsein der modernen Welt, schon viel früher empfunden als in den sechziger Jahren. Zum Beispiel schrieb Franz Kafka 1910 in sein Tagebuch: „War Sonntag, aufgestanden, eingeschlafen, aufgestanden, welch elendes Leben!“
Ja, wir sind wie Kühe, die aufstehen, fressen, trinken, herumlaufen, dann wieder sitzen, dann wieder aufstehen – und so geht es bis zum Abend weiter. Dazwischen werden sie gemolken, dann kommt die Nacht, und am Morgen beginnt alles wieder von vorne. Jeden Tag das Gleiche.
Gottesbezug im Buch Prediger
Ein nächster Themenkomplex: Gott im Buch Prediger
Das Buch Prediger ist kein atheistisches Buch. Die Existenz Gottes wird nicht geleugnet. Vierzig Mal kommt der Gottesname Elohim vor. Elohim bezeichnet in der Bibel ganz speziell Gott im Sinn von Schöpfer und Erhalter des Weltalls. Deshalb ist es auch das Wort für Gott im Schöpfungsbericht von 1. Mose 1: „Im Anfang schuf Gott, Elohim, die Himmel und die Erde.“ Es ist immer Elohim.
Der Eigenname Gottes in der Bibel ist jedoch Yahweh, hebräisch geschrieben J-h-w-h. Dieser heilige Eigenname Gottes darf gemäß den Zehn Geboten nicht leichtfertig ausgesprochen werden. Deshalb hat man im Judentum Abstand davon genommen, diesen Namen alltäglich auszusprechen. Yahweh war insbesondere der Name des Bundesgottes Israels.
Ich lese aus 2. Mose 6,2: Gott wollte in Beziehung treten, in Gemeinschaft treten mit einem Volk hier auf Erden. So heißt es: „Und Gott redete zu Mose und sprach zu ihm: Ich bin Yahweh, und ich bin Abraham, Isaak und Jakob erschienen als Gott, der Allmächtige, El Schaddai, aber mit meinem Namen Yahweh habe ich mich ihnen nicht kundgegeben.“
In Vers 6 heißt es weiter: „Darum sprich zu den Kindern Israel: Ich bin Yahweh, und ich werde euch herausführen unter den Lastarbeiten der Ägypter hinweg, und werde euch erretten aus ihrem Dienste und euch erlösen mit ausgestrecktem Arm und durch große Gerichte.“ So wollte Gott ein Volk befreien, um mit ihm in ein Bundesverhältnis zu treten und ihm die Weisheit Seines Gesetzes zu geben. Yahweh ist also der Gott, der in eine Bundesbeziehung zum Menschen tritt.
Im Buch Prediger wird Gott jedoch nie Yahweh genannt. Es geht zwar um einen Menschen, der aus dem Bundesvolk war, aber den Bund Gottes gebrochen hatte und anderen Göttern nachgegangen ist. Er hat damit die ersten zwei Gebote der Tora, der Zehn Gebote, gebrochen: „Ich bin Yahweh, euer Gott, du sollst keine anderen Götter neben mir haben“ und das zweite Gebot: keine Bilder zu verehren. Das dritte Gebot war, den Namen Yahweh nicht zum Eiteln auszusprechen.
Salomo hat sich vor fremden Göttern niedergebeugt und Götzenbilder verehrt. Deshalb ist der Name Yahweh hier nicht genannt. Es geht um einen Menschen, der Erfahrung gemacht hat ohne Gemeinschaft zum Bundesgott.
Interessant ist, dass in 1. Mose 2 Gott im Schöpfungsbericht dauernd als „der Herrgott“, Yahweh Elohim, genannt wird. Warum dieser ständige Wechsel zu Yahweh Elohim?
Ganz einfach: Kapitel 1 gibt eine Übersicht der Schöpfung. Kapitel 2 ist kein zweiter Schöpfungsbericht, sondern eine Darstellung der Schöpfung mit Betonung auf Gottes Beziehung zu den Menschen. Der Mensch steht im Mittelpunkt, und nur dort wird beschrieben, wie Gott einen Bund mit Adam geschlossen hatte. Deshalb nennt sich Gott dort Yahweh, und weil er der Schöpfer ist, auch Elohim.
So sehen wir, wie die Gottesnamen in der Bibel ganz bewusst gewählt werden.
Wenn wir uns das vor Augen führen: Die moderne liberale Bibelkritik hat eigentlich ihren Anfang genommen mit 1. Mose 1 und 2. Ein Arzt namens Astrück hat darauf geachtet, dass in Kapitel 1 immer Elohim steht, in Kapitel 2 jedoch Yahweh Elohim. Für ihn war die klare Schlussfolgerung: Das muss ein anderer Autor sein, der in Kapitel 2 spricht. Die Menschen früher hätten so dumm und ungebildet einfach auf die Überlieferung gehört, Mose sei der Autor. Nein, das könne man nicht annehmen, denn stilistisch merke man, dass ein anderer Autor spricht.
Doch es ist kein anderer Autor. Astrück war ein Tor, weil er seinen Verstand über das Wort Gottes setzte und sich irrte. Die Gottesnamen werden in der Bibel sehr bewusst gewählt, und das weist überhaupt nicht auf verschiedene Quellen hin.
Ausgehend von dieser Beobachtung hat man das dann auf die ganzen fünf Bücher Mose ausgeweitet und begonnen, das Wort Gottes in verschiedene Quellen zu zerreißen: Javist, Elohist, Priesterschrift, Deuteronomist. Im besten Fall konnte man in einem Vers von 1. Mose sogar drei Quellen unterscheiden.
Das Schöne ist, die Kritiker haben sich damit selbst ins Abseits gebracht. Je nach Kritiker wurden die Quellen an unterschiedlichen Stellen gesehen. Das zeigt, wie uneindeutig diese Quellen waren. Am Schluss haben sie sich aber so ungefähr geeinigt – das ist ja demokratisch.
Auch das ist ein Beispiel, um zu zeigen, dass wir das Wort Gottes aus sich selbst heraus verstehen lernen müssen – im Vertrauen und im Glauben an Gottes Wort. Dann können wir es verstehen. Der Gottlose aber kann es nicht verstehen.
Ein weiteres schönes Beispiel findet sich in 2. Chronik 18,31. Das ist ein Paradebeispiel, um die Verwendung der Gottesnamen zu illustrieren. Der König Josaphat war im Krieg und kam in Not, weil man ihn mit dem König des Nordreiches verwechselte. Es geschah: „Als die Obersten der Wagen Josaphat sahen, sprachen sie: ‚Das ist der König von Israel!‘ Da umringten sie ihn, um zu streiten. Josaphat schrie, und Yahweh half ihm, und Elohim lenkte sie von ihm ab.“
In einem Vers kommen also beide Worte vor. Der gläubige König schreit zu seinem Gott Yahweh, dem Bundesgott, der ihm hilft. Elohim, der Erhalter des Weltalls, wendet die Streitwagen von ihm ab.
Beachtlich ist nun im Buch der Sprüche, dessen größter Teil auf Salomo zurückgeht, nämlich bis Kapitel 29: Dort finden wir den Namen Yahweh siebenundachtzig Mal, nur fünfmal Elohim und einmal die andere Form Eloah. Das ist interessant. Der gleiche Autor, aber so unterschiedliche Verwendung der Gottesnamen.
Das Buch der Sprüche ist das Buch der Weisheit für solche, die in Beziehung zu Gott leben. Hier wird Menschen, die dem Gottesbund treu sein wollen, erklärt, wie sie sich im Alltag mit Gottes Hilfe und Unterweisung zurechtfinden können. Deshalb ist hier der Name Yahweh so passend. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass das Sprüchebuch nicht von Salomo geschrieben worden wäre.
Wie gesagt, im Sprüchebuch nennt Salomo seinen Eigennamen „Mann des Friedens“, denn hier wird aus dem Frieden heraus, dem inneren Frieden, göttliche Weisheit für den Alltag gelehrt.
Freude im Buch Prediger
Nun zum Thema Freude im Buch Prediger. Es ist kein pessimistisches Buch, obwohl viel über Pessimismus geschrieben wird. Das hebräische Wort für Freude, Simcha, findet sich siebenmal im Buch Prediger. Ich habe auf dem Blatt alle Stellen angegeben, an denen sich auf Freude oder Samach bezogen wird; diese kommen neunmal vor.
Doch damit ist es nicht getan. Übrigens entspricht die Anzahl von sechzehn Mal genau dem Wort Freude im Philipperbrief. Die vier Kapitel des Philipperbriefes lehren Freude im Glauben, auch unter widrigen Umständen. Paulus schrieb den Philipperbrief aus dem Gefängnis in Rom und schreibt: „Freut euch in dem Herrn allezeit, und abermals will ich sagen, freut euch!“
Das Wort Freude, Frohsein, sich freuen und alle verwandten Wörter kommen sechzehnmal im Philipperbrief vor. Aber man findet sie auch sechzehnmal im Buch Prediger. Dabei sollte man auch Synonyme beachten, wie zum Beispiel „guter Dinge sein“ in Prediger 5,14. Das ist zwar anders formuliert, bedeutet aber ebenfalls Freude.
Also findet sich Freude im Buch Prediger noch öfter und häufiger. Dieses Buch wird im Judentum in der Synagoge immer am Laubhüttenfest vorgelesen. Das Laubhüttenfest ist das Fest der Freude. Dreimal betont die Tora, dass man sich an diesem Fest freuen soll: in 3. Mose 23,40, 5. Mose 16,14 und 15. Dabei heißt es sogar: „Und du sollst dich nur freuen.“
Es ist eigenartig, dass ein pessimistisches, skeptisches Buch an dem Fest der Freude, dem letzten der sieben Feste des Herrn (3. Mose 23), das alle früheren Feste in sich zusammenfasst, gelesen wird. Die alten Rabbiner haben jedoch erkannt, dass das Buch uns wahre Freude aus der Hand des Schöpfers lehrt.
Aufbau des Buches Prediger
Und nun zum Aufbau des Buches. Man kann Kommentare aus dem Regal nehmen, die das Buch Prediger behandeln, und findet dabei unterschiedliche Einteilungen. Alle sind interessant, aber die beste Einteilung eines Bibelbuches ist immer die, die sich an den Merkmalen der einzelnen Teile im Text selbst orientiert.
Zum Beispiel im Buch „Hohelied“ kommt wiederholt ein Refrain vor. Dieser Refrain hilft uns zu erkennen, wo die Strophen enden. Die Strophen sind unterschiedlich lang, aber der Refrain gibt uns eine natürliche, von Gott selbst gegebene Einteilung. Man kann immer wieder feststellen, dass bestimmte Stichwörter markieren, wo ein Teil endet.
Genauso verhält es sich im Buch Prediger. Wenn man dieser Freude auf den Grund geht, stellt man fest, dass der Prediger nach einer bestimmten Einteilung in neun Hauptteile zerfällt. Am Ende jedes dieser Teile steht ein Endergebnis. Ganz am Schluss wird sogar ausdrücklich das Endergebnis des Ganzen genannt – lasst uns hören.
Immer am Ende der Hauptteile I bis VIII kommt die Freude vor. Inhaltlich schließt sie jeweils ein Thema ab. Der letzte Hauptteil endet nicht mehr mit der Freude, aber er beginnt mit der Freude. Am Schluss wird alles etwas verändert. Er beginnt eigentlich mit der Schlussfolgerung der früheren Schlussfolgerungen.
So heißt es in Kapitel 11, Vers 9: „Freue dich, Jüngling, in deiner Jugend, und dein Herz mache dich froh in den Tagen deiner Jugendzeit.“ Das ist das Endergebnis aller Endergebnisse in den Hauptteilen 1 bis 8. Diese Einteilung hilft, das Buch wirklich so zu verstehen, wie es verstanden werden will.
Der Prediger-Kommentar von Benedikt Peters weist diese Einteilung auf. Das hat auch dazu geführt, dass ich keinen besseren Kommentar zum Prediger kenne als dieses Buch. Deshalb kann ich es sehr empfehlen.
Kreisläufe in der Natur und Geschichte
Wir gehen noch etwas weiter, und zwar zum Thema Kreisläufe, das in der Einleitung auf dem Blatt behandelt wird.
Das Buch ist folgendermaßen aufgebaut: Nach der Nennung des Autors (Vers 1) folgt die These des Buches (Verse 2 und 3), und dann beginnt die Einleitung (Vers 4).
„Ein Geschlecht geht und ein Geschlecht kommt, aber die Erde besteht ewiglich.“
Das hebräische Wort „olam“ kann sowohl „ewig“ als auch „auf unabsehbare Zeit“ bedeuten. „Olam“ stammt von der Wurzel „alam“, die im Arabischen „zudecken“ bedeutet. So ist „olam“ etwas, das sich dem menschlichen Geist zeitlich entzieht und verborgen bleibt. Dies kann im absoluten Sinne „ewig“ bedeuten, also ohne Ende, oder eine unüberschaubare Zeitspanne.
Die Erde besteht also nicht im absoluten Sinn ewig, sondern auf eine unabsehbare Zeit. Eine Generation kommt, eine Generation geht, dann kommt wieder eine neue, und so geht es immer weiter.
Als Nebensatz möchte ich noch erklären, dass diese Eigenheit des hebräischen Wortes „olam“ – das von einer Zeitperiode bis zur Ewigkeit reichen kann – von den Alversöhnen aufgegriffen wurde. Sie argumentierten, dass, wenn die Bibel von ewiger Pein spricht, dies nur ein Zeitalter meint, das irgendwann endet.
Wie aber konnte man im Hebräischen ausdrücken, dass etwas wirklich ewig ist? Das konnte man auch klar sagen. Wenn es heißt „El Olam“ in 1. Mose, also „der ewige Gott“, ist klar, dass Gott keinen Anfang und kein Ende hat.
In anderen Zusammenhängen, in denen man ganz eindeutig „absolut ewig“ sagen wollte, verwendet man den Ausdruck „Le Olmei Olamim“ – „in die Ewigkeit, in die Ewigkeiten der Ewigkeiten“. Das ist ein Superlativ.
Ähnlich wie bei Worten wie „Havel, Havalim“, „Kodesha, Kodashim“ oder „Shir Haschirim“ – ja, wir können später noch ein bisschen Hebräisch lernen, sogar phönizisch-kanaanäisch geprägtes Hebräisch – so lautet der Ausdruck „in die Ewigkeit der Ewigkeiten der Ewigkeiten“.
Dieser Ausdruck wird auch im Neuen Testament übernommen. Die neutestamentliche griechische Sprache lehnt sich eng an das Alte Testament an. Wenn dort von ewiger Pein gesprochen wird, heißt es zum Beispiel in Offenbarung 14,11: „Und der Rauch ihrer Qual steigt auf in die Ewigkeiten der Ewigkeiten, und sie haben keine Ruhe Tag und Nacht.“
Man kann auch übersetzen: „in die Zeitalter der Zeitalter“, entsprechend dem hebräischen Vorbild.
Das ist „Le Olmei Olamim“ – absolut ewig, ganz klar.
Ähnliches finden wir auch in Offenbarung 20, Vers 10 und weiteren Stellen. Das griechische Wort „Aion“ entspricht dem hebräischen „Olam“ und bedeutet sowohl „Zeitalter“ als auch „Ewigkeit“.
Ab jetzt wollen wir den Alversöhnen noch ein Schnippchen schlagen. Es gibt nämlich noch ein anderes Wort im Neuen Testament: das Adjektiv „Aionios“. Es kommt siebzig Mal vor und wird im Neuen Testament im absoluten Sinn als „ewig“ verwendet.
Ich zeige die Verwendungsweise: Zur Zeit des Neuen Testaments war „Aionios“ auch im außerbiblischen Griechisch „ewig“. Es hatte zwar einen Bedeutungswandel durchgemacht, aber im Neuen Testament bedeutete es absolut „ewig“.
Zum Beispiel in 2. Korinther 4,17: „Denn das schnell vorübergehende Leichte unserer Drangsal bewirkt uns ein über die Massen überschwängliches ewiges Gewicht von Herrlichkeit, indem wir nicht das anschauen, was man sieht, sondern das, was man nicht sieht; denn das, was man sieht, ist zeitlich, das aber, was man nicht sieht, ist aionios.“
Wenn wir in einer Fremdsprache lesen, müssen wir oft die Bedeutung von Wörtern aus dem Zusammenhang erkennen, ohne dauernd nachzuschlagen. Dabei merken wir: „Aionios“ ist das Gegenteil von „zeitlich“. Das Gegenteil von zeitlich ist nicht einfach „nicht zeitlich“, sondern „ohne Ende“.
In Matthäus 25 finden wir auch eine solche Opposition von Wörtern: Matthäus 25,46: „Und diese werden hingehen in die ewige Pein, die Gerechten aber in das ewige Leben.“ Beide Male wird „aionios“ verwendet.
Wenn die ewige Pein zeitlich wäre, wäre auch das ewige Leben zeitlich. Das wird also schon recht schwierig, und man braucht viel Akrobatik, um das noch umgehen zu können.
Aber es ist ganz klar: So ewig ist das ewige Leben, so ewig ist die ewige Pein. „Aionios“ ist das Gegenteil von „zeitlich“. Es bedeutet „ewig“.
Der langen Rede kurzer Sinn: Eine Generation kommt, eine Generation geht, die Erde aber bleibt für den menschlichen Geist verborgen auf unabsehbare Zeit.
Machen wir nun eine halbe Stunde Pause.
Kreisläufe in Natur und Geschichte
Wir fahren nun weiter. Vor der Pause sind wir bei der Aussage stehen geblieben, dass die Erde ewiglich oder auf unabsehbare Zeit besteht. Nun spricht der Prediger über Kreisläufe in der Natur.
So wie man es von der Erde sieht: Die Sonne geht auf, und die Sonne geht unter. Sie eilt ihrem Ort zu, wo sie aufgeht. Es ist ein täglich zu beobachtender Kreislauf – ein Kreislauf des Lebens.
Dann, in Vers 6, heißt es: Der Wind geht nach Süden und wendet sich nach Norden, sich wendend und wendend geht er, und zu seinen Wendungen kehrt der Wind zurück. Erstaunlich ist, dass die moderne Wissenschaft, speziell die Meteorologie, tatsächlich ein Windsystem entdeckt hat, das über die Nordhälfte der Erdkugel bis zum Äquator reicht und dann wieder zurückkehrt – genau so, wie es hier beschrieben wird: „Der Wind geht nach Süden und wendet sich nach Norden. Sich wendend und wendend geht er und zu seinen Wendungen kehrt der Wind zurück.“ Grandios! Auch hier zeigt sich ein ständiger Kreislauf in der Natur.
Des Weiteren gibt es den Kreislauf des Wassers: Alle Flüsse fließen ins Meer, und das Meer wird nicht voll. Das ist eigentlich schon erstaunlich – und das seit Urzeiten. Salomo erklärt diesen Kreislauf des Wassers so: An dem Ort, wohin die Flüsse gehen, dorthin kehren sie immer wieder zurück. Tatsächlich wird Wasser durch die Flüsse vom Land in die Ozeane gebracht, aber dort bleibt es nicht. Tag für Tag werden unter der gewaltigen Kraft des Sonnenlichts Unmengen Wasser verdunstet, bilden Wolken, die durch den Wind wieder aufs Festland gezogen werden. Dort regnen sie aus, fließen zurück in die Flüsse und schließlich wieder ins Meer. Auch das ist eine wissenschaftliche Erkenntnis der Neuzeit, doch Salomo beschreibt es vor dreitausend Jahren als Selbstverständlichkeit. Auch hier handelt es sich um einen ständig sich wiederholenden Kreislauf.
Weiter sagt Salomo: Überhaupt ist das ganze Leben, die Abfolge der Dinge in der Geschichte, eigentlich eine ständige Wiederholung. Die Menschen haben in der Geschichte immer wieder dieselben Dummheiten wiederholt. Es gibt nichts, was man als wirklich neu bezeichnen könnte. Dabei geht es im Text nicht um wissenschaftliche Entdeckungen, sondern um das, was geschehen ist. Vers 9 sagt: „Und das, was geschehen ist, ist das, was geschehen wird.“ Das heißt, dass immer wieder dieselben Dinge in der Geschichte geschehen. Vom Grundprinzip her kommt immer dasselbe wieder neu vor. Es gibt nichts, bei dem man sagen könnte, es sei wirklich ganz neu.
Diese Beobachtung und die Beweise in der Natur werden bestätigt. Tatsächlich spricht im Neuen Testament Jakobus in Kapitel 3, Vers 6, über das Rad der Schöpfung. Ganz wörtlich übersetzt entspricht das dem griechischen Ausdruck Trochos tes Genesios in Jakobus 3,6. In Bibelübersetzungen wird das zum Teil freier wiedergegeben als „der Lauf der Natur“ oder „der Lauf des Daseins“. Ganz wörtlich heißt es jedoch „das Rad der Schöpfung“. „Genesios“ kann auch „Geburt“ bedeuten. Es gibt tatsächlich ein stetes Drehen in der Natur.
Diese Beobachtung führte die Denker im Orient dazu, das Rad auch auf das Geborenwerden und Sterben anzuwenden. So entstand die Reinkarnationslehre. Darum spielt in den östlichen Religionen das Symbol des Rades eine so große Rolle. Doch der Orientale, etwa im Hinduismus oder Buddhismus, empfindet dieses Rad als etwas, das zu Verzweiflung führt – als etwas Sinnloses. Das Ziel sollte sein, aus diesem Kreislauf auszubrechen.
Wir sehen also, dass es eine Teilwahrheit ist, das Rad zu sehen. Wir sehen diese Räder in der Geschichte und in der Natur. Doch die Gedanken, die über die Beobachtung hinausgehen, führten zu einer Verehrung dieses Kreislaufs. Natürlich geschah dies unter dem Einfluss und der Inspiration des Reiches der Finsternis.
Durch die Offenbarung Gottes, durch das geschriebene Wort, erfahren wir in Hebräer 9 am Schluss: „Denn es ist dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben.“ Das bedeutet etwas anderes. Der Grundtext enthält ein Zahlwort: Es ist dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben. Danach aber folgt das Gericht. Das ist das Normale für den verlorenen Menschen: Er stirbt einmal, und dann gibt es das Gericht. Es gibt kein Zurück, keine Reinkarnation.
Wie gesagt, die Kreise führten die Denker im Osten zur Verzweiflung. Ähnlich ist es mit Salomo, wenn er hier sagt: „Eitelkeit der Eitelkeiten, welchen Gewinn hat der Mensch?“ Dann spricht er über all diese Kreisläufe, um zu zeigen: Es dreht sich, es dreht sich, aber wo ist der Sinn, wo ist das Ziel? Welchen Gewinn hat der Mensch bei all seiner Mühe?
Heute Morgen haben wir uns mit dem Thronwagen Gottes in Hesekiel beschäftigt. Er hat Räder, aber diese Räder drehen sich nicht im Morast der Geschichte an Ort. Der Thronwagen Gottes geht ständig voran. Dieser Thronwagen muss sich nie wenden. In welcher Richtung er auch fährt, er kann vorwärts fahren. Gott muss nie etwas bereuen, im Sinn von: Er müsste verurteilen, weil er falsch gehandelt oder sich geirrt hätte. Die Räder des Thronwagens gehen immer vorwärts.
Das ist die wunderbare Botschaft der Bibel. Darum haben wir in der Bibel dieses lineare Denken. Das ist typisch biblisch. In anderen Kulturen hat man ein solches Geschichtsdenken kaum entwickelt. Dieses Geschichtsdenken in Europa kommt aus der Bibel, aus der Erkenntnis dieses Gottes, der am Anfang Himmel und Erde geschaffen hat. Er ließ die Geschichte in Zeitaltern ablaufen als Heilsgeschichte, die letztlich zur Vollendung führt, wie es in Offenbarung 21 heißt: ein neuer Himmel und eine neue Erde.
In den orientalischen Religionen hat man versucht, den Ausbruch aus diesem Rad zu finden. Bis zum heutigen Tag sucht man in der Meditation die Auslöschung der Individualität. Der Geist des Menschen wird passiv gemacht, und damit soll das Gefühl der Einheit mit dem Allgeist erzeugt werden. Dasselbe haben andere Völker mit Drogen gemacht, etwa die Schamanen. Es ist gewissermaßen der Versuch, aus dem sinnlosen Rad auszutreten und in der Auflösung der Individualität das Ziel zu finden.
Das ist genau das Nirwana im Hinduismus, das Nibbana im Buddhismus. Buddha sagte, das Nibbana sei ein Zustand, in dem man nicht sagen kann, man ist, aber auch nicht, man ist nicht. Es ist quasi die Auflösung der Individualität. Was ist das? Nichts anderes als Nihilismus. Die Suche nach dem Nichts, und das soll das große Glück sein.
Die Bibel zeigt uns dagegen: Nein, wir müssen nicht ausbrechen aus dem Rad. Wir dürfen jeden Tag wieder neu an unsere Arbeit gehen und Gott danken. Am Morgen gibt es Frühstück, am Mittag Mittagessen, am Abend Abendessen – ja, wenn wir das überhaupt haben. 800 Millionen Menschen haben das anders. Alles nehmen wir mit Dank aus der Hand Gottes an.
Wir dürfen wissen: Jeder Tag führt uns näher zum Ziel. Jeder Tag ist ein Schritt näher bei der Wiederkunft Christi und damit auch einen Tag näher bei der Vollendung. Es ist wunderbar, dass wir die Geschichte, im Allgemeinen die Geschichte unseres Lebens, als ein Vorwärtsgehen zur Vollendung sehen – jeden Tag näher bei der Vollendung. Wir dürfen auch die Wiederkunft Christi gemäß dem Neuen Testament jeden Tag erwarten, vielleicht heute. Manche schreiben sich das als Erinnerung an einem schönen Platz in der Wohnung auf.
Das ist nicht die Auflösung der Person. Der christliche Glaube zeigt: Gott ist ein persönlicher Gott, nicht ein unpersönlicher. Dieser persönliche Gott hat uns als Person geschaffen, und wir bleiben unsere Person in aller Ewigkeit. Keine Auflösung, sondern eine herrliche Zukunft in der Gemeinschaft als Geschöpfe, ja sogar als Kinder Gottes, bei Gott, dem Vater.
Das ist die Antwort des Neuen Testaments auf die Fragen, die hier im Prediger 1 aufgeworfen werden. Uns muss das nicht zur Verzweiflung führen, sondern es macht uns Mut. Gott hat seinen Plan in der Weltgeschichte, aber auch in meinem persönlichen Leben. Das läuft entsprechend dem Rädergang des Thronwagens Gottes.
Wie gesagt, heute Morgen haben wir gesehen: Dieser Wagen kann sich mal in diese Richtung vorwärts bewegen, mal in jene. So ist es auch in unserem Leben. Wir können nicht alles verstehen, warum Gott uns so geführt hat und nicht anders. Aber wir dürfen wissen, es ist Gottes weise Führung, entsprechend seinem Thron.
Hesekiel sah Gott, den Sohn, auf dem Thron oben, der zu Hesekiel spricht. So dürfen wir wissen: Gott ist noch auf dem Plan, und alles ist ihm untertan, so heißt es in einem schönen Lied.
Aufbau des Buches Prediger (Fortsetzung)
Nun schauen wir uns den Aufbau des Predigerbuches an, das ist der letzte Abschnitt.
Ich habe bereits erklärt, dass der Autor sich vorstellt in Kapitel 1,1. Die These des Buches wird in 1,2-3 vorgestellt. Danach folgt die Einleitung, die ich mit „Der Rat der Schöpfung“ betitelt habe, in 1,4-11.
Nun beginnt der erste Hauptteil: Studieren und probieren, von 1,12 bis 2,11. Wir haben bereits den Abschnitt 1,12-18 gelesen. Salomo sagt, dass er mit Weisheit alles erkunden und verstehen wollte, was in der Welt vorgeht. Doch er stellt fest, dass es ein übles Geschäft ist, und bei viel Weisheit auch viel Kummer entsteht.
Heißt das, dass das Denken uns immer zu Enttäuschung führen muss? Nein, hier ist das Denken ohne Gemeinschaft mit Gott gemeint. Das führt letztlich zum Nihilismus. Viele große Philosophen haben uns das gezeigt. Sie haben über alles nachgedacht und scharfe, spitze Gedanken gehabt, doch viele von ihnen sind im Elend geendet. Man denke nur an Kafka und viele andere. Das Denken ohne Gemeinschaft mit Gott führt zur Enttäuschung.
So hat Salomo das probiert – eben mit Philosophie, hier überschrieben als Studieren. Doch dann, in Kapitel 2, sagt er, dass er es nicht nur mit Studieren, sondern auch mit Probieren versucht hat.
Er spricht in seinem Herzen: „Wo lande ich? Ich will dich prüfen durch Freude und das Gute genießen.“ Aber auch das sei Eitelkeit. Zum Lachen sagt er, es sei unsinnig, und zur Freude fragt er, was sie denn schaffe.
Er beschloss in seinem Herzen, seinen Leib durch Wein zu pflegen, während sein Herz sich mit Weisheit benehme und es mit der Torheit halte, bis er sehe, was den Menschenkindern gut wäre unter dem Himmel zu tun.
Dann erzählt er, wie viele Häuser er gebaut hat, Weinberge gepflanzt, Parkanlagen geplant und ausgeführt, viele Knechte und Mägde angeschafft, großen Grundbesitz verwaltet. Er sammelte Silber, Gold und Reichtum der Könige und Landschaften. Er schaffte sich Sängerinnen und Sänger, Frauen und viele weitere Annehmlichkeiten. Er wurde groß und größer.
Er hat es mit allen möglichen und unmöglichen Dingen versucht. Sein Fazit, seine Schlussfolgerung: Eitelkeit, ein Haschen nach Wind. Alles Genießen in dieser Welt bringt nichts. Trotzdem versuchen es die Menschen jedes Wochenende wieder neu. Dabei hat jemand schon vor dreitausend Jahren erklärt, dass es nichts bringt – und sie fahren trotzdem fort. Unglaublich!
Doch in Kapitel 2, Vers 10, spricht er zum ersten Mal in einer Schlussfolgerung über Freude. Man weiß noch nicht recht, was das bedeutet.
„Ich versagte meinem Herzen keine Freude, denn mein Herz hatte Freude von all meiner Mühe, und das war mein Teil von all meiner Mühe.“
Doch in Vers 11 muss er sagen: „Und ich wandte mich hin zu allen meinen Werken, die meine Hände gemacht, und zu der Mühe, womit ich wirke und mich abgemüht hatte, und siehe, das alles war Eitelkeit und ein Haschen nach Wind. Es gibt keinen Gewinn unter der Sonne.“
Er hat Gewaltiges geleistet. Manche würden sagen: „Wenn ich ein großer, erfolgreicher Architekt wie Le Corbusier wäre, hätte ich das Ziel des Lebens erreicht.“ Oder ein Junge sagte einmal: „Wenn jemand zwei Doktortitel schafft, dann hat er wirklich das Ziel erreicht.“
Aber Salomo sagt, er hat keine wirkliche Ruhe und Befriedigung in seinen eigenen Werken gefunden. Ein erstaunlicher Gegensatz zu Gottes Werken. Gott hat alle seine Werke angeschaut, sie waren sehr gut. Und dann kam der Sabbat der göttlichen Ruhe.
Gott hat sich an seinen Werken gefreut, er empfand eine innere Freude an ihnen. Was ist geschehen, dass wir selbst bei unserem Lebenswerk zurückblicken und fragen: „Was hat es eigentlich gebracht?“ Hat jemand den Nobelpreis bekommen und stirbt doch? Ja, und es wird wieder vergessen.
Wer weiß noch die Namen all der Nobelpreisträger? Sie sind längst vergessen, genauso wie Wilhelm Busch sagte: „Der Ruhm, wie alle Schwindelware, dauert selten mehr als tausend Jahre.“
Das Problem des Menschen ist, dass er in seinen eigenen Werken ohne Beziehung zu Gott, die dem Ewigkeitswert geben könnte, keine wirkliche Befriedigung findet.
Studieren und probieren – das geht bis Kapitel 2,11. Dann folgt der zweite Hauptteil: Weisheit und Torheit, von 2,12 bis 26.
Hier hat Weisheit die Bedeutung von intellektuellem Wissen. Salomo untersucht, ob das Wissen des Menschen eigentlich etwas bringt. Er kommt zur Überzeugung, dass es trotz vieler Verdrüsse einen relativen Vorzug hat.
In Vers 13 sagt er: „Und ich sah, dass die Weisheit den Vorzug hat vor der Torheit, gleich dem Vorzug des Lichtes vor der Finsternis. Der Weise hat seine Augen in seinem Kopf, der Tor aber wandelt in der Finsternis.“
Er sagt also, im Prinzip ist es vorteilhaft, viel zu wissen gegenüber dem, der nichts weiß, so wie Licht sich von Finsternis unterscheidet. Doch dann stellt er fest, dass es enttäuschend ist, weil am Ende beide sterben.
„Sie haben beide dasselbe Geschick“, heißt es in Vers 15: „Und ich sprach in meinem Herzen: Gleich dem Geschick des Törichten wird auch mir widerfahren. Und wozu bin ich dann überaus weise gewesen?“
Er spricht auch über das Andenken an die Weisen, das ebenfalls vergeht. Obwohl Weisheit einen relativen Vorzug hat, müssen letztlich alle sterben.
Dann stellt sich die Frage, wer das weiterführt, was man aufgebaut hat. Auch hier drückt er die Enttäuschung aus, die man erleben kann: Man baut etwas auf, doch wie wird es mit dem Nachfolger sein?
In Vers 18 sagt er: „Und ich hasste alle meine Mühe, womit ich mich abmühe unter der Sonne, weil ich sie dem Menschen hinterlassen muss, der nach mir sein wird. Und wer weiß, ob er weise oder töricht sein wird?“
Salomo hatte einen törichten Sohn. Rehabeam erbte sein großes Reich und fragte die Alten, wie er regieren solle. Diese rieten ihm, die Härte seines Vaters zu mildern. Die jungen Leute jedoch sagten, das sei nur das Vorwort, die Hauptsache käme jetzt.
Das führte zur Reichsspaltung. Ein törichter Entschluss, der alles kaputt machte. Wer weiß, wie der Sohn handeln wird? So gibt es viele, die ein schönes Geschäft aufgebaut haben, doch dann fragen sie sich: Wer macht weiter? Niemand will oder kann, oder jemand will und zerstört alles wieder.
Schließlich kommt Salomo zu der Schlussfolgerung, dass trotz allem ein Haschen nach Wind bleibt, doch es gibt etwas Besseres.
In Vers 24 heißt es: „Es gibt nichts Besseres unter den Menschen, als dass man esse und trinke und seine Seele Gutes sehen lasse bei seiner Mühe. Ich habe gesehen, dass auch das von der Hand Gottes abhängt. Denn wer kann essen und wer kann genießen ohne ihn?“
Dem Menschen, der Gott wohlgefällig ist, gibt er Weisheit, Erkenntnis und Freude. Dem Sünder aber gibt er das Geschäft, einzusammeln und aufzuhäufen, um es dem zu geben, der Gott wohlgefällig ist. Auch das ist Eitelkeit und ein Haschen nach Wind.
Salomo sagt also, unser Leben ist kurz, vergänglich und voller Enttäuschungen. Aber Essen und Trinken sind Gaben Gottes.
Tatsächlich essen wir in unserer Kultur meist dreimal am Tag, manche sogar mit Zwischenmahlzeiten. Man sollte einmal zusammenrechnen, wie viel Zeit wir mit Vorbereitung und Verzehr von Mahlzeiten verbringen. Das nimmt einen großen Teil unseres Lebens ein.
Salomo hat versucht, im Schwelgen Freude zu finden (Kapitel 2, Vers 1), doch das brachte nichts. Jetzt erklärt er, dass der wahre Genuss darin besteht, die Dinge aus Gottesfurcht dankbar aus Gottes Hand zu nehmen.
Das Tischgebet ist nicht nur eine Sitte, sondern der Ausdruck, dass wir die Gaben aus Gottes Hand erhalten und sie nicht schwelgerisch, sondern dankbar genießen.
Dann kann eine Pizza wirklich wunderbar schmecken. Wer kann genießen ohne ihn? Der wahre Genuss muss aus der Hand des Schöpfers genommen werden.
Nun lesen wir etwas aus dem ersten Timotheusbrief. Dort haben wir bereits gefunden, dass der Mensch nackt in die Welt gekommen ist und sie auch so wieder verlassen wird. Genügsamkeit ist wichtig.
Paulus sagt in 1. Korinther 6,8: „Wenn wir aber Nahrung und Bedeckung haben, so wollen wir uns daran genügen lassen.“
Er warnt diejenigen, die reich werden wollen: „Die aber reich werden wollen, fallen in Versuchung und Fallstrick und in viele unvernünftige und schädliche Lüste, welche die Menschen versenken in Verderben und Untergang.“
Denn „die Geldliebe ist eine Wurzel alles Bösen, nach der trachtend sind etliche vom Glauben abgeirrt und haben sich selbst mit vielen Schmerzen durchbohrt.“
Es ist Torheit, reich werden zu wollen. Das heißt aber nicht, dass die Reichen selbst verurteilt werden. Es gibt eine andere Klasse.
Manche sind reich, andere wollen reich werden. Das ist das Gefährliche, davor wird gewarnt: Die Geldliebe ist eine Wurzel alles Bösen.
In Vers 11 erklärt Paulus: „Du aber, Mensch Gottes, fliehe diese Dinge!“
Dann spricht er in Vers 17 die Reichen in der Gemeinde an. In Gottes Souveränität sind gewisse reich geworden, andere nicht.
Paulus fordert die Reichen auf, nicht hochmütig zu sein und nicht auf die Ungewissheit des Reichtums zu hoffen, sondern auf Gott, der uns alles reichlich zum Genuss darreicht.
Das ist erstaunlich! Keine Askese wird hier gelehrt, sondern dass wir die natürlichen Gaben, die Gott uns gibt, aus seiner Hand nehmen dürfen.
So haben wir den Genuss, weil wir wissen, dass alles von Gott, der Quelle allen Lebens, kommt.
Weiter erklärt Paulus, dass wir Gutes tun sollen, reich sein in guten Werken, freigebig und mitteilsam sein. So sammeln wir uns eine gute Grundlage für die Zukunft, auf dass wir das wirkliche Leben ergreifen.
Wer das wirkliche Leben in irdischen Dingen sucht, hat es verpasst. Auch der Reiche in der Gemeinde muss diese innere Haltung haben, wie sie hier gezeigt wird.
In unserer Gesellschaft sind viele reich. So etwas hat es in der Weltgeschichte noch nie gegeben, dass ein so großer Teil der Bevölkerung so reich lebt wie früher Fürsten.
Mehr als 50 % der Haushalte in Zürich sind Einpersonenhaushalte. Das ist unglaublich. 170 Quadratmeter Wohnraum – das wäre doch toll für zehn bis zwölf Kinder. Aber viele leben allein und finden das ganz toll.
Das ist ein Problem für sich. Ich wollte nur sagen, dass viele heute wie Fürsten leben. Diejenigen mit Doppelverdiensten leben ebenfalls wie Fürsten.
Sie verdienen mehr als der Präsident von Israel, der nicht so viel verdient. Unglaublich, dieser Reichtum in unserer Gesellschaft.
Doch es wäre gut, wenn Gläubige wirklich die Gesinnung hätten, die in 1. Timotheus 6 gelehrt wird – auf der Grundlage, wie wir im Buch Prediger gesehen haben: Alles aus Gottes Hand nehmen.
So haben wir gesungen.
Weitere Hauptteile des Buches Prediger
Nun gehen wir weiter zum dritten Teil, Römer 3, Kapitel 3, Verse 1 bis 22, der das Thema Zeit und Ewigkeit behandelt.
Alles hat seine bestimmte Zeit, und jedes Vorhaben unter dem Himmel hat seine Zeit. Geboren werden hat seine Zeit, und sterben hat seine Zeit. Pflanzen hat seine Zeit, und das Gepflanzte Ausreißen hat seine Zeit. Töten hat seine Zeit, und Heilen hat seine Zeit. Abbrechen hat seine Zeit, und Bauen hat seine Zeit. Weinen hat seine Zeit, und Lachen hat seine Zeit. Klagen hat seine Zeit, und Tanzen hat seine Zeit. Steine werfen hat seine Zeit, und Steine sammeln hat seine Zeit. Umarmen hat seine Zeit, und sich vom Umarmen fernhalten hat seine Zeit. Suchen hat seine Zeit, und Verlieren hat seine Zeit. Aufbewahren hat seine Zeit, und Fortwerfen hat seine Zeit. Zerreißen hat seine Zeit, und Nähen hat seine Zeit. Schweigen hat seine Zeit, und Reden hat seine Zeit. Lieben hat seine Zeit, und Hassen hat seine Zeit. Krieg hat seine Zeit, und Frieden hat seine Zeit.
Salomo weiß um Gottes Souveränität in allen Ereignissen des Lebens. Es wird hier nicht erklärt, was nun positiv oder was negativ ist. Manchmal sind es Gegensätze, bei denen das eine gut und das andere schlecht ist. Manchmal sind beide Dinge gut, aber dennoch Gegensätze.
Wir haben den Zeitpunkt unserer Geburt nicht bestimmt. Das merken wir auch bei unseren Kindern. Einmal hat die Berechnung gestimmt, und das war auch nicht von uns abhängig, sondern einfach daraus, wie lange die Schwangerschaft dauert. Meistens liegt der Tag der Geburt jedoch irgendwo neben dem errechneten Termin des Gynäkologen.
Gott hat den Zeitpunkt unserer Geburt bestimmt, ebenso den Ort. Warum sind wir nicht irgendwo in der dritten Welt geboren worden? Wir haben überhaupt nichts dafür getan. Auch den Zeitpunkt unseres Sterbens haben wir nicht in der Hand. Man könnte sagen, der Mensch könnte doch etwas tun. Aber auch hier kann man nicht sagen, dass der Mensch tun kann, was er will. Letztlich liegt es in Gottes Souveränität, ob er das Töten zulässt oder nicht.
Ich habe das schon einmal erzählt: Der Evangelist Whitfield wurde in Irland fast vom Straßenpöbel ermordet. In einem Brief schrieb er: „Es ist unglaublich, wie unsterblich man ist, bis man seinen Dienst erfüllt hat.“ Wir wissen, dass Gott auch darin seine Hand hat, in allen einzelnen Dingen. Selbst wenn Kinder Steine sammeln und Steine werfen. So klein die Dinge in unserem Leben auch sind, sie sind alle in Gottes Hand.
Das bedeutet nicht, dass die Verantwortung des Menschen keine Bedeutung hat. Das werden wir noch später sehen. Aber hier wird die Souveränität Gottes vorgestellt, die letztlich über allem steht und auch über der menschlichen Entscheidungsfähigkeit. Der Mensch kann nicht machen, was er will. Wir haben auch nicht alle Möglichkeiten. Wären wir irgendwo in einer Mafiafamilie geboren worden, hätten wir ganz andere Möglichkeiten als jetzt. Aber das hängt nicht von uns ab.
Gott hat uns vor viel Sünde bewahrt, indem er uns in bestimmte Umstände hineingeführt hat, die wir gar nicht selbst bestimmen konnten. Auch das ist in der souveränen Hand Gottes. Diese einzelnen Ereignisse im Leben sind so kurz, es sind nur Zeitpunkte. Alles hat seine bestimmte Zeit.
Im Gegensatz dazu heißt es in Kapitel 3, Vers 11: „Alles hat er schön gemacht zu seiner Zeit. Auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt“, ohne dass der Mensch das Werk, welches Gott gewirkt hat, von Anfang bis Ende erfassen kann.
Gott hat dem Menschen ein inneres Wissen um die Ewigkeit ins Herz gelegt. Darum haben Kinder bereits eine Ahnung von der Existenz Gottes. So schlimm es in unserer Gesellschaft auch ist, wie manchmal Kleinkinderherzen schon ganz früh von den Eltern oder durch das Fernsehen zerstört werden.
Meine kleine Tochter in der zweiten Primarschulklasse erzählte, ihre Freundin habe gesagt: „Gott gibt es nicht, und das Leben macht mit einem, was es will.“ So spricht doch kein Zweitklässler, das hat sie von der Mutter, in anderen Fällen vom Vater. Nun, der Mensch hat dieses innere Wissen um die Ewigkeit. Darum macht er sich auch Gedanken über das Leben und über das, was nach dem Leben ist.
In den meisten Kulturen der Welt ist das Wissen um die Existenz eines Schöpfergottes vorhanden. Das ist eine ganz erstaunliche Entdeckung, sehr schön beschrieben im Buch von Don Richardson „Ewigkeit in ihren Herzen“, das genau auf diesen Vers anspielt.
Dieser Abschnitt lehrt uns, dass wir die zeitlichen Dinge, die so vergänglichen, kurzen Dinge im Licht der Ewigkeit anschauen müssen. Dann sehen wir, was wichtig und was unwichtig ist – erst dann.
Salomo schreibt in Vers 18: „Ich sprach in meinem Herzen: Wegen der Menschenkinder geschieht es, damit Gott sie prüfe und damit sie sehen, dass sie an und für sich Tiere sind. Denn was das Geschick der Menschenkinder und das Geschick der Tiere betrifft, so haben sie ein einheitliches Geschick. Wie diese sterben, so sterben jene. Und einen Odem haben sie alle, und da ist kein Vorzug des Menschen vor dem Tier, denn alles ist Eitelkeit. Alles geht an einen Ort, alles ist aus dem Staub geworden, und alles kehrt zum Staub zurück. Wer weiß von dem Odem der Menschenkinder, ob er aufwärts fährt, oder von dem Odem der Tiere, ob er niederwärts zur Erde hinabfährt?“
Das ist eine moderne, pessimistische Sicht, auch nach seiner Umkehr. Nein, so ist es nicht. Wir müssen genau schauen, was er da sagt.
Vers 18 am Schluss: „Damit sie sehen, dass sie an und für sich Tiere sind.“ Hebräisch ist das ein schönes Wortspiel. „An und für sich Tiere sind“ lässt sich nicht direkt ins Deutsche übersetzen. Es bedeutet, dass der Mensch, nur für sich betrachtet, ohne die Beziehung zu Gott und zur Ewigkeit, wie ein Vieh ist. Er steht auf wie die Kuh und geht schlafen wie die Kuh.
Es ist so, dass der Mensch tatsächlich vieles mit dem Tier teilt. Er hat auch einen Körper, vier Extremitäten wie viele Tiere, und er hat auch einen Odem zur Atmung, wie alle Lungenatmer in der Tierwelt. Und beide sterben.
Wenn ein Tier stirbt und ein Mensch stirbt, was ist der Unterschied? Wir sehen nicht, dass irgendwie etwas weitergeht. Es ist sehr typisch, dass jemand beim Sterben einen letzten Atemzug gibt. Was ist dieser Hauch? Und jetzt? Was ist? Beide gehen zum Staub zurück, das Tier wie der Mensch. Wer kann wissen, wie es weitergeht?
Das ist eine rhetorische Frage. Wer weiß es? Nein, es ist mehr als eine rhetorische Frage, sie will eine Antwort.
Der, der die heilige Schrift ernst nimmt, weiß es, und Salomo weiß es: Prediger 12,7: „Und der Staub kehrt zur Erde zurück, so wie er gewesen, und der Geist kehrt zu Gott zurück, der ihn gegeben hat.“
Das können wir nur durch göttliche Offenbarung in seinem Wort wissen, nicht aus der Beobachtung. Wer kann es wissen? Der, der auf Gottes Wort hört.
Recht und Unrecht
Wir kommen nun zu Teil vier: Recht und Unrecht, Kapitel 4, Verse 1 bis 5.
Salomo hat sich in der Weltgeschichte umgesehen. Er sieht, wie Menschen unterdrückt werden und wie sie weinen, ohne jemanden zu haben, der sie tröstet. In dieser Realität des Unrechts in der Welt sagt Salomo, dass es dennoch eine Möglichkeit gibt, in einem begrenzten Rahmen einigermaßen normal zu leben. Auch eine Regierung kann dann normal funktionieren, wenn sie sich an göttliche moralische Normen hält.
Dies wird sehr schön beschrieben in Prediger 5,1: "Bewahre deine Füße, wenn du zum Haus Gottes gehst, und nimm dich in Acht, um zu hören. Es ist besser, zuzuhören, als den Toren Schlachtopfer zu bringen, denn sie haben keine Erkenntnis und tun Böses. Sei nicht vorschnell mit deinem Mund, und dein Herz eile nicht, ein Wort vor Gott hervorzubringen. Denn Gott ist im Himmel und du bist auf der Erde. Darum seien deine Worte wenige."
Interessant ist dabei, wie die Weisheitsliteratur der Bibel – zu der Prediger, Sprüche, Hiob und andere Bücher gehören – dadurch gekennzeichnet ist, dass sie sehr wortkarg ist. Die deutsche Poesie möchte möglichst viele Worte machen, doch die Weisheitsliteratur ist ganz bewusst knapp gehalten.
Die Worte der Weisen sind wenige und klar überlegt, was ausgedrückt wird. So erklärt Salomo viele weitere Dinge, wie der Mensch leben soll. Wenn er sich daran hält, dann ist es auch in einer ungerechten Welt möglich, dass ein Zusammenleben mit schönen Seiten erfahrbar wird – wenn auch nur in einem beschränkten Rahmen.
Anfang und Ende
Und dann gehen wir weiter zu Teil fünf, Kapitel sechs, Verse eins bis vierzehn, Anfang und Ende.
Dort stellt Salomo verschiedene Dinge des Lebens einander gegenüber, gewissermaßen das Geborenwerden und das Sterben. Er sagt: Besser ist das Ende einer Sache als der Anfang.
Es gibt manche, die haben gut begonnen, aber schlecht geendet. Doch was ist all das noch wert, was vorher war? Es ist alles zertreten und zerstört.
Es gibt aber auch andere, die haben schlecht begonnen und sind, wie der Schächer am Kreuz, gut geendet. So ist das Ende besser als der Anfang.
Wir leben in einer Welt der Ungerechtigkeit und der Sünde. Deshalb ist es wichtig, im Vergleich von Anfang und Ende besonders auf das Ende zu achten, damit es wenigstens nach Gottes Willen geschieht.
Gerechte und Gesetzlose
Dann in Teil 6, 7,15–8,15 geht es um das Thema Gerechte und Gesetzlose. Salomo kommt hier zu der biblischen Grundwahrheit, dass alle Menschen Sünder sind. In Vers 20 heißt es: „Denn unter den Menschen ist kein Gerechter auf Erden, der Gutes tue und nicht sündige.“ Der Mensch ist also schlechthin ein Ungerechter.
Trotzdem gibt es Gerechte und Menschen, die wir als Gerechte bezeichnen. In Jerusalem werden manche Leute in Yad Vashem als Gerechte unter den Völkern tituliert. In 7,15 sagt der Weise: „Allerlei habe ich gesehen in den Tagen meiner Eitelkeit: Da ist ein Gerechter, der bei seiner Gerechtigkeit umkommt, und da ist ein Gesetzloser, der bei seiner Bosheit seine Tage verlängert.“
Weiter heißt es: „Sei nicht allzu gerecht und erweise dich nicht übermäßig, warum willst du dich verderben? Sei nicht allzu gesetzlos und sei nicht töricht, warum willst du sterben, ehe deine Zeit da ist? Es ist gut, dass du an diesem festhältst und auch von jenem deine Hand nicht abziehst, denn der Gottesfürchtige entgeht dem allen.“ Eigenartig ist also: Sei nicht allzu gerecht.
Ja, gut, wir sind alle grundsätzlich von Natur Sünder. Das ist die große Wahrheit aus Römer 3,23: „Alle haben gesündigt und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes.“ Nun wird der Gottesfürchtige eingeführt in Vers 18. Das ist der Sünder, der zu Gott zurückkehrt, seine Schuld bekennt und Gottes Vergebung in Anspruch nimmt.
Wenn wir erlöst sind, wenn wir Vergebung haben und uns so selbstgerecht aufführen wollen, dann ist das eine große Schlinge. Man kann auch – was die Pharisäer als Prinzip aufgestellt haben – gerechter sein wollen als Gott. Die Pharisäer haben die Gebote bewusst strenger ausgelegt, als sie dastehen, damit man ja sicher geht, dass man gerecht lebt.
Aber das Wort „hinausgehen“ bringt keinen Segen. Es bewahrt nämlich nicht vor der Sünde. Ganz erstaunlich: Der Herr Jesus hat sich nicht an solche Dinge gehalten, die darüber hinausgingen. Darum hat er in den Evangelien immer wieder solche übertriebenen Auslegungen abgelehnt, aber er hat genau getan, was die Schrift sagt.
Allein die Schrift haben die Reformatoren entdeckt, nur die Schrift, nicht etwas dazu und nichts davon weg. Den beiden Extremen der falschen Gerechtigkeit und der falschen Gesetzlosigkeit entgeht der Gottesfürchtige.
Göttliche Regierung und menschliche Verantwortung
Der siebte Teil, Kapitel 8, Verse 16 bis 19, handelt von göttlicher Regierung und menschlicher Verantwortung. Dieses Thema wurde bereits im Zusammenhang mit Zeit und Ewigkeit sowie Gottes Souveränität angesprochen. Hier wird gezeigt, dass der Mensch trotz Gottes Souveränität eine Verantwortung und einen Willen hat. Er kann innerhalb des von Gott gesetzten Rahmens Entscheidungen treffen und handeln. In diesem Abschnitt wird genau dieses Zusammenspiel behandelt.
Ich möchte aus Vers 17 vorlesen: „Da habe ich bezüglich des ganzen Werkes Gottes gesehen, dass der Mensch das Werk nicht zu erfassen vermag, welches unter der Sonne geschieht, indem der Mensch sich abmüht, es zu suchen, aber es nicht erfasst. Und selbst wenn der Weise meint, es zu erkennen, vermag er es doch nicht zu erfassen.“
Im 19. Jahrhundert entstand die Philosophie des Positivismus. Dieser hochmütige Ansatz vertrat die Auffassung, dass der Mensch letztlich mit seiner Wissenschaft alle Fragen und Rätsel lösen könne. Das war der Positivismus. Viele moderne Menschen dachten so.
Ich erinnere mich noch daran, wie Professor Wilder-Smith vor Jahrzehnten Vorträge hielt, die für viele junge Leute, insbesondere Gymnasiasten, ein großer Segen waren. In dieser Zeit wurden auch schwarze Löcher im Weltall entdeckt. Er erklärte anschaulich, dass man bisher annahm, der Mensch könne letztlich alles erklären und erforschen. Doch schwarze Löcher sind Stellen im Weltall, an denen Materie so stark konzentriert ist, dass selbst Lichtstrahlen eingesogen werden und nie wieder entkommen.
Der Materialismus hat sich damit selbst überholt, denn er musste erkennen, dass es Dinge gibt, aus denen niemals Informationen entweichen können. Man kann etwas in ein schwarzes Loch hineinwerfen, aber es kommt nicht mehr heraus.
Hier wird sehr schön gesagt: Selbst wenn der Mensch meint, Gottes Werk erfasst zu haben, vermag er es doch nicht vollständig zu erfassen. Das ist schlicht und klar.
Vermögen und Unvermögen
Die Abschnitte 8, 9 und 11 bis 11,8 behandeln das Thema Vermögen und Unvermögen. Dabei ist „Vermögen“ nicht im Sinne von Reichtum gemeint, sondern das, was ein Mensch tun kann und was ihm einfach nicht möglich ist. Es geht also um die Frage, was uns möglich ist und was uns unmöglich ist.
In diesen Abschnitten wird diese Thematik ausführlich besprochen. Es werden konkrete Beispiele genannt, wie etwa: Wenn wir etwas unternehmen, setzen wir uns ständig Gefahren aus. Viele sind heute mit dem Auto gekommen, was sehr gefährlich sein kann. Schon ein bisschen Nebel kann ausreichen, damit sechzig Autos ineinander fahren.
In 11,8 heißt es: „Wer eine Grube gräbt, kann hineinfallen.“ Das macht deutlich, dass es gefährlich ist. Man könnte auch lieber zu Hause auf dem Sofa bleiben, dort ist es weniger gefährlich. Wer eine Mauer einreißt, kann von einer Schlange gebissen werden. Wer Steine bricht, kann sich verletzen. Und wer Holz spaltet, kann sich ebenfalls gefährden.
Ich halte daher kein Holz. Ihr habt das vielleicht schon erlebt, zum Beispiel in einem Lager, wo sich jemand die Wade beim Holzschlagen aufgerissen hat. Er musste lernen, die Beine zu spreizen, damit das Beil zwischendurch durchgeht. Trotzdem bleibt Holz spalten gefährlich. Manche können es besser als ich, aber es bleibt eine riskante Tätigkeit.
Weiter heißt es: Wenn das Eisen stumpf geworden ist und die Schneide nicht geschliffen wurde, muss man sich mehr anstrengen. Man könnte sagen, ich schleife das Messer nicht, weil es gefährlich ist. So kann man argumentieren, dass man gewisse technologische Fortschritte nicht unbedingt nutzen muss, weil sie auch Gefahren mit sich bringen.
Dennoch zeigt uns dieser Abschnitt, dass der Mensch Möglichkeiten hat und diese auch nutzen darf. Diese Möglichkeiten kommen aus der Hand des Schöpfers. Gott gibt uns einen Freiraum, auch in der Entwicklung. Das Kapitel zeigt, dass wir prinzipiell nicht fortschrittsfeindlich sein dürfen. Gleichzeitig tragen wir Verantwortung, und über allem steht Gott.
Der neunte Abschnitt behandelt Jugend und Alter. Günthi, hast du noch ein paar Minuten? Also sieben Minuten.
Jugend und Alter
Prediger 11,9: Freue dich, Jüngling, in deiner Jugend, und dein Herz mache dich fröhlich in den Tagen deiner Jugendzeit. Wandle in den Wegen deines Herzens und im Anschauen deiner Augen!
Es ist so schön, jung zu sein. Früher habe ich ein Lied gesungen: "Es ist schön, jung zu sein." Aber es ist noch schöner, gerettet zu sein. Es ist wunderschön, jung und errettet zu sein. Als junger Mensch hat man noch viel mehr Möglichkeiten als ein alter Mensch.
Salomo sagt: Freue dich, denn es ist ein Geschenk, jung sein zu dürfen. Doch er fügt hinzu: Wisse, dass Gott dich für alles ins Gericht bringen wird. Das heißt nicht, dass du einfach nur Freude daran hast, jung zu sein, und dann machen kannst, was du willst. Sobald du sündigst, wird Gott dich zur Rechenschaft ziehen.
In Vers 10 heißt es: Entferne den Unmut aus deinem Herzen und tue das Übel von deinem Leibe. Das ist die Antwort für die Achtundsechziger. Sie sagten: Wir müssen protestieren. Das war letztlich Groll und Unmut gegen Gott und seine Gebote. Aber Salomo sagt: Entferne den Groll aus deinem Herzen.
Die Achtundsechziger forderten: Lebe deine Sexualität schrankenlos aus! Salomo entgegnet: Tue das Übel von deinem Körper weg! Eindrücklich! Vor dreitausend Jahren hat er schon die Antwort für die Achtundsechziger gegeben.
Denn die Jugend und das Mannesalter sind Eitelkeit. Gedenke deines Schöpfers in den Tagen deiner Jugendzeit, ehe die Tage des Übels kommen und die Jahre, von denen du sagen wirst: Ich habe kein Gefallen an ihnen.
Wichtig ist, die Jugend als eine Zeit zu erleben, in der wir uns klar auf Gott und sein Wort ausrichten. Warum? Weil der Mensch später in eine Zeit kommt, die viel schwieriger ist als die Jugendzeit.
Weiter heißt es in Vers 2: Ehe sich verfinstern die Sonne und das Licht und der Mond und die Sterne, und die Wolken nach dem Regen wiederkehren. Die Verfinsterung des himmlischen Lichts steht für die Abnahme der Aufnahmefähigkeit des Wortes Gottes.
Kürzlich sah ich eine aktuelle Statistik, die zeigt, dass sich die meisten Menschen als Jugendliche bekehren. Es ist ein Wunder, wenn ein Jugendlicher sich bekehrt. Noch größer ist das Wunder, wenn sich jemand nach dem 25. Lebensjahr bekehrt. Es gibt tatsächlich Menschen, die sich nach 70 bekehren. Das ist ein ganz großes Wunder. Doch Gott ist ein Gott, der Wunder tut.
Deshalb musst du in der Jugend an deinen Schöpfer denken, bevor die Zeit kommt, in der das göttliche Licht durch Wolken verdeckt wird.
Dann wird erklärt, bevor die Hüter des Hauses zittern – das sind die Hände, die zu zittern beginnen, aber mit den Händen können wir uns erschüttern. Es sind die Hüter des Hauses.
Weiter heißt es: Die starken Männer krümmen sich – das sind die Beine, die krumm werden. Die Oberschenkel gehören zu den stärksten Muskeln unseres Körpers.
Dann: Die Müllerinnen feiern, weil sie wenige sind – das bedeutet das reduzierte Gebiss, das den Dienst des Mahlens versagt. Die durch die Fenster Sehenden verdunkeln sich – die Sehfähigkeit nimmt ab.
Es wird von der sich schließenden Tür und dem dumpfen Geräusch der Mühle gesprochen – das steht für die Abnahme der Hörfähigkeit.
Der alte Mensch steht auf vor dem Gesang des Vogels, doch die Töchter seines Gesangs werden gedämpft – das ist die Abnahme der Stimmbänderfunktionen. Der Alte hat Ehrfurcht vor dem schönen Gesang der Pirole und der Amseln.
Fünf: Angst vor der Höhe und den Gefahren auf dem Weg – das ist die Abnahme der Unternehmungsfreude.
Salomo argumentiert immer wieder: Gedenke deines Schöpfers, ehe all diese Dinge kommen.
Du musst nicht warten, bis es so weit ist. Dann steht so schön der Mandelbaum in Blüte – mit seinen weißen Blüten kündigt er als Erster das neue Leben des Frühlings an.
Die Heuschrecke schleppt sich dahin, der alte Mensch geht mühsam am Stock. Die Kaper ist wirkungslos, selbst wunderbare Zusätze im Essen helfen nicht gegen die vergangene Essfreude.
Glücklicherweise hat Migros hier eingesprungen und spezielle Rezepte für das dritte Alter hergestellt, damit man sich täglich richtig kochen kann. Es darf nicht sein, dass man einfach nur noch kleine Restchen isst.
Prediger 12,6: Ehe die silberne Schnur zerrissen wird – das ist die Wirbelsäule, die uns den wunderbaren aufrechten Gang ermöglicht. Ehe die goldene Schale zerschlagen wird – das ist der Schädel mit dem Inhalt, den wir so besonders schätzen: unsere grauen Gehirnzellen.
Der Eimer am Quell – das ist das Flüssigkeitsgefäß, die Blutgefäße – bevor der Eimer am Quell zerstört wird und die Schöpfwelle einer Zisterne kaputtgeht – das ist das Herz, das den Eimer am Quell hochholt. Ja, das ist der Motor.
Dann geht der Mensch zum Staub zurück, wie er gewesen ist.
Salomo erklärt jedoch, dass dies nicht das Ende ist. Dieses Bibelbuch geht über den Horizont des Lebens hinaus und endet mit dem Vers: Denn Gott wird jedes Werk, sei es gut oder böse, im Gericht über alles Verborgene bringen.
Das Leben in Gemeinschaft mit Gott zu leben, nach seinem Wort und in Ehrfurcht vor Gott, bewahrt uns vor dem Übel in dieser Welt.
Schön zeigt uns der Prediger, wie wir moderne Menschen gottgemäß leben können.
Zum Schluss ein Gebet: Herr Jesus Christus, wir danken Dir, dass Du uns Dein Wort gegeben hast. Es ist eine so große Vielfalt in Deinem Wort zu finden. Jedes Bibelbuch hat seine eigene Schönheit und Herrlichkeit, die uns den Weg durch diese Welt weist.
Danke, dass Du uns auch dieses Buch gegeben hast, das uns zeigt, wie wir als Menschen in dieser Welt gottgemäß leben können – besonders in der modernen Zeit.
Hilf uns, diese Lektionen wirklich auf unser Leben zu übertragen, damit Dein Name verherrlicht wird. Lass uns Menschen sein, die nicht irgendwo abgehoben in Sphären leben, sondern hier auf dieser Erde, in Gemeinschaft mit Dir, dem Sohn Gottes, der in der Herrlichkeit ist. Amen.