Einleitung: Das Reformationsjubiläum und die wahre Bedeutung Luthers
Dieses Jahr 2017 steht im Zeichen des großen Reformationsjubiläums. Dank der evangelischen Kirche in Deutschland weiß mittlerweile wahrscheinlich jeder in unserem Land, wer diese Reformation ins Rollen gebracht hat.
Auf der Internetseite, die zum Reformationsjubiläum gestaltet wurde, kann man Luther als Playmobilmännchen kaufen. Man kann Luther als Räuchermännchen erwerben, Luther auf T-Shirts finden und sogar Luther als Quietscheentchen für die Badewanne des armen Mannes. Am besten sind die Luther-Socken, bedruckt mit dem Spruch „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“ – alles ist zu kaufen.
Wenn es um die Frage geht, was Martin Luther eigentlich bewirkt hat, wird es leider deutlich dünner. Es gibt das Magazin der Evangelischen Landeskirche, das heißt Chrismon. Dieses Magazin hat Reformationsbotschafter zu Wort kommen lassen – bekannte Menschen aus der Gesellschaft, die gesagt haben, was ihnen die Reformation und Martin Luther bedeuten.
Da sagt eine TV-Moderatorin: „Immer auf der Suche sein nach dem, was besser ist, das ist für mich Martin Luther.“ Eine Nachrichtensprecherin schreibt: „Reformation ist der Aufruf zu Engagement und konkretem Handeln.“ Und ein Fußballtrainer sagt schließlich: „Ich mag Luther, weil er sich für die Unterprivilegierten und Ausgeschlossenen eingesetzt hat.“
Luther als Sozialreformer, als einer, der die Welt ein Stückchen besser gemacht hat – das hört man so oft, wenn wir auf die Reformation zurückschauen. Doch Luther ging es nicht darum, eine bessere Welt zu kreieren oder sich für eine bessere Welt einzusetzen.
Nein, dieser Mann hat gekämpft mit der Frage, die so tief geht: Wie kann ich gerecht werden vor Gott? Wie kriege ich einen gerechten Gott? Wie kann ich bestehen? Wie kann Gott mich annehmen, mich sündigen Menschen?
Die Suche nach Gerechtigkeit vor Gott und die Erkenntnis der Gnade
Und die Kirche seiner Zeit hatte keine Antwort für ihn. Die Kirche seiner Zeit sagte: Du kannst machen und tun, was du willst, aber nach deinem Tod erwartet dich das Fegefeuer. „Jeden erwartet das Fegefeuer“, hat sie ihm gesagt. Keine Antwort, kein Frieden fürs Herz, nichts, was die Kirche ihm geben konnte.
Dann lernte Luther diesen gnädigen Gott kennen, von dem wir schon gehört haben. Er las die Bibel, studierte sie und erkannte: Gott ist gar nicht so, wie die Kirche es ihm gesagt hatte. Gott ist gnädig, er ist liebevoll.
Wir wollen uns in dieser Serie in den nächsten Wochen damit beschäftigen, wie dieser Gott der Welt uns gnädig und liebevoll begegnen kann. Wie kann das sein? Wir wollen neu und staunend darüber nachdenken, was Gott getan hat. Deshalb schauen wir auf die Grundwahrheiten der Reformation. Dabei werden wir sehen: Es ist viel mehr als ein Weltverbesserungsprogramm. Es geht wirklich um Fragen der Ewigkeit, um unser ganz persönliches Heil.
Der Titel der heutigen Predigt lautet Sola gratia – allein aus Gnade. Ich möchte mit euch einen Text aus Epheser 2 lesen. Wir finden ihn auf Seite 221. Ich lese euch einfach mal die ersten drei Verse dieses Textes vor.
In den Versen vor diesem Abschnitt spricht Paulus davon, wie Jesus Christus, der Sohn Gottes, tot war, wie Gott ihn auferweckt hat zu neuem Leben, wie er ihn im Himmel erhöht und auf einen Thron gesetzt hat. Direkt im Anschluss sagt Paulus jetzt Folgendes – die ersten drei Verse:
Die Realität unserer geistlichen Situation vor Gott
Auch ihr wart tot durch eure Übertretungen und Sünden, in denen ihr früher gelebt habt, nach der Art dieser Welt. Ihr standet unter dem Mächtigen, der in der Luft herrscht, nämlich dem Geist, der zu dieser Zeit am Werk ist in den Kindern des Ungehorsams.
Unter ihnen haben auch wir alle einst unser Leben geführt, in den Begierden unseres Fleisches. Wir taten den Willen des Fleisches und der Sinne und waren von Natur aus Kinder des Zorns, wie auch die anderen.
Manche von euch kennen bestimmt den Film Matrix. Geht zu meinem Mann, der in einer Welt lebt, die äußerlich in Ordnung scheint. Doch eines Tages werden ihm die Augen geöffnet. Da zeigen ihm Leute: Die Welt, in der du lebst, ist nicht so, wie du denkst. Es ist eine Scheinwelt. Und was hinter dieser Welt steht, sind Maschinen, die dich unterdrücken, aussaugen und ausbeuten. Das musste ihm jemand von außen zeigen.
Und das, was Paulus hier schreibt, ist ganz ähnlich. Was er beschreibt, ist unsere Welt, wie sie eigentlich ist und wie wir sie von Natur aus nicht erkennen.
Geh auf die Straße, geh auf den Marienplatz und sag den Leuten: Ihr seid tot, tot in euren Sünden und Übertretungen. Ihr seid Sklaven der Sünde! Die vom Evangelisationsteam, die dort hingehen, werden das bestätigen können. Da lachen manche, da lachen viele und sagen: Was sagst du mir? Ich bin tot? Was sagst du mir? Ich bin ein Sklave? Schau mich doch an, ich lebe! Und ich kann machen und tun, was ich will. Ich bin kein Sklave, ich bin mein eigener Herr.
Wir sind blind. Das ist die Wahrheit, die uns Paulus hier sagt. Wir alle, auch wir Christen – er schreibt diesen Text ja an Christen – wir alle waren blind und tot. Tot in unseren Sünden, tot in unseren Übertretungen. Unsere geistlichen Organe waren tot. Wir konnten nicht mehr Gottes Stimme hören, wir konnten nicht mehr den richtigen Weg sehen.
Zu einem Tauben kannst du noch so lange schreien: Lauf nicht in die Richtung, da wirst du sterben! Er fragt dich nur: Was hast du gesagt? Er hört dich nicht.
Zum Blinden kannst du noch so lange zeigen: Da ist der Abgrund, er geht weiter! Er sieht nicht die Gefahr, in der er steht, er ist blind.
So waren wir blind und taub und tot für das, was eigentlich in dieser Welt passiert.
Doch Gott hat uns durch sein Wort die Augen und Ohren geöffnet.
Die harte Wahrheit über unsere Schuld und Abhängigkeit
Und was wir hier in diesen drei Versen hören, ist ziemlich hart. Es ist zunächst schmerzhaft, denn es ist die Wahrheit über uns und unser Leben. Paulus sagt: So waren auch wir. Und er nennt uns drei schmerzhafte Wahrheiten.
Zunächst sagt er, dass wir allein schuld daran waren, dass wir tot waren. Er schreibt: Ihr wart tot durch eure Übertretungen und Sünden (Vers 1). Es waren eure Übertretungen und Sünden allein. Da gibt es niemanden, dem du den Schwarzen Peter zuschieben kannst, niemandem, dem du sagen kannst: „Der war es“, so wie es im Paradies geschah, als man sich gegenseitig die Schuld zuschob. Das kannst du nicht tun. Es gibt keine Entschuldigung, niemanden, den wir zur Verantwortung ziehen können.
Er sagt: Ihr wart tot in euren Übertretungen. Das heißt, ihr habt nicht Gottes Willen getan, sondern seid euren eigenen Weg gegangen. Ihr habt Grenzen übertreten und seid immer wieder über die Stränge geschlagen. Ihr wart tot in euren Sünden, weil ihr nicht in eurer Bestimmung gelebt habt. Ihr habt euch nicht als Geschöpf Gottes untergeordnet, sondern gesagt: Wir wollen selbst Herren sein. So waren wir alle – wir wollten selbst Herren sein.
Dann zeigt Paulus uns die zweite schmerzhafte Wahrheit. Er sagt: Ihr wolltet selbst Herren sein. Wir alle wollten das. Aber wir können nicht selbst Herren sein. Ihr wollt gerne Herren sein, aber als ihr Herren werden wolltet, als ihr werden wolltet wie Gott, da wurdet ihr Sklaven eines anderen Herren (Vers 2). Ihr wurdet Sklaven, denn ihr lebtet unter dem Mächtigen, der in der Luft herrscht, nämlich dem Geist, der zu dieser Zeit am Werk ist in den Kindern des Ungehorsams.
Der große Reformator Martin Luther hat das einmal so gesagt: Der Mensch ist wie ein Pferd. Entweder reitet Gott ihn oder der Teufel. Es gibt keine neutrale Zwischenposition. Wir sind immer Sklaven eines Herrn und gehorchen immer einem Herrn. Es geht nicht anders.
Das ist heute keine populäre Ansicht. Viele sagen: Es gibt doch so viele gute Menschen auf der Welt, die gute Taten tun. Was ist mit denen? Die sind doch nicht alle vom Teufel geritten. Und ja, es gibt Nichtchristen, Atheisten, Nichtgläubige, die gute Taten tun. Wir dürfen Gott dankbar sein, dass diese Welt nicht so schlimm ist, wie sie sein könnte. Das ist allein Gottes Gnade.
Aber täuschen wir uns nicht: Im Licht von Gottes Wort sind selbst die besten Taten, die Menschen tun, keine guten Werke, so wie Gott sie versteht. Gute Werke, wie sie die Heilige Schrift beschreibt, sind allein Werke zur Ehre Gottes. Selbst der beste Arzt ohne Grenzen, der nach Afrika geht – wenn er es nicht für Gott tut –, begeht in diesem Werk Sünde. Denn dieses Werk verfehlt sein Ziel, nämlich Gott zu ehren, den Schöpfer, der uns alles gegeben hat.
Deshalb können selbst die besten Werke uns nicht retten, uns nicht wieder gerecht machen und uns nicht vor Gott lebendig machen. Einen niedrigeren Standard kennt die Heilige Schrift nicht. Deshalb hat Luther Recht, wenn er sagt: Du wirst geritten, entweder von Gott oder vom Teufel.
Paulus zeigt noch eine dritte schmerzhafte Wahrheit. Er sagt, dieser Tod, den ihr verdient hattet und den ihr tatsächlich erfahren habt, war Gottes gerechte Strafe für euch, Gottes gerechter Zorn. In Vers 3 lesen wir: Wir waren Kinder des Zorns. Das bedeutet, wir hatten das verdient.
Dieser gerechte Zorn zeigte sich bereits in unserem Leben. Das beschreiben diese Verse. Er zeigte sich zunächst darin, dass Gott das zugelassen hat. Er hat uns hineingegeben in diese Abhängigkeit vom Teufel, in diese Abhängigkeit, die Werke des Teufels zu tun. Als Kinder des Zorns hat er zugelassen, dass diese Welt fällt und ein Stück weit seine Gnade auch verliert.
Wir erkennen das doch schon: Dieses Stück Hölle auf Erden, wenn wir uns nur umschauen. Wir sehen, was passiert, wenn wir vermeintlich selbstbestimmt leben wollen und dabei Ehen und Familien kaputtmachen. Wir sehen es, wenn unsere Begierden übergroß werden. Dann haben wir plötzlich nicht einfach nur noch Lust auf Alkohol, sondern es geht nicht mehr ohne. Dann kommt die Sucht, sie packt uns, und wir kommen nicht mehr los. Scheinbar waren wir frei – doch dann merken wir, dass wir es nicht mehr sind. Wir sind Sklaven der Dinge dieser Welt geworden.
Oder wenn die Bosheit der Menschen in Krieg und Terror endet, so wie wir es heute oft erleben. Aber das ist die Botschaft: Das Schlechte, was wir hier auf Erden erleben, ist nicht das Schlechteste, das Schlimmste, was wir erleben können.
Nein, es wird der Tag kommen, an dem Gott wirklich alles Gute, seine ganze Gnade, wegnimmt. Dann wird nur noch der Zorn diejenigen treffen, die ohne Gott leben. Sein ganzer gerechter Zorn trifft diejenigen, die ohne ihn leben. Weil Gott gerecht ist und nicht zulässt, dass wir uns ungerecht gegen seinen Willen erheben.
Wir waren so weit weg von Gott, dass uns keine Medizin helfen konnte. Wir waren nicht einfach krank, wir waren tot. Paulus sagt uns: Wir waren nicht einfach auf dem falschen Weg unterwegs. Die richtige Straßenkarte hätte uns schon wieder auf den richtigen Weg gebracht. Nein, wir waren tot und wären nicht zurückgekommen. Ohne Jesus Christus wären wir immer noch tot.
Viele von uns kennen die Verzweiflung, die dich packt, wenn ein geliebter Mensch stirbt. Du willst alles tun, um ihn zurückzubekommen, aber es geht nicht. Er ist weg. Du kannst ihn nicht zurückholen, so sehr du es auch willst und flehst und bettelst. Er ist weg, für immer ist die Verbindung abgerissen.
So waren wir. Wir waren die Toten.
Vielleicht denkst du: Das weiß ich doch schon alles, diese Wahrheit ist mir altbekannt. Aber glaubst du es auch? Glaubst du, dass du vor Gott so warst, dass du tot warst, ganz tot, so weit von Gott entfernt, wie man nur sein kann?
Wenn du das wirklich glaubst, dann sollte dich das, was jetzt kommt, immer wieder neu zu Freudenrufen bringen. Du sollst begeistert sein von dem, was Gott für dich getan hat.
Die Wende: Gottes Gnade macht lebendig
Paulus beschreibt hier eine grundlegende Wahrheit: Er sagt, ihr wart tot. In den Versen 4 bis 7 heißt es weiter:
"Aber Gott, der reich ist an Barmherzigkeit, hat in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, auch uns, die wir tot waren in den Sünden, mit Christus lebendig gemacht. Aus Gnade seid ihr selig geworden. Er hat uns mit auferweckt und mit eingesetzt im Himmel in Christus Jesus, damit er in den kommenden Zeiten den überschwänglichen Reichtum seiner Gnade durch seine Güte gegen uns in Christus Jesus erzeige."
Die Worte "Aber Gott" gehören zu den wunderbarsten der ganzen Bibel. Ihr wart tot – aber Gott hat euch mit Jesus Christus lebendig gemacht. Das ist ein helles Licht in unserer aussichtslosen Situation, in der totalen Hoffnungslosigkeit. Gottes Licht scheint hinein.
Paulus erinnert die Christen in Ephesus und uns an die große Wende in unserem Leben: Ihr wart ganz und gar verloren, ihr wart tot, aber Gott hat euch mit Christus lebendig gemacht. Wenn wir dann lesen, warum Gott das getan hat, können wir nur dankbar und voller Freude darüber sein. Gleichzeitig müssen wir demütig werden, denn wie Paulus es beschreibt, hat das nichts mit unseren Werken zu tun – gar nichts mit dem, was wir getan haben. Es hat alles mit Gott zu tun.
Warum hat er es getan? Paulus sagt: allein aus seiner großen Liebe. Allein aus seiner großen Barmherzigkeit hat er euch seine Gnade geschenkt. Er hat es getan, weil er so voller Liebe für euch ist. Nicht abstrakt, nicht als ein Gott der Liebe, fern von uns, sondern er kommt zu euch, er liebt euch, er liebt uns, er erbarmt sich über uns. Es ist barmherzig – eure Not lässt ihn nicht kalt. Er nimmt sich eurer Situation an.
Das ist wie ein Vater, der seinem Kind sagt: "Geh nicht auf das dünne Eis, du wirst einbrechen." Und das Kind geht trotzdem aufs Eis hinaus. Es passiert, was passieren muss: Das Kind bricht ein und kämpft den Todeskampf im Eiswasser. Steht der Vater daneben und lacht? Nein! Der Vater erbarmt sich, springt ins kalte Wasser, geht zu seinem Kind und rettet es – das dumme Kind, das nicht auf die Stimme des Vaters gehört hat. Er holt es heraus aus dem Eiswasser.
Wir sollten niemals von Gott denken, wie es die Welt oft behauptet: als einen rachsüchtigen Gott, der Freude daran hat, die Menschen zu richten und zu knechten. Nein! Gott ist ein Gott der Liebe und Barmherzigkeit. Er kümmert sich um unsere Not und will uns nicht in ihr lassen. Er hat uns herausgezogen.
Kann man noch über diese Liebe und Barmherzigkeit Gottes staunen? Oder ist sie für dich längst etwas Gewöhnliches geworden, etwas, das wir kennen, oft besingen und als selbstverständlich ansehen? Viele von uns denken bewusst oder unbewusst wie Voltaire, der große Spötter der französischen Revolution, der sagte: "Vergebung ist Gottes Geschäft, sein Job, seine Aufgabe. Er kann ja gar nicht anders." Aber wie anders könnte Gott handeln?
Wir haben gelesen: Er hätte uns richten können. Er hätte uns im Tod lassen können, so wie wir es verdient hätten. Wir hätten ihm nichts entgegenbringen können, nichts sagen können – gar nichts. Doch dieser Gott ist so anders. Er könnte anders, aber er handelt genau so mit uns.
Gnade ist immer unverdient. Zu Napoleon, dem Militärkaiser, kam einmal eine Frau, deren Sohn zum Tod verurteilt worden war. Sie bat Napoleon eindringlich: "Herr, lass meinen Sohn frei." Napoleon antwortete: "Madame, warum? Der Mann hat keine Gnade verdient." Die Mutter entgegnete: "Mein Herr, wenn er Ihre Gnade verdient hätte, dann wäre sie keine Gnade." Gnade ist immer unverdient. Du kannst sie dir nicht erarbeiten, du hast nichts in der Hand, keinen Anspruch. Gott muss gnädig sein, sonst hast du keine Chance. Und er muss nicht gnädig sein. Er könnte uns in unserem Gericht lassen, aber er holt uns heraus aus Liebe und Barmherzigkeit.
Daher können wir nur mit Micha beten, wie wir es vorher schon gehört haben: "Wo ist ein Gott wie du, der die Sünde nicht straft, so wie es richtig wäre, sondern der sich erbarmt, barmherzig ist, Gnade zeigt, selbst die Schuld getragen und bezahlt hat am Kreuz?"
Jesus hat das getan, was wir nicht tun konnten. Er hat uns herausgeholt aus dem Tod. Er selbst war tot, so wie Paulus es vorher schreibt, doch ohne Schuld. Und er tut das, was wir nicht tun konnten.
Die neue Wirklichkeit in Christus: Auferstehung und himmlische Gemeinschaft
Und dann sagt Paulus diese atemberaubende Wahrheit: So wie Gott Jesus Christus von den Toten auferweckt hat, so hat er es auch mit uns gemacht, die wir zu Jesus Christus gehören. Er hat auch uns auferweckt und mit eingesetzt im Himmel.
Wann passiert das? Wann setzt er uns mit ein im Himmel? In diesen Versen lesen wir, dass es schon passiert ist: Ihr seid mit Christus lebendig geworden, ihr seid mit eingesetzt im Himmel, ihr seid auferweckt!
Die Auswirkung der Gnade ist phänomenal. Wir sind nicht länger tot, wir leben. Und mehr als das: Wir sind nicht mehr in unseren Übertretungen und Sünden gefangen, sondern frei, mit Gott zu leben – zum allerersten Mal frei durch Jesus Christus. Wir sind nicht einfach verändert oder verbessert, wir sind völlig neu.
Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. Ein neuer Mensch, der mit Gott leben kann. Dann sagt er uns diese wunderbare Wahrheit: Ihr seid mit eingesetzt im Himmel.
Paulus sagt an anderer Stelle: Euer Bürgerrecht ist im Himmel. Ihr seid nicht mehr Bürger dieser Welt, dieser verlorenen, dieser gefallenen Welt. Euer Bürgerrecht ist im Himmel, mit eingesetzt.
Und er sagt uns auch in Vers 7: Das wird voll sichtbar werden. Jesus kommt wieder, und es heißt hier, damit in den kommenden Zeiten Gott den überschwänglichen Reichtum seiner Gnade durch seine Güte gegen uns in Christus Jesus erzeige.
Es mag dir manchmal noch ganz fern sein, und du magst dich fragen: Hat sich denn wirklich so viel verändert? Bin ich wirklich vom Tod zum Leben gekommen? Hier steht es schwarz auf weiß: Du bist ein Bürger des Himmels. Gott wird kommen, Jesus wird kommen und er holt dich heim zum Vater, holt dich heim aus dieser gefallenen Welt.
Die Gnade als Geschenk und der Weg zur Gerechtigkeit vor Gott
Wie bekomme ich diese Gnade? Wie werde ich gerecht vor Gott? Die Antwort des Evangeliums lautet: Nur Gott kann sie dir schenken. Schon in Vers 5 haben wir gesehen: Aus Gnade seid ihr selig geworden – unverdient und geschenkt.
Jetzt macht Paulus uns in den Versen 8 und 9 noch einmal ganz deutlich, damit daran kein Zweifel besteht: Wie werde ich gerecht vor Gott? Was ist passiert, als wir zum Glauben an Jesus Christus kamen? Er sagt: Denn aus Gnade seid ihr selig geworden durch den Glauben, und das nicht aus euch.
„Nicht aus euch“, sagt er. Aus Gnade, Gottes Gabe ist es, nicht aus Werken, damit sich niemand rühme. Diese Verse lassen keinen Zweifel, oder? Kein Zweifel daran, wie wir gerecht geworden sind vor Gott. Alles in diesem neuen Leben ist ein Geschenk.
Gott rettet dich nicht, weil du dich dazu entschieden hast, sondern weil er dich gerufen hat – einen Toten zum Leben gerufen. Vielleicht glaubst du bewusst oder unbewusst, dass Gottes Rettung doch in deiner Hand liegt, nicht an seiner Gunst und Gnade, sondern in deiner Hand. Doch das ist eine Lüge.
Der Geist der Welt will uns das einreden. Er sagt dir: Du kannst alles schaffen. Du kannst sogar versöhnt werden mit Gott. Du kannst das selbst erreichen. Man muss sich im Leben eben richtig entscheiden, das Richtige tun, und dann klappt das schon mit Gottes Gnade.
Nein, die Antwort ist ganz anders: Gott handelt, Gott schenkt. Gottes Geist sagt uns durch diese Zeilen: Da ist nichts in dir, was du getan hast, was zu diesem neuen Leben beigetragen hat. Es ist eine Gabe, ein unverdientes Geschenk.
Erkennst du, was das bedeutet? Vielleicht bist du in einem christlichen Elternhaus groß geworden, und der Glaube hat immer zur Tradition dazugehört. Man ist in die Kirche gegangen und dachte, das wird schon genügen, um mit dem Herrn versöhnt zu sein.
Aber wenn du denkst, es ist einfach die Tradition, es ist einfach dieses „zur Kirche dazugehören“, was dich selig macht, dann bist du eigentlich noch tot. Vielleicht denkst du auch, mein Christsein ist ein Versuch, Gott friedlich zu stimmen und gnädig zu machen. Das, was ich tue und leiste – ich muss mich anstrengen, damit er mich annimmt.
Wenn du das denkst, bist du noch tot. Vielleicht denkst du, hier im Gottesdienst zu erscheinen, Lieder zu singen, zu beten und in dieser Gemeinschaft zu leben, das ist es, was dich selig macht. Doch wenn du so denkst, bist du noch tot.
Denn nichts davon kann dich retten. Nichts, was wir tun, kann uns retten. Allein Christus kann uns retten. Aber wie wunderbar ist diese Botschaft, wenn wir erkennen, dass dieser Gott handeln will!
Wir können es nicht durch unsere Werke tun, aber Gott kann es durch seine Werke tun, und er will es tun. Dieser barmherzige und liebevolle Gott hat die Christen in Ephesus gerufen und so viele von uns vom Tod zum Leben berufen.
Wenn du seinen Ruf heute zum ersten Mal hörst, dann antworte im Glauben und sage: Ja, Herr, ich erkenne, auch ich kann es nicht aus meinen Werken tun. Auch ich kann selbst nicht gerecht werden vor dir, aber ich will dieses Geschenk annehmen, diese Gabe, die du mir schenkst – Jesus Christus –, damit ich lebendig werde.
Das kannst du nur annehmen. Es ist ein Geschenk, sogar der Glaube ist ein Geschenk, damit du es annehmen kannst. Gott öffnet dir das Herz, Gott steht vor der Tür und ruft.
Wenn du das erkennst, dann kannst du Gott nur loben. Dann kannst du ihm nur danken. Paulus sagt: „Damit sich niemand rühme.“ Die Menschen ohne Gott rühmen sich ständig selbst und sagen immer wieder, was für tolle Menschen sie sind, Herren dieser Welt.
Aber der Mensch, der Gott kennt, den Gott zum Leben gerufen hat, der rühmt Gott und dankt ihm für das, was er getan hat. Nicht aus Werken, damit sich niemand rühme, sondern Gottes Gabe ist es. Gott allein gebührt unser Lob und Dank für unsere Rettung.
Die Folgen der Gnade: Sicherheit, Auftrag und neues Leben
Was bedeutet dieses Geschenk, das Gott uns gibt, für uns? Was bedeutet es konkret?
Zunächst schenkt es uns eine unfassbare Sicherheit. Martin Luther, von dem ich am Anfang sprach, hat intensiv mit Gott gerungen. Er fürchtete das Gottesgericht und hatte Angst vor einem zornigen Gott. An einer Stelle sagt er, er habe diesen Gott sogar zu hassen begonnen, weil er dachte, es reiche nicht aus, was er tat. Er war Mönch und lebte fromm, doch es reichte einfach nicht. Er spürte, dass er das Gottesgericht immer noch verdient hatte.
Diese Sicherheit bedeutet: Egal, was du tust, Gott kann nur durch sein eigenes Handeln gnädig und friedlich gestimmt werden. Wenn du das annimmst und sagst: „Ich vertraue auf Jesus Christus“, dann kannst du fröhlich durchs Leben gehen. Du weißt, deine Werke sind Gottes Werke. Du kannst ihm vertrauen und dir ganz sicher sein: Das reicht, das reicht.
Zum Zweiten: Wie können wir diese Gabe und dieses Geschenk den Menschen vorenthalten? Wir müssen darüber reden. Auch wenn es manchmal schwierig erscheint, wenn viele in dieser Welt tot, taub und blind für Gottes Handeln sind, müssen wir trotzdem gehen und sagen: „Aber Gott, dieses Evangelium, die frohe Botschaft, muss hinaus in die Welt. Die Menschen müssen sie hören.“ So hat es Jesus gesagt: „Geht hin in alle Welt, verkündigt dieses ‚Aber Gott‘.“
Aber Gott ist gnädig. Gott schenkt euch, was ihr euch nicht nehmen könnt. Viele Menschen leben in verschiedenen Religionen, und jede Religion sagt dir etwas anderes, was du tun musst, um gerecht zu werden. Es ist ein schweres Joch, das die Religionen ihren Gläubigen auferlegen. Jesus aber sagt: Sein Joch ist leicht für dich, nimm sein Joch an.
Wir müssen aber auch erkennen: Aus dem, was wir hier gehört haben, waren die Menschen tot. Wir sprechen zu Toten, und solange sie tot bleiben, wird die Botschaft nicht durchdringen. Deshalb steht vor jeder Evangelisation, vor jedem Rausgehen, um Menschen zu sagen, was Jesus getan hat, das eindringliche Gebet: „Herr, öffne du die Herzen, ruf du zum Leben.“ Denn wir können das nicht tun. Gott muss die Herzen öffnen, Gott muss das tun. Auch das ist nicht unser Werk.
Wenn wir weitersagen, können wir nur hoffen, dass Gottes Geist an den Menschen wirkt und sie vom Tod zum Leben bringt.
Und noch ein Viertes und Letztes folgt aus diesem Geschenk, und das sehen wir im Vers 10. Dort heißt es: Wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott so vorbereitet hat, dass wir darin wandeln sollen.
Das neue Leben, das Gott uns schenkt, setzt uns freiwillig anders zu leben. Wir waren tot, doch jetzt sind wir lebendig. Zum ersten Mal können wir unser Leben aus Liebe leben, zum allerersten Mal aus Liebe und Dankbarkeit zu Gott. So, wie Gott es sich immer für uns Menschen vorgestellt hat. Zum ersten Mal sind wir dazu befreit, so zu leben, wie der Erfinder dieser Welt es sich gedacht hat.
Er rettet allein aus Gnade. Das darf niemals bedeuten oder dazu führen, dass wir denken, es wäre unwichtig, was wir tun. Das ist nicht wahr. Unsere Werke retten uns nicht. Sie können uns nicht gerecht machen vor Gott. Aber Gott will, dass wir lebendig sind, um zu seiner Ehre zu leben und ihn auch mit dem, was wir tun, zu ehren. Ihm aus Dankbarkeit zurückzugeben und zu sagen: „Herr, danke, was du für mich getan hast. Ich will ein neues Leben leben nach deinem Wort. Ich will mich nach deinen Geboten richten – nicht, weil ich dadurch gerecht werde, sondern weil ich dir von Herzen dankbar bin, du Retter meines Lebens.“
Wer ihn kennengelernt hat, war tot, war wie ein Baum, der keine Früchte bringt, ganz tot. Aber dadurch, dass Gott uns zum Leben bringt, sind wir wie ein lebendiger Baum, der gute Frucht hervorbringen kann. Diese Frucht entspringt nicht unserer Phantasie, sondern sie kommt von Gott selbst.
Es heißt, wir sind zu guten Werken bestimmt, die er vorbereitet hat. Sie sind von ihm. Er hat sich das schon ausgedacht, und es muss nur gepflückt, muss abgeholt werden.
Höre aufmerksam auf Gottes Wort, suche ihn im Gebet und bitte ihn, dass er dir zeigt, welche Gaben er dir schenkt und was deine Aufgaben in dieser Welt sind. Dann kannst du seinen Plan gar nicht verfehlen. Du wirst das Richtige tun, die Werke tun, die Gott für dich vorbereitet hat.
Wir müssen uns keine Sorgen machen, den falschen Weg zu gehen. Wenn wir ihm vertrauen, wird er uns die guten Werke zeigen.
Die Reformatoren haben das verstanden. Deshalb haben sie nicht die Hände in den Schoß gelegt und nichts getan, sondern sie haben fröhlich ihr Leben zu Gottes Ehre eingesetzt.
Doch alles beginnt damit, dass wir begreifen: Wir waren tot in unseren Sünden. Wir sind aus Gnade selig geworden durch den Glauben, nicht aus uns. Gottes Gabe ist es.
Amen!
Schlussgebet
Vater im Himmel, wir danken dir, dass du uns gesehen hast – in unserem Elend und in unserer Not, als wir tot lagen. Wir danken dir, dass du dich erbarmt hast.
Danke, dass du gnädig bist und uns gerufen hast. Du hast unsere Herzen geöffnet und unsere Sinne für dich empfänglich gemacht.
Wir danken dir, dass wir mit dir leben dürfen. Du hast deinen eingeborenen Sohn hingegeben, damit wir mit dir versöhnt sein können. Durch ihn sind wir neu zum Leben gekommen. Mit Christus haben wir unser Bürgerrecht bei dir.
Danke, dass du uns freigemacht hast, mit dir zu leben und zu deiner Ehre. Wir loben dich und beten dich an. Amen.