Guten Abend, ich möchte alle ganz herzlich begrüßen. Wir haben in einer Serie von Abenden das Thema Gemeindebau vor uns. Heute Abend beginnen wir gleich mit dem Thema Anbetung. Das mag vielleicht etwas überraschend sein, wenn man das Thema Gemeindebau angeht, gleich mit Anbetung zu starten. Aber ich werde gleich eine Begründung dafür geben.
Lesen wir zu Beginn aus der Apostelgeschichte, wo wir die Geburtsstunde der Gemeinde beschrieben finden. Es ist Apostelgeschichte 2, Pfingsten im Jahr 32 nach Christus. Nach der Evangelisationspredigt von Petrus bekehren sich dreitausend Menschen. Dann wird die Gemeinde in ihrem Anfangszustand beschrieben, Apostelgeschichte 2,42:
Sie verharrten aber in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten. Über jede Seele kam Furcht, und es geschahen viele Wunder und Zeichen durch die Apostel. Alle aber, die glaubten, waren beisammen und hatten alles gemeinsam. Sie verkauften ihre Besitztümer und die Habe und verteilten sie an alle, je nachdem, wer Bedarf hatte.
Während sie täglich einmütig im Tempel verharrten und zu Hause das Brot brachen, nahmen sie Speise mit Verlocken und Schlichtheit des Herzens, lobten Gott und hatten Gunst bei dem ganzen Volk. Der Herr aber fügte täglich hinzu, die gerettet werden sollten.
Grundlegende Kennzeichen der Urgemeinde
Ganz besonders wollen wir uns auf Vers 42 konzentrieren. In diesem Vers werden bereits vier Kennzeichen der Gemeinde erwähnt:
Erstens das Verharren in der Lehre der Apostel, zweitens das Verharren in der Gemeinschaft, drittens das Verharren im Brotbrechen und viertens das Verharren in den Gebeten.
Das Brotbrechen ist hier an dritter Stelle genannt und beinhaltet das Abendmahl. Damit ist auch der Gottesdienst in Verbindung mit dem Abendmahl gemeint. Dabei geht es um den Herrn Jesus und seine Leiden, und es handelt sich um Anbetung.
Es gibt einen bestimmten Grund, warum diese Reihenfolge gewählt wurde und das Brotbrechen nicht am Anfang steht, sondern zuerst die Lehre der Apostel genannt wird. Dies ist so wichtig, weil es zeigen soll, dass die Basis der Gemeinde die reine und gesunde Lehre des Wortes Gottes ist.
Auf dieser Grundlage ist dann wahre Gemeinschaft möglich, ebenso wie wahre Anbetung und auch wahres Gebet als Gemeinde.
Der Sinn des Lebens und die Rolle der Anbetung
Nun beginnen wir heute nicht mit der Lehre der Apostel, sondern mit dem Brotbrechen. Schlagen wir dazu Kolosser 1,16 auf, einen Vers, der uns zeigt, was der Sinn des Lebens ist. Er beantwortet die Frage: Warum existiere ich? Es geht um Jesus Christus, denn durch ihn sind alle Dinge erschaffen worden – die in den Himmeln und die auf der Erde, die sichtbaren und die unsichtbaren. Es seien Throne oder Herrscher oder Fürstentümer oder Gewalten, alle Dinge sind durch ihn und für ihn geschaffen.
Hier wird dreierlei erklärt: Die ganze Welt und damit auch jeder einzelne von uns wurde erschaffen. Am Anfang von Vers 16 heißt es „durch ihn“, aber die Fußnote der Elberfelder Bibel macht klar: wörtlich heißt es „in ihm“. Am Schluss des Verses steht „alle Dinge sind durch ihn geschaffen“, was ein anderer Ausdruck ist als „in ihm“. Im Griechischen steht hier tatsächlich „dia“ für „durch“ und dann „für ihn“. Also wurde alles erschaffen in ihm, durch ihn und für ihn.
Was bedeutet „in ihm“? Die Fußnote der alten Elberfelder und der CSV Hückeswagen erklärt es wörtlich mit „in ihm“, das heißt in der Kraft seiner Person. Das ist der griechische Ausdruck, um auszudrücken „in ihm durch die Kraft seiner Person“. Das bedeutet, alle Dinge wurden erschaffen durch die Kraft des Sohnes Gottes. „Durch ihn“ bedeutet, dass er der Ausführende war. Gott der Vater hat die Pläne geschaffen, aber ausgeführt hat als Schöpfer der Sohn die Erschaffung der Welt.
Drittens heißt es „für ihn“ – alles wurde erschaffen, um ihn zu verherrlichen. Kurz gesagt: Der Sinn meines Lebens ist, zur Verherrlichung Gottes zu leben. Die Anbetung ist gerade das, wodurch wir Gott verherrlichen und groß machen. Anbetung umfasst das ganze Leben, die ganze Existenz.
Schlagen wir Römer 12,1 auf. Dort steht als Schlussfolgerung aus der ganzen Lehre des Römerbriefes von Kapitel 1 bis 11: „Ich ermahne euch nun“. Das Wort „nun“ zeigt, dass dies eine Schlussfolgerung aus all der Lehre über die Erlösung ist. „Ich ermahne euch nun, Brüder, durch die Erbarmung Gottes, eure Leiber darzustellen als ein lebendiges, heiliges, gottwohlgefälliges Schlachtopfer, welches euer vernünftiger Gottesdienst ist.“
Der Ausdruck „Gottesdienst“ ist derselbe, der zum Beispiel im Hebräerbrief in Verbindung mit dem ganzen Opferdienst Israels im Alten Testament gebraucht wird – also dem Anbetungsdienst im Alten Testament. Hier, im Neuen Testament, soll unser ganzes Leben ein vernünftiger Gottesdienst sein. Das heißt, alles, was wir sind und haben, was wir tun und lassen, soll zur Ehre Gottes sein.
Anbetung ist also etwas, das unser ganzes Leben umfassen soll. Aber niemand soll auf die Idee kommen, dass allein das schon Anbetung ist. Nein, Anbetung in der Gemeinde, gerade in Verbindung mit dem Brotbrechen, das der Herr Jesus für die Gemeinde eingesetzt hat mit den Worten „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (1. Korinther 11), ist die höchste Entfaltung dieser Anbetung, die unser ganzes Leben umfassen soll.
Ursprung und Wesen der Anbetung
Vielleicht noch eine Erklärung zu den Ausdrücken: Was bedeutet eigentlich „anbeten“? Am besten gehen wir nicht vom Deutschen aus, sondern von den Bibelsprachen. Wo kommt das Wort „anbeten“ zum ersten Mal in der Bibel vor?
Es gibt nämlich einen Grundsatz in der Bibel: Wenn man ein Thema studiert, sollte man immer besonders Augenmerk auf die erste Stelle richten, an der dieses Thema jemals auftaucht. Dort finden wir ganz besondere Grundsätze.
Das erste Mal, wo das hebräische Wort „lehischtachawot“, das heißt „anbeten“, vorkommt, ist in 1. Mose 22. Das ist die Geschichte von der Opferung Isaaks. Man muss sich vorstellen: Abraham hat fünfundzwanzig Jahre auf die Erfüllung der Verheißung Gottes gewartet, bis endlich Isaak geboren wurde. Jahre später prüft Gott seinen Glauben und sagt ihm, er solle das Höchste, was er hatte, Gott zurückgeben.
1. Mose 22,1: „Und es geschah nach diesen Dingen, dass Gott Abraham prüfte, und er sprach zu ihm: Abraham! Und er sprach: Hier bin ich! Und er sprach: Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du lieb hast, den Isaak, und zieh hin in das Land Moria und opfere ihn dort als Brandopfer auf einem der Berge, den ich dir sagen werde.“
Abraham ist gehorsam und geht bereits am frühen Morgen los. Dann kommt er an den auserwählten Ort im Land Moria. Abraham sagt in Vers 5 zu den Dienern, die mitgekommen waren: „Bleibt ihr hier mit dem Esel, ich aber und der Knabe wollen bis dorthin gehen und anbeten und dann zu euch zurückkehren.“
Er war überzeugt: Wenn Gott gesagt hat, in Isaak werde dir ein Same genannt werden, und jetzt muss ich ihn hergeben, dann wird Gott ihn auch wieder auferwecken. Darum sagt er: „Wir werden zu euch zurückkehren.“
Der Hebräerbrief 11 nimmt auf diesen Glauben Abrahams Bezug und sagt, dass Abraham durch Glauben überzeugt war, dass Gott ihn auch aus den Toten auferwecken vermag.
Man muss sich vorstellen, wie die Stimmung von Abraham war: Der Mann war am Boden zerstört. Trotzdem, im Glaubensgehorsam und in der Hingabe an diesen Gott, dem er all die Jahre hindurch geglaubt und gedient hatte, war er bereit, diesen Weg zu gehen.
Das erste Mal, wo also „Anbetung“ vorkommt, haben wir absolut das Gegenteil von Hochstimmung, nämlich Tiefstimmung. Das heißt: Zum Wesen der Anbetung gehört nicht Hochstimmung. Das macht Anbetung nicht aus.
Denn das erste Mal, wo es vorkommt, tut es jemand, dessen Stimmung ganz am Boden war. Trotzdem war Anbetung möglich, nämlich die bewusste und gehorsame Hingabe an Gott.
Das zeigt uns schon einmal etwas Wichtiges: In der heutigen Zeit ist man weitgehend der Meinung, Anbetung sei Hochstimmung, und diese Hochstimmung werde auch produziert. Die biblische Lehre sieht das aber völlig anders.
Wir finden in den Psalmen Stellen über das Lob Gottes mit großer Freude, zum Beispiel Psalm 100. Es ist nicht so, dass Gott uns keine große Freude beim Anbeten gibt. Aber die Meinung, Freude sei ein wesentliches Kennzeichen von Anbetung, ist nicht biblisch.
Anbetung ist das, was das Wort „lehischtachawot“ ausdrückt. Es heißt eigentlich „niederknien“, „sich niederbeugen“. Es drückt aus, wie klein wir sind und wie groß Gott ist, auch wenn wir seine Wege nicht verstehen.
Damit haben wir wichtige Grundlagen, um das Thema jetzt weiter anzugehen.
Die neue Epoche der Anbetung im Neuen Testament
Wir öffnen nun einige Abschnitte, in denen das Neue Testament ganz ausdrücklich über die Anbetung der Gemeinde spricht.
Dazu schlagen wir in Johannes 4 auf, wo Jesus am Brunnen von Sichar ist. Das ist das heutige Nablus. Dort begegnet der Herr einer samaritanischen Frau, mit der er ins Gespräch kommt. Im Verlauf des Gesprächs wird immer deutlicher, wer er ist – und auch, wer sie ist.
Die Frau äußert den Wunsch, lebendiges Wasser zu erhalten. In Johannes 4,15 lesen wir: Die Frau spricht zu ihm: „Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich nicht dürste und nicht mehr hierher kommen muss, um zu schöpfen.“
Jesus antwortet ihr: „Gehe hin, rufe deinen Mann und komm her.“ Die Frau erwidert: „Ich habe keinen Mann.“ Jesus sagt zu ihr: „Du hast Recht gesagt: ‚Ich habe keinen Mann.‘ Denn fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann. Hierin hast du die Wahrheit gesagt.“
Daraufhin sagt die Frau zu ihm: „Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist. Unsere Väter haben auf diesem Berg angebetet, und ihr sagt, dass in Jerusalem der Ort sei, wo man anbeten müsse.“
Jesus antwortet ihr: „Frau, glaube mir, es kommt die Stunde, da ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. Ihr betet an, was ihr nicht kennt; wir beten an, was wir kennen. Denn das Heil ist aus den Juden.
Es kommt aber die Stunde – und sie ist jetzt –, da die wahrhaftigen Anbeter den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten werden. Denn auch der Vater sucht solche als seine Anbeter. Gott ist Geist, und die, die ihn anbeten, müssen im Geist und in der Wahrheit anbeten.“
Die Frau sagt zu ihm: „Ich weiß, dass der Messias kommt, der Christus genannt wird. Wenn er kommt, wird er uns alles verkündigen.“
Jesus antwortet ihr: „Ich bin es, der mit dir redet.“
Die Bedeutung der neuen Anbetungsepoche
Also, schon erstaunlich sind diese grundsätzlichen Ausführungen, die der Herr Jesus hier über Anbetung im Zeitalter der Gemeinde macht. Er spricht von einer ganz neuen Zeit. Es kommt die Stunde – "Hora" bedeutet im Griechischen eine Stunde oder auch eine Epoche. Es ist klar, dass er hier von einer Epoche spricht. Diese Stunde, diese Epoche, ist jetzt schon da und beginnt gerade. In dieser Zeit werden die wahrhaftigen Anbeter den Vater in Geist und Wahrheit anbeten. Also etwas ganz Neues. Diese Botschaft ist sensationell.
Wenn man sich das genauer überlegt: Der Herr macht diese Ausführungen im Gespräch mit einer Frau, die, gelinde gesagt, ein kompliziertes Leben hinter sich hat – ein schlimmes Leben. Sie war fünfmal verheiratet. Darum sagt der Herr: „Fünf Männer hast du gehabt.“ Jetzt lebt sie im Konkubinat, also ohne Ehebund. Der Herr sagt, der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann, keine anerkannte Ehe. Das ist der Hintergrund.
Diese Frau wird dadurch völlig ins Licht Gottes gestellt. Man könnte vermuten, dass sie jetzt ablenken will. Es ist eine Taktik, wenn ein Gespräch brenzlig wird: Man fängt einfach ein neues Thema an, oder? Man könnte wirklich sagen: „Ah, jetzt wechselt sie das Thema und möchte gerne über Anbetung sprechen.“ Aber als Advokat würde ich Folgendes sagen: Diese Frau realisiert plötzlich, dass dieser Mann, der mit ihr redet, nicht nur ein Jude ist – das hat sie schon längst von Anfang an festgestellt – sondern dass er ein Prophet ist. Er hat ihr ganzes Leben aufgedeckt.
Wir sehen, sie fühlte sich wirklich ins Licht Gottes gestellt. Denn nachher geht sie in die Stadt, ruft herum und sagt den Leuten: „Kommt, seht, da ist einer, der hat mir alles erzählt, was ich je getan habe.“ Er hat nur einen kurzen Satz gesagt: „Fünf Männer hast du gehabt, der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann.“ Aber sie war ins Licht Gottes gestellt. Und sie sagt, er hat mir alles gesagt, was ich getan habe. Ihr ganzes Leben war ins Licht Gottes gestellt.
Das zeigt uns, dass diese Frau sich auch ins Licht Gottes stellen ließ. Darum sage ich: Das war nicht nur ein Versuch, von sich abzulenken, sondern als Samariterin war das eine echte Frage.
Streit um den Ort der Anbetung
Jahrhundertealte Streitfrage zwischen dem samaritanischen Volk auf dem Berg Garizim – wo man sie übrigens noch heute findet – den Samaritanern, und dem jüdischen Volk. Die Juden wussten aus dem Alten Testament, dass es einen auserwählten Ort gibt, den Gott in 5. Mose 21-mal erwähnt hat. Dreimal und siebenmal steht dort, dass Gott einen Ort erwählen wird, an dem er seinen Namen wohnen lassen will. Nur an diesem Ort soll Anbetung geschehen. Insgesamt wird 21-mal von diesem Ort gesprochen, den Gott auserwählt hat, um seinen Namen dort wohnen zu lassen.
Für die Juden war klar: Das ist Jerusalem. Aber das steht in 5. Mose nicht ausdrücklich, sondern wird erst später in der Geschichte von König David prophetisch enthüllt.
Die Samaritaner hingegen sind ein Mischvolk. Ursprünglich wurden sie aus dem assyrischen Reich deportiert und haben sich mit einer Unterschicht der Restbevölkerung der zehn Stämme, die nicht deportiert wurden, vermischt. Diese Samaritaner haben nur die fünf Bücher Mose übernommen, nicht aber den Rest der Bibel. Das ist bis heute so. Die Samaritaner auf dem Garizim besitzen nur ihre Torarolle, aber das Alte Testament sonst erkennen sie nicht an.
Ich habe einmal dem Bruder des Hohen Priesters ein Buch geschenkt, das ich geschrieben habe: „Weltgeschichte im Visier des Propheten Daniel“. Dieses Büchlein behandelt zweihundert erfüllte Prophezeiungen aus dem Buch Daniel. Das ist natürlich ein überwältigender Beweis, dass die anderen Bücher des Alten Testaments genauso inspiriert sind wie die Tora, die fünf Bücher Mose. So kann man das den Samaritanern zeigen.
Da sie nur die fünf Bücher Mose anerkennen, sagen sie, es stimme nicht, dass Gott Jerusalem erwählt hat. Sie haben sogar ihre fünf Bücher Mose verändert: Bei 2. Mose 20, den Zehn Geboten, haben sie ein weiteres Gebot eingefügt, das besagt, man solle Gott auf dem Garizim anbeten. Das führte also ständig zu Auseinandersetzungen zwischen diesen beiden Völkern: Wo ist der richtige Ort der Anbetung?
Jetzt merkt diese Frau, dass Jesus ein Prophet ist. Das jüdische Volk hatte seit vierhundert Jahren keine Propheten mehr gehabt, seit Maleachi. Und nun ist plötzlich einer da, der ein Prophet ist! Deshalb sagt sie: „Der kann mir die Frage jetzt beantworten. Was gilt jetzt wirklich?“
Darum sagt sie: „Unsere Väter haben auf diesem Berg angebetet.“ Warum sagt sie „haben“? Weil die jüdische Armee unter einem Makkabäerkönig im zweiten Jahrhundert vor Christus den Tempel auf dem Berg Garizim zerstört hatte. Er wurde nicht mehr aufgebaut, erst im zweiten Jahrhundert nach Christus wieder. Deshalb sagt sie „haben angebetet“, denn zu dem Zeitpunkt gab es den Tempel dort nicht mehr.
Sie haben auf diesem Berg angebetet, und hier, in Jerusalem. Jetzt erklärt der Herr Jesus ihr etwas ganz Neues. Das hat mit der Gemeinde zu tun, die im Alten Testament – auch in den zusätzlichen Büchern zu den fünf Büchern Mose bis Maleachi – nicht offenbart war. Nämlich das, was die Gemeinde betrifft.
Die Gemeinde als Leib Christi, bestehend aus bekehrten Juden und bekehrten Heiden, die zusammen einen Leib bilden – das war im Alten Testament ein Geheimnis (vgl. Epheser 3). Im Neuen Testament wird das enthüllt.
Jesus zeigt in diesem Zusammenhang: Jetzt kommt eine ganz neue Epoche. Jerusalem, die erwählte Stadt, wird ihre Bedeutung als Zentrum der Anbetung verlieren – und Garizim sowieso, weder dort noch da. Stattdessen kommt eine neue Epoche, in der die wahrhaftigen Anbeter anbeten. Aber das ist nicht mehr an einen bestimmten Ort auf dieser Erde gebunden, sondern – das wissen wir aus Matthäus 18 – an anderen Orten.
Die Gemeinde als neuer Ort der Anbetung
Im Matthäusevangelium kommt der Begriff Gemeinde nur in zwei Kapiteln vor. Diese sind zudem die einzigen Kapitel in den Evangelien, in denen der Name Gemeinde, griechisch Ekklesia, erscheint.
Das erste ist Matthäus 16, wo der Herr Jesus sagt: „Auf diesen Felsen werde ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten des Hades werden sie nicht überwältigen.“ Hier spricht er über die weltweite Gemeinde, die auf dem Felsen Christus, dem Sohn des lebendigen Gottes, gegründet ist.
Im zweiten Kapitel, Matthäus 18, spricht der Herr Jesus über die örtliche Gemeinde, und zwar ab Vers 15 bis 20. Das Wort Gemeinde kommt dort mehrfach vor. In Vers 20 sagt der Herr Jesus: „Denn wo zwei oder drei versammelt sind zu meinem Namen hin, da bin ich in ihrer Mitte.“ Es geht hier um diesen auserwählten Ort, an dem Gott seinen Namen wohnen lässt.
Doch dieser Ort ist nicht mehr Jerusalem, sondern er ist weltweit dort, wo zwei oder drei nicht „in meinem Namen“ – wie es oft übersetzt wird – sondern wörtlich „zu meinem Namen hin“ versammelt sind. Das bedeutet, dass sie ganz allein auf die Person des Sohnes Gottes ausgerichtet sind.
In diesem Zusammenhang gibt Jesus die Verheißung: „Da bin ich in ihrer Mitte.“ So wie die Schechina, die Wolke der Herrlichkeit und nachts die Feuersäule über dem Salomonstempel war und in Jerusalem Gottes Gegenwart anzeigte, so sagt der Herr Jesus: „Da, wo zwei oder drei zu meinem Namen hin versammelt sind, da bin ich in ihrer Mitte.“ Dort ist gewissermaßen die Gegenwart Gottes, die Schechina.
Was für die Jünger besonders überwältigend war: Unsere Rabbiner haben immer gelehrt, dass man mindestens zehn Männer braucht, um eine Synagoge zu bilden. Diese zehn Männer nennt man im Hebräischen den Minjan, die feste Mindestzahl, um eine Synagoge zu sein – zehn Männer!
Nun sagte der Herr Jesus im Blick auf die Gemeinde, das Zusammenkommen der Gläubigen: „Zwei oder drei zu meinem Namen hin versammelt“ – und das muss nicht in Jerusalem sein, nicht auf dem Berg Garizim, sondern überall, wo das geschieht. Überall, wo zwei oder drei zu ihm hin versammelt sind, da ist er in der Mitte.
Darum wird der geografische Ort nebensächlich. Entscheidend ist, wo zwei oder drei wirklich zum Namen des Herrn Jesus und allein zu ihm hin versammelt sind. Das ist nun wichtig für diese neue Epoche.
Merkmale wahrhaftiger Anbeter
Es kommt aber die Stunde, Johannes 4,23, und sie ist jetzt da, in der die wahrhaftigen Anbeter den Vater in Geist und Wahrheit anbeten werden.
Wahrhaftige Anbeter – was ist das Gegenteil? Man könnte sagen „lügnerische Anbeter“, aber das ist hier nicht gemeint. Das Wort „wahrhaftig“ wird im Johannesevangelium folgendermaßen verwendet: In Johannes 6 sagt Herr Jesus: „Ich bin das wahrhaftige Brot aus dem Himmel.“ Eure Vorväter haben damals in der Wüste das Manna gegessen, aber er ist das wahrhaftige Brot aus dem Himmel. Das heißt, das Manna war eigentlich nur ein Hinweis auf den Sohn Gottes, der einmal vom Himmel kommen würde, um der Welt das Leben zu geben – jedem, der ihn als Retter aufnimmt und von diesem Brot isst.
Herr Jesus sagt also, er ist nicht einfach symbolisch, sondern die Wirklichkeit, das wirkliche Brot, die Erfüllung, also wahrhaft im Gegensatz zu nur bildlich. Zum Beispiel sagt der Herr Jesus in Johannes 15,1: „Ich bin der wahre Weinstock.“ Ja, und was ist dann der falsche Weinstock? Nicht der falsche Weinstock im eigentlichen Sinn. Israel als irdisches Volk war der Weinstock, den Gott aus Ägypten geholt hat (Psalm 80), aber dieser Weinstock hat keine Frucht gebracht. Der nun wirkliche Weinstock, der Frucht bringt, ist der Herr Jesus.
So sind die wahrhaftigen Anbeter hier im Kontrast zu den Priestern im Alten Testament, die die Anbetung im Tempel oder in der Stiftshütte leiteten. Es waren die Priester aus dem Stamm Levi. Das ganze Volk Israel zusammen mit dem Stamm Levi brachte Anbetung, aber das geschah im Zusammenhang mit den Opfern und war eine symbolische Anbetung. Jetzt kommt die wirkliche Anbetung, und diese geschieht in Geist und Wahrheit. Das heißt durch die Kraft des Heiligen Geistes, und das ist etwas ganz anderes.
Diesen Unterschied merkt man sehr eindrücklich, wenn man zum Beispiel an die Klagemauer geht. Dort wird viel gebetet, und es werden sehr schöne Gebete gesprochen. Aber was typisch ist, ist, dass es immer so ist: „Baruch ata Adonai Eloheinu Melech ha'olam“ usw. – „Gepriesen seist du, Herr, unser Gott, König der Welt“ – alles abgelesen aus dem Gebetsbuch, dem Sittur. Warum beten sie immer aus dem Buch? Warum beten sie nicht frei? Weil sie den Heiligen Geist nicht haben.
Es ist ein ganz anderes Beten, das mit Pfingsten begonnen hat, als die Jünger im Brotbrechen verharrten. Das waren nun freie Gebete, durch den Heiligen Geist geleitet. Das Neue Testament lehrt uns, dass wir im Heiligen Geist beten sollen. So steht es in Epheser 6 und in Judas Vers 20: „Im Geist beten.“ Das ist wieder dieser Ausdruck, der bedeutet „in der Kraft des Geistes“, wie ich früher erklärt habe. In ihm, das heißt in der Kraft seiner Person, im Geist, in der Kraft des Heiligen Geistes geschieht diese wirkliche Anbetung – im Geist.
Aber der Herr sagt auch: und in der Wahrheit.
Wahrheit als Grundlage der Anbetung
Was ist Wahrheit? Das war die Frage von Pilatus, nicht wahr? Ja, aber das griechische Wort, das er benutzte, aletheia, kann man schön auseinandernehmen.
Der Wortteil „a“ bedeutet „nicht“ oder „un“. Wir kennen zum Beispiel den Ausdruck „anormal“, das heißt „unnormal“, oder in der Musik „atonal“, also ohne Tonalität. „Aletheia“ heißt „nicht verborgen“. „Letheia“ kommt von „lethos“, was „verborgen“ bedeutet. Also heißt „aletheia“ so viel wie „nicht verborgen“ oder „enthüllt“.
Wahrheit ist die Darstellung der Dinge so, wie sie sind. Der Herr Jesus ist gekommen und hat alles durch seine Person ins Licht gestellt. Denn er ist die Wahrheit: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Johannes 14,6).
Auch die Frau wurde ins Licht der Wahrheit gestellt: „Kommt, seht, ein Mensch, der mir alles gesagt hat, was ich je getan habe.“ Jesus nimmt das auf, aber mit welcher Feinheit macht er ihr klar: Die wahrhaftigen Anbeter sind Menschen, die ins Licht Gottes gestellt worden sind und mit ihrem Leben völlig aufgeräumt haben.
Nur dann kann man anbeten. Man muss in seinem Leben völlig aufräumen, sich ganz ins Licht Gottes stellen und in der Kraft des Heiligen Geistes leben. So erklärt der Herr Jesus weiter: Auch der Vater sucht solche als seine Anbeter.
Das zeigt uns, wie wichtig für Gott die Anbetung ist. Der Vater sucht solche als seine Anbeter. Das Wort „auch“ ist ein Stolperwort, nicht wahr? Beim Lesen der Bibel gibt es immer wieder Wörter, über die man stolpert. Warum steht da „auch“? Es könnte doch heißen: „Der Vater sucht solche als seine Anbeter.“
Denn auch der Vater sucht solche. Das Neue Testament lehrt uns die Anbetung des Vaters und des Sohnes. Doch Jesus spricht hier nicht über sich selbst. Er spricht wie ein Vater, sagt aber auch: „Der Vater sucht solche als seine Anbeter.“
Wir werden gleich in weiteren Texten noch die Anbetung des Vaters und auch die Anbetung des Sohnes sehen. Aber in der ganzen Heiligen Schrift finden wir nie die Anbetung des Heiligen Geistes. Kein einziges Beispiel.
Ja, und die Anbetung des Sohnes finden wir, zum Beispiel in Offenbarung 5 und vielen anderen Stellen. Aber darauf kommt es ja auch gar nicht so sehr an? Doch, es kommt sehr darauf an.
Wo lernen wir beten? Durch die Bibel. So viele Gebete finden wir im Alten und Neuen Testament, die uns zeigen, wie wir beten sollen. Wir finden Gebete zum Vater und Anbetung des Vaters, Gebete zum Sohn und Anbetung des Sohnes, aber nicht des Heiligen Geistes.
Warum nicht? Das ist keine Erniedrigung der Person des Heiligen Geistes. Er ist Gott von Ewigkeit her, dem Vater gleich, dem Sohn gleich, ewig, allmächtig, allgegenwärtig und allwissend.
Aber der Heilige Geist hat es so gewollt. Wie der Herr Jesus sagt in Johannes 16: Er wird kommen und mich verherrlichen. Das heißt, der Geist Gottes will dort, wo er wirkt, die Person des Sohnes in den Mittelpunkt stellen und verherrlichen. So handelt er.
Darum lesen wir, dass wir im Geist den Vater anbeten müssen, aber eben auch den Sohn. Und dann sagt der Herr nochmals in Vers 24: Gott ist Geist, das ist ein Wesen, und die ihn anbeten, müssen ihn in Geist und Wahrheit anbeten.
Die Frau erkennt den Messias
Und dann merkt man, diese Frau geht einen Schritt weiter. Sie beginnt sich schon zu fragen: Ist dieser Prophet der Messias?
Sie sagt: Ja, ich weiß, wenn der Messias kommt, wird er uns den ganzen Ratschluss Gottes verkündigen. Das wusste sie aus 5. Mose 18, wo der große Prophet angekündigt wird. Darum erwarten auch die Samaritaner den Messias.
Aber man muss mal mit den Samaritanern auf dem Garizim sprechen. Was denkt ihr, wann der Messias kommt? Die Antwort lautet oft: Oh, doch ganz, ganz lange nicht. Es wird noch sehr lange dauern, bis der Messias kommt. Traurig, so ohne Erwartung.
Und diese Frau aus einem Volk, dem es selbst heute nicht so eilig ist, dass der Messias kommt, sagt: Ich weiß, dass der Messias kommt. Dann geht sie ins Dorf und sagt: Dieser ist doch der Christus, der Messias. Sie realisiert das irgendwie.
Sie stellt es als Frage, und ganz viele Samaritaner kommen dann zum Glauben. Sie erkennen, dass Jesus Christus der Messias ist, der in ihrer samaritanischen Torarolle in 5. Mose 18 genauso verheißungsvoll genannt wird wie in der jüdischen Torarolle.
Es ist praktisch alles dasselbe, nur mit einigen Fälschungen und ein paar Abschreibfehlern – eine beträchtliche Zahl. Aber das macht jetzt nichts, denn die Hauptsache ist doch da.
Ja, und das ist jetzt eben auch etwas: Die Anbetung ist ein Thema, das uns zur Erkenntnis der Person und der Herrlichkeit des Herrn Jesus führt. Darum ist es auch hier eingebettet in das Erwachen dieser Frau, die schließlich den Erlöser findet, den Heiland der Welt, wie es dann in Johannes 4 weiter steht.
Anbetung als Ausdruck eines reinen Lebens
Nun wenden wir uns einem weiteren Abschnitt zu, der ausdrücklich über Anbetung spricht, und zwar im Neuen Testament, 1. Petrus 2. Ich lese ab Vers 1:
„Leget nun ab alle Bosheit und allen Trug und Heuchelei und Neid und alles üble Nachreden.“
Wir werden gleich auf das Thema Anbetung in diesen Versen eingehen. Doch zunächst ist wichtig: Anbetung geschieht nur in Wahrheit. Deshalb sollen alle diese Dinge abgelegt werden – Bosheit, Trug, Heuchelei, Neid und übles Nachreden.
Der zweite Punkt lautet: „Und wie neugeborene Kinder seid begierig nach der vernünftigen, unverfälschten Milch.“ Mit dieser Milch ist das Wort Gottes gemeint.
Neugeborene Kinder müssen nicht erst lernen, dass Milch etwas Wunderbares ist. Sie fangen sofort an zu schreien, wenn sie diese Nahrung nicht bekommen. Sie empfinden einen Schmerz und werden erst ruhig, wenn sie an der Brust der Mutter gestillt werden. Das Typische ist, dass sie schreien, bis sie die Milch haben.
Diese kleinen Kinder zeigen uns, was echtes Verlangen nach dem Wort Gottes bedeutet. Viele Christen sind eingeschlafen und interessieren sich kaum noch für ein wirkliches Bibelstudium, in dem man tief eintaucht und auch arbeiten muss. Warum? Weil sie dieses Verlangen nicht kennen.
Wenn man das nächste Mal ein kleines Baby schreien hört, sollte man an diese Stelle denken. Das ist ein Beispiel für das Verlangen nach dem Wort Gottes.
Also: „Wie neugeborene Kinder seid begierig nach der vernünftigen, unverfälschten Milch, damit ihr durch diese wachst zur Errettung.“ Gemeint ist die Errettung, die geschehen wird, wenn der Herr Jesus kommt und die Gläubigen aus dieser Welt herausreißt.
In 1. Petrus 1 sagt Petrus, dass sie erlöst sind durch das Blut Christi. Hier spricht er jedoch von der zukünftigen Errettung, die bei der Wiederkunft des Herrn gemeint ist.
Wir sollen im Glauben wachsen, so wie kleine Babys jeden Tag ein bisschen mehr wachsen. Das Ziel ist dann, dass der Herr kommt und uns rettet.
Die Güte Gottes als Grundlage der Anbetung
Wenn ihr wirklich geschmeckt habt, dass der Herr gütig ist, werden wir gleich sehen, dass eine ganz wichtige Voraussetzung, um anbeten zu können, die Überzeugung ist, dass der Herr gütig ist.
Seht und schmeckt, wie freundlich oder eben wie gütig der Herr in den Helmefeldern ist. Verbitterung im Herzen macht das nicht möglich. Es braucht diese Überzeugung.
Oder denken wir an den üblen Mann im Gleichnis der Talente in Matthäus 25, der sagt: „Ich wusste, dass du ein harter Mann bist.“ Das war kein Gläubiger, sondern nur ein Bekenner. Er wusste, dass der Herr ein harter Herr ist, der erntet, wo er nicht gesät hat. Und er kommt unter das Gericht.
Wahre Gläubige hingegen sollen diese tiefe Überzeugung haben: Der Herr ist freundlich, der Herr ist gütig.
Die Gemeinde als geistliches Haus und Priestertum
Und dann, zu welchem kommend, als zu einem lebendigen Stein. Von Menschen zwar verworfen, bei Gott aber auserwählt und kostbar, werdet auch ihr selbst als lebendige Steine aufgebaut zu einem geistlichen Haus.
Der Jesus wird hier verglichen mit diesem Eckstein des Tempels in Jerusalem. Wir werden das gleich sehen. Dieser Eckstein war der Fels, der heute im Felsendom liegt. Auf diesem Felsen hat Salomo die Südmauer aufgebaut. Entlang der Nord- und Westkante des Felsens baute er die Nord- und Westmauer des Allerheiligsten. Das war der Eckstein, nach dem alles ausgerichtet war und gleichzeitig das Fundament. Denn die Südmauer war direkt auf den Felsen gebaut.
Nun wird hier gesagt: Wir kommen zu diesem Stein, und dieser Stein symbolisiert den Herrn Jesus. Wir selbst werden als lebendige Steine aufgebaut, zu einem Tempelhaus, einem geistlichen Tempelhaus. Aber dann wird weiter gesagt: Wir sind nicht nur ein Tempel Gottes, in dem der Geist Gottes wohnt, also ein geistliches Haus, sondern auch ein heiliges Priestertum oder eine heilige Priesterschaft. Dieses Priestertum dient dazu, geistliche Schlachtopfer gottwohlgefällig durch Jesus Christus darzubringen.
Hier haben wir die wahren Anbeter. Sie bringen Opfer dar, wie die Anbeter im Alten Testament, aber geistliche Opfer. Das heißt, wir bringen keine wirklichen Tieropfer dar, sondern sprechen über die Erfüllung all dieser Tieropfer, nämlich über das Opfer des Herrn Jesus. So wie diese Opfer im Alten Testament auf dem Altar dargebracht wurden, bringen wir heute in der Anbetung dem Vater den Herrn Jesus dar. Wir sprechen von ihm, von seinem Werk, von seiner Erlösung und von seiner Vollkommenheit, die er gezeigt hat, indem er sich so herabgeneigt hat.
Dabei lesen wir nicht einfach etwas ab, sondern lassen uns vom Heiligen Geist leiten. Diese Anbetung der wahrhaftigen Anbeter ist keine Liturgie. Wenn man bedenkt, was im Laufe der Kirchengeschichte geschehen ist, hat man eine Liturgie aufgebaut, nach der alles abläuft wie nach einem Programm, und alles ist schön aufgeschrieben. Was hat man damit gemacht? Man hat den Heiligen Geist verdrängt.
Wahre Anbetung ist aber nicht etwas Vorgegebenes, nicht Programmatisches oder Vorausgeplantes. Der Heilige Geist führt und benutzt in der Gemeinde die Brüder, die er benutzen will, wie er will. Wenn wir wirklich durch den Heiligen Geist geleitet sind, herrscht kein Chaos. Man merkt vielmehr, dass er führt, und es funktioniert wirklich. Dabei ist ein roter Faden erkennbar, ein Zusammenhang, weil der Heilige Geist die einzelnen benutzt.
Wir sind also heute nicht nur Gottes Tempel, wobei jeder Gläubige ein lebendiger Stein daran ist, sondern auch eine heilige Priesterschaft, ein heiliges Priestertum, um diese Anbetung zu bringen.
Dann steht weiter: Denn es ist in der Schrift enthalten: „Siehe, ich lege in Zion einen Eckstein, einen auserwählten, kostbaren; und wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.“ Das ist ein Zitat aus Jesaja 28,16. Diesen Vers haben schon die alten Rabbiner ausgelegt. Es ist der Messias gemeint. Hier wird er in Zion als Eckstein bezeichnet.
Der Berg Zion in der Bibel ist der Tempelberg, nicht der Nachbarhügel, den man heute Zion nennt. Der biblische Berg Zion ist der Tempelberg, und die Bergspitze ist dieser Fels, heute im Felsendom, auf dem das Allerheiligste gebaut war. Das ist ein Bild des Herrn Jesus. Er ist dieser Eckstein.
Interessant ist auch, was in Vers 9 gesagt wird: „Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, eine heilige Nation, ein Volk zum Besitztum, damit ihr die Tugenden dessen verkündigt, der euch berufen hat aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht.“ Hier wird wieder über Priestertum gesprochen, aber es wird das königliche Priestertum genannt.
Wir haben hier zwei Seiten des Priestertums: Das heilige Priestertum in Vers 5 richtet sich an Gott in der Anbetung, und das königliche Priestertum wendet sich an die Welt. Dabei sprechen wir zwar auch über die Herrlichkeit Gottes, aber gegenüber den Menschen, dieser Welt.
Darum heißt es hier: Ein königliches Priestertum, eine heilige Nation, ein Volk zum Besitztum, damit ihr die Tugenden dessen verkündet, der euch berufen hat aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht. Dieses königliche Priestertum richtet sich also an die Welt.
Im Prinzip haben wir hier genau das Kreuz: Das heilige Priestertum ist die Vertikale, wir beten Gott an. Das königliche Priestertum ist die Horizontale. Der Herr Jesus starb am Kreuz und machte die Verbindung mit Gott, die Gemeinschaft mit Gott von uns Menschen möglich. Zugleich versöhnte er Menschen untereinander – das ist die Horizontale.
Darum richtet sich das heilige Priestertum in der Anbetung an Gott, und das königliche Priestertum an diese Welt, die diesen wunderbaren Gott noch nicht kennt.
Jesus als Opfer außerhalb der Stadt
Eine weitere Stelle ist Hebräer 13. Ab Vers zwölf wird erklärt, dass die Sündopfer beim Jom Kippur außerhalb der Stadt Jerusalem, außerhalb des Lagers verbrannt werden mussten.
Dann steht in Kapitel 13, Vers 12: „Darum hat auch Jesus, damit er durch sein eigenes Blut das Volk heiligte, außerhalb des Tores gelitten.“ Jesus starb also nicht in der Stadt Jerusalem, sondern außerhalb der Stadt, im Steinbruch Golgatha, draußen vor dem Gennad-Tor.
Genauso wie die Sündopfer des Jom Kippurs außerhalb der Stadt verbrannt wurden, wurde auch Jesus als Opfer außerhalb des Lagers dargebracht. Deshalb heißt es: „Lasst uns zu ihm hinausgehen, außerhalb des Lagers, seine Schmach tragend.“ Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.
Hier wird erklärt, dass die Hebräer, gläubige Juden, die an Jesus als Messias glaubten und bis zum Jahr 62, als der Hebräerbrief geschrieben wurde, noch immer zu den Gottesdiensten im Tempel in Jerusalem gingen, eine neue Haltung einnehmen müssen. Jesus, unser Messias, wurde aus diesem System hinausgeworfen: zuerst aus dem Tempel nach dem Prozess vor Kajafas und dann sogar außerhalb der Stadt gekreuzigt.
Wir können keine Gemeinschaft mehr mit einem System haben, in dem der Herr verworfen ist. Deshalb müssen wir uns absondern vom Judentum, von einem Judentum, das den Messias verworfen hat. Wir müssen uns absondern und hinausgehen. Das ist jedoch mit Schmach verbunden, denn man wird abgelehnt, und es ist nicht populär. Darum heißt es: „Außerhalb des Lagers seine Schmach tragend.“
Dann wird gesagt: „Denn wir haben hier keine bleibende Stadt.“ Es wird angekündigt, dass Jerusalem bald dem Erdboden gleichgemacht werden wird. Acht Jahre später geschah dies, als der Tempel verwüstet wurde und bis zum heutigen Tag nicht mehr aufgebaut ist.
In Vers 15 heißt es weiter: „Durch ihn nun, durch diesen verworfenen Messias, der außerhalb des Tores gelitten hat, lasst uns Gott stets ein Opfer des Lobes darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen.“
Hier hatten wir vorhin geistliche Schlachtopfer, und jetzt wird wieder von Opfern gesprochen – aber von Opfern des Lobes. Nicht von Tieren, sondern vom Lob, das vom Opfer des Herrn Jesus spricht. Das ist es, was wir Gott darbringen: die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen.
Im nächsten Satz heißt es: „Das Wohltun aber und Mitteilen vergesst nicht, denn an solchen Opfern hat Gott Wohlgefallen.“
Im Zusammenhang mit der Anbetung wird hier das Spenden erwähnt, und zwar in zwei verschiedenen Formen. Wohltun wird im Neuen Testament zum Beispiel ausdrücklich in Verbindung mit armen Menschen verwendet, die in Not sind. Mitteilen ist der Ausdruck, der anderswo im Neuen Testament für Geben an Missionare gebraucht wird – für solche, die vollzeitlich im Werk des Herrn tätig sind.
Wir haben hier also einerseits den sozialen Aspekt in Verbindung mit der Evangeliumsverkündigung. Es ist ja nicht unser Auftrag, die Welt zu verbessern, aber wenn wir das Evangelium bringen, müssen wir auf die Nöte der Menschen achten. Darum heißt es: „Des Wohltuns und Mitteilens vergesst nicht!“
So versteht man auch, warum es an vielen Orten üblich wurde, am Tag des Herrn, wenn man sich zur Anbetung und zum Brotbrechen versammelt, auch Geld für missionarische Ziele und Zwecke zu sammeln.
Himmlische Anbetung als Vorbild
Zum Schluss möchte ich noch kurz in den Himmel gehen. Dort finden wir in Offenbarung 5 die 24 Ältesten, die alle entrückten Gläubigen symbolisieren. Wer das nicht glaubt, sei auf den Livestream verwiesen. Die vier Teile über die Offenbarung muss man gar nicht alle hören, sondern nur den Teil über Kapitel 4 und 5. Dort wird erklärt, wie man begründen muss, dass die 24 Ältesten die Gemeinde darstellen.
Ich lese aus Offenbarung 5, Vers 8, als Höhepunkt heute Abend: Johannes sieht den Herrn Jesus, das Lamm Gottes, im Himmel. Er nimmt das Buch mit den sieben Siegeln. Als er das Buch nahm, fielen die vier lebendigen Wesen – das sind die vier Cherubimengel um den Thron Gottes – und die vierundzwanzig Ältesten nieder. Die Ältesten tragen Priestergewänder, weiße Gewänder und goldene Kronen. Das sind also heilige und königliche Priester, die diese zwei Seiten des Priestertums in sich vereinen: Könige und Priester.
Die 24 Ältesten knien nieder vor dem Lamm. Jeder von ihnen hat eine Harfe und goldene Schalen voller Räucherwerk, welches die Gebete der Heiligen sind. Sie singen ein neues Lied: „Du bist würdig, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen, denn du bist geschlachtet worden und hast uns für Gott erkauft.“ So steht es im Mehrheitstext, die Masse der Handschriften bezeugt: „Du hast uns für Gott erkauft.“ Damit ist klar, dass die 24 Ältesten keine Engel, sondern erlöste Menschen sind.
„Du hast uns für Gott erkauft durch dein Blut aus jedem Stamm und jeder Sprache und jedem Volk und jeder Nation. Und hast sie unserem Gott zu einem Königtum und zu Priestern gemacht.“ Da haben wir es wieder: Königtum und Priestertum. Sie werden über die Erde herrschen.
Warum sagen sie „Sie“ und nicht „Wir“? Warum sagen sie nicht „Wir werden über die Erde herrschen“? Das ist für deutsche Pedantiker schwer zu verstehen. Die deutsche Sprache wurde im Lauf der Jahrhunderte sehr stark künstlich geschliffen. Es wurden Regeln aufgestellt, wie man Texte schreibt und wie nicht. Zum Beispiel beginnt man in der Grundschule nicht mit „und“ Sätze. Das gilt als schlechtes Deutsch. Aber in der Bibel steht oft: „Und Gott sprach“, „Und Gott sah“. Das ist im Hebräischen normal. Dort beginnt die Erzählung oft mit einem „W“ oder „Und“.
Im Deutschen hat man auch gelernt, dass man nicht plötzlich die Personen wechseln darf. Im Hebräischen ist das anders. Das Hohelied beginnt mit „Das Lied der Lieder von Salomo“ und heißt: „Er küsse mich“, spricht die Braut, die jung verheiratete Frau. Sie sagt: „Er küsse mich mit den Küssen seines Mundes, denn deine Liebe ist besser als Wein.“ Im selben Satz wechselt sie von „er“ auf „du“.
Hier in Offenbarung heißt es auch: „Du hast uns erkauft“ und „sie werden über die Erde herrschen“. Bei der Anbetung ist es wichtig: Es geht um den Herrn Jesus. Er sagt: „Tu dies zu meinem Gedächtnis“, nicht zu unserem Gedächtnis. Natürlich dürfen wir sagen: „Du hast uns erkauft“, aber es ist auch wichtig, dass wir immer wieder von uns wegschauen – einfach auf das, was er gemacht hat und wie er dadurch Gott verherrlicht hat.
Wie können wir wirkliche Anbetung lernen? Indem wir schauen, wie es einmal vollendet sein wird im Himmel. Das, was wir hier auf der Erde tun können, ist nur ein Vorgeschmack von dem, was einmal kommt, wenn alle Erlösten zusammen vereint sind und das Lamm Gottes in der Mitte des Thrones steht und angebetet wird.
Ab Vers 11 wird gesagt: „Und ich sah und hörte eine Stimme vieler Engel um den Thron her und um die lebendigen Wesen und die Ältesten. Ihre Zahl war zehntausend mal zehntausend – das sind Hunderte von Millionen – und tausend mal tausend – das sind Millionen – die mit lauter Stimme sprachen: ‚Würdig ist das Lamm, das geschlachtet worden ist, zu empfangen Macht und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Herrlichkeit und Segnung.‘“
Die Engelwelt im Himmel betet hier nicht den Vater, sondern den Sohn an. Es ist also Anbetung für den Vater und hier Anbetung für den Sohn. Auch die ganze Engelwelt tut das. Aber die Engelwelt hat einen Nachteil: Sie können nicht sagen: „Du hast uns erkauft durch dein Blut.“ Für die Engelwelt gibt es keine Erlösung.
Es gibt die, die ganz bewusst abgefallen sind, und das war definitiv ein Drittel, und die zwei Drittel, die geblieben sind und den Herrn anbeten. Diese Engel beten das Lamm, das geschlachtet worden ist, an. Die Engel sind heute schon an der Gemeinde interessiert.
In Epheser 3, Vers 10 heißt es, dass durch die Gemeinde den Fürstentümern und Gewalten in den himmlischen Örtern kundgetan wird die mannigfaltige Weisheit Gottes. Das bedeutet, die Engelwelt verfolgt uns, verfolgt auch die Gemeindezusammenkünfte – also im Sinne von Zuschauen.
In 1. Petrus 1 finden wir die Aussage, dass uns das Evangelium verkündigt worden ist und wie uns die Rettung geschenkt worden ist. Dann heißt es, dass Engel hineinzuschauen begehren. Ganz wörtlich heißt das Griechische dort: „indem sie lange Hälse machen.“
In 1. Korinther 4 sagt Paulus: „Wir sind der Welt ein Schauspiel geworden, sowohl Engeln als Menschen.“ Das heißt also, die Engelwelt beobachtet uns.
In diesem Zusammenhang muss man sehen, dass der Apostel Paulus sagt: „Jede Frau, die betet oder weissagt mit unbedecktem Haupt, entehrt ihr Haupt.“ Dann sagt er, sie soll sich bedecken „um der Engel willen.“ Die Engel sind interessiert – wie ist das? Engel hatten in ihrer Mitte ein großes Problem mit dem Thema Autorität. Darum kam es zum Fall. Einer wollte sein wie Gott, und andere sind ihm gefolgt.
Aber wie ist das jetzt bei erlösten Menschen? Anerkennen sie die Ordnung von Autorität, wie Gott das eingesetzt hat, zum Beispiel die Stellung von Mann und Frau? Darum sind die Engel interessiert. Sie kennen unsere Gedanken nicht, nur Gott weiß alles, was wir denken. Sie sind angewiesen auf äußere Zeichen. Deshalb heißt es „um der Engel willen.“
Die Engelwelt verfolgt uns, und das wird auch im Himmel so sein. Wir sind der innere Kreis: Um den Thron Gottes herum, das Lamm Gottes in der Mitte, und im äußeren Kreis dann Hunderte von Millionen Engeln, die auch anbeten. Aber sie haben nicht teil an der Erlösung.
Wir aber werden in Ewigkeit dem Herrn dafür danken, dass wir an seinem Erlösungswerk von Golgatha persönlichen Anteil haben. So muss man das sehen: Was wir hier auf der Erde tun können, ist alles nur ein Vorgeschmack auf diese ewige Anbetung, die alle Vorstellungen übersteigen wird.
Ausblick auf die Fortsetzung
Dann wollen wir nächstes Mal mit dem Thema Brotbrechen weitermachen, das unmittelbar mit der Anbetung verbunden ist.
Dabei kann ich auch noch einiges zusätzlich zur Anbetung sagen, insbesondere in Bezug auf das Brotbrechen.
Was lehrt die Bibel über das Abendmahl, das Brotbrechen und den Tisch des Herrn?