Einführung: Das zentrale Thema des Hebräerbriefes – Jesus im Blick
Das Thema des Hebräerbriefes lässt sich zusammenfassen mit: „Wir sehen Jesus.“ Dieses Motiv spielt in diesem Brief eine ganz zentrale Rolle.
Nicht nur in Hebräer 2,8 heißt es: „Wir sehen aber Jesus, der wegen des Leidens des Todes für kurze Zeit unter die Engel erniedrigt worden ist, mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt.“ Auch im dritten Kapitel werden wir dazu aufgerufen, ihn zu betrachten. Dort steht in Hebräer 3,1: „Daher, heilige Brüder, Genossen der himmlischen Berufung, betrachtet den Apostel und Hohenpriester unseres Bekenntnisses, Jesus.“
Auch in Kapitel 7, wo es um Melchisedek als Vorbild des Herrn Jesus geht, wird gesagt: „Schaut aber, wie groß dieser war, welchem selbst Abraham, der Patriarch, den Zehnten von der Beute gab“ (Hebräer 7,4). Auch hier wird die Aufforderung „Schaut!“ verwendet.
Besonders eindrücklich ist die Aufforderung in Kapitel 12, wo wir aufgerufen werden, hinzuschauen auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens. Dabei ist zu beachten, dass in all diesen Stellen im Griechischen jeweils ein anderes Wort für „sehen“ oder „schauen“ verwendet wird. Im Kapitel 12 wird sogar ein Wort benutzt, das wörtlich „wegschauend“ bedeutet. Es ist das typische griechische Wort, um auszudrücken, dass man ganz genau auf einen bestimmten Punkt schaut – also wegschauend von allem anderen auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens (Hebräer 12,2).
In Hebräer 12,3 heißt es weiter: „Denn betrachtet den, der so großen Widerspruch von den Sündern gegen sich erduldet hat, damit ihr nicht ermüdet, indem ihr in euren Seelen ermattet.“
Wir sehen also, dass sich das Motiv „Jesus sehen in seiner Herrlichkeit“ wie ein roter Faden durch den gesamten Brief zieht.
Ein anderer passender Titel für den Hebräerbrief wäre „Vom Schatten zur Wirklichkeit“. Es wird gezeigt, wie die Einrichtungen im Alten Testament Hinweise auf den kommenden Messias waren. Im Hebräerbrief wird aber deutlich gemacht, dass all diese Hinweise im Gesetz und im Alten Testament nur Schatten waren. Jetzt aber haben wir die Wirklichkeit.
Man kann es sich so vorstellen wie bei einem 3D-Körper, der einen Schatten wirft. Der Körper selbst ist etwas ganz anderes als nur das Schattenbild, das je nach Position verzerrt sein kann. Genauso zeigt der Hebräerbrief die Wirklichkeit hinter den Schattenbildern des Alten Testaments.
Die Botschaft des Hebräerbriefes lässt sich in wenigen Sätzen zusammenfassen: Das Neue, das der Messias Jesus eingeführt hat, steht erhaben über dem alten System des sinaitischen Gesetzes. Die Einrichtungen des Gesetzes waren nur eine umrissartige, schattenhafte Vorausdarstellung dessen, was der verheißene Erlöser einführen sollte. Nun, in der Botschaft...
Die Herausforderung für die jüdischen Christen und das Ziel des Briefes
Ein ganz wichtiger weiterer Aspekt ist, dass wegen des Drucks und der Verfolgung durch Volksgenossen gewisse jüdische Christen – heute wird eher der Ausdruck „messianische Juden“ verwendet – in Gefahr standen, Jesus als Messias wieder abzulehnen. Diese Christen hatten sich nur äußerlich bekehrt und drohten, in ein Judentum ohne Erfüllung durch den Messias Jesus zurückzukehren.
Dies würde katastrophale Konsequenzen haben, wie dieser Brief deutlich macht. Deshalb mussten diese Juden ermutigt werden, die Erhabenheit von Jesus Christus und seinem Werk zu erfassen. Sie sollten völlig zum echten Glauben und zur Wiedergeburt durchdringen. Es bestand also die Möglichkeit, dass manche zwar gläubig waren, sich aber doch noch nicht richtig bekehrt hatten.
Dieses Phänomen gibt es tatsächlich. Es ist vergleichbar mit dem Bild aus Lukas 8, dem vierfachen Ackerfeld. Der Same, der auf das steinige Land fällt, steht für jene, die das Wort mit Freuden aufnehmen. Für eine gewisse Zeit glauben sie, doch dann fallen sie ab. Das war jedoch nicht die gute Erde. Nur die auf der guten Erde sind die Wiedergeborenen.
Man kann also gläubig sein, ohne wiedergeboren zu sein. Interessant ist, dass in Lukas 8 gesagt wird, das Wort werde mit Freuden aufgenommen. Aber wo bleibt die Buße? Die wirkliche Sündenerkenntnis, Reue und Traurigkeit über den eigenen Zustand vor Gott sind natürlich die Basis für eine Wiedergeburt.
Die Gefahr bei diesen Hebräern, also Juden, die überzeugt waren, Jesus sei der Messias, bestand darin, dass sie wieder ins Judentum zurückgehen und Jesus doch als Messias ablehnen könnten. Sie mussten ermutigt werden, völlig zum echten Glauben und zur Wiedergeburt durchzudringen. Die übrigen, die schon wirklich bekehrt waren, sollten durch den Blick auf die Herrlichkeit Jesu ermutigt und angespornt werden, auf dem Weg bis zum Ziel durchzuhalten.
Autor, Adressaten und Zeitpunkt des Hebräerbriefes
Das führt uns nochmals zu dem Punkt Autor, Adressaten und Zeitpunkt. Ich werde jetzt nur einige Aspekte herausgreifen, nicht alles. Später komme ich noch einmal darauf zurück, wie gesagt.
Der Autor wird im Hebräerbrief gar nicht genannt. Ich lese Hebräer 1,1: „Nachdem Gott vielfältig und auf vielerlei Weise ehemals zu den Vätern geredet hat in den Propheten, hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet im Sohn, den er gesetzt hat zum Erben aller Dinge, durch den er auch die Welten gemacht hat, welcher die Ausstrahlung seiner Herrlichkeit und der Abdruck seines Wesens seiend und alle Dinge durch das Wort seiner Macht tragend, nachdem er durch sich selbst die Reinigung von den Sünden bewirkt hat, sich gesetzt hat zu Rechten der Majestät in der Höhe, indem er um so viel besser geworden ist als die Engel, als er einen vorzüglicheren Namen vor ihnen ererbt hat.“
In diesen Eingangsversen ist es ganz anders als in den Paulusbriefen. Dort wird meist der Apostel Paulus und Jesus Christus als Autor genannt, was hier nicht der Fall ist. Das Fehlen einer Autorennennung ist sehr ungewöhnlich, aber auch das hat eine Bedeutung. In der Bibel bedeutet nicht nur das, was geschrieben steht, etwas, sondern auch das, was nicht geschrieben steht.
In diesem Brief geht es besonders um die Herrlichkeit des Herrn Jesus. Deshalb wird niemand neben ihm erwähnt. Der Brief beginnt einfach mit seiner Herrlichkeit; der Autor tritt hier ganz bewusst in den Hintergrund.
Es ist so, dass Paulus diesen Brief geschrieben hat. Das wissen wir aus dem zweiten Petrusbrief. Dort sagt nämlich der Apostel der Beschneidung, der einen besonderen Dienst unter Juden hatte und ihnen den ersten und zweiten Petrusbrief geschrieben hat: In 1. Petrus 1,1-2 schreibt er an die, die in der Zerstreuung, griechisch Diaspora, von Pontus, Galatien, Kapadozien, Asia und Bithynien leben. Petrus schreibt also an Juden im Ausland, in der Diaspora, das ist der Fachausdruck für „Zerstreuung“, in verschiedenen Provinzen des heutigen Türkei-Gebiets.
In seinem zweiten Brief schreibt er ebenfalls an diese Juden. In 2. Petrus 3,1 heißt es: „Diesen zweiten Brief, Geliebte, schreibe ich euch bereits, in welchen beiden ich durch Erinnerung eure lautere Gesinnung aufwecke.“ Und an diese Juden in der Diaspora richtet er sich weiter in 2. Petrus 3,15: „Er achtet die Langmut unseres Herrn für Errettung, so wie auch unser geliebter Bruder Paulus nach der ihm gegebenen Weisheit euch geschrieben hat.“
Es muss also einen Brief geben, den Paulus als Rundschreiben an Juden geschrieben hat. Der Römerbrief passt dafür nicht, auch die Korintherbriefe nicht, ebenso wenig Galater, Epheser und die anderen Paulusbriefe. Die dreizehn Paulusbriefe im Neuen Testament passen alle nicht auf diese Beschreibung.
Es könnte sein, dass Paulus ihnen einen Brief geschrieben hat, der nur für sie bestimmt war und nicht als Wort Gottes für uns erhalten wurde. Aber lesen wir weiter: „Unser geliebter Bruder Paulus, nach der ihm gegebenen Weisheit, hat euch geschrieben.“ Wie auch in allen Briefen, wenn er von diesen Dingen redet, die schwer zu verstehen sind, macht das Mut. Denn der Apostel Petrus sagt sogar, dass Paulus’ Briefe schwierig sind und von Unwissenden und Unbefestigten verdreht werden, wie auch die übrigen Schriften, und zwar zu ihrem eigenen Verderben.
Hier spricht Petrus nicht nur von diesem Brief an die Juden, also an die Hebräer. Er sagt überhaupt, dass in allen Paulusbriefen diese Schwierigkeit besteht. Die Unwissenden und Unbefestigten verdrehen sie, ebenso wie die übrigen Schriften. Die „Schriften“ sind die Bücher, die zum Kanon gehören, also die inspirierten Schriften.
Petrus spricht also nur von inspirierten Briefen. Und in diesem Zusammenhang erwähnt er einen Brief, den Paulus an die Hebräer geschrieben hat, an Juden, und zwar nach der ihm gegebenen Weisheit. Wir werden sehen, dass diese Weisheit im Hebräerbrief ganz besonders zum Ausdruck kommt.
Petrus sagt, Paulus habe euch geschrieben, damit ihr die Langmut unseres Herrn für Errettung achtet. Genau das ist das Thema des Hebräerbriefes. Es gab unter den Hebräern solche, die ermutigt werden mussten, um voll zur wirklichen Bekehrung durchzudringen, damit sie errettet werden.
Wie oft steht im Hebräerbrief: „Heute, wenn ihr seine Stimme höret, verhärtet eure Herzen nicht.“ Und immer wieder: „Heute, wenn ihr seine Stimme höret!“
Das ist genau das Thema des Hebräerbriefes: Gott ist langmütig und gibt euch die Gelegenheit, dass alle errettet werden. Dabei geht es darum, ganz durchdringend zu glauben und nicht abzufallen, wie die in Lukas 8, die auf steinigem Boden gesät sind, eine Zeitlang glauben und dann abfallen, wenn Verfolgung kommt.
Genau das hatten die Hebräer: Verfolgung von Volksgenossen, die diese messianischen Juden ablehnten.
Das ist das Thema, und Petrus sagt: „Unser geliebter Bruder Paulus hat euch geschrieben.“ Es ist natürlich auch schwierig, und das wird von Unwissenden und Unbefestigten verdreht. Diese Gefahr besteht im Prinzip für alle biblischen Schriften.
Die Autorenschaft des Hebräerbriefes und seine Einordnung in den Kanon
Welches Bibelbuch, das von Paulus geschrieben wurde, spricht von der Langmut des Herrn, die eine Chance zur Errettung bietet? Genau, das ist der Hebräerbrief. Interessant ist die Papyrushandschrift P46, eine der ältesten Handschriften des Neuen Testaments. Sie umfasst alle Paulusbriefe. Heute sind noch etwa 80 Prozent des Textbestandes erhalten. Diese Sammlung wird allgemein auf circa 200 nach Christus datiert.
Vor vielen Jahren veröffentlichte ein Koreaner namens Kim in der wissenschaftlichen Zeitschrift Biblica Nr. 69 eine ausführliche Arbeit. Darin versuchte er zu belegen, dass diese Handschrift auf das erste Jahrhundert, genauer gesagt zwischen 75 und 100 nach Christus, datiert werden kann. Das führte zu heftigen Diskussionen in der wissenschaftlichen Literatur der folgenden Jahre. Viele wollten zeigen, dass Kim völlig danebenlag und das üblicherweise akzeptierte Datum von circa 200 nach Christus korrekt sei.
In neuerer Zeit hat jedoch auch Karl Jarosch diese Datierung auf das erste Jahrhundert erneut vertreten. Ich habe seine Arbeit hier angegeben: Karl Jarosch, Die ältesten griechischen Handschriften des Neuen Testaments, bearbeitete Edition und Übersetzung, Köln, Weimar, Wien 2014. Er setzt sich wieder für eine Datierung im ersten Jahrhundert ein.
Warum erwähne ich das? In dieser Sammlung der Paulusbriefe ist der Hebräerbrief nach dem Römerbrief und vor dem ersten Korintherbrief eingeordnet. Das deutet darauf hin, dass spätestens um 200 nach Christus in Ägypten die Überzeugung bestand, Paulus sei der Autor des Hebräerbriefes. Akzeptiert man die frühere Datierung von 75 bis 100 nach Christus, wird das Argument noch gewichtiger: Diese Christen in Ägypten wussten im ersten Jahrhundert, dass Paulus der Verfasser war.
In der Ostkirche, also im östlichen Teil des Römischen Reiches, war man von Alters her überzeugt, dass Paulus der Autor des Hebräerbriefes ist. Die Zweifel an Paulus als Verfasser sind vor allem eine Erscheinung des Westens. Die östliche Tradition geht seit jeher auf das Zeugnis von Paulus zurück. Das ist auch der Grund, warum der Hebräerbrief in den Kanon der inspirierten Bücher aufgenommen wurde. Es wurde nur solchen Büchern zugestimmt, deren apostolische Herkunft hieb- und stichfest nachweisbar war. Diese Bücher mussten von einem der Zwölf Apostel, von Paulus oder von einem Propheten stammen, der durch die Apostel anerkannt wurde. Beispiele dafür sind Markus, Verfasser des Markus-Evangeliums, Lukas mit seinem Evangelium, sowie Judas und Jakobus, die Halbbrüder des Herrn, welche den Judas- beziehungsweise den Jakobusbrief geschrieben haben.
Der Schreiber des Hebräerbriefes war ein Jude. Das wird deutlich in Kapitel 1, wo es heißt: Nachdem Gott vielfach und auf vielerlei Weise ehemals zu den Vätern geredet hat, hat er am Ende dieser Tage durch den Sohn zu uns gesprochen, zu uns Juden. Er gehörte nicht zum engsten Kreis der ersten Jünger. Das zeigt sich in Vers 3, wo vom Herrn Jesus gesprochen wird, der das Evangelium verkündigt hatte. Dort heißt es: Wie werden wir entfliehen, wenn wir eine so große Errettung vernachlässigen, die den Anfang ihrer Verkündigung durch den Herrn empfangen hat und uns von denen bestätigt worden ist, die es gehört haben.
Der Schreiber des Hebräerbriefes war also nicht einer der Ersten, die das Evangelium gehört haben, wie zum Beispiel die zwölf Apostel. Er hat es aber von denen gehört. Das passt gut zu Paulus. Außerdem war er ein Bekannter und Gefährte von Timotheus, wie aus Hebräer 13, Vers 23 hervorgeht. Er sendet Grüße aus Italien (Hebräer 13, Vers 24). Das weist darauf hin, dass dieser Brief in Rom geschrieben wurde, vermutlich während Paulus’ zweijähriger Gefangenschaft dort. Die Apostelgeschichte endet mit diesen zwei Jahren in Rom. In dieser Zeit hat Paulus nicht nur die Briefe an die Epheser, Kolosser, Philipper und Philemon geschrieben, sondern auch den Hebräerbrief.
In der Kirchengeschichte wurden verschiedene Verfasser vorgeschlagen. Die wichtigsten Vorschläge waren Barnabas oder Paulus. Barnabas ist jedoch eine reine Vermutung, die nicht so viele gewichtige Argumente vorweisen kann wie Paulus. Paulus wird sogar innerbiblisch durch den zweiten Petrusbrief bestätigt. Dort heißt es, es gibt einen Brief an die Hebräer von Paulus, der zu den Schriften gehört und das Thema behandelt, die Langmut des Herrn für die Errettung zu achten.
So lässt sich der Hebräerbrief verstehen und erklären, warum er eine so gewaltige Weisheit aufweist, wie sie insbesondere der Apostel Paulus von Gott empfangen hatte. Der Brief erwähnt Paulus zwar nicht namentlich. Warum? Paulus war nicht Apostel für die Juden. Galater 2 macht das klar. Petrus und Johannes gaben ihm die Hand; auch Jakobus war beteiligt. Sie hatten den Auftrag speziell unter den Juden, unter der Beschneidung zu wirken. Paulus hingegen hatte einen besonderen Auftrag für die Heiden, die „Vorhaut“. Dennoch wurde ihm aufgetragen, auch für die Juden zu sorgen.
Dies lässt sich in Galater 2, Vers 7 nachlesen: „Im Gegenteil, als sie sahen, dass mir das Evangelium der Vorhaut anvertraut war, also das Evangelium für die, die Vorhaut haben, das sind Heiden, wie Petrus für die Beschneidung, denn der, der in Petrus für das Apostelamt der Beschneidung wirkte, wirkte auch in mir in Bezug auf die Nationen.“ Als sie die Gnade erkannten, die Paulus gegeben war, gaben Jakobus, Kephas und Johannes, die als Säulen angesehen wurden, ihm und Barnabas die Rechte der Gemeinschaft, damit sie unter die Nationen gingen, während die anderen unter die Beschneidung gingen. Nur sollten sie der Armen gedenken, was Paulus auch gewissenhaft tat.
Im Römerbrief und im zweiten Korintherbrief wird deutlich, dass Paulus sich besonders um die Armen unter den Juden kümmerte. Es gab Sammlungen unter den Nationen für die Armen unter den Juden. In Römer 1, Vers 16 sagt Paulus: „Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn es ist Gottes Kraft zum Heil jedem Glaubenden, sowohl dem Juden zuerst als auch dem Griechen.“ Hier wird klar, dass es eine Priorität in der Evangeliumsverkündigung gibt: die Judenmission.
Das ist von großer Bedeutung, denn es gibt Menschen, die Judenmission ablehnen. Manche Gläubige meinen, man solle warten, bis Gott selbst sein irdisches Volk zum Ziel führt. Das ist jedoch falsch. Ich spreche hier nicht einmal von der EKD in Deutschland, die sogar messianische Juden ablehnt und jegliche Mission unter Juden von hohen Stellen her ablehnt. Paulus sagt jedoch klar: Priorität hat der Jude zuerst, dann der Grieche.
Das zeigt sich auch in der Apostelgeschichte, besonders in den vier Missionsreisen. In Apostelgeschichte 13 sucht Paulus, wo immer er hinkommt, zuerst die Synagoge auf. Gibt es keine Synagoge, sucht er wenigstens einen jüdischen Frauengebetskreis, wie in Philippi. Dort findet Paulus jeweils einen Brückenkopf, um von dort aus das Evangelium zu den Nichtjuden zu bringen. Er handelte so bewusst und hatte deshalb ein besonderes Anliegen im Blick auf das jüdische Volk.
In Römer 9 drückt Paulus einen ständigen Schmerz aus, der durch sein Innerstes geht, weil er möchte, dass seine Brüder nach dem Fleisch den Messias erkennen. Dieses Anliegen zeigt sich auch in der Abfassung des Hebräerbriefes. Paulus hatte ein ganz besonderes Anliegen in Bezug auf das jüdische Volk, war aber kein Apostel der Juden. Deshalb erwähnt er sich hier nicht als Paulus, Apostel, sondern beginnt mit dem Herrn Jesus.
Er nennt Jesus, wie in keinem anderen Brief, Apostel, also Gesandter (Hebräer 3, Vers 1): „Da hier, heilige Brüder, Genossen der himmlischen Berufung, betrachtet den Apostel und Hohenpriester unseres Bekenntnisses.“ Apostel hat hier eine ganz andere Bedeutung. Jesus ist der Sohn Gottes, der Gesandte des Vaters, als Messias in die Welt gekommen. Deshalb kann Paulus seine eigene Bezeichnung als Apostel hier nicht erwähnen – das wäre unpassend.
Das hat eine besondere Bedeutung: Paulus beginnt ohne seinen Namen zu nennen, dafür aber mit der Herrlichkeit des Messias Jesus. Typisch für diesen Brief ist auch die wiederholte Aufforderung „Lasst uns, lasst uns, lasst uns.“ Diese Sprache ist nicht typisch für einen Apostel, der oft klare Befehle gibt. In anderen Briefen befiehlt Paulus beispielsweise: „Ich will, dass die Männer an jedem Ort beten“ (1. Timotheus 2, Vers 8). Hier aber sagt er „lasst uns“. Er tritt nicht als Apostel gegenüber dem jüdischen Volk auf, sondern als Lehrer. Ein Lehrer ermutigt und schließt sich selbst mit ein.
Im Hebräerbrief wird ein besonders schönes literarisches Griechisch verwendet. Paulus konnte sehr unterschiedlich sprechen, je nach Gruppe, zu der er redete. Zum Beispiel in der Rede auf dem Areopag in Athen fällt im Griechischen eine Konzentration von Optativformen auf. Der Optativ ist eine spezielle Verbform im Altgriechischen, die in der gesprochenen Sprache vor zweitausend Jahren sehr selten verwendet wurde. Solche Formen wurden in gehobenem oder schönem Griechisch verwendet.
In Athen sprach Paulus so, dass sich die Athener wohlfühlten. Es war keine Rhetorik, um die Leute einzulullen, sondern eine Sprache, die der jeweiligen Personengruppe entsprach. Im Hebräerbrief wird ein schönes literarisches Griechisch verwendet, das stark von der griechischen Übersetzung der Septuaginta geprägt ist. Die Septuaginta ist die älteste griechische Übersetzung des Alten Testaments, die im dritten Jahrhundert vor Christus von Juden in Alexandria angefertigt wurde. Das zeigt, dass der Verfasser des Hebräerbriefes im Judentum wirklich zu Hause war.
Damit haben wir im Neuen Testament vierzehn Paulusbriefe, zweimal sieben. Daneben gibt es sieben weitere Briefe der Apostel und Propheten, insgesamt also 21 Briefe. Es ist also keine zufällige Zahl: dreizehn Paulusbriefe, einer unbekannter Verfasser, und sieben weitere Briefe. Es sind wirklich zweimal sieben und sieben. Diese Gruppe der einundzwanzig Briefe wurde vom Herrn Jesus in Johannes 16 angekündigt: „Der Heilige Geist, wenn er kommt, wird er euch in die ganze Wahrheit führen.“ Das hat sich besonders mit den Lehrbriefen des Neuen Testaments erfüllt, zu denen auch der Hebräerbrief gehört.
Die Vielfalt der Offenbarung Gottes und der Übergang zum Sohn
Ja, und nach dieser Einleitung – ich gebe zu, die Einleitung war jetzt ziemlich lang – tröste ich mich immer mit dem Buch der Sprüche. Dort gibt Salomo zuerst eine Einleitung von neun Kapiteln, und dann beginnt der Hauptteil ab Kapitel zehn.
Kapitel eins: Ich lese nochmals: „Nachdem Gott vielfältig und auf vielerlei Weise ehemals zu den Vätern geredet hat in den Propheten.“ Im Griechischen ist das so schön formuliert, wir haben fünfmal den Buchstaben Pi. Das ist schon ein besonderer Buchstabe, ja? P, so ein explosiver Laut, ja? P, Pi. Und das liest sich also als Stabreim. Ein Stabreim ist zum Beispiel etwas ganz Profanes: Mann und Maus. Mann beginnt mit M und Maus beginnt mit M – das ist ein Stabreim. Mann und Maus, Haus und Hof – das ist ein Stabreim, H und H, Haus und Hof.
Und hier: „Polymeros, kaipolytropos, palai, hotäus lalesas, teus patrasin, enteus prophetais.“ Das habe ich hier auf dem Skript wörtlich übersetzt mit „vielfach und vielfältig“. Ehemals hat Gott gesprochen zu den Vätern durch die Propheten. Es geht fast auf Deutsch, dreimal habe ich V, aber leider kann man „ehemals“ nicht „vehemals“ sagen, und „Propheten“ nicht „Propheten“. Darum habe ich es so unterstrichen. Jedes Mal Pi: vielfach und vielfältig.
Also ein ganz erhabener Beginn. Er spricht nicht von sich, wie Paulus dem Kleinen, nein, er spricht gar nicht von sich, sondern nur von dem Herrn Jesus. Und zwar, indem er einen Rückblick macht auf das Alte Testament, wie Gott eben in früheren Zeiten des Alten Testaments gesprochen hat. Und zwar zwei Dinge: vielfach – das heißt, zu so vielen Gelegenheiten hat Gott gesprochen, sich geoffenbart. Und vielfältig – das heißt, Gott hat auf ganz verschiedene Arten gesprochen.
Er hat gesprochen durch Träume, durch Visionen, aber auch durch Lieder. David war am Ende seines Lebens, in 2. Samuel, der Geist Gottes hat seine Psalmen inspiriert. Und Gott hat durch diese Lieder direkt gesprochen. Dann auch durch Erzählungen, nicht wahr? Das erste Buch Mose erzählt, wie die Welt entstanden ist, die Erschaffung der ersten Menschen und die nächsten Generationen bis zur Sintflut, dann bis Abraham und schließlich die Josefsgeschichte, bis wir in Ägypten ankommen. Das ist Erzählung, aber Gott hat sich durch diese Erzählung geoffenbart – eine ganz andere Art als Träume oder Visionen.
Dann auch durch Sprüche. Man denkt speziell an das Buch der Sprüche, aber viele Sprüche gibt es auch in anderen Büchern. Dann auch Gedichte, Prophezeiungen – Jesaja zum Beispiel hat 66 Kapitel, aber das meiste sind Prophezeiungen. Und an Belehrungen: Man denkt an all die Belehrungen im fünften Buch Mose, wo Mose als Lehrer des Volkes spricht, oder das Buch Prediger, wo Salomo als alter Mann das Volk belehrt und sagt: „Wiederholt nicht meine Fehler, die ich gemacht habe in meinem Leben.“ Da trat er auf als Prediger, als Lehrer. Und viele weitere Arten.
Das ist diese Vielfalt der Heiligen Schrift. Also Gott hat nicht nur oft gesprochen, sondern auch ganz vielfältig. Ja, ehemals zu den Vätern, zu den Vorfahren, und das geschah durch die Propheten.
Aber, sagt der Hebräerbrief, dann kam die totale Wende: Gott hat gesprochen am Ende dieser Tage im Sohn. Ich habe hier auf dem Skript vermerkt: Es heißt ja, Gott hat durch die Propheten geredet, griechisch dia, das bedeutet hier, sie waren Werkzeuge, das Mittel, das Sprachrohr. Aber wenn es um den Sohn geht, dann sagt der Hebräerbrief, Gott hat im Sohn geredet, enhyo. Und das ist ganz wichtig: Der Sohn war nicht einfach das Mittel, das Sprachrohr, sondern Gott hat im Sohn, das heißt in der Person des Sohnes gesprochen – also nicht nur durch ihn.
Es ist auch absolut bemerkenswert, dass der bestimmte Artikel vor „Sohn“ im Griechischen fehlt. Das heißt, er hat gesprochen im Sohn, nicht in dem Sohn, sondern in Sohn – ganz wörtlich, in Sohn. Durch den fehlenden Artikel wurde im Griechischen oft der Inhalt, das Wesen hervorgehoben und betont: Im Sohn hat er gesprochen. Also nicht durch Propheten, es ist nicht einfach ein Prophet mehr, sondern jetzt hat Gott in der Person des Sohnes zu uns gesprochen.
Nicht der Vater ist gekommen, nicht der Heilige Geist ist gekommen, sondern der Sohn ist gekommen, um zu uns zu sprechen.
Und nun ist es ganz wichtig: Es heißt hier, er hat zu uns geredet am Ende dieser Tage. Wieder ein Beispiel, um zu zeigen, wie wichtig es ist, dass man die Bibel genau liest. Manche sagen: „Seht ihr, Endzeit, das ist nicht erst heute, Endzeit ist schon seit zweitausend Jahren.“ Die Endzeit hat begonnen mit dem, was Jesus Christus vor zweitausend Jahren kam.
Hier steht ja „Am Ende der Tage“. Und wirklich, im Alten Testament ist „am Ende der Tage“ ein ganz typischer Ausdruck für die Endzeit. Schlagen wir mal auf Hesekiel 38. Dort wird Gog und Magog beschrieben, der endzeitliche Feind, der aus dem Norden Israel angreifen wird, und zwar aus dem äußersten Norden. Von Israel aus gesehen ist das Russland. Man kann mit dem Finger von Jerusalem aus nach oben gehen, dann kommt man bei Moskau durch und weiter bis zum Nordpol. Dort wohnt niemand. Das letzte Land ist Russland.
„Und Rosch kommt aus dem äußersten Norden“, sagt Hesekiel 38, und wann werden die angreifen? Im Vers 16 heißt es:
„Und du wirst, du Rosch, wieder mein Volk Israel hinaufziehen wie eine Wolke, um das Land zu bedecken. Am Ende der Tage wird es geschehen, dass ich dich heranbringen werde, wieder mein Land, auf das die Nationen mich erkennen, wenn ich mich an dir, Gok, vor ihren Augen heilige.“
Ja, also in der Endzeit wird dieser Angriff kommen. Das ist ja noch nicht erfüllt, Hesekiel 38, 39. Und alle, die glauben, dass wir in der Endzeit leben, wissen: Dieser Angriff von Russland aus dem äußersten Norden wird in der Zukunft noch eine wichtige Rolle spielen.
Nun, wir leben in der Endzeit, aber manche sagen: „Ach was, wir leben in der Endzeit seit zweitausend Jahren!“ Und der Hebräerbrief sagt das klar.
Ja, aber „am Ende der Tage“ bedeutet immer diese besonderen Ereignisse, gerade im Zusammenhang mit der Wiederkunft Christi. Noch eine Stelle: Daniel 8. Echt wahr, da haben wir auch wieder diesen Ausdruck in Vers 17:
„Und er trat an den Ort, wo ich stand, und als ihr Herr zutrat, erschrak ich und fiel nieder auf mein Angesicht, und er sprach zu mir: Merke auf, Menschensohn, denn das Gesicht geht auf die Zeit des Endes.“
So erfahren wir, dass auch der Prophet Daniel schließlich auf die Endzeit eingeht.
Ja, was ist Endzeit? Endzeit ist seit 2000 Jahren, und der Hebräerbrief macht das uns klar.
Dann muss man sagen: Jetzt lest die Bibel genau. Hier steht nicht: Er hat zu uns geredet am Ende der Tage, sondern am Ende dieser Tage. Um welche Tage geht es? Diese lange Zeit, in der Gott vielfach und auf vielfältige Weise zu den Vätern geredet hat, in den Propheten – das ist das Alte Testament.
Und am Ende dieser Tage des Alten Testaments hat Gott durch den Messias Jesus, den Sohn Gottes, zu uns geredet. Nicht die Endzeit hat begonnen, sondern das Alte Testament ist abgeschlossen. Das ist der Punkt.
Das „Ende dieser Tage“ meint die Tage, in denen die Propheten im Alten Testament geredet haben. Diese Epoche ist abgeschlossen mit dem Kommen des Messias.
Und Römer 10,4 sagt: „Christus ist des Gesetzes Ende jedem Glaubenden zur Gerechtigkeit.“
Also genau, sorgfältig lesen.
Und diese Stellen im Alten und Neuen Testament, die von der Endzeit sprechen, meinen wirklich die Endzeit. Das können wir anhand verschiedener Stellen ganz klar im Text belegen. Das ist die Zeit, in der das jüdische Volk heimkehrt aus allen Völkern.
Nochmals Hesekiel 38: Gog wird in der Endzeit, am Ende der Tage, Israel angreifen. Und was wird das für eine Epoche sein? Schauen wir mal.
Hesekiel 38, Vers 8: „Nach vielen Tagen sollst du heimgesucht werden, am Ende der Jahre sollst du in das Land kommen, das vom Schwert wiederhergestellt, das aus vielen Völkern gesammelt ist, auf die Berge Israels, welche beständig verödet waren. Und es ist herausgeführt aus den Völkern.“
Aha, also der Angriff von Russland wird in einer Zeit sein, in der das jüdische Volk aus vielen Völkern nach Hause kehrt. Und das ist in unserer Zeit geschehen.
Seit 1882 sind Juden aus 130 – es gibt sogar, sollen sie sagen, 140 verschiedenen Ländern aus allen fünf Kontinenten millionenfach zurückgekehrt ins Land der Vorfahren. Und in der Zeit davor war das Land eine Wüste, genau wie es hier heißt: die Berge Israels, welche beständig verödet waren.
Dann steht weiter: „Sie werden gesammelt auf die Berge Israels.“ Nun, die Berge Israels befinden sich zur Hauptsache in der sogenannten Westbank, im Westjordanland. Das ist das sogenannte besetzte Gebiet. Die UNO sagt, Juden haben dort nichts verloren.
Aber seit 1967, seit dem Sechstagekrieg, als die Araber Israel zum zweiten Mal versuchten, auszurotten, hat Israel die Westbank, das Westjordanland, erobert – mit diesen Bergen.
Dann hat die israelische Regierung gesagt: Juden sollen dort Siedlungen gründen. Wir werden schon Land den Arabern zurückgeben, Land für Frieden, um mit ihnen einen Deal auszuhandeln, aber wir werden nie mehr alles zurückgeben, denn das wäre ja Selbstmord.
Strategisch braucht man die Berge Israels in der Westbank, um Israel überhaupt verteidigen zu können. Denn das Land Israel ist sonst ein ganz schmaler Streifen vom Mittelmeer bis zur Westbank im Westen. Dort ist man in kürzester Zeit mit einer Armee durch bis zum Mittelmeer.
Man braucht, man sagt, strategische Tiefe. Darum wurde gesagt: Geht in die Westbank, gründet Siedlungen. Und da wurden ganz viele strategische Siedlungen gegründet und besiedelt.
Und da steht: aus vielen Völkern gesammelt auf die Berge Israels, welche beständig verödet waren. Heute wohnen Hunderttausende von Israelis auf diesem Gebiet, der sogenannten Westbank.
Das war das Herzland Israels im Alten Testament übrigens. Dort befinden sich all die wichtigen Städte wie Jerusalem, Bethlehem, Hebron, Sichem und Shiloh und so weiter.
Ja, also Endzeit ist wirklich die Zeit, in der das jüdische Volk zurückkehrt, und zwar insbesondere auf die Berge Israels zurückkehrt.
Aber vor zweitausend Jahren war das nicht diese Art von Endzeit, sondern das Ende der alttestamentlichen Zeit.
Insofern: Endzeit des Alten Testaments.
Die sieben Herrlichkeiten des Messias im Hebräerbrief
Ja, gehen wir weiter. Wenn hier Jesus als Sohn Gottes vorgestellt wird, der das Alte Testament abgeschlossen und zum Höhepunkt geführt hat, dann werden sieben Herrlichkeiten seiner Person vorgestellt.
An dieser Stelle muss ich noch etwas Wichtiges erklären. Manche denken, das geht ja gar nicht. Ihr sprecht davon, dass durch den Messias alles so anders geworden ist im Vergleich zum Alten Testament. Das sei quasi ein Verwerfen des Alten Testaments. Das ist überhaupt nicht der Fall. Der Hebräerbrief zeigt, dass das Alte Testament hundertprozentig Bestand hat. Es weist in all seinen Schattenbildern auf Jesus Christus hin, und er ist jetzt gekommen, um die Erfüllung zu bringen. Diese Schattenbilder brauchen wir unbedingt, um die Wirklichkeit verstehen zu können. Genau das erklärt uns der Hebräerbrief, wie wichtig das Alte Testament ist.
Im Alten Testament wurde gesagt, dass Gott einmal einen neuen Bund machen wird. Das war schon klar, alttestamentlich, nämlich in Jeremia 31,31. Wenn Gott von einem neuen Bund spricht, von einem neuen Testament, dann muss das eine große Bedeutung haben. Das Alte Testament kann also nicht das Letztliche sein, sondern war ein Hinweis auf das, was der Messias einmal bringen würde.
Ganz wichtig: Im rabbinischen Kommentar Kohelet zum Buch Prediger, einem wichtigen mittelalterlichen Kommentar, steht, dass die Tora, die wir heute lernen, nicht mit der Tora vergleichbar ist, die der Messias uns einmal bringen wird. Interessant: Im Judentum selbst war die Erwartung, dass der Messias eine neue Tora bringt, auf einer höheren Stufe – also die Erfüllung, nicht nur das Schattenbild.
Das wertet das Alte Testament nicht ab, sondern macht klar, dass all diese Hinweise und Schatten auf den Messias verwiesen, der einmal die Erfüllung bringen würde. Das zeigt uns gerade der Hebräerbrief.
Nun werden uns sieben Herrlichkeiten des Herrn Jesus vorgestellt. Erstens haben wir gelesen in Vers 2, dass er zum Erben aller Dinge gesetzt wurde. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass der Messias als Mensch alles erben wird. Was heißt alles? Alles heißt wirklich alles. So einfach. Nicht nur das Land Israel, sondern die ganze Erde. Nicht nur die ganze Erde, sondern auch das gesamte Universum. Und nicht nur das Diesseits, sondern auch das Jenseits. Er nimmt alles in Besitz – aber wichtig: als Mensch.
Wir werden gleich sehen, dass er auch der Schöpfer ist – das ist die zweite Herrlichkeit, die hier erwähnt wird. Vers 2 sagt: „Den er gesetzt hat zum Erben aller Dinge, durch den er auch die Welten gemacht hat.“ Also er ist der Schöpfer. Als Schöpfer gehört ihm sowieso alles, aber hier wird betont, dass er als Mensch der Erbe aller Dinge ist. Das ist ein sehr wichtiger Punkt: Der Sohn Gottes wurde ein wirklicher Mensch. Das Alte Testament machte klar, dass der Messias ein richtiger Mensch sein würde.
Jesaja 9,6 sagt: „Ein Kind ist uns geboren.“ Das macht klar, dass der Messias, von dem die Rede ist, geboren wird. Danach heißt es, man nennt seinen Namen „Wunderbarer Berater, Starker Gott, Vater der Ewigkeit, Fürst des Friedens“ – vier Doppelnamen. Das ist der Messias. Das haben auch die Rabbiner früher gelehrt. Dort heißt es: „Ein Kind ist uns geboren.“ Er würde also als richtiger Mensch in die Welt kommen, aber gleichzeitig Gott sein. Denn der zweite dieser vier Doppelnamen aus Jesaja 9,6 lautet „El Gibbor“, starker Gott.
Gottheit und Menschheit des Messias gehören unzertrennlich zusammen. Aber wir können sie unterscheiden. Er ist Gott und Mensch in einer Person, nicht zwei Personen. Es ist eine Einheit, aber wir müssen es doch unterscheiden und betonen. Zum Beispiel: Am Kreuz ist der Herr Jesus als Mensch gestorben. Gott kann nicht sterben, Gott ist unsterblich, sagt 1. Timotheus 6,16. Aber als Mensch konnte er sterben, als Mensch ist er wieder auferstanden, als Mensch aufgefahren und hat sich als Mensch zur Rechten Gottes gesetzt. Genau darauf kommen wir noch.
So hat er als Mensch das Anrecht auf die ganze Schöpfung erhalten. Dann wird als zweite Herrlichkeit erklärt: Natürlich gehört ihm als Gott sowieso schon alles. Darum wird gesagt, er ist der Schöpfer, „durch den er auch die Welten gemacht hat“. In 1. Korinther 8,6 lesen wir: „Für uns ist ein Gott, der Vater, von welchem alle Dinge sind, und wir für ihn, und ein Herr, Jesus Christus, durch welchen alle Dinge sind, und wir durch ihn.“
Hier wird der Unterschied gemacht: Alles kommt von Gott, dem Vater, aber alles ist gemacht durch den Herrn Jesus Christus. Das bedeutet, die Pläne kommen vom Vater, und der Sohn war der Ausführende in der Schöpfung.
Das ist in Übereinstimmung mit Johannes 1,1, wo Johannes sein Evangelium so eröffnet: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. Alles wurde durch dasselbe, und ohne dasselbe wurde auch nicht eines, das geworden ist.“
Hier wird der Herr Jesus als das Wort bezeichnet, das erkennen wir klar. In Vers 14 heißt es dann: „Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns, und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“ Das Wort ist Jesus Christus.
„Im Anfang war das Wort“, nicht „wurde das Wort“, sondern „war“ – als Durativ, also fortdauernd. Er war am Anfang schon da. Das Wort war bei Gott, was die Gemeinschaft zwischen Sohn und Vater zeigt. Und dann wird erklärt: „Und das Wort war Gott.“ Der Sohn ist Gott, so wie der Vater.
„Dieses war am Anfang bei Gott.“ Und jetzt kommt es: „Alles wurde durch dasselbe“ – oder man kann auch übersetzen: „Alles kam durch dasselbe ins Dasein.“
Zeugen Jehovas, die einen anderen Jesus verkündigen, sagen, Jesus sei der Engel Michael, der Mensch geworden sei. Darum dürfe man auch nicht zu Jesus Christus beten, das wäre Götzendienst. Sie sagen, Jesus Christus habe alles erschaffen, er sei der Werkmeister nach Sprüche 8, aber er selbst sei die erste Schöpfung Jehovas gewesen. Jehova wäre Gottvater nach ihrer Erklärung. Er habe den Sohn erschaffen, und dann habe der Sohn alles Weitere erschaffen.
Was steht hier? „Alles kam ins Dasein durch dasselbe, durch das Wort.“ Nun sagen sie: „Ja, natürlich, alles – außer Jesus Christus natürlich.“ Er sei die erste Schöpfung, und dann sagen sie aber: „Alles heißt doch alles.“ Ja, aber nicht immer. Manchmal braucht man „alles“ im Sinn von „fast alles“. Das hat schon etwas für sich. Zum Beispiel heißt es in Römer 3,22-23: „Alle haben gesündigt und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes.“ Aber es gibt einen Menschen, der nie gesündigt hat: den Herrn Jesus.
Darum schreibt Johannes dort kein Ende des Satzes. Er sagt: „Alles kam ins Dasein durch dasselbe, und ohne dasselbe kam auch nicht eines ins Dasein, das ins Dasein gekommen ist.“ So haben wir es. Hier erklärt er, wie einst in einem amerikanischen Gerichtsfall, wo das Wort „alles“ definiert werden sollte, und die Richter sagten: „The word all includes everything but excludes nothing.“ Das Wort „alles“ schließt jedes Ding ein und kein Ding aus.
Da haben Sie es mathematisch formuliert. In der Alltagssprache ist „alles“ nicht immer mathematisch zu verstehen. Es ist wichtig: Sprache ist nicht einfach gleich Mathematik. Aber wenn es nötig ist, ganz eindeutig zu sein, kann man Sprache auch mathematisch formulieren.
Das erklärt, warum das Johannesevangelium eigentlich so einfach geschrieben ist, mit nur 800 Wörtern. Ja, mit 800 Wörtern kommt das Evangelium aus. So kompliziert: „Alles kam durch dasselbe ins Dasein, und ohne dasselbe kam auch nicht eines ins Dasein, das ins Dasein gekommen ist“, um wirklich zu sagen: Hier bedeutet „alles“ wirklich alles. Alles ist eingeschlossen, nichts ausgeschlossen.
Wenn Jesus Christus die erste Schöpfung Jehovas wäre, dann gäbe es ein Ding, das ins Dasein gekommen ist ohne ihn. Aber das gibt es nicht! Damit ist klar: Er ist absolut ewig, und darum bezieht sich der Name Jahwe auf ihn.
Der Name „Jahwe“ wird im Neuen Testament nirgends so erwähnt, aber sehr oft, wenn aus dem Alten Testament zitiert wird, erscheint im Neuen das Wort „Kyrios“, Herr. Die Zeugen Jehovas würden sagen „Jehova“ – in der falschen Aussprache. Aber das ist egal. Man muss nicht das Richtige meinen.
Wenn im Alten Testament „Jahwe“ vorkommt, steht im Neuen Testament „Kyrios“, Herr. Es ist interessant: Wir haben gerade vorhin gelesen in 1. Korinther 8,6: „Alle Dinge sind von Gott, dem Vater, und durch unseren Herrn Jesus Christus.“ Es gibt mehr Stellen im Neuen Testament, wo der Vater Gott genannt wird, ja, aber es gibt noch mehr Stellen, wo der Sohn Herr genannt wird – und zwar Herr im Sinn von Jehova, Jahwe.
Merken wir uns das! Das Wort „Gott“ wird ja manchmal auch in anderem Sinn gebraucht. Der Teufel wird genannt „der Gott dieser Welt“. Gut, für die Welt hat er den obersten Stellenwert. Im Alten Testament werden sogar manchmal die Richter „Götter“, Elohim, genannt – in den Psalmen und auch in 2. Mose.
Aber Jahwe ist dann ganz eindeutig. Dieser Name wird auch nie für falsche Götter benutzt. Falsche Götter werden im Alten Testament auch Elohim genannt, also das Wort für Gott.
Im Neuen Testament ist es sehr typisch, dass der Vater Gott genannt wird und der Sohn Herr. Aber beides betont die Gottheit, und zwar „Herr“ sogar ganz speziell den Namen Jahwe.
Dazu kommt: Hier in Johannes 1, „Im Anfang war das Wort“ – jetzt muss man wirklich jüdisch denken. Wann benutzt man dieses Wort „Wort“ im Judentum? Das Wort war Gott. In den aramäischen Targumim, die in allen rabbinischen Bibeln zu finden sind, nennt man den hebräischen Text „Mikra’ot Gedolot“. Daneben stehen die ganz alten Übersetzungen des Alten Testaments auf Aramäisch, die Targumim genannt werden.
In den Targumim wird der Name Jahwe nicht geschrieben, aber sehr oft wird stattdessen „Memra“, der Donai, das Wort des Herrn, genannt. „Wort“ beziehungsweise „Memra“ ist in der rabbinischen Sprache ein ganz spezieller Ausdruck für Jahwe.
Jetzt im Johannesevangelium: „Am Anfang war das Wort, Memra, das ist Jahwe. Und Memra war bei Gott, und Memra war Gott.“ Dann heißt es in Vers 14: „Und Memra wurde Fleisch.“ Das ist der Sohn, der eben ewiger Gott ist und alles erschaffen hat.
Hier hat Paulus, ich sage das ganz klar, auch wenn das manche ärgern wird, Paulus hat hier als zweite Herrlichkeit vorgestellt: „Durch den er auch die Welten gemacht hat“, weil der Sohn der Ausführende war, als diese Erde geschaffen wurde – die Menschen, die Pflanzen und die Tiere. Aber auch als Gott die Galaxien erschaffen hat, hat der Sohn Gottes ausgeführt. Auch die entferntesten Galaxien im Weltall – alles hat er erschaffen.
Warum steht hier „die Welten“ und nicht einfach „die Welt“? „Die Welten“ bedeutet das Diesseits und das Jenseits. Der Herr Jesus hat nicht nur diese sichtbare Schöpfung des Universums erschaffen, sondern auch das Jenseits, den Himmel im Jenseits. Der Himmel ist nicht ewig, nur Gott ist ewig.
So hat der Herr Jesus auch den Himmel im Jenseits erschaffen, ebenso die ganze Engelwelt im Jenseits. Er ist der, der die Welten gemacht hat.
Dann kommt die dritte Herrlichkeit, auf dem Blatt habe ich das so aufgeschrieben: die Ausstrahlung seiner Herrlichkeit. Die alte Elberfelder Übersetzung hatte hier „Abglanz seiner Herrlichkeit“. Und dann eine schöne Fußnote: eigentlich „Ausstrahlung“. Warum hat man nicht gleich die Fußnote in den Text genommen? Es muss „Ausstrahlung“ heißen. Das ist schön in der CSV-Revision von Hückeswagen, die haben das dann in den Text aufgenommen: „welche die Ausstrahlung seiner Herrlichkeit ist.“
Ich habe immer „Ausstrahlung“ gelesen, wenn ich das vorgelesen habe. „Abglanz“ geht gar nicht, sondern es bedeutet, dass das Licht durch ihn ausgestrahlt wird. Ein Abglanz ist viel zu wenig. Er ist die Ausstrahlung seiner Herrlichkeit. Das bedeutet: Gott offenbart sich durch den Sohn.
Gott ist unsichtbar. 1. Timotheus 6,16 sagt: „Der ein unzugängliches Licht bewohnt, den keiner der Menschen je gesehen hat noch sehen kann.“ Gott in seiner absoluten Gottheit kann vom Geschöpften nicht wahrgenommen werden.
Darum steht auch in 2. Mose 33: „Niemand kann mich sehen und leben.“ Wer Gott sehen würde, müsste sofort sterben.
In Johannes 1,18 heißt es nochmals: „Niemand hat Gott jemals gesehen. Der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat ihn kundgemacht.“
Aber da gibt es schon ein Problem. Ich war bei Jesaja 6. Dort heißt es ganz klar: Der Prophet sagt, er sah den Herrn Jahwe auf hohem und erhabenem Thron, und Seraphim standen und riefen: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, Adonai“ – also Jahwe im Hebräischen, der Herrscher. Er hat doch Gott gesehen, es steht ja ganz klar dort. Korrekt: Er hat Gott gesehen.
Aber immer, wenn Menschen Gott im Alten Testament gesehen haben, haben sie doch nicht Gott selbst gesehen. Wie geht das? Das ist jetzt schon ein bisschen kompliziert, könnte man sagen.
Nein, sie haben Gott gesehen, aber Gott hat sich in einer sichtbaren Form offenbart, die für den Menschen erträglich war.
Gott selbst, Jahwe, kam zu Abraham auf Besuch. Abraham meinte, es seien drei Wanderer, die da kommen. Später stellte sich heraus, dass einer davon Jahwe war, der Ewige, und zwei Engel.
Abraham dachte, es seien Wanderer, und ging sofort hin, lud sie zum Essen ein. Er sagte nicht zu Sarah: „Wir haben drei Leute da, jetzt musst du…“ Er lief hin, schlachtete ein Kalb und bereitete es zu.
Das war so, als müssten sie noch warten, wie manchmal im Restaurant, wenn man denkt, die müssen das noch schlachten, bevor sie es bringen. Er brachte auch geronnene Milch, Geiermilch, die man im heißen Klima eben so hält.
So hat er es gemacht. Erst später stellte sich heraus, dass einer von ihnen Jahwe war. Gott erschien in einer menschlichen Gestalt, und war so menschlich, dass man meinte, es sei ein Mensch wie alle anderen.
Gott nimmt eine Gestalt an, die für den Menschen erträglich ist. Damit hat er schon vorweggenommen, dass Gott eines Tages wirklich Mensch werden würde.
Das war noch nicht im Alten Testament. Er kam wie ein Mensch, aber dann heißt es in Johannes 1,14: „Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns, und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut.“
Das war dann so, dass Gott, und zwar der Sohn, wirklich Mensch wurde und Gott offenbart hat.
Wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater.
In Johannes 14 bekommt einer die Sehnsucht. Der Herr spricht ständig vom Vater, und in Johannes 14,8 sagt Philippus zu ihm: „Herr, zeige uns den Vater, und es genügt uns!“
Jesus spricht zu ihm: „So lange Zeit bin ich bei euch, und du hast mich nicht erkannt, Philippus? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen. Und wie sagst du: ‚Zeige uns den Vater‘? Glaubst du nicht, dass ich in dem Vater bin und der Vater in mir ist?“
Gott, der Vater, und auch der Heilige Geist, Gott, hat sich offenbart durch den Sohn. Der Sohn hat ihn sichtbar gemacht als Mensch.
Auch im Alten Testament, wenn Gott erscheint, ist es der Sohn, der den dreieinen Gott sichtbar macht, weil er die Ausstrahlung seiner Herrlichkeit ist.
Gott ist unsichtbar, niemand hat ihn je gesehen oder kann ihn sehen, aber Gott kann sich sichtbar machen – und das geschieht durch den Sohn.
Jetzt ganz praktisch für die Evangelisation auf der Straße: Spricht man mit jemandem, und die Person sagt: „Ja, ja, ja, also das mit Gott ist schon in Ordnung, aber Jesus nein“, dann muss man sagen: Dann haben Sie alles verloren.
Man kann nicht zu Gott kommen ohne den Herrn Jesus. Gott offenbart sich nur durch den Sohn.
Darum sagt der Herr Jesus auch in Johannes 14: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater als nur durch mich.“
Es gibt keinen anderen Zugang. Weit. Er ist die Apagasma, die Ausstrahlung seiner Herrlichkeit. Nur durch ihn geht es, und das ist ganz wichtig – nur so und nicht anders.
Jetzt versteht man auch den Islam. Das ist genau ein Angriff auf die Grundlagen, wie Gott sich offenbart. Dadurch, dass die Gottheit des Herrn Jesus geleugnet wird und dass er der einzige Weg zu Gott ist, greifen sie genau den Grundsatz des Evangeliums an.
Warum konnte Gott sich durch seinen Sohn offenbaren? Weil er selber Gott ist.
Niemand hat Gott je gesehen, kein Geschöpf. Aber der Sohn Gottes hat den Vater gesehen, das sagt er im Johannesevangelium.
Er konnte den Vater sehen, weil er Gott ist. Kein Geschöpf konnte ihn sehen, auch die Engel nicht.
Sie können Gott nur sehen, wie er sich offenbart hat, zum Beispiel in Jesaja 6 in dieser erträglichen Form auf dem hohen und erhabenen Thron.
Auch dort noch mit Ehrfurcht bedecken sie mit zwei Flügeln ihre Angesichter, obwohl sie nicht sterben würden, wenn sie Gott sehen. Trotzdem aus Ehrfurcht bedecken sie ihre Angesichter und beten an: „Heilig, heilig ist Adonai Zebaoth.“
Ganz grundlegend werden hier wichtige Dinge verdeutlicht im Hebräerbrief: Der dreieine Gott offenbart sich durch den Sohn. Das können wir hier festhalten.
Die vierte Herrlichkeit: Der Abdruck seines Wesens
Und dann die vierte Herrlichkeit: Er ist der Abdruck des Wesens Gottes. Was bedeutet das?
Griechisch steht hier für Abdruck das Wort „Charakter“. Allerdings bedeutet es im Griechischen nicht einfach „Charakter“ im Sinne von Persönlichkeit oder Moral. Es heißt vielmehr „Siegelabdruck“.
Es gibt Menschen mit schlechtem Charakter und andere mit etwas besserem Charakter, aber das Wort „Charakter“ meint hier den Siegelabdruck. Das Besondere am Siegelabdruck ist, dass man ihn im Deutschen „Bulle“ nennt. Die Bulle entspricht genau dem Siegel.
Wenn auf einem Siegel steht: „Dem Yasanja gehörig, dem Minister des Königs“ – so ein Siegel wurde tatsächlich gefunden, und zwar von Yasanja aus 2. Könige 25. Von vielen anderen biblischen Personen wurden ebenfalls originale Siegel oder deren Abdruck gefunden. Die Bulle entspricht genau dem Siegel.
So ist es auch, dass der Sohn dem Vater in allem gleich ist: gleich allwissend, gleich ewig, gleich allgegenwärtig, gleich allmächtig usw. Aber es gibt auch einen Unterschied zwischen Bulle und Siegel. Die Bulle ist spiegelbildlich.
Darum kann man die Bulle sofort lesen. Wenn man ein Siegel findet, muss man einen Spiegel hinhalten, um es zu erkennen. Das Siegel muss spiegelbildlich geschrieben sein.
In Israel wurden viele Siegel und Bullen entdeckt, übrigens deutlich mehr als in den Nachbarländern. Das weist darauf hin, dass man in Israel im Alltag sehr verbreitet schreiben und lesen konnte. Mehr als bei den Ammonitern, Moabitern, Edomitern, den Kanaanäern im Libanon, bei den Syrern oder den Philistern im Gaza-Streifen.
Warum war das so? Gerade aus der Zeit Davids, circa 1000 vor Christus, bis zum Untergang Jerusalems 586 vor Christus, wurden besonders viele Siegel und Bullen gefunden. Die Menschen konnten im Alltag schreiben und lesen.
Der Grund war, dass sie das Volk des Buches waren. Sie hatten ein Buch, das sie motivierte, lesen und schreiben zu lernen. Daneben nutzten sie diese Fähigkeiten auch für wirtschaftliche Zwecke im Alltag.
Sie lernten das nicht, um viel Geld zu verdienen, sondern weil sie daran interessiert waren, das Wort Gottes, wenigstens einzelne Verse, auf Scherben aufzuschreiben.
Daher spielt das Thema Siegelabdrücke und Siegel in der biblischen Archäologie eine wichtige Rolle. Man kann damit sehr schön erklären, dass der Sohn als Person verschieden vom Vater und auch vom Heiligen Geist ist.
Der Sohn ist nicht der Vater, der Vater ist nicht der Sohn, und doch ist der Sohn Gott und der Vater Gott – und trotzdem gibt es nur einen Gott.
Das Glaubensbekenntnis Israels stammt aus 5. Mose 6, Vers 5: „Schma Israel“ – jeden Tag wird das wiederholt, rezitiert: „Schma Israel, Adonai Eloheinu, Adonai Echad“.
Adonai ist der Ersatzname für Yahweh. Im Grundtext steht Yahweh, aber in der Synagoge liest man nicht Yahweh, sondern Adonai.
„Schma Israel, höre Israel, Adonai Eloheinu, der Herr unser Gott, ist ein Herr, Adonai Echad.“
Ganz wichtig ist hier ein kleiner hebräischer Exkurs: Echad ist nicht dasselbe wie Yachid.
Echad bedeutet eine zusammengesetzte Einheit. Zum Beispiel wird der erste Schöpfungstag abschließend so erklärt: „Es war Abend“ – damit beginnt der erste Teil, die Nacht. Am Vorabend beginnt der Tag in der Bibel.
„Es war Abend, es war Morgen, Yom Echad“ – ein Tag. Das ist der 24-Stunden-Tag, der Kalendertag, der aus einer Nacht besteht, die mit dem Abend beginnt, und einem hellen Teil, der mit dem Morgen beginnt.
Zusammen ist das Yom Echad, eine zusammengesetzte Einheit. Es ist ein Tag, obwohl es eine Nacht und einen hellen Teil gibt.
Später, in 1. Mose 2, macht Gott deutlich, nachdem er Adam und Eva geschaffen hat: „Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen“, wörtlich „ankleben“.
Sie werden „ein Fleisch“ werden, Basar Echad, nicht Yachid. Das ist eine zusammengesetzte Einheit.
Ich bin nicht meine Frau und sie ist nicht Roger, aber zusammen sind wir diese Einheit. So heißt es hier: Adonai Eloheinu, Adonai Echad – ein Gott.
In der Gottheit können wir unterscheiden zwischen dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist.
Der Sohn ist der Abdruck seines Wesens, in allem dem Vater gleich, aber er ist trotzdem nicht der Vater.
Darum lesen wir in Johannes 17, wo der Herr Jesus zum Vater spricht und sagt: „Verherrliche mich mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.“
Da sehen wir, dass es von Ewigkeit her ein Verhältnis der Liebe zwischen dem Vater und dem Sohn gab.
Der Heilige Geist wird in Römer 15 als der Geist der Liebe bezeichnet.
So erklärt uns Hebräer 1 so tiefe Dinge.
Die fünfte Herrlichkeit: Er trägt alles durch sein mächtiges Wort
Und nun ganz wichtig: Im Judentum – wer war der größte Rabbiner? Mosche ben Maimon, auch bekannt als Moses Maimonides, lebte im zwölften Jahrhundert, im Mittelalter.
Es ist ja so: Wenn drei Juden in einem Raum sind, gibt es zehn Meinungen. Aber wenn man unter Religiösen zu einer Einheit kommen will, gibt es einen Trick. Man muss sagen: Mosche ben Maimon hat gesagt, wenn er das gesagt hat, dann gilt das. Mosche ben Maimon hat auch das Glaubensbekenntnis im rabbinischen Judentum formuliert, das bis heute festgehalten wird.
In diesem Glaubensbekenntnis, in dem er die Grundsätze des Judentums darlegt, sagt er „Adonai Yachid“. Wie bitte? Das geht jetzt aber gar nicht! In der Tora steht „Adonai Echad“. Auch täglich, wenn das Schema rezitiert wird, sagt man im Glaubensbekenntnis „Höre Israel“, das Schema wird rezitiert und man sagt „Adonai Echad“. Aber dann im Glaubensbekenntnis „Adonai Yachid“ – nein, das geht nicht. Wir müssen nach der Bibel gehen, nicht nach Mosche ben Maimon. Er steht nicht über der Bibel, und die Bibel sagt „Echad“.
Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist – diese Dreieinheit Gottes ist nicht erst im Neuen Testament zu finden, sondern auch im Alten Testament. Sogar im rabbinischen Judentum wird in dem Buch Sohar die Frage gestellt: Wie können drei eins sein? Und es wird gesagt, man kann das nur durch den Ruach Hakodesch, den Heiligen Geist, verstehen.
Es gibt ein wunderbares Büchlein, geschrieben von einem Rabbiner, der sich bekehrt hat. Es heißt „Wie können drei eins sein?“ Herausgegeben wurde es von Keren Achvame Schichit in Israel, in Jerusalem. Man kann es auf Englisch und Hebräisch bekommen. Der Autor zitiert aus der rabbinischen Literatur und der Bibel und zeigt, wie er durch diese Literatur zum Glauben gekommen ist, dass „Adonai Echad“ drei ist und dass man dieses Geheimnis durch den Heiligen Geist verstehen kann.
Eine Pause ist immer gut, da kommen plötzlich Rückfragen. Es war nicht ganz klar, was der Unterschied zwischen „Echad“ und „Yachid“ ist. Nochmals: „Echad“ heißt eins, und „Yachid“ auch. Aber „Echad“ meint eine zusammengesetzte Einheit, „Yachid“ eine nicht zusammengesetzte, absolute Einheit.
Von dem Herrn Gott steht im Schma Israel, also 5. Mose 6, Vers 5: „Höre Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr ist einzig (Adonai Echad)“, eine zusammengesetzte Einheit und nicht die absolute Einheit wie „Yachid“.
Jetzt fahren wir weiter. Wir haben uns mit den verschiedenen Herrlichkeiten der Person des Messias beschäftigt und kommen zur fünften von sieben Herrlichkeiten. Auf dem Skript habe ich vermerkt: „Er trägt alles durch sein mächtiges Wort“.
Eine kurze Erklärung: Es heißt hier ganz wörtlich „Und alle Dinge durch das Wort seiner Macht tragend“. „Das Wort seiner Macht“ klingt ungewöhnlich auf Deutsch, nicht wahr? Wir würden auf Deutsch sagen „mächtiges Wort“. Im Griechischen ist es im Prinzip auch so, aber der griechische Hebräerbrief ist stark von der hebräischen Sprache geprägt.
Im Hebräischen hat man viele reiche Ausdrucksmöglichkeiten, aber auf dem Gebiet der Adjektive gibt es nicht so viele. Darum drückt man Adjektive oft durch die Beifügung eines Hauptwortes aus. Also „das Wort der Macht“ ist das mächtige Wort. Oder der „Sohn seiner Liebe“ in Kolosser 1, das ist der geliebte Sohn. Dieser Ausdruck mit einem beigefügten Hauptwort im Genitiv ist sehr typisch im Hebräischen, um anstelle eines Adjektivs dasselbe auszudrücken.
Für Juden, die fließend Griechisch sprachen, war das eine würdigere Ausdrucksweise, wenn man es ein wenig an das Hebräische anlehnte: „das Wort seiner Macht“. Darum wird es hier so geschrieben, und das verleiht dem Ganzen noch mehr Würde.
Er trägt alles durch das Wort seiner Macht, durch sein wichtiges Wort. Das ist nicht dasselbe wie die Tatsache, dass er der Schöpfer ist, sondern dieses Tragen durch sein mächtiges Wort bedeutet, dass er der Erhalter der Schöpfung ist, der alles zusammenhält.
Genau so ist es in Kolosser 1 formuliert. Dort wird in Vers 16 von dem Sohn seiner Liebe gesagt, dass er der Schöpfer ist: „Denn durch ihn sind alle Dinge geschaffen worden, die in den Himmeln und die auf der Erde sind, die sichtbaren und die unsichtbaren, eben diese Welt und jene Welt, die Welten, es seien Throne oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Gewalten.“ Das sind verschiedene Abstufungen von Engelmächten.
Dann heißt es: „Alle Dinge sind durch ihn und für ihn geschaffen.“ In Vers 17 steht: „Er ist vor allen, und alle Dinge bestehen durch ihn.“ Der Sinn dieses Ausdrucks im Griechischen ist, dass alle Dinge durch ihn zusammengehalten werden.
Ich war im CERN in Genf. Dort sucht man nach dem, was im Innersten die Materie zusammenhält. Man sucht immer noch nach seltsameren Teilchen und möchte wissen, was die ganze Materie letztlich zusammenhält. Wir wissen es längst: Im Innersten hält das alles der Sohn Gottes zusammen.
Das steht nicht im Gegensatz zu dem, was man in Genf entdeckt, sondern sie versuchen herauszufinden, wie sich dieses Zusammenhalten auswirkt. Den, der wirklich dahintersteht und alles zusammenhält, zu kennen, ist das Großartigste. Viele im CERN schießen an diesem Punkt vorbei.
Dabei könnte man Forschung und den Glauben an den Sohn Gottes genau zusammennehmen. Das macht Forschung wirklich schön und forschungswert.
Der Jesus hält alles zusammen. Warum fällt die Materie nicht auseinander? Warum hält dieser Tisch? Gut, man kann genau erklären, wie die Kunststoffe funktionieren, wie Atome miteinander verbunden sind zu Molekülen und welche Typen von Molekülen es gibt, sodass es diese Festigkeit gibt.
Aber letztlich steht dahinter: Der Sohn Gottes hält alles zusammen. Wenn er nicht aktiv durch sein Wort die Welt erhalten würde, würde alles auseinanderfallen. Er hält das zusammen.
Und wenn er es einmal nicht mehr tun wird, dann geschieht das, was in 2. Petrus 3 beschrieben wird. Das kommt aber erst nach dem tausendjährigen Friedensreich.
In 2. Petrus 3, Vers 12 heißt es: „Indem ihr erwartet und sorgfältig vorbereitet die Ankunft des Tages Gottes, dessen wegen die Himmel in Feuer geraten, werden aufgelöst, und die Elemente im Brand zerschmelzen werden. Wir erwarten aber nach seiner Verheißung neue Himmel und eine neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt.“
Schon vorher, in Vers 10, steht: „Es wird aber der Tag des Herrn kommen wie ein Dieb, an dem die Himmel vergehen werden mit gewaltigem Geräusch.“
Ich muss erklären: Der Tag des Herrn beginnt mit der großen Drangsal in der Zukunft. Der Höhepunkt ist dreieinhalb Jahre später, wenn der Sohn Gottes selbst in dieser Welt erscheint, der Tag des Herrn. Dieser Tag wird das ganze tausendjährige Reich hindurchgehen. Er wird der Herr über diese ganze Welt sein und direkt regieren.
Darum ist am Ende des tausendjährigen Reiches immer noch der Tag des Herrn. Dann sagt Petrus: „Es wird aber der Tag des Herrn kommen wie ein Dieb, überraschend für diese Welt, an dem die Himmel vergehen werden mit gewaltigem Geräusch.“
Natürlich nicht am Anfang des tausendjährigen Reiches, sondern am Ende, mit gewaltigem Geräusch oder Gekrache. Die Elemente aber werden im Brand aufgelöst, und die Erde und die Werke auf ihr werden verbrannt.
Es heißt wirklich, die Elemente werden aufgelöst werden (Vers 10), und in Vers 12, die Elemente werden im Brand zerschmelzen.
Die moderne Physik hat zwei Arten entdeckt, wie man Energie, die in der Materie gebunden ist, freisetzen kann: durch Spaltung der Atome, das Auflösen der Elemente, und durch Kernverschmelzung, die Kernfusion. Zwei verschiedene Methoden, die erst im zwanzigsten Jahrhundert entdeckt wurden.
Der Fischer Petrus beschreibt das hier, inspiriert. Dabei entsteht ziemlich lautes Geräusch, wie bei einer Atombombe, das wissen wir.
Petrus sagt, dessen wegen die Himmel so aufgelöst werden, aber er sagt ganz klar in Vers 10: „mit gewaltigem Geräusch“, und sie werden dabei nach Vers 12 in Feuer geraten.
Wie kann der Himmel brennen? Holz brennt zum Beispiel gut, aber einfach so? Wenn die Atome aufgelöst werden, entfacht sich dieses Feuer. Alles in der Bibel schon vorgegeben. Unglaublich!
Dabei benutzt Petrus für Elemente das Wort „Stoicheion“ und nicht etwa „Atomos“ oder „Atomon“. Beide Wörter waren bei den alten Griechen in Gebrauch, um die kleinsten Teile der Materie zu bezeichnen. Sie waren schon recht intelligent, solche Begriffe zu haben.
Aber das Wort „Atom“ ist wirklich ein Problem, denn es heißt „das Unteilbare“ (Atomon, unteilbar). Wenn wir von Atomkraftwerken und Atombomben sprechen, sprechen wir eigentlich falsch. Wir sprechen vom Unteilbaren und wissen genau, das muss geteilt werden, damit die Energie frei wird.
Petrus benutzt nicht dieses falsche Wort, sondern „Stoicheion“. Das bezeichnet die grundlegenden Elemente, aber ohne den falschen Nebengeschmack, unteilbar zu sein.
Die alten Griechen sagten, es sei unteilbar. Für sie wäre Petrus unakzeptabel gewesen, unwissenschaftlich. Sie hätten gesagt: „Der meint, man könne die letzten Teile auflösen, und dann gibt es Krach und Feuer. Das geht gar nicht.“
Aber das ist gerade der Punkt: Diese Teilchen können gelöst werden. „Stoicheion“ bezeichnet einfach das Grundlegende. Es kann in der Sprache auch bedeuten, dass der Buchstabe das kleinste Teilchen in der Sprache ist. Wir setzen Buchstaben zusammen, daraus entstehen Wortteile, Wörter, Sätze und schließlich Texte.
Wir kennen das Wort vielleicht aus der Chemie, „Stöchiometrie“, das kommt von „Stoicheion“. Es ist die Lehre der Zusammensetzung von Atomen zu Molekülen, zu größeren Einheiten. Zum Beispiel H2O: Wenn diese drei Atome zusammengesetzt sind, entsteht ein Molekül, das Wasser heißt. Schon gewaltig!
Wenn der Sohn Gottes aufhört, alles durch das Wort seiner Macht zu tragen, wird das Universum aufgelöst werden, sogar die Elemente. Alles wird aufgelöst, auch alle Werke.
Wir haben gelesen, dass auch künstlerische Werke, von denen Künstler hoffen, dass sie über viele Generationen, wenn möglich Jahrhunderte oder Jahrtausende erhalten bleiben, einmal vergehen werden.
Es gibt wirklich manche Dinge, die über Jahrtausende erhalten bleiben. Keilschrifthafen sind eine fantastische Erfindung. Man kann wirklich Informationen über Jahrtausende weitergeben. Viertausend Jahre alte Keilschrifthafen sind bekannt.
Manche wurden sogar in einem Brand in einem Haus zerstört, und da ist es gebrannter Ton. Viel besser als Zedernholz. Das hält viertausend Jahre, wenn es sein muss. Nicht alle, aber viele haben so über große Zeiträume ausgestanden.
Aber einmal wird alles aufgelöst werden, auch alles, was wir produziert haben im Leben. Es wird nichts mehr bleiben, auch nicht von den Dingen zu Hause, von denen wir denken, man müsse sie unbedingt behalten und auch im Alter nicht abgeben.
Wir können nichts in den Himmel mitnehmen. Noch mehr: Es wird auch nicht auf der Erde bleiben. Alles, was wir in dieser Welt produziert haben, wird aufgelöst werden und ist nicht bleibend.
Darum ist es etwas ganz anderes: Alles, was wir aus Liebe für den Herrn gemacht haben, für ihn bleibt das in alle Ewigkeit und wird einmal Lohn geben am Richterstuhl des Christus.
Aber sonst wird alles aufgelöst.
Ich habe noch diese besondere Stelle auf dem Skript aufgeführt, in dem Zusammenhang Daniel 5,23. Dort spricht Daniel zu Belsazar, diesem Götzendiener, und sagt ihm klipp und klar:
„Und du hast dich über den Herrn des Himmels erhoben. Man hat die Gefäße seines Hauses vor dich gebracht, und du und deine Gewaltigen, deine Frauen und Nebenfrauen, ihr habt Wein daraus getrunken, aus den Tempelschätzen von Jerusalem. Und du hast die Götter aus Silber und Gold, aus Kupfer, Eisen, Holz und Stein gerühmt, die nicht sehen, nicht hören und nicht wahrnehmen. Aber den Gott, in dessen Hand dein Odem ist und bei dem alle deine Wege sind, hast du nicht geehrt.“
Das heißt: Gott, der Sohn, hält unseren Lebensatem in der Hand. Wenn er als Erhalter der Welt loslässt, würde ich tot umfallen.
Auch aktiv: Mein Leben hat er direkt in der Hand. Wenn der Moment des Todes kommt, lässt er los, und der Tod tritt ein.
Das ist etwas ganz Besonderes.
Die Philosophen in der Aufklärungszeit haben sich ja von der Bibel abgewandt. Im Allgemeinen aber sagten sie: Einen Schöpfergott müssen wir doch stehen lassen, denn von nichts kommt nichts. Sie waren da schon weiter als die Philosophen im neunzehnten Jahrhundert.
Diese kamen auf die Idee, es sei möglich, dass aus nichts etwas entsteht. Sie sagten, Gott, der Schöpfer, habe am Anfang alles erschaffen, sich dann aber zurückgezogen und interessiere sich nicht mehr für die Schöpfung.
Darum sagten Aufklärungsphilosophen wie Voltaire und in Deutschland auch der Dichter Lessing, Gott greife nicht ein, und darum seien Wunder prinzipiell nicht möglich.
Alles, was in den Evangelien an Wundern berichtet wird, sei unsinnig. Wieso unsinnig? Weil Gott nicht eingreift.
Woher wussten sie das? Sie haben es einfach so gesagt. Die meisten Intellektuellen haben das mit der Zeit geglaubt und übernommen.
Sie haben so viel behauptet, und niemand hat sie aufgefordert, das zu beweisen. Sie sind dem Beweis immer schuldig geblieben. Sie sagten einfach: Gott greift nicht ein, darum sind Wunder nicht möglich.
Gott hält alles zusammen. Wenn er nicht aktiv an der Schöpfung als Erhalter beteiligt wäre, würde alles auseinanderfallen. Wir könnten gar nicht existieren.
„Bei dem alle deine Wege sind“ – bei jedem Menschen ist sogar sein ganzer Lebensablauf in Gottes Hand. Durch ihn wird alles zusammengehalten.
Er trägt alle Dinge durch das Wort seiner Macht. Das bedeutet: Als der Herr Jesus in diese Welt kam, wurde er in Bethlehem von Maria geboren, als kleines Kind in Windeln gewickelt und in eine Krippe gelegt (Lukas).
Maria nahm ihn und säugte ihn. Im Psalm 22, diesem messianischen Psalm, sagt der Messias: „Du ließest mich Vertrauen fassen an den Brüsten meiner Mutter.“ Das zeigt übrigens, dass Stillen einen Sinn hat. Es hilft den ganz kleinen Kindern, dieses grundlegende Vertrauen zu bekommen.
Ich sage das nicht einfach so, denn es wäre eine Katastrophe, wenn man nicht stillen könnte. Es ist eine Ermutigung für die, die stillen können. Es hat seine Bedeutung und Auswirkung.
So sagt Psalm 22: „Du ließest mich Vertrauen fassen an den Brüsten meiner Mutter.“
Maria musste dieses Kind tragen, herumtragen, denn es konnte nicht gehen. Im gleichen Moment hat Jesus nie aufgehört, Gott zu sein. Als er Mensch wurde, gab er Maria die Kraft, ihn zu tragen und zu säugen.
Denn er hielt alle Dinge auch damals zusammen. Später, als römische Soldaten ihn ans Kreuz schlugen und Spötter sagten: „Steige vom Kreuz herab!“, gab er den Nägeln und dem Holz die Kraft, ihn zu tragen.
Er hätte sofort das Wort seiner Macht stoppen können, und die Nägel wären auseinandergefallen.
Das zeigt uns, wer der Sohn Gottes ist – und auch dieses Wunder, dass er Gott und Mensch in einer Person ist.
Die sechste und siebte Herrlichkeit: Erlösung am Kreuz und die Erhöhung zur Rechten Gottes
Der nächste Punkt: Er ist sechstens derjenige, der das Problem der Sünde am Kreuz gelöst hat. Wir haben gelesen in Hebräer 1: Nachdem er durch sich selbst die Reinigung von den Sünden bewirkt hat, ist eben der Sohn ans Kreuz gegangen. Dort hat er das Problem der Sünden durch seinen stellvertretenden Tod gelöst und damit uns die Reinigung möglich gemacht. Jeder, der seine Schuld Gott bekennt und dieses Opfer in Anspruch nimmt, wird von seinen Sünden gereinigt.
Dann die siebte Herrlichkeit: Er hat als Mensch den höchsten Platz zur Rechten Gottes auf dem Thron eingenommen. Es steht: „Sich gesetzt hat zur Rechten der Majestät in der Höhe.“ Er ist als Mensch in den Himmel gegangen und hat sich als Mensch auf den Thron Gottes im Himmel gesetzt. Er war als der ewige Gott dort auf dem Thron, aber jetzt kommt er zurück als der, der am Kreuz alles gut gemacht hat und sich als Mensch als Lohn auf diesen höchsten Platz zur Rechten Gottes gesetzt hat.
Es steht zwar hier nicht „Gottes“, sondern „zur Rechten der Majestät“. Ich habe ja schon angedeutet, dass der Name „Jahwe“ im Alten Testament normalerweise im Judentum nicht ausgesprochen wird. In der Synagoge, wenn man vorliest, liest man immer, wenn das Wort kommt – es sind vier Konsonanten: Jod, He, Waw, He –, nicht „Jahwe“, sondern „Adonai“, Herr. Warum? Weil schon in alttestamentlicher Zeit aufgrund des Gebotes „Du sollst den Namen des Herrn, Jahwes, nicht zum Eitlen aussprechen“ aus Ehrfurcht gesagt wurde, man vermeide möglichst diese Aussprache, um diesen Namen nicht zum Eitlen auszusprechen. So hat man das ersetzt durch „Adonai“.
Ich habe auch schon angedeutet, dass in den aramäischen Targumim das Wort durch „Memra d’Adonai“, das Wort des Herrn, ersetzt wurde. Es gibt viele weitere Ersatznamen. In den Diskussionen der Rabbiner vor zweitausend Jahren wurde auch gesagt: „Schamayim“ anstatt „Malchut Jahwe“. Das Reich des Herrn, das Reich Jahwes, wurde als „Malchut Schamayim“, das Königreich der Himmel, bezeichnet. Jetzt verstehen wir, warum 32 Mal im Matthäusevangelium immer wieder steht „das Reich der Himmel“. Das ist das Reich Gottes hier auf Erden, aber „Himmel“ meint eben Jahwe. Das ist eine typisch jüdische Ausdrucksweise, darum findet man das auch nur im Matthäusevangelium, denn Matthäus hatte ursprünglich speziell für Juden geschrieben, so wie Markus speziell für Römer geschrieben hat und so weiter.
Also, jedes Mal, wenn es heißt „das Reich der Himmel“, kann man einsetzen: das Königreich Jahwes, das Königreich des Herrn. Übrigens gab es schon Gelegenheiten, wo man den Namen Jahwe ausgesprochen hat, bis zum Jahr 70. Und zwar am Jom Kippur, am großen Versöhnungstag. Im ganzen Ablauf der Arbeiten, die der Hohepriester machen musste, gab es zehn Gelegenheiten, wo er hörbar für das Volk „Jahwe“ ausgesprochen hat. Das waren ganz besondere, sehr feierliche Momente.
Es gab noch weiter jeden Tag eine besondere Ausnahme: Immer in Verbindung mit dem täglichen Brandopfer haben die Priester nach dem Morgenbrandopfer, nachdem es auf dem Altar dargebracht war, auf den Treppen vor dem Tempelhaus gestanden, die Hände über den Kopf erhoben – also nicht auf Kopfhöhe, wie in der Synagoge, sondern über den Kopf. Dann haben sie gesprochen: „4. Mose 6: Der Herr segne dich und behüte dich.“ Aber sie haben „Jahwe“ gesagt.
In der Synagoge hätte man immer gesagt: „Jevarechcha Adonai wejischmerecha“ – ja, er Adonai panah we lecha wichunecha, ja er panah – also: Der Herr möge dich segnen und behüten, der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und sei dir gnädig, der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden, „weje den licha Shalom“.
Er hat einen Blackout gehabt – das kann schon mal passieren. Nun, wie gesagt, da wurde ausnahmsweise dieser Name ausgesprochen, aber das war nur bis zum Jahr 70. Dann wurde der Tempel zerstört und danach hat man im Judentum über diesen Namen geschwiegen.
Glücklicherweise gibt es noch aus den frühen Jahrhunderten Transkriptionen, Umschriften dieses Namens mit griechischen Buchstaben. Dort erkennt man, dass die Aussprache „Jahwe“ war. Wir haben das dann umschrieben mit J, Alpha, Beta, weich ausgesprochen W, und Epsilon, E – „Yahweh“. Das bestätigt, dass nicht „Jehova“ die richtige Aussprache ist, sondern „Yahweh“. Aber das Wichtigste ist, dass man weiß, was der Name bedeutet.
Ersatznamen waren also „Herr“, „Adonai“, „Memra“ (das Wort) und dann „Schamayim“ (Himmel). Im Gleichnis vom verlorenen Sohn überlegt sich der verlorene Sohn: „Ich will zu meinem Vater zurückkehren und will ihm sagen, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir.“ Wieder „den Himmel“, wieder „Jahwe“ heißt das.
Dann gab es auch das Ersatzwort „Gvura“, Macht. Darum sagte Herr Jesus vor dem Hohenpriester Kajafas in Matthäus 26: „Ihr werdet den Sohn des Menschen sitzen sehen zu Rechten der Macht und kommend mit den Wolken des Himmels.“ Der Hohepriester zerreißt die Kleider. Hurra! Das ist auf Hebräisch eben „zu Rechten Jahwes“.
Dann gab es weiter den Ausdruck „Majestät“, und das haben wir hier im Hebräerbrief: „Er hat sich gesetzt zur Rechten der Majestät.“ Das ist zur Rechten Jahwes auf dem Thron, aber als Mensch, indem er um so viel besser geworden ist als die Engel, als einen vorzüglicheren Namen vor ihnen ererbt hat.
Jetzt wird hier im Hebräerbrief gezeigt, der Herr Jesus ist erhaben über alle Engelmächte. Später wird gezeigt, er ist erhaben.
Man kann Seite 2 aufschlagen. Beim Aufbau habe ich geschrieben: Der erste Teil des Hebräerbriefes, Kapitel 1 bis 7,28, beschreibt die Erhabenheit des Messias. Da wird am Anfang gezeigt: Jesus, der Sohn Gottes, ist größer als die Engel (1,1–14). Dann kommt ein Einschub, eine Warnung vor Abfall (2,1–4).
Dann kommt zweitens: Jesus, der Menschensohn, ist größer als alle Menschen auf Erden (2,5–18). Dann drittens: Jesus ist größer als Mose (3,1–6). Dann kommt ein Anschub, eine Warnung vor Abfall, und da wird erklärt: Jesus ist größer als Josua. Danach viertens: Jesus ist größer als Aaron.
Dann kommt wieder eine Einschaltung, eine Warnung vor Abfall, und schließlich wird fünftens gezeigt: Jesus ist hoher Priester nach der Ordnung Melchisedeks und größer als Melchisedek.
Das muss man im größeren Zusammenhang sehen, dass hier gezeigt wird, er hat einen vortrefflichen Namen bekommen vor den Engeln. Das ist jetzt das Thema der weiteren Verse, und das wird jetzt belegt mit sieben Zitaten aus dem Alten Testament.
Erhabener Beginn, sieben Herrlichkeiten des Messias, und dann kommen sieben Zitate aus dem Alten Testament, die das mit dem Tanach, mit dem Alten Testament belegen. In diesem Zusammenhang ist es interessant, den Kontrast zu sehen zu Römer 3. Dort benutzt Paulus auch sieben Zitate aus dem Alten Testament, um die Verdorbenheit des Menschen zu belegen. Interessanter Kontrast: Sieben Zitate, die Herrlichkeit des Sohnes Gottes, sieben Zitate, dass der Mensch völlig verdorben ist, alle Menschen sind Sünder.
Vers 5: „Denn zu welchem der Engel hat er je gesagt: Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt? Und wiederum: Ich will ihm zum Vater sein, und er soll mir zum Sohn sein.“
Ja, aber die Engel werden doch genannt „Söhne Gottes“ in Hiob 1 und 2 und auch in 1. Mose 6, die Söhne Gottes.
Korrekt, aber nie hat Gott einem Engel gesagt: „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.“ Warum werden die Engel Söhne Gottes genannt? Weil Gott sie erschaffen hat, als Schöpfer. Gott ist Vater im Sinn als der Erzeuger von allem.
Zum Beispiel möchte ich dazu Jesaja 64, Vers 8 vorlesen: „Und nun, Herr, du bist unser Vater, wir sind der Ton, und du bist unser Bildner. Und wir alle sind das Werk deiner Hände.“
Also Menschen sagen Gott zu Gott: „Du bist unser Vater“, weil er eben der ist, der alles erschaffen hat, wie der Töpfer aus dem Ton ein Tongefäß bildet.
Bei den Engeln ist das spezieller als bei uns Menschen, weil jeder Engel direkt von Gott erschaffen worden ist, vollständig. In der Engelwelt gibt es keine Abstammung, keine Generationen. Wir sind alle viele Generationen nach Adam und Eva. Die wurden von Gott direkt erschaffen, ja, aber wir sind entstanden durch Abstammung. Natürlich hat Gott als der Schöpfer gewirkt, in jedem Fall, speziell im Mutterleib.
Denn es heißt in Sacharja 12, dass er den Geist des Menschen im Innern des Menschen bildet. Nicht wahr, unsere Eltern haben uns das biologische Material weitergegeben, und Gott schafft direkt bei der Entstehung des Menschen im Mutterleib auch den Geist im Innern.
Aber bei den Engeln ist es spezieller: Die sind wirklich direkt als Unikum geschaffen worden, und zwar vom Sohn Gottes. In diesem Sinn hat dieser Ausdruck bei den Engeln, den Söhnen Gottes, eine ganz spezielle Bedeutung.
Aber nur beim Messias heißt es: „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.“ Und zwar ist das ein Zitat aus Psalm 2, Vers 7, und bedeutet, dass der Messias ganz einzigartig entstanden ist als Mensch, oder besser gesagt, in dieser Welt gekommen ist. Maria war seine wirkliche menschliche Mutter, als Jungfrau, aber Matthäus 1 sagt uns, dass der Messias gezeugt wurde durch Gott, durch den Heiligen Geist.
Da hat sich das erfüllt: „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.“ Das gibt es in der Engelwelt nicht. Das bezieht sich nur auf den Messias.
Es ist auch ganz wichtig, noch darauf hinzuweisen: Der Herr Jesus ist in zweier Hinsicht Sohn Gottes. Sohn Gottes als Mensch durch göttliche Zeugung, aber er ist auch von Ewigkeit her Sohn Gottes.
Man kann aufschlagen Johannes 16, Vers 28. Dort sagte der Herr Jesus, wie er in diese Welt gekommen ist: „Ich bin von dem Vater ausgegangen und bin in die Welt gekommen; wiederum verlasse ich die Welt und gehe zum Vater.“
Sehen wir: Er war beim Vater, ist vom Vater ausgegangen, in die Welt gekommen und ging wieder zurück zum Vater. So ist der Vater sein Vater nicht erst seit der Menschwerdung, sondern schon vorher.
In Sprüche 30 gibt es jetzt eine Stelle aus dem Alten Testament. Da wird die Frage gestellt von Agur in Sprüche 30, Vers 4: „Wer ist hinaufgestiegen gen Himmel und herniedergefahren? Wer hat den Wind in seine Fäuste gesammelt? Wer die Wasser in ein Tuch gebunden? Wer hat aufgerichtet alle Enden der Erde? Was ist sein Name, und was der Name seines Sohnes, wenn du es weißt?“
Hier wird ganz klar gesagt, dass Gott einen Sohn hat, und das schon alttestamentlich. Es sind die ganzen sieben Fragen, und man kann Frage sechs beantworten wie alle Fragen vorher: Was ist sein Name? Ja, Jahwe, denn in Vers 9 steht: „Damit ich nicht satt werde und dich verleugne und spreche: Wer ist Jahwe, der Herr?“
Aber du – haben wir ein Problem mit dem Licht? Also, wer ist Jahwe? Dieser Name konnte beantwortet werden. Diese Frage konnte beantwortet werden: Was ist sein Name? Jahwe. Und was ist der Name seines Sohnes, wenn du ihn kennst?
Nirgends im Alten Testament wird gesagt, wie der Sohn heißt. Sogar noch in Jesaja 49, in dieser messianischen Stelle, sagt der Messias: „Der Herr hat meines Namens Erwähnung getan von Mutterleib an.“ Wirklich erst in Lukas 1, wo es darum ging, dass Maria die Botschaft bekommt, dass sie die Mutter des Messias werden soll, wird ihr gesagt: „Du sollst ihn Jesus nennen.“ Hebräisch „Jeschua“, und die griechische Aussprache ist Jesus.
Was ist der Name seines Sohnes? Das war ein Geheimnis, aber man wusste alttestamentlich, Gott hat einen Sohn. Und zwar einen Sohn. Es heißt hier: „Was ist der Name seines Sohnes, wenn du ihn kennst?“ Nicht „Was ist der Name einer seiner Söhne?“ Ich habe drei Söhne und drei Töchter, ich kann nicht sagen „Mein Sohn hat gesagt“, das geht nicht, welcher? Der Kleinste, der heute so groß ist, oder wer? Es kommen drei in Frage.
Also, wenn man nur einen Sohn hat, dann kann man sagen: „Mein Sohn hat gesagt.“ Diese Ausdrucksweise „Was ist der Name seines Sohnes?“ macht klar, das ist der einzige Sohn. Und das ist dieser Sohn, den Gott der Vater nach Johannes 3, Vers 16, der Welt gegeben hat: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe.“
Diese Gottessohnschaft als Mensch müssen wir also unterscheiden von der Gottessohnschaft von Ewigkeit her. Dazu möchte ich noch lesen Johannes 1, Vers 18. Dort sieht man den Zusammenhang von Johannes 1, Kolosser 1 und Hebräer 1.
Man kann sagen, alle diese vielen Irrlehren über die Person des Herrn Jesus in den vergangenen 2000 Jahren kann man alle widerlegen mit diesen drei Kapiteln: Johannes 1, Kolosser 1, Hebräer 1.
Johannes 1, Vers 18: „Niemand hat Gott jemals gesehen. Der einzige Sohn, der im Schoß des Vaters ist, der hat ihn kundgemacht.“
Da wird dieser einzige Sohn vorgestellt, der von Ewigkeit her Gottes Sohn ist.
Jetzt noch wichtig: „Der einzige Sohn, der im Schoß des Vaters ist“ – das Wort ist ganz wichtig hier. Das ist nicht das normale Wort „estin“ im Griechischen, sondern „on“, das ist das Partizip. Wörtlich: „Der Seiende im Schoß des Vaters hat ihn kundgemacht.“
Man muss sich nicht vorstellen, dass ein Schoßkind der Vater auf dem Schoß hält. Wir wissen, was es bedeutet, im Schoß des Vaters zu sein, aus Johannes 13, an diesem letzten Abend vor der Kreuzigung.
Dort ist Johannes, der junge Johannes, der sich der Liebe des Herrn am meisten bewusst war. Er lag so am Triklinum, also am dreiteiligen Tisch beim Passafest, dass er mit dem Kopf, wenn er sich nach hinten drehte, an die Brust des Herrn kam, der gerade zu Tisch lag hinter ihm. Darum heißt es in Johannes 13, dass er ihm an der Brust Jesu lag und dann auch im Schoß Jesu.
Das ist Tischgemeinschaft von zwei Personen, die miteinander essen und eine enge, tiefe Gemeinschaft haben. Das muss man vor Augen halten, wenn es darum geht: der einzige Sohn, der im Schoß des Vaters ist, aber eben der Seiende im Schoß des Vaters.
Das ist so interessant. Ich habe die Septuaginta schon mehrmals erwähnt, diese griechische Übersetzung von Juden im dritten Jahrhundert vor Christus. Im 2. Mose 3, wo Gott sich vorstellt als „Ich bin“, das haben sie wiedergegeben mit „ho on“, der Seiende. Und das wird von Johannes aufgenommen und gesagt vom Sohn: der Seiende im Schoß des Vaters. Das ist die Anwendung von „Er ist, ich bin“, der Ewige.
Ja, das ist eben der ewige Sohn.
Psalm 2 spricht vom Sohnsein als Mensch: „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.“ Das wird weiter bestätigt durch 1. Chronika 17, Vers 13: „Ich will ihm zum Vater sein, und er soll mir zum Sohn sein.“ Das erklärt Gott dem König David.
Es ist ganz wichtig: 1. Chronika 17. Die Parallelstelle dazu ist 2. Samuel 7. Dort klingt das ganz ähnlich, aber in 2. Samuel 7 bezieht sich das auf Davids Sohn Salomo. Gott sagt nachher: „Wenn dein Sohn Unrecht tun wird, dann werde ich ihn züchtigen. Aber ich werde meine Güte nicht von ihm weichen lassen, wie ich sie von Saul habe weichen lassen.“ Da sagt Gott, dass er ihm zum Vater sein will.
Aber da bezieht er sich auf Salomo, der wirklich falsche Wege ging, aber später im Alter zurückkehrte und dann auch das Buch Prediger als Rechenschaftsbericht geschrieben hat: „Macht nicht meine Fehler nach. Das Endergebnis des Ganzen: Fürchte Gott und halte seine Gebote.“
In 1. Chronika 17 ist es eine ganz klare messianische Prophezeiung und bezieht sich eben auf den Herrn Jesus. Dort heißt es: „Ich will ihn zum Vater sein, und er soll mir zum Sohn sein.“ Das bezieht sich nicht auf Salomo, sondern auf den Messias, weil es 1. Chronika 17 ist.
Dann kommt das dritte Zitat, so eingeführt: „Wenn ihr aber den Erstgeborenen wieder in den Erdkreis einführt, spricht er, und alle Engel Gottes sollen ihn anbeten.“ Das ist ein Zitat aus Psalm 97, Vers 7.
Jetzt wird uns da etwas erklärt. Dieser Psalm 97 bezieht sich auf welche Zeit? Auf das tausendjährige Reich.
Ich schlage Psalm 97 auf. Wie beginnt es dort? „Der Herr regiert, es bebe die Erde, mögen sich freuen die vielen Inseln.“ Dann Vers 2: „Gewölk und Dunkel sind um ihn her, Gerechtigkeit und Gericht sind seines Thrones Grundfeste. Feuer geht vor ihm her und entzündet seine Feinde ringsum, seine Blitze erleuchten den Erdkreis, die Erde sah es und bebte, die Berge schmolzen wie Wachs vor dem Herrn, vor dem Herrn der ganzen Erde.“
Da geht es um die Wiederkunft Christi im tausendjährigen Reich. „Der Herr regiert“, „Adonai Malach“ – am besten übersetzt man das so: In der Grammatik sagt man „ingressiv“ – der Herr hat die Königsherrschaft ergriffen.
Hier wird von der Wiederkunft Christi und dem tausendjährigen Friedensreich gesprochen, und der Hebräerbrief macht das klar, wenn er den Erstgeborenen wiederum in den Erdkreis einführt.
Daraus wird klar, dass die Psalmen sehr oft ganz klar prophetisch von der Endzeit und vom tausendjährigen Reich sprechen.
Warum betone ich das so? Weil es manche Bibelleser gibt, die denken, die Psalmen sind einfach nur die Erfahrungen der Psalmisten. Natürlich haben die Psalmisten viele Erfahrungen ausgedrückt in den Psalmen, aber die Psalmen sind ganz wesentlich prophetisch. Darum sind auch viele Psalmen Prophezeiungen auf das erste Kommen des Messias als der Leidende (Psalm 22: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“) und viele andere weisen hin auf das zweite Kommen des Herrn Jesus.
In Psalm 97 haben wir dann Vers 7: „Mögen beschämt werden alle Diener der Bilder, die der Nichtigkeiten sich rühmen, fallt vor ihm nieder, ihr Götter alle!“
Damit sind die Engel gemeint. Also der Ausdruck „Elohim“ wird im Alten Testament verwendet, habe ich schon gesagt, auch für Richter (2. Mose 21 z. B.) und Psalm 82. Jesus sagt ja in Johannes 10, zitiert diese Stelle, und sagt, dass eben die, an die das Wort Gottes gerichtet wird, auch „Götter“ genannt werden.
Aber von diesen „Elohim“, diesen Engeln, wird gesagt, sie sollen ihn anbeten. Das heißt im Klartext: Jesus Christus anbeten. Damit ist seine Gottheit nochmals bewiesen.
Jesus hat ja dem Satan, der ein führender Engel war, aber gefallen ist, wiederstanden in der Wüste, als er gesagt hat: „Wenn du niederfällst und mich anbetest, dann werde ich dir alle diese Reiche geben.“ Der Herr Jesus sagt, zitiert aus 5. Mose: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, dienen und ihm allein anbeten, ihn anbeten und ihm allein dienen.“
Also es gibt nur die Anbetung Gottes, und hier werden die Engel aufgerufen, Jesus anzubeten. Darum ist er Gott.
Die Anbetung des Sohnes wird zum Beispiel beschrieben in Offenbarung 5, wo die 24 Ältesten im Himmel niederfallen vor dem Lamm und beten: „Du bist würdig, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen.“ Das ist die Anbetung des Sohnes.
Dann weiter, Vers 7: „Und in Bezug auf die Engel“ – zwar spricht er jetzt ein Zitat aus Psalm 104, Vers 4, der seine Engel zu Winden macht und seine Diener zu einer Feuerflamme.
Interessant, nicht wahr? Gott kann die Engel zu Wind machen und zu Feuer.
Ich habe hier im Skript weitere interessante Stellen hinzugefügt, zum Beispiel Hiob 1, Vers 16 und 19. Nachdem Gott dem Teufel, dem Satan, die Erlaubnis gegeben hatte, Hiobs Besitz anzutasten, lesen wir, dass eine der Katastrophen war, dass Feuer Gottes niederfiel und seine Knechte getötet wurden.
Gott hat dem Teufel überlassen zu handeln, und da kommt Feuer, und Engel können die Gestalt von Feuer annehmen.
Weiter in Offenbarung 14, Vers 18, wird von einem Engel gesagt, der Gewalt hat über das Feuer. Es gibt Engel, die haben ganz spezielle Naturgewalt über Feuer.
In Offenbarung 16, Vers 5, wird gesprochen von dem Engel des Wassers, also Engel, die über die Gewalt, die ja durch Wasser ausgeübt werden kann, eine spezielle Gewalt von Gott bekommen haben.
Diese können also die Form verändern, weil sie Geister sind, und sie können in Form von Feuer und Wind erscheinen.
Aber dann wird gesagt, und der Kontrast in Bezug auf den Sohn: Vers 8, jetzt kommt ein Zitat aus Psalm 45:
„Dein Thron, o Gott, ist von Ewigkeit zu Ewigkeit, und das Zepter der Aufrichtigkeit ist das Zepter deines Reiches. Du hast Gerechtigkeit geliebt und Gesetzlosigkeit gehasst. Darum hat Gott, dein Gott, dich gesalbt mit Freudenöl über deine Genossen.“
Ganz eindrücklich: Hier wird ganz klar gesagt, dass Gott zum Sohn spricht: „Dein Thron, o Gott!“ Gottvater spricht den Sohn an mit „O Gott!“
Das ist jetzt wirklich gewaltig! Manche Bibelausleger würden sagen, in Psalm 45 müsse man das so und so verstehen. Hier haben wir die Auslegung des Heiligen Geistes. Der Heilige Geist hat den Schreiber von Psalm 45 inspiriert und erklärt uns hier, das sagt Gott der Vater zum Sohn, und er nennt ihn „O Gott!“
Man spricht über seine Herrschaft. Das ist ein ewiges Reich, und wie er Gerechtigkeit geliebt und Gesetzlosigkeit gehasst hat.
Dann heißt es: „Darum hat Gott, dein Gott, dich gesalbt.“ Was? Gott? Er wird angesprochen als Gott, und dann wird gesagt „dein Gott“? Wie geht das?
Der Herr Jesus nennt Gott den Vater „mein Gott“ (Matthäus 27: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“).
Ganz wichtig: In Psalm 22, in diesem prophetischen Kreuzpsalm, hören wir die Stimme des Messias, der sagt: „Von Mutterleib an bist du mein Gott.“
Der Herr Jesus, der ewige Sohn, wurde Mensch und hat als Mensch diese Stellung der Unterwürfigkeit eingenommen und nennt Gott „mein Gott“.
Das ist ganz wichtig, dass man eben Menschheit und Gottheit unterscheidet. Das habe ich heute wiederholt gesagt.
So versteht man auch, warum der Herr Jesus sagt: „Der Vater ist größer als ich“ in Johannes 14, weil er sich als Mensch so tief erniedrigt hat. Er wurde wirklich Mensch.
Darum heißt es, dass dieses Kind Jesus in Lukas 2 aufwuchs und an Weisheit zunahm. Er ist als wirklicher Mensch aufgewachsen und hat sich damit bewusst in die Beschränkung gegeben.
Als Mensch war er nicht allwissend. Darum sagt er auch in Markus 13: „Von dem Tag und der Stunde weiß niemand, auch nicht der Sohn.“
Wie geht das? Als Mensch, der sich bewusst in diese Beschränkung gegeben hatte, konnte er damals sagen, der Sohn weiß die Stunde nicht.
Das macht keinen Abbruch an seiner Gottheit.
Eben Gott nennt ihn „O Gott“, und dann wird Gott genannt auch „dein Gott“.
Vers 10: „Und du, Herr, hast im Anfang die Erde gegründet, und die Himmel sind Werke deiner Hände.“
Wer spricht zu wem? Wieder der Vater spricht zum Sohn. Und der Vater spricht den Sohn an mit: „Du, Herr, hast im Anfang die Erde gegründet, und die Himmel sind Werke deiner Hände.“
Gottvater nimmt Bezug auf 1. Mose 1,1: „Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde“ und sagt zum Sohn: „Du bist der gewesen, der im Anfang Himmel und Erde erschaffen hat.“
Dann wird weiter gesagt: „Sie werden untergehen.“ Das wissen wir auch aus 2. Petrus 3, alles wird aufgelöst werden.
Du aber bleibst, und sie alle werden veralten wie ein Gewand.
Alles zerfällt in dieser Schöpfung, nicht wahr? Entsprechend dem zweiten thermodynamischen Hauptsatz.
„Und wie einen Mantel wirst du sie zusammenrollen, und sie werden verwandelt werden.“
„Du aber bist derselbe.“ Dieser Ausdruck ist ganz interessant. Du bist derselbe, weil das im Alten Testament wiederholt vorkommt und bedeutet „der Unwandelbare“.
Gott der Vater sagt vom Sohn: Du bist der Unwandelbare, der derselbe ist, der ewig Unveränderliche.
Das Interessante ist, wenn man jetzt Psalm 102 aufschlägt, erlebt man wirklich die komplette Überraschung.
Im Psalm 102 haben wir nämlich einen prophetischen Psalm auf den Messias, der klagt in Vers 23: „Er, Gott, hat meine Kraft gebeugt auf dem Weg, hat verkürzt meine Tage. Ich sprach: Mein Gott, nimm mich nicht hinweg in der Hälfte meiner Tage.“
Da wusste man aus dieser Stelle, der Messias wird nicht siebzig Jahre alt werden, sondern neunzig. Die Tage sind siebzig Jahre, und wenn es hochkommt achtzig.
Gewiss, in der Hälfte der Tage wird er hinweggenommen werden. Der Herr Jesus war circa 33 Jahre alt bei seinem Tod.
Gleich auf diese Klage hin antwortet Gott Vater zu ihm: „Du hast von Geschlecht zu Geschlecht sind deine Jahre. Du hast vormals die Erde gegründet, und die Himmel sind deiner Hände Werk.“
Der Sohn auf Erden sagt: „Nimm mich nicht hinweg.“ Es war für ihn als Mensch schrecklich, in den Tod zu gehen, er, der das Leben ist.
Gott sagt: „Du bist der Ewige, du hast ja am Anfang alles erschaffen. Es wird untergehen, aber du bleibst, du bist der ewig Unveränderliche Gott.“
Ganz dramatisch, wenn man diese Zitate im Alten Testament und den Zusammenhang nachschlägt.
Ich möchte kurz enden mit Vers 13: „Zu welchem der Engel aber hat er je gesagt: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde hinlege als Schemel deiner Füße!“
Auch das hat man im Judentum auf den Messias bezogen, Psalm 110, Vers 1, dass der Messias einmal auf dem Thron Gottes sitzen wird. Das bezieht sich nie auf Engel.
Dann wird einfach erklärt in Vers 14: „Sind sie nicht alle dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst um der willen, die die Errettung erben sollen?“
Die Engel sind Diener Gottes, aber sie sind unvergleichlich mit dem Messias, der Gott und Mensch in einer Person ist. Der ewige, unfremdeliche Gott, der ein wirklicher Mensch wurde, der bereit war, in der Hälfte seiner Tage in den Tod zu gehen für unsere Sünden, um so die Reinigung der Sünden zu bewirken.
So haben wir Kapitel 1 geschafft. Ich habe viel mehr im Skript vorbereitet, warum? Weil ich nicht weiß, wie viel ich so ganz spontan einflechte, und ich möchte lieber zu viel als zu wenig haben.
Das nehmen wir einfach nächstes Mal und gehen mit Kapitel 2 weiter.