In dieser Woche hat der US-Präsident Donald Trump einen neuen Nahost-Friedensplan vorgelegt. Das haben wir sicherlich alle mitbekommen. Dieser Plan beinhaltet fünf zentrale Punkte und soll für Stabilität und Frieden im Nahost-Konflikt sorgen. Trump verspricht damit tatsächlich, den jahrzehntelangen Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern beizulegen.
Wie nicht anders zu erwarten, sind die deutschen Medien natürlich darauf angesprungen. Sie haben den Plan völlig zerpflückt und ihn teilweise sogar als völkerrechtswidrig abgestempelt. Einige andere vermuten, dass Trump damit eigentlich nur von seinem Impeachment-Verfahren ablenken möchte.
Inhaltlich, das muss ich ganz ehrlich sagen, kann und möchte ich weder den Plan noch die Kritik am Plan bewerten. Ich möchte heute Morgen auch nicht über Trumps Plan für Stabilität und Frieden im Nahost sprechen. Stattdessen möchte ich über Paulus’ Plan für Stabilität und Frieden in der Gemeinde sprechen.
Das ist der Philippi-Plan, den wir in Kapitel 4 finden. Der Predigttext kommt aus Philipper 4, die Verse 1 bis 3. Wir hatten ja im Januar eine Predigtreihe zum Thema Erweckung, die wir am letzten Sonntag mit der Predigt über Jakob abgeschlossen haben. Jetzt beginnt wieder jeder seine eigene Reihe, und ich mache weiter mit meiner Reihe zum Philipperbrief.
Wir sind mittlerweile im Kapitel 4, im letzten Kapitel angekommen, und ich möchte den heutigen Predigttext einmal am Stück vorlesen: Philipper 4,1-3. Dort schreibt Paulus:
„Daher, meine geliebten und ersehnten Brüder, meine Freude und mein Siegeskranz, steht in dieser Weise fest im Herrn. Geliebte, die Evodia ermahne ich und die Syntyche ermahne ich, dieselbe Gesinnung zu haben im Herrn. Ja, ich bitte auch dich, mein rechter Gefährte, steh ihnen bei, die in dem Evangelium zusammen mit mir gekämpft haben, auch mit Clemens und meinen übrigen Mitarbeitern, deren Namen im Buch des Lebens sind.“
Ein kurzer Text, ein relativ unbekannter Text, aber ein Text, der uns, glaube ich, sehr, sehr viel zu sagen hat. Ein Text, der auch sehr, sehr notwendig ist für unsere Gemeinde. Denn wir brauchen Stabilität und Frieden in unseren Beziehungen. Wir brauchen Frieden in der Gemeinde und Stabilität in unserer Beziehung zu Gott. Um all diese Punkte geht es in diesem kurzen Predigttext von heute.
Paulus’ Plan für Philippi umfasst drei Punkte. Jeder Vers entspricht dabei sozusagen einem Punkt. Nun kommen wir zum ersten Punkt.
Der erste Punkt lautet: Der Fokus auf das Fundament.
Ich lese nochmals Vers 1 vor: „Daher, meine geliebten und ersehnten Brüder, meine Freude und mein Siegeskranz, steht in dieser Weise fest im Herrn, Geliebte.“
Paulus hat eine besondere Beziehung zu dieser Gemeinde in Philippi. Das haben wir bereits in Kapitel 1 gesehen, wie er die Philipper anspricht. Man merkt, das sind die Freunde von Paulus. Zu kaum einer anderen Gemeinde hatte Paulus ein so persönliches, ein so vertrautes Verhältnis wie zu der Gemeinde in Philippi. Das kommt hier auch deutlich in der Anrede zum Ausdruck.
Wir sehen gleich, dass Paulus ihnen auch eine Ermahnung aussprechen möchte. Aber er macht es genau richtig: Bevor die Ermahnung kommt, wird erst einmal die Beziehungsebene sichergestellt. Er bezeichnet sie als geliebte Brüder. Paulus liebt die Philipper von ganzem Herzen. Er nennt sie ersehnte Brüder, er sagt, ich sehne mich so sehr nach euch, ich will euch endlich wiedersehen. Ich sitze hier in Rom im Gefängnis, aber im Gedanken bin ich bei euch und ich hoffe darauf, dass ich euch bald wiedersehen werde.
Was für eine herzliche Beziehung! Er nennt sie „meine Freude und meinen Siegeskranz“. Heute würde man vielleicht sagen: Ihr seid mein Pokal. Paulus denkt hier sicherlich an die Belohnung, die er einmal dafür bekommen wird vor dem Herrn, wenn der Herr ihn dafür belohnt, was alles in Philippi geschehen ist und was Gott alles durch Paulus in Philippi gewirkt hat.
Am Ende von Vers 1, falls der Gedanke noch nicht klar genug rübergekommen ist, nennt er sie noch einmal „Geliebte“. Dazwischen finden wir die Ermahnung: „Ihr Lieben“. Das ist ein gutes Muster für uns, wenn wir eine Person auf etwas hinweisen möchten: Erstmal die Beziehungsebene klarstellen, wie sehr wir die Person schätzen und wie wichtig sie uns ist. Dann kommt das, was wir sagen wollen, der Inhalt. Und am Ende stellen wir trotzdem noch einmal klar, wie wir zu dieser Person stehen. Das ist das biblische Muster.
Und wenn kein Anliegen für die Person vor dir da ist, sprich auch keine Ermahnung aus. Sprich keine Ermahnung aus, bevor du sie nicht von Herzen liebst. Das ist der biblische Weg, den Paulus hier ganz bewusst wählt.
Worum geht es im Inhalt? Wozu fordert Paulus die Philipper hier auf? Er fordert sie auf, fest im Herrn zu stehen. Was meint Paulus damit? „Steht fest im Herrn.“
Wenn wir uns den Vers genau anschauen, beginnt er mit einem kleinen, aber wichtigen Wort: „Daher“. Das heißt, das, was Paulus jetzt sagt, ist die Schlussfolgerung aus dem, was er davor schon gesagt hat.
Davor, in der letzten Predigt zum Philipperbrief, hat Paulus gezeigt, wie zielorientiert er lebt. Er sagt, ich vergesse, was hinter mir liegt. Ich will einfach nur Christus erkennen, das ist mein Anliegen für mein Leben.
Dann sagt er den Philippern: Folgt meinem Beispiel nach! Ihr sollt auch so leben, lebt zielgerichtet, lebt Christus-fokussiert in eurem Leben! Und es ist so wichtig, dass ihr meinem Beispiel folgt, denn es gibt negative Vorbilder, sagt Paulus in den Versen davor. Folgt nicht ihrem Beispiel, denn diese Menschen sind diesseits orientiert. Sie leben nur für das Jetzt, aber nicht für das Danach.
Unser Bürgerrecht aber ist im Himmel. Das ist das, was Paulus im Kontext deutlich macht. Wir leben als Christen nicht für das Jetzt, wir leben für das Danach. Das muss unser Fokus sein. Und das bedeutet, zielgerichtet zu leben, denn der Herr kommt bald wieder, sagt Paulus.
Und jetzt kommt unser Text: „Daher“, weil der Herr bald wiederkommt, weil wir zielgerichtet leben sollen, „steht fest“. Es steht nicht einfach nur „steht fest“, hier steht „steht fest im Herrn“. Wir brauchen das richtige Fundament. Ihr Lieben, Christus ist unser Feld, Christus allein ist unser Fundament, auf dem unser Glaube stehen muss. Das macht Paulus den Philippern noch einmal deutlich.
Warum ist das so wichtig, gerade für die Gemeinde Philippi? In Kapitel 1 sehen wir, wie die Philipper leiden, sie leiden als Christen. In Kapitel 3 gibt es falsche Lehrer in Philippi, die die Christen beeinflussen wollen. Es gibt negative Vorbilder, die durch ihren anderen Lebenswandel die Philipper prägen wollen. Es gibt Stürme, die auf die Christen in Philippi einstürmen.
Deswegen ist es so wichtig, dass Paulus sagt: Steht fest! In diesen Stürmen, in all den Lebensumständen, in denen ihr euch befindet, steht fest im Herrn. Das ist so wichtig. Paulus weiß, was die Gemeinde in Philippi braucht, ist geistliche Stabilität. Geistliche Stabilität, und deswegen fordert er sie dazu auf: Steht in dieser Weise fest im Herrn.
Vor etwa zweieinhalb Jahren hat ein Familienvater in der Nähe von Berlin sein Haus mehr oder weniger zum Einsturz gebracht, wie wir auch auf dem Bild sehen können. Die Familie sitzt am Abend im Wohnzimmer, plötzlich brechen zwei Wände weg. Da stellt man sich die Frage: Wie ist es dazu gekommen?
Der Hauseigentümer, also der Familienvater, hat bei Trockenlegungsarbeiten etwas zu tief entlang der Hauswand gebuddelt – mit fatalen Folgen. Der Sand unter dem Fundament ist weggebrochen, die ganze Statik des Gebäudes verschiebt sich. Aus diesem Grund brechen etwas später zwei Wände komplett ein und entblößen das Innere des Wohnzimmers.
Gott sei Dank ist niemand verletzt worden. Aber was hat der Familienvater hier falsch gemacht? Er hat das Fundament untergraben.
Vielleicht befindest du dich gerade in einer Situation, in der Dinge in deinem Leben dein geistliches Fundament untergraben wollen. Vielleicht sind es Gedanken, die du hegst in deinem Kopf. Gedanken, die nicht nur an dem Fundament rütteln, sondern dein Fundament untergraben wollen.
Vielleicht ist es eine falsche Sichtweise über Gott, vielleicht hast du ein falsches Gottesbild, und das bringt dein ganzes Glaubensleben in eine Schieflage. Das kann dein Fundament untergraben.
Vielleicht sind es negative Vorbilder, Menschen in deinem Leben, die nachweislich einen negativen Einfluss auf dein Glaubensleben haben. Sie wollen dein Fundament untergraben.
Vielleicht ist es eine falsche Lehre, Glaubensauffassungen, denen du folgst, die sich aber nicht mit der Bibel decken. Das ist keine Bagatelle. Hier wird unser Fundament untergraben, auf dem wir stehen.
Ihr Lieben, wir stehen auf dem Wort Gottes, wir stehen auf Christus, und wir dürfen nicht zulassen, dass irgendetwas oder irgendjemand dieses Fundament untergraben will. Denn das hat verheerende Folgen: Dann stürzt alles zusammen.
Deswegen sagt Paulus: Steht fest im Herrn, steht auf diesem Fundament. Und wenn das hier eine Aufforderung ist, dann ist das auch eine Entscheidung. Und das ist die Entscheidung, zu der ich dich heute aufrufen möchte: Steh fest im Herrn!
Dafür können wir uns entscheiden. Nimm Gedankengebäude gefangen unter dem Gehorsam Christi, wenn sie dich von Christus wegführen wollen. Das ist eine Entscheidung, die wir treffen können: Was wir durchdenken, welchen Gedanken wir folgen und welchen nicht.
So vieles in unserem Leben kann unsere geistliche Stabilität beeinflussen. Deswegen möchte ich dich herausfordern: Entscheide dich, fest in Christus zu stehen! Entscheide dich, Dinge loszulassen, die dir deine geistliche Stabilität nehmen! Entscheide dich immer wieder neu, deine Kraft aus Christus allein, aus dem Wort Gottes zu beziehen.
Er ist der einzige Fels, auf den wir vertrauen können, in dieser Welt, in der so viele Informationen auf uns einströmen und so viele Stimmen unser Gehör haben wollen. Christus allein – das ist unser Fundament.
Da ist jeder erst mal auch für sich gefragt. Jeder hat eine Eigenverantwortung in der Gemeinde, dass sein persönliches Glaubensleben fest auf Christus steht, auf dem Fundament. Und wenn jeder das macht, trägt das auch insgesamt zur Stabilität in der Gemeinde bei.
Und das ist die Logik. Deswegen sagt Paulus hier das in gewisser Weise pauschal an alle Philipper: Steht in dieser Weise fest im Herrn.
Vielleicht musst du heute aber auch feststellen, dass du eigentlich gar kein wirkliches Fundament hast, auf dem du dein Leben baust. Vielleicht denkst du: Es passiert so viel in meinem Leben, und emotional komme ich nicht mehr klar. Da werden Stützen weggerissen, und ich frage mich: Gibt es überhaupt ein Fundament in meinem Leben?
Wenn du das heute feststellen musst, vielleicht bist du als Gast hier, vielleicht sitzt du vor dem Livestream, du musst dir ganz ehrlich sagen: Ich habe Christus nicht in meinem Leben, ich habe dieses Fundament nicht.
Da möchte ich dich einladen, heute eine Entscheidung zu treffen: Auf Christus zu vertrauen, auf das, was er getan hat, dass er dir deine Sünden vergeben möchte und dass er in deinem Leben dein Fundament sein möchte.
Paulus sagt: Steht fest im Herrn.
Interessant ist, dass er sagt: Steht in dieser Weise fest im Herrn. In welcher Weise? Das bezieht sich auf das, was er jetzt sagen wird. Und eigentlich geht dieser Gedankengang bis Vers 9, dazu kommen wir heute nicht. Wir machen heute nur bis Vers 3.
Aber Paulus möchte in den folgenden Versen deutlich machen, wie wir feststehen können im Herrn.
Das führt uns zum zweiten Punkt: Geistliche Stabilität kann beeinträchtigt werden durch ungeklärte Beziehungen.
Wir kommen zum zweiten Punkt im Philippi-Plan: die Lösung von Konflikten. Ich lese noch einmal Vers 2:
„Die Evodia ermahne ich, und die Syntyche ermahne ich, dieselbe Gesinnung zu haben im Herrn.“
Evodia und Syntyche haben sich in die Haare bekommen. Bevor du jetzt denkst: typisch Frauen, Zickenterror in Philippi – möchte ich dir sagen, dass das auch unter Männern leider sehr häufig vorkommt. In diesem Fall sind es eben zwei Frauen, und ich finde es ein bisschen peinlich, auf diese Weise in der Bibel verewigt zu werden, oder? Jeder in der Kirchengeschichte weiß, dass Evodia und Syntyche sich nicht mehr verstanden haben. Es gibt bessere Gründe, in der Bibel erwähnt zu werden. Diese beiden Frauen haben sich gezofft.
Wir wissen über diese beiden Frauen sonst nicht sehr viel. Es sind zwei griechische Namen, also waren es vermutlich, sehr wahrscheinlich zu hundert Prozent, Heidenchristen. Aus Vers 3 erfahren wir aber, dass sie mit Paulus für das Evangelium gekämpft haben – zusammen mit Clemens und noch ein paar anderen, deren Namen im Buch des Lebens stehen. Das heißt, es sind alles Christen hier, und Evodia und Syntyche sind keine Neubekehrten. Das bedeutet nicht, dass Konflikte unter Neubekehrten okay sind, versteht mich nicht falsch. Aber hier geht es um Mitarbeiter in der Gemeinde, um diejenigen, die an der Front waren – und die haben sich in die Haare bekommen.
Es ist immer unschön und tragisch, wenn Christen sich nicht mehr verstehen, wenn es Konflikte zwischen Christen gibt. In Philippi hat man das mitbekommen: Evodia und Syntyche, das Duo der Evangelisation, die beiden, die an der Front waren, sitzen plötzlich nicht mehr zusammen im Gottesdienst. Warum nicht? Was ist denn jetzt mit denen? Sie haben doch so zusammengehalten, waren mit Paulus an der Front gewesen. Und jetzt? Sie waren mal vereint, jetzt nicht mehr.
Es stellt sich die Frage: Was hat diese beiden Frauen auseinandergebracht? Was war das? Wisst ihr was? Der Text sagt uns das nicht. Wir wissen nicht, warum diese Frauen diesen Streit hatten. Bei einigen anderen Streitgeschichten in der Bibel erkennen wir den Grund, aber hier bei Evodia und Syntyche wissen wir es nicht.
Aber wisst ihr was? Eigentlich ist das auch egal. Wir müssen das nicht wissen. Hier geht es ja ums Prinzip: Zwei leitende Mitarbeiter haben einen Streit, und Paulus sagt, ihr sollt ihn klären. Das sagt uns auch sehr viel. Da müssen wir gar nicht wissen, was der Grund war. Alles, was wir wissen müssen, steht eigentlich im Text.
Ich habe es gerade schon gesagt: Es ist immer unschön und oft sehr tragisch, wenn Christen streiten, wenn es Konflikte unter Christen gibt. Paulus weiß das selbst. Paulus hatte einen ziemlich heftigen Konflikt mit Barnabas, sie haben sich danach getrennt. Paulus wusste also aus eigener Erfahrung, wie tragisch Konflikte unter Christen sind. Leider ist auch die Kirchengeschichte voll davon. Die Kirchengeschichte ist voll von prominenten Beispielen, in denen Christen gestritten haben.
Liebe, wisst ihr, was der häufigste Grund ist, warum Missionare das Missionsfeld verlassen? Der häufigste Grund sind Konflikte innerhalb des Missionsteams. Das ist ziemlich ernüchternd, oder? Wenn das Evangelium darunter leidet, weil die Missionare das Feld verlassen, obwohl sie einen Ruf hatten, von Gott dahin zu gehen. Die Menschen bekommen das Evangelium nicht mehr, weil die Missionare zurückgehen, weil sie sich untereinander in die Haare kriegen. Das ist tragisch. Das ist so richtig tragisch.
Richard Sibbes, ein Puritaner, hat es mal richtig auf den Punkt gebracht: „Unsere Disharmonie ist die Melodie unseres Feindes.“
Wisst ihr was? Evodia und Syntyche sitzen heute hier in diesen Reihen. Evodia und Syntyche sind heute hier. Ich weiß von einigen Personen, die heute hier sitzen, die nicht miteinander klarkommen. Keine Sorge, ich werde sie nicht namentlich nennen. Ich weiß sicherlich auch vieles nicht. Vielleicht gibt es viel mehr Evodias und Syntyche, als ich denke, als ich weiß. Aber es gibt sie. Vielleicht sitzen sie drei Reihen hinter dir, vielleicht auf der Empore, vielleicht vor dir. Wo ist deine Evodia in deinem Leben? Wo sind deine Syntyche?
Deshalb ist es so wichtig, dass wir heute mal darüber sprechen und das Thema ganz klar ansprechen. Dieser Vers lehrt uns mindestens vier Dinge über Konflikte und den Umgang mit Konflikten. Ich kann das Thema nicht voll erschöpfen – das ist ein Riesenthema, das ich hier nur anreiße. Aber ich möchte heute bei diesem Text bleiben. Und dieser Text lehrt uns vier Dinge, die wir aus der Vorgehensweise von Paulus ableiten können.
Erstens: Paulus spricht den Konflikt an. Das muss uns auffallen: Er lässt ihn nicht einfach im Sand verlaufen. Das macht Paulus nicht. Warten, dass Gras darüber wächst, dass die Zeit alle Wunden heilt, und das Thema stillschweigend beiseitelegen – das ist nicht Paulus’ Weg. Paulus spricht den Konflikt an. Daraus lernen wir: Konflikte dürfen nicht ungeklärt bleiben. Eigentlich wissen wir das, oder? Aber wenn du mal in dein Leben schaust: Gibt es Konflikte, die ungeklärt sind? Leider ist es auch als Christ möglich, mit ungeklärten Beziehungen zu leben. Nach einiger Zeit stumpft unser Gewissen ab, und wir nehmen das so hin.
Es gibt Christen, die mit ungeklärten Beziehungen leben, weil ihr Gewissen abgestumpft ist. Wisst ihr, wie ernst die Sache mit Beziehungen ist? Jesus sagt: Bevor du an Gottesdienst denkst, klär erst mal deine Beziehung. Der Hebräerbriefschreiber sagt: „Jagt dem Frieden nach mit allen.“ Jagen ist ein starkes Wort. Das heißt nicht: „Ich versuche es mal, okay, hat halt nicht geklappt.“ Nein, „jagt dem Frieden nach“ heißt mit allem, was ich kann, ich will den Frieden mit der Person. Und deshalb spricht Paulus diesen Konflikt an. Konflikte dürfen nicht ungeklärt bleiben.
Zweitens: Paulus spricht den Konflikt öffentlich an. Warum? Paulus nennt die beiden Frauen mit Namen. Ich habe schon gesagt, es gibt bessere Gründe, in der Bibel erwähnt zu werden. Ich denke nicht, dass jeder Konflikt öffentlich angesprochen werden muss. Vielleicht wäre das in manchen Fällen sogar unklug. Aber warum macht Paulus das hier? Ich gehe davon aus, dass es hier ein öffentlicher Konflikt in Philippi war.
Wenn die beiden Mitarbeiterinnen an der Front, die immer zusammen waren, jetzt getrennt sitzen, sieht es die ganze Gemeinde. Der Konflikt ist öffentlich, und deswegen spricht Paulus ihn auch öffentlich an. Weil er öffentlich ist, hat dieser Konflikt eine große Brisanz. Wenn zwei leitende Mitarbeiterinnen sich in die Haare bekommen, ist die Gemeinde in der Versuchung, sich auf die eine oder andere Seite zu stellen. Der Konflikt zwischen diesen beiden wird zum Einheitsproblem in der ganzen Gemeinde – nur weil sich zwei nicht verstehen können.
Deshalb sieht Paulus die Gefahr und spricht den Konflikt öffentlich an. Das ist die zweite Lektion: Konflikte können zum Einheitsproblem in der Gemeinde werden. Erst gestern habe ich mit einer Person über Konflikte hier in der Gemeinde gesprochen. Sie hat mir einiges erzählt, ohne Namen zu nennen, und sagte: „Andre, es gibt da einige Konflikte, die die Stimmung in unserer Gruppe richtig runterziehen.“ Weil zwei sich nicht verstehen, leidet die ganze Gruppe. Konflikte haben das Potenzial, die Einheit der Gemeinde zu zerstören – gerade wenn es öffentliche Konflikte sind.
Deshalb möchte ich heute persönlich die Frage stellen: Trägst du zur Einheit der Gemeinde bei durch deine Beziehungen, durch die Art, wie du Beziehungen lebst? Oder schürst du eher Konflikte? Vielleicht hast du selbst keinen Konflikt, aber du sorgst dafür, dass ein Konflikt drastischer wird. Dann bist du trotzdem Teil des Problems. Mit deinen Aussagen säst du vielleicht eher Uneinigkeit oder Spaltung, statt die Menschen wieder zusammenzubringen. Dazu kommen wir gleich noch.
Drittens: Paulus spricht beide Frauen gesondert an. Ist euch das aufgefallen? Paulus sagt nicht: „Ich ermahne Evodia und Syntyche.“ Sondern: „Evodia ermahne ich, und Syntyche ermahne ich.“ Im Griechischen bekommt jede Frau ihr eigenes Verb. Der Vorleser, der den Philippabrief in der Gemeinde vorliest – der Brief ist mit Epaphroditus angekommen –, hat die Möglichkeit, beim Vorlesen aufzuschauen und zu sagen: „Evodia ermahne ich.“ Und dann „Syntyche ermahne ich.“
Beide werden gesondert angesprochen. Warum? Paulus schlägt sich nicht auf die eine oder andere Seite. Wenn Paulus in Philippi gewesen wäre, hätte er wahrscheinlich mit jeder der beiden Frauen ein Einzelgespräch geführt. Was wir daraus lernen, ist: Konflikte haben immer zwei Seiten. Das ist die dritte Lektion.
Stellt euch das Szenario in der Gemeindeversammlung vor: Der Brief wird vorgelesen. Evodia hört zu und wartet, bis Paulus endlich Syntyche ermahnt. Wann ermahnt Paulus endlich Syntyche? Und plötzlich hört sie ihren Namen zuerst. Oh! Versetzt euch in Syntyches Situation. Vielleicht hat sie sogar über Familienbeziehungen Epaphroditus beeinflusst, dass er in Rom mit Paulus über den Konflikt spricht und bittet, doch endlich Evodia zu ermahnen. Und jetzt ist Syntyche in der Gemeindeversammlung und wartet. Sie muss bis Kapitel 4 warten, und dann wird vorgelesen: „Evodia ermahne ich!“ Und sie jubelt innerlich: Ja, Paulus spricht es an!
Aber der Vorleser macht weiter: „Und Syntyche ermahne ich.“ Ihr habt beide einen Anteil an diesem Konflikt. Liebe, daraus lernen wir: Wenn sich zwei Personen in die Haare bekommen, gibt es immer zwei Seiten.
Viertens: Paulus geht zuvor auf den Kern aller Konflikte ein. Beim oberflächlichen Lesen könnte der Eindruck entstehen, Paulus mache es sich einfach. Zwei Schwestern kommen nicht miteinander klar, und Paulus sagt: „Seid eines Sinnes.“ Punkt. Wie soll das funktionieren? Wenn du in der Eheberatung bist, und ein Ehepaar hat sich richtig in die Haare bekommen, und du sagst: „Leute, seid eines Sinnes, ich wünsche euch Gottes Segen,“ wird das funktionieren? Wahrscheinlich nicht.
Macht Paulus es sich hier zu einfach? Nein, natürlich nicht. Denn gleich in Kapitel 2 sehen wir, dass er aus der Entfernung Hilfe sendet. Aber nicht nur das: Paulus ist zuvor bereits auf den Kern aller Konflikte eingegangen.
Warum sage ich das? Dieselbe Wendung „dieselbe Gesinnung haben“ wird in Kapitel 2, Vers 2 erwähnt. Ich lese den Vers noch einmal:
„So erfüllt meine Freude, dass ihr dieselbe Gesinnung habt.“
Das schreibt Paulus an die Gemeinde insgesamt. Als Gemeinde sollen sie dieselbe Gesinnung haben. Und jetzt erklärt Paulus in Kapitel 2, wie man zu derselben Gesinnung kommt.
Vers 3: „Nichts aus Eigennutz oder eitler Ruhmsucht, sondern in der Demut achte einer den anderen höher als sich selbst.“
Vers 4: „Ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern ein jeder auch auf das der anderen.“
Anders gefragt: Was ist der Grund, warum Beziehungen kaputtgehen? Was ist der Kern aller Konflikte? Wir haben die Antwort im Text: Eigennutz, Egoismus. Eigennutz ist schlichtweg Egoismus. Das sind Personen, die nur mit der Leitfrage durchs Leben gehen: „Was habe ich davon?“ Diese Personen haben die meisten ungeklärten Beziehungen und Konflikte.
Paulus erwähnt einen weiteren Punkt: Ruhmsucht. Leute, denen es nur um die eigene Ehre geht. „Es geht um mein Ansehen, und wenn mir jemand im Weg ist, habe ich einen Konflikt mit ihm.“
Paulus erwähnt Demut, also ist das Gegenteil Stolz. Stolz ist der Grund, warum wir Konflikte haben. Stolz im Herzen. Wir denken meist an die andere Person und sagen, die andere Person ist stolz. Paulus sagt: Nein, es ist der Stolz in deinem Herzen.
Paulus nennt einen vierten Punkt, der entscheidend für harmonische Beziehungen ist: Nicht auf das Seine sehen, sondern auf die Wünsche und Bedürfnisse des Anderen achten.
Zusammengefasst lautet die Lektion: Der Kern aller Konflikte ist der Fokus auf die eigenen Wünsche.
Ich möchte dir das mitgeben, wenn du gerade in einem Konflikt stehst: Ich kenne das von mir selbst – wir denken meistens zuerst an die andere Person, oder? Aber der Text möchte uns deutlich machen: Konflikte haben immer zwei Seiten. Schau zuerst auf dich. Das Problem liegt nicht nur in der anderen Person. Vielleicht gibt es da auch ein Problem, aber darum musst du dich nicht in erster Linie kümmern. Kümmere dich um dein Problem im Herzen.
Es ist wirklich wahr, dass Egoismus und eigene Wünsche immer wieder zu Konflikten führen. Wir kennen das aus dem Kinderzimmer. Wer kleine Kinder hat oder hatte, kennt Streit im Kinderzimmer. Was ist der Grund? So ziemlich immer: „Ich wollte das Spielzeug haben!“ „Nein, ich wollte das Spielzeug haben!“ Das klingt banal, aber genau das passiert Tag für Tag.
Der Kern aller Konflikte ist der Fokus auf die eigenen Wünsche: „Ich will haben!“ Und wir denken jetzt: „Das ist Kinderzimmer.“ Aber kann es sein, dass es bei uns Erwachsenen oft ähnlich ist?
Ein hypothetisches Szenario: Ein Ehepaar kommt zur Seelsorge. Die Frau ist unzufrieden, weil ihr Mann seinen Pflichten nicht nachkommt. Der Mann sagt: „Ich weiß gar nicht, was sie will. Ich arbeite so hart. Habe ich nicht das Recht, mich nach der Arbeit einfach mal aufs Sofa zu setzen und fernzusehen? Ich arbeite doch die ganze Woche hart. Warum habe ich kein Recht dazu?“
Wenn wir das näher anschauen, sagen wir: Es ist nachvollziehbar, dass jemand, der hart arbeitet, Ruhe braucht. Das Problem ist, dass dieser Mann denkt, er hat einen Anspruch darauf. Und er ist bereit, die Beziehung zu seiner Frau schleifen zu lassen – es geht um ihn, um seine Ruhe, seine Auszeit. Er schaut nicht auf das, was seine Frau braucht, die ja auch den ganzen Tag gearbeitet hat.
Versteht ihr? Solche Situationen zeigen sich immer wieder. Wo ein Konflikt ist, liegt der Kern oft in selbstsüchtigen Wünschen.
Deshalb, wenn du gerade in einer Konfliktsituation bist, stell dir die Frage: Inwiefern trägt mein Egoismus zu diesem Konflikt bei? Ist es der Stolz in meinem Leben? Bist du deprimiert oder verbittert, weil ein Wunsch von dir nicht erfüllt wird und du meinst, du hast ein Recht darauf? Das ist der Kern aller Konflikte.
Gibt es etwas in deinem Leben, das du so sehr begehrst, dass du bereit bist, andere zu enttäuschen oder zu verletzen, um es zu bekommen? Das ist der Kern aller Konflikte: der Fokus auf die eigenen Wünsche.
Jetzt möchte ich noch einmal auf meine eigentliche Frage zurückkommen, nachdem wir die vier Lektionen aus Vers 2 angeschaut haben: Gibt es eine Person in deinem Leben, mit der du momentan in Unfrieden lebst? Es kann sein.
Die Frage, die ich dir stellen möchte – und die Gott dir eigentlich stellen möchte – ist: Hast du bereits ernsthaft etwas unternommen, um diese Beziehung zu klären? Und ich meine wirklich ernsthaft. Hast du alles getan, was du tun kannst? Wenn du noch nichts unternommen hast, was ist der Grund? Ist es vielleicht der Stolz, deinen eigenen Fehler zuzugeben? Das kann es sein. Das musst du beantworten – ich weiß es nicht.
Wir sollten immer zuerst unseren Balken aus dem Auge nehmen, bevor wir den Splitter im Auge des anderen sehen. Ich möchte dich heute herausfordern, so viel an dir liegt, die Beziehung zu klären.
Die Bibel ist realistisch. Sie weiß: Nicht jeder Konflikt ist wiederherstellbar, wenn die andere Person zum Beispiel gar nicht will. Das ist tragisch, aber so ist es. Aber die Bibel sagt: So viel an dir liegt, das, was du tun kannst, solltest du tun, um den Konflikt zu klären.
Hast du bereits alles getan, um das zu tun? Das ist die Frage, die Gott dir heute stellt.
Wir beten in diesem Jahr für Erweckung. Wenn wir für Erweckung beten, dann beten wir dafür, dass Gott in besonderer Weise in unserem Herzen wirkt. Erweckung beginnt immer bei uns selbst.
Vielleicht möchte Gott dir heute an diesem besonderen Tag einige „Leichen im Keller“ zeigen, wo du dachtest, Gras sei schon darüber gewachsen, aber die Sache ist noch nicht geklärt. Auch wenn du vielleicht schon ein bisschen Frieden darüber hattest – Gefühle können uns täuschen. Wenn die Sache ungeklärt ist, will Gott, dass du noch einmal versuchst, sie wirklich zu klären, so viel an dir liegt.
Ich bin dankbar für das Zeugnis von Michael Richter, weil ich glaube, dass es kaputte Beziehungen gibt, die unglaublich emotional belastet sind. Ich glaube, dass es Menschen gibt, die heute hier sitzen und Angst haben, wenn sie daran denken, die Beziehung wieder zu klären. Weil ihnen so viel Unrecht angetan wurde, weil sie so verletzt wurden. Und sie fragen: „Andre, meinst du wirklich, ich soll noch einmal auf diese Person zugehen?“
Es kann sein, dass die Sache so emotional geladen ist, und wir brauchen die Kraft vom Herrn. Aber was ich dir sagen möchte: Wenn du dich darin wiedererkennst, brauchst du keine Angst zu haben. Gott möchte dir die Kraft geben und dich nicht überfordern. Gott will mit dir Schritt für Schritt gehen.
Vielleicht ist es heute nicht dran, direkt Schritt eins, zwei und drei auf einmal zu gehen. Aber fang heute mit einem kleinen Schritt an. Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung verherrlicht auch Gott. Wir müssen nicht sofort Riesenschritte machen. Gott will dich an die Hand nehmen und mit dir Schritt für Schritt Richtung Frieden gehen.
Fang heute an mit einem ganz kleinen Schritt. Ein kleiner Schritt ist auch ein Schritt in die richtige Richtung.
Wir kommen zum dritten und letzten Punkt im Philippi-Plan: die Hilfe zur Konfliktlösung. Ich lese Vers 3 noch einmal vor:
„Ja, ich bitte auch dich, mein rechter Gefährte, steh ihnen bei, die in dem Evangelium zusammen mit mir gekämpft haben und auch mit Clemens und meinen übrigen Mitarbeitern, deren Namen im Buch des Lebens stehen.“
Paulus wechselt hier vom Ermahnen zum Bitten. Ist euch das aufgefallen? Seine Bitte richtet sich an eine dritte Person. Sie ist weder Evodia noch Syntyche, sondern eine dritte Person, die er hier einfach „mein rechter Gefährte“ nennt.
Wenn es sich um einen Timotheusbrief handeln würde, der an eine Einzelperson gerichtet ist, wüssten wir, dass „mein rechter Gefährte“ Timotheus meint. Der Philipperbrief ist aber an eine ganze Gemeinde geschrieben, und mittendrin steht „mein rechter Gefährte“. Wer ist damit gemeint? Wir wissen es nicht.
Es gibt viele Spekulationen in der Philipperbrief-Forschung. Einige vermuten, es sei Lukas, der Arzt, weil er lange in Philippi war. Andere sagen, das griechische Wort „Syzykus“ sei eigentlich ein Eigenname. Die Gute Nachricht Bibel übersetzt es entsprechend mit einem Eigennamen: „Dich aber, mein bewährter Syzykus, bitte ich, dass du ihnen dabei hilfst.“ Diese Interpretation würde das Problem lösen, denn dann wüssten wir alle, wer gemeint ist.
Das Problem an dieser Deutung ist, dass der Name Syzykus weder in der Bibel noch in außerbiblischen Quellen als Name belegt ist. Deshalb lehnt sich die Gute Nachricht Bibel hier etwas weit aus dem Fenster. Aber es ist eine Möglichkeit, dass es so sein könnte.
Letztendlich wissen wir nicht, wer gemeint ist. Klar ist jedoch: Die Gemeinde in Philippi wusste, wer gemeint ist, und die angesprochene Person wusste, dass sie gemeint ist. Sonst hätte Paulus das näher erklärt.
Paulus bittet diese Person, wer sie auch immer ist: Bitte steh ihnen bei, hilf den beiden Frauen, die nicht miteinander klarkommen. Es ist interessant, dass das Wort, das hier mit „helfen“ übersetzt wird, auch in Lukas 5,7 erwähnt wird. Dort haben die Jünger einen riesigen Fischfang gemacht und kommen allein mit den ganzen Fischen im Netz nicht klar. Deshalb rufen sie die anderen Jünger um Hilfe.
Das Wort bedeutet also, dass man alleine nicht klarkommt und Hilfe von außen braucht. So wird es hier auch verwendet. Paulus weiß, dass Evodia und Syntyche natürlich die Verantwortung haben, den Konflikt zu klären, wie Vers 2 zeigt. Aber manchmal sind Konflikte so emotional geladen und festgefahren, dass Hilfe von außen nötig ist.
Paulus bittet diesen Mann, wer auch immer er ist, als dritten Vermittler, den beiden zu helfen. Liebe Gemeinde, der Gedanke eines Vermittlers oder heute neudeutsch Mediators ist keine neue Erfindung. Es gibt ihn schon lange, nicht nur im Philipperbrief.
Die Gemeinde in Korinth hat so heftig gestritten, dass es dort noch wilder zuging als in Philippi. Sie sind sogar gegeneinander vor Gericht gezogen. Im 1. Korintherbrief sagt Paulus in Kapitel 5, Vers 5: „Zur Beschämung sage ich es euch: Es ist kein Weiser unter euch, der zwischen Bruder und Bruder entscheiden kann.“ Das ist interessant. Paulus setzt voraus, dass es eigentlich in jeder Gemeinde jemanden geben sollte, der zwischen streitenden Christen vermitteln kann.
In Korinth war das offenbar nicht der Fall. Paulus sagt aber auch, dass es Weisheit braucht. Es muss ein Weiser sein, der den beiden helfen kann. Statt Vermittler könnte man auch Friedenstifter sagen.
Liebe Gemeinde, der Dienst eines Friedenstifters ist ein kostbarer Dienst in der Gemeinde. Ich bin sehr dankbar, dass wir konkret einige Personen haben, die sehr darauf bedacht sind, Menschen wieder zusammenzubringen. Das ist ein wertvoller Dienst in der Gemeinde.
Jesus erwähnt die Friedenstifter in den Seligpreisungen. Er sagt in Matthäus 5,9: „Glückselig sind die Friedenstifter, denn sie werden Söhne Gottes heißen.“ Sie erhalten ein ganz besonderes Label im Himmel, weil sie Friedenstifter auf Erden waren.
Wir alle sind dazu aufgerufen, in Konfliktsituationen zu helfen, wenn zwei nicht mehr klarkommen – wie alle Menschen. Wir sind nicht dazu aufgerufen, durch unser Gerede Konflikte zu schüren. Wir sollen nicht schnell Partei ergreifen oder pauschal urteilen. Wir sollen nicht Salz in die Wunden streuen, denn Konflikte bringen Verletzungen mit sich. Wir sind nicht dazu aufgefordert, mit dem Hammer noch einmal draufzuhauen und zu fragen: „Warum kommst du nicht klar?“
Wozu wir aufgefordert sind, ist zu helfen – wenn zwei nicht mehr klarkommen. Wir sind aufgefordert, Friedenstifter zu sein.
Ich möchte noch einmal klarstellen: Nicht jeder Konflikt braucht einen Friedenstifter. Oft ist es am besten, wenn die beiden direkt miteinander reden und das Problem zu zweit klären. Das ist ideal.
Manchmal ist es aber so schwierig, Menschen zusammenzubringen, dass es eines Dritten bedarf. Ich möchte das mit einem Bild veranschaulichen.
Wie ihr sicherlich wisst, lassen sich Öl und Wasser schlecht miteinander vermischen. Auf dem Bild sehen wir genau das. Wer schon einmal ein Salatdressing gemacht hat, weiß das: Erst Wasser rein, dann Öl. Um es etwas zu vermischen, muss man kräftig schütteln. Dann entsteht für eine Zeit eine einheitliche Substanz, aber früher oder später trennt sich das wieder.
Schauen wir uns das Bild der Mayonnaise an. In Mayonnaise sind sowohl Öl als auch Wasser enthalten, und sie bleiben dauerhaft verbunden. Warum? Das Eigelb ist der Grund. Im Eigelb ist Lecithin enthalten, das als Emulgator fungiert. Emulgatoren sind Hilfsstoffe, die zwei Flüssigkeiten miteinander verbinden, die von Natur aus nicht zusammenpassen.
Ich weiß, dass jedes Bild hinkt. Aber manchmal ist es so, dass zwei Menschen nicht miteinander klarkommen. Dann kannst du sie zwar schütteln, und es funktioniert vielleicht eine Zeit lang, aber früher oder später gehen sie wieder getrennte Wege.
Was es braucht, ist ein Dritter, der die beiden verbindet.
Ich möchte euch heute einladen: Seid so ein Dritter! Vielleicht habt ihr euch im ersten und zweiten Punkt nicht so wiedergefunden und gedacht: „Ja, ich stehe im Herrn, ich habe keine ungeklärten Beziehungen.“ Im dritten Punkt sind wir definitiv alle gefragt, Friedenstifter zu sein.
Wo können wir Menschen wieder zusammenbringen? Es ist so eine Erfüllung, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen, wenn du zwei Menschen vor dir hast, die nicht miteinander klarkommen, und der Herr schenkt Weisheit. Ihr redet miteinander, und am Ende versöhnen sie sich.
Zu diesem Dienst möchte ich euch einladen: Entscheidet euch heute, Friedenstifter zu sein. Wo kann ich Menschen zusammenbringen? Wo möchte Gott mich gebrauchen?
Zum Ende der Predigt möchte ich noch kurz eine praktische Anleitung geben, wie man beim Friedenstiften vorgehen kann:
Erstens, bete um Weisheit, wie es in Jakobus 1,5 heißt. Wir brauchen Weisheit in solchen Situationen.
Zweitens, höre dir beide Seiten möglichst neutral an. Das steht in Sprüche 18,17: Sprich mit jedem über das eigene Problem, nicht über das Problem des anderen. Hilfreich ist es, das eigentliche Problem nicht in den Umständen, sondern im eigenen Herzen zu suchen.
Drittens, ein praktischer Ratschlag: Lest mal das Buch „Sei ein Friedenstifter“ von Ken Sander. Ich wollte es heute vorstellen, habe es aber im Büro vergessen. Wir schicken die Buchempfehlung vielleicht per E-Mail herum. Es ist ein wertvolles Buch zur biblischen Konfliktlösung. Es hilft, wenn man selbst in einem Konflikt steckt, und zeigt Wege, wie man Friedenstifter sein kann.
Zum Schluss möchte ich noch auf die andere Seite eingehen: Wenn es einen Dritten geben soll, der vermittelt, dann ist es vielleicht auch gut, wenn du in einem Konflikt bist, selbst einen Dritten hinzuziehst. Das kann sehr wertvoll sein.
Vielleicht hast du einen Ehekonflikt, der sich schon länger zieht. Meine Erfahrung zeigt, dass Frauen in der Regel eher bereit sind, Hilfe von außen zu holen als Männer. Ich glaube, ich weiß, woran das liegt: Es liegt häufig am Stolz der Männer. Wenn wir Hilfe von außen holen, geben wir damit zu, dass wir es nicht allein schaffen. „Schatz, wir haben doch kein Problem, ich habe alles im Griff.“ Das ist Stolz. Da wären wir wieder beim Stolz.
Vielleicht ist es für euch an der Zeit, einen Dritten zu holen. Dafür müsst ihr euch natürlich beide entscheiden. Aber es kann so wertvoll sein, Hilfe von außen zu bekommen.
Dafür sind wir in der Gemeinde füreinander da. Wir sitzen hier nicht und tun so, als seien alle Beziehungen in unserem Raum perfekt. Wir haben alle unsere Baustellen. Wir brauchen einander, um einander zu helfen.
Deshalb möchte ich euch ermutigen: Wenn es in deinem Leben einen Konflikt gibt, der dich wirklich belastet, hol dir Hilfe. Lass deine Lasten von jemand anderem tragen. Du musst sie nicht allein tragen.
Ich lade dich ein, heute zum Gebets- und Gesprächsangebot zu kommen, wenn dich die Predigt angesprochen hat. Wir möchten gerne für deine Situation beten. Manchmal können Konflikte sehr emotional sein.
Zieh dich nicht zurück, öffne dich und entscheide dich bewusst, mit Gottes Hilfe alles zu tun, um Konflikte zu klären.
Amen.