Bei unserer Predigtreihe über die Bergpredigt Jesu kommen wir heute zum zweiten Teil. Es geht um die Verse vier bis acht.
Zuvor möchte ich jedoch noch einmal den gesamten ersten Teil dieses Bibeltextes vorlesen – im Originalton Jesu. Ich bitte Sie, sich dazu jetzt zu erheben.
Als Jesus das Volk sah, ging er auf einen Berg, setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm. Er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach:
Selig sind, die da geistlich arm sind, denn ihrer ist das Himmelreich.
Selig sind, die da Leid tragen – oder wir könnten auch übersetzen: die da trauern –, denn sie sollen getröstet werden.
Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen.
Selig sind, die da hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden.
Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
Selig sind die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.
Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen.
Selig sind die, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.
Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und allerlei Übles gegen euch reden, wenn sie damit lügen. Seid fröhlich und getrost! Es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden, denn ebenso haben sie die Propheten verfolgt, die vor euch gewesen sind.
Wir beten noch einmal:
Ach, Herr Jesus, danke, dass dein Wort mächtig ist, um unser Leben zu verändern, um uns aufzurichten, zu trösten, zu korrigieren und wachzurütteln.
Herr Jesus, lass uns heute Morgen begreifen, was du mit dieser Bergpredigt in uns verändern willst. Hilf uns jetzt beim Reden und Hören. Amen!
Nehmen Sie bitte wieder Platz.
Einführung in die Bergpredigt und das Bild vom Pferd
Im Urlaub habe ich ein Versprechen eingelöst: einen Zirkusbesuch mit der ganzen Familie. Dabei ist eine Szene unseren Kindern besonders im Gedächtnis geblieben.
Ein Clown versucht, ein echtes Pferd dazu zu bringen, über eine Stange zu springen. Der Clown gibt sein Bestes: Er klopft dem Pferd auf den Rücken, zieht am Schwanz, schiebt und tut alles, was er kann. Doch das Pferd bleibt ungerührt vor der Stange stehen.
Dann kommt der Dompteur herein, gibt dem Pferd Zucker, redet ihm gut zu und krault es hinter den Ohren. Mit einem kleinen Trick springt das Pferd plötzlich über die Stange. So einfach ist das.
Viele stellen sich den Umgang mit der Bergpredigt ähnlich vor – das Erfüllen der Bergpredigt. Der Mensch ist wie ein störrisches Pferd. Doch wenn man ihm gut zuredet, ihn richtig anleitet und ihm ein bisschen Zucker gibt, kann er vielleicht nach den Grundregeln der Bergpredigt leben.
So sieht es auch der Journalist Franz Alt. Auf sein Buch habe ich ja schon letzten Sonntag hingewiesen. Es heißt „Frieden ist möglich“. Wenn man dieses Buch richtig verstehen will, muss man es wie bei manchem Krimi machen: Man muss von hinten anfangen zu lesen. Denn der entscheidende Satz steht auf der letzten Seite.
Dort schreibt Franz Alt: „Weil wir so handeln können, wie Jesus sagt, darum sollen wir so handeln. Es hängt alles von unserem Willen ab.“ Dann fügt er hinzu: „Bedenkt, dass ihr Menschen seid und vergesst alles andere. Entscheidet euch gegen das Gesetz der Gewalt, für das Gesetz der Liebe. Arbeitet an der Überwindung des Unmenschlichsten aller Dogmen, dass der Mensch unverbesserlich sei.“
Die Radikalität der Bergpredigt und die Unverbesserlichkeit des Menschen
Für Franz Alt ist das unmenschlichste Dogma, dass der Mensch unverbesserlich sei. Genau das jedoch behauptet die Bibel, das behauptet Jesus: Der Mensch ist unverbesserlich. In der Sprache der Bibel ist der Mensch ein verlorener Sünder. Er kann sich nicht selbst gut machen.
Franz Alt dagegen behauptet, der Mensch könne es, wenn er nur will. Das heißt, die faszinierende Bergpredigt könne eigentlich von jedem Menschen gelebt werden, sagt Franz Alt, wenn er nur guten Willens ist. So wird die Bergpredigt zu einem Tugendkatalog, mit dem man Leute erziehen kann, zu einem Besserungsprogramm für die Menschheit.
Liebe Gemeinde, wer so mit der Bergpredigt umgeht, der bricht ihr die Spitzen ab. Er kann sie am besten gleich wieder weglegen. Er macht sie harmlos, verwandelt einen Wasserfall in einen Rinnsal. Denn die Bergpredigt ist viel radikaler, sie will viel mehr.
Der Bergprediger sagt nicht, ihr müsst bessere Menschen werden, sondern er sagt, ihr müsst total andere Menschen werden. Er sagt: Es reicht nicht, wenn du auf den äußeren Mord verzichtest. Schon der Hass in deinem Herzen ist ein Schwerverbrechen.
Dass die Ehe nicht geschieden werden darf, ist nach der Bergpredigt klar. Aber Jesus sagt bereits: Jeder begehrliche Blick auf einen anderen Menschen als deinen Ehepartner – und das heißt wohl auch jede Sexszene, die du genüsslich im Fernsehen ansiehst – zählt so viel wie Ehebruch.
Jesus legt die Latte hoch, erschreckend hoch. Wenn wir uns Menschen noch einmal mit dem Pferd im Zirkus vergleichen, dann verlangt die Bergpredigt nicht von uns, nur dass wir über die Stange drüberspringen. Das lässt sich mit gutem Willen und einem Stück Zucker noch hinkriegen.
Nein, die Bergpredigt verlangt von uns Pferden, dass wir uns in die Lüfte erheben und davonfliegen. Und wir fragen zu Recht: Wie soll ein Pferd fliegen können? Dazu müsste ein Pferd erst einmal ein Vogel werden, dann könnte es fliegen.
Wenn wir anders wären, dann könnten wir auch anders handeln. Damit sind wir am Kern unseres Problems: Solange ein Pferd ein Pferd bleibt, wird es nicht fliegen. Dafür gebe ich Ihnen mein Wort.
Ja, ich kann auf das Pferd einprügeln, ich kann dem Pferd gut zureden, aber es wird nicht fliegen. Ich kann dem Pferd sagen: „Sieh doch mal die Vögel da oben, nimm dir ein Beispiel an den Vögeln, wie sie schön fliegen, versuch’s doch auch mal!“ Das Pferd wird nicht fliegen.
Die Bergpredigt sagt: Solange ein normaler Mensch ein normaler Mensch bleibt, kann er nicht fliegen. Er kann nicht mit der Bergpredigt leben, auch wenn er vielleicht den einen oder anderen Charakterzug der Bergpredigt ganz sympathisch findet. Aber die ganze Bergpredigt kann ein normaler Mensch nicht schlucken.
Manche nehmen sich ja einzelne Versatzstücke der Bergpredigt gern heraus, zum Beispiel diesen Satz: „Selig sind die Friedensstifter“. Manche, die diesen Satz auf ihre Fahnen geschrieben haben, haben genauso lautstark für die Abtreibung demonstriert, obwohl die Bergpredigt Tötung verbietet.
Und manche, die in der Politik Feindesliebe predigten, haben sich in der Ehe ganz selbstverständlich von Zeit zu Zeit einen kleinen Seitensprung erlaubt. Die ganze Bergpredigt kann der normale Mensch nicht schlucken.
Aus dem Pferd muss ein Vogel werden. Aus dem normalen Menschen muss ein Christ werden, wie wir letzten Sonntag sagten: ein Mensch mit einer doppelten Staatsbürgerschaft – Staatsbürger in Deutschland meinetwegen und Staatsbürger im Himmel. Dann kann er anfangen, mit der Bergpredigt zu leben.
Oder wenn wir es noch mehr zuspitzen wollen: Aus einem Weltmenschen muss ein Heiliger werden, wenn er nach der Bergpredigt leben will. Und heilig bedeutet nicht ein Mönch, der sich irgendwo zurückzieht. Ein Heiliger, sagt die Bibel, ist ein Mensch, der zu Gott gehört – in erster Linie zu Gott.
Das Reich Gottes als Lebensraum der Heiligen
Und für diese Menschen, sagt Jesus, ist die Bergpredigt gedacht: für diejenigen, die im Reich Gottes leben, in dem Jesus herrscht und das Sagen hat.
Wenn wir fragen, wo dieses Reich denn genau sei, macht Jesus deutlich, dass dieses Reich jetzt schon da ist, wenn auch noch unsichtbar. Dieses Reich von Jesus ist überall dort, wo Menschen ihm gehorchen und ihm nachfolgen.
Jesus sagt ebenso klar, dass dieses Reich eines Tages völlig sichtbar sein wird. Dann wird Jesus seine Macht jedem offenbaren und sein endgültiges Reich einrichten.
Für die Heiligen, für die Christen, bedeutet das also: Das Beste kommt noch. Wir leben jetzt in einem Königreich von Jesus, das noch unsichtbar ist. Aber in der Zukunft wird es noch viel, viel besser.
Matthäus 5,12 sagt: Wir werden einen großen Lohn im Himmel bekommen. Aber auch jetzt schon haben wir, wenn wir in diesem Reich leben, ganz massive Vorteile.
Merken Sie sich: Wenn ein Pferd fliegen will, muss es erst ein Vogel werden – das geht nicht einfach so. Wenn ein Mensch mit der Bergpredigt leben will, muss er erst ein Heiliger werden, ein Bürger im Reich Gottes. Und das ist möglich, Gott sei Dank.
Aber wie? Wie wird man ein Heiliger? Wie wird man ein Bürger im Reich Gottes? Wie bekommt man diese zweite Staatsbürgerschaft?
Die Antwort ist eigentlich einfach: Jesus sagt, wenn ich mich dem König dieses Reiches unterwerfe, wenn ich mich Jesus unterwerfe, wenn ich den Bergprediger zum Chef meines Lebens mache, dann komme ich in dieses Reich hinein.
Das heißt: Wer mit der Bergpredigt leben will, wer dieses faszinierende Leben, das Jesus beschreibt, erfahren will, braucht eine persönliche Beziehung zum Bergprediger.
Wie man diese Beziehung bekommt, haben wir letzten Sonntag gesehen. Es steht in der ersten Seligpreisung, Matthäus 5,3, die gewissermaßen das Eingangstor ist: „Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihnen gehört das Himmelreich.“
Geistliche Armut als Voraussetzung für das Leben im Reich Gottes
Wir hatten gesagt: Geistlich arm zu sein, hat nichts mit einem vollen oder leeren Portemonnaie zu tun. Es hängt auch nicht davon ab, ob jemand einen etwas besseren oder weniger gut ausgeprägten Verstand hat. Geistlich arm bedeutet vielmehr, arm im Geist zu sein. Dabei geht es um meine Beziehung zu Gott.
Geistlich arm zu sein heißt, meine Hilflosigkeit vor Gott einzugestehen. Es bedeutet, vor Gott Konkurs anzumelden. Ich erkläre meine Zahlungsunfähigkeit und gebe zu, dass ich vor Gott nicht so bestehen kann, wie ich bin.
Dann kommt der Bergprediger, Jesus, und sagt: „Komm her zu mir, ich komme für deine Schulden auf, ich vergebe dir.“ So komme ich hinein in dieses Reich. Ich melde Konkurs an, das heißt, ich bin nicht länger der strahlende Chef meiner eigenen Firma.
Jesus sagt: „Wenn du so weit bist, dass du nicht mehr der strahlende Chef deiner eigenen Firma bist, dann kannst du bei meiner Firma einsteigen.“ Dann darfst du in meinem Imperium, in meinem Reich dabei sein. Du darfst in meinem Reich leben als mein Untertan, wo ich König bin.
Dann beginnt die Bergpredigt. Sie beschreibt, was es heißt, in der Firma von Jesus, unter der Herrschaft von Jesus zu leben. Jesus hat es auch einmal genannt: unter seinem Joch leben.
Und Sie wissen, was das für ein Ding ist, ein Joch. Meistens ist es aus Leder gefertigt und wird den Lasttieren übergelegt, damit sie ihre Last besser ziehen können.
Jesus hat gesagt: „Wer unter meiner Führung leben will, der soll sich mein Joch über den Nacken legen lassen.“
Das Joch Jesu als Hilfe und Kraftquelle
Bevor wir jetzt in diese Verse einsteigen – in diese brisanten Verse, in diese steilen Forderungen – müssen wir noch eines festhalten: Jesus hat gesagt: „Mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.“
Dieses Joch fühlt sich nicht immer leicht an. Aber Jesus sagt, wenn ich euch mein Joch auflege, dann gebe ich euch auch die Kraft, es zu tragen. Das Joch selbst ist ja schon eine Hilfe beim Ziehen. Mit dem Joch kann das Tier die Last viel leichter ziehen, und mit dem Joch bleibt es in der Spur.
So sagt Jesus: „Nehmt auf euch mein Joch, denn mein Joch ist sanft.“ Jesus ist kein Schinder. Unter dem Joch von Jesus scheuert er uns nicht wund. Die Bergpredigt ist kein Knüppel, mit dem Jesus uns in die Ecke treibt. Vielmehr ist die Bergpredigt sein Regierungsprogramm. Mit diesem Programm will er seine Staatsbürger zu starken Persönlichkeiten machen.
Wir werden sehen, dass Jesus ein liebevoller König ist. Jesus ist ein König, der seine Leute zum Aufblühen bringt. Und das stimmt: Wenn ein Mensch sich Jesus unterwirft, beginnt eine ganz besondere Pflanze zu wachsen. Aus diesem Menschen wird ein ganz besonderes Gewächs.
Ein Christ ist immer besonders originell. Ein Christ kann immer gespannt darauf sein, was Gott alles noch aus ihm macht. Deshalb lautet die Überschrift: „Seltsame Heilige“. Nicht, weil die Christen albern sind, sondern weil es höchst erstaunlich ist in den Augen der Welt, was Gott mit seinen Leuten macht.
Heilige sind beneidenswert, selig sind die Glücklichen, zu beglückwünschen sind die, die geistlich arm sind, die trauern und die zum Reich Gottes gehören.
Das vierblättrige Kleeblatt als Bild für den Charakter der Heiligen
Ich habe mich gefragt, wie man das Porträt der Heiligen in Vers 4 bis 8 so beschreiben kann, dass die Leute nicht einschlafen und es sich einigermaßen einprägt. Da kam mir die Idee mit dem vierblättrigen Kleeblatt. Dabei hat das nichts mit Glücksklee oder Kaffeemilch zu tun.
Der Charakter der Heiligen, die hier in Vers 4 bis 8 beschrieben werden, lässt sich als ein vierblättriges Kleeblatt darstellen. Sie können es sich so vorstellen: Dieses Kleeblatt, so ein Heiliger, so ein Christ, wächst nur im Reich Gottes, nur in Gottes Garten.
Das Kleeblatt lebt also nicht für sich allein, sondern bezieht seine Nahrung aus der unmittelbaren Verbindung mit dem Reich Gottes. Jedes kluge Kleeblatt weiß: Ich bin angewiesen auf fremde Ernährung. Ich kann mich nicht einfach in ein Glas ohne Wasser stellen und als Kleeblatt wachsen – das funktioniert nicht.
Der Heilige weiß, dass er angewiesen ist auf den Bergprediger, auf seine Nahrung. Aus dieser persönlichen Verbindung mit dem Bergprediger erwächst dann das Leben, die Pflanze.
Das erste Blatt, das am Stängel sichtbar wird, heißt Trauer. (Vers 4)
Die heilsame Trauer als erstes Blatt des Kleeblatts
Seltsame Heilige – sie sollen trauern? Worüber denn? Selig sind die, die da trauern, weil sie dadurch gerüstet werden. Trauer ist das erste Blatt.
In unserer Gesellschaft ist Trauer nicht gerade angesagt. Man sagt: „Seid fröhlich, zeigt nicht so offensichtlich, wenn es in euch nicht stimmt.“ Laute Musik, immer ein fröhliches Lächeln aufgesetzt – darauf kommt es an. Und Jesus sagt: Wage zu trauern.
Was meint er damit? Glücklich, glücklich sind die, die da trauern. Damit sind nicht diejenigen gemeint, die ständig schlechte Laune haben und mit einem sogenannten Nord-Süd-Gesicht herumlaufen. Sie wissen ja, es gibt das Nord-Süd-Gesicht und das Ost-West-Gesicht. Jesus meint nicht die mit dem Nord-Süd-Gesicht.
Der Zusammenhang zeigt, dass es eine besondere Trauer gibt, die den Menschen näher zu Gott bringt. Und das ist die Trauer über meine Schuld, über meine Sünde. Vers 4 folgt zwingend aus Vers 3: Wenn ich meinen erbärmlichen Zustand vor Gott erkenne, kann ich nicht einfach fröhlich zur Tagesordnung übergehen. Das bringt mich erst einmal zum Erschrecken über mich selbst, wenn ich sehe, wie schuldig ich vor Gott dastehe.
Das kennen wir doch schon im Umgang mit unserem Ehepartner. Wenn wir merken, dass wir ihn verletzt haben, ihm Unrecht getan haben, macht uns das traurig. Diese Trauer ist hier gemeint: Wenn einem klar wird, dass man Gottes Liebe bisher mit Füßen getreten hat, dann wird man bei aller Erleichterung über die Vergebung, die Gott anbietet, auch erschrecken.
Je mehr ein Mensch die Reinheit Gottes kennenlernt, desto mehr erschrickt er über seine eigene Schuld. Je mehr mir klar wird, wie sehr Gott mich liebt, desto mehr schmerzt es mich, dass ich oft so kalt ihm gegenüber bin. Es ist ein Segen, wenn Gott uns immer wieder in diese Trauer hineinführt.
Denn in dieser Trauer lernen wir, Gott ernst zu nehmen. In dieser Trauer erahnen wir, wie sehr ihn unsere Schuld beleidigen muss. Unser Gewissen bleibt weich und sensibel. Ich denke, es ist ein Problem bei vielen Christen, dass sie ein viel zu lockeres Verhältnis zur Sünde haben. Das führt immer zu Oberflächlichkeit.
Wer trauert denn darum, dass er sein Leben durch Schuld belastet? Wen von uns zerknirscht es wirklich, wenn wir Dinge tun, die Gott hasst? Wie geübt sind wir darin, uns schnell zu vertrösten und selbst zu entschuldigen? Je besser wir in bestimmten psychologischen Schulen zu Hause sind, desto leichter fällt es uns, unsere Sünde einfach wegzuerklären.
Außerdem soll man ohnehin nicht zu viel über Schuld reden, das macht die Leute nur noch depressiver, als sie ohnehin schon sind. Jesus sagt: Selig sind die Trauernden. Es ist heilsam, wenn du über dich selbst traurig wirst, weil dein Gewissen wieder zu schlagen beginnt. Weil es dich davor bewahrt, dich zu überschätzen. Und weil du nur so den kostbaren Trost erfährst, den Gott dir anbietet.
Denn sie sollen getröstet werden. Das ist doch klar: Je deutlicher ich meiner Schuld ins Gesicht sehe, desto mehr muss ich doch darüber staunen: Mensch, Gott, du bist mir ja immer noch gnädig trotz meiner Schuld! Und wenn ich diesen Trost erfahre, dass er mir immer wieder vergibt, wenn ich ankomme, dann wird das Vertrauensverhältnis zu Gott immer enger.
Glücklich, wer über seine eigene Schuld trauern kann, sagt Jesus. Aber wer über die eigene Sünde trauert, der kann auch der Schuld und Sünde um sich herum nicht gleichgültig gegenüberstehen. Wer trauern kann, wird nicht zynisch zusehen, wenn ein anderer sich in Schuld verstrickt. Wer trauern kann, wird die Menschen immer mehr mit den Augen Jesu sehen.
Wir lesen im Neuen Testament, dass Jesus über die Menschen geweint hat, die sich von ihm abkehrten. Er wusste, welche Folgen das für sie haben würde. Wenn wir anfangen, über die Sünde zu trauern, dann bekommen wir ein brennendes Herz. Dieses brennende Herz wird uns dazu treiben, alles zu tun, um den Verlorenen, den in Schuld Verstrickten, zu helfen.
Wenn wir sehen, dass jemand sein Leben durch Alkohol kaputtmacht, dann werden wir nicht einfach zusehen und sagen: „Na ja, der macht sich auch kaputt!“ Wenn wir mitbekommen, wie Kinder in unserem Land zur Wegwerfware werden, können wir nicht einfach still sitzen und die Hände in den Schoß legen.
Wer begreift, dass die Mehrheit seiner Mitschüler oder Kommilitonen von Gott nichts wissen will, kann sich nicht einfach innerlich zurücklehnen und sagen: „Ihr seid selber schuld.“ Vor einigen Tagen sprach ich mit einem bewährten Christen, der entscheidend am Aufbau einer großen landeskirchlichen Gemeinde in Bremen beteiligt war, einer großen missionarischen Gemeindearbeit.
Er sagte: „Als wir anfingen, haben wir über diese Stadt geweint. Wir haben über die Menschen geweint, die dort verloren gingen, und das hat uns angetrieben.“ Trauer bewahrt vor Gewöhnung – vor Gewöhnung an die eigene Schuld und an die Schuld der anderen.
Glücklich, glücklich sind die Trauernden, sagt Jesus, denn Gott wird sie trösten. Glückselig, wenn wir trauern und dann merken, wie Gott unsere Gebete erhört, wie er Menschen, die völlig auf Abwegen schienen, plötzlich zurückholt, wenn sie offen werden für das Evangelium, wenn sie anfangen nachzudenken – das ist ein herrlicher Trost.
Und wo keine Besserung sichtbar wird, wo wir uns um Leute bemühen, bei denen es scheinbar nichts bringt, auch da wird Gott uns trösten. Auch da sagt Gott: „Lass es meine Sorge sein, vertraue mir, ich mache keinen Fehler.“
Ein kleines Mädchen hat den Nagel auf den Kopf getroffen, als sie zu ihrer Mutter sagte: „Du, Mama, der liebe Gott muss ein großes Taschentuch haben.“ Die Mutter wunderte sich und fragte: „Wieso?“ Da kam das kleine Mädchen mit dem Bibelvers aus Offenbarung 21, wo steht: „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen.“
Das Kind hatte Recht: Gott hat ein großes Taschentuch. Er tröstet die, die über ihre Schuld und die Schuld anderer trauern. Wagen Sie zu trauern, und Sie werden staunen, wie liebevoll Gott Sie tröstet.
Das ist also das erste grünende Blatt, das Jesus bei seinen Heiligen wachsen lässt: eine Trauer, die froh macht.
Sanftmut als zweite Kraftquelle der Heiligen
Tja, und dann sprießt schon das nächste Blatt daneben. Es geht um eine besondere Form von Mut, nämlich um Sanftmut – eine Sanftmut, die stark macht.
Selig sind die Sanftmütigen, heißt es in Vers 5, denn sie werden das Erdreich besitzen. Und da sagt uns unsere Gesellschaft so einen Quatsch: Selig sind die, die Ellenbogen haben, die sich durchsetzen können, denn sie werden Erfolg haben. Aber die Sanftmütigen?
Wir dürfen keine voreiligen Schlüsse ziehen. Wir müssen erst einmal fragen: Was meint Jesus denn mit Sanftmut? Die Begriffe in der Bergpredigt verleiten dazu, sie herauszubrechen und willkürlich das hineinzulegen, was man hineinlegen will. Was meint Jesus mit Sanftmut?
Es gibt einen Schlüssel dafür. In Matthäus 11 hat Jesus sich selbst als sanftmütig bezeichnet. Ist Ihnen das schon einmal aufgefallen? Da sagt Jesus: Ich bin sanftmütig. Und daran sehen wir erst einmal, was Sanftmut nicht ist.
Sanftmut ist nicht Schwäche. Sanftmut ist nicht einfach Nettigkeit – ach, der ist immer so sanftmütig und zurückhaltend. Sanftmut heißt nicht, dass ich meinen Mund halte und alles hinnehme. Jesus hat Schuld auch Schuld genannt.
Sanftmut bedeutet nicht, dass ich Missstände einfach so stehen lasse. Jesus ist in den Tempel gegangen und hat diejenigen, die diesen Tempel missbraucht haben, hinausgeworfen. Mit Gewalt hat er ihre Tische umgeworfen. Also: Sanftmut heißt nicht, dass ich Missstände einfach hinnehme.
Sanftmut heißt auch nicht, dass ich Konflikte vermeide. Was hat Jesus sich mit den Pharisäern angelegt? Sanftmut ist keine Temperamentsfrage und erst recht keine Entscheidungsschwäche oder Willenlosigkeit.
Ja, was ist Sanftmut dann? Wir sehen es an Jesus. Er sagt: Es ist meine Speise, den Willen des Vaters zu tun. Also heißt Sanftmut, ich ordne mich dem Willen Gottes unter. Ich verzichte darauf, mich selbst durchzusetzen. Ich will mich nicht selbst groß herausbringen.
Sanftmut ist freiwilliger Machtverzicht im Vertrauen auf Gottes Macht. Als Jesus in Gethsemane Angst hatte vor dem, was am Kreuz auf ihn zukommen würde, sagte er: Herr, wenn es eine Möglichkeit gibt, mir diesen Weg zu ersparen, dann bitte ich darum, aber dein Wille geschehe. Das ist Sanftmut.
Wer sich so unter Gott sieht, sich und alle anderen Menschen, der wird auf Selbstrechtfertigung verzichten. Jesus hat sich seinen Feinden gegenüber nie krampfhaft selbst gerechtfertigt. Studieren Sie mal die Passionsberichte.
Er hat falsche Dinge nicht einfach stehen lassen. Er hat die Skandale in ihrem Unrechtsprozess schon aufgedeckt, aber er hat nicht verbissen um sein eigenes Recht gekämpft, weil er sanftmütig war.
So hat es Paulus gesagt: „Ist doch nicht schlimm, wenn sie schlecht über euch reden. Hauptsache, sie lügen damit.“ Ist doch nicht so schlimm. Wenn wir so den Rücken frei haben von der Sorge um uns selbst und um unser eigenes Recht, dann können wir umso besser für die Wahrheit kämpfen.
Dann können wir absehen von der eigenen Person, und wir müssen nicht immer gleich einschalten mit der Frage: „Oh, wenn du das jetzt sagst, was werden sie dann von dir denken? Und wenn du dich so weit zum Fenster raushängst, wie wird das dein Image bekommen?“
Sanftmut macht frei und gelassen. Abraham ist ein Musterbeispiel für Sanftmut. Als er sich mit Lot, seinem Neffen, gestritten hat und die Hirten der beiden nicht miteinander klarkamen, sagte Abraham: „Komm, es ist doch genug Land da, Lot, such dir aus, in welche Richtung du gehen willst.“
Abraham wäre der Ältere gewesen, er wäre der Chef gewesen. Er hätte sagen können: „So, ich gehe jetzt hierhin und du gehst da hin.“ Aber Abraham war sanft mit ihm. Er sagte zu Lot: „Bitte such dir aus, such dir aus.“
Woher kommt diese Freiheit? Diese Freiheit kommt aus der Gewissheit, dass alles in Gottes Hand liegt. Wenn ich weiß, er sorgt für mich, wenn ich weiß, er kämpft für mich, ich bin unter ihm und kein anderer Mensch kann etwas tun, was er nicht zulässt – Mann, was werden wir frei!
Sanftmut hat nichts mit Temperament zu tun, sondern bedeutet, wir sind verankert in Gott. Und die Folgen sind dann mit Händen zu greifen. Ich denke, unser Umgang mit Menschen wird milder, sanfter. Wir müssen nicht mehr ständig so die Drohgebärde aufblitzen lassen.
Wir haben es nicht nötig, andere einzuschüchtern. Und wenn ich so auf meine Selbstrechtfertigung verzichte, dann werde ich frei von Rachegedanken. Dann wird es mir nicht mehr so leicht fallen, meine kleinen und großen Gemeinheiten anzusetzen.
Wenn ich diese Stärke bekomme, die aus der Sanftmut erwächst, dann muss ich mich nicht ständig in einem Imponiergehabe darstellen. Dann kann ich mich auch mal zurückstellen, in der zweiten oder dritten Reihe bleiben.
Dann habe ich auch ein größeres Maß an Selbstbeherrschung, weil ich nicht ständig am Rotieren bin und mich frage, ob ich selbst gut rauskomme. Also: Sanftmut ist ein ganz entscheidender Charakterzug des Christen.
Er beschreibt zunächst meine Unterordnung unter Gott, und das hat massive Auswirkungen auf meinen Umgang mit anderen Menschen. Diesen Sanftmütigen wird nun etwas Großartiges versprochen: Sie werden das Erdreich besitzen.
Das heißt, sie werden nicht nur hier auf der Erde schon eine starke Position haben, weil sie zu Gott gehören und unsere Sache in den Händen des Stärksten liegt. Nein, für die Zukunft gilt das erst recht: Die Sanftmütigen werden die Welt besitzen.
Paulus schreibt einmal in 1. Korinther 6: Die Heiligen, also die Leute, die zu Jesus gehören, werden die Welt richten. Wir werden sogar die Engel richten, schreibt Paulus dort. An einer anderen Stelle sagt er, wir werden mit Christus zusammen erben.
Wir werden die Welt erben. Wenn wir seltsame Heilige sind, werden wir Anteil haben an der ewigen Welt Gottes. Das ist so unvorstellbar. Das wird den Sanftmütigen versprochen. Darum sind sie zu beglückwünschen, wenn sie stark werden in der Unterordnung unter Gott.
Das ist das zweite grünende Blatt, das Jesus bei seinen Heiligen wachsen lässt: eine Sanftmut, die stark macht.
Der Hunger nach Gerechtigkeit als drittes Blatt
Und dann erscheint schon das dritte Blatt ganz unverkennbar neben dem zweiten. Was könnte das wohl sein? Wenn mein Wille von Gott bestimmt wird und mir seine Ziele wichtig werden, dann bekomme ich einen ganz neuen Geschmack. Ich bekomme einen ganz neuen Hunger.
Dieser neue Hunger ist das dritte Blatt. Es ist die Entdeckung, die wir in Vers 6 machen: "Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit." Wonach hungern Menschen nicht alles? Nach Liebe, nach Anerkennung, nach Ruhm, nach Reichtum. Jesus sagt, die seltsamen Heiligen haben diesen Hunger sicherlich auch irgendwo. Er steckt ja bestimmt in jedem von uns. Doch nach und nach wird dieser Hunger von einem anderen Hunger überlagert.
"Selig sind, die da hungern und dürsten nach Gerechtigkeit." Auch hier müssen wir genau hinsehen, was mit Gerechtigkeit gemeint ist. Das müssen wir im Zusammenhang verstehen. Wer über seine Sünde trauert und sein ganzes Geschick in Gottes Hand legt, wonach sehnt er sich? Dass sein Leben immer mehr dem entspricht, was Gott eigentlich will.
Das meint das Matthäusevangelium mit Gerechtigkeit: dass ich immer mehr im Einklang lebe mit Gottes Plan. Ein Leben in Übereinstimmung mit dem, was Gott will. Darauf haben die seltsamen Heiligen einen starken, unersetzlichen Hunger – dass sich Gottes Wille in ihrem Leben durchsetzt, dass ihr Wille immer mehr von seinem Willen bestimmt wird.
Kennen Sie diesen Hunger? Ein schottischer Christ hat einmal gesagt: "Oh Gott, mach mich bitte so heilig, wie ein alter Sündermann eben werden kann."
Aus dem Ersten Weltkrieg wird berichtet, dass eine Gruppe von Soldaten in Palästina in die Wüste geriet. In kürzester Zeit wurden ihre Münder trocken, der Kopf begann zu schmerzen, die Lippen schwollen an, Wahnvorstellungen machten die Runde – kein Wasser in Sicht. Alle wussten: Wenn sie bei Einbruch der Dunkelheit nicht die Brunnen von Skirjale erreichen, würden Hunderte von ihnen sterben.
So kämpften sie um ihr Leben, diese verdurstenden Menschen. Schließlich kamen sie an den Brunnen. Nun musste das Wasser verteilt werden. Es war klar, dass diejenigen, die noch etwas bei Kräften waren, als Wachen darauf achten mussten, dass die Verwundeten und Schwachen zuerst trinken konnten.
Das dauerte vier Stunden – vier Stunden, bis alle getrunken hatten. Während dieser Zeit standen die Wachen nur etwa drei Meter vom Wasser entfernt, nach Tagen der Sehnsucht. Erst dann durften sie trinken.
Einer dieser Offiziere sagte später: "Ich glaube, dass wir alle unsere erste Bibellektion auf diesem furchtbaren Marsch zu den Brunnen von Skirjale lernten." Wenn unser Durst nach Gott und unser Hunger nach seiner Gerechtigkeit, die er verschenkt, so groß wären, wenn wir einen solchen verzehrenden, alles beherrschenden Durst nach Gott hätten – wie anders würde dann unser Leben aussehen?
Seltsame Heilige haben einen unersättlichen Hunger danach, dass Gottes Wille sich in ihrem Leben immer stärker durchsetzt. Und sehen Sie, das zieht weite Kreise. Wenn ich will, dass Gottes Wille in meinem Leben geschieht, dann sehne ich mich auch danach, dass Gottes Wille überall geschieht.
Deshalb haben gerade Christen immer besonders soziale Verantwortung übernommen. Die Abschaffung der Sklaverei und viele andere soziale Errungenschaften wurden entscheidend mitbewegt von Christen, die Hunger und Durst nach Gottes Gerechtigkeit hatten.
Jesus macht diesen Leuten ein klares Versprechen: Sie sollen satt werden. Diesen Heiligen passiert etwas Seltsames: Sie werden gesättigt, aber nicht überdrüssig. Sie werden gesättigt und bekommen gleichzeitig immer mehr Hunger nach dieser Heiligkeit.
Warum? Das ist ganz klar: Je ähnlicher ich Gott werde, je heiliger ich werde, desto mehr erkenne ich die Sünden, die in meinem Leben sind. Und umso stärker wird mein Wunsch, ihm immer ähnlicher zu werden.
Wir werden gesättigt und gleichzeitig immer hungriger danach, dass Gottes Wille sich immer mehr in unserem Leben durchsetzt. Die seltsamen Heiligen sagen nicht: "Ach, jetzt bin ich heilig genug, Gott, das reicht ja nun mal, so kannst du mit mir zufrieden sein." Nein, sie haben immer mehr Hunger.
Einfach gesagt: Wir können nie fromm genug werden, nie heilig genug. Kennen Sie diesen Hunger, dass Gottes Wille ihr Leben noch stärker bestimmt? Das ist das dritte Blatt im Kleeblatt: Die seltsamen Heiligen haben einen seltsamen Hunger, der gesättigt wird und zugleich immer stärker wächst.
Barmherzigkeit als viertes Blatt des Kleeblatts
Und daraus folgt ganz logisch das letzte Blatt im Kleeblatt, nämlich Vers 7: die Barmherzigkeit. Jesus sagt: Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
Wer immer heiliger wird, der wird sich gerade nicht um sich selbst drehen. Je mehr Gott mich prägt, umso mehr öffnet er mir die Augen für die Bedürfnisse meiner Mitmenschen. Je mehr Gott mich prägt, umso sensibler wird mein Gewissen, und umso weicher wird mein Herz.
Sehen Sie, wer diesen verzehrenden Hunger nach Gottes Gerechtigkeit in seinem eigenen Leben hat, der wird zur Barmherzigkeit hingetrieben. Barmherzigkeit bedeutet, dass ich mich reizen lasse von der Not des Anderen, dass ich mich rufen lasse, wenn ich sehe, dass einer in Schwierigkeiten ist. Dass ich mich rütteln lasse, dass ich mich aufrütteln lasse.
Dieses Haus des Help Centers ist ein Ergebnis davon, dass diese Christen aufgerüttelt worden sind von der Not um sie herum. Sie haben gesagt: Wir können nicht länger zugucken, dass noch mehr Frauen ihre Kinder töten. Wir müssen sie aufnehmen, wir müssen ihnen helfen.
Selig, sagt Jesus, sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Das heißt nicht, dass wir uns durch unsere Barmherzigkeit Gottes Barmherzigkeit verdienen könnten. Gottes Barmherzigkeit beginnt ja schon viel, viel früher. Schon lange, bevor ich barmherzig wurde, war Gott längst barmherzig zu mir.
Aber wenn er mir seine Barmherzigkeit schenkt, dann werde ich sie weiterschenken an die anderen. Ich werde in diesem Barmherzigkeitskreislauf bleiben, in dem Gott mich immer neu speist und ich immer neu weitergeben kann.
Selig sind die Barmherzigen. Das ist das vierte Blatt, das Jesus bei seinen Heiligen wachsen lässt: eine Barmherzigkeit, die andere heil macht.
Der Charakter der Heiligen als Ganzes und die Bedeutung des reinen Herzens
Das Kleeblatt ist voll, nur in der Mitte ist noch ein Platz frei. Und Sie ahnen vielleicht schon, was jetzt kommt.
Wenn wir uns diese Charakterzüge des Christen anschauen – Trauer über die Sünde, Sanftmut, Hunger nach Gerechtigkeit, Barmherzigkeit – dann wird klar: Christsein ist ein Fulltime-Job. Wenn ich Christ werde, dann ist das nicht etwas, was zu meinem sonstigen Leben noch dazukommt. Es belegt mich völlig, 365 Tage im Jahr, 31 Tage im Monat, 24 Stunden am Tag, 60 Minuten pro Stunde, 60 Sekunden pro Minute, bei jedem Herzschlag.
Die Bergpredigt setzt nicht außen an bei dem, was wir tun sollen, sondern sie beginnt bei Jesus innen, bei dem, was wir sind. Dieses Kleeblatt ist ein Charakterbild, und dieser Charakter lässt sich in einem einzigen Satz zusammenfassen. Das ist Vers 8: „Selig sind die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.“ Sie werden Gott schauen.
Seltsame Heilige haben ein reines Herz. Was Jesus über den normalen Menschen und sein normales Herz sagt, sieht anders aus. In Matthäus 15,19 sagt er: „Aus dem Herzen kommen lauter böse Dinge.“ Ich kann Ihnen das noch einmal vorlesen, damit Sie es mir glauben: Matthäus 15,19, da sagt Jesus ganz deutlich: „Aus dem Herzen kommen böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, Lüge, Lästerung.“
Aber Jesus sagt: Wer diesen Weg geht, wer einsieht, wie er mit leeren Händen vor Gott steht, der wird verändert. Und diese Veränderung geht so weit, sagt Jesus, dass das größte Dreckloch, das es auf dieser Welt gibt – und das größte Dreckloch auf dieser Welt ist das Herz des Menschen – sogar dieses Drecksloch rein wird.
Bürger im Reich Gottes sind seltsame Heilige, denn sie haben ein reines Herz. Sie sind nicht sündlos, aber sie haben ein Herz, das empfindlich auf Sünde reagiert. Die Bibel vergleicht unser Herz oft mit dem Auge. Wenn Sie in Ihr Auge einen Fremdkörper bekommen, dann tränt Ihr Auge so lange, bis der Fremdkörper wieder draußen ist.
Und genau das ist mit dem reinen Herzen gemeint: Die seltsamen Heiligen haben ein Herz, das sich nicht einfach mit der Sünde abfindet. Ein Herz, das sensibel gemacht worden ist von Jesus. Deswegen lassen sie ihr Herz immer wieder reinigen. Sie kommen immer wieder zu Jesus, legen ihm ihre Schuld vor und sagen: „Herr, da bin ich wieder reingefallen, da bin ich wieder schuldig geworden, bitte vergib mir.“
Deshalb ist es wichtig, wenn wir zu diesen seltsamen Heiligen gehören wollen, dass wir unser Leben immer wieder überprüfen und unser Leben immer wieder der Bibel aussetzen.
Ich habe für mich persönlich festgestellt – und deswegen war die Predigtvorbereitung auch so anstrengend –, wie sehr diese Bergpredigt ein Spiegel ist, in dem ich mich selbst und meine Schuld erkenne. Diese Bergpredigt ist wie ein Test, der meinen Glauben prüft. Die Bergpredigt ist wie ein Röntgengerät, mit dem der Bergprediger mein Herz durchleuchtet.
Und wenn wir in den einzelnen Blättern drumherum Probleme haben, dann liegt das daran, dass unser Herz immer wieder angenagt wird. Aber Jesus sagt, er will es jeden Tag immer wieder rein machen.
Und dann sehen wir zum Schluss dieses großartige Versprechen: „Selig sind die reinen Herzen, denn sie werden Gott schauen.“ Das heißt, die reinen Herzen werden schon auf dieser Welt lebendigen Kontakt zu Jesus haben. Sie werden zu ihm beten können und merken, wie sein Wort zu ihnen spricht.
Aber auch da gibt es in der Zukunft noch viel, viel mehr. Gott sagt sehr deutlich, dass wir ihn eines Tages von Angesicht zu Angesicht sehen werden. Wir werden direkt bei ihm sein, und dann wird uns nichts mehr von ihm trennen können.
Aber nur der wird Gott schauen, der ein reines, der ein gereinigtes Herz hat. Ich kann nicht sagen: „Ich bin zwar Christ, aber ein reines Herz ist mir nicht so wichtig.“ Die Bergpredigt gilt für alle Christen.
Und sehen Sie, wenn Gott einen seltsamen Heiligen in seinem Garten wachsen lässt, dann macht Gott keine halben Sachen. Dann wird daraus kein verkrüppeltes, ein- oder zweiblättriges Kleeblatt, sondern ein volles vierblättriges Kleeblatt.
Wenn einer unter die Herrschaft des Bergpredigers kommt, dann wird er völlig...