Vater im Himmel, wir danken dir, dass du jetzt hier bist. Wir danken dir auch dafür, dass du unsere Herzen kennst, dass du sie siehst und dass sie offen vor dir liegen.
Herr, das mag uns manchmal fast wie eine Bedrohung vorkommen. Doch es ist gut, dass du uns kennst und siehst und weißt, was in unseren Herzen vorgeht. Es ist gut, dass wir dir nichts vorspielen müssen und dass wir ehrlich vor dir sein dürfen.
Herr, du kennst auch mein Herz. Du kennst die Abgründe, die sich darin immer wieder auftun. Ich möchte dich darum bitten, dass das nicht im Weg steht, deinen Worten. Dass du heute Morgen durch mich sprichst und mich zu deiner Ehre gebrauchen kannst.
Rede du, Herr. Amen!
Erfahrungen mit unerwiderter Liebe und deren Auswirkungen
Warst du schon einmal in eine Person verliebt, die deine Liebe nicht erwidert hat? Ich selbst war schon einmal in eine Person verliebt, die meine Liebe nicht erwidert hat. Heute bin ich froh über jeden Korb, den ich bekommen habe. Sonst hätte ich meine wunderbare Ruth niemals kennengelernt.
Aber bleiben wir kurz bei der anderen Situation. Wie bist du damit umgegangen? Hast du es sportlich genommen? Vielleicht dachtest du: „Ein Korb kann mal passieren, ich versuche es bei der Nächsten.“ Hast du dich selbst hinterfragt? Oder hast du dich in eine Ecke verkrochen und den Blues gespielt?
Vielleicht hast du dich auch so sehr dem Traum hingegeben, wie schön es wäre, mit dieser Person zusammen zu sein, wie gut ihr zusammenpassen würdet, dass du einfach weitergeworben hast. Das habe ich einmal probiert. Für die Frau, bei der ich das versucht habe, war es sehr verletzend, dass ich ihr Nein nicht akzeptiert habe.
Vordergründig trieb mich die Liebe, aber irgendwo tiefer im Herzen, wenn man genauer hinschaute, waren das sehr selbstsüchtige Motive, die ich hatte. Ich dachte: „Mensch, wir würden so gut zusammenpassen. Die Frau weiß ja gar nicht, was sie an mir hätte.“ Auf erneute Zurückweisung von ihr wurde ich regelrecht aggressiv. Ich schickte ihr unfreundliche Textnachrichten, in denen ich sie angriff.
Der Wunsch, mit ihr zusammen zu sein, beherrschte mich so sehr, dass ich die Liebe, scheinbare Liebe, in Hass verwandelte. Ich bekam nicht, was ich wollte, und ich wurde sauer wie ein kleines Kind.
Hoffentlich haben nur wenige von euch diese konkrete Situation erlebt, aber ich glaube, viele von uns kennen solche Momente. Wünsche können uns wichtiger werden, unsere eigenen Wünsche wichtiger als alles andere. Die Menschen, mit denen wir unterwegs sind, werden weniger wichtig als unsere Sehnsüchte.
Sie können uns so beherrschen, dass die Sehnsucht uns treibt und wir sehr zerstörerische Dinge tun können.
Alltägliche Konflikte und die Herausforderung der Selbstbeherrschung
Es fängt schon bei ganz kleinen Alltagssituationen an. Stell dir vor, du bist im Büro und hast einen richtig guten Tag. Es läuft gut, und schon um die Mittagszeit merkst du: Mensch, heute habe ich meine Sachen so gut weggearbeitet, heute kann ich bestimmt schon um vier gehen.
Innerlich wird der Wunsch immer größer. Du freust dich, heute geht es um vier nach Hause. Du kannst noch joggen gehen oder sonst etwas machen. Kurz vor vier kommt der Chef um die Ecke und hat noch eine Aufgabe für dich, die nur du erledigen kannst. Tolle Sache! Du machst es, aber innerlich verfluchst du ihn und wünschst ihm die Pest an den Hals.
Oder du kommst nach einem anstrengenden Arbeitstag nach Hause. Du hast es dir so schön ausgemalt, wie es sein würde: Beine hochlegen, vielleicht auf dem Balkon ein Bierchen trinken und zu Hause Halligalli. Doch die Wohnung ist ein einziges Chaos, die Kinder toben, die Frau völlig aufgelöst vom Arbeitstag. Du ärgerst dich innerlich grün und schwarz, oder wie man sagt, und denkst dir: Meine ganzen schönen Pläne dahin.
Auch wir Christen erleben solche Situationen, oder? Wie oft reagieren wir mit Ärger und Zorn, wenn unsere Wünsche und Sehnsüchte nicht erfüllt werden? Die Frage ist: Wie gehen wir mit dieser Tatsache um? Ist das Leben einfach so? Haben wir vielleicht sogar ein Recht darauf, manchmal ärgerlich und zornig zu sein?
Und ich rede jetzt nicht vom heiligen Zorn, sondern von diesem Zorn, den wir in diesen Alltagssituationen haben. Haben wir ein Recht darauf?
Jakobus’ Perspektive auf Konflikte und deren Ursachen
Der Jakobusbrief gibt uns eine ganz andere Antwort. Er zeigt, was wirklich hinter unseren Konflikten steckt, und ruft uns zum Umdenken und zu einer radikalen Erneuerung auf.
Ich möchte zu Beginn diesen Predigttext vorlesen. Wer sich in der vergangenen Woche auf diese Predigt vorbereitet hat, sollte nicht erstaunt sein, dass ich die letzten vier Verse weggelassen habe. Denn bereits in Kapitel 4, Verse 1 bis 6, erhalten wir ein klares Bild davon, wie es mit unseren Konflikten eigentlich aussieht, wie Veränderung stattfinden kann und dass wir Erneuerung nötig haben.
Ich lese heute aus der Elberfelder Übersetzung. Wir sehen den Text auch auf der Folie:
„Woher kommen Kriege und woher Streitigkeiten unter euch? Kommen sie nicht daher aus euren Lüsten, die in euren Gliedern streiten? Ihr begehrt und habt nichts, ihr tötet und neidet und könnt nicht erlangen; ihr streitet und führt Krieg. Ihr habt nichts, weil ihr nicht bittet. Ihr bittet und empfangt nichts, weil ihr übel bittet, um es in euren Lüsten zu vergeuden. Ihr Ehebrecherinnen, wisst ihr nicht, dass die Freundschaft der Welt Feindschaft gegen Gott ist? Wer nun ein Freund der Welt sein will, erweist sich als Feind Gottes. Oder meint ihr, dass die Schrift umsonst rede? Eifersüchtig sehnt er sich nach dem Geist, den er in uns wohnen ließ. Er gibt aber desto größere Gnade. Deshalb spricht er: Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt er Gnade.“
Jakobus schreibt das an Christen. Es ist ganz erstaunlich, dass die Situation, die wir hier vorfinden, bei den Leuten, an die Jakobus schreibt, Christen sind. Menschen, die Streit führen, die zornig sind, die neidisch sind – genau diesen Menschen schreibt er hier.
In den ersten vier Versen sehen wir, dass sie Veränderung so dringend nötig haben. Interessanterweise setzt Jakobus voraus, dass sie Streit kennen. Manchmal denken wir ja zurück an die ersten Christen, an die erste Christenheit, und glauben, dort herrschte Friede, Freude, Sonnenschein. Man meint, sie seien immer in perfekter Liebe miteinander unterwegs gewesen. Nein, es gab Streit, Ärger und Zorn.
Beim Lesen dieser Zeilen bin ich mir fast sicher, dass sie die kleinen und großen Provokationen des Alltags kannten: Der Sohn, der mit seinen dreckigen Schuhen durch die Wohnung läuft; jemand hat das Klopapier aufgebraucht und kein neues nachgelegt; das Bad ist besetzt, und du müsstest dringend noch mal schnell rein, bevor es zur Arbeit geht.
Viele Christen, an die Jakobus hier schreibt, kannten diese kleinen Provokationen. Sie ärgerten sich und hielten dagegen. Sicher, manchen waren solche Themen zu banal. Andere ärgerten sich über größere Dinge: den Arbeitskollegen, der ständig die eigenen Vorschläge torpediert und dich beim Chef schlecht macht; den Bruder, der dir die ganze Jugend versaut hat; die Ehefrau, die nicht so will, wie du willst. Immer wieder krachte es, es gab Ärger und Streit.
Aber woher kommt der Streit? fragte Jakobus. Woher kommt es, dass ihr streitet und Zorn miteinander habt? Hätte man die Leute gefragt, was hätten sie wahrscheinlich geantwortet? „Der hat angefangen.“ „Meine Frau hat mich provoziert.“ „So macht mir das Leben schwer.“ „Wenn sich mein Chef nur ändern würde, dann...“
Euer Lachen verrät mir, dass ihr diese typische menschliche Reaktion kennt. Wahrscheinlich kennt ihr sie nicht nur bei anderen, sondern auch aus eigener Lebenserfahrung. Wir schieben die Schuld für unser Verhalten anderen zu. Vielleicht zeigen wir oberflächlich sogar ein bisschen Einsicht und sagen: „Ja gut, meine Reaktion war schon nicht so okay.“ Doch so oft verrät unsere Sprache, dass wir die Verantwortung für unser Verhalten eigentlich beim Anderen sehen. „Wenn er sich etwas liebevoller mir gegenüber verhalten hätte, dann hätte ich auch liebevoll sein können.“
Doch Jakobus gibt uns eine andere Erklärung. Es gibt einen tieferen Grund für all die Konflikte und den Streit, den wir haben. Diesen Grund sollten wir nicht bei anderen suchen, sondern bei uns selbst, in unseren eigenen Herzen.
Der Apostel stellt der ersten Frage eine rhetorische Frage hinterher, damit wir auf die richtige Spur kommen. Damit diese Christen auf die richtige Spur kommen, fragt er: „Kommen Krieg und Streit nicht aus euren Lüsten, die in euren Gliedern streiten?“
Mit diesen Lüsten meint er nicht einfach nur sexuelle Begierden oder die Lust, mal über die Stränge zu schlagen. Er spricht ganz grundsätzlich davon, dass uns unsere eigene Erfüllung, unsere eigenen Sehnsüchte und Wünsche wichtiger werden können als alles andere. Unsere Wünsche und Sehnsüchte werden so wichtig, dass wir zornig werden, wenn andere ihnen im Weg stehen. Sie werden zu Götzen, denen wir notfalls alles opfern – sogar unsere menschlichen Beziehungen.
Jakobus spricht hier jeden von uns ganz persönlich an, nicht nur ein paar besonders schlimme Finger. Er sagt, das größte Problem in den kleinen und großen zwischenmenschlichen Konflikten sind nicht die anderen, sondern eure Ichbezogenheit. Sie lässt uns dagegenhalten, für unsere eigene Agenda kämpfen und notfalls sogar über die sprichwörtlichen Leichen gehen.
Natürlich redet er hier in keiner Weise die Schuld anderer klein, die uns Unrecht tun. Das macht er nicht. Es ist ein Problem, wir alle erfahren Ungerechtigkeit in unserem Leben. Aber Jakobus sagt: Wenn ihr zum Kern eurer Konflikte vordringen wollt, dann müsst ihr nicht auf andere schauen, sondern in euer eigenes Herz. Dort könnt ihr eure Selbstsucht erkennen.
Vielleicht ist es in unserer Zeit besonders schwer, die Ichbezogenheit zu erkennen, weil an jeder Ecke gerufen wird, wir sollen uns um uns selbst kümmern. Es gibt Bücher mit Titeln wie „Liebe dich selbst und du kannst jeden lieben“. „Fang bei dir an, du musst dich ein bisschen füttern und dir Gutes tun, dann kannst du auch die anderen lieben.“
Die Werbeindustrie schreit uns entgegen: „Mensch, lass es dir gut gehen! Da ist mehr für Sie drin!“ oder „Weil ich es mir wert bin.“ Wir werden an so vielen Stellen zur Selbstverwirklichung ermutigt. Selbst bei Evangelisationen wird Christus häufig als das Sahnehäubchen für ein gutes und erfülltes Leben präsentiert: „Du willst das Maximum aus deinem Leben herausholen? Komm zu Christus, er erfüllt dir alle deine Wünsche, da geht’s dir gut.“
All diese Botschaften fördern das ohnehin schon vorhandene sündige Verlangen in uns, uns selbst an die erste Stelle zu setzen. Selbst König zu sein: „Ich bin der Herr meines Lebens.“
Jakobus fragt die Leute jetzt: „Wie geht es euch denn damit? Funktioniert dieses Ego-Programm? Funktioniert es?“
Wir sehen hier, wie zerstörerisch die Selbstsucht ist, wenn sie regiert. Jakobus schreibt: „Ihr begehrt und habt nichts, ihr tötet und neidet und könnt nichts erlangen, ihr streitet und führt Krieg.“
Die Botschaft ist heute so aktuell wie vor zweitausend Jahren: Indem wir uns selbst an die erste Stelle setzen, erreichen wir nicht, was wir erhoffen. Ich hoffe, ich bin nicht der Einzige, der das immer wieder merkt.
Wenn wir im Streit auf unser Recht beharren, bleiben wir am Ende leer zurück. Kennt ihr das? Ihr streitet und denkt: „Ich will den Sieg!“ Am Ende ist da eine kaputte Beziehung, die erst wiederhergestellt werden muss.
Wenn wir neidisch auf das schauen, was andere haben – ihre Schönheit, ihr Geld, ihr Talent – und zu der Person, die wir beneiden, ergraben, wird sie in unseren Gedanken immer größer. Wir fangen an, sie zu hassen.
Auch töten wir natürlich die meisten von uns nicht physisch, aber wir töten mit unseren Gedanken und Worten. Wir lästern sogar in der Gemeinde, reden schlecht über andere.
Aus welchen Gründen? Vielleicht, um besser dazustehen. Um uns zu rächen für Verletzungen, die in der Vergangenheit passiert sind. Manchmal mag uns das für kurze Zeit ein Gefühl der Genugtuung geben, ein Gefühl, dazuzugehören oder besser dazustehen. Aber echte Erfüllung finden wir nicht darin. Am Ende bleibst du leer zurück.
Die Weisheit der Welt versus die Weisheit Gottes
Wie könnten wir auch Erfüllung darin finden? Denn wenn wir so leben, folgen wir der Weisheit dieser Welt. Jakobus hat im Abschnitt vor unserem Predigttext beschrieben, wie diese Weisheit aussieht und wie sie funktioniert.
In Kapitel 3, Verse 14 bis 16 heißt es: „Habt ihr aber bitteren Neid und Streit in euren Herzen, so rühmt euch nicht und lügt nicht der Wahrheit zuwider. Das ist nicht die Weisheit, die von oben herabkommt, sondern sie ist irdisch, niedrig und teuflisch. Denn wo Neid und Streit ist, da sind Unordnung und lauter böse Dinge.“
Ein Leben nach dieser Weisheit funktioniert nicht. Es lässt uns leer zurück, es ist zerstörerisch und zerstört unsere Beziehungen – sowohl zu unseren Mitmenschen als auch zu Gott. Warum? Weil in einem solchen Leben immer noch wir selbst auf dem Thron sitzen und nicht der wunderbare Herrscher dieser Welt, der uns zu seiner Ehre geschaffen hat, zu seiner Herrlichkeit. Wir wollen selbst regieren.
Das zeigt sich, sagt Jakobus, auch an eurem Gebetsleben. Er sagt zu den Christen: „Guckt mal, warum empfangt ihr nicht? Ihr empfangt nicht, ihr habt nichts, weil ihr nicht bittet.“ In dieser Gruppe von Christen hat es offenbar Menschen gegeben, die nicht gebetet haben, die das Gespräch mit Gott nicht gesucht haben. Man kann ganz fest davon ausgehen, dass es auch heute solche Leute gibt, die nicht beten.
Wie ist das in deinem Leben? Betest du? Sprichst du regelmäßig mit Gott? Hältst du ihm dein Herz hin? Wenn du nur selten mit Gott sprichst, ist das ein deutliches Zeichen, dass nicht er dir sagt, wo es langgeht, sondern du selbst.
Ich erschrecke immer wieder darüber, wie dünn und schwach mein eigenes Gebetsleben ist, wie selten ich Gott um Wegweisung bitte. Wie selten ich mich um die Weisheit bemühe, die von ihm kommt, und stattdessen auf meine eigene Weisheit setze – gerade in den kleinen Konflikten des Alltags.
Martin Luther soll an Tagen, an denen er besonders viel zu tun hatte, zwei bis drei Stunden davor gebetet haben. Denkst du dir: „Das kann ich mir nicht leisten? Ich muss doch sehen, dass ich mit meinem Tagesprogramm durchkomme?“ Ich denke das auch oft. Aber die Wahrheit, die wir hier erkennen, ist: Wir können es uns gar nicht leisten, darauf zu verzichten, immer wieder zu Gott zu kommen und ihn um Führung und Weisheit zu bitten.
Es gibt nichts, was wir dringender nötig haben. Jesus Christus legt eine Verheißung darauf, wenn er in Matthäus 7 sagt: „Alle, die zum Vater im Himmel kommen, werden das Gute erhalten, das sie brauchen.“ Es ist da. Aber wo holen wir es uns? Holen wir es bei uns selbst oder gehen wir zu Gott, bitten ihn, und er versorgt uns?
Es gibt aber auch Menschen, wie wir im Text sehen, die schon gebetet haben, die regelmäßig zu Gott kamen. Aber sie kamen mit den falschen Motiven zu ihm. Jakobus sagt: „Ihr habt nichts, weil ihr nicht bittet. Ihr bittet und empfangt nichts, weil ihr übel bittet, um es in euren Lüsten zu vergeuden.“
Es gab schon viele Menschen, die regelmäßig zu Gott kamen, aber sie haben vielleicht für Dinge gebetet wie: „Herr, schenke mir einen Mercedes.“ Solche Gebete hatte Jakobus wahrscheinlich vor Augen, als er das schrieb. Ihr empfangt nichts, weil ihr übel bittet, weil ihr es mit euren Lüsten vergeuden wollt.
Mit anderen Worten: Ihr sucht euer Glück nicht in Gott, sondern ihr sucht die Erfüllung eurer Lüste in Gott. Nicht Gott ist euer Ziel, sondern Gott ist das Mittel, um an euer Ziel zu kommen, um euch selbst zu verwirklichen – und was da alles dazugehört.
Dabei will Gott selbst eure Erfüllung sein. Euer Gebet sollte sein, mehr und mehr seinen Willen zu tun, wie Jesus es gesagt hat: „Vater im Himmel, dein Wille geschehe.“ Aber ihr betet, dass er mehr und mehr euren Willen erfüllt. Darin liegt keine Verheißung, deshalb empfangt ihr nicht, weil ihr übel bittet.
Ein Evangelist hat dazu einmal anschaulich geschrieben: Wir machen Gott zu einem himmlischen Kellner, der uns unsere Träume erfüllen soll. Wir kontaktieren ihn sonntags, reichen unsere Bestellung per Gebet ein und werfen vielleicht ein ordentliches Trinkgeld in den Klingelbeutel. Aber im Wesentlichen ist Gott dafür da, uns zu geben, was wir zu brauchen meinen. Und wir werden sehr wütend auf ihn, wenn er nicht liefert.
Ich fühle mich da schon wieder ertappt. Wie oft sind meine Bitten oberflächlich? Wie oft geht es darum, dass Gott einen Konflikt oder eine schwere Situation möglichst schnell von mir nimmt, mir die Anfechtung nimmt, mir die Krankheit nimmt, mir finanzielle Versorgung gibt und mir Dinge schenkt, damit es mir einfach gut geht im Alltag?
Da steht meine Agenda im Zentrum und nicht Gottes Agenda.
Jakobus sagt, worum wir wirklich bitten sollen. Das sehen wir schon im Abschnitt vor diesem Predigttext. Er sagt: „Bittet um die Weisheit, die von oben kommt, die so anders aussieht als die Weisheit dieser Welt.“ Kapitel 3, Vers 17: „Die Weisheit von oben, die von Gott kommt, ist lauter, friedfertig, gütig, lässt sich etwas sagen, ist reich an Barmherzigkeit und guten Früchten, unparteiisch und ohne Heuchelei.“
Das ist eine so schöne Beschreibung dessen, was möglich ist, wenn wir ganz eng mit Gott zusammen sind. Wer möchte denn nicht friedfertig sein? Als Christ sehnst du dich doch danach, nicht ständig in Konflikten und Ärger zu leben, sondern nach Gottes Willen zu leben und Friedenstifter zu sein. Gott kann dir das schenken.
Die Folgen der Freundschaft mit der Welt und der Ruf zur Umkehr
Die Menschen, an die Jakobus schreibt, haben nicht nach diesen Dingen gestrebt und sich auch nicht danach ausgestreckt. Über sie fällt ein sehr hartes und bitteres Urteil. In Vers 4 sagt er: „Ihr Ehebrecherinnen“ – und ich ergänze: „und ihr Ehebrecher“ – „Wisst ihr nicht, dass die Freundschaft der Welt Feindschaft gegen Gott ist? Wer nun ein Freund der Welt sein will, erweist sich als Feind Gottes.“
Das ist ein schwerer Vorwurf. Wahrscheinlich gibt es wenig Schlimmeres, als wenn dir die Frau oder der Mann wegläuft. Wenn Vertrauen gebrochen wird, das Vertrauen, das du einem Menschen geschenkt hast, und er dich schamlos hintergeht. Genau so einen Vertrauensbruch begehen wir als Christen, sagt Jakobus, wenn wir Gott den Rücken zukehren. Wir brechen ihm die Treue, brechen das Versprechen, das wir ihm gegeben haben. Wir sagen: „Wir wollen mit dir gehen, Jesus, wir wollen dir nachfolgen.“
Als Gemeinde, als Braut Christi, gehen wir unserem Ehemann fremd, wenn wir erneut der Welt nachlaufen und uns ihr an den Hals werfen. Herr Kobus macht deutlich, dass unsere Untreue Gottes Feindschaft zur Folge hat. Mit diesem Leben kommen wir nicht durch. Du kannst nicht Gott und die Welt haben. Wer ein Freund der Welt sein will, erweist sich als Feind Gottes.
Was treibt dich in deinem Herzen an? Strebst du nach dem, was Gott gefällt, oder nach dem, was dir gefällt und was die Welt dir bietet? Sitzt Gott auf deinem Thron, oder sitzt du selbst auf deinem Thron? Die Früchte meines Lebens – Konflikt, Ärger, Neid – und meine Gebete zeigen mir immer wieder: Auch ich bin in diesem Vers gemeint. Auch ich bin ein Ehebrecher. Auch ich brauche ganz dringend Erneuerung. Und wenn du ganz ehrlich bist, dann vielleicht auch du.
Die Zusage der Erneuerung und Gottes Gnade
Wie gehen wir mit der Einsicht um, dass selbst wir Christen, die wir Gottes Treue auf so eindrückliche Weise erfahren haben, seine Liebe und Gnade für unser Leben erkennen durften und gesagt haben: „Ich will das alles nicht mehr, ich will jetzt Christus nachfolgen“, wir uns dennoch immer noch zu so vielen anderen Dingen hingezogen fühlen?
Jakobus hat in den folgenden zwei Versen eine wunderbare Botschaft für jeden von uns, der das erkennt – für jeden von uns, der erkennt, dass er Gott wieder untreu geworden ist: Erneuerung ist möglich. Genauer gesagt sind es drei gute Nachrichten für Christen, die ihr erneutes Scheitern erkennen.
Das Erste: Gott will uns zurückgewinnen.
Das Zweite: Gott kann uns auch zurückgewinnen.
Und das Dritte: Es braucht nicht unsere Leistungen oder unsere Anstrengungen, auch nicht, dass wir unsere Sünden kleinmachen oder leugnen. Es braucht einfach einen ehrlichen Blick auf unser Herz und das ehrliche Eingeständnis: „Herr, ich habe wieder versagt.“
Gott will uns zurückgewinnen – das sehen wir in Vers 5. Dort heißt es: „Meint ihr, dass die Schrift umsonst rede? Eifersüchtig sehnt er sich nach dem Geist, den er in uns wohnen ließ.“ Jakobus bleibt hier beim Bild des Ehebruchs. Während wir Gott untreu geworden sind, hält Gott uns die Treue und sehnt sich eifersüchtig nach uns.
Das Wort „eifersüchtig“ ist in unserer Zeit oft negativ besetzt, vielleicht sogar etwas übertrieben. Aber hier ist es wunderbar: Gott sehnt sich voller Eifer danach, uns zurückzugewinnen und unseren Blick erneut auf sich zu lenken. Das ist eine wunderbare und gleichzeitig beschämende Feststellung.
Wenn wir Christen den Bund mit Gott brechen, reicht er nicht die Scheidung ein. Sein größter Wunsch ist, dass wir zu ihm zurückkommen. Die Tür zu seinem Haus ist weit offen, und er steht dort mit offenen Armen. Er erwartet, dass wir endlich zurückkommen. Er ruft: „Mach Schluss mit deiner Affäre mit der Welt! Lebe dein Leben nicht nach deinen eigenen Werten und Maßstäben. Sieh doch, wie dich das immer wieder von mir wegbringt. Sieh die Zerstörung, komm nach Hause!“
Wenn du heute Morgen deine Untreue erkennst, dann lass dir sagen: Gott will dich zurückgewinnen. Wenn du heute Morgen zum ersten Mal erkennst, dass du schuldig bist vor diesem Gott, dann lass dir sagen: Dieser Gott will dich gewinnen. Seine Tür steht offen, und er wartet. Er ruft.
Dann die zweite wunderbare Erkenntnis aus diesen Versen: Gott kann nicht nur, er will nicht nur – er kann auch. In Vers 6 steht: „Er gibt aber desto größere Gnade.“ Seine Gnade ist größer als all unser Versagen.
Jakobus wurde ja immer wieder vorgeworfen, er predige nur Werke, dass wir uns anstrengen müssen, um bei Gott angenommen zu werden. Das Gegenteil ist wahr, und hier sehen wir es: Jakobus predigt die Gnade. Er sagt, Gott schenkt umso größere Gnade. Wo wir versagen, da schenkt er Gnade.
Aus Gnade zeigt er uns immer wieder unsere Irrwege, auf denen wir uns befinden. Und aus Gnade vergibt er uns den Ehebruch mit der Welt und nimmt uns wieder an. Der Preis, den Jesus Christus für uns am Kreuz bezahlt hat, reicht nicht nur einmal, sondern auch für unsere zukünftigen Verfehlungen.
Die Schuld ist getilgt, sie ist bezahlt. Kommen wir zurück zu Gott.
Die Einladung zur täglichen Umkehr und das Leben im Glauben
Vor einiger Zeit habe ich ein Gedankenspiel zur Geschichte vom verlorenen Sohn angestellt. Viele von euch kennen diese Geschichte: Der verlorene Sohn lebt sein Leben in der Welt, erkennt schließlich die ganze Zerstörung und das Problem, das er damit angerichtet hat. Er hat alles verloren und endet in der Gosse. Dann kehrt er heim zum Vater, der ihn aus Liebe und Gnade mit offenen Armen empfängt.
Stellt euch nun kurz vor, dieser Sohn steht am nächsten Tag auf und bittet den Vater um die Schlüssel zum Ferrari. Er macht eine kleine Spritztour, fährt ein bisschen schnell und übermütig – nur so für einen Tag, nachdem er wieder angenommen wurde vom Vater. Dabei setzt er den Ferrari in der Kurve mit voller Wucht in die Leitplanken. Dem Sohn geht es gut, aber das Auto ist ein Totalschaden.
Können wir uns wirklich vorstellen, dass dieser Sohn, wenn er jetzt wieder heimgeht zum Vater, vom Vater hört: "Da ist die Tür, verlass mich für immer, geh, ich will nichts mehr mit dir zu tun haben"? Das können wir uns nicht vorstellen. Dieser liebende Vater, der seinem Sohn alles vergeben hat, dessen Gnade reicht auch für diesen Fehler. Er wird ihm auch diesen Fehler wieder vergeben. Er liebt seine Kinder.
Wenn du in Christus Gottes Kind geworden bist, kannst du dir sicher sein: Alle deine Fehler sind bezahlt, du kannst zurückkommen. Christus hat die Schuld getragen. Wir müssen keine Angst haben, aus Gottes Gnade zu fallen. Gerade diese Tatsache sollte uns radikal ehrlich machen, uns ehrlich vor Gott werden lassen. Wenn wir begreifen, dass Gottes Gnade größer ist als unser Versagen, dann können wir den zweiten Teil, der hier in Vers 6 steht, als eine Verheißung hören – eine Verheißung für uns.
Gott widersteht den Hochmütigen, denen, die meinen: "Ich schaffe es schon allein, ich brauche diese Gnade gar nicht." Er widersteht den Hochmütigen, aber dem Demütigen gibt er Gnade.
Wir müssen unsere Schuld nicht leugnen. Wie könnten wir das vor Gott tun, der sogar unsere verborgenen Sünden sieht? Wir müssen unseren Treuebruch nicht mit Werken abarbeiten. Was hätten wir da auch zu bringen? Leugnen und leisten – Cornelius hat uns das vor ein paar Wochen so wunderbar gepredigt – beides ist wirklich Unsinn. Es kann Gott nicht gebrauchen, dass wir unsere Sünde kleinreden oder versuchen, sie abzuleisten.
Nein, wir müssen unsere Sünde ehrlich anerkennen und wieder zum Vater kommen. Und es fängt in ganz kleinen, konkreten Alltagssituationen an. Ich möchte das an einem Beispiel festmachen, das jeder in seinen eigenen Alltag übertragen kann.
An keiner Stelle der Bibel gesteht Gott mir zu, schlecht über andere Menschen zu reden. Ich finde keine Bibelstelle, in der Gott mich dazu ermutigt. Das Gegenteil ist der Fall: Gott sagt, lieb deine Nächsten, und er sagt sogar, lieb deine Feinde.
Wie kommt es also, dass ich so oft schlecht über andere rede? Vielleicht will ich selbst besser dastehen, mich auf Kosten anderer profilieren. Sicherlich ist das nicht auf der Verheißung von Gottes Wort gebaut.
Wenn ich das erkenne, was mache ich dann damit, wenn ich wieder einmal schlecht über jemanden geredet habe? Es ist keine Selbstrechtfertigung gefragt. Es ist nicht wichtig, was mir der andere getan hat. Stattdessen ist ein Sündenbekenntnis gefragt.
In so einer Situation kann ich in einem ganz konkreten Gebet zu Gott kommen und zum Beispiel beten: "Vater im Himmel, ich habe schlecht über meinen Kollegen gesprochen, weil ich bei meinem Chef gut dastehen wollte. Es ging mir nicht um deine Ehre, sondern um meine eigene. Ich habe meine Anerkennung bei Menschen gesucht und nicht bei dir. Ich habe meinen Willen höher geachtet als dein Gebot. Bitte vergib mir. Ich danke dir, dass deine Gnade größer ist als mein Versagen."
Das wäre ein ehrlicher Umgang mit unseren Fehlern und unserer Sünde.
Wenn wir echte Erneuerung erleben wollen, echten Frieden im Herzen und Gottes Nähe erfahren möchten, müssen wir aufhören, unsere Lieblosigkeit und Selbstsucht zu rechtfertigen. Stattdessen sollten wir sie demütig anerkennen und vor Gott bringen. Denn so heißt die Verheißung: Den Demütigen schenkt er Gnade.
Wenn wir so mit unserem Versagen umgehen, wird mit der Zeit auch etwas anderes passieren. Gott wird uns in solchen Situationen zunehmend Siege schenken. Ich werde merken, dass ich nicht mehr so oft schlecht über meinen Kollegen rede, weil ich erkenne, dass es gegen Gottes Willen ist.
Wir nehmen wahr, wie hässlich das, was wir immer wieder tun, in Gottes Augen ist – dass es Feindschaft gegen Gott ist. Wir beschönigen das nicht länger und lernen so, mehr und mehr nicht unserem eigenen Willen, sondern Gottes gutem Willen zu folgen.
Nachfolge Christi als Weg zur Überwindung von Konflikten
Aber was, wenn ich provoziert werde? Was, wenn mir jemand das Leben so richtig schwer macht? Wo bleibe ich dann, wenn ich nicht mehr für meine eigene Sache streiten soll?
Die Antwort ist ganz nah bei Christus. Du bleibst ganz nah bei Christus, wenn du dir nicht dein eigenes Recht verschaffst. Er, der ohne jede Schuld ans Kreuz geschlagen wurde, der bespuckt und geschlagen wurde, hält nicht dagegen und hat sich nicht gewehrt – das, was wir so gerne tun.
Auf diese Weise hat er den Sieg über diese Welt errungen: Er hat nicht dagegengehalten, sondern Gottes Liebe dagegengehalten.
Dieser Jesus spricht: „Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich täglich und folge mir nach.“
Da werden viele unserer Träume auf der Strecke bleiben, wenn wir das tun. Da werden viele Wünsche und Sehnsüchte auf der Strecke bleiben, wenn wir das tun. Aber wir lassen sie zurück für einen größeren Schatz – für den größten Schatz, den wir auf dieser Welt und in alle Ewigkeit haben können: Christus. Er schenkt uns das ewige Leben.
Die Bedeutung der täglichen Umkehr im Glaubensleben
Als Martin Luther vor 500 Jahren seine 95 Thesen veröffentlichte, lautete die erste These, die er angeblich an die Kirche genagelt hat, folgendermaßen: "Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht: Tut Buße, hat er gewollt, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll."
Das bedeutet, dass das ganze Leben der Gläubigen eine ständige Umkehr zu Gott sein soll – immer wieder, Tag für Tag. Oberflächlich betrachtet klingt das vielleicht ein wenig anstrengend oder sogar hoffnungslos. Jeden Tag wieder zu Gott umkehren? So, als würden wir nie wirklich weiterkommen oder Fortschritte machen.
Doch das war nicht Luthers eigentlicher Punkt. Seine These war vielmehr ein Aufruf, uns täglich neu auf die Gnade Christi zu verlassen. Wir sollen uns auf Gottes Wort und seinen Willen stützen und nicht auf unseren eigenen. Jeden Tag neu sollen wir uns Gott unterordnen, weil wir wissen, dass er den besten Willen für uns hat.
An anderer Stelle hat Luther diesen täglichen Kampf fast schon süffisant auf den Punkt gebracht. Er sagte, der alte Adam in uns solle durch tägliche Reue und Buße ersäuft werden und mit allen Sünden sterben. Aber pass auf: Das Biest kann schwimmen.
Das heißt, wir sollten uns nicht wundern, wenn uns Tag für Tag unser alter Adam wieder begegnet – also unser alter sündiger Mensch, der immer mal wieder anklopft und „Hallo“ sagt. Er kann schwimmen. Aber wir sollten ihm nicht den Schwimmring zuwerfen, ihn nicht pflegen oder verwöhnen.
Wenn wir das tun, leben wir wie Feinde dieser Welt. Nein, wir sagen unserer sündigen Natur den Kampf an, im Wissen, dass Gott auf unserer Seite ist. Sein Wille ist wirklich gut für uns – so gut, dass er uns immer wieder zurück zu sich ruft, uns neu seine Gnade schenkt und uns zu einem neuen Leben befähigt.
Und das wollen wir jetzt auch im nächsten Lied feiern: "Jesus, zu dir kann ich so kommen, wie ich bin." Wir sind ganz angenommen bei Gott. Gleichzeitig lässt Gott uns nicht so, wie wir sind, sondern er verändert uns zu Menschen, die ihm gefallen.