Ich möchte alle herzlich begrüßen, die jetzt über den Livestream zugeschaltet sind. Wir setzen unsere Betrachtung des Buches Ruth fort, heute unter dem Thema „Erlösung führt zur Ruhe“.
Nachdem wir gestern Abend bereits einige Einleitungsfragen besprochen haben, widmen wir uns nun dem Thema „Gott im Buch Ruth“. Dabei betrachten wir einige wichtige Aspekte, wie Gott in diesem Buch dargestellt wird.
Das Buch Ruth ist eine wahre Perle. Es umfasst nur vier Kapitel, ist aber sehr tiefgründig und inhaltsreich.
Gottes Züchtigung und seine Fürsorge im Buch Ruth
Wir finden hier Gott als den, der sein Volk züchtigt. Bei der Lesung der ersten Verse gestern Abend haben wir davon gehört. Ich wiederhole Vers 1 von Kapitel 1: „Und es geschah in den Tagen, als die Richter richteten, da entstand eine Hungersnot im Land.“ Gott züchtigt sein Volk durch eine Hungersnot, und das hat einen ganz bestimmten Grund.
In 5. Mose 11, wenn wir dort aufschlagen, hatte Mose in seiner Abschiedsrede in den Ebenen von Moab dem Volk Folgendes aufs Herz gelegt. Ich lese in 5. Mose 11 schon ab Vers 10:
„Denn das Land, wohin du kommst, um es in Besitz zu nehmen, ist nicht wie das Land Ägypten, von wo ihr ausgezogen seid, wo du deine Saat sätest und mit einem Fuß wässertest, wie ein Gemüsegarten.“
Ägypten ist zu etwa 96 Prozent Wüste. Ja, das ist wirklich so. Dann gibt es aber eben das Nildelta, bewässert durch den Nil, und das Niltal, das ist so gut bewohnbar. So ist dieses Land eben nicht vom Himmel, das heißt vom Regen vom Himmel, abhängig, sondern vom Nil, der Wasser führt aus Schwarzafrika. Dort wird bewässert, wie es hier heißt: „deine Saat sätest und mit deinem Fuß, der Bewässerungsanlage, wässertest wie ein Gemüsegarten.“
Das Land, wohin ihr hinüberzieht, um es in Besitz zu nehmen, ist ein Land mit Bergen und Tälern. Vom Regen des Himmels dringt Wasser ein. Es ist ein Land, auf das der Herr, dein Gott, Acht hat. Beständig sind die Augen des Herrn, deines Gottes, darauf gerichtet – vom Anfang des Jahres bis zum Ende des Jahres.
Und es wird geschehen: Wenn ihr fleißig auf meine Gebote hört, die ich euch heute gebiete, den Herrn, euren Gott, zu lieben und ihm zu dienen mit eurem ganzen Herzen und mit eurer ganzen Seele, so werde ich den Regen eures Landes geben zu seiner Zeit, den Frühregen und den Spätregen. Damit du dein Getreide und deinen Most und dein Öl einsammelst. Ich werde deinem Vieh Kraut geben auf dem Feld, und du wirst essen und satt werden.
Dem irdischen Volk war das Verheißen: Wenn sie auf das Wort Gottes hören, dann werden sie keine Hungersnot im Land haben. Stattdessen wird der Regen vom Himmel kommen und Fruchtbarkeit bewirken.
Aber jetzt haben wir gelesen in Ruth 1, Vers 1: „In den Tagen, als die Richter richteten, entstand eine Hungersnot im Land.“ Wir wissen aus dem Buch Richter, dass diese Epoche insgesamt etwa 450 Jahre dauerte, bis auf Samuel. Sie war gekennzeichnet dadurch, dass „jede Tat etwas Recht war in seinen Augen“. Das Volk wich immer wieder massiv vom Wort Gottes ab, und deshalb kam die Hungersnot.
Hier in 5. Mose 11, Vers 16, sagt Mose weiter: „Hütet euch, dass euer Herz nicht verführt werde.“ Also ganz allgemein: Dass wir nicht verführt werden, ist unsere Verantwortung. Man muss ganz besonders aufpassen. Das steht hier: „Hütet euch, dass euer Herz nicht verführt werde und ihr abweicht und anderen Göttern dient und euch vor ihnen niederbeugt. Dann entbrennt der Zorn des Herrn gegen euch, und er verschließt den Himmel, sodass kein Regen mehr fällt. Der Erdboden gibt seinen Ertrag nicht mehr, und ihr werdet bald aus dem guten Land vertilgt, das der Herr euch gibt.“
Hier wird also ganz klar Hungersnot angekündigt, falls Israel, das irdische Volk, von Gottes Wort abweicht.
Übrigens können wir das nicht einfach so auf die Gemeinde übertragen. Das heißt, wenn die Gemeinde sich am Wort Gottes orientiert und daran ausrichtet, wird es keine Hungersnot im wörtlichen Sinn geben. Denn die Gemeinde hat grundsätzlich keine irdischen Verheißungen, sondern himmlische Segnungen (Epheser 1,3).
Eine Anwendung ist jedoch ganz direkt zu machen im Blick auf geistliche Nahrung: Wenn das Volk Gottes treu ist und dem Herrn nachfolgt, dann ist garantiert, dass Gott auch gesunde, reiche geistliche Nahrung aus seinem Wort gibt. Aber wenn das Volk Gottes heute abweicht, dann gibt es geistliche Hungersnot. Diese Übertragung ist direkt zu machen.
Gottes Versorgung und Führung durch scheinbare Zufälle
Gott wird im Buch Ruth als der Gott vorgestellt, der sein Volk durch Hungersnot züchtigt, wenn es von ihm abweicht. Doch in diesem selben Buch sehen wir später, wie Gott Israel Brot gibt.
So wird Gott als der dargestellt, der Brot gibt. In Ruth 1,6 heißt es: „Und sie machte sich auf, sie und ihre Schwiegertöchter, und kehrte aus den Gebieten von Moab zurück, denn sie hatte im Gebiet, oder wörtlich in den Feldern von Moab, gehört, dass der Herr sich seinem Volk zugewandt habe, um ihnen Brot zu geben.“
Gott gibt Brot. Besonders die Ortschaft Bethlehem, was auf Deutsch „Brothausen“ bedeutet, spielt dabei eine wichtige Rolle. Hier sehen wir Gott als den, der seinem Volk Brot gibt. Übertragen bedeutet das, dass Gott dem himmlischen Volk geistliche Nahrung, Brot aus seinem Wort, gibt.
Ein dritter Punkt ist eine weitere Belehrung: Gott führt durch scheinbare Zufälle. In Ruth 2,3 heißt es: „Und sie, Ruth, ging hin und kam auf das Feld hinter den Schnittern her, las auf und traf zufällig das Feldstück des Boas, der aus der Familie Elimelechs war.“
Zufällig kam Ruth also auf das Feld von Boas. Wir haben bereits gesehen, dass dies mit der Führung Gottes verbunden war. Gott hatte schon vor Grundlegung der Welt den Herrn Jesus als Retter und Lamm Gottes zuvor erkannt. Durch ihre Begegnung auf dem Feld wurde Ruth später die Frau von Boas und damit die Stammmutter des Erlösers der Welt. So erhielt sie einen Platz in der Ahnenfolge im Geschlechtsregister des Herrn Jesus.
All dies begann mit diesem scheinbaren Zufall. Im Buch Ruth sehen wir also den Gott, der durch solche Zufälle führt, leitet und seine Pläne durchsetzt.
Wir werden später noch ausführlicher über das Thema Zufall in der Bibel sprechen.
Gottes Wirken in Schwangerschaft und Nachkommenschaft
Viertens wird Gott im Buch Ruth als der Gott vorgestellt, der Schwangerschaft bewirkt. In Ruth 4,13 heißt es: „Und Boas nahm Ruth, und sie wurde seine Frau. Und er ging zu ihr ein, und der Herr verlieh ihr Schwangerschaft, und sie gebar einen Sohn.“
Es gibt diesen ungünstigen Ausdruck „ein Kind machen“. Jedes Mal, wenn ich ihn höre, und manchmal auch von Gläubigen, widert mich das an. Das ist ein unsinniger Ausdruck, denn wir Menschen können keine Kinder „machen“. Wer das nicht erlebt hat, sollte einmal erfahren, wie es ist, wenn ein Ehepaar zehn Jahre auf ein Kind wartet und keines kommt. Und dann, nach zehn Jahren, wird die Frau schwanger.
Gerade in diesen Tagen hat mich jemand angesprochen und wieder so ein Beispiel erzählt: Nach zehn Jahren kam die Schwangerschaft. Ich kannte ein anderes Ehepaar, das acht Jahre gewartet hat, und dann kam das Kind. Sie nannten es Samuel, was „Gott hört“ bedeutet.
Gerade in einem Zeitalter der fortgeschrittenen Medizin, in dem man denkt: Wenn etwas nicht funktioniert, geht man zum Gynäkologen, und der kann helfen, zeigt sich doch, dass Gott alles in der Hand hat. Jedes Kind ist eine Gabe Gottes, wie wir aus den Stufengliedern der Psalmen wissen. Hier sehen wir, dass Gott ihr die Schwangerschaft verlieh.
Das sind vier gewichtige Belehrungen über Gott, sein Wesen und sein Handeln.
Vergleich von Ruth mit Tamar und das Thema der Leviratsehe
Ein weiterer Aspekt: Wir vergleichen, ähnlich wie gestern, zwei Frauen. Gestern haben wir Ruth und Esther verglichen. Dabei muss man einfach staunen über die Parallelen zwischen den beiden Büchern.
Aber wir können auch Ruth mit Tamar vergleichen. Tamar wird in Ruth 4 ausdrücklich erwähnt, zwar in Vers 12, und zwar im Zusammenhang mit den Nachkommen, die der Herr dieser jungen Frau geben wird: „Dein Haus werde wie das Haus des Peretz, den Tamar dem Juda geboren hat.“
Auch hier gab es das Problem der ausgebliebenen Nachkommenschaft. Dieses sollte durch eine Leviratsehe nachgeholt werden. Die Leviratsehe ist im Alten Testament die Pflicht, dass wenn ein Mann kinderlos stirbt, sein Bruder die Witwe heiratet. Der erste Sohn, der daraus geboren wird, wird dem Verstorbenen zugerechnet, um seine Linie innerhalb des irdischen Volkes Gottes zu erhalten – und auch das Erbteil bleibt so gesichert.
Diese Leviratsehe finden wir also schon in der Zeit der Patriarchen. Leider wurde diese Pflicht damals nicht erfüllt. Daraufhin hat Tamar mit schändlichen Methoden nachgeholfen. Sie verkleidete sich als kanonitische Prostituierte. Juda moralisch tief gefallen, ging zu dieser fremden Frau, ohne zu wissen, dass es Tamar war. So wurde auf eine schändliche, perverse Art Nachkommenschaft erzeugt.
Und das geschah innerhalb des Volkes Gottes – unglaublich!
Dann sehen wir hingegen Ruth, die Moabitin, die aus dem tiefsten Heidentum kam. Im Buch Ruth begegnet uns ebenfalls das Thema der Leviratsehe, aber auf eine so schöne, reine und saubere Art. Ruth hebt sich dadurch völlig ab. Sie bildet einen leuchtenden Gegensatz zu der Dunkelheit im Leben von Juda und Tamar.
Interessant ist, dass ausgerechnet in diesen vier Kapiteln Tamar erwähnt wird. Das geschieht, um den Kontrast zu dieser Heidin zu zeigen, die sich entschieden hat, dem wahren Gott von ganzem Herzen zu folgen.
Das Buch Ruth und das Pfingstfest im Alten Testament
Ein weiteres Thema ist das Pfingstfest. Das Buch Ruth wird in vielen Synagogen der Welt bis heute jeweils am Pfingstfest gelesen.
Pfingstfest im Alten Testament heißt Shavuot, das bedeutet Wochen- oder Wochenfest. Die sieben Feste des Herrn werden in 3. Mose 23 beschrieben. Dort heißt es: Von dem Erstlingsfest der Gerste an muss man fünfzig Tage zählen, und dann kommt das Wochenfest.
Schlagen wir diese Stelle auf, 3. Mose 23, und betrachten die wichtige Verbindung zum Buch Ruth, damit man sie gut versteht.
Zunächst wird das Passafest als erstes der sieben Feste des Herrn vorgestellt (3. Mose 23,5): Im ersten Monat, am vierzehnten Tag des Monats, zwischen den zwei Abenden, ist Pessach dem Herrn. Am fünfzehnten Tag dieses Monats beginnt das Fest der ungesäuerten Brote, das sieben Tage dauert. Diese Feste zusammen, Pessach und das Fest der ungesäuerten Brote, bilden die bekannte Passawoche. Eigentlich sind es zwei Feste: das Passafest und das Fest der ungesäuerten Brote, an dessen erstem Tag man das Pessach essen sollte.
Dann lesen wir in Vers 9 von dem dritten Fest: "Und der Herr redete zu Mose und sprach: Redet zu den Kindern Israel und sagt zu ihnen: Wenn ihr in das Land kommt, das ich euch gebe, und ihr seine Ernte erntet, so sollt ihr eine Gabe der Erstlinge eurer Ernte zu dem Priester bringen, und er soll die Gabe vor dem Herrn darbieten, zum Wohlgefallen für euch. Am anderen Tag nach dem Sabbat soll sie der Priester darbieten."
Hier haben wir das Fest der Erstlinge, das in die Passawoche fällt, aber kein genaues Datum genannt wird. Für Pessach wird der 14. Abib angegeben, für das Fest der ungesäuerten Brote der 15., aber das Fest der Erstlinge wird einfach als "am Tag nach dem Sabbat" bezeichnet.
Der 14. Nisan (auch Abib genannt), der Tag, an dem das Pessachlamm geschlachtet werden muss, konnte auf einen beliebigen Wochentag fallen. In der Passionswoche fiel dieser Tag genau auf einen Donnerstag. Am Donnerstagnachmittag, zwischen den zwei Abenden – das heißt ab etwa 15 Uhr – wurden die Pessachlämmer geschlachtet. Der neue Tag begann dann am Abend gegen 18 Uhr, und es war der 15., an dem das Pessachmahl gegessen wurde. Gleichzeitig wurde an diesem Tag der erste Tag der ungesäuerten Brote gefeiert.
In dieser Woche fiel der Tag nach dem Sabbat, also der Sonntag, genau auf den Auferstehungstag. In anderen Jahren konnte der Sabbat innerhalb der Passawoche jedoch an einem anderen Tag liegen. Er war verschiebbar.
Das Gesetz legt fest, dass in dieser Woche, am Tag nach dem Sabbat, die Erstlinge der Gerstenernte gebracht werden müssen. Es gab ein bestimmtes Feldstück in Jerusalem, das zuerst geerntet wurde. Diese Erstlinge der Gerste wurden dann zum Tempel gebracht. Erst danach durfte im ganzen Land Israel die Gerste geerntet werden.
Dieses Bild ist ein wunderbares Symbol für die Auferstehung des Herrn Jesus. Er selbst zieht den Vergleich mit dem Weizenkorn in Johannes 12: "Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein. Wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht." Der Weizensamen, der in die Erde geworfen wird, ist ein Bild für das Begräbnis. Das Aufwachsen der Pflanze steht für die Auferstehung, die viel Frucht bringt – nämlich all die Erlösten.
Dasselbe gilt für das Gerstenkorn: Das Sinken in die Erde steht für den Tod, das Aufwachsen für die Auferstehung.
Nun ist klar: Am Erstlingsfest, als die Erstlinge der Gerste gebracht wurden, sprach man von der Auferstehung des Herrn Jesus. Und ausgerechnet am dritten Tag nach seiner Kreuzigung, am 15. Nisan, begann der 15. Nisan am Donnerstagabend – im Judentum beginnt der Tag immer mit dem Vorabend.
Der Freitag war noch der 15. Nisan, an dem der Herr gekreuzigt wurde. Am 16. Nisan war Sabbat, und am 17. Nisan, dem Tag nach dem Sabbat, ist der Herr auferstanden.
In 1. Korinther 15 wird Jesus als der Erstling der Entschlafenen bezeichnet, wenn es um seine Auferstehung geht. Dieses Bild der Erstlinge wird direkt mit der Auferstehung des Herrn Jesus verbunden.
1. Korinther 15,20: "Nun aber ist Christus aus den Toten auferweckt, der Erstling der Entschlafenen. Denn wie durch einen Menschen der Tod kam, so kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten."
Und in Vers 23 heißt es: "Der Erstling aber ist Christus; danach die, die Christus gehören, bei seiner Ankunft." Er ist der Erste, der auferstanden ist und nicht mehr stirbt.
Die Bedeutung der Gerstenernte und das Wochenfest
Die Gerstenernte spielt eine ganz wichtige Rolle im Buch Ruth. Ruth kam zur Zeit der Gerstenernte nach Bethlehem und zufällig auf das Feld von Boas.
Nun wenden wir uns weiter dem 3. Buch Mose, Kapitel 23, zu. Das nächste Fest, das vierte Fest, wird in Vers 15 beschrieben. Dort heißt es, ihr sollt euch zählen vom anderen Tag nach dem Sabbat, also von dem Fest, das immer an einem Sonntag stattfinden sollte. Es wird gesagt: „Und ihr sollt euch zählen vom anderen Tag nach dem Sabbat, von dem Tag, da ihr die Webe, die Garbe, gebracht habt. Es sollen sieben volle Wochen sein. Bis zum anderen Tag nach dem siebenten Sabbat sollt ihr fünfzig Tage zählen, und ihr sollt dem Herrn ein neues Speisopfer darbringen.“
Weiter heißt es, dass aus euren Wohnungen Webebrote gebracht werden sollen, zwei an der Zahl. Diese sollen aus zwei Zehnteln Feinmehl bestehen und gesäuert gebacken werden. Sie sind als Erstlinge dem Herrn darzubringen. Außerdem sollt ihr zu dem Brot sieben einjährige Lämmer ohne Fehl, einen jungen Stier und zwei Widder darbringen. Diese sollen als Brandopfer dem Herrn dienen, zusammen mit dem Speisopfer und dem Trankopfer, ein Feueropfer lieblichen Geruchs für den Herrn.
Man sieht also: Ab dem Erstlingsfest, das auf den Auferstehungstag fiel – damals im Jahr 32 –, musste man sieben Wochen zählen. Am fünfzigsten Tag fand wieder ein Fest statt, nämlich das Fest der Wochen. Wochen heißt „Schawot“. Man hört immer wieder aus jüdischem Mund oder von Menschen, die Israel gut kennen, von diesem Fest Schawot, dem Wochenfest.
Auf Griechisch wurde dieses Fest „Pentecoste“ genannt, was „fünfzig“ oder „fünfzigster“ bedeutet. Daraus entstand im Französischen „Pentecôte“. Das „ô“ mit Zirkumflex zeigt an, dass dort ein „s“ weggefallen ist. Ursprünglich hieß es also „Pentecoste“. Der fünfzigste Tag, auf Englisch „Pentecost“, ist einfach das griechische Wort für den fünfzigsten Tag.
So fiel Pfingsten immer auf einen Sonntag. Zwei der sieben Feste des Herrn mussten zwingend auf einen Sonntag fallen. Daher ist klar: Am fünfzigsten Tag nach der Auferstehung des Herrn Jesus war Pfingsten. Deshalb lesen wir in Apostelgeschichte 2,1, wo der Geburtstag der Gemeinde mit der Ausgießung des Heiligen Geistes beschrieben wird:
„Und als der Tag der Pfingsten erfüllt wurde, waren sie alle an einem Ort zusammen.“ Der „Tag der Pfingsten“ steht im Griechischen als „Pentecoste“, der fünfzigste Tag.
Dann geschah in Vers 2: „Und plötzlich kam vom Himmel ein Brausen wie von einem daherfahrenden gewaltigen Wind, und erfüllte das ganze Haus, wo sie saßen. Und es erschienen ihnen zerteilte Zungen wie von Feuer, und sie setzten sich auf einen jeden einzelnen von ihnen. Sie wurden alle mit dem Heiligen Geist erfüllt und fingen an, in anderen Sprachen zu reden, wie der Geist ihnen gab, auszusprechen.“
So entstand die Gemeinde fünfzig Tage nach dem Auferstehungstag, der auf den ersten Tag der Woche fiel – wieder der erste Tag der Woche. Darum wird dieser Tag, der Auferstehungstag, im Neuen Testament auch „der Tag des Herrn“ genannt, wie es in Offenbarung 1,10 heißt: „Ich war im Geist am Tag des Herrn.“ Wörtlich heißt es dort „Kyriake Hemera“, der dem Herrn gehörige Tag.
Der erste Tag der Woche als Tag der Versammlung und des Herrn
Warum sage ich das? Weil es im Neuen Testament noch einen anderen Ausdruck gibt, der ebenfalls „Der Tag des Herrn“ heißt. Dieser bezeichnet die Zeit des Gerichts und die Wiederkunft Christi, die große Drangsalzeit und das Kommen des Herrn Jesus als Richter der Welt. Das ist der Tag des Herrn, aber auf Griechisch wird das anders ausgedrückt.
Der Ausdruck für den Sonntag, Kyriake Hemera, bedeutet wörtlich „der dem Herrn gehörige Tag“. Der Gerichtstag wird ganz wörtlich ebenfalls „der Tag des Herrn“ genannt. Ab dem Neuen Testament ist diese Bezeichnung für den Auferstehungstag des Herrn Jesus gebräuchlich.
An diesem Tag, als Johannes auf Patmos verbannt war wegen seines Zeugnisses – Kaiser Domitian hatte ihn dorthin geschickt – konnte er nicht mehr die Gemeinschaft der Gläubigen am Sonntag erleben. Für ihn war die Zusammenkunft der Gläubigen also eingeschränkt, ganz ähnlich wie wir in der Corona-Zeit keine Versammlungen mehr hatten.
Was geschah dann? Johannes war am Tag des Herrn im Geist. Dort erhielt er die Offenbarung, mit der die Bibel abgeschlossen wurde. Diese Offenbarung wurde ihm an dem Auferstehungstag gegeben, der ganz typisch für die Gemeinde ist. Das ist nicht ein verschobener Sabbat, sondern der Tag des Herrn.
Von diesem Tag heißt es übrigens in Apostelgeschichte 20, dass die Gläubigen offensichtlich schon in der Zeit der Apostelgeschichte speziell an diesem Tag das Brot brachen, also das Gedächtnismahl feierten. Ich lese aus Apostelgeschichte 20, Vers 7: „Am ersten Tag der Woche, als wir versammelt waren, um Brot zu brechen…“ Man sieht also, dass sie am ersten Tag der Woche versammelt waren, und zwar mit einem ganz bestimmten Ziel. Dieses Zusammenkommen war gewidmet, um das Brot zu brechen, also das Abendmahl zu feiern.
Man muss Folgendes beachten: Nach dieser Zusammenkunft ging Paulus nicht mehr schlafen. Er hielt eine Predigt, zunächst bis Mitternacht und dann noch bis zum frühen Morgen. Am nächsten Tag, Vers 11, heißt es: „Als er hinaufgestiegen war und das Brot gebrochen und gegessen hatte und lange bis zum Anbruch des Tages geredet hatte, reiste er ab.“
Das zeigt übrigens, so nebenbei gesagt, die außergewöhnliche Kondition von Paulus. Er predigte also eine ganze Nacht durch und reiste am nächsten Tag zu Fuß weiter auf seine Missionsreise. Das geht, wenn man nicht verheiratet ist. Solche Abenteuer sind schwierig, und der Apostel Paulus hatte eben die Berufung, seinen Dienst unverheiratet zu tun. Das sagt er in 1. Korinther 7. Er hatte diese besondere Gnadengabe und konnte sie einsetzen.
Worauf will ich hinaus? In Vers 6, Vers 5 schon, heißt es: „Diese gingen voraus und warteten auf uns in Troas. Wir aber segelten nach den Tagen der ungesäuerten Brote von Philippi ab und kamen in fünf Tagen zu ihnen nach Troas, wo wir sieben Tage verweilten.“
Sie waren also sieben Tage in Troas. Am ersten Tag der Woche, das heißt, sie kamen am Montag an. Paulus wollte unbedingt noch einen ersten Tag der Woche mit der Gemeinde in Troas erleben. Darum wartete er, bis man am ersten Tag der Woche versammelt war, um das Brot zu brechen. Dann zog er seine Predigt bis zum Morgen durch und ging anschließend zu Fuß weiter.
Er wollte diesen ersten Tag der Woche mit der Gemeinde in Troas, wo sie zusammenkamen, um das Brot zu brechen, unbedingt erleben. Das verleiht dem Ganzen noch viel mehr Gewicht, dass das Brotbrechen mit dem ersten Tag der Woche, dem Auferstehungstag, verbunden war.
Das Mahl des Herrn und die Priorität des ersten Tages der Woche
Und hier noch ein ganz kleiner Hinweis: In 1. Korinther 11 wird doch das Abendmahl genannt – das Abendmahl oder das Mahl des Herrn. Ich gebe die Stelle an: 1. Korinther 11,20: „Wenn ihr nun an einem Ort zusammenkommt, so ist das nicht des Herrn Mahlessen, denn jeder nimmt beim Essen sein eigenes Mahl vorweg“ usw.
Der Apostel Paulus spricht hier ab Vers 20 über das Mahl des Herrn und sagt, dass es gefeiert wird, wenn die Gemeinde von Korinth, eine sehr große Gemeinde, an einem Ort zusammenkommt. Nicht an vielen Orten, sondern sie kamen alle an einem Ort zusammen, um das Mahl des Herrn zu feiern.
Dieser Ausdruck „des Herrn Mahl“ enthält wieder das Wort „Kyriake“, das wörtlich „das dem Herrn gehörige Mahl“ bedeutet. Dieses Wort kommt nur hier und in Offenbarung 1,10 vor, wo vom „dem Herrn gehörigen Tag“ die Rede ist.
Hier sehen wir einen besonderen Zusammenhang zwischen dem dem Herrn gehörigen Mahl und dem dem Herrn gehörigen Tag. Jeder Tag gehört ihm, aber der erste Tag der Woche, der Auferstehungstag, gehört ihm auf eine ganz besondere Weise. Das ist der Tag, an dem das Zusammenkommen der Gläubigen Priorität gegenüber allen anderen Dingen hat.
Es gibt kein Ruhegebot für den ersten Tag der Woche im Neuen Testament. Aber der Ausdruck „der Tag des Herrn“ zeigt die Priorität. Das muss man auch Kindern erklären, wenn sie fragen: „Dürfen wir Hausaufgaben machen am Sonntag?“ In der Bibel steht nicht ausdrücklich, ob man das darf oder nicht. Aber die entscheidende Frage ist: Kommt ihr mit in die Versammlung? Wenn die Antwort „Nein, wir haben Hausaufgaben“ lautet, dann geht das nicht. Das ist der dem Herrn gehörige Tag, ein Tag, an dem unser Geschäft, die Schule, das Studium zurücktritt. Dieser Tag muss für ihn reserviert sein.
Aber dürfen wir am Nachmittag Fußball spielen? Ja, warum nicht? Wenn am Nachmittag keine Versammlung ist, dann spricht nichts dagegen. Die Priorität muss richtig gesetzt sein – das ist der Punkt.
Die Gemeinde ist also geprägt durch diesen Auferstehungstag, durch den Tag, an dem die Erstlinge der Gerste zum Tempel gebracht wurden und 50 Tage später der Geburtstag der Gemeinde war. Die Gemeinde entstand am ersten Tag der Woche und ist dadurch geprägt. Das ist aber kein verschobener Sabbat.
Der Tag des Herrn ist etwas völlig anderes als der Sabbat. Der Sabbat sollte der siebte Tag der Woche sein. Im Judentum ging man in die Woche hinein und sah am Ende, dass dann die Ruhe kommt. So war die Haltung des Volkes Israel im Alten Testament: Sie warteten auf den kommenden Tag, an dem der Messias kommen und uns völlig zur Ruhe bringen würde.
In der Gemeinde aber ist alles vollendet. Der Messias ist gekommen, er hat sein Werk am Kreuz vollbracht, vollständig. Er ist auferstanden, und so gehen wir aus der Erfüllung heraus in die Woche. Das ist eine ganz andere Lebenshaltung, als wenn man in die Woche geht und wartet, dass einmal der Messias kommt und das Problem der Sünde endgültig löst.
Nein, wir gehen in die Woche, weil der Messias, der Herr Jesus, gekommen ist. Er hat alles vollbracht, und das Problem der Sünde ist endgültig gelöst. Er hat es abgeschafft, sagt Hebräer 9. So gehen wir aus der Erfüllung heraus in die Woche. Das ist eine ganz andere Haltung.
Wir sehen aber, dass dies im Alten Testament zutiefst verwurzelt ist. Dieser erste Tag der Woche ist auch im Alten Testament ganz, ganz wichtig. Übrigens beginnt die Bibel mit dem Sonntag. Am Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde. Das waren die ersten sechs Tage. Der siebte Tag war Sabbat.
Das heißt also, die Bibel beginnt mit dem Sonntag. Am Sonntag hat Gott die Welt erschaffen – das Universum, Himmel und Erde.
Im Buch Ruth spielt das eine ganz große Rolle. Ich lese noch, bevor wir dann in die Pause gehen, Ruth 1,22: „Und so kehrte Naomi zurück und Ruth, die Moabiterin, ihre Schwiegertochter, mit ihr, die aus den Feldern von Moab zurückkehrte. Sie kamen nach Bethlehem beim Beginn der Gerstenernte.“
Nach der Pause werden wir sehen, wie das Buch Ruth uns von der Gerstenernte hin zur Weizenernte führt. Da möchte ich noch weiter darauf eingehen. Das ist dann in Kapitel 2, Vers 23: „Und so hielt sie sich zu den Mägden des Boas, um aufzulesen, bis die Gerstenernte und die Weizenernte beendet waren, und sie wohnte bei ihrer Schwiegermutter.“
Diese fünfzig Tage sind hier eingeschlossen. Darum wird weltweit in vielen Synagogen das Buch Ruth am Pfingstfest, an Chavuot, in der Synagoge vorgelesen. Es besteht also ein ganz besonderer Zusammenhang mit Pfingsten.
Das möchte ich nach der Pause noch weiter erklären. Eine Viertelstunde Pause.