Ich muss euch von einer Erfahrung erzählen, die ich gemacht habe, als ich etwa 14 oder 15 Jahre alt war. Mein Vater war Posaunenchorleiter, und deshalb musste auch ich Posaune oder Trompete lernen. Ich habe das gehasst. Ich habe mehr schlecht als recht hineingepustet, kaum geübt, und entsprechend war auch die Qualität meiner Musik.
Der Posaunenchor traf sich immer freitags. Dann saßen dort etwa zwanzig Männer, leider ausschließlich Männer. Am Ende gab es ein Ritual, das schon hundert Jahre alt war. Einer sagte: „Liest mal einer noch einen Psalm.“ Vorne lag genau so etwas wie diese hässliche Rotschnittbibel in Frakturschrift. Dann musste man die Bibel nehmen und einen Psalm vorlesen. Das war nicht so schwer, die Psalmen zu finden.
Ich erinnere mich noch, dass ich die Bibel aufschlug, irgendeinen Psalm zufällig erwischte und ihn dann als Abendandacht vorlas. Dort stand zum Beispiel: „Sie stärken sich in einer bösen Sache, sie reden davon, Fallstricke zu verbergen, sie sagen: Wer wird uns sehen? Sie denken sich Schlechtigkeiten aus, wir haben es fertig, der Plan ist ausgedacht.“ Und dann: „Eines jeden Inneres Herz ist tief.“ Ich habe das vorgelesen und konnte damit überhaupt nichts anfangen. Für mich waren die Psalmen ein verschlossenes Buch.
Genauso geht es auch Julian, der Initiator dieses Wochenendes. Ich frage Sie, mir zu, Philipp macht das besser. Dieses Wochenende soll sich um das Thema Psalter drehen – ein anderes Wort für die Psalmen. Der Psalter bedeutet „Echo von der Erde“. Was ist damit gemeint?
Ist euch schon mal aufgefallen – das habe ich von unserem jungen Bruder Jan Klein gelernt – dass die Bibel so ein dickes Buch ist, mit über tausend Seiten? De facto: Wo fängt sie an? Beim Ersten Mose, Kapitel eins. De facto ist das nur ungefähr eine Seite. Und ganz am Schluss, noch mal bei der Offenbarung, Kapitel einundzwanzig, Vers zweiundzwanzig, ist auch nur ungefähr eine Seite. Warte, ich muss das erst noch finden – so viel Anhang hier – auch nur eine Seite. Sehr gut.
Der Rest ist eigentlich ziemlich viel Durcheinander, Chaos oder Mist, oder? So ist es. Die ganze Geschichte der Bibel ist, dass Gott etwas, was mal sehr gut war, wieder sehr gut macht, es wieder sehr gut hinkriegt. Das ist die Geschichte der Bibel.
Und mittendrin, wirklich mittendrin, hat Gott ein Buch hineingepflanzt: die Psalmen. Das ist jetzt so ein Crashkurs, falls ihr noch gar keine Peilung habt. Wir haben das Alte Testament, das Heilige Buch der Juden, und wir haben das Neue Testament, das Heilige Buch der Christen. Das Alte Testament wurde mehr in Schriftrollen überliefert, das Neue Testament schon in Codices, also in Buchform.
Das Alte Testament besteht, beziehungsweise bestand, aus drei Teilen: der Mose, den Propheten und den Schriften, so nannten es die Juden. Also geschichtliche Bücher, prophetische Bücher und poetische Bücher.
Kennt ihr noch ein anderes poetisches Buch außer den Psalmen im Alten Testament? Ja? Das ist schon so ein... Ja, könnte man dazu zählen. Noch eins, poetisch? Du darfst im Sommer heiraten, ja. Noch ein poetisches Buch der Bibel? Sprüche, Prediger, Hohelied, Hiob. Ja.
Im Neuen Testament ist es ähnlich, aber das würde heute zu weit führen. Das Alte Testament besteht also aus drei Teilen.
Und jetzt, wenn ihr mal eure Bibel öffnet, versucht mal genau die Mitte zu treffen. Da müsstet ihr auf diese Seite stoßen. Mitten in die Bibel hat Gott etwas gepflanzt, und das finde ich beachtlich: Er hat den kürzesten Psalm und den längsten Psalm direkt nebeneinander gestellt – Psalm 117 und Psalm 119. Habt ihr das gemerkt?
Psalm 119 geht über mehrere Seiten, und Psalm 117 ist der allerkürzeste. Es gibt noch einen harten Mitbewerber mit drei Versen, aber Psalm 117 hat tatsächlich nur zwei Verse. Er beginnt mit einem Halleluja und endet mit einem Halleluja.
Und warum zeige ich euch das? Die Mitte der Bibel lässt sich ermitteln. Es gibt 1189 Kapitel in der Bibel, und wenn man das jetzt aufteilt, merkt man: Die Mitte ist tatsächlich Psalm 118. Also zwischen dem kürzesten und dem längsten Psalm versteckt sich die Mitte der Bibel.
Jetzt noch was für Zahnarzt-Cracks: Vor Psalm 118 gibt es also 594 Kapitel, und danach auch noch mal 594. Dazwischen liegt Psalm 118 als das eine fehlende Kapitel.
Wenn man diese Kapitelzahlen addiert, kommt klar 1188 heraus – und das führt uns zum mittelsten Vers der Bibel: „Es ist besser, bei dem Herrn Zuflucht zu suchen, als sich auf den Menschen zu verlassen.“ Das ist arithmetisch die Mitte der Bibel, und ich glaube, es ist auch eine Zentralaussage der Bibel.
Worauf stützt du dich? Worauf hast du dein Vertrauen? Worauf hoffst du in nächster Zeit? Ist es besser, bei Joe Biden Zuflucht zu suchen? Oder bei Wladimir Putin? Oder bei Gerhard Schröder? Nein, es ist besser, bei dem Herrn Zuflucht zu suchen, als sich auf irgendeinen Menschen zu verlassen.
Das ist die Mitte der Bibel, Psalm 118, Vers 8.
Und ich will euch damit zeigen, dass das Buch der Psalmen es komplett in sich hat. Mitten in die Bibel steckt Gott ein Buch – und nicht nur irgendein Buch, sondern auch das umfangreichste Buch, den Psalter.
Das Wort Psalm oder Psalter sagt uns heute kaum noch etwas. Dazu muss ich vielleicht etwas erklären. Die frühen Gläubigen hatten Zupfinstrumente, hauptsächlich Saiteninstrumente, mit denen sie melodisch spielen konnten. Hörner konnten zwar Töne erzeugen, aber keine so schönen Melodien. Die Juden nannten die Psalmen „Tehillim“. Das bedeutet einfach „Lobgesänge“. Im Plural heißt das also „Lobgesänge“. So nannten sie die Psalmen: das Buch der Lobgesänge, „Sephir Tehelim“.
Später nannte man das Ganze auf Griechisch „Psalmoi“. Das kommt von dem Wort für einen Zupfer, einen Harfenspieler, der die Lieder begleitete. Dieser Musiker sorgte dafür, dass man die Psalmen schön singen konnte – der Psalmist.
Die Psalmen sind Loblieder, die an Gott gerichtet sind. Sie wurden gesungen und musikalisch begleitet, oft sehr eindrucksvoll musiziert.
Die Juden teilten ihre Bibel in drei Teile auf. Wer weiß noch, welche das waren? Genau: geschichtlich, poetisch und prophetisch.
Der geschichtliche Teil umfasst Mose, der prophetische die vier großen Propheten und die zwölf kleinen Propheten, und der poetische Teil enthält die Psalmen.
Sie nannten das Buch der Psalmen „Die Schriften“. Die drei Hauptteile der hebräischen Bibel sind also Mose, die Propheten und die Schriften.
Als Verweisstelle kann man Lukas 24,26-27 lesen. Dort heißt es: „Muss nicht der Christus dies leiden und in seine Herrlichkeit eingehen?“ Und dann erklärte er ihnen von Mose und allen Propheten her in allen Schriften, was ihn betraf.
Auch Lukas 24,44 wird zitiert, wo es heißt: „Dies sind meine Worte, wie ich zu euch redete, als ich noch bei euch war, dass alles erfüllt werden muss, was über mich geschrieben steht im Gesetz Mose, in den Propheten und in den Psalmen.“
Man erkennt hier die Dreiteilung der Bibel.
Jetzt stellt sich aber eine Frage: In Mose, also in den Geschichtsbüchern, lesen wir sehr viel über Gottes Handeln, seine Taten in der Geschichte. Im prophetischen Teil finden wir viele Aussprüche und Worte der Propheten – also Worte und Taten.
Mose und die Propheten sind also irgendwie merkwürdig anders als die Psalmen. Die Psalmen sind sozusagen die Antwort. Weil Gott in der Geschichte gehandelt hat und durch die Propheten gesprochen hat, gibt es ein Echo von der Erde – und das sind die Psalmen.
Man kann sagen: In den Geschichtsbüchern redet und handelt Gott. In den Propheten benutzt Gott Menschen, damit sie zu anderen in seinem Auftrag sprechen. Bei den Psalmen ist die Bewegung genau umgekehrt: Hier reden Menschen zu Gott. Sie denken sich ein Lied aus, schreiben es und singen es.
Jetzt könnte jemand ganz pfiffig sagen: „Moment mal, dann ist das ja eigentlich gar nicht Bibel, oder? Das haben ja Menschen gesagt, geschrieben und gesungen.“
Okay, Gott hat die Geschichte aufschreiben lassen, auch die Propheten, das kann man verstehen. Aber Psalmen sind doch Eigengewächse. Es wäre ja so, als würde jetzt Jona ein Lied schreiben und wir sagen, das ist Bibel.
In den Psalmen sprechen Menschen zu Gott, sie singen zu Gott – ein Echo von der Erde. Wie lässt sich dieses Mysterium auflösen?
Psalm 45 ist ein Lied, das dem König gewidmet ist, wahrscheinlich anlässlich seiner Hochzeit.
Wer liest mal Psalm 45, Vers 2? „Bewegt ist mein Herz von gutem Wort, sagen will ich meine Gedichte dem König; meine Zunge sei wie der Griffel eines geschickten Schreibers.“
Also: In mir kocht es, ich bin voller Gedanken, ich will meine Gedichte dem König vortragen. Aber dann betet er noch: „Meine Zunge sei der Griffel eines geübten Schreibers.“ Der Schreiber ist hier Gott.
Ich glaube, das ist typisch für die Psalmen: Menschen reden zwar aus ihrer Fülle, sie danken, preisen und loben Gott. Aber insgeheim wissen sie, dass sie nicht die eigentlichen Autoren sind. Vielmehr wirkt Gott durch sie.
Eine eindrucksvolle Referenz dazu findet sich in 2. Samuel 23,1-3. Wer liest das mal mittellaut vor?
„Dies sind die letzten Worte Davids, Ausspruch Davids, des Sohnes Isais, Ausspruch des Mannes, der hochgestellt ist, des Gesalbten des Gottes Jakobs und des Lieblings in den Gesängen Israels. Der Geist des Herrn hat durch mich geredet, und sein Wort war auf meiner Zunge. Er hat gesprochen, der Gott Israels, der Fels Israels, hat zu mir geredet: ‚Wer gerecht herrscht über die Menschen, wer in der Furcht Gottes herrscht, der ist wie das Licht des Morgens, das aufstrahlt wie die Sonne, wenn sie aufgeht, unruhig nach dem Regen, wie das frische Grün auf der Erde.‘“
David ist sich bewusst: Das habe nicht er selbst fabriziert, sondern Gott hat durch ihn gesprochen. Sein Wort war auf seiner Zunge.
Genau wie es im Psalm 45 heißt: „Meine Zunge sei wie ein Werkzeug für Gott.“ David sagt: So war es bei mir – Gott hat gesprochen und gewirkt.
Wir werden morgen sehen, dass das, was David geschrieben hat, weit über sein eigenes Fassungsvermögen hinausging.
In den Psalmen werdet ihr etwas Merkwürdiges feststellen: Sie sind nicht jeden Tag für dich geeignet. Manche Psalmen sind ausgesprochene Klagepsalmen, andere hingegen Jubellieder. Man kann hier förmlich Tagesverfassungen ablesen. Die Psalmen bewegen sich zwischen diesen beiden Polen – zwischen Jubel und Klage.
Es ist vor Gott ausgeschütteter Herzschmerz, richtig vor Gott hingelegt, oder vor Gott herausgeplatztes Hochgefühl. Zwischen diesen beiden Polen bewegt sich alles: Herzschmerz, Hochgefühl, Lebensfreude, Lebenskummer, Freude und Leid. Diese beiden Grenzerfahrungen, diese Extremerfahrungen finden wir in den Psalmen zuhauf – Wehmut und Wonne.
Ihr könntet euch einmal Psalmen markieren: Ist es eher ein Loblied oder eher ein Klagelied? Hier ist zum Beispiel eine Referenz: Psalm 47,4 – „Jauchzt dem Herrn, alle Erde, bricht in Jubel aus, singt Psalmen!“ Das ist eine Aufforderung zum Mitmachen, singt Gottlieder!
Und dann die andere Polarität: „Ich schütte meine Klage vor ihm aus, meine Bedrängnis tue ich vor ihm kund.“ Diese ganze Spannweite finden wir in den Psalmen.
Ich finde das so klasse, und deshalb, Johann, ich verstehe dich nicht. Wahrscheinlich bist du emotional unterbelichtet. Man kann Geschichte lesen, man kann Chroniken lesen, man kann Propheten lesen, ja. Aber in den Psalmen ist es durchtränkt von Emotionen, von Gefühl. Und Gott sagt: Ja, auch das hat seine Berechtigung. Nicht nur, aber auch das hat seinen großen Platz in der Bibel.
Überlegt mal: Das dickste Buch in der Bibel sind die Psalmen. Was soll uns das sagen? Das Wichtigste. Das Wichtigste? Ja, was kann das noch bedeuten? Leute, singt viel! Gebt dem Lob viel Raum – das soll das eigentlich heißen.
Gott hätte ja auch so eine schmale Ausgabe mit drei Psalmen machen können, aber 150 Psalmen stellt er mitten in die Bibel. Das heißt, Lob Gottes soll schon einen großen Raum in unserem Leben einnehmen. Das ist die Botschaft, oder?
Deshalb finde ich es cool, wenn wir an so einem Wochenende auch viel singen. Ich glaube, Gott freut sich darüber. Das werden wir morgen noch hören.
Hätten wir die Psalmen nicht, hätten wir kaum eine so tiefe Sehnsucht nach Gott kennengelernt. Wir lesen in den Propheten, zum Beispiel Amos, oder in 1. Samuel, doch dass jemand sagt: „Gott, ich liebe dich“, das finden wir vor allem in den Psalmen. Dort steht: „Ich sehne mich nach dir, ich lechze nach dir wie ein Hirsch, der weit entfernt ist von seiner Wasserstelle.“ Es ist ein Ausdruck tiefen Durstes nach Gott. Ich finde es großartig, dass Gott das in seine Bibel aufgenommen hat.
Zu Beginn dominieren eher die Klagelieder, die Klagepsalmen. Es sind sehr viele davon. Doch mit der Zeit ändert sich das. Am Ende überwiegen die Loblieder und Dankpsalmen immer mehr. Ein gutes Beispiel dafür ist Psalm 104, der schon im zweiten Drittel der Psalmen steht. Er ist der erste Psalm, der von „Halleluja“ eingerahmt wird. Er beginnt mit „Preise den Herrn“, was dasselbe bedeutet wie „Halleluja“. Das kennen wir noch aus der Kinderstunde von früher: „Hallelu, Hallelu, Hallelu, Halleluja – Preise den Herrn!“ So endet auch Psalm 104, im letzten Vers heißt es: „Lobe den Herrn, Halleluja.“
Am Ende der Psalmen gibt es viele Psalmen, die mit einem kräftigen „Halleluja“ eingebettet sind. Es sind etwa zehn Psalmen, die mit „Preist den Herrn mit mir“ abschließen. Das ist keine unverbindliche Preisempfehlung, wie man sie aus dem Handel kennt, wo etwas 92 Cent kosten kann, aber nicht muss. Wenn in der Bibel „Halleluja“ steht, heißt das: Mach mit! Lass dich anstecken, Gott zu ehren und zu loben.
Wie gesagt, am Anfang der Psalmen überwiegen noch die Klagelieder. Natürlich sind auch Dankpsalmen eingestreut, in denen Erfahrungen mit Gott geschildert werden. Doch je weiter man im Buch der Psalmen vorankommt, desto mehr Loblieder und Dankeslieder finden sich dort. Dazu passt das Bild aus Hiob 11,16: „Du wirst die Mühsal vergessen, wirst dich an sie erinnern wie an vorübergeflossenes Wasser. Heller als der Mittag wird dein Leben entstehen. Mag es finster sein, wie der Morgen wird es werden, du wirst Vertrauen fassen.“
Hier wird Hiob versprochen: Auch wenn es dunkel aussieht, soll er weitergehen. Es wird heller, es wird besser. Er soll vertrauen, denn er wird seine Mühsal vergessen und hinter sich lassen. Ähnlich heißt es im Buch der Sprüche 4,18: „Aber der Pfad des Gerechten ist wie der Glanz des Morgenlichts, das immer heller leuchtet bis zum vollen Tag.“
Diese Verheißungen finden sich exemplarisch im Buch Hiob, im Buch der Sprüche und auch im Buch der Psalmen wieder. Immer mehr Psalmen sind Dank- und Loblieder. Für mich oder für dich kommt die Wende, wenn wir uns Gott zuwenden, ihm unsere Klage und unseren Kummer bringen und unser Herz vor ihm ausschütten. Dann entsteht diese Wende.
Es gibt viele Psalmen, die mit Klage beginnen, doch indem sie Gott ihre Not mitteilen, kommen sie plötzlich zum Loben. Solche zweiteiligen Psalmen, in denen mittendrin ein Kipppunkt liegt, gibt es sehr viele. Das werden wir morgen noch genauer sehen.
Ich finde es auch schön, dass das erste und das allerletzte Wort in den Psalmen die ganze Botschaft zusammenfassen. Psalm 1,1 beginnt mit dem Wort „Wohl dem“ – andere Übersetzungen sagen „Glücklich“ oder „Glückselig“. Und wie endet das Buch der Psalmen? Mit dem Aufruf: „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn! Halleluja!“
Wenn man das zusammenfasst, heißt die Botschaft der Psalmen: Glücklich ist, wer Gott lobt. Es macht am meisten mit dir, wenn du lernst, eine dankbare Grundhaltung zu haben und deinen Dank an Gott auszudrücken. Darum geht es. Wer Gott lobt und dankt, ist zu beneiden und zu preisen. Das ist die Botschaft der Psalmen.
Übrigens, wisst ihr, welcher der älteste Psalm ist, den wir kennen? Es ist der Psalm Moses. Sehr gut! Moses schrieb bereits einen Psalm, und er lebte ja lange vor David. Es ist Psalm 90. Könnt ihr mal nachschauen? Dort steht auch, dass er von Moses stammt: „Ein Gebet von Mose, dem Mann Gottes.“
Wenn man diesen Psalm liest, merkt man sofort, dass er genau in die Zeit der Wüste passt, in der die Menschen starben wie Heuschrecken oder Fliegen. Ein uralter Psalm.
Und welcher Psalm ist wahrscheinlich der jüngste? Psalm 137! Schlagt ihn mal auf. Psalm 137, Vers 1: „An den Strömen Babels saßen wir und weinten, wenn wir an Zion dachten.“ Wann war das? An den Flüssen Babels saßen sie und weinten – im Exil. Die Juden, das Königreich war untergegangen, die Stämme wurden verschleppt, entführt und ins Exil nach Babylon gebracht. Dort fristeten sie ihr Dasein.
Wisst ihr, wie viel Zeit zwischen diesen beiden Ereignissen liegt? Mose lebte etwa 1400 v. Chr., und die babylonische Gefangenschaft war 430 v. Chr. Das sind fast tausend Jahre. Tausend Jahre werden durch die Psalmen überspannt – also eine sehr lange Epoche.
Die allermeisten Psalmen schrieb wer? Richtig, David! Und jetzt kommt noch ein besonderer Punkt, den ich klasse finde. Ratet mal, bei wie vielen Psalmen „Ein Psalm Davids“ steht. Was würdet ihr schätzen?
Wir haben 150 Psalmen. 50? 73? Genau, es sind 73! Wirklich! Ich hätte das auch nicht genau gewusst, aber 73 Psalmen sind von David.
Jetzt kommt der Knaller: Schlagt mal bitte Psalm 95 auf. Was steht dort über dem Psalm? Von wem ist er? Schulterzucken, oder? Dann schlagt mal Psalm 2 auf. Und Psalm 1? Aber es gibt einen Hinweis. Wer öffnet mal bitte die Apostelgeschichte?
Apostelgeschichte 4, Vers 25: „Der du durch den Mund deines Knechtes David gesagt hast: ›Warum toben die Nationen und sinnen die Völker auf Nichtiges?‹“ Das ist doch ein Zitat aus Psalm 2. Könnt ihr schon mal bei Psalm 2 schreiben: Ein Psalm von David?
Dann schlagt mal Hebräer 4, Vers 7 auf: „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet euer Herz nicht.“ Das ist ein Zitat aus Psalm 95.
Deshalb hat Julian falsch getippt: David hat nicht 73 Psalmen geschrieben, sondern 75. Und wisst ihr was? 75 ist genau die Hälfte von 150. Cool! Ich finde es klasse, dass David die Hälfte der Psalmen beigesteuert hat – das ist beeindruckend.
Leider hat das Dichten bei seinem Sohn etwas nachgelassen. Von Salomo stehen nur zwei Psalmen in der Bibel. Das ist schon ein riesiges Gefälle: 75 zu 2. Die Psalmbichtung nahm also irgendwann stark ab. Dann gab es eine Erweckung bei Josaphat oder Hiskia, und wieder wurden mehr Psalmen geschrieben.
Aber eines ist klar: Gott ist das Lob wichtig.
Wir haben diese Woche in der Andacht einen Text von Nancy Liedemos zu Römer 1, Vers 21 gelesen. Entschuldigt, falls es ein bisschen holprig wird.
In Römer 1, Vers 21 sagt sie, dass wir uns keine Vorstellung davon machen, wie viele Sünden aus einer einzigen Ursache entstehen können – es ist wie eine unheilvolle Kette.
Man muss sich auch anschauen, wie dieses Kapitel endet. Dort steht: „Ungerechtigkeit, erfüllt mit Ungerechtigkeit, Bosheit, Habsucht, Schlechtigkeit, Neid, Mord, Streit, List, Tücke, Ohrenbläser, Verleumder, Gotteshassende“, und es geht immer weiter mit Schlechtigkeiten.
Aber wisst ihr, was am Anfang steht? In Römer 1, Vers 21 heißt es: „Weil wir Menschen Gott kennend ihn weder als Gott verherrlichten, noch ihm Dank darbrachten.“
Wir kommen gar nicht auf die Idee, Psalmen zu schreiben oder zu singen – um Gott für das, was er ist, zu verherrlichen oder ihm für das, was er tut, zu danken. Genau das tun die Psalmisten.
Wir Menschen hingegen haben alle möglichen schlechten Gedanken und Verfehlungen, weil wir Gott nicht vor Augen haben. Wir danken ihm nicht, wir ehren ihn nicht, wir verherrlichen ihn nicht – weder für das, was er ist, noch für das, was er tut.
Stattdessen wird unser Herz immer mehr verfinstert.
Ich möchte heute Abend nicht zu lange machen, damit ihr nach eurer Woche nicht erschöpft seid.
Übrigens gibt es viele Psalme auch außerhalb des Buches der Psalmen. Wusstet ihr, dass man Psalmen zum Beispiel auch in der Weihnachtsgeschichte im Buch Lukas findet? Wer schreibt dort Psalme? Maria, die ein Loblied singt. Aber nicht nur sie: Auch Hanna und Zacharias schreiben Psalme.
Wir finden außerdem einen Psalm von Habakuk, von Hiskia und von Jona. Jona schreibt sogar im Bauch des Fisches einen Psalm – ein wirklich spannendes Szenario!
Ähnlich war es bei Nathan: Als er sich vor drei Wochen mit dem Auto überschlagen hatte und in den Trümmern lag, schrieb er erst einmal einen Psalm. So ähnlich erging es auch Jona.
Mose schrieb nicht nur Psalm 90, sondern schon beim Durchzug durchs Schilfmeer, kaum am Ufer angekommen, verfasste er einen Psalm. Das finden wir im zweiten Buch Mose, Kapitel 15 – ein Lied an Gott, das bis heute gesungen wird und das die Juden noch kennen.
Am Ende seines Lebens, im fünften Buch Mose, Kapitel 31, Vers 22, steht: „So schrieb Mose an jenem Tag dieses Lied auf und lehrte es die Kinder Israels.“ Er hat es also nicht nur getextet und komponiert, sondern auch gleich noch beigebracht und übermittelt.
Man kann sagen: Am Anfang seines Dienstes, beim Durchzug durchs Meer, und hier am Ende, wo er wirklich das Zepter abgibt, schrieb Mose noch einmal einen Psalm.
Wir lesen sogar in Offenbarung 15, dass dort ein Psalm von Mose gesungen wird. Offenbarung 15 beschreibt: „Sie singen das Lied Moses.“ Cool!
Aber vorab noch eine Warnung an alle Hobbytheologen: Das Buch der Psalmen ist Dichtung, nicht Dogmatik.
Wisst ihr, was das heißt? Dichtung oder Dogmatik? Was ist Dogmatik? Dogmatik sind Dogmen, also Leersätze, theologische Aussagen, die unanfechtbar sind. Zum Beispiel ein Dogma: Es gibt nur einen Gott. Oder ein Dogma: Das Wort Gottes wird nicht vergehen. Das sagt die Bibel felsenfest.
Dichtung hingegen ist zum Beispiel: „Deine Augen sind wie Milch.“ Das ist kein Dogma. Ich bestehe aber darauf, dass die Augen meiner Frau wie Milch sind.
Ihr müsst die Psalmen als Lyrik lesen, nicht als Lehre. Vieles ist blumige Sprache oder bildhaft. Daraus können wir nicht einfach etwas herausziehen und als feste Lehre interpretieren. Manchmal doch – das werden wir morgen sehen. Aber Psalmen sind Dichtung und keine Dogmatik.
Sie zeigen vielmehr die Innensicht als eine Übersicht. Sie machen Gefühle uns bekannt und nehmen uns mit in das Innenleben. Es sind eher Glaubenserfahrungen als Glaubenssätze.
Zum Beispiel haben die Zeugen Jehovas in ihren Werken sehr viele Belegstellen aus den Sprüchen und aus den Psalmen, mit denen sie untermauern, dass die Erde ewig bestehen wird und dass wir im Himmel nichts verloren haben. Sie machen aus Psalmen eine Lehre, ein Dogma: Die Erde wird auf ewig bestehen und in den Himmel kommt keiner. Guckt man genau hin, steht das aber nirgendwo im Psalm.
Übrigens habe ich bei meiner Vorbereitung gefunden, dass es in der Urgemeinde durchaus normal war, den ganzen David auswendig zu können. Sie hatten keine gedruckten Liederbücher und keine Smartphones. Sie kannten den Psalter auswendig – den ganzen David, also 75 Lieder. Wahnsinn!
Aber das ist doch das Schöne: Sie sind memorierfähig. Einen Psalm oder auch Liedtexte kann ich mir viel besser merken als irgendein Gedicht, oder? Weil die Melodie das mittransportiert und man es wieder abrufen kann. Es war also durchaus normal, den ganzen David auswendig zu kennen und einfach schmettern zu können – ganz ohne Buch.
Habt ihr noch fünf Minuten Kraft und Konzentration? Was ganz typisch ist für Psalmen, ist zum Beispiel Psalm 49, Vers 1 oder Vers 2, je nach Zählung. Bitte einmal vorlesen: „Hört dies, ihr Völker alle, horcht doch auf, alle Bewohner der Welt!“ Merkt ihr etwas? Oder Psalm 114, Vers 5: „Was war mit dir, Meer, dass du flohst? Mit dir, Jordan, dass du nicht zurückbliebst?“
Habt ihr bemerkt, was Jona und Nathan vorgelesen haben? Psalm 20, Vers 9: „Jene krümmen sich und fallen, wir aber stehen und bleiben aufrecht.“ Das ist typisch für hebräische Dichtungen: Man sagt alles zweimal, aber ein wenig anders, also variiert. Man nennt das Parallelismus.
Ein Beispiel: „Ich schaue durch das Fenster, ich sehe durch das Loch in der Wand.“ Für Juden war das vollendete Poesie. Die Psalmen und Sprüche wimmeln nur so davon. Warum macht Gott das? Ist das nicht Verschwendung?
„Hört ihr Völker alle, alle Bewohner der Erde!“ Warum? Weil du es nicht ignorieren kannst. Was ich besonders finde, ist, wenn man ein Gedicht aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt. Das ist oft sehr unbefriedigend, auch bei vielen Liedübertragungen geht viel verloren. Zum Beispiel bei dem Lied, das wir gerade gesungen haben: „In Christus mein ganzer Halt“ – da geht viel verloren.
Aber wenn man hebräische Dichtung übersetzt, funktioniert das gut. Der Parallelismus ist frei übersetzbar in allen Sprachen der Welt. Denn hier reimt sich nicht das letzte Wort, sondern der Gedanke reimt sich. Versteht ihr? Der Gedanke wird einfach verdoppelt.
Das Faszinierende ist, dass dieser Parallelismus drei Formen kennt: synonym, antithetisch und synthetisch. Das will ich euch kurz erklären, das ist ganz einfach.
Was Jona vorgelesen hat – „Hört ihr Bewohner der Erde, alle Völker der Welt“ – das ist synonym. Man kann das eine weglassen und versteht trotzdem alles. Also: Alle sollen zuhören! Synonymer Parallelismus.
Kann jemand Psalm 120, Vers 2 vorlesen? Man muss sich erst durch Psalm 119 durchblättern. Vers 2 lautet: „Herr, rette meine Seele von der Lippe der Lüge und von der Zunge des Trugs.“ Das ist synonym, das Gleiche wird noch einmal anders ausgedrückt.
Dadurch wird es auch wunderbar singbar, denn solche Verse wurden oft als Wechselgesang gesungen – eine Hälfte, dann die andere. Das können wir auch mal probieren: „Herr, rette meine Seele von der Lippe der Lüge, von der Zunge des Trugs.“
Jetzt ein Beispiel für antithetischen Parallelismus, also den Kontrast. Zum Beispiel Prediger 10, Vers 2, also zwei Bücher nach den Psalmen. Dort heißt es: „Der Verstand des Weisen ist zu seiner Rechten, und der Verstand des Toren zu seiner Linken.“ Das ist das genaue Gegenteil.
Synthetisch bedeutet weiterführend: Der erste Gedanke wird aufgegriffen und fortgeführt. Ein Beispiel ist ein weltbekannter Vers, Psalm 119, Vers 105: „Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Weg.“
Das ist kein bloßes Wiederholen, sondern eine Ergänzung. Auf der einen Seite ist dein Wort meines Fußes Leuchte – es zeigt mir meinen nächsten Schritt. Aber es ist noch viel mehr: Es ist auch Licht für meinen Weg, meine Richtung, meine Orientierung und mein Ziel. Das ist synthetisch: „Dein Wort ist meines Fußes Leuchte, Licht für meinen Weg.“
Jesus hat diese Versform auch geliebt, so zu reden. Kennt jemand ein Beispiel? Zum Beispiel: „Denn mit welchem Urteil ihr richtet, werdet ihr gerichtet; und mit welchem Maß ihr messt, wird auch euch gemessen werden.“ Der gleiche Gedanke wird noch einmal anders ausgedrückt.
So haben Juden klangvoll und gehoben gesprochen. Oder: „Gebt nicht das Heilige den Hunden, werft nicht eure Perlen vor die Säue.“ Das ist eine typische jüdische Ausdrucksweise.
Und jetzt die Challenge: Wer mir noch ein paar Parallelismen aus den Worten Jesu nennt, bekommt von mir ein Bonbon – pro Parallelismus eins. Aber verratet es nicht vorher, damit nicht alle denselben Spruch bringen. Ihr könnt mir die Beispiele auch heimlich sagen.
Gut, und jetzt zum Ende: Wir hatten hier einen Zivi, Christoph Kronwald, den viele von euch kennen, auch vom Taubpunkt und so. Er sagte, genau wie Julian, dass er mit den Psalmen gar nichts anfangen könne. „Hey, ich lese das, sagt mir nichts“, meinte er.
Dann bekam seine Frau die Diagnose MS. Er selbst durchlebte eine sehr schwere Zeit, in der er psychisch völlig am Boden war. Und plötzlich sagte er: „Andi, jetzt kann ich auch die Psalmen beten und finde darin Halt. Es ist plötzlich mein Gebetsbuch.“
Ich glaube, das hat viel damit zu tun, dass wir erst einmal noch ein bisschen geerdet werden müssen. Als meine Frau im Krankenhaus lag, im Zusammenhang mit der Amputation – ich glaube, es war der Tag vor der Amputation – stieß sie wie aus dem Nichts auf einen Psalm. Sie hatte ihn nicht gesucht, sondern praktisch zufällig aufgeschlagen. Und zwar Psalm 77.
Dieser Psalm war für meine Frau so etwas wie ein „Wow“. Hier betet jemand genau so, wie ihr zumut ist, genau das. Schlag das mal auf, Gaby, und sag einfach zwei Worte dazu, warum du dich darin wiedergefunden hast.
Gaby antwortete: „Ich habe einfach empfunden, dass da jemand scheinbar mal genau meine Krankheit gehabt hat, aber zu anderen Schlüssen kam als ich. Er sagt, meine Stimme ruft zu Gott, schreit, er ist in Drangsal und stöhnt. Er denkt sich: ‚Boah, ich dachte ja mal, ich kann Gott verstehen, aber hat Gott sich plötzlich verändert?‘ So kam ich mir auch vor. Ich dachte: ‚Herrgott, du hast doch alles gar nicht besser, was läuft hier? Ich habe gebetet und du machst nichts.‘ Und ich habe genau so empfunden.“
„Ich habe mich geweigert, mich trösten zu lassen. Sogar Andreas konnte mich an dem Abend nach dieser Diagnose der Amputation nicht trösten. Ich war so mit mir selber und meinem Schmerz beschäftigt.“
Ab Vers 8 sagt der Asaph, der Psalmist, ganz viele Fragen: „Ist deine Gnade für immer zu Ende? Hat Gott vergessen, gnädig zu sein?“ Und alles dreht sich um sich selbst und den eigenen Schmerz.
Die Wende kommt, als er plötzlich in Vers 14 sagt: „Gott, dein Weg ist im Heiligtum, wer ist so groß wie unser Gott?“ Für mich war das wirklich wie ein Einschlag, der in das Krankenzimmer reindonnerte.
Ich habe mich bis Vers 13 so verstanden gefühlt, so: „Endlich checkt einer, wie es mir geht.“ Und dann kommt dieserjenige, der so versteht, wie es mir geht, zu dem Schluss: „Gott, dein Weg ist im Heiligtum.“
Das klingt jetzt vielleicht banal, aber das war damals für mich wie einmal kurz in das Heilsuniversum hineinzuschauen, wo Gott seinen Plan für mein Leben entwickelt.
Gaby, Gottes Weg mit dir ist im Heiligtum. Und wenn Gott entscheidet, dass der Arm abkommt, dann geschieht das aus dem Heiligtum heraus und nicht, weil er den Überblick verloren hat.
Das war einfach so, so verständnisvoll, aber auch so unglaublich groß und so tiefgreifend, dass ich von dem Moment an wirklich seelisch geheilt war. Also ja, der Arm muss ab. Aber wo ist dein Problem, Gaby? Es ist im Heiligtum entschieden worden.
Und dieser Gott versteht dich so liebevoll, dass er diesen Psalm an diesem Abend für dich nimmt. Aber Gott ist auch so groß, dass du seiner Souveränität vertrauen kannst. Und dann endet der Psalm so liebevoll, wie eine Herde, die er euch leitet.
Ja, Gaby, heute nimmst du doch an die Hand – durch einen Mose, durch einen Aaron, durch einen Andi oder durch deine Gemeinde.
Danke sehr. Ihr sitzt jetzt hier und denkt vielleicht an die Spielrunde gleich, an McDonald’s oder das Wochenende und sagt: „Okay, die Gaby hat da im Krankenhaus manchmal was gelesen, sagt mir alles nichts.“
Aber vielleicht kommt auch bei dir der Moment, wo du merkst: Ich brauche irgendetwas anderes, das mich halten kann, das mir eine Gebetsvorlage wird, mein Mustergebetsbuch.
Wenn mir der Glaube irgendwie abhandenkommt, kann ich mich vielleicht in etwas anderes hineinflüchten. Wenn dein eigenes Gebet verstimmt ist, kannst du vielleicht auf die Psalmen zurückgreifen.
Mir ging es heute noch so: Ich habe heute Morgen einen Sterbenden auf der Intensivstation besucht. Und dem habe ich nicht irgendein Kalenderblättchen vorgelesen, sondern einen Psalm – Psalm 39.
„Tu mir kund, Herr, was mein Ende ist und das Maß meiner Tage, damit ich weiß, wie vergänglich ich bin. Siehe, Herr, wie wenig du mein Leben gemacht hast. Meine Lebensdauer ist wie nichts vor dir, ja wie ein Hauch.“
Was hast du deiner Mitwelt zu sagen? Wo findet dein Glaube Halt? Ich sage dir: Da bist du auch bei den Psalmen super aufgehoben. Das haben Tausende Menschen oder Hunderte von Generationen durchlebt und als bestätigt gefunden.
Da kannst auch du vor Anker gehen.
Ich finde es so beeindruckend, Matthäus 26, Vers 30: Bevor Jesus ans Kreuz geht, bevor er sagt: „Ja, ich lasse mich jetzt verhaften, auspeitschen, geißeln, ich weiß, was jetzt kommt, ich weiß es ganz genau.“ Es kommt das Härteste meines Lebens.
Matthäus 26, Vers 30: „Und als sie einen Lobgesang gesungen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg.“ Jesus hat sich noch einmal mit Psalmen gestärkt. Erst wird noch gesungen, dann gehen sie weiter.
Auch seine Nachfolger handeln ähnlich. Paulus sitzt in Philippi im Gefängnis und denkt: „Was war das jetzt? Ich hatte doch einen Traum, wir sollten hierher kommen und ihnen helfen. Komm mal rüber, hilf uns! Jetzt sitzen wir hier im Gefängnis, gefoltert und eingesperrt. War das so geplant? Wir sollten doch hier eine Missionsarbeit machen, und jetzt sitzen wir im Knast!“
Vielleicht stößt ihn Silas an und sagt: „Lass uns doch Psalm 47 singen.“ Paulus antwortet: „Nein, ich habe Schmerzen, ich bin sauer.“ Aber Silas ermutigt ihn: „Paulus, komm, das wird schon seinen Sinn haben, lass uns Psalm 47 singen.“
Gegen Mitternacht lässt sich Paulus dann überzeugen: „Okay, singen wir Psalm 47.“ Um Mitternacht beteten Paulus und Silas und lobten Gott, und die Gefangenen hörten ihnen zu.
Dafür brauchen wir Psalmen. Dafür.
Okay, morgen mehr.