
Der heutige Gute Rat trägt den Titel „Angeber“. Die Kunst des Übertreibens ist heutzutage weit verbreitet. Man hört von Stachelbeeren, die doppelt so viel wiegen wie möglich, und Entenschwärme lassen sich nieder, so oft die Zeitungen saure Gurkenzeit haben.
Wenn ein Wagen vorüberfährt und dadurch der Deckel einer Kaffeekanne einer alten Frau rasselt, wird dies als ein Erdbeben verzeichnet. Solche hübschen Phantasiebilder sind durchaus nicht selten. Manche Leute schauen immer nach Wundern aus, und wenn sie keine sehen, erfinden sie welche. In der Nacht sehen sie Kometen und hören jeden Tag eine merkwürdige Geschichte.
Alle ihre Maulwurfhügel sind Berge, alle ihre Enten sind Schwäne. Sie haben die Multiplikation der Zahlen gut studiert und machen freien Gebrauch von ihrem Wissen. Haben sie sechs Köter beieinander gesehen, schwören sie darauf, hundert Jagdhunde gesehen zu haben. Jawohl, und sie werden rot im Gesicht wie ein Puter, wenn irgendjemand ein wenig skeptisch blickt.
Bald werden sie überzeugt sein, dass sie zehntausend Löwen erblickt haben, denn bei ihnen wächst alles so schnell wie Pilze nach dem Regen und schwillt zu Bergen an. Alles um sie herum ist wunderbar, doch was sie selbst betrifft, ist niemand gut genug, ihnen die Stiefel zu putzen. Sie sind die Creme der Schöpfung. Sie sind so stark wie Simson und können tüchtiger ziehen als des Pflügers Hansgespann, wollen es aber nicht ausprobieren, weil sie sonst die Stricke zerreißen könnten.
Ihr Reichtum ist enorm. Sie könnten, wenn sie wollten, sämtliche Staatsschulden bezahlen. Dennoch haben sie gute Gründe, dies vorläufig noch nicht zu tun.
Wenn sie einen Laden besitzen, setzen sie mehrere Millionen im Jahr um. Ihr Geschäft schränken sie nur aus Mitleid mit ihren Nachbarn ein. Sie verkaufen die besten Waren zu den niedrigsten Preisen, oft sogar unter dem Kostenpreis. Niemand im Land kann es mit ihnen aufnehmen.
Wenn sie Landwirtschaft betreiben, geschieht dies nur zu ihrem Vergnügen und um den dummen Bauern zu zeigen, wie man die Sache richtig angeht. Alle ihre Taten sind wahre Wunder.
Wie der Zirkus, der neulich in unserem Dorf war, sind sie eine einzigartige, originelle und unübertreffliche Erscheinung. Und doch sind sie ein ebenso fauler Schwindel wie jene Tierschau. Das Beste daran waren die Bilder, die außen an der Bude angebracht waren. Genau so verhält es sich mit ihnen.
Es ist erstaunlich, wie sie den Mund aufreißen können. Man hört sie nur reden, und das geschieht immer mit Großbuchstaben und Ausrufezeichen.
Haben Sie je so ein prächtiges Pferd gesehen, mein Herr? Es läuft schneller als der Wind – diese Kuh dort! Ich muss Sie bitten, sie genau in Augenschein zu nehmen, denn es gibt keine zweite derartige in dieser Gegend.
Sehen Sie nur, wie graziös sie mit dem Schwanz wedelt! Und mein Junge dort – der hat einen Kopf weit über seine Jahre, ein wahres Wunderkind! Er sieht seinem Vater ähnlich, sagten Sie? Eine sehr gütige Bemerkung von Ihnen, aber viel Wahres ist daran. Denn glauben Sie mir, derjenige muss früh aufstehen, der es mit mir aufnehmen will.
Sehen Sie nur mein Feld an! Haben Sie je solche Rüben gesehen? Die Blätter scheinen zerfressen zu sein? Durchaus nicht, das sieht nur so aus. Es ist eine ganz besondere Art von Rüben mit Ventilationsblättern, die von Natur aus durchlöchert sind, um die Luft ein- und auszulassen.
Zu viele Maulwurfshügel, meinen Sie? Das hat eine besondere Bewandtnis: Unsere Maulwürfe sind nämlich eine große Seltenheit. Sie werfen größere Hügel auf als irgendwelche anderen im ganzen Land und gehören zu einer ganz vorzüglichen Sorte, die sonst ausgestorben ist.
Ha, und haben Sie diese ungeheure Distel bemerkt? Ist sie nicht ein Prachtexemplar, groß genug, dass ein Schotte vor Freude stürben, wenn er sie sähe? Das beweist, was für ein vorzüglicher Boden das hier ist.
Darum war auch unser letzter Weizen, den wir gewonnen haben, so erstaunlich schwer, dass wir gar nicht wussten, wie wir ihn einbringen sollten. Die Wagen ächzten förmlich unter der Last. Die halbe Grafschaft kam zusammen, um beim Dreschen zuzusehen, und die ältesten Leute im Kirchspiel sagten, sie hätten so etwas noch nie erlebt.
Gut, dass Maschinen erfunden sind – Menschen hätten ihn niemals dreschen können.
Wenn jemand sich daran gewöhnt hat, in diesem Stil zu sprechen, ist es ihm gleich, worauf er loshämmert. Es ist immer das Größte, Schönste und Allerwunderbarste im ganzen Land. Oder aber das Allerschrecklichste, Entsetzlichste und Fürchterlichste in der Welt.
Seine Stiefel würden Goliath nicht passen, doch seine Zunge ist viel zu groß für dessen Riesenmund. Er malt mit einem Besen, bezuckert einen Pfannkuchen mit einem Spaten und legt seine Butter mit der Kelle auf. Sein Pferd, sein Hund, seine Flinte, seine Frau, sein Kind, sein Gesang und seine Pläne sind lauter und hat es noch nie gegeben.
Er ist der Vordermann von allem, er ist Nummer eins. Und es dürfte schwerfallen, einen Menschen zu finden, der Nummer zwei nach ihm sein könnte. Das Wasser aus seinem Brunnen ist kräftiger als Wein. Es regnet Erbsensuppe in seinem Wasserfass, an seinen Johannisbeersträuchern wachsen Trauben, in seinen Kürbissen kann ein Mann aufrecht stehen.
Und nun erst seine Blumen: Er hat gehört, dass nur noch die Königin eine solche Geranie hatte wie er, obwohl seine besser ist. Das Merkwürdige ist, dass Menschen dieses Typs nicht sehen, dass sie jedermann auslachen. Sie müssen blind geworden sein von ihrer Prahlerei.
Jedermann sieht ihre Schüssel auf den Grund, und doch hören sie nicht auf, sie einen Ozean zu nennen, als ob es lauter Dummköpfe wären, mit denen sie es zu tun hätten.
Ich habe Menschen kennengelernt, die ihren Mund aufreißen wie ein Scheunentor, um sich damit zu brüsten, was sie alles tun würden, wenn sie in den Schuhen eines anderen steckten. Wenn sie im Abgeordnetenhaus säßen, wollten sie alle Steuern abschaffen, die Armenhäuser in Paläste verwandeln, aus den Brunnen Bier fließen lassen und die Flüsse in Brand stecken.
Aber all dies hängt von einem „Wenn“ ab, und dieses „Wenn“ ist ein spitzer Gartenzaun, über den sie noch nie hinweggesprungen sind. Wenn der Himmel herunterfällt, so werden wir Lärchen fangen können. Wenn Hans Angeber nur die Zügel in die Hände bekommt, wird er die Pferde zum Mond hinauffliegen lassen.
„Wenn“ ist ein schönes Wort. Wenn ihm ein Mensch auf den Rücken springt, wird es ihn in Welten tragen, die nie geschaffen worden sind, und Wunder zeigen, die nie geschehen sind. Mit einem „Wenn“ kann man ganz London in einem Blumentopf unterbringen.
Wenn alle Meere in ein Meer flössen, wie groß würde dieses Meer wohl sein? Wenn alle Bäume in einen Baum wüchsen, wie groß würde dieser Baum wohl sein? Wenn alle Äxte sich in eine Axt schmiegten, wie groß würde diese Axt wohl sein? Wenn alle Männer in einen Mann gingen, wie groß würde dieser Mann wohl sein?
Wenn nun die große Axt der große Mann ergriff, und damit den großen Baum hieb und ihn in das große Meer fallen ließ, wie spritzte da das Wasser ringsumher!
Lauter Unsinn, ruft hier einer aus. So denkt auch der Pflüger Hans, und genau deshalb teilt er es hiermit als ein Beispiel für die Albernheiten, in die Angeber so gern verfallen. Das hier Mitgeteilte ist noch nicht einmal halb so dumm wie ein Neuntel der ungeheuren Torheiten, die sie sonst zutage fördern.
Was haben einige von diesen Prahlhänsen nicht alles getan! Soll man das glauben? Ich sage nein, ich glaube es nicht. Sie haben ihr eigenes und das Glück anderer im Handumdrehen zerstört. Ihr Rat hat manchen Beutel mit Gold gefüllt, und ihre Rede übte eine solche Macht auf die Versammlung aus, dass die Leute wie angewurzelt auf ihren Plätzen saßen.
Sie waren in einem Disput verwickelt, und als ihre Parteigenossen schon beinahe vollständig geschlagen waren, warfen sie die ganze Opposition mit einem Mal mit solch außerordentlichem Witz und Verstand über den Haufen. König Salomo war dumm im Vergleich zu ihnen.
Was das christliche Leben betrifft, so haben sie es zuerst in ihrer Gegend hervorgerufen und durch ihre erstaunlichen Bemühungen alles in Gang gehalten. Sie haben das goldene Ei gelegt. Die Menschen sind leider undankbar, sonst würden sie sie beinahe anbeten. Es ist eine Schande, wie sie beiseite gesetzt und neulich sogar hinausgeworfen wurden von eben denselben Leuten, die durch sie etwas geworden sind.
Solange sie noch die Hand im Spiel hatten, ging alles gut mit der Gemeinde. Seitdem sie diese verlassen haben, so sagen sie, ist irgendwo etwas nicht mehr in Ordnung. Man sollte nur ein wenig warten, dann würde man es schon erleben.
Wenn Sie eine Anwandlung von Bescheidenheit verspüren, nehmen Sie Davids Wort in den Mund und sagen: „Das Land zittert, aber ich halte seine Säulen fest.“
Man denkt, Ihr Tod müsste die ganze Welt in ein Trauerhaus verwandeln. Wenn Sie nicht mehr Kunde wären, müsste man eigentlich sofort sein Geschäft schließen. Es ist reine Unverschämtheit zu hoffen, noch existieren zu können, nachdem man solche Kunden wie Sie verloren hat.
Fühlen Sie hingegen ein wenig natürlichen Stolz über Ihre großen Taten, dann kann man etwas Ordentliches zu hören bekommen. Sie blasen nicht nur die Trompete Ihres eigenen Ruhmes, sondern verfügen über ein vollständiges Orchester.
Darin fehlt auch die große Trommel nicht, ebenso wenig wie alle anderen Instrumente. Sie lassen alle ihre Instrumente prächtig spielen – zu Ihrem eigenen Preis und Ruhm.
Ich möchte lieber den ganzen Tag pflügen und die Nacht mit dem Wagen auf der Straße festliegen, wenn es so kalt ist, dass einem die Nase abfriert, als einem dieser Prahlhänse zuzuhören.
Ich möchte lieber fasten, bis ich so schlaff bin wie ein Wischtuch, als den besten Braten zu essen, der je auf einen Tisch gekommen ist, und mich dabei von einer schrecklichen Großsprecherei betäuben zu lassen.
Sie reden in einem so gewaltigen Ton und vergrößern alles so fürchterlich, dass man ihnen auch dann nicht glauben kann, wenn sie das eine oder andere wahre Wort einschalten. Sie sind große Lügner, aber kaum bewusst darüber, denn sie haben so lange geredet, dass sie an ihren eigenen Bombast glauben.
Der Frosch meinte, er wäre so groß wie die Kuh und fing dann an, sich aufzublasen, um es wahrzumachen. So blähen auch sie sich auf und werden platzen wie er, wenn sie sich nicht vorsehen.
Wir sollten danach streben, die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu reden. Wenn wir ein Huhn ein Rebhuhn nennen, werden wir bald ein Murmeltier einen Ochsen nennen. Fängt man erst an zu übertreiben, lässt sich nicht vorhersagen, wie weit man kommen wird.
Man hat einmal die gerade Straße der Wahrheit verlassen, und niemand kann sagen, wohin einen der krumme Weg führen mag. Wer kleine Lügen ausspricht, wird sich bald nichts aus großen machen, denn das Prinzip ist dasselbe.
Wo ein Mauseloch ist, wird auch bald ein Rattenloch sein, und wenn die junge Katze kommt, wird auch die alte bald folgen. Wenn es erst regnet, gießt es auch zumeist. Eine kleine Unwahrheit leitet über zu einem wahren Schauer von Lügen.
Selbstruhm ist keine Empfehlung, Eigenlob stinkt, andererlob klingt. Steh auf deinen eigenen Füßen, aber singe nicht dein eigenes Lob!
Großsprecherei ist Schaumschlägerei: lange Zunge, kurze Hand, viel Sprechen, wenig Tun. Hunde, die bellen, beißen nicht. Das magerste Schwein grunzt am meisten. Die Henne, die am meisten gackert, legt nicht die meisten Eier.
Zwischen Sagen und Tun besteht ein großer Unterschied. Je mehr die Kuh blökt, desto weniger Milch gibt sie. Der größte Dreschlärm entsteht, wo kein Weizen ist. Viel Geschrei, wenig Wolle; viel Schaum, wenig Bier. Trommeln klingen laut, weil sie hohl sind.
Wahrhaft fromme Menschen kennen sich selbst zu gut, um ihr eigenes Lob zu verkündigen. Kähne ohne Ladung ragen auf dem Kanal hoch empor, aber je voller sie sind, desto tiefer sinken sie.
Guter Käse verkauft sich ohne Marktgeschrei, guter Wein braucht keine Reklame. Wenn Menschen wirklich tüchtig sind, merkt man es, ohne dass es ihnen gesagt werden muss.
Am Prahlen erkennt man den Narren, den Esel erkennt man an seinem Geschrei. Wenn ein Mensch unwissend ist und den Mund hält, wird ihn niemand verachten. Wenn er aber schwätzt mit leerem Schädel und langer Zunge, schreibt er seinen Namen mit großen Buchstaben nieder – und zwar mit den vier Buchstaben N-A-R-R: Narr.
Die Esel erkennt man an den Ohren, die Toren an ihrem Geschwätz.
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