Zum Inhalt

Moderne Psychologie und die Bibel

05.03.2005

Einführung in das Thema und Aufbau des Bibelstudientags

Guten Morgen, ich möchte alle ganz herzlich zu diesem Bibelstudientag mit dem Morgenthema „Moderne Psychologie im Licht der Bibel“ begrüßen.

Wir stellen uns verschiedene Fragen: Was ist eigentlich Psychologie? Wie entstand die Wissenschaft der modernen Psychologie? Wie entwickelte sie sich im Verlauf von über hundertdreißig Jahren? Was ergibt sich bei einem Vergleich zwischen dem Menschenbild der säkularen, also weltlichen Psychologie, und dem Menschenbild der Bibel?

Wo liegen die Schwachpunkte der bedeutenden Richtungen? Welche der 400 heute angewandten Therapien ist am erfolgreichsten? Welche Faktoren fördern eine seelische Heilung? Gibt es eine christliche Psychologie? Welche praktischen Möglichkeiten ergeben sich daraus?

Fragen über Fragen, die uns bewegen.

Der Ablauf ist wie folgt aufgebaut: Wir haben vier Themenblöcke. Erstens ein paar wenige wichtige Begriffserklärungen, zweitens zur Geschichte der modernen Psychologie. Dabei machen wir einen Abriss von 1873 bis heute. Drittens: Welche ist die beste Therapie? Und schließlich viertens: zur biblischen Lehre über den Menschen.

Das Wesentlichste heute wird also die geschichtliche Betrachtung der Entstehung und Entwicklung in der Psychologie sein. Wir werden sehen, dass dies sehr hilfreich ist, um die verschiedenen Gedankengebäude besser einordnen und verstehen zu können.

Es ist so: Wenn jemand Pädagogik studiert, Psychologie zum Beispiel, um Lehrer zu werden, bekommt er einfach verschiedene Modelle vorgestellt, aber normalerweise nicht in diesem historischen, geschichtlichen Verlauf. Gerade das wäre sehr entscheidend, um zu sehen, wie man überhaupt auf die eine oder andere Idee kam.

Grundbegriffe der Psychologie

Wir beginnen zunächst mit einigen Begriffserklärungen. Das Wort Psyche ist zentral für die Psychologie. Es bedeutet auf Deutsch einfach Seele. Der Begriff stammt vom griechischen Wort für Seele, Psyche.

Der Begriff Psychologie leitet sich von Psyche, also Seele, und von Logie ab. Logie kommt vom griechischen Logos, was Wort und Wissenschaft bedeutet. Psychologie ist somit die Wissenschaft von der Seele.

Ein weiterer wichtiger Grundbegriff ist die Psychiatrie. Auch hier finden wir das Wort Psyche, also Seele, wieder. Hinzu kommt das griechische Wort für Heilung, was ärztliche Heilung bedeutet. Psychiatrie heißt demnach Heilung der Seele, im Sinne der Heilung einer kranken Seele.

Womit beschäftigt sich die Psychologie? Sie beschäftigt sich mit allen möglichen Fragen, die mit dem Menschen und seinem Inneren zusammenhängen. Die Psychologie kann sich zum Beispiel mit Fragen beschäftigen wie: Warum erwachen Mütter nachts, wenn die kleinen Babys schreien, während die Väter nicht erwachen? Und warum können dieselben Mütter weiterschlafen, wenn ein Jetflugzeug über das Haus fliegt, aber das deutlich leisere Kind hören?

Was geschieht im Menschen, wenn er Freude erlebt? Was passiert, wenn er Traurigkeit oder Niedergeschlagenheit durchmacht? Welche Faktoren spielen bei der gesamten Entwicklung des Spracherwerbs eine Rolle? Das sind alles mögliche Fragen, mit denen sich die Psychologie auseinandersetzt.

Sie ist also wirklich die Wissenschaft vom Menschen schlechthin, und zwar speziell vom Inneren des Menschen. Wenn...

Die Anfänge der modernen Psychologie

Wenn wir nun zweitens zur Geschichte der modernen Psychologie übergehen, ist an erster Stelle zu betonen, dass die Psychologie eine sehr junge Wissenschaft ist. Ihr Anfang ist auf circa 1873 anzusetzen.

Jahrhunderte zuvor erforschte der Mensch den Raum um sich herum durch Astronomie, Physik und andere Naturwissenschaften. Hier sehen Sie zum Beispiel Kepler (1571–1630), Sir Newton (1643–1727) und Galileo Galilei (1564–1642). Der Mensch beschäftigte sich mit seiner Umwelt und versuchte, sie wissenschaftlich einzuordnen und besser zu verstehen.

Es dauerte jedoch noch sehr lange, bis der Mensch begann, sich mit dem eigenen Innenleben wissenschaftlich zu beschäftigen. So kam es im neunzehnten Jahrhundert zur Entstehung der Psychologie.

Wenn wir uns nun den Anfängen der Psychologie zuwenden, müssen wir uns besonders einen Namen merken: Doktor Wilhelm Wundt. Ihn können wir als den ersten modernen Psychologen bezeichnen. Wundt führte wissenschaftliche, experimentelle Untersuchungen am Bewusstsein des Menschen durch. Er untersuchte ganz einfache mentale, also denkende Gehirnprozesse. Dabei ging es ihm besonders um Perzeption, also Wahrnehmung, zum Beispiel das Wahrnehmen von Licht oder Schall.

Er versuchte, diese Prozesse wissenschaftlich zu erforschen. So führte er Untersuchungen über Reaktionszeiten beim Menschen durch und entwickelte eine Assoziationstheorie. Diese beschreibt, wie der Mensch auf verschiedene Begriffe reagiert, zum Beispiel auf „Feuer“. Dabei überträgt er die Bedeutung, etwa wenn ein Thema „brennen“ kann oder eine bestimmte Farbe die Assoziation von Feuer und Hitze hervorruft. Solche Phänomene beschäftigten ihn sehr.

Wundt legte viel Wert auf Introspektion, also den Blick ins Innere. Menschen sollten Selbstbeobachtung des inneren Geschehens vollziehen. Das ist natürlich sehr subjektiv, denn jeder Mensch berichtet aus seinem ganz persönlichen Blickwinkel.

Solche Introspektion funktioniert vor allem bei gesunden Erwachsenen gut. Bei Kindern ist das schon sehr schwierig. Wir sehen das bei unseren Kindern: In den ersten Jahren kommen sie abends aus dem Bett und sagen, sie hätten Bauchweh. Auf die Frage, wo genau, können sie oft keine genaue Antwort geben. Auch bei geistig behinderten Menschen oder Tieren ist Introspektion kaum möglich.

Wilhelm Wundt verfasste ein grundlegendes Werk mit dem Titel „Grundzüge der physiologischen Psychologie“, das 1873–74 in zwei Bänden veröffentlicht wurde. Dieses Werk gilt als Grundlage der neuen Wissenschaft Psychologie.

1879 lehrte Wundt an der Hochschule in Leipzig. In diesem Jahr wurde der erste Psychologiestudent der Welt immatrikuliert. Sie sehen also, wie jung diese Wissenschaft ist. Das hat nichts mit C. G. Jung zu tun, sondern zeigt, dass die Psychologie als Wissenschaft noch sehr jung ist.

Wundt bekam Besuch von anderen Wissenschaftlern, zum Beispiel vom Philosophen William James (1842–1910). James war sehr beeindruckt von dem, was Wundt in Deutschland entwickelte. Er nahm diese Gedanken mit nach Amerika und wurde dort der erste Professor für Psychologie.

Diese neuen Gedanken und Untersuchungen breiteten sich mehr und mehr aus. Um 1900 war die Psychologie bereits eine etablierte Wissenschaft an Hochschulen in der westlichen Welt. Allerdings gab es damals viele verschiedene psychologische Schulen, die sich heftig gegenseitig bekämpften. Es wurde deutlich, dass alles sehr subjektiv war. Der eine sah die Dinge aus seiner Sicht, der andere aus einer anderen. Eine einheitliche Sichtweise war nicht erkennbar.

Woran das liegt, habe ich bereits angedeutet. Wundt war ein Evolutionist, und sein Werk „Grundzüge der physiologischen Psychologie“ war im Grunde eine Verherrlichung der Evolutionslehre. Er war überzeugt, die Seele sei nur aus tierischen Ursprüngen heraus zu verstehen.

Sehen wir, wie schnell die Entwicklung voranschritt: 1859 hatte Charles Darwin, den Sie hier unten rechts sehen, sein Buch „Die Entstehung der Arten durch natürliche Selektion“ veröffentlicht. Damit wurde er zum Vater der modernen Evolutionslehre. Damals hatte er den Menschen noch ausgeklammert; es ging nur um die Entwicklung im Tierreich.

Doch 1871 schrieb Darwin das Buch „Die Abstammung des Menschen“. Darin konzentrierte er sich auf die Evolution des Menschen als Wesen, das sich aus dem Tierreich heraus entwickelt hat.

Sie sehen also, wie kurz der Abstand ist zwischen Darwins Buch „Die Abstammung des Menschen“ von 1871 und Wundts erstem psychologischem Werk von 1873, das gerade diese Evolutionslehre verherrlichte. Der Mensch sei demnach nichts anderes als ein hochstehendes Tier, dessen Seele sich aus dem Tierreich entwickelt habe.

Das war von Anfang an die philosophische Basis der Psychologie.

Wir wollen die Psychologie im Licht der Bibel betrachten. Die Anfänge der Psychologie werden kritisiert im Psalm 14, Vers 2. Dort schreibt König David unter Inspiration des Heiligen Geistes: „Der Tor spricht in seinem Herzen: Es ist kein Gott.“

Man wollte alles durch natürliche Prozesse verstehen, rein innerweltlich, und die Tierwelt immer höher entwickelt bis zum Menschen. Gott wurde dabei ganz klar ausgeklammert.

Das biblische Urteil ist jedoch sehr hart. Der Gottesleugner wird in der Bibel als Tor bezeichnet. „Naval“ heißt der Gottlose oder auch der Tor.

Der Apostel Paulus schreibt in Römer 1,18: „Denn es wird geoffenbart Gottes Zorn vom Himmel her über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, welche die Wahrheit in Ungerechtigkeit besitzen.“

Denn das von Gott Erkennbare ist unter ihnen offenbar, denn Gott hat es ihnen geoffenbart. Denn das Unsichtbare von ihm, sowohl seine ewige Kraft als auch seine Göttlichkeit, wird seit Erschaffung der Welt in dem Gemachten wahrgenommen. Das griechische Wort meint sogar, dass es mit dem Verstand geschaut wird, damit sie ohne Entschuldigung seien.

Weil sie Gott kannten, ihn aber weder als Gott verherrlichten noch ihm Dank darbrachten, verfielen sie in ihren Überlegungen in Torheit, und ihr unverständliches Herz wurde verfinstert. Indem sie sich für weise hielten, wurden sie zu Narren.

Wir sehen: Die Bibel sagt, die ganze Ordnung der Schöpfung ist so überzeugend, dass der Mensch mit seinem Verstand erkennen muss, dass hinter der Ordnung ein Ordner stehen muss.

Die Erfahrung zeigt: Zufällig entsteht immer nur Unordnung. Wirkliche Ordnung und höhere Organisation entstehen nur durch Planung.

Der Apostel Paulus macht hier den Vorwurf, dass Menschen dies durch die Schöpfung hätten erkennen müssen. Trotzdem wollten sie Gott nicht verehren.

Wozu hat das geführt? Das führte dazu, dass sie ohne Gott denken. Deshalb heißt es in Vers 21b: „Sondern in ihren Überlegungen verfielen sie in Torheit, und ihr unverständliches Herz wurde verfinstert.“

Indem sie sich für weise hielten, wurden sie zu Narren und verwandelten die Herrlichkeit des unverweslichen Gottes in das Bild eines verweslichen Menschen, von Vögeln, vierfüßigen und kriechenden Tieren.

In der Evolutionslehre staunt man über die Wunder der Schöpfung, aber nicht über den Schöpfer dahinter. Man sagt: „Ist es nicht wunderbar, wie die Natur das alles hervorgebracht hat?“

Das heißt, man schreibt der Schöpfung göttliche Weisheit und Intelligenz zu – in letzter Konsequenz anstelle des Schöpfers.

Die Entwicklung der Tiefenpsychologie: Sigmund Freud

Nach diesen Anfängen der Psychologie wenden wir uns nun der Tiefenpsychologie zu, einem ganz neuen Einschnitt in der Geschichte dieser Wissenschaft. Zunächst müssen wir uns mit Doktor Sigmund Freud beschäftigen, der von 1856 bis 1939 lebte. Dabei wird deutlich, wie stark die Psychologie aus der Medizin herausgewachsen ist. Das ist gut verständlich, denn der Mediziner erkennt, dass nicht nur der Körper den Menschen ausmacht, sondern auch sein seelisches Innenleben entscheidend ist. Deshalb entwickelten Mediziner ein Interesse an der Seele und der Erforschung des Innenlebens.

Sigmund Freud entwickelte die Psychologie des Unbewussten. Damit wird klar, dass seine Arbeit eine Reaktion auf die Psychologie des Bewussten war. Die Psychologie von Wundt und seinen Nachfolgern beschäftigte sich vor allem mit dem Bewussten, mit der bewussten Wahrnehmung. Freud hingegen sagte, das sei nicht wirklich das Innenleben des Menschen. Viel entscheidender sei das Unbewusste.

Freud stammte aus einer jüdischen Familie, die Judenverfolgung am eigenen Leib erfahren hatte. Er selbst war jedoch absolut ohne Glauben an Gott. Er bezeichnete sich als „ganz und gar gottloser Jude“ oder auch als „hoffnungslosen Heide“. Interessant ist diese Bezeichnung, denn in der Bibel ist der Heide ein Nichtjude und wird als hoffnungslos dargestellt.

Bereits in seiner Jugendzeit verspürte Freud eine starke Anziehung zur Evolutionslehre, die ihn sehr beeindruckte. Dabei muss man bedenken, dass die Evolutionslehre zu seiner Jugendzeit noch ganz jung und in den Kinderschuhen steckte. Diese Entwicklung war eine wichtige Voraussetzung für Freuds späteres Denken.

Freud beeinflusste die Psychologie des 20. Jahrhunderts wie kein anderer und ist daher besonders bedeutend für unser Thema. Er studierte Medizin und absolvierte 1885 in Frankreich ein weiteres Studium bei Schachko, einem Arzt, der sich mit Anatomie und Psychologie unter Anwendung von Hypnose beschäftigte. Freud lernte von ihm, wie man Menschen in Hypnose versetzt. So begann Freud, Hypnose in seiner Therapie anzuwenden, um frühkindliche Traumata aufzuarbeiten.

Er war überzeugt, dass der Mensch wesentlich durch seine Kindheitserlebnisse geprägt wird. Wenn er dort tiefe Verletzungen oder Traumata erlebt, werden diese meist verdrängt, also ins Unbewusste geschoben. Dadurch werde der Mensch krank und entwickle Neurosen. Durch Hypnose sollten diese verdrängten Erinnerungen wieder geweckt werden, um innere Konflikte zu lösen.

Später wandte sich Freud jedoch von der Hypnose ab, da er erkannte, dass sie nicht sehr effektiv war. Stattdessen entwickelte er die Methode der freien Assoziation auf dem Divan. Der Divan ist eine Couch, auf der der Patient entspannt sitzt und frei über sein inneres Seelenleben spricht. Alles soll ungezwungen und kontrolliert durch freie Assoziationen herauskommen. Diese Methode nannte er Psychoanalyse.

Zunächst müsse untersucht werden, was alles in der Seele vorhanden ist, wo es Blockaden oder Verdrängungen gibt. Freud prägte den Begriff des Ödipuskomplexes. Er sagte, der kleine Junge sei eifersüchtig auf seinen Vater und begehre die Mutter sexuell für sich. Deshalb hasse er den Vater. Dabei spielte Freud auf die griechische Sage von Ödipus an, der unwissentlich seine Mutter heiratete und seinen Vater tötete. Für Freud war dieses Problem grundlegend und universell. In der Familie sei das Kind immer auf das andere Geschlecht fixiert: der Junge auf die Mutter, das Mädchen auf den Vater.

Für Freud waren die Triebe des Menschen, insbesondere die irrationalen Kräfte des Unbewussten, sehr wichtig. Auch die perversen Wünsche des Menschen spielten für ihn eine Rolle. Er sagte sogar, das Unbewusste sei wichtiger als das Bewusste. In seiner Psychologie wird das Bewusste abgewertet, und alles dreht sich um Sexualität. Deshalb muss man bei ihm von Sexismus sprechen.

Freud prägte das lateinische Wort Libido für den Trieb, speziell den sexuellen Trieb, der nach seiner Ansicht der Lebenstrieb des Menschen schlechthin war. Er führte die Begriffe Ich, Es und Über-Ich ein. Das ist eigentlich nicht schwer zu verstehen: Das Ich steht für die bewusste Persönlichkeit, das Es für die Triebe im Menschen – das, was zum Beispiel in Galater 5,18-21 als Werke des Fleisches beschrieben wird. Das Über-Ich meint das Gewissen, das durch Umwelt und Gesellschaft geprägt wird. Der Begriff des Gewissens ist biblisch in Römer 2,15 als ein weltweites menschliches Phänomen belegt.

Freud wertete das Rationale, das bewusste Denken des Menschen stark ab. Das war eine Gegenreaktion gegen die frühere Betonung dieses Aspekts. Damit zeigte er etwas Wichtiges auf: Es stimmt nicht, wie man im 19. Jahrhundert meinte, dass der Mensch allein durch seine Intelligenz geprägt sei. Das war die Auffassung der Aufklärungsphilosophen. Sie glaubten, der Mensch habe die Ratio, die Intelligenz, und könne sich deshalb immer weiter und positiver entwickeln. Auch die Gesellschaft würde sich dadurch verbessern. Der Mensch werde dank seines Wissens und Denkens alle Probleme lösen und den Weltfrieden erreichen – einfach durch vernünftiges Überlegen. Wenn zwei Parteien Konflikte haben, müssten sie vernünftig reden und sich vielleicht auf eine faire Lösung einigen. So wurde das Denken des Menschen früher stark betont.

Freud wies darauf hin, dass das nicht den Menschen ausmacht. Es gibt auch Triebe, auch bösartige Triebe. Das erklärt, warum wir im 21. Jahrhundert trotz Vernunft in einer chaotischen Welt voller Krieg und Unsicherheit leben. Mit Vernunft allein kann man nicht alles erklären. Freud legte mehr Gewicht darauf, dass der Mensch oft von seinen inneren Trieben geleitet wird und nicht nur von seiner Intelligenz.

Das ist wichtig, wenn man mit Menschen über Evolution spricht. Viele glauben an Evolution, weil es vernünftig erscheint. Greift man jedoch die vernünftigen Gründe an, merkt man, dass sie sich nicht aus Vernunft, sondern aus anderen, oft unbewussten Gründen daran festhalten. Das gilt nicht nur für die Evolution, sondern lässt sich auf viele Bereiche übertragen.

Freud trug mit seiner Psychologie wesentlich dazu bei, dass im 20. Jahrhundert die Schuld des Menschen und seine Verantwortlichkeit geleugnet wurden. Er schob sie auf die Umgebung, auf Eltern und Gesellschaft. Das hatte großen Einfluss auf die Justiz in der westlichen Welt.

Schon vor Jahren machte sich das Kabarett Rotstift darüber lustig, zum Beispiel in der Nummer mit dem Hansli, der wieder einmal etwas angestellt hatte. Doch es war klar: „Der Hansli ist schoracht, nur Dummwald, dir ist schlacht.“

Freud beschäftigte sich auch intensiv mit Religion, was mit seinem Judentum zusammenhing, das er jedoch massiv ablehnte. Er sah Religion als eine krankhafte Neurose, geprägt von Angst und Zwanghaftigkeit. Er erklärte die Religion durch den sexuellen Trieb: Hinter der Religion stecke eigentlich der sexuelle Trieb, der verdrängt werde und dann sublimiert, also durch etwas anderes ersetzt werde. Im Prinzip sei Religion nichts anderes als eine Ersetzung der Triebhaftigkeit im Menschen.

Sigmund Freud schrieb an C. G. Jung, einen seiner früheren Anhänger, in einem Brief: „Mein bester Jung, versprechen Sie mir, die Theorie über die Sexualität, die das Wesentlichste von allem ist, niemals aufzugeben. Wir müssen daraus ein Dogma machen, ein unantastbares Bollwerk.“ Dieses Zitat zeigt, wie sehr Freud an seiner Theorie festhielt. Für ihn wurde alles im Menschen durch Sexualität erklärt.

Diese Theorie war jedoch kein Ergebnis wissenschaftlicher Untersuchung, sondern eine Philosophie, die aus seinem Unbewussten und seinen Trieben hervorging. Interessanterweise wandte er seine Theorie auf die Religion an, aber niemals auf seine eigene Psychologie. Dabei müsste man das eigentlich tun, denn seine Psychologie ist ebenfalls eine Sublimierung innerer Triebe.

Sein Verlangen, daraus ein Dogma zu machen, ist bemerkenswert. Ein Dogma ist ein feststehender Lehrsatz im Glauben – ein typischer religiöser Ausdruck, den er für seine angeblich nicht religiöse Psychologie verwendete. Das zeigt, wie stark sein System in Wirklichkeit auch eine Religion war – eine Religion ohne Gott. Es gibt ja auch Religionen ohne Gott, zum Beispiel der ursprüngliche orthodoxe Buddhismus, bei dem Götter keine Rolle spielen.

Freud hatte eine enorme Wirkung auf die gesellschaftliche Entwicklung im 20. Jahrhundert und trug wesentlich zur Revolution der 1960er Jahre bei. Die 1960er Jahre waren eine Zeit der Protestbewegung und Jugendrevolte, die einen völligen Bruch mit herkömmlichen Werten forderte. Sexuelle Perversion und Homosexualität wurden öffentlich propagiert, die Ehe und Familie in Frage gestellt und Abtreibung gefordert.

Diese Entwicklungen gehen auf die Freudsche Psychologie zurück. Freud sagte, dass das Verdrängen der Sexualität zu Neurosen führt. Die logische Schlussfolgerung daraus war, alle Tabus in diesem Bereich abzubauen und alle Normen zu brechen, die das Über-Ich von außen auferlegte. So könne der Mensch wirklich frei werden.

Damit haben wir es mit dem zu tun, was Paulus in 2. Thessalonicher 2,3 als den großen Abfall in der Endzeit beschreibt. Die Endzeit nach der Bibel ist die Zeit, in der das jüdische Volk aus der weltweiten Zerstreuung ins Land der Väter zurückkehrt. Dies geschieht seit 1882 und dauert bis heute an, mit Millionen von Juden aus allen fünf Kontinenten.

Paulus sagt für die Endzeit voraus, dass es in der Christenheit zu einem großen Abfall kommen wird. Freud, der alles, was Judentum, Glaube und Bibel betrifft, in Hass ablehnte, hat dazu einen bedeutenden Beitrag geleistet.

In 2. Thessalonicher 2,3 heißt es: „Denn dieser Tag, der Tag der Wiederkunft Christi zum Gericht, kommt nicht, es sei denn, dass zuerst der Abfall komme, die Apostasie, das heißt das Wegwenden von Glauben und biblischen Normen; dass zuerst der Abfall komme und geoffenbart werde der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens.“ Das ist der Antichrist, der ebenfalls ein Jude sein wird und den Glauben seiner Väter, Gott, die Bibel und alle Normen verwerfen wird. Es wird zur totalen Auflösung der Werte kommen, und der Abfall bereitet dies vor.

Freud hat also als Vorläufer des Antichristen deutlich beigetragen.

In 2. Petrus 2 schreibt der Apostel aus dem Todesgefängnis in Rom seine letzten Worte: „Es waren aber auch falsche Propheten unter dem Volke, wie auch unter euch falsche Lehrer sein werden“ (2. Petrus 2,1), „und viele werden ihren Ausschweifungen nachfolgen“ (Vers 2), „diese sind Brunnen ohne Wasser und Nebel vom Sturmwind getrieben, welchen das Dunkel der Finsternis aufbewahrt ist in Ewigkeit“ (Vers 17). Sie führen stolze und nichtige Reden über Ich, Es, Ödipuskomplex usw. und locken mit fleischlichen Lüsten durch Ausschweifungen diejenigen an, die entflohen sind. Sie versprechen Freiheit, während sie selbst Sklaven des Verderbens sind. Denn „von wem jemand überwältigt ist, diesem ist er auch als Sklave unterworfen.“

Petrus sagt also klar voraus, dass solche Lehrer in der Christenheit kommen werden, die alle moralischen Schranken niederreißen und dabei Freiheit versprechen.

Die Eckpfeiler von Freuds Lehre sind diese vier Punkte:

Erstens: Der Einfluss der Begierden auf das menschliche Verhalten. Das ist eine Tatsache, die man beobachten kann. Freud hat vieles richtig beobachtet. Das Problem liegt nicht in seinen Beobachtungen, sondern in der Lehre, die er daraus ableitete. Diese Lehre ist subjektiv und hat mit Wissenschaft nichts zu tun. Deshalb ist es wichtig, zwischen der medizinischen Beobachtung und dem daraus konstruierten Gedankengebäude zu unterscheiden, das Freud nicht beweisen konnte und zum Dogma erhob.

Zweitens: Die Vorherrschaft des sexuellen Triebs im geistigen Leben. Hier ist Freud deutlich zu weit gegangen. Natürlich spielt der sexuelle Trieb eine Rolle, aber er ist nicht das alleinige beherrschende Element.

Drittens: Die enorme Bedeutung der frühkindlichen Erfahrung für die Ausformung des Erwachsenen. Hier überbetonte Freud, dass sich alles nur darauf konzentriert. Das führt dazu, dass viele Menschen glauben, sie seien nur durch ihre Kindheit geprägt und lassen sich so in Schubladen stecken. Dabei könnten sie viele Dinge hinter sich lassen, nach vorne blicken und sich trotz ungünstiger Voraussetzungen weiterentwickeln.

Viertens: Die Behauptung, dass die Verdrängung sexueller Triebe zu Neurosen führt. Das war ebenfalls eine unbelegte Annahme.

Warum fixierte sich Freud so stark auf die Sexualität? Das hängt mit einem persönlichen Problem zusammen. Er hatte einen strengen, sehr viel älteren Vater und war das Lieblingskind von sieben Kindern seiner Mutter, die relativ jung, schön und intelligent war. Daraus erklärt sich sein Ödipuskomplex. Offensichtlich hatte er ein Problem mit seinem Vater und eine besondere Beziehung zu seiner Mutter.

Übrigens ist auf dem Bild Anna Freud zu sehen, seine Tochter, die ebenfalls Psychologin wurde. Das Ganze ist sehr subjektiv und hängt stark mit seiner Lebensgeschichte zusammen.

Seine Psychologie ist geprägt vom Evolutionismus des 19. Jahrhunderts, vom Materialismus, der nur die Materie als real anerkennt und das Geistige als Ausformung der Materie betrachtet, sowie vom Mystizismus dieser Zeit. Viele okkulte Strömungen entstanden als Gegenreaktion zur Betonung des Denkens. Auch Freud war davon beeinflusst.

Die besondere Schwäche seiner Psychologie ist der extreme Reduktionismus: Der Mensch wird auf wenige Faktoren, hauptsächlich auf die Sexualität, reduziert. Das greift zu kurz, denn Sexualität ist nur ein Aspekt des Menschen. Viele weitere Aspekte hat Freud übersehen.

Man muss sagen, seine Psychologie ist keine Wissenschaft, sondern eine atheistische Religion. Ihr Erfolg beruht auf ihrer lebensanschaulichen Anziehungskraft. Viele Menschen stürzten sich darauf, weil sie die Auswirkungen für das Leben und die Lebensanschauung spürten.

Es entstanden zahlreiche Schulen, die sich auf Freud beriefen. Heute gibt es mindestens 36 verschiedene Gruppen, die sich auf Freud beziehen, aber untereinander uneins sind – typisch für eine Religion und ihre Sektenbildung.

Der bibeltreue Seelsorger Jay Adams, der viele Bücher schrieb, formuliert es so: „Wenn Freuds Auffassung richtig wäre, nämlich dass immer dann eine Schwierigkeit entsteht, wenn das Es, also das Triebhafte, durch ein allzu strenges Gewissen oder Über-Ich verdrängt wird, dann müsste unsere Zeit eine Zeit weit verbreiteter geistlicher Gesundheit sein. Denn unsere Zeit ist nicht durch Verdrängung, sondern durch Nachgiebigkeit gekennzeichnet. Wenn der Freudianismus wahr ist, müssten die am meisten unmoralischen oder eher die amoralischsten Menschen die gesündesten sein. Amoralisch ist man, wenn man unmoralisch lebt, aber sich dessen nicht bewusst ist. Unmoralisch ist man, wenn man bewusst falsch lebt. Doch in Wirklichkeit ist genau das Gegenteil der Fall.“

Wir können also zurückblicken auf die 1960er Jahre und sagen: Was haben sie uns Gutes gebracht? Sie haben viele Probleme verursacht, mit denen unsere Gesellschaft heute kämpft. Milliarden werden ausgegeben, um die Schäden zumindest teilweise zu therapieren.

C. G. Jung und die spirituellen Dimensionen der Psychologie

Nun wenden wir uns einem zweiten wichtigen tiefenpsychologischen Forscher zu: C. G. Jung, einem Schweizer, der von 1875 bis 1961 lebte. Er war von früh an mit okkulten Phänomenen konfrontiert, da bereits seine Vorfahren Spiritismus, also Geisterbeschwörung, betrieben.

In seiner Arbeit – er war übrigens auch Doktor der Medizin – spielte die Traumanalyse eine sehr wichtige Rolle. Ebenso beschäftigte er sich intensiv mit antiken Mythen, zum Beispiel der griechischen, sowie mit psychotischen Phantasien. Diese Aspekte waren für sein Denken von großer Bedeutung.

Auf Jung geht der Begriff des Persönlichen und des Kollektiven Unbewussten zurück. Er sprach vom kollektiven Unbewussten und meinte damit den psychischen Erfahrungsschatz der gesamten Menschheit. Alles, was die Menschheit im Lauf ihrer Geschichte an psychischen Erfahrungen gesammelt habe, werde fortwährend vererbt.

In diesem Zusammenhang sprach er von Archetypen, die er beispielsweise in der griechischen Mythologie entdeckte. Diese gehören zu urtümlichen Elementen, die sich im Unbewussten des Menschen angesammelt haben. Diese Archetypen könne man durch Spiritismus, also Geisterbeschwörung, erfahrbar machen. Auf diese Weise erklärte er die Entstehung der Religion schlechthin, ebenso die von Mythen, Märchen und Phantasien.

Für Jung spielten Psychotherapie und Religion eine sehr starke Rolle. Er selbst war stark von dämonischen Erscheinungen geplagt. Schon früh betrieb er Spiritismus; seine Schwester war ein Medium, durch das Geister sprachen, wenn sie in Trance war. Auch er selbst war ein Medium. Er sah Bilder, hörte Stimmen, nahm Dämonen und Erscheinungen wahr. Zudem praktizierte er automatisches Schreiben, bei dem er seine Hand von einem Geist leiten ließ und so Bücher schrieb.

Viele Ideen seiner Psychologie wurden ihm auf diese Weise durch automatisches Schreiben eingegeben. In seiner Autobiographie spricht er besonders über Dämonen mit den Namen Elias und Salome, die sich ihm präsentierten. Salome war dabei ein Geist, der das sexuell Verführerische repräsentierte. Jung beschreibt selbst, wie er schreckliche Kämpfe mit Dämonen und Geistern auszustehen hatte. Man kann sagen, dass er besessen war – ähnlich wie es in den Evangelien bei vielen Menschen beschrieben wird, in denen Geister wohnen und sie beherrschen.

Er bemühte sich stets, gerade durch seine Psychotherapie die Herrschaft über diese Geister zu erlangen, was ihm jedoch nie gelang. In seiner Biografie berichtet er beispielsweise von einer Erfahrung, bei der das ganze Haus spukte und voller Geister war. Es herrschte eine fürchterliche Atmosphäre. Diese Erlebnisse hat er selbst so erfahren.

Ganz wichtig ist, dass Jung versuchte, seine spiritistischen Erfahrungen als objektive psychische Erfahrungen wissenschaftlich darzustellen. Er sagte, magisch sei einfach ein anderes Wort für psychisch. Heute betreiben Jugendliche manchmal Okkultismus, wie Gläserrücken. Wenn Psychologen dazu Stellung nehmen, sagen sie oft: Das kann gefährlich sein, denn dabei werden psychische Kräfte wirksam. Man spricht dabei nicht von Geistern, da deren Existenz meist geleugnet wird – im Gegensatz zur Bibel. Stattdessen, so Jung, seien diese Phänomene Auswüchse des Seelischen im Menschen.

Man kann Jung kritisieren, denn seine Psychologie ist ein reiner Reduktionismus. Bei ihm drehte sich nicht alles um Sexualität, sondern um die Geister in seinem Leben. Er verallgemeinerte diese Erfahrungen auf alle Menschen. Die Erfahrungen eines okkult belasteten Menschen darf man jedoch nicht auf Menschen übertragen, die nicht okkult belastet sind. Dennoch stellte er die Dämonie gewissermaßen ins Zentrum seiner Psychologie.

Wir betrachten dies im Licht der Bibel. In 5. Mose 18 schreibt Mose unter der Inspiration Gottes: Es soll niemand unter euch gefunden werden, der seinen Sohn oder seine Tochter durchs Feuer gehen lässt, keiner, der Wahrsagerei treibt, kein Zauberer, Beschwörer, Magier oder Bannsprecher, kein Totenbeschwörer oder Wahrsager, der die Toten befragt. Das, was Jung praktizierte und propagierte, wird in Vers 12 als Gräuel für den Herrn bezeichnet. Deshalb treibt der Herr, dein Gott, die Kananiter vor dir aus.

Auch 2. Timotheus 4 ist in diesem Zusammenhang interessant, gerade im Blick darauf, dass die Mythen der alten griechischen Religion eine so wichtige Rolle in der Psychologie von Jung und auch von Freud spielen. Paulus sagt zu Timotheus in Vers 2: Predige das Wort, halte daran in gelegener und ungelegener Zeit, überführe, strafe, ermahne mit aller Langmut und Lehre. Denn es wird eine Zeit kommen, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen, sondern nach ihren eigenen Lüsten sich selbst Lehrer aufsuchen werden, indem sie ihnen in den Ohren kitzeln. Sie werden die Ohren von der Wahrheit abwenden und sich den Mythen zuwenden.

Interessant ist, dass nach der vorherrschenden Philosophie der Aufklärung im 17. Jahrhundert und der Verherrlichung des Verstandes im 19. Jahrhundert plötzlich eine Rückkehr zu Mythen und zum Irrationalen einsetzt. Die Bibel sagt dies genau für die Endzeit voraus: In dieser Zeit wird man die gesunde Lehre der Bibel nicht mehr ertragen und sich stattdessen den Mythen zuwenden.

Noch aus 1. Korinther 10, Vers 20b: Paulus sagt den Christen: Ich will aber nicht, dass ihr Gemeinschaft habt mit den Dämonen. Ihr könnt nicht des Herrn Kelch trinken und zugleich den Kelch der Dämonen. Ihr könnt nicht am Tisch des Herrn teilhaben und zugleich am Tisch der Dämonen. Oder reizen wir den Herrn zur Eifersucht? Sind wir stärker als er?

Alfred Adler und der Minderwertigkeitskomplex

Bevor wir in die Pause gehen, noch ganz kurz ein paar Worte zu dem dritten wichtigen tiefenpsychologischen Vertreter: Alfred Adler (1870–1937).

Er war ursprünglich stark von Freud beeinflusst und beeindruckt, ähnlich wie C. G. Jung. In seiner Psychologie, in der das Unbewusste betont wird, spielt jedoch der Minderwertigkeitskomplex eine absolut zentrale Rolle.

Dieses Thema war auch ein persönliches Problem für Adler. Er betrachtete sich äußerlich als völlig unattraktiv – was ich beim Betrachten seines Bildes nicht ganz nachvollziehen kann. Dennoch war er davon überzeugt und fühlte sich im Schatten seines älteren Bruders. Das hat ihn wohl sehr beschäftigt und geplagt.

Adler baute seine Psychologie so auf, dass der Minderwertigkeitskomplex im Zentrum stand. Dies übertrug er auf alle Menschen. Hier muss man jedoch kritisieren, dass dies ein reiner Reduktionismus ist. Der Mensch besteht nicht nur aus einem Minderwertigkeitskomplex. Das erklärt nicht die Vielfalt unserer inneren Erlebniswelt. Es ist eine enorme Einschränkung.

Einführung in den Behaviorismus

Nun gehen wir in die Pause, bevor wir den Behaviorismus genauer unter die Lupe nehmen.

Nachdem wir uns mit den Anfängen der Psychologie im 19. Jahrhundert beschäftigt haben und anschließend die Psychoanalyse betrachtet haben, kommen wir nun zu einer neuen Phase in der Geschichte der Psychologie: der Phase des Behaviorismus. Der Begriff „Behaviorismus“ leitet sich vom englischen Wort „behavior“ ab, was „Verhalten“ bedeutet. Es handelt sich also um eine Psychologie des Verhaltens.

Ganz wichtig in dieser Psychologie ist der Name J. B. Watson (1878–1958). Er wurde geprägt von den russischen Wissenschaftlern Iwan Pawlow und Berderew. Watson wollte strikt empirisch arbeiten, das heißt, ohne jegliche Fantasie oder subjektive Aspekte, rein wissenschaftlich, basierend auf dem, was beobachtbar ist. Für ihn war das bisher Geleistete zu subjektiv.

Er hatte den Wunsch, dass die Psychologie endlich eine wirkliche Wissenschaft werden sollte. Alles, was vorher gemacht wurde, betrachtete er nicht als Wissenschaft. Watson strebte etwas Objektives an, wobei hier das Wort „objektiv“ in Anführungszeichen gesetzt werden muss. Denn wirklich objektive Wissenschaft gibt es nicht, da Wissenschaftler immer Subjekte sind. Alles, was Subjekte tun, ist subjektiv. Eine vollkommen objektive Wissenschaft existiert demnach nicht.

Dennoch strebte er eine objektive Wissenschaft an. Er lehnte den Begriff des Bewusstseins strikt ab, denn Bewusstsein sei ein unwissenschaftliches Überbleibsel aus früheren Zeiten. Für ihn sei der Mensch einfach eine von Reflexen gesteuerte Maschine. Deshalb war seine Reiz-Reaktions-Theorie besonders wichtig.

Watson führte Laborexperimente durch und wollte nichts von subjektiver Introspektion wissen – also vom „Hineinhören“ in sich selbst. Das sei subjektiv und nicht wissenschaftlich. Für ihn zählten nur rein wissenschaftliche Laborexperimente. Seine Grundlage war reiner Materialismus. Die psychischen Erscheinungen des Menschen galten für ihn als hundertprozentig physikalische Prozesse.

Es gibt nur Materie, der Mensch besteht aus Materie, und die Materie arbeitet und bewegt sich. Alles, was an psychischen oder seelischen Erscheinungen herauskommt, ist im Grunde genommen reine Materie oder Ausdruck der Materie. Auch für ihn war die Basis die Evolutionslehre. Er war überzeugt, dass menschliches Verhalten von dem der Tiere ableitbar sei.

Das hat natürlich weitreichende Konsequenzen. Ich erinnere mich gut an meinen Biologielehrer im Gymnasium, den ich sehr schätzte. Menschlich war er großartig, aber wenn es um Evolution ging, lehrte er uns, dass es schade sei, dass wir Menschen nicht von den Breitnasenaffen abstammen, sondern von den Schmalnasenaffen. Tatsächlich sind die Breitnasenaffen viel weniger aggressiv. Hätte die Evolution ihren Gang über die Breitnasenaffen genommen, hätten wir heute möglicherweise nicht die Probleme mit Kriegen.

Diese Sichtweise geht auf die früheren Psychologen zurück, die betonten, menschliches Verhalten sei von dem der Tiere ableitbar. Watson leugnete angeborene Charaktereigenschaften und Kapazitäten. Er war überzeugt, dass man mit dem richtigen Lernen und den passenden Lernumständen aus jedem Menschen im Prinzip alles machen könne.

In den 1920er-Jahren war der Behaviorismus besonders populär in den USA. Diese Popularität hielt bis in die 1950er-Jahre an.

Weiterentwicklung des Behaviorismus: Neo-Behaviorismus

Nun können wir zusammenfassen: Wund brachte eine Bewusstseinslehre, Freud die Lehre vom Unbewussten und Watson die Lehre vom Verhalten. So lassen sich diese drei Bereiche knapp charakterisieren.

Der Behaviorismus hat sich weiterentwickelt, weshalb man später vom Neo-Behaviorismus spricht. Besonders wichtig ist hier der Name B. F. Skinner, den Sie oben rechts auf dem Bild sehen. Er lebte von 1904 bis 1990. Interessant ist, wie lange diese Wissenschaftler bis in unsere jüngste Vergangenheit hinein lebten. Tatsächlich leben heute 90 Prozent aller Psychologen, die es je auf der Erde gegeben hat. Das zeigt deutlich, wie jung diese Wissenschaft ist.

Skinner wurde in den 1930er Jahren besonders durch seine Rattenversuche berühmt. Man sieht hier die berühmte Skinner-Box. Er führte interessante Experimente mit Ratten durch, die ihre unangenehmen Umstände verändern konnten, indem sie gewisse Dinge lernten. Zum Beispiel erhielten sie Nahrung, wenn sie bestimmte Verhaltensweisen zeigten. So hat Skinner die Ratten quasi dressiert.

Seine Versuche unterscheiden sich von früheren Experimenten. Es geht nicht mehr nur um Reflexe bei den Tieren, sondern darum, wie Tiere Reflexe haben und lernen können, ihre Situation zu verbessern. Skinner konditionierte die Ratten durch die Verbesserung ihrer eigenen Situation.

Im Neo-Behaviorismus betrachtet man Watson als zu extrem. Man sagt nun, man könne nicht behaupten, Bewusstsein existiere nicht. Bewusstsein existiert zwar, ist aber nicht das Hauptinteresse. Der Mensch wird in seiner Weltanschauung gewissermaßen als dressierter Hund gesehen, der lernt, weil er dadurch Vorteile erhält.

Der Neo-Behaviorismus behauptet nicht mehr, dass alle psychischen Vorgänge Reaktionen auf äußere Reize sind. Es wird zugegeben, dass auch Prozesse im Innern des Organismus ablaufen. Für Watson war das noch so: Der Mensch steht vor einem Schaufenster und sieht einen neuen Computer – das ist der äußere Reiz. Das löst eine Reaktion aus: Er geht hinein und kauft ihn.

Doch so einfach lässt sich der Mensch nicht erklären. Ein anderer steht vor dem Schaufenster und sieht den neuen, schnellen Computer. Er überlegt: „Brauche ich den wirklich? Meiner tut’s doch eigentlich noch.“ Und geht dann weiter. Das sind innere Prozesse, die zusätzlich ablaufen. Es ist nicht einfach eine Reaktion auf einen äußeren Reiz.

Aber auch für die Neo-Behavioristen gibt es Tabus, die in ihrer Weltanschauung keinen Platz haben. Gott spielt keine Rolle, ebenso wenig Glaube, Liebe, Kreativität oder höhere Werte. Solche Ausdrücke passen nicht in ihr maschinelles Menschenbild.

Man versteht, dass ein solches Denken das Selbstbild vieler Menschen abwertet. Wenn der Mensch nichts anderes ist als eine biochemische Maschine, stellt sich die Frage: Was ist dann der Sinn des Lebens? Dieses Denken beeinflusst die Gesellschaft und breitet sich aus, ohne dass alle Menschen diese Theorien selbst gelesen oder gelernt haben.

Man muss sich fragen, warum heute so viele Menschen Probleme mit ihrem Selbstwertgefühl haben. Wenn lange gelehrt wurde, Menschen seien nichts anderes als Reaktionsmaschinen, lässt sich das zumindest teilweise verstehen.

Wir kritisieren den Behaviorismus auch wegen seines extremen Reduktionismus. Der Mensch wird auf seine Reaktionen auf äußere Reize reduziert. Behavioristen achten fast nur auf physische Stimulation, also Lichtstrahlen, Schallwellen, Wärmestrahlen und Materieteilchen, die auf Druck-, Tast- und Riechsinn wirken.

Das Angenehme daran ist, dass man hier wirklich wissenschaftliche Experimente durchführen kann. Man arbeitet objektiver als bei den völlig subjektiven Ansätzen früherer Zeiten. Doch damit erfasst man nicht den Menschen. Auf diese Weise kann man keine Antwort auf die Frage geben, was der Mensch eigentlich ist.

Ein Philosoph saß im Park auf einer Bank. Ein Polizist kam und fragte: „Wer sind Sie?“ Er wollte die Papiere sehen. Der Philosoph antwortete: „Ach, wenn ich das wüsste!“

Die herrschenden Kräfte in der Psychologie des 20. Jahrhunderts waren die Tiefenpsychologie, dann der Behaviorismus. Nun kommen wir zu einer dritten Bewegung, die sich selbst den „third force“, gut deutsch „dritter Weg“, nannte.

Psychologen sahen die Probleme bei Behavioristen und Tiefenpsychologen und sagten: „Wir müssen eine ganz neue Richtung einschlagen, einen dritten Weg neben dem, was bisher geleistet wurde.“ Diese Richtung ist wieder mehr psychologisch bestimmt und stärker von Lebensanschauungen geprägt als experimentelle Wissenschaft, wie es bei den Behavioristen der Fall war.

Seit den 1950er Jahren spricht man im Zusammenhang mit diesem dritten Weg von der humanistischen Psychologie. Das bedeutet nicht, dass der Humanismus als philosophische Grundlage nur hier eine Rolle spielt – Humanismus ist bei allen Richtungen eine Basis. Aber die humanistische Psychologie konzentriert sich speziell auf die Untersuchung des Menschen und nicht mehr auf Tiere, wie es bei den Behavioristen der Fall war, die Ratten als Modell für den Menschen nutzten.

In diesem Zusammenhang ist Abraham H. Maslow (1908–1970) wichtig. Er wollte den Menschen als Beobachtungsgegenstand in den Mittelpunkt stellen. Humanistisch bedeutet nämlich, den Menschen und nicht mehr Gott in den Fokus zu rücken.

Die humanistische Psychologie sagte: Wir wollen keine Tierversuche machen und nicht nur kranke Menschen untersuchen, sondern den Menschen an sich. Maslow, wie sein Vorname verrät, stammte aus einer jüdisch-sozialistischen Familie und war selbst ein utopischer Sozialist.

Anfangs führte er Tierversuche durch, wobei ihn vor allem das Thema Motivation beim Lösen von Problemen interessierte. Später wandte er sich von den Tierversuchen ab. Er erkannte, dass Behavioristen Faktoren wie Neugier oder Einsicht nicht einordnen können. Zum Beispiel die Einsicht einer Person, die vor dem Schaufenster steht und merkt, dass sie den Computer nicht braucht. Daher wandte er sich vom Behaviorismus und der Psychoanalyse ab.

Man übte Kritik am Behaviorismus, da er abstraktes Denken nicht erklärt, das Phänomen Religion nicht klärt, Kunst und menschliches Sprechen nicht erfasst. Im Zentrum stand dort das Tier, die Ratte, statt des Menschen.

Zum Thema Sprechen noch etwas Interessantes: Früher meinten Behavioristen, ein Kind lerne Sprache, indem es äußere Reize nachahmt und einfach alles nachplappert, was die Eltern sagen. Heute weiß man, dass das nicht stimmt. Imitation spielt beim Spracherwerb eine untergeordnete Rolle.

Man hat festgestellt, dass Kinder mehr leisten, als sie von außen erhalten. Das ist erstaunlich. Kinder müssten eigentlich viel mehr Fehler beim Sprechen machen, wenn sie nur Fehler der Eltern nachahmen und diese korrigiert werden. Doch es gibt viel zu wenige Fehler.

Daraus schloss man, dass der Mensch bereits im Gehirn eine Art Vorwissen von Grammatik besitzt. Wenn dann der Input von außen kommt, reagiert das Gehirn richtig und ordnet es schneller ein, als wenn es nur um Versuch und Irrtum (trial and error) ginge. Das kann der Behaviorismus so nicht erklären.

Wichtig wurde für Maslow besonders der Begriff der Selbstverwirklichung. Er lehrte, der Mensch habe Grundbedürfnisse wie Nahrung, Wasser und Schlaf. Fehlen diese, sind andere Bedürfnisse weniger wichtig. Wenn wir keine Nahrung haben, ist es uns nicht wichtig, wie die Nachbarn über uns denken. Wir sind einfach froh, wenn wir zu essen bekommen.

Zuerst sind also die Grundbedürfnisse wichtig. Sind diese gestillt, erwachen neue Bedürfnisse: das Bedürfnis nach Sicherheit und Gewissheit. Man möchte sich sicher fühlen, Schutz vor Gefahren haben und ein geregeltes Einkommen. Zu wissen, dass am Monatsende Geld auf dem Konto ist, vermittelt ein Gefühl von Sicherheit.

Sind diese Bedürfnisse ebenfalls erfüllt, folgt das Bedürfnis nach Liebe und Geborgenheit, also in einer Gruppe aufgehoben zu sein. Maslow beschäftigte sich damals mit der Frage, warum Wohngemeinschaften in der Gesellschaft so beliebt sind. Er sagte sich: Diese Menschen haben genug zu essen, Wasser und Schlaf, sie haben ein geregeltes Einkommen und suchen nun Geborgenheit in einer Gruppe.

Wenn auch dieses Bedürfnis gestillt ist, erwacht das Bedürfnis nach Anerkennung, also dass die Menschen um einen herum einem Respekt und Anerkennung zollen. Und wenn auch das erfüllt ist, kann sich der Mensch selbst verwirklichen – er kann zu seinem eigenen Selbst finden.

Das kann sich zum Beispiel darin zeigen, dass jemand gefährliche Bergsteigertouren unternimmt. Das braucht man nicht zum Überleben, darauf kann man verzichten, wenn man Essen und Trinken hat. Bergsteigen kann ein Ausdruck von Selbstverwirklichung sein – die Suche nach etwas, das über die Grundbedürfnisse hinausgeht.

Das war das Schema von Maslow. Später hat er es noch erweitert, aber Selbstverwirklichung blieb für ihn sehr wichtig. Nun sieht man, woher der Begriff kommt, der in unserer Gesellschaft eine große Rolle spielt.

In dieser Bewegung ist ein weiterer Psychologe ganz wichtig: Carl R. Rogers (1902–1987). Auf ihn geht die sogenannte non-direktive Therapie zurück, die nicht-steuernde Therapie. Hier steht der Klient mit seinen Gefühlen im Mittelpunkt.

Der Therapeut muss sich in den Patienten hineinversetzen, gewissermaßen in seine Haut schlüpfen. Lösungen werden im Rahmen der Wertvorstellungen des Klienten gesucht. Der Therapeut fragt zum Beispiel: „Welche Rolle spielt Religion in Ihrem Leben?“ Der Patient antwortet: „Ich bin Katholik und gehe viermal im Jahr in die Kirche.“ Der Therapeut sagt: „Aha, gut. Wie würden Sie das Problem vom Glauben her angehen?“

Der Therapeut sagt nicht, was der Patient tun soll, sondern er fragt ihn, damit der Patient selbst die Antworten findet. Wenn der Patient religiös ist, werden Lösungen im Rahmen seines Glaubens gesucht. Wenn er Atheist ist, dann im Rahmen seines Atheismus. Was der Klient glaubt, interessiert den Therapeuten nicht weiter. Es geht nur darum, dem Patienten zu helfen, und zwar so, dass er selbst Lösungen findet.

Der Therapeut vervollständigt zum Beispiel Sätze, wenn der Patient nicht weiterkommt: „Ah ja, genau so.“ Er fasst auch lange Erklärungen in wenigen Sätzen zusammen: „Ja, genau so meine ich das.“

Rogers geht aber noch weiter. Aus diesem dritten Weg heraus entstand das Interesse an einer transzendenten Psychologie, die ganz besonders mit ihm verbunden ist. Er führt orientalische Mystik, Yoga und Hypnose in die Psychologie ein – was wir schon bei Freud in anderer Form hatten.

Auch transzendentale Meditation, parapsychologische Methoden und Gruppendynamik sind für ihn wichtig. Er sah Therapie nicht nur für kranke Menschen, sondern auch für Gesunde, um sie noch gesünder zu machen.

Er propagierte und praktizierte Sensitivity-Training, bei dem in seinem Zentrum in Kalifornien sogar Nacktmeetings stattfanden. Dort gab es auch erotische Massagen. Rogers war auch für die Zersetzung der traditionellen Familie, die er als veraltete Gruppenverbindung betrachtete.

Diese Psychologie zeigt eine klare Ausrichtung auf Götzen. Das Ich des Menschen steht im Zentrum – daher humanistische Psychologie. Das Ich soll verwirklicht werden. Doch mit der ganzen transzendenten, orientalischen Mystik und dem Okkultismus haben wir hier eine Psychologie, die ganz klar dämonisch geprägt ist.

In 1. Johannes 5,21, dem letzten Satz im Brief des Johannes, heißt es: „Kinder, hütet euch vor den Götzen!“ Alles, was die Stellung Gottes einnimmt, den Rang Gottes, ist ein Götze. Wenn das Ich absolut im Zentrum steht, dann ist das Ich ein Götze.

Im Blick auf Rogers’ transzendentale Psychologie ist auch die Liste in Galater 5,19 zu nennen: „Offenbar aber sind die Werke des Fleisches, welche sind Hurerei“ – griechisch Porneia, das bedeutet Geschlechtsverkehr außerhalb der Ehe, also vor und neben der Ehe –, „Unreinigkeit, Ausschweifung, Götzendienst, Zauberei“ – griechisch Pharmakaia, das bedeutet Drogenmissbrauch, Magie, Okkultismus, Esoterik –, „Feindschaft, Hader, Eifersucht, Zorn, Zank, Zwietracht, Sekten, Neid, Totschlag, Trunkenheit, Gelage und dergleichen, von denen ich euch vorhersage, gleichwie ich auch vorhergesagt habe, dass die, welche solches tun, das Reich Gottes nicht ererben werden.“ Ein ganz klares Wort.

Die kognitive Psychologie und ihre Wurzeln

Nun kommen wir wieder zu einer neuen Richtung, und zwar zur kognitiven Psychologie. Dazu muss ich jedoch zunächst etwas Vorgeschichte erzählen.

Wir haben gesehen, dass die Forschungszentren der Psychologie zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts vor allem in Deutschland lagen. Wilhelm Wundt war eine bedeutende Persönlichkeit in Deutschland, ebenso wie in Österreich Sigmund Freud in Wien und Alfred Adler. In den USA waren es Forscher wie Watson und Skinner.

Ab 1933, mit der Machtergreifung Hitlers, kam es zu einer Verlagerung der Psychologie in die USA. Viele Psychologen, wie wir gesehen haben, waren Juden – nicht nur sie, aber viele – und auch andere Wissenschaftler gerieten unter den Druck des Naziregimes. Sie wanderten aus oder flohen aus Deutschland. Viele gingen zunächst nach Skandinavien, doch das war für sie nur eine Zwischenstation, um schließlich nach Amerika zu gelangen.

So kamen viele europäische Psychologen in die USA und begannen, mit amerikanischen Wissenschaftlern an den Universitäten Diskussionen zu führen. Dadurch verstanden sie viel besser, was die Behavioristen eigentlich wirklich wollten. Es kam zu einem gegenseitigen besseren Verständnis und auch zu einer gegenseitigen Beeinflussung. Die verschiedenen psychologischen Schulen vermischten sich zunehmend.

Nun ist Ulrich Neisser zu nennen, der 1967 ein Buch über kognitive Psychologie veröffentlichte. Er betonte, dass der Mensch nicht nur aus Trieben und Reflexen bestehe. Es gebe auch Denken, Kombinieren, das Erfassen von Zusammenhängen, Kreativität und Ähnliches.

Für Neisser waren wichtige Wegbereiter die Gestaltpsychologen, deren Anfänge man eigentlich schon bei Edward Tolman (1886–1959), Kurt Lewin (ebenfalls Jude, ursprünglich Lewi, 1890–1947), Christian von Ehrenfels (1859–1932) und Kurt Koffka (1886–1941) findet. Diese beschäftigten sich sehr stark mit dem denkenden Erfassen des Menschen.

Ein Beispiel: Wenn wir einen Kreis sehen, in dem zwei Punkte und ein Halbkreis mit Öffnung nach oben enthalten sind, erkennen wir sofort ein lachendes Gesicht – einen Smiley. Woher kommt das? Der Mensch sieht in diesen wenigen Linien, die eigentlich kein Gesicht sind, sofort ein Gesicht.

Die Gestaltpsychologen erkannten, dass der Mensch über innere Fähigkeiten verfügt, verschiedene Reize zu kombinieren und daraus ein neues, eigenes Verständnis aufzubauen. Das Kombinieren wird also wichtig.

In der kognitiven Psychologie von Neisser wird das Denken wieder neu entdeckt, nachdem es zuvor vernachlässigt worden war. Dazu gehören auch Intelligenztests und ähnliche Verfahren. Man beschäftigt sich mehr mit dem Kognitiven, also dem denkenden Aspekt des Menschen.

Die existenzielle Psychologie und ihre philosophischen Wurzeln

Eine weitere Richtung ist die existenzielle Psychologie. Ihre Begründer sind eigentlich Philosophen, dennoch muss man sie der Psychologie zuordnen, da sie einen sehr großen Einfluss auf die Psychologie des zwanzigsten Jahrhunderts ausgeübt hat. Zu den wichtigen Namen zählen Karl Jaspers (1883–1969), Martin Heidegger (1889–1976) und der Franzose Jean-Paul Sartre (1905–1980).

Diese Philosophie, die existenzielle Philosophie, war die modischste Philosophie des zwanzigsten Jahrhunderts. Über etwa sechzig Jahre diskutierten Studenten vor allem darüber. Heute jedoch ist sie wieder eher out, muss man sagen.

Die Existenzialisten übten Kritik an dem Reduktionismus der früheren Psychologie. Zu Recht, ja, aber haben sie wirklich eine bessere Antwort gefunden? Sie betonten das Irrationale und das Sinnlose im Leben. Außerdem stellten sie den konkreten einzelnen Menschen in den Mittelpunkt, der in einer unbegreiflichen und absurden Welt lebt.

Sie sagen: Eigentlich ist alles sinnlos, aber der Mensch muss sich selbst verwirklichen. So kann er trotz einer sinnlosen Welt einen Sinn finden. Zum Beispiel sagte Jaspers, der Mensch finde Sinn in Grenzerlebnissen. Grenzerlebnisse sind besonders dann gegeben, wenn es um Sterben oder Geburt geht. Diese Ereignisse sind existenziell ergreifend. In solchen Grenzerlebnissen könne der Mensch noch einen Sinn finden.

Heute haben wir das weiterentwickelt: Bungee-Jumping ist ein Grenzerlebnis, das gesucht wird, um in einer sinnlosen Welt einen kleinen Sinn zu finden. Die Existenzialisten betonten also Selbstverwirklichung, die Freiheit des Menschen und den Willen des Menschen.

Wo aber spielt in der Psychologie von Freud oder bei den Behavioristen der Wille eine Rolle? Sie betonen den Willen und die Freiheit des Menschen, ohne dass es irgendwelche göttlichen Normen gäbe.

Diese Haltung lässt sich leicht aus biblischer Sicht kritisieren: Die existenzielle Psychologie leugnet das Gesetz Gottes. Interessant ist, dass König Salomo in Prediger 12,13-14 schreibt, nachdem er seine Zeit beschrieben hat, in der er von Gott abgekommen war und in allen möglichen Dingen des Lebens nach Sinn suchte – man könnte auch sagen in manchen Grenzerlebnissen.

Das Fazit des Predigerbuches lautet: „Hevel ha-Walim, Hakol ha-Wel“ – Eitelkeit der Eitelkeiten, alles ist eitel, alles ist sinnlos. Das Endergebnis in Kapitel 12, Vers 13 ist: „Lasst uns hören, fürchte Gott und halte seine Gebote, denn das ist der ganze Mensch!“

Salomo kam also zur Überzeugung: Wenn der Mensch diese Normen von Gott nicht mehr hat, wird das Leben sinnlos. Freiheit ohne Gottesgesetz ist keine Freiheit.

Im Neuen Testament wird in Galater 5,1 und 5,13 die Freiheit nicht als Freiheit von Normen dargestellt, sondern als Freiheit, die Pflicht bedeutet. Paulus warnt: Lasst uns die Freiheit nicht als Deckmantel der Bosheit nehmen, sondern es ist unsere Pflicht, den Nächsten zu lieben. Durch die Liebe dient einander – das ist wahre Freiheit.

In der Psychologie der Existenzialisten wird die vertikale Beziehung, die Beziehung zu Gott, vollkommen außen vor gelassen. Deshalb konnten diese Denker uns nichts über den Sinn des Lebens beibringen.

Überblick über die Wirksamkeit psychotherapeutischer Methoden

Nun haben wir eine Übersicht über die Geschichte der Psychologie erhalten und fragen uns unter dem dritten Punkt, welche eigentlich die beste Therapie in all diesen Hauptrichtungen ist, die sich wiederum in viele Unterrichtungen aufgesplittet haben. Heute gibt es circa 400 verschiedene Therapien in der Psychologie. Welche soll man da wählen?

Man hat sich schon sehr früh gefragt, ob diese Therapien eigentlich etwas nützen. Das ist natürlich eine sehr herausfordernde Frage, aber viele Denker haben sich damit beschäftigt. Ganz wichtig ist zunächst die Studie von Eysenck aus dem Jahr 1952. Diese Arbeit trägt den Titel „The effects of psychotherapy“, also „Die Wirkungen der Psychotherapie“. Darin hat Eysenck viele Studien über Therapien ausgewertet, und zwar über Leute, die behandelt worden sind, und solche, die nicht behandelt wurden – behandelte und nicht behandelte Neurotiker.

Er kam zu dem Schluss, dass zwei Drittel der Betroffenen nach zwei Jahren wieder gesund sind oder eine starke Besserung erleben, auch wenn sie keine Therapie durchgemacht haben. Das ist eigentlich sehr ermutigend. Übrigens ist das ähnlich wie bei körperlichen Krankheiten: Es ist ja nicht der Arzt, der uns gesund macht, sondern der Körper hat von Natur aus Fähigkeiten, ein Abwehrsystem und so weiter. Der Knochen kann wieder zusammenwachsen, und das macht nicht der Arzt, wenn man beim Skifahren das Bein gebrochen hat. Der Arzt unterstützt nur, dass die Kräfte, die bereits im Körper angelegt sind, wirken können.

Das gilt auch für seelische Krankheiten. Im Menschen gibt es Kräfte, die so wirken, dass zwei Drittel nach zwei Jahren wieder gesund werden oder eine starke Besserung erleben. Eysenck sagte weiter, es gebe keinen Beweis dafür, dass Psychotherapie etwas nützt. Das hat viele erbost, und es gab Arbeiten, die das kritisierten. Sie argumentierten, Eysenck komme zu falschen Schlussfolgerungen und habe methodisch nicht richtig gearbeitet.

Diese Debatte löste eine große Diskussion über die Nützlichkeit der Psychotherapie aus, wie man sie früher nicht geführt hatte. Der Streit ging jahrelang weiter, bis in die 1960er Jahre. Dann erschien eine wichtige Arbeit von Bergin aus dem Jahr 1966, in der er Eysenck widersprach. Bergin erklärte, viele der sogenannten unbehandelten Menschen seien dennoch behandelt worden – wenn auch nicht von Psychotherapeuten. Sie hätten zum Beispiel mit Lehrern über ihre Probleme gesprochen, was geholfen habe. Sie hätten mit Verwandten gesprochen, mit dem Vater, der Mutter, einem guten Onkel oder einer Tante. Oder sie seien zu einem Priester, Prediger oder Arzt gegangen.

Man könne also nicht sagen, diese Menschen seien einfach alle unbehandelt gewesen, denn sie hätten mit anderen Menschen Kontakt gehabt, ihre Probleme durchgesprochen und so Hilfe erfahren. Deshalb sei Eysencks Schlussfolgerung nicht gerechtfertigt. Bergin veröffentlichte 1971 eine weitere Arbeit, in der er erklärte, dass Therapien insgesamt einen mäßigen Nutzen haben. Er sagte nicht, der Nutzen sei übertrieben groß, aber es gebe einen gewissen Effekt.

Allerdings räumte er auch ein, dass sich in seinen Studien zeigte, dass es vielen Leuten nach der Therapie schlechter ging als vorher. Vor kurzem habe ich ein Buch eines großen Psychiaters gelesen, der sehr entspannt über die Thematik spricht. Er behandelt zum Beispiel, wie Menschen gesund werden ohne Psychiatrie und wie Menschen gesund werden mit Psychiatrie. Es gebe Menschen, die trotz Psychiatrie gesund werden.

Das Ganze könnte man auch auf die Medizin übertragen: Es gibt Menschen, die nicht zum Arzt gehen und wieder gesund werden. Andere gehen zum Arzt und erhalten meistens sehr gute Hilfe. Doch in der Geschichte der Medizin gab es auch viele Menschen, die trotz der Medizin überlebt haben, weil sie in manchen Fällen falsch behandelt wurden. Der Psychiater unterscheidet einfach die verschiedenen Möglichkeiten, dass es diese Fälle überhaupt gibt. Das ist keine Kritik an der Medizin, die wirklich eine Gabe Gottes ist.

Später erschien eine sehr umfangreiche Studie von Emile Smith, G. V. Glass und T. I. Miller mit dem Titel „The Benefits of Psychotherapy“ aus dem Jahr 1980, also „Die nützlichen Auswirkungen der Psychotherapie“. Sie haben Zehntausende von behandelten Personen untersucht und kamen zu folgenden Schlüssen:

Erstens haben Therapien einen Effekt. Zweitens ist keine Therapie besser als die andere – also ist es nicht besser, ohne Therapie weiterzumachen. Dabei verstehen sie Therapie weit gefasst, also auch Gespräche mit Lehrern oder Predigern. Drittens ist die Ausbildung des Therapeuten unwichtig. Es kommt nicht darauf an, welches Diplom er hat. Das ist etwas ernüchternd, wenn man etwa ein Lizenziat gemacht hat statt eines sechswöchigen Kurses.

Sie stellten fest, dass die wirklich heilsamen Faktoren nicht in den psychologischen Theorien liegen. Es ist also nicht die Psychologie von C. G. Jung, Freud, Watson oder Rogers, die jemandem hilft. Die heilsamen Faktoren liegen woanders. Man muss zum Schluss kommen, dass keine der untersuchten Therapien besser ist als eine andere. Das ist ebenfalls ernüchternd, denn viele dachten, ihre Therapie sei die beste.

Also muss man annehmen, dass alle Schulen Faktoren gemeinsam haben, die etwas nützen. Diese Faktoren sollten wir anschauen, nicht das Spezielle. Gidi Frank hat dann eine Arbeit über die heilenden Faktoren gemacht, also das, was wirklich Heilung auslöst.

Er nennt als erstes die Beziehung zwischen dem Leidenden und jemandem, der ihm hilft. Die Beziehung ist sehr wichtig. Wenn die Beziehung nicht funktioniert, ist das von Anfang an schlecht. Besteht jedoch eine gute Beziehung, ist das sehr bedeutend.

Ein führender Neurochirurg in der Schweiz, der vor einigen Jahren gestorben ist, sagte mir einmal, man müsse nur zu einem Drittel effizient durch seine Arbeit sein. Der Rest sei die gute Einstellung des Patienten, der gesund werden möchte, und die Beziehung zum Arzt. Das macht schon 66 Prozent aus. Das war jemand, der so etwas sagen durfte. Die Beziehung ist also auch in der Psychologie ein ganz wichtiger Faktor.

Zweitens ist es wichtig, dass eine Theorie vorhanden ist, die das Problem des Patienten in einen größeren Zusammenhang stellt. Die Theorie erklärt zum Beispiel: „Du hast dieses und jenes Problem. Du bist nicht der Einzige, der das hat. Dieses Problem taucht oft auf, wenn gewisse Bedingungen erfüllt sind.“ Die Theorie hilft, das persönliche Problem in einen größeren Zusammenhang zu bringen. Frank sagt jedoch, es sei nicht wichtig, welche Theorie es ist, Hauptsache, es gibt eine.

Drittens braucht es Information. In der Beziehung ist es wichtig, dass der Therapeut sozial über dem Patienten steht. Der Patient schaut zu ihm auf, hat Vertrauen, und der Therapeut gibt Informationen über Zusammenhänge, die der Patient nicht kennt.

Viertens ist die soziale Position des Therapeuten wichtig – er steht über dem Patienten. Das meint die gute Beziehung.

Fünftens ist ein ganz wichtiger heilender Faktor der Erfolg des Patienten. Der Patient kommt wieder zur Sitzung und kann auf die Frage „Wie geht es Ihnen?“ antworten: „Es geht mir besser als letzte Woche.“ Das zeigt, dass die Therapie Sinn hat und macht Mut. Das hilft, dass die Krankheit besser heilen kann.

Sechstens nennt Frank Katharsis, das heißt Reinigung. Damit meint er, dass mit dem Patienten besprochen wird, wie es weitergeht und welche Aussichten bestehen. Das Weitergehen und die Zukunftsorientierung werden besprochen und motiviert. Das hilft ebenfalls.

Alle diese Dinge sind auch in der christlichen Seelsorge vorhanden. Nur ist es dort nicht irgendeine Theorie, sondern die Probleme werden im Rahmen dessen eingeordnet, was Gott uns in seinem Wort sagt.

Es wird nicht einfach gesagt: „Schauen wir mal ein bisschen nach vorne. Immer wenn es dunkel wird, kommt irgendwann ein Lichtlein.“ Das ist die Hoffnung, die viele Menschen haben – irgendwann kommt schon mal ein Lichtlein. Aber von der Bibel her können wir sagen, dass wir es mit einem Gott zu tun haben, der mitfühlt in unserer persönlichen Not.

Wie es in Jesaja 63,9 heißt: „In all ihrer Bedrängnis war er bedrängt.“ Das heißt, Gott fühlt mit. Wir haben wirklich Verheißungen Gottes, dass er uns aus der Dunkelheit ins Licht führt. Psalm 112 sagt: „Dem Gerechten geht Licht auf in der Finsternis.“

Wir haben einen Grund, warum wir das glauben. Es ist nicht einfach ein bloßer Glaube. Wenn man an die Hugenotten denkt, die zu Tausenden in Frankreich wegen ihres Glaubens an das Evangelium abgeschlachtet wurden und festhielten an der Hoffnung „post tenebras lux“ – nach der Finsternis ist das Licht – dann war das keine billige Theorie. Sie hatten diesen Glauben an den Gott, der in der Bibel diese Verheißung gegeben hat und der auch wirklich wirkt.

Die biblische Lehre über den Menschen

Nun kommen wir viertens zur biblischen Lehre über den Menschen. Wir haben gesehen, dass die gesamte Psychologie eigentlich der Versuch ist, die Frage aus Psalm 8, Vers 4 zu beantworten: Was ist der Mensch? Wer bin ich?

Es ist so, dass die Psychologie in den vergangenen 130 Jahren lediglich an der äußeren Schale gekratzt hat, ohne wirklich zum Zentrum vorzudringen. Immer wieder zeigt sich das Problem des Reduktionalismus. Es gibt zwar richtige Beobachtungen, doch wesentliche Faktoren bleiben unberücksichtigt. Das verdeutlicht, dass wir Menschen nicht fähig sind, die Frage wirklich zu beantworten: Was ist der Mensch?

Die Bibel ist Gottes Offenbarung. Paulus schreibt in 2. Timotheus 3, Vers 16: Alle Schrift, betont „alle“, also Altes und Neues Testament, ist von Gott eingegeben. Der Mensch ist ja erschaffen im Bild Gottes, wie es in 1. Mose 1, Vers 27 heißt. Deshalb müssen wir zum Schluss kommen, dass nach 130 Jahren Psychologie die empirische Wissenschaft den Menschen nicht wirklich verstehen kann.

Man kann zwar verstehen, wie Lichtwellen einen Reiz auf den Menschen ausüben oder dass beim Anblick eines guten Essens der Speichelfluss angeregt wird – das ist behavioristisch richtig beobachtet. Doch das macht den Menschen nicht aus, es ist nur ein Aspekt. Empirische Wissenschaft kann den Menschen nicht verstehen, weil sie die Existenz Gottes ignoriert, der Mensch aber im Bild Gottes erschaffen ist.

Verstehen lässt sich der Mensch nur, wenn wir auch die Frage nach Gott beantworten. Gott ist der dreieinige Gott – Vater, Sohn und Heiliger Geist – so zeigt es die Bibel. In 1. Korinther 2 wird erklärt: Wer kann wissen, was im Menschen ist, außer dem Geist des Menschen? Dieser erforscht die Tiefen des Menschen. Ebenso kann niemand wissen, was in Gott ist, außer dem Geist Gottes. Hier wird eine Parallele gezogen zwischen dem Geist des Menschen und dem Geist Gottes.

Die Seele ist der Sitz des Willens, das Ich. Wenn David sagt: „Preise den Herrn, meine Seele“, meint er damit sein Ich, das den Herrn preisen soll. Das Ich ist der Sitz des Willens. Das ist ein Abbild von Gott, dem Vater, der in der Bibel immer wieder als der dargestellt wird, der die Ratschlüsse fasst. Der Vater hat den Ratschluss zur Schöpfung gefasst und den Plan zur Erlösung des Menschen.

Der Körper ist das einzig Sichtbare am Menschen. Der Sohn Gottes ist der, der in diese Welt gekommen ist und Gott sichtbar gemacht hat. So sagt Johannes in Johannes 1, Vers 14: „Das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns, und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, die Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater.“

Diese Dreieinheit des Menschen ist ein Abbild der Dreieinheit Gottes. Dabei sind es in der Gottheit drei Personen. Das menschliche Bild ist ein Schattenbild. Nur Gott kann uns durch Offenbarung in seinem Wort zeigen, wer Gott ist und wer der Mensch ist.

Die Bibel beantwortet die Frage „Was ist der Mensch?“ genauso, wie sie uns Antwort gibt auf die Frage „Wer ist Gott?“ Sprüche 30, Vers 4 sagt: „Was ist sein Name und der Name seines Sohnes, wenn du es weißt?“ Wir Menschen können nicht wissenschaftlich forschen und dann wissen, wer Gott ist. Wir brauchen die Offenbarung durch das Wort Gottes.

Die Bibel spricht davon, dass der Mensch eine Einheit von Körper, Seele und Geist ist. In 1. Thessalonicher 5, Vers 23 heißt es: „Ihr selbst aber, der Gott des Friedens, heilige euch völlig, und euer ganzer Geist und Seele und Leib werde tadellos bewahrt bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus.“

Nun müssen wir untersuchen, was die Bibel über den Geist des Menschen, seine Seele und seinen Körper sagt. Dabei sehen wir, dass auch in der Seelsorge das Ärztliche eine wichtige Rolle spielt. Manche seelische Krankheiten resultieren aus körperlichen Schäden, etwa wenn ein bestimmter Neurotransmitter zu wenig produziert wird.

Paulus grüßt in Kolosser 4 und erwähnt Lukas, den geliebten Arzt. Das ist eine biblische Grundlage für die Bedeutung der Medizin, die in der Seelsorge einbezogen werden muss. Wenn der Seelsorger kein Arzt ist, muss er bereit sein, jemanden zum Arzt zu schicken, wenn es erforderlich ist.

Wir müssen alle Aspekte des Menschen berücksichtigen. Die Bibel spricht über das Gewissen, zum Beispiel in Römer 2, Verse 14-15. Dort wird das Gewissen als Gabe Gottes beschrieben. Wenn Nationen kein Gesetz haben, so handeln sie doch von Natur aus nach den Dingen des Gesetzes. Sie sind sich selbst ein Gesetz und zeigen das Werk des Gesetzes in ihren Herzen, indem ihr Gewissen mitzeugt und ihre Gedanken sich gegenseitig anklagen oder entschuldigen.

Der Mensch hat von Gott ein Gewissen, das ihm sagt, was Recht und Unrecht ist. Deshalb ist es wichtig, dass in der Psychologie das Gewissen nicht zerstört wird, indem man sagt, wie in der Freud’schen Psychologie, dass Schuldgefühle nur Illusionen seien, die man wegbringen müsse, um das Problem zu lösen. Nein, wir müssen von konkreter Schuld ausgehen.

Wenn jemand in die Seelsorge kommt und Schuldprobleme hat, muss man dem nachgehen. Es kann sein, dass das Gewissen in manchen Fällen zu empfindlich ist und jemand Dinge als Schuld empfindet, die die Bibel nicht als Schuld bezeichnet. Das ist aber nicht die Regel. Hauptsächlich handelt es sich um echte Schuld.

In solchen Fällen muss gezeigt werden, wie der Mensch Vergebung erhalten kann. Er muss die Schuld konkret bereuen, im Gebet Gott bekennen und Gottes Vergebung nach 1. Johannes 1, Vers 9 in Anspruch nehmen, weil der Herr Jesus dafür gestorben ist. Das Gewissen muss also berücksichtigt werden.

Dann gibt es das Fleisch. In Römer 7, Vers 18 bezeichnet Paulus damit die sündige Natur im Menschen, die wir von Adam geerbt haben. Diese wird als Fleisch bezeichnet. Es ist also nicht der Körper, sondern die sündige Natur im Körper.

Das entspricht dem, was Freud das Es nannte. Das ist jedoch nicht evolutionär von den Affen geerbt, sondern geht auf den Sündenfall zurück. Paulus sagt in Römer 7,18: „Denn ich weiß, dass in mir, das ist in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt; denn das Wollen ist bei mir vorhanden, aber das Vollbringen dessen, was Recht ist, finde ich nicht.“

Das böse Wesen des Menschen muss in der Seelsorge berücksichtigt werden. Man darf nicht sagen: Wenn jemand Ehebruch begangen hat, „Ja, ja, ich verstehe das, du bist immer abgelehnt worden und suchst jetzt Bestätigung außerhalb der Ehe.“ Man muss deutlich machen, dass das bösartig ist. Gott verurteilt das als schwere Schuld.

Doch es gibt Vergebung, wenn jemand wirklich Einsicht zeigt und seine Schuld bereinigen will. Dann gibt es einen neuen Weg und Hoffnung. Man denkt an das Gespräch Jesu mit der Ehebrecherin in Johannes 8. Das Fleisch muss also wirklich mit einbezogen werden.

Die Bibel spricht auch von der neuen Geburt. Johannes 1, Vers 12 sagt: „So viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben, welche nicht aus Geblüt, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.“

Durch die Bekehrung erhält der Mensch neues Leben aus Gott. Dieses neue Leben gibt ihm die Kraft, gottgemäß zu leben. Ein säkularer Psychologe hat dafür kein Verständnis, denn das neue Leben aus Gott existiert in seiner Sicht nicht.

Oder mit anderen Worten: Das neue Leben ist Christus. Paulus sagt in Galater 2, Vers 20: „Ich bin mit Christus gekreuzigt, und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir. Was ich aber jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich durch den Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich hingegeben hat.“

Ein ganz wichtiger Aspekt, den ein säkularer Psychologe nicht verstehen kann, ist die Realität des Geistes Gottes. In Römer 8, Verse 14-16 heißt es: „Denn so viele durch den Geist Gottes geleitet werden, die sind Söhne Gottes. Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, wiederum zur Furcht, sondern einen Geist der Sohnschaft habt ihr empfangen, in welchem wir rufen: Abba, Vater! Der Geist selbst zeugt mit unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind.“

Der Geist Gottes ist eine Realität. Wir sehen auch, wie der Geist Gottes mit dem Geist des Menschen kommuniziert und ihm zum Beispiel die Gewissheit der Gotteskindschaft vermittelt. Das ist eine Realität, die ein säkularer Psychologe nicht einbeziehen kann.

Die Bedeutung des Heiligen Geistes im Leben und die Beziehung zu Gott als Abba, Vater – diese Vaterbeziehung ist ganz wichtig. Gott ist nicht einfach eine Projektion des Vaters, sondern er ist wirklich da. Gerade wenn man seelisch leidet, ist es wichtig zu wissen, dass der Vater es gut mit einem meint und einen Plan mit dem Leben hat.

Schließlich sind Satan und die Dämonen eine Realität. Nach Epheser 6, Vers 10-12 heißt es: „Zieht an die ganze Waffenrüstung Gottes, damit ihr bestehen könnt gegen die Listen des Teufels. Denn unser Kampf ist nicht gegen Fleisch und Blut, sondern gegen die Fürstentümer, gegen die Gewalten, gegen die Weltbeherrscher dieser Finsternis, gegen die geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern.“

Die Welt der Dämonen ist eine Realität, die in der Seelsorge beachtet werden muss. Die biblische Lehre darüber muss mit einbezogen werden.

Wenn wir also die Bibel als Basis haben, um zu verstehen, wer der Mensch und wer Gott ist, dann haben in der Seelsorge, im Hirtendienst – wie in Epheser 4 beschrieben – oder im Ältestendienst, wie in 1. Timotheus 3, all diese Faktoren, die man vor einigen Jahren als heilende Faktoren festgestellt hat, ihre Bedeutung und Rolle.

Dabei wissen wir, dass ein Gott da ist, der unserem Leben Sinn gibt, der ein Ziel hat und Absichten verfolgt, warum er uns durch schwere Zeiten gehen lässt. Er ist ein Gott der Hoffnung, der uns nach vorne blicken lässt, sodass wir Vergangenes loslassen können und auf einer ganz neuen Basis den Weg vorwärts gehen.

Danke für die Aufmerksamkeit.

Vielen Dank an Roger Liebi, dass wir seine Ressourcen hier zur Verfügung stellen dürfen!

Noch mehr Inhalte von Roger Liebi gibt es auf seiner Webseite unter rogerliebi.ch