Guten Morgen, ich möchte alle herzlich zu diesem Bibelstudientag begrüßen, dem letzten in diesem Jahr 2015. Heute Morgen haben wir das Buch Jeremia vor uns.
In den vergangenen Bibelstudientagen haben wir praktisch alle Bibelbücher durchgenommen, sowohl im Alten Testament als auch im Neuen Testament, inklusive der Bibelstudientage in Rickenbach. Jetzt steht noch Jeremia auf dem Programm, und danach fehlen nur noch 1. und 2. Chronika.
Wir haben manche Bücher in der Übersicht betrachtet, andere wiederum eher detailliert, sogar Vers für Vers, wie zum Beispiel den Propheten Jesaja. Das hat ebenfalls eine Weile gedauert. Für heute habe ich vorgesehen, Jeremia in einer Übersicht zu behandeln. Die Themen sind dabei keineswegs erschöpft. Solche Bücher, die wir früher nur überblicksartig behandelt haben, könnten wir in Zukunft auch einmal Vers für Vers durchnehmen – so wie das bei Jesaja und anderen Büchern der Fall war.
Wie jedes Mal versuche ich, ein Bibelbuch in einigen Sätzen zusammenzufassen. Das habe ich bei Jeremia folgendermaßen gemacht: Auf dem Skript sieht man, dass Jeremia in einer äußerst schwierigen Epoche lebte, in der alles vor seinen Augen zusammenbrach. Als junger Prophet zum Dienst berufen, erwies er sich dem Herrn gegenüber als treuer Nachfolger – trotz Einsamkeit und vehementem Widerstand.
Seine Prophezeiungen betrafen große Teile seiner eigenen Zeit. Ihre nachweisbare Erfüllung bestätigte ihn als „wahren Propheten des Herrn“, dem geglaubt werden kann – auch wenn er detailliert über die in ferner Zukunft liegende Wiederherstellung Israels in der Endzeit weissagte.
Jeremia lebte also in der Epoche um 600 vor Christus. Die großen politischen Ereignisse waren folgende: Das mächtige assyrische Weltreich, das lange Zeit den ganzen Nahen Osten beherrscht und terrorisiert hatte, brach zusammen. Die Assyrer waren bekannt für ihre unglaubliche Brutalität. Sie häuteten Kriegsgefangene bei lebendigem Leib, schnitten Zungen ab, stachen Augen aus und mehr.
Dieses schreckliche, terrorisierende Weltreich hatte seinen Ausgangspunkt im Nordirak – genau dort, wo 2006 der IS gegründet wurde. Dieses Reich brach 612 vor Christus zusammen, und zwar durch die entscheidende Eroberung der Hauptstadt Ninive durch die Babylonier und Meder.
Diese Eroberung hatte übrigens der Prophet Nahum vorausgesagt. In einem früheren Bibelstudientag haben wir Nahum behandelt; dort ging es um die Prophetie über den Fall Ninives.
Die Kriege gingen jedoch noch weiter bis 609 vor Christus. Im Jahr 609 war Assyrien vollständig vernichtet, und alle Überreste waren besiegt. Weltmacht Nummer eins war nun Babylonien, dessen Kerngebiet im heutigen Südirak lag.
In diesen entscheidenden Jahren kam Nebukadnezar II. an die Macht. Er führte die babylonischen Heere im Jahr 606 zum ersten Mal nach Jerusalem. Das war die erste Belagerung Jerusalems, bei der unter anderem Daniel und seine Freunde nach Babylon in den Südirak deportiert wurden.
Das Königreich Juda konnte damals unter König Jojakim weiterbestehen. Allerdings kam es im Jahr 597 zu einem erneuten Konflikt. Die babylonische Armee deportierte erneut Menschen nach Babylon. Das war die zweite Wegführung, bei der unter anderem der Prophet Hesekiel unter den Weggeführten war (Hesekiel 1,1-2).
Die Ereignisse gingen noch einige Jahre weiter. Das jüdische Königreich durfte zwar weiterhin existieren, doch die endgültige Katastrophe kam 586 vor Christus. Die Babylonier zerstörten alles. Jerusalem wurde dem Erdboden gleichgemacht, der salomonische Tempel vollständig vernichtet.
Damals wurde die große Masse der Juden, die diesen Krieg überlebten – denn ein großer Teil kam ums Leben –, nach Babylon deportiert. Es ging noch ein wenig weiter: 582 gab es eine vierte Wegführung. Diese wird übrigens nur in Jeremia erwähnt, in seinem letzten Kapitel.
Wir befinden uns also bereits mitten in der babylonischen Gefangenschaft der Juden. Die Wende sollte jedoch nach siebzig Jahren in Babel kommen. Das werden wir noch anschauen.
Gerade Jeremia, der in der Zeit vor 606 v. Chr., also vor der ersten Belagerung Jerusalems, als Prophet aufgetreten ist, rief das Volk zur Umkehr auf. Er drohte mit den Worten: „Wenn ihr nicht umkehrt, wird Jerusalem vernichtet werden.“ Jeremia erlebte in all diesen Jahren die traurigen Wegführungen und schließlich den Zusammenbruch Jerusalems und des Tempels im Jahr 586 v. Chr.
Während dieser Zeit wirkte er als Prophet und forderte das Volk immer wieder zur Buße auf. Gleichzeitig sprach er aber auch davon, dass Israel nicht endgültig verloren sei. Es gebe eine Wiederherstellung. Nach 70 Jahren in Babel werde es eine Rückkehr ins Land geben.
Zweitens kündigte Jeremia an, dass Gott in der Endzeit sein Volk weltweit aus allen Völkern sammeln und zurück in ihre Heimat führen werde. Schließlich würde der Messias kommen, um als Friedensfürst über die ganze Erde zu regieren.
Diese Themen hat Jeremia ausführlich behandelt. Die siebzig Jahre in Babel, die wir noch genauer betrachten werden, entsprechen genau der Zeit von 609 v. Chr., als die letzten Reste des assyrischen Reiches besiegt wurden, bis zum Herbst 539 v. Chr.
Damals eroberten die Perser und Meder, nebenbei bemerkt, die Kurden sind stolz darauf, Nachkommen des alten medischen Volkes zu sein, in wenigen Kriegen Babylon. Dabei verwüsteten sie die Stadt Babylon nicht, sondern übernahmen die gesamte Macht.
Der damalige persische König Kyros gab den Juden offiziell die Erlaubnis: „Ihr dürft alle wieder nach Hause in euer Land zurückkehren, baut die Stadt Jerusalem wieder auf und auch den Tempel.“
Weltgeschichtlich hat sich diese Zeitspanne von 609 bis 539 v. Chr. somit exakt erfüllt.
Zu Beginn des Buches Jeremia steht: Worte Jeremias, des Sohnes Hilkias, von den Priestern, die zu Anatot im Lande Benjamin wohnten. Zu ihnen geschah das Wort des Herrn in den Tagen Josias, des Sohnes Ammons, des Königs von Juda, im dreizehnten Jahr seiner Regierung. Es geschah auch in den Tagen Joachims, des Sohnes Josias, des Königs von Juda, bis zum Ende des elften Jahres Zedekias, des Sohnes Josias, des Königs von Juda, bis zur Wegführung Jerusalems im fünften Monat.
Das Wort des Herrn geschah zu mir also: Ehe ich dich im Mutterleib bildete, habe ich dich erkannt. Und ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt. Zum Propheten an die Nationen habe ich dich bestellt.
Ich sprach: Ach Herr, ewiger, siehe, ich weiß nicht zu reden, denn ich bin jung. Da sprach der Herr zu mir: Sage nicht, ich bin jung, denn zu allen Orten, wohin ich dich senden werde, sollst du gehen. Und alles, was ich dir gebieten werde, sollst du reden. Fürchte dich nicht vor ihnen, denn ich bin mit dir, um dich zu erretten, spricht der Herr.
Der Herr streckte seine Hand aus und rührte meinen Mund an. Er sprach zu mir: Siehe, ich lege meine Worte in deinen Mund. Siehe, ich bestelle dich an diesem Tag über die Nationen und über die Königreiche, um auszurotten, niederzureißen, zu zerstören, abzubrechen, umzubauen und umzupflanzen.
Das Wort des Herrn geschah zu mir also: Was siehst du, Jeremia? Ich sprach: Ich sehe einen Mandelstab. Der Herr sprach zu mir: Du hast richtig gesehen, denn ich werde über mein Wort wachen, es auszuführen.
Und das Wort des Herrn geschah zu mir zum zweiten Mal also: Was siehst du? Ich sprach: Ich sehe einen siedenden Topf, dessen Vorderteil gegen Süden gerichtet ist. Der Herr sprach zu mir: Von Norden her wird das Unglück losbrechen über alle Bewohner des Landes. Denn siehe, ich rufe alle Geschlechter der Königreiche gegen Norden, spricht der Herr, dass sie kommen und an jedem seinen Thron stellen, an den Eingang der Tore Jerusalems, gegen alle seine Mauern ringsum und gegen alle Städte Judas.
Ich werde meine Gerichte über sie sprechen wegen all ihrer Bosheit, weil sie mich verlassen haben und anderen Göttern geräuchert haben. Vor den Werken ihrer Hände haben sie sich niedergebeugt.
Du aber, gürte deine Lenden und mache dich auf, und rede zu ihnen alles, was ich dir gebieten werde. Verzage nicht vor ihnen, damit ich dich nicht vor ihnen verzagt mache.
Ich sehe: Ich mache dich heute zu einer festen Stadt, zu einer ehrenden Säule und zu einer ehrenden Mauer gegen das ganze Land. Sowohl gegen die Könige von Juda als auch dessen Fürsten, dessen Priester und das Volk des Landes.
Sie werden gegen dich streiten, aber dich nicht überwältigen, denn ich bin mit dir, spricht der Herr, um dich zu erretten.
Dieses Kapitel bildet gewissermaßen die Einführung in das ganze Buch. Es ist ein in sich geschlossener Teil. Danach folgen einzelne Predigten des Propheten, die in den weiteren Kapiteln aufgeführt werden.
Nun noch einiges zum Zeitpunkt: Dieser wird sehr genau datiert in den ersten Versen. Es heißt dort: Im dreizehnten Jahr des Königs Josias. Nach der strikten biblischen Chronologie lässt sich das gut umrechnen. Es ergibt das Jahr 628 vor Christus.
Das jüdische Jahr überschneidet sich nicht exakt mit unserem Kalender. Ein jüdisches Jahr umfasst jeweils Teile von zwei Jahren unseres Kalenders, zum Beispiel von 628 und 627 v. Chr.
Weiter heißt es, dass die Offenbarung Gottes bis ins elfte Jahr Zedekias andauerte. Dieses Jahr ist das Jahr des Untergangs Jerusalems und der großen, gewaltigen Wegführung nach Babylon. Damit endete auch das Königtum des Hauses Davids. Dieses Ereignis datiert auf das Jahr 586 vor Christus. Die Auswirkungen erstrecken sich bis 585 v. Chr.
Im Buch Jeremia, Kapitel 52, wird dies noch einmal deutlich. So wie Kapitel 1 als Einleitung abgegrenzt ist, bildet Kapitel 52 einen eigenständigen Anhang. In diesem Kapitel werden die großen Ereignisse der Prophetie Jeremias in ihrer Erfüllung vorgestellt. Dort wird anschaulich die Zerstörung Jerusalems beschrieben, ebenso die Verwüstung des salomonischen Tempels.
Außerdem wird die vierte Wegführung im Jahr 582 v. Chr. erwähnt. Diese Wegführung kommt nur im Buch Jeremia vor; eine Parallele dazu findet sich sonst nirgends in der Bibel. Es handelt sich um Vers 32 in Kapitel 52. Dort heißt es: Im 23. Jahr Nebukadnezars führte Nebusaradan, der Oberste der Trabanten, von den Juden 745 Seelen weg, von insgesamt 4600.
Das Buch Jeremia geht zeitlich noch weiter. Ganz am Schluss wird berichtet, wie einer der weggeführten Könige aus seinem Hausarrest schließlich befreit wurde, und zwar im Jahr 561 vor Christus. Damit kommen wir der Beendigung der babylonischen Gefangenschaft näher, die 539 v. Chr. stattfand.
Das Buch Jeremia reicht also bis ins Jahr 561. Ich lese diese Verse vor, die einen Lichtblick inmitten all dieser traurigen Ereignisse darstellen: Zerstörung Jerusalems, Verwüstung des Tempels und Wegführung der Juden nach Babylon.
In Jeremia 52,31 steht: „Und es geschah im siebenunddreißigsten Jahr der Wegführung Jojakins, des Königs von Juda, im zwölften Monat, am fünfundzwanzigsten des Monats, da erhob Evil-Merodach, ein Nachfolger Nebukadnezars, König von Babel, im ersten Jahr seiner Regierung das Haupt Jojakins, des Königs von Juda, und führte ihn aus dem Gefängnis. Und er redete gütig mit ihm und setzte seinen Stuhl über den Stuhl der Könige, die bei ihm in Babel waren. Er veränderte die Kleider seines Gefängnisses.“
Damit ist sein Hausarrest im Palast Nebukadnezars gemeint. Weiter heißt es, dass Jojakin beständig vor ihm aß, alle Tage seines Lebens. Sein Unterhalt wurde ihm vom König von Babel täglich gegeben, so viel er brauchte, bis zum Tag seines Todes, alle Tage seines Lebens.
Damit geht die Prophetie sogar noch über das Jahr 561 hinaus bis zum Tod Jojakins. Dieser Lichtblick steht symbolisch für all die Hoffnungen, die Jeremia in seiner Prophetie für Israel gibt. Obwohl das Volk vieles nicht verdient hat, wird Gott ihm Gnade erweisen. Schließlich wird es eine wunderbare, endgültige Wiederherstellung in der Endzeit geben, im tausendjährigen Friedensreich.
Nun noch ein Detail: Dieser Joaquin erhielt eine Art Altersversorgung vom babylonischen König. Bis zum Ende seines Lebens wurde ihm quasi ein Unterhalt festgeschrieben.
Herr Weidner, ein Assyriologe – das sind Fachleute, die zu den wenigen gehören, die Arkadisch sprechen und Keilschrift lesen können – hat sich mit solchen Texten beschäftigt. Assyriologen sind oft Einzelgänger, weil ihr Beruf sehr spezialisiert ist. Ihre Arbeit kann sehr langweilig sein. Sie arbeiten häufig in Museen, denn aus dem Zweistromland wurden Hunderttausende von keilschriftlichen Texten ausgegraben. Die meisten davon sind noch gar nicht bearbeitet oder übersetzt.
Weidners Arbeit bestand meist darin, solche Texte zu übersetzen. Das sind meistens irgendwelche trockenen Aufzählungen von Kaufverträgen oder Abmachungen – wirklich staubtrocken. So war auch Weidners Arbeit, bis er 1933 zwei Bruchstücke einer Tafel bekam. Darauf stand der König Joaquin.
Tatsächlich steht dort, dass man ihm für jeden Tag das festgesetzte Nahrungsmittel liefern muss. Auch fünf seiner Söhne werden erwähnt, die ebenfalls von dieser Versorgung profitieren durften. Diese Tafel war schon lange im Museum, genauer gesagt im Pergamonmuseum in Berlin, im Archiv vorhanden. Doch niemand wusste davon. Jetzt wurde sie übersetzt – und das war ein „Wow“-Moment: Das ist sozusagen die originale Quittung, gewissermaßen seine Altersversorgung, ähnlich einer AHV. Diese wird am Ende von Jeremia 52 als Lichtblick erwähnt.
Solche Highlights der biblischen Archäologie gibt es übrigens unzählige. Das ist ein schönes Beispiel.
Kehren wir zurück zu Jeremia 1. Nun ist die zeitliche Einordnung klar.
Noch etwas zu seiner Person: Er wird oft der „weinende Prophet“ genannt. Tatsächlich hat er nicht nur das Volk vor der Katastrophe gewarnt, sondern auch geweint, als sie eingetreten war. Eine falsche Reaktion wäre gewesen, zu sagen: „Seht ihr, jetzt ist es gekommen, ich habe es ja immer gesagt. Ha, jetzt habt ihr es.“ Aber so war er nicht.
Er ist der weinende Prophet, und deshalb hat er auch das Buch der Klagelieder geschrieben. Dieses Buch haben wir ja schon früher an einem Wochentag durchgenommen. Dort wird sein Weinen über das Elend seines Volkes beschrieben.
Wir können daraus praktische Lehren ziehen – ich habe am Schluss des Skripts „praktische Lehren“ notiert. Jeremia hatte ein zart fühlendes Herz, und wir werden gleich sehen, dass er ein einfühlsamer Mensch war.
Ein zart fühlendes Herz eignet sich besonders gut, um Gottes schonungsloses Gericht in einem Ton zu verkündigen, der zugleich auch gewinnend zur Buße ruft. Wir können also lernen: Jeremia liebte die Menschen, zu denen er sprach, obwohl sie einen falschen Weg gingen. Und er konnte weinen, wenn das Unglück über sie kam, weil sie nicht gehört hatten.
Davon können wir auch lernen: Niemals Häme empfinden, wenn das Gericht über unsere Feinde kommt.
Und dann möchte ich noch Jeremia 9 lesen, um das zu unterstreichen – der weinende Prophet. Dort sagt er: „Oh, dass mein Haupt Wasser wäre und meine Augen ein Tränenquell, so wollte ich Tag und Nacht beweinen die Erschlagenen der Tochter meines Volkes.“
Je nach Bibelausgabe variiert die Zählung. Bei mir ist es Jeremia 9,1; in anderen Ausgaben vielleicht 8,23. Dort heißt es: „Oh, dass mein Haupt Wasser wäre und mein Auge ein Tränenquell! So wollte ich Tag und Nacht beweinen die Erschlagenen der Tochter meines Volkes.“
Jeremia ruft außerdem alle auf, die dieses Elend erlebt haben, zu weinen. In Klagelieder 2,19 lesen wir: „Mache dich auf, klage in der Nacht, beim Beginn der Nachtwachen, schütte dein Herz aus wie Wasser vor dem Angesicht des Herrn, hebe deine Hände zu ihm empor für die Seele deiner Kinder, die vor Hunger verschmachten an allen Straßenecken.“
Hier sehen wir einen Gegensatz zur stoischen Philosophie, die besagt, man solle das Leiden durch Gefühlslosigkeit überwinden. Daher spricht man von einer „stoischen Miene“ – das ist ein Gesichtsausdruck, der sich auch bei Leiden nicht verzieht. Diese Haltung ist jedoch nicht biblisch. Die Stoiker werden in Apostelgeschichte 17 als Feinde des Evangeliums erwähnt. Als Paulus nach Athen kam, spotteten die Stoiker über ihn.
Die Bibel sagt hingegen, dass wir Schmerzen empfinden und weinen sollen. Wichtig ist, dass wir diese Gefühle dem Herrn klagen. Es geht nicht darum, einfach nur laut zu schreien, wie es die säkulare Psychologie manchmal empfiehlt. Dort heißt es oft: „Schrei dein Elend raus!“ Aber das allein bringt keine Heilung.
Wirkliche Heilung kommt, wenn wir unser Herz vor dem Angesicht des Herrn ausschütten. Das ist entscheidend. Viele Menschen haben zwar geschrien, aber dadurch keine Heilung erfahren. Jeremia hat es so gemacht – er hat sein Herz vor Gott ausgeschüttet und seine Trauer und Klage zu ihm getragen.
Nun, ich habe speziell im Skript den Autor aufgeführt. Er nennt sich ja ausdrücklich in Vers 1 „Worte Jeremias“. Sein Name kommt übrigens über 130 Mal im Buch Jeremia vor. Kein Prophet wird so oft namentlich in der Bibel genannt wie Jeremia.
Darum kann man auch sagen, dass das Buch Jeremia das persönlichste Prophetenbuch ist, das es gibt. Deshalb lesen wir in diesem Buch auch sehr viele persönliche Erlebnisse, Begegnungen und Konfrontationen von Jeremia.
Er hat die Kapitel 1 bis 51 geschrieben, aber auch noch Kapitel 52. Er selbst sagt, dass Kapitel 52 quasi als Anhang hinzugefügt wurde. Man muss das mal vergleichen: Es stimmt ja überein mit 2. Könige 24,18 bis 25,30. Das ist der Schluss der Königsbücher.
Erste und Zweite Könige waren im hebräischen Original ursprünglich ein Buch. Diese wurden später künstlich geteilt. Die Teilung ist kein Problem, aber man muss einfach wissen, dass es im Prinzip ein Buch ist. Das gilt übrigens auch für Erste und Zweite Samuel – auch sie waren ursprünglich ein Buch – und ebenso für Erste und Zweite Chronik. Auch diese waren ursprünglich ein Buch.
In der jüdischen Überlieferung der alten Rabbiner, aus der wir viel Information aus der Antike erhalten, wird klar gesagt, dass Jeremia das Buch Jeremia geschrieben hat, ebenso die Klagelieder und auch das Buch der Könige – also Erste und Zweite Könige. Alle diese Bücher wurden von diesem Propheten verfasst.
Das steht im babylonischen Talmud, Traktat Bawabatra 14b bis 15a. Das ist ein ganz interessanter Abschnitt im Talmud, der auch Angaben über die Verfasserschaft verschiedener Bibelbücher macht. Außerdem spricht er über die Bearbeitung biblischer Bücher und die Inspiration durch den Heiligen Geist.
Nun wenden wir uns der Frage der Handschriftenüberlieferung zu. In Qumran wurden Überreste von sechs Jeremia-Rollen gefunden. In Höhle zwei entdeckte man eine Rolle, und in Höhle vier, die ohnehin die reichhaltigsten Funde lieferte, befanden sich mehrere zehntausend Fragmente. Dort fand man Überreste von fünf Jeremia-Rollen.
Höhle vier ist die Höhle, die man direkt sieht, wenn man auf dem Plateau von Qumran steht, an dem Ort der alten Siedlung. Die erste große Höhle, die man von dort aus erkennen kann, ist die Höhle IV. Dort wurde eine Rolle gefunden, die auf etwa 200 vor Christus oder sogar noch früher datiert wird. Diese Rolle trägt die Bezeichnung 4QJerA – das bedeutet: Höhle vier (4), Qumran (Q), Jeremia (Jer) und A für die erste von fünf Rollen, also A, B, C und so weiter. Die jüngste Rolle stammt aus etwa 25 vor Christus und trägt die Bezeichnung 4QJerC.
Wichtig zu wissen ist: Bevor man Qumran und diese alten Rollen aus vorchristlicher Zeit entdeckte, gab es nur den masoretischen hebräischen Text aus dem Mittelalter. Dieser liegt in Tausenden von Handschriften vor, die bis auf einzelne Buchstaben weitgehend übereinstimmen – was ganz erstaunlich ist. Dieser Text ist etwa tausend Jahre jünger als die Funde aus Qumran.
Als Qumran entdeckt wurde, dachten manche, nun werde man sehen, wie schlecht die Bibel überliefert worden ist. Endlich habe man Handschriften, die tausend Jahre älter sind als die bisher bekannten. Es wurde erwartet, dass nun klar wird, dass der mittelalterliche Text, auf den sich alle Bibelübersetzungen stützen, miserabel sei.
Doch einige Jahrzehnte der Qumran-Forschung stellten diese Annahme auf den Kopf. Man stellte fest, dass der mittelalterliche masoretische Text in mancher Hinsicht sogar altertümlicher ist als die vorchristlichen Handschriften aus Qumran. Vor allem die Orthographie ist oft ursprünglicher, während die Qumran-Handschriften in der Orthographie bereits etwas modernisiert waren.
Damit wurde deutlich: Das Beste, was wir haben, ist das, was wir schon immer hatten. Der masoretische Text geht zurück auf einen Zentraltext, der im Tempel in Jerusalem bis zum Jahr 70 nach Christus aufbewahrt wurde. Dort lagerten die allerbesten Manuskripte. Alle anderen Handschriften im Land, in den Synagogen, mussten, wenn sie genau sein sollten, immer wieder an diesen besten Handschriften im Tempel geeicht werden.
Trotz der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 konnte das Judentum diesen Text bewahren. Es ist genau dieser Text, der im Mittelalter so gründlich in zahlreichen Handschriften durch die Rabbiner überliefert wurde.
Qumran ist also interessant, doch es bringt nichts wirklich Neues. Es bestätigt vielmehr, dass das, was wir immer hatten, das Beste ist, was es gibt.
Kommen wir nun zur Struktur des Buches. Es ist sehr wichtig, wenn man biblische Prophetie verstehen will, dass man alle Prophetenbücher studiert und sich eine Übersicht über diese verschafft. Ebenso entscheidend ist es, genau zu wissen, in welche Zeit ein bestimmtes prophetisches Buch hineingeschrieben wurde. Man sollte den unmittelbaren Anlass und die Umstände kennen, unter denen es entstanden ist.
Ebenso wichtig ist die Frage: Wie ist die Struktur des Buches? Die richtige Einteilung eines Buches hilft sehr dabei, die Botschaft besser zu verstehen. Wenn wir jetzt diese Arbeit durchgehen, ist das zwar sehr trocken, aber solche gründliche Arbeit ist notwendig, um am Ende die süßen Früchte zu ernten.
Es ist also ganz wesentlich, einen Überblick über die gesamte Prophetie zu haben. Nur so kann man fundierte Aussagen machen, etwa über die Endzeit. Das ist nämlich ein großes Problem. Im Internet gibt es sehr viele Informationen zur Endzeit, aber oft sind diese schlicht Unsinn. Viele verdrehen die Aussagen und behaupten, sie hätten etwas ganz Neues entdeckt, was vorher niemand wusste.
Beispielsweise wird Babylon in der Offenbarung oft völlig anders interpretiert als üblich. Oder das vierte Tier im Buch Daniel wird nicht als das Römische Reich gedeutet, sondern als der Islam – und so weiter. Wenn man sich aber die Leute anschaut, die solche Thesen vertreten, stellt man schnell fest, dass sie die Prophetie nicht wirklich kennen. Das Problem liegt darin, dass sie die grundlegende Arbeit nicht gemacht und sich keinen wirklichen Überblick über die Bibel verschafft haben.
Das gilt auch für jene, die sagen: „Ach, was soll das mit der Endzeit? Das hat man doch schon immer so gemeint.“ Wenn man diese Personen jedoch genauer befragt, merkt man schnell, dass sie die Prophetie gar nicht kennen. Sie wissen nicht aus dem Stegreif, wie Habakuk aufgebaut ist, wie Sacharja strukturiert ist oder auf was sich welches Kapitel bezieht. Oder wie es mit Jesaja 40 und den folgenden Kapiteln aussieht – das wissen sie nicht.
Solche Leute können daher auch keine fundierten Aussagen machen. Das ist ganz wichtig zu verstehen. Es braucht viel Arbeit, um die Prophetie wirklich zu begreifen. Wie es in den Sprüchen heißt: „Kaufe Wahrheit, auch wenn es etwas kostet, und verkaufe sie nicht.“
Wir haben gesehen: Der erste Teil ist die Berufung zum Dienst, Kapitel 1, das steht schön für sich. Danach folgt ein großer Teil zwei, die Prophetie über das jüdische Volk, und das umfasst die Kapitel 2 bis 45. Dieser große Abschnitt zerfällt wiederum in drei Hauptteile.
Auch diese drei Hauptteile könnte man noch weiter in kleinere Abschnitte unterteilen, aber das habe ich bewusst nicht gemacht. Man muss aufpassen, dass man vor lauter Bäumen nicht den Wald aus den Augen verliert. Heute geht es vor allem um den Wald.
Der erste Hauptteil ist das Gericht über Juda, das umfasst die Kapitel 2 bis 29. Zweitens folgt die Verkündigung der Wiederherstellung Jerusalems in der Endzeit. Das sind die besonders hellstrahlenden Kapitel 30 bis 33. Dort steht auch der Vers: „Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt, darum habe ich dir fortdauern lassen meine Güte.“ In der Endzeit wird es also eine endgültige, herrliche Wiederherstellung für das jüdische Volk und die Stadt Jerusalem geben.
Drittens folgt die Erfüllung des Gerichts, Kapitel 34. Dort wird berichtet, wie sich das erfüllt hat, was Jeremia in den Kapiteln 2 bis 29 prophezeit hatte.
Dann kommt wieder ein eigener Teil, drittens: die Prophetie über die Heiden, das sind die Kapitel 46 bis 51.
Wir haben bei der Betrachtung anderer Prophetiebücher am Bibelstudientag gesehen, dass solche Bücher oft in zeitlicher Reihenfolge geschrieben sind, also die Kapitel chronologisch angeordnet sind. So war es zum Beispiel bei Daniel, das wir vor kurzem durchgenommen haben, ganz streng und konsequent.
Bei Jeremia ist das überhaupt nicht so. Dort wird in den Kapiteln zeitlich hin- und hergesprungen. Mal ist man in der Zeit von Zedekia, dann wieder zurück in der Zeit von Joachim. Es wird ständig gesprungen.
Manche sagen deshalb: „Seht ihr, das Buch Jeremia ist einfach chaotisch angeordnet.“ Nein, in der Bibel ist nichts chaotisch angeordnet. Jeremia ordnet seinen Stoff nach inhaltlichen Kriterien, das Zeitliche ist zweitrangig. Das erklärt, warum zum Beispiel die Prophetie über die Heiden, auch wenn sie aus einer früheren Zeit im Leben Jeremias stammt, hier gesammelt wird.
Mit Heiden meine ich die nichtjüdischen Völker.
Zuerst haben wir ein Kapitel über Ägypten, Kapitel 46. Das war natürlich ganz wichtig in der Zeit von Jeremia. Man muss sich das so vorstellen: Nachdem die Babylonier und Meder das assyrische Weltreich zum Zusammenbruch geführt hatten (612 bis 609 v. Chr.), war Babylon im Nahen Osten die Nummer eins. Aber es gab noch ein weiteres Weltreich, das eine gefährliche Herausforderung darstellte: Ägypten.
Darum ging es jetzt um die Frage, wer wirklich das Erbe der Assyrer antreten kann – Babylon oder Ägypten? Dann kam es zu der entscheidenden Schlacht bei Karkemisch. Dort wurde Ägypten von den Babyloniern besiegt. Die babylonische Armee jagte den Ägyptern bis nach Ägypten hinterher. Jeremia beschreibt prophetisch in Kapitel 46 den Zusammenbruch des ägyptischen Reiches unter dem Angriff der Babylonier, die dadurch tatsächlich zum Weltreich Nummer eins wurden.
Zweitens wird über die Philister gesprochen, Kapitel 47. Das sind die Leute im heutigen Gazastreifen und Umgebung, das ist das Philisterland. Übrigens klingt „Palästinenser“ auf Deutsch ganz anders als „Philister“, aber es ist eigentlich dasselbe. Auf Arabisch machen wir den Unterschied nicht. Ein biblischer Philister ist ein Philastini, und ein Palästinenser ist ebenfalls ein Philastini – das gleiche Wort.
Dann kommt Moab dran, Kapitel 48. Das ist das Gebiet von Mitteljordanien, jenseits des Toten Meeres.
Danach folgt Edom, das Gebiet von Südjordanien, also südlich des Toten Meeres. Was sage ich – jetzt bin ich schon gesprungen: Edom ist Südjordanien. Dazwischen liegt Ammon. Ammon ist Nordjordanien, nördlich des Toten Meeres. Der Hauptstadtname Amman stammt von Ammon.
Dann kommt Damaskus, die wichtige Hauptstadt der Syrer, und danach Kedar und Hazor. Das Hazor hier ist nicht das Hazor im Land Kanaan, das Josua im Buch Josua besiegt hatte, sondern ein Hazor im heutigen Saudi-Arabien, zusammen mit Kedar. Also das Gebiet von Saudi-Arabien in der Prophetie.
Dann folgt Elam. Elam ist ein anderer Name für Persien. Das Kerngebiet von Elam lag im heutigen Südwesten des Iran.
Danach kommt Babylonien, das ist der heutige Südirak.
Warum kommt Babylonien hier am Schluss? Weil dieses Land Gottes Gericht über die Juden ausgeführt hat, in der Zeit von Jeremia. Die Babylonier führten die Juden nach Babylon in Gefangenschaft. Auch sie kommen unter Gottes Gericht. Gott hat zwar diese Armee benutzt, um sein Volk wegen seines Götzendienstes zu bestrafen, aber die Babylonier handelten aus eigener Bosheit. Darum müssen auch sie bestraft werden.
Das Besondere an den Kapiteln 50 und 51 ist, dass es hier nicht um die Eroberung geht, die die Babylonier im Jahr 539 v. Chr. erlebt haben, sondern ausdrücklich um die Endzeit.
Die Endzeit ist in der Bibel die Zeit, wenn das jüdische Volk aus der weltweiten Zerstreuung wieder heimkehrt ins Land.
Dann soll ein schreckliches Gericht über Babylonien kommen, sodass dieses Gebiet schließlich nicht mehr bewohnt werden kann. Kapitel 50 und 51 zusammen mit der Parallele in Jesaja 13 und 14 enthalten etwa sechzig Prophezeiungen, die in den vergangenen Jahren im Zusammenhang mit dem Golfkrieg 1991 und dem Golfkrieg 2003 erfüllt wurden.
Was noch in der Zukunft liegt, ist die totale Verwüstung, so dass dieses Gebiet nicht mehr bewohnt werden kann. Es heißt sogar, dass der Araber mit seiner Schafherde nicht einmal mehr durch dieses Gebiet hindurchziehen wird.
Diese letzte Katastrophe wird durch einen Angriff von Norden her kommen. Der Südirak hat also noch etwas zu erwarten.
In dem Zusammenhang wird gesagt, dass das jüdische Volk aus Babylon, also aus diesem Gebiet, fliehen soll, bevor das Gericht über Babylonien fällt.
Wir werden im nächsten Teil noch kurz darauf zurückkommen, um zu sehen, wie sich das in unserer Zeit erfüllt hat: dass das jüdische Volk aus dem Irak geflohen ist, bevor die Kriege 1991 und 2003 über den Irak gekommen sind – und natürlich vor dem, was noch über den Irak in der Zukunft kommen wird, ich muss sagen, über den Südirak.
Damit ist die babylonische Gefangenschaft der Juden endgültig zum Schluss gekommen.
Ich habe gesagt, Jeremia hat vorausgesagt: 70 Jahre wird die Weltherrschaft von Babel dauern, und dann können die Juden wieder heimkehren.
Zehntausende sind damals heimgekehrt und haben die Stadt und den Tempel wieder aufgebaut. Aber nicht alle sind zurückgekehrt. Viele Juden blieben in Babylon.
So gab es sogar im zwanzigsten Jahrhundert noch eine Gemeinschaft von etwa 150.000 Juden im Irak.
Diese Gemeinschaft wird in Jeremia 50 aufgerufen: Flieht, bevor die Katastrophe kommt.
Wir werden dann noch kurz sehen, wie sich das in unserer Zeit tatsächlich erfüllt hat.
Jetzt ist die babylonische Gefangenschaft wirklich zum Schluss gekommen.
Ja, und dann, wie gesagt, als vierter Teil dieses Anhangs die historische Bestätigung der Prophetie Jeremias, das Kapitel 52. Das war jetzt ein bisschen trocken, und ich hoffe, im zweiten Teil werden wir davon auch etwas ernten können.
Wir kommen auf Jeremia 1 nochmals zurück. Wir haben gesehen, dass Gott Jeremia beruft. In Vers 5 sagt er: „Ehe ich dich im Mutterleib bildete, habe ich dich erkannt.“ Und zweitens: „Ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt.“ Also, Gott hat Jeremia gekannt und für ihn einen Plan gehabt, bevor er existierte, vor seiner Zeugung. Während er im Mutterleib gebildet wurde, noch bevor er geboren wurde, hatte Gott ihn bereits abgesondert, das heißt geheiligt. Der hebräische Ausdruck für „heiligen“ und auch der griechische im Neuen Testament bedeuten grundsätzlich „auf die Seite stellen, für etwas reservieren“ – in diesem Fall zum Propheten an die Nationen.
Wir sehen also, dass Gott mit uns einen Plan hat, wie mit Jeremia. Erstens, bevor wir geboren waren und bevor wir überhaupt existierten. Jetzt müssen wir unterscheiden: Als junger Mann wird Jeremia zu seinem eigentlichen Dienst berufen. Das sind unterschiedliche Dinge: Gott kennt uns, Gott setzt uns auf die Seite, und Gott ruft uns dann in die Arbeit.
Das sehen wir auch sehr schön bei Paulus in Galater 1. Paulus sagt in Galater 1, Vers 13: „Denn ihr habt von meinem ehemaligen Wandel im Judentum gehört, dass ich die Gemeinde Gottes über die Maßen verfolgte und sie zerstörte. Im Judentum nahm ich über viele Altersgenossen in meinem Geschlecht zu, in dem ich übermäßig Eifer für meine väterlichen Überlieferungen hatte. Aber als es Gott, der mich von meiner Mutterleib an abgesondert und durch seine Gnade berufen hat, wohlgefiel, seinen Sohn in mir zu offenbaren, damit ich ihn unter den Nationen verkündigte, ging ich sogleich nicht mit Fleisch und Blut zu Rate und ging auch nicht hinauf nach Jerusalem usw.“
Hier sagt der Apostel Paulus, obwohl er erst als junger Mann sich schließlich bekehrt hatte, dass Gott ihn schon von Mutterleib an abgesondert hatte. Das ist genau die Ausdrucksweise aus Jeremia 1. Das ist wichtig für uns zu wissen: Gott hat mit uns einen Plan gehabt, auch lange bevor wir zum Glauben kamen. Das bedeutet, dass Gott auch die Entwicklung im Mutterleib gesteuert hat, im Blick auf das Ziel, das er mit uns hat. Auch die Zeit im Unglauben bis zur Bekehrung hatte Gott in seiner Hand.
Natürlich hat Paulus viele Dinge gelernt, die vollkommen falsch waren, aber er hatte auch vieles gelernt, das später nützlich wurde in seinem Dienst. Er musste nicht erst zum Glauben kommen und dann anfangen, die Bibel zu studieren, sondern es musste endlich das, was er gelernt hatte, an den richtigen Platz gesetzt werden. Dann bekam das Richtige die richtige Bedeutung, so dass Jesus Christus das Zentrum seines Denkens wurde.
Aber das hat Gott alles geführt. Und das dürfen wir auch wissen: Das ist ein gewaltiger Trost, dass Gottes Führung schon längst da war, in all dem, was vor unserer Bekehrung war. Auch in all unseren falschen Wegen hat Gott trotzdem geführt und Dinge gesteuert im Blick auf einen späteren Dienst.
Es ist ja so: Wir sind alle Gläubigen zum Dienst des Herrn berufen. Es ist ein großer Trost, dass man nicht denken muss, alles, was vorher war, war sinnlos. Das stimmt nicht. Es ist aber wichtig, ab der Bekehrung all das, was vorher war, ins richtige Licht zu rücken. Die Dinge, die wirklich falsch sind, hat Paulus nicht mehr gebraucht. Die Dinge, die hilfreich waren von dem, was er gelernt hat, konnte er richtig einsetzen – unter dem Gehorsam Christi.
So ist es sehr ermutigend, das an diesem Prototyp, an diesem Beispiel für uns alle, schon bei Jeremia zu sehen.
Zweitens ist sehr schön, dass Gott Jeremia in einem Alter beruft, in dem er der Überzeugung war: Ich kann diesen Dienst nicht tun. Das ist eine Ermutigung gerade für junge Leute. Man muss nicht glauben, man müsse Jahrzehnte warten. Nein, der Herr kann uns in jungem Alter berufen. Wir können wissen, dass das, was er uns als Dienst gibt, auch möglich sein wird, weil er die Kraft dazu gibt.
Jeremia sagte: „Ich bin jung, ich weiß nicht zu reden.“ Aber der Herr sagt: „Ich gebe dir, was du brauchst.“ Vers 9: „Der Herr streckte seine Hand aus und rührte meinen Mund an. Und der Herr sprach zu mir: Siehe, ich lege meine Worte in deinen Mund.“ Das Entscheidende ist, dass du das verkündest, was ich dir als Botschaft gebe – nicht die Rhetorik, sondern der Inhalt, die Botschaft. Gott macht es möglich.
So ist dieses Kapitel wirklich sehr ermutigend für junge Leute. Zu diesem Thema könnte man weit ausholen: Wo überall in der Bibel werden junge Leute berufen? Wir sehen immer wieder, dass Gott junge Leute beruft, um eine Wende im Volk Gottes zu bringen – und zwar keine progressive Wende, sondern eine Rückkehr zum Wort Gottes.
Das ist auch interessant, weil junge Leute progressiv sein könnten, indem sie etwas ganz Neues bringen. Aber es geht nicht um etwas ganz Neues, sondern um das alte Wort. So musste auch Jeremia das Volk zurückführen zum Wort.
Lesen wir dazu Jeremia 6, Vers 16: „So spricht der Herr: Tretet auf die Wege und seht und fragt nach den Pfaden der Vorzeit, welches der Weg des Guten sei, und wandelt darauf, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.“ Aber sie sprechen: „Wir wollen nicht darauf wandeln.“ Also waren seine Zeitgenossen die Progressiven, während der junge Jeremia sie zurückruft.
Wichtig ist, dass er sie nicht zurückruft zu einer menschlichen Tradition, sondern zum Wort Gottes. Das ist der Punkt.
Im Neuen Testament finden wir eine massive Traditionskritik. Wenn wir an Markus 7 denken, greift der Herr Jesus die Traditionen an, die die Rabbiner aufgestellt haben und die später im Talmud schriftlich festgehalten wurden. Er zeigt auf, wo diese mit dem Wort Gottes im Widerspruch stehen.
Tradition, selbst wenn sie sich über mehrere Generationen auf Rabbiner berufen kann, hat keinen Wert, außer in dem Maß, wie sie mit dem Wort Gottes übereinstimmt. Die Bibel macht uns nicht zu Traditionalisten, sondern führt uns zurück zum Wort.
Darum geht es: Es geht nicht darum, menschliche Traditionen zu erhalten. Aber auf der anderen Seite richtet die Bibel auch Dinge, die keine Tradition sind, sondern progressiv neues Denken. Das wird ebenso schonungslos gerichtet – nicht nur falsche alte Traditionen, sondern auch das, was sich langsam zu einem neuen Lebensstil entwickelt.
So heißt es in Römer 12, Vers 2: „Und seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen mögt, was der gute und wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist.“
Es ist vielleicht hilfreich zu wissen, dass der Ausdruck „Welt“ hier im Griechischen nicht „Kosmos“ ist, sondern „Aion“. „Aion“ bezeichnet speziell eine Zeitepoche mit Bezug auf den charakteristischen Zeitgeist. Jede Zeitepoche in der Geschichte hat einen bestimmten Zeitgeist. Auch wir heute haben einen vorherrschenden Zeitgeist.
Die Bibel sagt: Seid nicht gleichförmig diesem Zeitgeist, sondern werdet verwandelt. Das griechische Wort meint einen fortdauernden Prozess der Verwandlung. Das geht nicht von einem Tag auf den anderen, aber durch das ständige Studieren der Bibel können wir erkennen: Das ist Zeitgeist, das ist Zeitgeist. So können wir diese Denkstrukturen aufdecken, ablegen und verurteilen.
Darum heißt es: „Werdet verwandelt durch die Erneuerung eures Sinnes.“ Das hat zur Folge, dass ihr prüfen könnt, was der gute, wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist.
Dadurch, dass man kritisch mit dem Zeitgeist und mit falschen Traditionen umgeht, kann man den Willen Gottes immer besser erkennen.
Manche fragen sich: Wie kann ich wissen, was Gott will? Wie soll ich wissen, was mein Weg ist? Ein wichtiges Rezept, um den Willen Gottes zu erkennen, ist, dass wir in einem Prozess unseres Denkens verwandelt werden – weg vom Zeitgeist, weg von falschen Traditionen.
So wie Jeremia sagt: Fragt nach den Pfaden der Vorzeit, wie sie in der Bibel vorgeschrieben sind, und fragt: Welcher ist der Weg des Guten? Und wandelt darauf.
Es gibt hier auch eine Verheißung: „So werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.“ Dann kommt man innerlich zur Ruhe. Es gibt heute viele unruhige Gemüter. Wie kann man innerlich zur Ruhe kommen? Das ist eine Verheißung.
Aber es braucht Gehorsam: Wandelt darauf, und dann kommt diese innere Ruhe. Doch wie gesagt, die Zeitgenossen bei Jeremia sagen: Wir wollen nicht darauf wandeln.
Zurück zu Kapitel 1: Jeremia wird durch zwei Bilder vorbereitet. Zuerst sieht er einen Mandelstab (Vers 11). Das Wort des Herrn geschah zu mir: „Was siehst du, Jeremia?“ Ich antwortete: „Ich sehe einen Mandelstab.“ Darauf sprach der Herr zu mir: „Du hast richtig gesehen, denn ich werde über mein Wort wachen, es auszuführen.“
Das ist auf den ersten Blick schwierig zu verstehen, nicht wahr? Wie ist der Zusammenhang? Es handelt sich um ein hebräisches Wortspiel. Mandelstab heißt auf Hebräisch „Schakät“, was wörtlich „der Wachsame“ bedeutet. Der Mandelbaum heißt also „der Wachsame“, weil er als erster erwacht.
Wenn man Ende Januar oder Anfang Februar nach Israel reist, ist zwar Regenzeit und es kann kalt sein – ich habe das selbst schon extrem erlebt –, aber überall sieht man die Mandelbäume mit ihren weißen Blüten. Sie haben noch keine grünen Blätter, doch diese weißen Blüten kündigen das neue Leben des Frühlings an. Deshalb heißt der Mandelbaum „Schakät“, der Wachsame, weil er als Erster erwacht und das kommende neue Leben ankündigt.
Jeremia sieht also den „Schakät“, und Gott sagt zu ihm: „Sieh, nimm dir das als Gedächtnisstütze: Ich werde über mein Wort wachen, es auszuführen.“ Gott gibt ihm nicht einfach Botschaften, sondern alle Prophetien werden in Erfüllung gehen. Das wird dem jungen Jeremia von Anfang an klargemacht: Dieses Wort wird sich erfüllen.
Das ist eine wunderbare Erfahrung, die wir Jahrtausende nach Jeremia rückblickend machen dürfen. Wir können sagen: Ja, durch all die Jahrtausende hindurch sehen wir immer wieder, wie sich die biblische Prophetie erfüllt hat. Das beweist auch die Inspiration der Bibel. Wenn man Buddhisten fragt, können sie keine Liste mit hundert erfüllten Prophetien vorlegen, ebenso wenig Hindus oder Muslime. Aber wir können Listen mit Hunderten von erfüllten Prophetien durch die gesamte Geschichte vorlegen. Das zeigt, dass hinter der Bibel der Gott steht, der sagt: „Ich werde über mein Wort wachen, es auszuführen.“
Das zweite Bild zeigt einen Kochtopf, einen siedenden Topf (Vers 13), dessen Vorderteil gegen Süden gerichtet ist. Gott erklärt: „Von Norden her wird das Unglück losbrechen über alle Bewohner des Landes.“ Die Babylonier sollten kommen und das Königreich Juda zerstören und zerschlagen.
Interessant ist, dass die Babylonier nicht von Osten kamen. Wenn man auf der Weltkarte schaut, liegt der Südirak (Babylonien) östlich von Israel. Der direkte Weg wäre durch die Wüste des heutigen Jordanien nach Israel gewesen. Doch das war eine gefährliche Strecke, die man im Altertum normalerweise nicht wählte. Stattdessen ging man vom Südirak über den sogenannten fruchtbaren Halbmond.
Dieses fruchtbare Gebiet im Nahen Osten bildet eine Art Halbmond. Die babylonische Armee zog den Euphratlauf hinauf bis in die Südtürkei, nach Haran zum Beispiel, wie Abraham es tat, als er von Ur im Südirak kam. Von Haran ging es dann über Syrien und Libanon ins Land Israel. So kam auch die babylonische Armee über diesen fruchtbaren Halbmond.
Die Attacke kam also von Norden. Das hat im Zusammenhang mit der Stadt Jerusalem eine besondere Bedeutung. Wenn man die Topologie Jerusalems betrachtet, würde kein Stratege die Stadt von Süden oder Osten angreifen. Dort müsste man tiefe Täler überwinden, wie das Kidron-Tal oder das Hinnom-Tal. Der strategische Schwachpunkt Jerusalems liegt im Norden, weil man dort keine tiefen Täler überwinden muss und die Stadt am besten angreifen kann.
Die Babylonier kamen nicht nur von Norden, also von Syrien her, sondern sie brachen die Stadt Jerusalem auch von Norden her auf und verwüsteten sie. Übrigens geschah das Gleiche im Jahr 70 nach Christus, als die Römer Jerusalem zerstörten. Gemäß der Prophetie in Daniel 9,25 wurden die Stadt und das Heiligtum zerstört. Auch die Römer kamen von Norden.
Noch eindrücklicher: Jerusalem hat mehrere Mauern. Zuerst wurde von Norden her das Viertel mit der dritten Mauer aufgebrochen und erobert. Dieses Viertel enthielt Golgatha. Zur Zeit der Kreuzigung lag Golgatha außerhalb der Stadt. Hebräer 13 betont ausdrücklich, dass der Herr außerhalb der Stadt, außerhalb des Tores gelitten hat.
In den 1940er-Jahren wurde ein dritter Mauerring gebaut, der dieses Viertel mit Golgatha in die Stadt einbezog. Dieses Viertel fiel im Frühjahr 70, als der Krieg begann. Das Passafest markierte den Beginn, und nach der Passafeier wurde dieses Gebiet als erstes erobert. Das ist sehr eindrücklich, denn die Zerstörung Jerusalems war eine Folge der Verwerfung des Messias und seiner Kreuzigung vor den Toren Jerusalems.
1967, als die israelische Armee die Altstadt von Jerusalem, also Ostjerusalem, eroberte, kam ein Fallschirmjägertrupp durch das Stephans-Tor, also ebenfalls von Norden her. Jedes Mal kam die Bedrohung von Norden.
Gott sagt also: Von dort kommt die Katastrophe. Aber er macht Jeremia von Anfang an klar, dass sein Dienst bei der Verkündigung dieses Gerichts schwierig sein wird. Er wird ständig Widerstand erfahren.
Der Herr sagt ihm in Vers 18, beziehungsweise schon in Vers 17: „Du aber gürte deine Lenden, mache dich auf und rede zu ihnen alles, was ich dir gebieten werde. Verzage nicht vor ihnen, damit ich dich nicht vor ihnen verzagt mache.“ Und weiter: „Ich sehe, ich mache dich heute zu einer festen Stadt, zu einer eisernen Säule und zu einer eisernen Mauer.“
Obwohl Jeremia ein sehr sensibler Mensch war, machte Gott ihn stark wie eine ummauerte Stadt, wie eine Säule aus Eisen und eine Mauer aus Bronze. Die „eiserne Mauer“ ist als Kupfererzlegierung gemeint, um standzuhalten.
So gibt der Herr auch uns die Kraft, unseren Dienst bis zum Schluss zu tun. Wo der Schluss ist, sagt Gott. Jeremia starb schließlich als Märtyrer, doch nicht, bevor er seinen Dienst vollendet hatte. Nach jüdischer Überlieferung, wie sie in der rabbinischen Literatur berichtet wird, wurde er zersägt.
Wir können unter Besonderheiten auf Seite eins unten schauen. Dort fasse ich zusammen: Jeremia war Priester, also ein Nachkomme Aarons, ein Kohen, ein Priester. Er wurde in jugendlichem Alter zum Propheten berufen, wie wir gesehen haben. Nach Gottes Plan sollte er nicht heiraten (Jeremia 16,1 und folgende). Das ist schon speziell, nicht wahr? Hosea musste heiraten, Jeremia hingegen nicht. Daraus sehen wir, dass der Herr auch über der Frage steht, ob man heiraten soll oder nicht.
Natürlich ist der normale Weg die Heirat, und das macht uns auch 1. Korinther 7 im Neuen Testament deutlich. Das ist eigentlich auch das, was Gott in die Schöpfung hineingelegt hat. Aber es kann ein spezieller Weg sein, auf dem Gott mit uns einen Plan hat und einen Dienst vorhat, bei dem man auf die Heirat verzichtet.
1. Korinther 7 zeigt jedoch auch, dass dies nicht mit einem Gelübde geschieht. Das ist etwas, das man nur bewusst wählen sollte, wenn man dabei nicht merkt, dass man in Probleme gerät, auch mit der Sexualität. Wenn das der Fall ist, hat jemand nicht die Gnadengabe, ehelos zu bleiben. 1. Korinther 7 macht zudem deutlich, dass die Ehe auch ein Schutz gegen Unzucht ist.
Der Apostel Paulus sagt, es gibt die Möglichkeit, dass Gott in Verbindung mit einem besonderen Dienst jemandem die Gabe gibt, ehelos zu bleiben. Das sollte bei Jeremia auch der Fall sein. Es sollte zeigen, dass in den nächsten Jahren alles zugrunde gehen wird, alles zerstört wird. Der Prophet war quasi ein Beispiel, um zu sagen: Jetzt ist nicht mehr die Zeit für Ehe und Familie, alles wird zusammenbrechen.
Das war sehr speziell. Auf der anderen Seite müssen wir klar sagen: Das Neue Testament lehrt, dass das Zölibat eine Lehre von Dämonen ist. Das steht in 1. Timotheus 4. Dort heißt es in Vers 1: „Der Geist aber sagt ausdrücklich, dass in späteren Zeiten etliche vom Glaubensgut abfallen werden.“ Falls in Ihrer Bibel steht „in den letzten Zeiten“, dann ist das eine falsche Übersetzung. Es ist hier nicht das Wort „eschatos“, das wirklich die letzten Tage bezeichnet, wie in 2. Timotheus 3,1 (die Endzeit), sondern hier ist es „hysteros“, das bedeutet die Zeit, die nach der Zeit kommt – also die spätere Zeit aus Sicht des Apostels Paulus.
Nochmal: „Der Geist aber sagt ausdrücklich, dass in späteren oder nachfolgenden Zeiten etliche vom Glaubensgut abfallen werden, indem sie achten auf betrügerische Geister und Lehren von Dämonen durch die Heuchelei von Lügenrednern, die ihr eigenes Gewissen wie mit einem Brenneisen gehärtet haben.“
Jetzt kommt es: a) Sie verbieten die Heirat und b) gebieten, sich von Speisen zu enthalten, die Gott geschaffen hat, zur Annahme mit Danksagung für die, die Glauben und Wahrheit erkennen. Also zwei dämonische Lehren sollen kommen: das Verbot der Heirat (Zölibat) und das Gebot von Askese. Beides ist pseudofrom.
Genau das kam besonders ab dem zweiten und dritten Jahrhundert auf. Es wurde sogar zum richtigen Boom: das Einsiedlertum. Natürlich mussten Einsiedler im römischen Reich keine Steuern zahlen, und es gab schließlich so viele, dass sie sich zusammenschlossen. So entstanden die Klöster. Das war der Anfang, das war der Zeitgeist damals.
Aber die Bibel sagt klar, dass das eine dämonische Lehre ist. Und das steht übrigens auch in jeder katholischen Übersetzung in diesem Vers. Das ist keine spätere Fälschung. Man muss auch daran denken, dass gerade dieses Verbot zu heiraten vielen Männern und Frauen in der Geschichte Anlass war, moralisch zu fallen. Das ist der Trick des Feindes, dass er das ab dem zweiten, dritten Jahrhundert in die Kirche hineingebracht hat.
Wir müssen also alles am Wort Gottes prüfen. Wir können uns nicht einfach auf die Tradition der Menschen berufen. Wenn etwas in der Bibel steht, glauben wir es auch. Wenn es der Bibel widerspricht, müssen wir es verwerfen.
Nun zurück zur Beschreibung Jeremias: Er sollte nach Gottes Plan nicht heiraten. Es war ihm eine große Qual, Gottes Botschaft weiterzugeben. Das wird in Kapitel 20,7-10 deutlich. Es wurde ihm schließlich eine riesige Last, ständig das verkünden zu müssen, was den Leuten nicht passt.
Ich sage, das ist auch heute schwierig. Wenn man die Dinge sagt, die alle gerne hören wollen, hat man ein viel leichteres Leben. Solche Leute gab es auch zur Zeit Jeremias. Das Buch Jeremia zeigt, dass es zahlreiche falsche Propheten gab, die sagten: „Friede, Friede, es wird alles gut kommen. Die Babylonier werden schließlich abziehen und alles wird gut.“ Und dann kam dieser Spielverderber Jeremia und sagte: „Nein, es wird eine Katastrophe kommen.“
Wer hatte Recht? Wie konnte man herausfinden, wer Recht hat? Jeremia, Kapitel 26, Vers 16, gibt ein Beispiel für den Widerstand gegen Jeremia: „Und die Fürsten und das ganze Volk sprachen zu den Priestern und Propheten: Diesem Mann gebührt nicht die Todesstrafe, denn er hat im Namen des Herrn, unseres Gottes, zu uns geredet.“
Also sehen wir, dass alle gegen Jeremia waren, aber einige Fürsten sich für ihn einsetzten. Andere wollten ihn umbringen. Diese sagten: „Diesem Mann gebührt nicht die Todesstrafe, denn er hat im Namen des Herrn, unseres Gottes, zu uns geredet.“
Dann erhoben sich Männer von den Ältesten des Landes und sprachen zur ganzen Versammlung: „Micha, der Moraschtiter, hat in den Tagen Hiskias, des Königs von Juda, geweissagt und zum ganzen Volk von Juda gesprochen und gesagt: ‚So spricht der Herr der Heerscharen: Zion, also Jerusalem, wird als Acker gepflügt werden, und Jerusalem wird zu Trümmerhaufen, und der Berg des Hauses zu Waldeshöhen werden.‘“
Hier wird aus dem Prophetenbuch Micha zitiert, Kapitel 3, Vers 12. Micha war ein Prophet, der im achten Jahrhundert vor Christus lebte. Jeremia lebte um 600 v. Chr. und berief sich bereits auf das bekannte biblische Buch, das damals schon als Heilige Schrift anerkannt war. Man wartete nicht auf ein Konzil.
Micha hatte sich als echter Prophet erwiesen, indem er Dinge vorausgesagt hatte, die in seiner Zeit in Erfüllung gingen. Das war der Prophetentest nach 5. Mose 18. Er hat keine einzige Weissagung für seine Zeit gemacht, die nicht in Erfüllung ging. Eine Falschprophetie hätte genügt, um ihn als falschen Propheten zu entlarven.
Es war ziemlich gefährlich, Prophet zu sein. Man musste wirklich vom Herrn gesandt sein. Micha war längst gestorben, sein Buch war als echte Prophetie anerkannt. Nun sagten sie: „Seht, was Jeremia sagt, stimmt mit der Bibel überein. Das hat auch der Prophet Micha genau so gesagt, dass Jerusalem zerstört wird. Da kann man nicht sagen, das ist ein böser Mann, der muss jetzt endlich weg.“
So ist es auch heute: Wir müssen die Leute anhand der Schrift prüfen. Was mit der Schrift übereinstimmt, ist anzunehmen, was nicht übereinstimmt, ist abzulehnen.
Weiter in Jeremia 26, Vers 19: „Hat Hiskia, der König von Juda, nicht den Herrn gefürchtet und den Herrn angefleht, sodass der Herr sich des Übels gereut hat, das er über sie geredet hatte? Und wollen wir eine so große Übeltat wieder unserer Seele antun?“
Hiskia hat also richtig reagiert. Er akzeptierte, was der Prophet Micha verkündet hatte. Wir dürfen Jeremia als Propheten anerkennen, sonst machen wir uns schuldig.
Zurück zum Blatt: Es war eine große Qual für Jeremia, Gottes Botschaft weiterzugeben. Der Inhalt seiner Botschaft war zusammengefasst: Tut Buße, kehrt um und unterwerft euch Babylonien. Andernfalls werden die Babylonier Jerusalem zerstören und euch in die Gefangenschaft nach Babylonien führen.
Seine Verkündigung stieß auf große Ablehnung. Jeremia wurde verfolgt und wiederholt der Freiheit beraubt. Schließlich wurde er zersägt.
Im Neuen Testament wird das erwähnt in Hebräer 11. Im ganzen Alten Testament steht von keinem Propheten, dass er zersägt wurde. Ich lese aus Hebräer 11, Vers 35-37, wo zusammengefasst wird, was die Glaubenshelden erlebt haben:
„Frauen erhielten ihre Toten wieder durch Auferstehung. Andere aber wurden gefoltert, da sie die Befreiung nicht annahmen, um eine bessere Auferstehung zu erlangen. Andere wurden durch Verhöhnung und Geißelung versucht, dazu durch Fesseln und Gefängnis. Sie wurden gesteinigt, zersägt und starben durch das Schwert. Sie gingen umher in Schafpelzen und Ziegenfellen, hatten Mangel, Drangsal und Ungemach. Sie waren der Welt nicht wert und irrten umher in Wüsten, Gebirgen, Höhlen und Klüften der Erde.“
Das wird in Jesaja nicht gesagt und auch nicht im Alten Testament. In der jüdischen Literatur hatte ich einen Fehler im Gedächtnis: Jesaja wurde zersägt. Er war geflohen, versteckte sich in einem hohlen Baum, und dieser Baum wurde mit ihm zersägt.
Jeremia wurde gesteinigt, das steht nicht im Buch Jeremia oder sonst in der Bibel, sondern in der jüdischen Literatur. In Hebräer 11 wird es aufgenommen und so zusammengefasst.
Die Propheten gingen umher in Schafpelzen und Ziegenfellen, das waren ihre typischen Kleider. Darum war auch Elija bekannt als „der Mann im härenen Mantel“, das heißt Ziegenhaar (2. Könige 1). So kannte man die Propheten an ihrer Kleidung.
Aber auch falsche Propheten zogen diese Kleider an. Darum sagt der Herr in der Bergpredigt (Matthäus 7), dass man sich vor falschen Propheten hüten soll, die Wölfe im Schafspelz sind.
Das sind die falschen Propheten, vor denen der Herr warnt. Sie treten auf, als wären sie lammfromm. Wenn ich „fromm“ sage, meine ich das nicht negativ. Das Lamm weist besonders auf den größten aller Propheten hin, der von Mose in 5. Mose 18 als der Prophet angekündigt wurde: der Herr Jesus.
Er war das Lamm Gottes, stumm wie ein Lamm vor seinen Scherern, so ging er ans Kreuz.
So sehen wir auch in Jeremia und seinem Verhalten viele Hinweise auf den Herrn Jesus, den größten aller Propheten.
Anlässlich des Falls von Jerusalem wurde Jeremia von Nebukadnezar befreit. Das steht so in Kapitel 39, Vers 14. Es ist also ganz interessant: Die Babylonier hatten einen so guten Geheimdienst, dass sie genau über die innere Situation in der Stadt Jerusalem und über die verschiedenen Parteien unterrichtet waren. Sie wussten auch von Jeremia, dass er dauernd als Einzelkämpfer auftrat und dazu aufrief: „Ergebt euch den Babyloniern!“
Als dann die Zerstörung kam, wurde Jeremia aus dem Gefängnis geholt und befreit. Danach diente er unter dem neuen Statthalter Gedalja, wie in Kapitel 40, Verse 5-6 beschrieben. Das Königtum war mit den elf Jahren Zedekias am Ende. Die Babylonier setzten daraufhin einen Statthalter ein, und zwar den gottesfürchtigen Gedalja. Er war ein Nachkomme von Schafhan.
Schafhan war dieser Schreiber, der noch unter König Josia ganz wichtig für die Erweckung war. In der Zeit Josias, in der auch Jeremia wirkte, wurde der Tempel renoviert. Dabei fand man die originale Rolle des fünften Buchs Mose im Tempel, das Original von Mose. Diese tausend Jahre alte Rolle wurde König Josia gebracht. Schafhan, der Berufsschreiber, las sie vor.
König Josia zerriss daraufhin sofort seine Kleider. Er erkannte, dass sie ganz gegen die Bibel gehandelt hatten. Wenn sie nicht umkehrten, würden die Gerichte, die im fünften Buch Mose über sie verkündet sind, über sie kommen. Josia demütigte sich und leitete eine Art Reformation ein.
In diesen Jahren trat Jeremia auf. Er machte deutlich, dass die große Masse dieser Reformation innerlich gar nicht folgte, sondern in ihren Herzen dem Herrn fernblieb. Daher warnte er: Wenn ihr nicht umkehrt, wird die Katastrophe doch noch kommen. Sie kam nicht in der Zeit von König Josia, der sich so gedemütigt hatte, aber sie kam unter weiteren Königen, nämlich unter Joachim, Joaquin und Zedekia.
Nach Zedekia setzten die Babylonier Gedalja als Statthalter ein. Doch bald darauf wurde dieser treue Gedalja, ein Sohn von Schafhan, der bei der Erweckung unter Josia sehr wichtig war, ermordet. Jeremia wurde gezwungen, mit anderen Flüchtlingen nach Ägypten zu fliehen. Das wird in Kapitel 41 und den folgenden beschrieben.
In Ägypten fand Jeremia schließlich sein Ende. Wie ich bereits notiert habe, wurde er gemäß jüdischer Überlieferung gesteinigt (Hebräer 11,37).
Den nächsten Punkt habe ich bereits erklärt. Das Buch ist nicht streng chronologisch geordnet. Dennoch schließt der folgende Punkt direkt an das an, was ich zuvor gesagt habe.
Das Buch Jeremia zeigt die Erfüllung der Prophetie aus 5. Mose 28,36. Schlagen wir diese Stelle auf: Genau dieses Buch 5. Mose wurde Josia vorgelesen. Er demütigte sich, weil er wusste, dass eigentlich das Gericht jetzt über sie kommen müsste. Dieses Gericht wurde jedoch noch über seinen Tod hinaus hinausgezögert.
In 5. Mose 28,36 heißt es: „Der Herr wird dich und deinen König, den du über dich setzen wirst, zu einer Nation wegführen, die du nicht gekannt hast, du noch deine Väter, und du wirst daselbst anderen Göttern dienen, Holz und Stein.“
Hier kündigt Mose, um 1566 v. Chr., also etwa tausend Jahre vorher, an, dass Israel in der Zeit, in der sie noch einen König haben, zu einer anderen Nation deportiert werden wird. Genau das geschah in der Zeit von König Joachim und Zedekia. Damals wurden sie nach Babylonien deportiert.
Das darf man übrigens nicht mit einer anderen Prophetie verwechseln, die Mose im gleichen Kapitel in Vers 64 ausspricht: „Und der Herr wird dich unter alle Völker zerstreuen, von einem Ende der Erde bis zum anderen Ende der Erde.“ Diese weltweite Zerstreuung wurde erst bei der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 nach Christus erfüllt. Auch diese Prophezeiung wurde von Mose vorausgesagt.
Vorher jedoch wurde die Wegführung nach Babylon zu einer anderen Nation vorausgesagt. Jeremia musste ankündigen, dass dies unmittelbar bevorsteht, und diese Ankündigung hat sich dann auch erfüllt.
Dann der nächste Punkt auf dem Blatt: Zeichen und Symbole. Es gibt sehr viele Zeichen und Symbole im Buch Jeremia. Wir haben bereits den Mandelzweig und den siedenden Topf gesehen.
Daneben gibt es noch eine besondere Szene mit dem leinenden Gürtel in Kapitel 13, das Heiratsverbot für Jeremia als Spezialfall in Kapitel 16, und die ganze Geschichte mit dem Töpfer, der ein Gefäß zu Ehre und ein Gefäß zu Unehre macht. Dieses Thema wird übrigens im Römerbrief Kapitel 9 wieder aufgegriffen. Es geht zurück auf die Szene mit dem Töpfer in Jeremia 18.
Dann folgen das Bild mit dem zerbrochenen Krug, das Bild in Kapitel 19, das Bild mit den zwei Feigenkörben in Kapitel 24, das Bild mit dem Joch in Kapitel 27 und der Kauf eines Ackers. Dabei musste ein bestimmter Acker gekauft werden. Ein Kaufbrief musste geschrieben, versiegelt und mit Zeugen versehen werden. Das sollte eine ganz besondere Bedeutung haben.
Weiterhin gibt es das Bild mit den verscharrten Steinen in Kapitel 43 und das versenkte Buch in Kapitel 51, Verse 59 bis 64. Eins folgt auf das andere.
Ich möchte noch etwas zum Kauf des Ackers sagen. In dieser Zeit, in der alles zusammenbrach, bekam Jeremia den Auftrag, einen Acker zu kaufen. Man könnte fragen: Was soll das? Jetzt ist doch nicht die Zeit, um einen Acker zu kaufen. Aber das sollte ein Beispiel sein: Israel wird nicht endgültig untergehen, sondern dieses Volk wird eine Zukunft haben. Gerade in Jeremia 32 wird dieses Licht sichtbar, das bis in die Endzeit leuchtet.
Am Schluss von Kapitel 32 wird gesagt: In der Endzeit wird es so sein, dass die Juden aus aller Welt heimkehren und ihr eigenes Land kaufen. Dabei werden Kaufverträge geschrieben. Können wir das kurz lesen? Jeremia 32, Vers 43:
"Und es sollen Felder gekauft werden in diesem Land, von welchem ihr sagt, es ist wüst, ohne Menschen und ohne Vieh; es ist in die Hand der Kaldäer gegeben. Man wird Felder um Geld kaufen, Kaufbriefe schreiben, sie versiegeln und Zeugen nehmen im Land Benjamin und in den Umgebungen von Jerusalem und in den Städten Judas, sowohl in den Städten des Gebirges als auch in den Städten der Scheffela, dem Tiefland, und in den Städten des Negevs; denn ich werde ihr Schicksal wenden, spricht der Herr."
Dieser Ausdruck "Ich werde ihr Schicksal wenden" kommt in der Prophetie immer wieder vor, besonders im Zusammenhang mit der Endzeit, wenn Gott das endgültige Schicksal der Juden wenden wird.
Zu dieser Wende des Schicksals gehört, dass sie ihr eigenes Land kaufen werden. Dabei wird genau angegeben, wo das geschieht: im Land Benjamin, rund um Jerusalem; in den Umgebungen von Jerusalem; in den Städten Judas, sowohl im Gebirge als auch in der Scheffela, dem Tiefland, das gegen Tel Aviv und das Mittelmeer hin liegt; und in den Städten des Negevs, also im Süden, in der südlichen Wüste südlich von Beerscheba.
Wir wissen genau, wie das geschehen ist. Ab 1882 begannen Tausende Juden, zurückzukehren, und zwischen 1882 und 1940 wurden umfangreiche Landkäufe durch Juden getätigt, finanziert durch zionistische Gelder.
Wir wissen genau, wo das geschah: nördlich von Jerusalem, zwischen Jerusalem und Ramallah, dem Gebiet, in dem der Stamm Benjamin wohnte. Dort steht: "im Land Benjamin". Rund um Jerusalem wurde massiv Land aufgekauft, das heißt "in den Umgebungen von Jerusalem".
Dann heißt es "in den Städten Judas", im Gebirge und in der Scheffela. Genau auf dem Gebirge zwischen Jerusalem und Hebron wurde viel Land gekauft, besonders viel in der Scheffela gegen Tel Aviv hin. Im Negev, südlich von Beerscheba in der Wüste, wurde ebenfalls umfangreich Land erworben.
Jeder dieser Punkte ist genau erfüllt worden in unserer Zeit. So sehen wir, wie die Bilder aus Jeremia eine Tragweite bis in unsere Zeit haben.
Dann möchte ich noch auf die Prophetie über den Messias, den Sohn Davids, hinweisen, die in Kapitel 23, Verse 5-8, sowie in Kapitel 33, Vers 14 und folgende zu finden ist. Dort wird gesagt, dass der Messias ein Nachkomme von König David sein wird.
Im Neuen Testament sehen wir diese Linie bestätigt. Im Lukas-Evangelium, Kapitel 3, wird das Geschlechtsregister von Maria aufgeführt. Im Matthäus-Evangelium, Kapitel 1, finden wir das Geschlechtsregister von Joseph. Beide Linien führen zurück auf König David. So war der Herr Jesus wirklich ein Sohn Davids.
Weiter gibt es die Prophetie über den neuen Bund in Kapitel 31, Vers 31. Dort wird gesagt, dass Gott mit Israel einen neuen Bund schließen wird. Dieser Bund wird am Anfang des tausendjährigen Reiches geschlossen werden.
Im Neuen Testament wird jedoch nie gesagt, dass der Bund, den der Herr Jesus in seinem Blut begründet hat, das am Kreuz vergossen wurde, mit der Gemeinde geschlossen wurde. Der Herr sagt nur: „Mein Blut ist das Blut des neuen Bundes.“ Dieser Bund wird aber einmal offiziell mit dem zwölfstämmigen Volk Israel nach Jeremia 31 geschlossen werden.
Der Herr Jesus hat die Grundlage dieses Bundes bereits vor zweitausend Jahren gelegt. Alle Segnungen des neuen Bundes hat die Gemeinde schon erhalten, während Israel als Nation noch nichts davon hatte. Wichtig ist also: Die Gemeinde ist Nutznießerin des Segens des neuen Bundes. Doch dieser neue Bund wird nach Jeremia 31 offiziell nur mit dem zwölfstämmigen Volk Israel geschlossen – mit dem Haus Juda, den zwei Stämmen, und dem Haus Israel, den zehn Stämmen.
Und dann ist wichtig: Babylon wird eine siebzigjährige Weltherrschaft haben. Das wird vorausgesagt in den Kapiteln 27,7 und 29,10. Wenn man diese Stellen nochmals liest, ist es hilfreich, Folgendes zu bedenken: Es wird dort nirgends gesagt, dass die Juden siebzig Jahre in Babylon sein werden. Oft wird von der siebzigjährigen babylonischen Gefangenschaft gesprochen. Das steht aber so nicht da. Stattdessen wird gesagt, dass die Zeit Babylons siebzig Jahre dauert – die Zeit, in der Babylon alle Völker im Nahen Osten beherrscht. Und das war, wie ich schon am Anfang erklärt habe, genau von 609 bis 539 v. Chr. – eine perfekte Erfüllung.
Dann noch so eine Perle: Die endzeitliche Sammlung Israels aus dem Land des Nordens und aus all den anderen Ländern der Welt. In Kapitel 16, Vers 14 heißt es: „Darum siehe, Tage kommen, spricht der Herr, da nicht mehr gesagt werden wird: ›So wahr der Herr lebt, der die Kinder Israel aus dem Land Ägypten heraufgeführt hat‹, sondern: ›So wahr der Herr lebt, der die Kinder Israel heraufgeführt hat aus dem Land des Nordens und aus all den Ländern, wohin er sie vertrieben hatte, und ich werde sie in ihr Land zurückbringen, das ich ihren Vätern gegeben habe‹.“
Früher hat man in Israel immer geschworen bei dem Gott, der Israel historisch aus Ägypten unter Mose herausgeführt hatte. Aber jetzt wird hier in Jeremia gesagt: Es wird eine Zeit kommen, in der der Auszug aus Ägypten durch ein anderes Ereignis übertroffen wird. Es wird eine Zeit kommen, in der man in Israel so einen Schwur ablegen wird, dass man schwört bei dem Gott, der Israel aus allen Ländern der Welt gesammelt hat – und zwar vornehmlich aus dem Land des Nordens.
Wir sind heute Augenzeugen, wie seit 1882 etwa drei Millionen Juden aus allen fünf Kontinenten und aus rund 130 verschiedenen Ländern heimgekehrt sind. Woher kamen die ersten Juden im Jahr 1882? Aus Russland – das war die erste Einwanderungswelle. Bis heute ist ein Drittel, nämlich über eine Million, also ungefähr ein Drittel der Rückkehrer, aus dem Land des Nordens heimgekehrt, aus Russland beziehungsweise aus der Sowjetunion beziehungsweise aus der GUS. Dieses Land des Nordens wird so hervorgehoben als das Alijaland schlechthin.
Und dann wird noch gesagt, in Vers 16: „Siehe, ich will zu vielen Fischern senden, spricht der Herr, dass sie sie fischen. Und danach will ich zu vielen Jägern senden, dass sie sie jagen von jedem Berg und von jedem Hügel und aus den Felsenklüften; denn meine Augen sind auf alle ihre Wege gerichtet.“
Hier wird erklärt: Die gesamte Rückkehr der Juden in der Endzeit besteht aus zwei Phasen. Zuerst eine Fischerphase, dann eine Jägerphase. Zuerst wird man sie fischen und angeln heim ins Land, danach werden sie heimgejagt werden.
Wir können die moderne jüdische Geschichte ab 1750 bis heute in zwei Phasen einteilen. Ab 1750 beginnt die Phase des Zionismus bis etwa 1882. Die Zionisten waren Idealisten. Sie sagten: Wir brauchen eine Lösung der Judenfrage. Sie schrieben Bücher, hielten Vorträge und verfassten Artikel in Zeitungen. Sie sagten: „Ihr Juden, wir werden überall gehasst und verfolgt. Wir sollten wieder eine Heimat haben in unserem einstigen Heimatland.“ So versuchten sie, die Juden zu angeln.
Dann kam die Verfolgung unter Zar Alexander III. im Jahr 1881, die erste Welle. Danach ebbte sie ab, doch es gab wieder Verfolgungen in Russland und weitere Wellen der Einwanderung. Dann kam Hitler, und es folgten weitere Verfolgungen der Juden. Schließlich brachen sie auf, und etwa drei Millionen kamen aus aller Welt zurück.
Heute kann man überblicksmäßig sagen: Die meisten sind wegen Verfolgung zurückgekehrt. Zuerst war also die Phase der Zionistenfischer, dann die Phase der Antisemitenjäger. Und so hat sich die Prophetie erfüllt.
Wir müssen jetzt Schluss machen. Der Rest ist als Hausaufgabe auf dem Blatt.
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