Einführung in die Fragestellung und Begriffsklärung
Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie alle ganz herzlich zu diesem Vortragsnachmittag mit dem Thema „Warum sind wir so modern?“
Vielleicht fragt sich jemand, warum der Titel nicht „Warum sind wir so postmodern?“ lautet. Denn die neueste Etappe der Entwicklung des Denkens ist nicht mehr die Moderne. Die Älteren unter uns, also Menschen ab meinem Alter aufwärts – ich selbst bin Jahrgang 1958 – sind definitiv modern. Die Jüngeren hingegen sind bereits postmodern.
Postmodern bedeutet „nachmodern“. Es gibt gewisse Unterschiede im Denken. Eigentlich ist das Wort „postmodern“ aber eine Verlegenheit, denn im Prinzip ist es eine Weiterführung, die aus dem modernen Denken hervorgegangen ist. Man könnte also auch statt „postmodern“ „supermodern“ sagen. Der Titel „Warum sind wir so modern oder supermodern?“ wäre also ebenfalls korrekt.
Heute Nachmittag geht es um folgende Ausgangsfragen: Warum denken wir so, wie wir denken? Warum leben wir so, wie wir leben? Woher stammen eigentlich unsere Überzeugungen? Wer hat unsere Ansichten beeinflusst? Worauf gründen sich unsere Überzeugungen? Haben wir uns wirklich frei und unabhängig entschieden, so zu denken und zu leben, wie wir es tun?
Viele würden die letzte Frage auf Anhieb mit „Ja“ beantworten. Doch wir wollen das heute etwas kritisch unter die Lupe nehmen. Dazu müssen wir zu den Wurzeln unseres Denkens zurückkehren.
Wir könnten tausend oder zweitausend Jahre in der Geschichte des Denkens zurückgehen, vielleicht sogar noch weiter. Aber irgendwo müssen wir ja beginnen. Da wir nur einen Vortragsnachmittag für dieses Thema zur Verfügung haben, habe ich gedacht, wir gehen etwa ein halbes Jahrtausend zurück – in die Zeit um 1500 nach Christus.
Die Reformation als Ausgangspunkt der modernen Denkweise
Eine ganz wichtige Persönlichkeit damals war der Mönch Martin, mit vollem Namen Martin Luther (1483–1546). Er gehörte zum Orden der Augustiner.
Er unternahm damals auch eine Reise nach Rom. Das war genau die Zeit, als der Petersdom im Vatikan gebaut wurde. Mönch Martin war entsetzt über das, was er dort sah und feststellte. Übrigens war das auch die Zeit, als Tetzel nach Deutschland kam, um Geld für diesen Prunkbau in Rom zu sammeln. Dieses Geld sammelte er vor allem durch das Einsammeln von Messgeldern.
Daher stammt auch der berühmte Spruch: „Wenn das Geld in der Kasse klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt.“ Mönch Martin überlegte sich, woher eigentlich die Idee stammt, dass man mit Geld oder Messopfern Menschen aus dem Fegefeuer retten könne. Wo steht das in der Bibel? Nach und nach tauchten immer mehr Fragen bei ihm auf.
Er war sehr streng mit sich selbst und fragte sich immer wieder: Sünde ich? Wie kann ein gerechter Gott einem Sünder wie mir, dem Mönch Martin, gnädig sein? Solche Fragen beunruhigten ihn zutiefst.
Schließlich brachte ihn das dazu, am 31. Oktober 1517 seine berühmt gewordenen Thesen öffentlich anzuschlagen. Dies löste die Reformation in Europa aus. Reformation bedeutet Erneuerung. Mönch Martin wollte nicht die katholische Kirche zerstören. Sein Anliegen war es, die Kirche zu erneuern, zu reformieren und zu dem zurückzuführen, was ursprünglich war.
Er stellte fest, dass sich die Kirche weit vom ursprünglichen Christentum entfernt hatte. Diese Thesen waren Grundüberlegungen, mit denen er Diskussionen, besonders unter Studenten, anregen wollte. Obwohl es damals keine Faxverbindungen oder E-Mails gab, wurden diese Thesen rasch kopiert und in ganz Europa verbreitet. Das löste eine regelrechte Bombe aus.
Martin war überzeugt, dass man zu den Wurzeln des Christentums zurückkehren müsse, zurück zur Bibel. Was entscheidet darüber, was wirklich Christentum ist und was nicht? Er betonte auf Lateinisch „sola scriptura“ – allein die Heilige Schrift. Die Heilige Schrift ist Gottes Wort. Sie bezeugt dies selbst und zeigt uns, wer Jesus Christus ist. Sie zeigt uns auch, was die Lehre der Apostel war.
Wir müssen uns auf die Heilige Schrift beziehen und nicht auf das, was Menschen im Laufe der Jahrhunderte neu aufgestellt haben. Er stellte fest, dass viele Konzilsbeschlüsse, Entscheidungen der Kardinäle und Päpste nicht dem entsprachen, was in der Bibel nachzulesen ist.
Für ihn war deshalb klar: Das Entscheidende ist die Heilige Schrift. Darauf müssen wir uns zurückbeziehen. Nach diesem Maßstab muss die Kirche neu gemacht, erneuert, eben reformiert werden.
Die Reformatoren und die umfassende Autorität der Bibel
Seine Gedanken haben andere Männer in Europa so tief beeindruckt, dass sie ebenfalls begannen, auf diese Erneuerung hinzuarbeiten.
Hier sieht man zum Beispiel Johannes Calvin, der stark von Martin Luther beeinflusst war. Weiter unten sehen Sie den Zürcher Huldrych Zwingli, den Reformator von Zürich, sowie seinen Nachfolger Bullinger aus dem Kanton Aargau, wo ich selbst herkomme. Bullinger war ein sehr tiefgründiger Mann. Er verfasste das sogenannte Zweite Helvetische Bekenntnis. Darin schreibt er zum Beispiel darüber, was die Bibel ist. Er spricht über die Autorität und Glaubwürdigkeit der Bibel und kann dies auf eine beeindruckende und schöne Weise darlegen.
Hier sehen Sie Martin Bucer, den Reformator von Straßburg im Elsass. Er erhielt zudem von dem Erzbischof aus Köln den Auftrag, die Kirche in Köln, in diesem Erzbistum, zu erneuern. Weiter sehen Sie Guillaume Farel, den französischsprachigen Reformator in Neuchâtel (Neuenburg) in der Schweiz. Und hier sehen Sie Beza, einen sehr gelehrten Mann, der ebenfalls in Genf Reformator war und gewissermaßen in der Nachfolge von Johannes Calvin wirkte.
All diese Männer haben erkannt, dass die Bibel das einzige Fundament für den Glauben ist. Die Bibel hat Autorität über alle Bereiche des Lebens – nicht nur, wenn es um den Glauben geht, sondern auch in den Bereichen Familie, also Ehe und Kindererziehung, Gesellschaft, Arbeit, Ethik (was ist richtig, was ist falsch), Kunst, Wissenschaft und Politik. Alle diese Bereiche müssen unter der Autorität der Bibel stehen, denn sie ist Gottes Wort.
Das war eine wichtige, grundlegende Botschaft der Reformatoren. Sie haben auch erkannt, dass der Mensch gemäß der Bibel nicht durch eigene Bemühungen von Gott angenommen werden kann. Der Mensch ist ein Sünder, und das zeigt sich darin, dass er die Gebote Gottes bricht. Doch der Mensch braucht Gottes Gnade, Gottes unverdientes Erbarmen.
Dies hat sich darin gezeigt, dass Gott der Vater seinen Sohn Jesus Christus in die Welt gesandt hat. Christus, der Gerechte, ist am Kreuz für uns Ungerechte gestorben. Er hat unsere Schuld auf sich genommen, um das Gericht Gottes stellvertretend zu tragen.
So betonten die Reformatoren: Jeder Mensch, der sein Vertrauen und seinen Glauben auf Jesus Christus und auf das, was er getan hat, stützt, kann Gottes Vergebung vollständig erhalten – ohne eigene Leistung. Was wir leisten, ist vor Gott nichts wert.
Sie betonten nicht nur sola scriptura – allein die Schrift –, sondern auch sola gratia – allein durch Gnade. So steht es in der Bibel: Ohne unsere Leistung können wir von Gott angenommen werden und seine Vergebung erhalten.
Weiter betonten sie sola fide – allein durch Glauben, nicht durch etwas Zusätzliches. Allein das Vertrauen auf das, was Jesus Christus vollbracht hat, reicht aus. Wir können seinem Werk am Kreuz nichts hinzufügen.
Die Reformation und ihr Verhältnis zu Wissenschaft und Kunst
Wie war das Verhältnis der Reformation zur Wissenschaft?
Kurz vor dem Ausbruch der Reformation befand sich Europa im Zeitalter der Renaissance. In dieser Zeit wuchs bei vielen gelehrten Menschen im Abendland das Interesse an Naturwissenschaften. Die Reformatoren befürworteten die Naturwissenschaften ausdrücklich. Sie sahen in der Bibel eine Ermutigung, die Natur zu studieren und zu erforschen. Denn die Bibel bezeugt Gott als Schöpfer. Das Wissen, dass hinter der Ordnung der Natur der Schöpfer steht, sollte als Ansporn für wissenschaftliche Forschung dienen.
Infolgedessen erlebte die wissenschaftliche Forschung gerade in den Ländern der Reformation einen enormen Aufschwung. Einer der bedeutendsten Wissenschaftler aus diesem Umfeld war Sir Isaac Newton (1643–1727). Er war ein englischer Astronom, Mathematiker, Physiker und Naturphilosoph. Newton zählt zu den bedeutendsten Forschern der Geschichte überhaupt. Er war ein tiefgläubiger Mann und hat neben seinen naturwissenschaftlichen Arbeiten auch Bibelkommentare verfasst – was vielen gar nicht bekannt ist.
Isaac Newton sagte einmal: „Wer oberflächlich Physik betreibt, der kann an Gott glauben. Wer sie bis zum Ende denkt, der muss an Gott glauben.“
Wie war das Verhältnis der Reformation zur Musik?
Auch hier gab es Unterschiede, etwa zwischen Johannes Calvin und Ulrich Zwingli. Doch die Reformation im Allgemeinen förderte die Musik als Mittel zur Anbetung und Ehrung Gottes ganz massiv. Man kann sagen, dass die Musik von Johann Sebastian Bach (1685–1750) ohne die Reformation nicht zu verstehen ist. Sie ist durch und durch reformatorisch im Sinne dessen, dass Musik allein zur Ehre Gottes dienen soll und unter der Autorität der Bibel steht.
Die beiden Bände von Johann Sebastian Luthers Bibel sind bis heute erhalten und zeichnen sich durch viele Randbemerkungen aus. Luther hat nicht nur komponiert – und zwar so viel, dass jemand, der sein Werk abschreiben wollte, eigentlich sein ganzes Leben dafür bräuchte. Man fragt sich, wie er das alles nebenbei noch komponieren konnte, ohne nur aufzuschreiben. Seine Arbeitskraft war unglaublich.
Doch Luther sah sich nie als Genie, sondern als einen Menschen, der seine Kraft und seine Fähigkeiten fleißig zur Ehre Gottes einsetzt. So schrieb er oft, wenn er mit dem Komponieren begann, zuerst auf das Blatt „JJ“ (Jesus Juba, Jesus hilf!) oder am Ende „Soli Deo Gloria“ (allein Gott die Ehre).
Die Folgen der Reformation und die Zeit der Religionskriege
Nun, das war eine ganz entscheidende Etappe, die einen tiefen Einschnitt in Europa markierte. Viele Menschen damals haben ihre Bibel wieder richtig lieben gelernt oder überhaupt erst einmal lesen gelernt. Denn es war auch die Zeit, in der man begann, die Bibel in Landessprachen zu übersetzen. So konnten auch Menschen, die kein Latein konnten, die Bibel lesen.
Doch danach begann das Zeitalter der Religionskriege. Die katholische Kirche als Organisation und Machtsystem wollte keine Rückkehr zur Bibel allein. Zwar haben Tausende von Mönchen und Nonnen damals die Gnade Gottes durch Glauben allein in Anspruch genommen und sind innerlich zur Ruhe gekommen. So auch Mönch Martin, der ständig von der unruhigen Frage getrieben war: Wie kann ich einen gnädigen Gott haben, wenn Gott gerecht ist? Er fand schließlich zur Ruhe.
Viele Tausende sind ebenfalls zur Ruhe gekommen. Doch die Organisation wollte das nicht akzeptieren. So kam es zur Gegenreformation im Europa des 16. und 17. Jahrhunderts, verbunden mit schrecklichen Kriegen.
Karl V., der Kaiser zur Zeit der Reformation im 16. Jahrhundert, war der führende starke Mann in Europa, der die Gegenreformation kriegerisch anführte. Glücklicherweise war Europa damals stark durch den Islam bedroht. Der Islam drang bis vor die Tore Wiens vor. Die Heere Europas waren daher stark damit beschäftigt, den Islam zurückzudrängen, der ganz Europa islamisieren wollte.
Im Schatten dieser Kriege gegen den Islam zwischen Abendland und Morgenland konnte sich die Reformation an vielen Orten entfalten. Menschen konnten ihre Bibel in ihrer Muttersprache lesen, studieren und im Alltag umsetzen.
Zu den Reformationskriegen ist Folgendes zu sagen: Der erste große wichtige Krieg war zum Beispiel der Schmalkaldische Krieg 1546/1547. Es gab zwar schon vorher Kämpfe, doch dieser Krieg war ein entscheidender Wendepunkt. Dann folgten die Hugenottenkriege von 1562 bis 1598, in denen Abertausende von Hugenotten getötet wurden. Schließlich kam der Dreißigjährige Krieg von 1618 bis 1648, der Europa praktisch am Boden zerstörte. Europa war 1648 völlig zerstört.
Die Aufklärung als Reaktion auf die Religionskriege
Und das hatte Folgen. Es löste eine neue Bewegung aus, eine Reaktion auf die grausamen Religionskriege. Nach dem Dreißigjährigen Krieg entstand die sogenannte Aufklärungszeit. In dieser Zeit wandten sich viele Intellektuelle bewusst vom christlichen Glauben ab.
Einer der bedeutendsten Vertreter war Voltaire, ein äußerst kluger und scharfsinniger Mann, der auch für seine spöttische und scharfe Zunge bekannt war. Er prägte den Satz: Le Dogme apporte le Fanatisme, zu Deutsch: Das Dogma führt zum Fanatismus.
Voltaire behauptete, Religion mache die Menschen zu Bestien. Sie führe dazu, dass Menschen sich gegenseitig abschlachten und einander nicht akzeptieren können. All dies sei die Folge des christlichen Dogmas. Deshalb sollten wir uns nicht mehr davon leiten lassen. Weder die Kirche noch die Bibel hätten Autorität.
Stattdessen sollten wir uns nur von unserer Vernunft und unserem Verstand leiten lassen. Wenn unser Verstand sagt, etwas sei gut, dann sei es gut. Wenn er sagt, etwas sei unsinnig, sollten wir es nicht tun. Aus diesem Grund wird diese Zeit auch als Zeit des Rationalismus bezeichnet.
Das Wort Ratio bedeutet auf Lateinisch Vernunft. Der Rationalismus ist also eine Ideologie, die die menschliche Vernunft als letzte Instanz anerkennt.
Persönliche Reflexion zum Rationalismus und die Figur Voltaire
An dieser Stelle wollen wir ganz persönlich über diese Dinge nachdenken.
Voltaire, obwohl sehr klug, setzte die katholische Kirche und die Religionskriege gleich mit dem Christentum. Man kann ihn dafür kritisieren, denn darin steckt ein schwerer Denkfehler. Man kann das nicht einfach mit dem Christentum gleichsetzen.
Wir fragen uns nun: Machen wir denselben Fehler? Können wir eigentlich unterscheiden zwischen dem ursprünglichen Christentum – und hier geht es ganz speziell um die Person von Jesus Christus sowie um die Bibel, das Alte und Neue Testament – und dem, was das Christentum im Lauf der Jahrhunderte geworden ist?
Sehen wir uns an, was das Christentum am Anfang war, welche Lehre in der Bibel stand, und vergleichen wir das mit dem, was die Menschen im Laufe der Zeit daraus gemacht haben.
Religionskriege lassen sich biblisch absolut nicht begründen. Jesus Christus hat gelehrt, dass man den Feind nicht hassen, sondern lieben und für ihn beten soll, auch wenn er ganz anders denkt. Wie ist das mit den Religionskriegen zu vereinbaren?
Es ist eben nicht zu vereinbaren. Wir müssen jedoch ganz klar unterscheiden. Voltaire konnte das nicht. Für ihn waren die Bibel, Jesus Christus und all die Religionskriege dasselbe. Alles wurde in denselben Abfallkorb geworfen.
Aber die Frage bleibt: Können wir den Unterschied machen?
Immanuel Kant und die Definition der Aufklärung
Eine weitere sehr wichtige Persönlichkeit der Aufklärungszeit war Immanuel Kant (1724–1804). Im Gegensatz zu Voltaire, der Franzose war, stammte Kant aus Deutschland. Er wuchs in einem gottesfürchtigen Elternhaus auf, was die Bedeutung seiner Gedanken umso dramatischer macht.
Immanuel Kant definierte die Aufklärung in seiner Schrift mit dem Titel „Was ist Aufklärung?“ mit einem berühmten Zitat: Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit bedeutet das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen. Diese Unmündigkeit ist selbstverschuldet, wenn die Ursache nicht im Mangel des Verstandes liegt, sondern im Mangel an Entschlossenheit und Mut, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.
Sapere aude – auf Deutsch: Wage es, verständig zu sein! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! Dies ist der Wahlspruch der Aufklärung. Es geht hier also um Rationalismus und um die Emanzipation des Menschen. Der Mensch soll aus der Unmündigkeit heraus selbständig werden und sich emanzipieren – von Gott und der Bibel.
Übrigens steckt im Wort Emanzipation das lateinische Wort „manus“ für Hand. Emanzipation bedeutet das Herausgehen aus einer Hand, die einen hält. Doch das ist nicht nur negativ. Eine Hand kann auch führen. Wenn ein Vater sein Kind an der Hand hält, führt er es. Wenn das Kind aber die Führung nicht mehr will und die Hand entzieht, dann emanzipiert es sich und wird selbstständig.
Das Gleichnis vom verlorenen Sohn als Bild für Emanzipation
An dieser Stelle ist es interessant, einmal neu über das Gleichnis vom verlorenen Sohn nachzudenken, das Jesus Christus den Menschen in Lukas 15,11 vorgetragen hat. Er sagte: Ein gewisser Mensch hatte zwei Söhne. Der Jüngere von ihnen sprach zu dem Vater: „Vater, gib mir den Teil des Vermögens, der mir zufällt.“ Daraufhin teilte der Vater die Habe unter seinen Söhnen auf.
Nach nicht vielen Tagen brachte der jüngere Sohn alles zusammen und reiste in ein fernes Land. Das ist Emanzipation. Der Sohn befreit sich vom Vaterhaus, er will selbständig sein und selbst entscheiden. Er möchte sich seines Verstandes bedienen, ohne die Anleitung eines anderen.
Der Vater ist ein Bild von Gott, und der Sohn, der weggeht, steht sinnbildlich für uns Menschen schlechthin.
Philosophiegeschichte: Vom 19. Jahrhundert zum Atheismus
Wir setzen die Geschichte des Denkens fort, die man auch Philosophiegeschichte nennt. Dabei werden die verschiedenen wichtigen Vertreter des Denkens über unterschiedliche Zeitalter, Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg systematisch untersucht. Es wird auch beachtet, wie das Denken von früheren Denkweisen abhängig ist, wenn es sich weiterentwickelt. Außerdem wird betrachtet, wie das spätere Denken das noch spätere beeinflusst und prägt.
Wir wechseln nun aus dem Zeitalter der Aufklärung in das neunzehnte Jahrhundert, das als Zeitalter des Atheismus gilt.
„Gott gibt es nicht.“ Man muss sagen, dass Immanuel Kant meinte, wir können nicht wissen, ob es Gott gibt oder nicht. Es lässt sich weder das eine noch das andere beweisen. Viele Aufklärer seiner Zeit waren Deisten. Sie sagten, natürlich gibt es einen Gott, denn von irgendwoher muss die ganze Ordnung in der Natur kommen.
Dieser Gott hat aber mit uns überhaupt nichts zu tun, er ist weit entfernt und spielt für unser Leben und Denken keine Rolle. Zudem hat dieser Gott nichts mit der Bibel zu tun.
Im neunzehnten Jahrhundert meinte man, dass man dieses Denken der Deisten nicht mehr braucht. Man brauchte weder einen Gott, noch einen Gott, der ganz weit weg ist und am Anfang quasi alles gestartet hat – so wie man eine Uhr aufzieht und sie dann von alleine ticken lässt.
Charles Darwin und die Evolutionstheorie
Ein sehr wichtiger Mann im Zeitalter des Atheismus war Charles Darwin. Er schrieb 1859 – genauer gesagt, 1849 gab er das Buch heraus – mit dem Titel „Die Entstehung der Arten durch natürliche Selektion“. Damit wurde er zum Vater der modernen Evolutionslehre. Diese besagt, dass sich das Leben von selbst entwickelt hat und Gott dafür überhaupt nicht notwendig ist.
Wir können die Entstehung und Entwicklung des Lebens – also der Kleinstorganismen, dann der Pflanzen und Tiere – vollständig erklären, und zwar allein aus den gegebenen Naturgesetzen, ohne einen Gott hinzuzuziehen.
1871 erschien ein weiteres Buch von Darwin mit dem Titel „Die Abstammung des Menschen“. 1859 hatte Darwin nur über Tiere und Pflanzen gesprochen, nicht aber über den Menschen. Die Zeit war damals noch nicht reif für eine solche philosophische Auseinandersetzung. Doch 1871 schlug das Buch wie eine Bombe ein.
Natürlich ist bei dieser ganzen zufälligen Entwicklung auch der Mensch nicht ausgeschlossen. Auch der Mensch ist eine zufällige Entwicklung, und zwar aus dem Tierreich heraus. Der Mensch ist demnach nur ein hochstehendes Tier.
Es ist nun interessant, sich nicht nur oberflächlich mit dieser Lehre zu beschäftigen, wie es oft in der Schule geschieht, sondern auch das Leben des Vaters der Evolution näher zu betrachten. Darwins Leben war ein steter Versuch, vor Gott zu fliehen. Das wirkte sich so aus, dass er unter schweren psychosomatischen Leiden litt.
Man kann diese körperlichen Leiden, die er über viele Jahre hatte, aus seinem schlechten Gewissen erklären. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er ganz bewusst versuchte, Gott zu verdrängen.
Im Verlauf seiner Lebensgeschichte ist auch zu beobachten, dass sein Sinn für Schönheit in der Natur und in der Musik immer mehr schwand. Der alte Darwin war ein armer Mensch, für den die Welt ohne Gott kalt und tot wurde.
Man muss aber bedenken, dass seine geliebte Frau Emma Darwin tiefgläubig war. Über all die Jahre hinweg litt sie schwer unter Charles’ Zustand. Für sie war das eine große Not, denn dieser Mann kannte eigentlich Gott, doch er floh vor Gott.
Darwin hatte ursprünglich Theologie studiert, und zwar bis zum ersten universitären Abschluss, vergleichbar mit dem heutigen Bachelor. Damals gab es das Bologna-System noch nicht. Doch er wandte sich von der Theologie ab, denn es war nicht sein Weg, sich mit Gott zu beschäftigen.
In seiner Autobiographie schrieb er: „Wenn ich den Sternenhimmel betrachte, überkommt mich eine Macht, die mir zeigt, dass es doch einen Schöpfer geben muss.“ Im Weiteren sagte er aber: „Wenn ich dann an die Ungerechtigkeit in der Welt denke, verschwindet dieser Gedanke wieder.“
Emma schrieb ihrem Ehemann einen Brief, in dem sie gerade dieses Dilemma des Bösen in der Welt aus biblischer Sicht erklärt. Warum kann es einen guten Schöpfer, einen guten Gott, einen Gott der Liebe geben, und trotzdem existiert das Böse? Die Bibel gibt darauf eine Antwort.
Evolution heute und kritische Betrachtung
Nun können wir an dieser Stelle auch ganz persönlich darüber nachdenken: Was hat das jetzt mit uns zu tun? Darwin und wir. Weshalb glauben wir heute, im Jahr 2008, überhaupt an Evolution?
Gut, ich nehme nicht an, dass alle von Ihnen das glauben, aber in unseren Gesellschaften ist es tatsächlich die große Mehrheit, die daran glaubt. Da sollte man sich fragen: Warum glaube ich eigentlich an Evolution? Welche Gründe habe ich, die mir Gewissheit geben, dass es so ist?
Es ist ganz interessant, wenn man die Leute, die über diese Dinge befragt werden, so ähnlich wie Sokrates es vor über zweitausend Jahren gemacht hat, fragt. Sokrates stellte den Menschen immer Fragen, er lehrte nichts direkt. Für ihn war es wichtig, den Menschen Fragen zu stellen – und zwar so lange, bis sie nicht mehr antworten konnten. Sein Anliegen war es, ihnen zu zeigen, dass sie eigentlich gar nichts wissen.
Das ist wirklich interessant, wenn man sich konkret fragt: Warum glaube ich eigentlich? Welche Argumente habe ich, die mich hundertprozentig überzeugen? Man kann immer weiterfragen, bis man an einen sehr interessanten Punkt gelangt. Übrigens hat Sokrates den Spruch geprägt: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Das war allerdings nicht sehr demütig gemeint, denn er war überzeugt, dass er der Einzige ist, der das wirklich erkannt hat. Also nicht unbedingt demütig.
Nun ist aber heute Folgendes zu sagen: Die Evolutionslehre steht in Widerspruch zu den beobachtbaren Daten der exakten Naturwissenschaft. Heute, über hundert Jahre nach Darwin, können wir ein wenig zurückgelehnt über diese Dinge nachdenken.
Das ist wirklich sehr schwerwiegend. Es ist jedoch nicht das Thema heute Nachmittag, Schöpfung und Evolution oder Schöpfung oder Evolution zu behandeln. Darum nur ein ganz kurzer Exkurs unter dem Titel: „Evolution ist unmöglich.“
Wissenschaftliche Einwände gegen die Evolutionstheorie
Sie sehen hier Bruno Vollmert, geboren 1920, einen deutschen Makromolekularchemiker und Nobelpreisträger. Er ist also der große Spezialist des zwanzigsten Jahrhunderts in Fragen der Makromoleküle.
Ich muss erklären, was Atome sind – das wissen wir ja alle. Es sind die kleinen Einheiten, aus denen die ganze Materie besteht. Wenn man einzelne Atome zusammensetzt, entstehen Moleküle. Zum Beispiel, wenn man H2O nimmt, also zwei Wasserstoffatome und ein Sauerstoffatom, und diese zusammensetzt, entsteht ein Molekül, das Wasser heißt.
Nun kann man solche Moleküle weiter zusammensetzen. In der Chemie kann man aus verschiedenen Molekülen riesige Ketten herstellen. Natürlich nur aus bestimmten Molekülen, die man zu sehr langen Ketten verbinden kann. Diese sind dann eben die makromolekularen Ketten, wenn sie extrem lang sind.
Bruno Vollmert, als Spezialist auf diesem Gebiet, schrieb ein Buch mit dem Titel „Das Molekül und das Leben – vom makromolekularen Ursprung des Lebens, was Darwin nicht wissen konnte, weil er zu früh gelebt hat“. Es erschien 1985 in Nienstedten bei Hamburg.
Heute wissen wir, dass das Erbgut in jeder Zelle des Körpers aufgeschrieben ist. In jeder Zelle befindet sich ein riesiges Molekül, die sogenannte DNS, die Desoxyribonukleinsäure. Bei Menschen ist sie so lang, dass sie, wenn man sie auseinanderfalten würde, in der ganzen Länge etwa einen Meter misst. Das ist sensationell, diese Länge.
Dieses Makromolekül ist ohne Parallele. Das gilt auch für alle Tiere und Pflanzen. Auch dort ist das Erbgut mit einem Code versehen. Gewisse Moleküle haben die Funktion von Buchstaben, und so wie diese in der Kette zusammenhängen, entsteht ein Computercode. Dieser Code gibt an, wie beispielsweise beim Menschen in jeder Zelle festgelegt ist, wie man eine Hand baut oder wie man andere Körperteile herstellt.
Beim Krokodil ist in jeder Zelle aufgeschrieben, wie man ein Krokodil baut, und bei einer Erbse, wie man die Pflanze Erbse baut. Der ganze Bauplan ist dort kodiert.
Wir können also sagen: Das Makromolekül DNS ist die Information des Lebens, das gewaltigste Computerprogramm, das es überhaupt gibt. Es ist der Schlüssel zur Vererbung.
Bruno Vollmert arbeitete in der Industrie mit Makromolekülen. Weil er dort der führende Spezialist war, ist er auch der führende Spezialist im Zusammenhang mit dem Makromolekül DNS.
Vollmert erklärt, dass in der Natur molekulare Ketten sehr früh abbrechen. Wenn irgendwo in der Natur Moleküle zufällig zusammenkommen und sich zu längeren Ketten vereinigen, erreichen sie eine gewisse Länge, und dann brechen sie. Diese Gesetze, die zum Bruch führen, sind sehr genau bekannt.
Vollmert sagt also: In der Natur brechen molekulare Ketten sehr früh ab. Auch die Ursuppenbedingungen von Miller ändern daran nichts.
Ich muss kurz erklären: Miller war ein Naturwissenschaftler in den 1950er Jahren. Er wurde berühmt durch Experimente, in denen er zeigen wollte, wie die erste Zelle zufällig hätte entstehen können. Er ging davon aus, dass die heutige Situation auf der Erde so ist, dass Leben nicht aus Unbelebtem entstehen kann.
Schon unsere Atmosphäre ist so beschaffen, dass sie das Entstehen von Leben nicht erlaubt, obwohl wir sehr viel Wasser auf der Erde haben. Da sind sich die Naturwissenschaftler einig: Heute entsteht nicht zufällig eine neue Zelle.
Man hätte sagen können, dass das Geld für die Phoenix-Mission hätte gespart werden können. Jetzt haben wir wieder einen Satelliten zum Mars geschickt, der nach Spuren von Leben suchen sollte. Aber es ist ja ohnehin nicht möglich, dass Leben auf der Erde zufällig entsteht, obwohl wir so viel Wasser haben. Wie sollte es dann auf dem Mars entstehen, mit so wenig Wasser und den dort herrschenden Bedingungen?
Miller baute in seinem Labor eine künstliche Atmosphäre auf, von der er dachte, dass sie so vor Hunderten von Millionen Jahren ausgesehen haben könnte. Unter diesen atmosphärischen Bedingungen kann man sich vorstellen, dass sich Moleküle so zusammensetzen, wie wir es brauchen.
Er arbeitete mit Blitzentladungen und wollte zeigen, dass Leben zufällig entstehen kann. Aber es brachte überhaupt nichts.
Bruno Vollmert sagt nun, dass auch die Ursuppenbedingungen Millers daran nichts ändern, denn die Ketten brechen zu früh ab – es geht nicht.
Weiter sagt er: Die Gesetze zur Herstellung von Makromolekülen sind durch jahrzehntelange Experimente sehr gut bekannt. Darum wissen wir, dass es keine Möglichkeit gibt, einen ersten Einzeller entstehen zu lassen. Es funktioniert nicht, weil die Ketten früher abbrechen.
Eine DNS der kleinsten, einfachsten Zelle kann nicht entstehen. Es gibt keine Möglichkeit, dass sich das DNS-Molekül eines Einzellers zufällig bilden konnte. Das widerspricht jeder Naturgesetzlichkeit.
Die Entstehung des Lebens von selbst ist nicht möglich.
Vollmert sagt weiter, dass die Verlängerung des DNS-Moleküls von einer Tierart zur anderen auch nicht funktioniert. Denn im Laufe der Zeit müsste das DNS-Molekül immer länger geworden sein, also die Kette.
Es müsste viel, viel länger geworden sein, bis hin zur menschlichen DNS von einem Meter Länge. Aber das funktioniert nicht, denn die Ketten brechen in der Natur ab.
Es funktioniert nicht von einer Tierart zur anderen.
Und es funktioniert nicht einmal mit Intelligenz.
Die moderne Chemie schafft es bis heute, im Jahr 2008, nicht, aus Unbelebtem eine künstliche Zelle zu erzeugen, die lebt.
Selbst wenn sich alle Nobelpreisträger der Chemie zusammentäten und all die gewaltigen Vorrichtungen der chemischen Industrie verwendeten, würden sie es nicht schaffen.
Wenn es nicht einmal mit so viel Intelligenz gelingt, wie soll es dann zufällig möglich gewesen sein?
Vollmert sagt also: Es geht überhaupt nicht.
Schließlich schreibt er am Schluss seines Buches: „Ich halte daher den Darwinismus für einen verhängnisvollen Irrtum, der seinen beispiellosen Erfolg letztlich einem anthropozentrischen Wunschdenken verdankt.“
Anthropozentrisch bedeutet, dass der Mensch sich im Mittelpunkt sieht. Gott ist weg, der Mensch ist das Zentrum.
Einerseits klingt Evolution sehr demütig: Wir sind nur hochentwickelte Tiere. Aber andererseits ist sie auch hochmütig, denn sie bedeutet, wir sind das höchste Wesen, das es überhaupt in der Natur gibt.
Darüber gibt es nichts Höheres, denn Gott gibt es ja nicht im Atheismus.
Evolution ist letztlich sogar die Vergottung des Menschen – aber das ist etwas anderes.
Am Ende seines Buches schreibt Vollmert auf der letzten Seite: „Mit der Frage nach der Entstehung des Lebens ist es in dieser Hinsicht wie mit der Frage nach der Entstehung der Materie. Wie sind überhaupt die Atome entstanden? Die ganze Materie?“
Als Albert Einstein von einem Journalisten einmal danach gefragt wurde, soll er als Antwort nur mit dem Finger nach oben gezeigt haben.
„Diese bescheidene Geste des großen Physikers nehme ich auch als die unter naturwissenschaftlichen Aspekten einzig angemessene Antwort auf die Frage nach der Entstehung des Lebens, das mehr ist als selbstorganisierte Materie.“
Ich möchte noch ein Zitat hinzufügen von Werner Heisenberg, Physiker und Mitbegründer der Quantenphysik, ebenfalls Nobelpreisträger. Er sagte einmal: „Der erste Trunk aus dem Becher der Naturwissenschaft macht atheistisch, aber auf dem Grunde des Bechers wartet Gott.“
Karl Marx und der Einfluss der Evolutionstheorie auf den Kommunismus
Ein weiterer wichtiger Denker im neunzehnten Jahrhundert im Rahmen des Atheismus war Karl Marx (1818–1883). Er gilt als der Vater des Kommunismus. Im Jahr 1867 veröffentlichte er das Buch „Das Kapital“, in dem er mit dem Kapitalismus abrechnen wollte.
Dieses Buch wollte er Darwin widmen, weil er feststellte, dass Darwin fantastisch sei. Darwin gab ihm die naturwissenschaftliche Grundlage für den Kommunismus. Kommunismus ist immer auch gleichzusetzen mit Materialismus. Marx erkannte keinen Gott an, glaubte aber, dass der Mensch alles weiterentwickeln könne – höher und besser, auch in der Gesellschaft.
So sah er Darwin als den großen Mann, der ihm die Grundlage für die Lehre des Klassenkampfes gab. Der Klassenkampf ist zentral im Denken des Kommunismus und Sozialismus. Eine Klasse bekämpft die andere – These und Antithese – und aus diesem Konflikt entsteht etwas Höheres, Neues: die Synthese. Danach beginnt wieder ein Klassenkampf, und so geht es immer weiter, bis schließlich die ideale Gesellschaft des Friedens als höchste Evolution entsteht.
Für Marx war klar: Darwin liefert die wissenschaftliche Erklärung dafür, dass es gut ist, wenn verschiedene Klassen aufeinander losgehen und sich zerschlagen. Dabei gewinnt der Stärkere und eliminiert den Schwächeren. So schreitet die Evolution voran. Darwin habe gelehrt, dass der Stärkere den Schwächeren vernichtet, und so geht die Evolution zu einer höheren Stufe weiter.
Das ist das Grundprinzip des Daseins: der Kampf ums Dasein. Daraus erklärt sich die Selektion: Der Stärkere wird ausgewählt, selektiert, der Schwächere geht unter. So geht es aufwärts. Die Selektion ist eine wichtige Triebfeder für alle Entwicklungen.
Darwin akzeptierte die Widmung nicht. Er fühlte sich nicht wohl dabei. Schon wegen seiner Bücher war ihm nicht wohl, aber Marx auch noch zu unterstützen, war ihm ganz und gar unangenehm.
Es ist auch interessant, das Leben von Marx genauer anzuschauen. Er stammt ursprünglich aus einer rabbinischen Familie. Als junger Mann war er ein bekennender Christ. Doch als er an die Hochschule ging, geschah in den frühen Semestern etwas, das wir nicht genau kennen. Dort kam es zu einer totalen Kehrtwende. Marx entwickelte einen tiefen Hass gegen Gott.
Er schrieb auch Gedichte und ein Schauspiel, in denen ganz schreckliche Dinge zum Ausdruck kommen. In einem Gedicht heißt es: „Ich möchte mich an dem einen rächen, der dort oben herrscht.“
Wenn man das Leben von Marx betrachtet, ist es ein Leben der Zerrüttung. Zwei seiner Töchter und ein Schwiegersohn begingen Selbstmord. Außerdem starben drei seiner Kinder durch unnötige Unterernährung und Verwahrlosung. Marx hat seine elterlichen Pflichten auf schreckliche Weise nicht erfüllt.
Ganz am Ende seines Lebens versank Marx in totaler Hoffnungslosigkeit. In einem Schreiben an Engels, seinen Freund, bezeichnete er das Leben als „unnütz und leer“. Das ist sehr bedrückend: Ein Mann, der bewusst gegen Gott gekämpft hat, endet so.
Übrigens ist auch das Aussehen von Marx bemerkenswert. Sein Bart und seine Haare entsprechen nicht dem typischen Stil des neunzehnten Jahrhunderts. Es ist ein ganz spezifischer Bart, wie er bei Satanisten bekannt ist. Das beweist nicht, dass Marx ein Satanist war oder einem satanistischen Orden angehörte. Doch Richard Wurmbrand hat in einem Buch viele Elemente zusammengetragen, die darauf hinweisen könnten, dass es so gewesen sein könnte.
Auf jeden Fall muss eine Nähe zum Satanismus bestanden haben. Es ist auch typisch für Satanisten, ein zerrüttetes Leben zu führen – mit vielen Selbstmorden in der Familie. Das ist bekannt.
Marx war aber nicht einfach nur eine tragische Figur für sich. Sein Denken hatte Auswirkungen auf die ganze Weltgeschichte, besonders im zwanzigsten Jahrhundert. Auf der Karte sind rot alle Länder eingezeichnet, die unter die Herrschaft des Kommunismus und Marxismus kamen.
Im Jahr 1917 brach die russische Revolution aus. Das war die Zeit der Machtübernahme der Kommunisten in Russland. Der Klassenkampf gegen die Oberen, die verhassten Adligen und so weiter, war motiviert durch Darwin. Darwin hatte gezeigt, dass der Stärkere den Schwächeren zerstören muss, damit es aufwärtsgeht.
Nach der russischen Revolution wurden in Russland und später in der Sowjetunion Millionen Menschen ermordet. In den 1920er Jahren begann eine systematische Christenverfolgung. Sie war ein Versuch, das Christentum in Russland systematisch zu vernichten.
Diese Verfolgung wirkte sich auch auf viele andere Länder aus, wie Rumänien und weitere ehemalige Ostblockstaaten. Das war eine schreckliche Umsetzung dessen, was der Darwinismus aussagt.
Friedrich Nietzsche und die Philosophie des Nihilismus
Eine weitere bedeutende Persönlichkeit des 19. Jahrhunderts, dem Zeitalter des Atheismus, war Friedrich Nietzsche (1844–1900). Auch seine Lebensgeschichte ist sehr tragisch. Er war der Sohn eines evangelischen Landpfarrers in Deutschland. Sein Vater starb, als Friedrich noch sehr jung war. Danach wurde er in einem Frauenhaushalt von seiner Mutter und Schwester aufgezogen. Die Erziehung war vermutlich nicht sehr glücklich.
Nietzsche ließ sich stark von Darwin beeinflussen. In seiner Philosophie kam er zu der Überzeugung: Gott ist tot. Damit meinte er nicht, dass Gott einst gelebt habe, sondern er sagte, dass in unserer Zeit der modernen Wissenschaft der Gedanke an Gott überholt und vorbei sei – er sei tot. Gleichzeitig betonte Nietzsche auch, dass nun auch der Mensch tot sei. Damit wollte er nicht sagen, dass wir alle physisch gestorben sind, sondern dass der Mensch in ein Nichts, in ein Loch verfalle.
Nietzsche war geprägt von einem tiefen Hass auf das Christentum. Er machte eine steile akademische Karriere und wurde sehr früh Professor an einer Hochschule. Doch er hatte im Leben mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen und wurde bereits mit 34 Jahren frühzeitig pensioniert. Schließlich endete sein Leben in totaler geistiger Umnachtung, vermutlich als Folge einer Syphilis, die er sich als Zwanzigjähriger in einem Freudenhaus zugezogen hatte.
Mit dem Bruch zum Christentum und zur Bibel kam auch der Bruch in der Frage nach Recht und Unrecht, nach der Lebensweise. Nietzsche führte mit zwanzig Jahren einen solchen Lebensstil, der ihn schließlich in die totale Umnachtung führte. Beeindruckend ist, wie seine ältere Schwester ihn bis zum Schluss hingebungsvoll pflegte. Am Ende war er nur noch abwesend. Manchmal kamen Freunde zu Besuch, und für kurze Momente konnte man wieder Zugang zu ihm gewinnen. Doch dann war er wieder weg und schließlich ganz verloren. Sehr tragisch.
Nietzsches Philosophie prägte das 20. Jahrhundert in hohem Maße – und beeinflusste unter anderem auch Adolf Hitler. Hitler war stark beeindruckt von Darwin und auch von Nietzsche.
Sigmund Freud und die Psychologie des 20. Jahrhunderts
Ein weiterer wichtiger Mann am Übergang vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert war Doktor der Medizin Sigmund Freud, geboren 1856 und gestorben 1939. Er hat das zwanzigste Jahrhundert entscheidend geprägt. Freud war jüdischer Abstammung, aber ohne Glauben an Gott. Es ist überliefert, dass er sich selbst als „ganz und gar gottlosen Juden“ und „hoffnungslosen Heiden“ bezeichnete. Wenn ein Jude so etwas von sich sagt, ist das sehr ungewöhnlich, auch bei liberalen Juden.
Schon in seiner Jugend verspürte Freud eine starke Anziehung zur Evolutionslehre von Darwin. Freud beeinflusste die Psychologie des zwanzigsten Jahrhunderts wie kein anderer. Im Zentrum seiner Psychologie steht der Sexismus, das heißt, die Sexualität wird als die zentrale Kraft im Menschen gesehen, aus der sich alles Mögliche erklären lässt – sein Verhalten, sein Denken und vieles mehr.
Freud lehrte, dass das Unterdrücken des Sexualtriebes den Menschen krank mache. Er wertete das Rationale entschieden ab und behauptete, der Mensch sei nicht in erster Linie durch sein Denken geprägt, sondern durch seine Sexualität und seine Triebe. Außerdem leugnete er stark die Schuld und die Verantwortlichkeit des einzelnen Menschen. Stattdessen schob er diese auf die Umgebung, auf die Eltern und ihre schlechte Erziehung sowie auf die Gesellschaft.
Diese Sichtweise hat sich auch stark auf die moderne Rechtsprechung ausgewirkt. Ein Beispiel dafür ist ein Schweizer Kabarett, das vor einigen Jahren von mehreren Volksschullehrern gegründet wurde. Die Gruppe heißt „Kabarettrotstift“. In einer ihrer Nummern wird das so dargestellt: Hansli hat wieder einmal einen Stein in die Scheibe des Nachbarn geworfen. Dann singen sie gemeinsam: „Der Hansli ist schon recht, nur Dummwald, die Schlacht.“ Das bedeutet: „Hansli ist schon richtig, nur die Umwelt ist schlecht.“ Diese Haltung geht auf den Freudianismus zurück.
Weiter lehrte Freud, obwohl er jüdischer Abstammung war, dass Religion, Glaube und auch der Glaube an den Gott der Bibel – im Alten Testament wie im Neuen Testament, denn das ist für ihn dasselbe – eine psychische Krankheit seien.
Interessant ist ein Brief, den Freud an C. G. Jung schrieb. Jung war ebenfalls ein bedeutender Psychologe des zwanzigsten Jahrhunderts und ein Schweizer, worauf man stolz sein kann. Freud schrieb an Jung: „Mein bester Jung, versprich mir, die Theorie über die Sexualität, die das Wesentlichste von allem ist, niemals aufzugeben. Wir müssen daraus ein Dogma machen, ein unantastbares Bollwerk.“
Hier zeigt sich, wie nützlich Philosophiegeschichte ist. Man denkt kurz an Voltaire, der sagte: „Le Dogma porte le Fanatisme“ – das Dogma führt zum Fanatismus. Viele wollten sich davon distanzieren und sich stattdessen nach ihrem Verstand richten. Doch die Entwicklung ging weiter, und Freud sagte im zwanzigsten Jahrhundert: „Wir müssen daraus ein Dogma machen. Ein unantastbares Bollwerk. Wehe dem, der das angreift!“
Das 20. Jahrhundert – Das schreckliche Jahrhundert
Nun haben wir wichtige Persönlichkeiten des neunzehnten und des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts betrachtet, die die Entwicklung im zwanzigsten Jahrhundert entscheidend geprägt haben. Im Microsoft-Lexikon Encarta gibt es einen Artikel über Europa. Wenn man dort die Geschichte Europas kurz und prägnant liest, stößt man auf einen neuen Titel: Das schreckliche zwanzigste Jahrhundert. Ich habe diesen Titel in Anführungszeichen gesetzt, da ich ihn nicht selbst erfunden habe. So wird das zwanzigste Jahrhundert bei Microsoft bezeichnet: Das schreckliche zwanzigste Jahrhundert.
Warum ist das so? Zu Recht. Der Erste Weltkrieg brach 1914 aus und dauerte bis 1918. Er forderte über 20 Millionen Tote und war der erste Krieg, in dem chemische Massenvernichtungswaffen eingesetzt wurden. Es war der erste Weltkrieg, weil es in der gesamten Weltgeschichte zuvor keinen Weltkrieg gab.
Dieser Krieg war stark durch den Darwinismus beeinflusst. Das ist heute nicht mehr allgemein bekannt, aber wir wissen, wie viele hohe Militärs in Deutschland damals dachten. Sie glaubten fest daran, dass der Stärkere den Schwächeren beseitigen und sich durchsetzen müsse. Dieses darwinistische Denken spielte eine wesentliche Rolle im Ersten Weltkrieg.
So eroberten die Ideen des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts im zwanzigsten Jahrhundert die Massen. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg folgte der Zweite Weltkrieg, von 1939 bis 1945, mit 55 Millionen Toten. Wenn man dann noch die Massenvernichtungen durch Stalin, Mao und andere im zwanzigsten Jahrhundert hinzuzählt, kommt man auf über 200 Millionen Tote durch Krieg und Verfolgung.
Das war die Konsequenz des modernen Denkens, das sich von Gott emanzipiert hatte. Es ist nicht so gekommen, wie Immanuel Kant es damals gedacht hatte. Kant schrieb nämlich ein Büchlein über den Frieden. Darin sagte er, dass der Mensch durch konsequente Anwendung seines Verstandes letztlich den Weltfrieden bewirken könne. Die Religion führe zwar zu Krieg, doch der Verstand des Menschen werde schließlich zum Frieden führen.
Es ist interessant, wenn man einige Jahrhunderte später zurückblickt. Das zwanzigste Jahrhundert ist das Jahrhundert der Desorientierung, der Entfremdung, der Destabilisierung und der Auflösung von Werten. Besonders deutlich wird dies in der Revolution der 1960er Jahre, der sogenannten 68er-Revolte, die heute ihr 40-jähriges Jubiläum feiert.
Die 68er Revolte und ihre Folgen
Nun, was war das eigentlich? Es war eine Jugend von Millionen Menschen, die enttäuscht waren über die Folgen der wissenschaftlichen Entwicklung. Es kam nicht so, wie man gedacht hatte: Dass alles immer besser wird, wenn der Mensch voranschreitet und mit seinem Denken alles vereinfacht und weiterentwickelt. Nein, es führte dazu, dass es zwei Weltkriege gab.
Im Ersten Weltkrieg wurden bereits Chemiewaffen eingesetzt, und im Zweiten Weltkrieg schließlich Atombomben. Das war katastrophal, als die Amerikaner diese Bomben über Japan abgeworfen hatten. Danach folgte der Kalte Krieg, eine Zeit ständiger Angst zwischen Ost und West: Wer schlägt zuerst mit der Atombombe zu? Die Amerikaner hatten die Doktrin, dass, wenn ein Atomschlag kommt, sie das Recht haben, mit Atombomben zurückzuschlagen. Ihre Überlegung war, so könne ein Atomkrieg verhindert werden.
Sie sagten sich also, die Atombombe sei ethisch, weil sie einen Atomkrieg verhindern könne. Doch wenn die eine Seite zuerst zuschlägt, ist die Atombombe dann immer noch ethisch? Das war das zwanzigste Jahrhundert. Es war auch die Zeit des Vietnamkrieges, der die jungen Menschen stark bewegte. Dieser schreckliche Krieg in den sechziger Jahren sowie die immer größer werdende Umweltverschmutzung in der Nachkriegszeit führten zu großer Enttäuschung über den Rationalismus, bei dem der Verstand und das Denken so wichtig sind.
Man kann das auch in der Kunst nachvollziehen: Im zwanzigsten Jahrhundert stellten manche Künstler Menschen mit sehr kleinen Köpfen und riesigen Körpergestalten dar. Sie nahmen dem Verstand die Bedeutung, denn er führe uns in eine Sackgasse. Deshalb müsse man das Irrationale suchen.
Genau in den sechziger Jahren kam die Rockmusik richtig auf, mit Bands wie den Beatles und den Rolling Stones. Es war ein Weltdurchbruch, wie diese Musik die Massen in Ekstase versetzen konnte. Gleichzeitig wuchs das Interesse an Drogen, denn man hatte erkannt, dass man durch Musik in Rauschzustände kommen kann. Die Frage war: Wie kann man diese Zustände noch stärker erleben? Die Antwort war Drogen.
Rockmusiker experimentierten mit Drogen und priesen sie in ihren Songs an. So begann die Drogenwelle, die bis heute nicht mehr aufzuhalten ist. Ebenso wuchs das Interesse an östlichen Religionen, Meditation im Buddhismus und Hinduismus. Man sagte sich, man könne Rauschzustände auch ohne Chemie durch Meditationsübungen erzeugen.
So kam der Okkultismus im Westen richtig auf, die Esoterik und die New-Age-Bewegung. Früher war das Übernatürliche nur für eingeweihte Kreise zugänglich, doch nun sei ein neues Zeitalter angebrochen, in dem es für die breite Masse offensteht. Alle sollten Esoteriker werden. Man konnte Kurse über Ernährung besuchen und dabei in diese Gedanken eingeführt werden, oft ohne es zu merken.
Damals wurde ein bewusster Bruch mit allen herkömmlichen Werten propagiert. Man sagte, sexuelle Perversion sei nicht an sich etwas Schlechtes, sondern der Mensch müsse seinen Trieb ausleben, sonst werde er krank – das habe uns Freud gelehrt. Wenn wir schon krank werden, dann eben so. Homosexualität sei nicht falsch oder unnatürlich, sondern einfach eine andere Form. Die Ehe habe sowieso ausgedient und sei ein Auslaufmodell. Man wolle neue Formen des Zusammenlebens ausprobieren.
So entstanden die Hippie-Kommunen, die zusammenlebten wie Frösche. Die Ehe und die Familie, auch deren Struktur, galten als überholt. Die Frau habe ein Recht auf Abtreibung, die Parole lautete: „Der Bauch gehört mir.“ Man sagte, Kinder sollten in der Erziehung nicht mehr so unterdrückt werden wie früher, wo man ihnen befahl und Gehorsam erwartete. Kinder hätten einen guten Kern, das habe die Tiefenpsychologie gezeigt. Diesen gesunden Kern müsse man entfalten lassen wie eine Blume. Deshalb müsse man Kinder antiautoritär erziehen.
Ob die Polizisten das gut finden oder nicht, können sie heute selbst beurteilen, wenn sie die Folgen sehen. Das Drogenproblem ist unlösbar geworden. 50 Prozent der Ehen enden in unserer Gesellschaft in Scheidung. Patchwork-Familien werden immer normaler. Eine Patchwork-Familie bedeutet zum Beispiel: Ein Junge hat eine Halbschwester, seine Mutter ist noch da, und sein Vater ist der Freund der Mutter – nicht der erste, sondern der dritte Freund.
Wenn man das betrachtet, sieht man eine Destabilisierung der Kinder. Sie werden innerlich unruhig und unsicher, die Gewalt nimmt zu, ebenso das verbreitete Gefühl der Sinnlosigkeit. Viele junge Menschen in der Schule fragen sich: Was bin ich eigentlich wert? Woher kommt es, dass sie kein Wertgefühl haben? Wenn man ihnen ständig in Biologie und anderen Fächern erklärt, dass wir Zufallsprodukte sind, biochemische Maschinen, nicht gewollt, sondern das Ergebnis eines Knalls vor ungefähr 13 Milliarden Jahren, dann kann man verstehen, dass junge Menschen ein Gefühl der Sinnlosigkeit entwickeln.
Nach 30 Jahren Abtreibung kann man eine Bilanz ziehen: Sie hat zur Vernichtung von mehr als einer Milliarde Kindern weltweit geführt. Das ist keine Fantasiezahl. Man sieht die Zahlen auch bei der WHO auf der Internetseite, wie viele Menschen pro Jahr abgetrieben werden – etwa 40 Millionen. Mehr als eine Milliarde tote Kinder weltweit.
Was führt zum Fanatismus? Das moderne Denken. Man sagt, das sei die Folge von Denken und Vernunft. Wenn eine junge Frau ihr Kind nicht aufziehen kann, ist das natürlich nicht schön. Doch die Vernunft sagt, das sei der bessere Weg, als wenn sie leidet und das Kind. Dabei gäbe es viele Möglichkeiten, solchen Frauen zu helfen. Es gibt auch viele Christen, die sich gerade dafür einsetzen, dass Frauen in Not wirklich Unterstützung bekommen und gezeigt wird, dass es einen Ausweg gibt – Hoffnung für Mutter und Kind.
Heute sehen wir eine dramatische Zunahme der Invalidenrentenbezieher, in der Schweiz sagt man IV-Bezüger, in Deutschland nennt man das ähnlich. Für die Volkswirtschaft ist das dramatisch. In vielen Fällen ist das eine Folge des modernen Lebensstils: Depressionen, ein Tabu – das Postabortsyndrom. Viele Frauen, die abgetrieben haben, leiden unter schweren seelischen Nöten. Darüber wird nicht gesprochen.
Man sagt heute, wir lebten in einer Zeit ohne Tabus. Das stimmt nicht ganz. Viele Tabus sind entfernt worden, aber neue sind entstanden. Dieses Problem ist ein Tabu. Doch es gibt Menschen, die unauffällig mit solchen Frauen arbeiten und Hilfe anbieten.
Dann gibt es das Problem mit AIDS, Hepatitis B und C, das etwa 800.000 Menschen in Deutschland betrifft. Das verbreitete Gefühl der Sinnlosigkeit und Wertlosigkeit sind alles Folgen des modernen Denkens.
Rückkehr zum Gleichnis vom verlorenen Sohn
Ja, wir waren doch beim Gleichnis vom verlorenen Sohn. Jetzt kommen wir nochmals zu Lukas 15, Vers 11 zurück – zum Anfang des Gleichnisses. Dort heißt es: Ein gewisser Mensch hatte zwei Söhne, und der Jüngere von ihnen sprach zu dem Vater: „Vater, gib mir den Teil des Vermögens, der mir zufällt.“ Und der Vater teilte ihm die Habe aus.
Nach nicht vielen Tagen brachte der jüngere Sohn alles zusammen und reiste in ein fernes Land. Dort vergeudete er sein Vermögen, indem er ausschweifend lebte. Als er aber alles verzehrt hatte, kam eine gewaltige Hungersnot über jenes Land, und er selbst begann, Mangel zu leiden.
Er ging zu einem der Bürger jenes Landes, der ihn auf seine Äcker schickte, um Schweine zu hüten. Er begehrte, seinen Bauch mit den Trieben zu füllen, die die Schweine fraßen, doch niemand gab ihm etwas. Der emanzipierte Sohn endet also an den Schweinetrögen. Das ist hochaktuell! Er vergeudete sein Vermögen, lebte ausschweifend, und dann kam eine gewaltige Hungersnot.
Heute ist es nicht so, dass man in Europa zu wenig zu essen hätte, aber es gibt diese innerliche geistliche Hungersnot, diesen inneren Mangel. Man ist bei den Schweinen angelangt. Doch es geht weiter! Es gibt Hoffnung: Als er aber zu sich selbst kam, sprach er...
2008 ist ein ideales Datum, um einmal über die 40 Jahre seit der 68er-Zeit nachzudenken, um zu sich zu kommen und Bilanz zu ziehen. „Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben Überfluss an Brot, ich aber komme hier vor Hunger um.“ Er beschließt, sich aufzumachen und zu seinem Vater zu gehen. Er will zu ihm sagen: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin nicht mehr würdig, deinen Sohn zu heißen. Mache mich wie einen deiner Tagelöhner.“
Und er machte sich auf und ging zu seinem Vater.
Sehen wir: Nicht nur will er gehen, er ging dann auch wirklich. Als er aber noch fern war, sah ihn sein Vater und wurde innerlich bewegt. Er lief hin, fiel ihm um den Hals und küsste ihn sehr.
Der Sohn sprach zu ihm: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu heißen.“ Der Vater hatte schon längst auf die Rückkehr gewartet. Irgendwie muss er immer wieder mal hingegangen sein, um zu schauen, ob der Sohn endlich zurückkommt. Und eines Tages kam er.
Der Vater ist innerlich bewegt. Das ist nicht jemand, der mit Vorwürfen überschüttet, der sagt: „Ich hab's dir ja gesagt, siehst du jetzt nichts davon?“ Nein, innerlich bewegt geht er hin, fällt ihm um den Hals und küsst ihn sehr. Der Sohn bekennt: „Vater, ich habe gesündigt.“
Der Vater aber sprach zu seinen Knechten: „Bringt das beste Kleid hier und zieht es ihm an! Tut einen Ring an seine Hand und Sandalen an seine Füße! Bringt das gemästete Kalb her und schlachtet es! Lasst uns essen und fröhlich sein! Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden, war verloren und ist gefunden worden.“ Und sie fingen an, fröhlich zu sein.
Dieses Gleichnis zeigt uns, wie Jesus Christus erklärt, dass es einen Weg zurück zum Vater gibt. Wir sind Gott davongelaufen, aber es gibt einen Weg zurück. Dieser Weg setzt voraus, dass wir zur Besinnung kommen und wirklich bereit sind zu sagen: „Vater, ich habe gesündigt.“ Und wir müssen auch im Gebet sagen, worin wir gesündigt haben: „Vater, ich habe gesündigt, ich bin nicht mehr würdig.“ Dann sehen wir einen Gott, der innerlich bewegt ist und schon längst darauf wartet, dass wir zurückkehren.
Interessant ist, dass ein Kalb geschlachtet wird. Das ist eine wesentliche Grundlage für die Gemeinschaft mit dem Vater und die daraus folgende Fröhlichkeit. Genau wie die Opfertiere im Alten Testament ein Hinweis darauf waren, dass einmal der Messias, Jesus Christus, kommen würde, um als der Gerechte stellvertretend für unsere Sünden zu sterben und das Gericht Gottes auf sich zu nehmen, haben wir auch hier einen Hinweis auf den Tod von Jesus Christus.
Fröhliche Gemeinschaft und Heimkehr bedeuten nichts anderes als Umkehr.
Schon im Propheten Hesekiel lesen wir in Kapitel 33, Vers 10: Gott sagt: „Also sprecht ihr und sagt: Unsere Übertretungen und unsere Sünden sind auf uns, und in demselben schwinden wir dahin. Wie könnten wir denn leben?“ Ein ganz modernes Gebet! Ich meine „modern“ in dem Sinn, dass moderne Menschen es beten können, weil es so aktuell ist.
Wenn wir sehen, was daraus entstanden ist: „Unsere Sünden sind auf uns, und wir schwinden dahin, wie können wir denn leben?“ Die Antwort kommt im nächsten Vers: „Sprich zu ihnen: So wahr ich lebe, spricht der Herr, der Ewige, ich habe kein Gefallen am Tod des Gesetzlosen, sondern dass der Gesetzlose von seinem Weg umkehre und lebe. Kehrt um, kehrt um von euren bösen Wegen! Denn warum wollt ihr sterben?“
So spricht Gott, der Ewige, zu uns Menschen, so eindringlich: „Kehrt um, kehrt um!“
Der Vater wartet, innerlich bewegt, um den verlorenen Sohn oder die verlorene Tochter zu umarmen.
Jesus Christus hat auf dem Golgatha-Felsen vor den Toren Jerusalems vor zweitausend Jahren unsere Schuld auf sich genommen. In den Stunden der Finsternis am Kreuz, in diesen drei Stunden der Finsternis, hat Gott ihn verlassen und ihn bestraft für das, wofür er eigentlich uns in Ewigkeit bestrafen sollte.
Jeder Mensch, der nun umkehrt, wie der Sohn zum Vater zurückgeht und sagt: „Ich habe gesündigt“ und dieses Opfer von Jesus Christus für sich in Anspruch nimmt, sagt: „Herr Jesus Christus, ich danke dir, dass du an meiner Stelle in den Tod gegangen bist, in das Gericht Gottes auf Golgatha, für diese und jene Sünde und so viele, die ich vergessen habe. Vergib mir!“ Und Gott vergibt.
Das ist die wunderbare Antwort der Bibel auf die Fragen des modernen und postmodernen Menschen: Es gibt Hoffnung, es gibt einen Weg zurück.
Ich wünsche jedem, der hier ist und diese Rückkehr zum Vater noch nicht erlebt hat, dass er das heute wirklich erleben darf. Man kann wirklich direkt kommen.
Persönliche Erlebnisse und Abschluss
Ein Bekannter von mir, der Lehrer ist und mit ausländischen Kindern beziehungsweise Jugendlichen arbeitet, hat mir erzählt, wie er versucht, diese Jugendlichen in die Schweizer Gesellschaft zu integrieren.
Ein Mädchen kam zu ihm und sagte, sie wolle in der Kirche beten. Er antwortete: „Ja, natürlich kann man in der Kirche beten. Wir sind jetzt hier in der Kirche, und das ist ein Ort, an dem man zum Vater zurückkehren kann.“ Dann erklärte er ihr aber auch, dass man überall beten kann. Es ist nicht notwendig, an einen bestimmten Ort zu gehen, um zu beten. Man kann auch zu Hause oder unterwegs beten.
Er betonte, wie wichtig das ist: Wir müssen nichts leisten oder bringen. Wir dürfen nur unsere Schuld zu Gott bringen und die Vergebung aus der Hand des Vaters annehmen.
Danke für Ihre Geduld beim Zuhören.
Das Dogma führt zum Fanatismus, also zum religiösen Fanatismus. Aber es gibt nicht nur religiösen Fanatismus, sondern auch atheistischen Fanatismus und vieles mehr.
Noch eine weitere Frage?
Ach so, das haben Sie ja nicht gehört, dort hinten. Ich wiederhole kurz: Der Fragesteller sagt, er habe schon früher einmal in der Bibelklasse hier über die Fakten des Glaubens gesprochen. Es geht darum, wie man wirklich wissen kann, dass die Bibel Gottes Wort ist und dass sie wahr ist. Er verweist dabei zum Beispiel auf die Prophetie über Israel und wie sich diese gerade in unserer heutigen Zeit erfüllt.
Das ist wirklich ganz besonders eindrücklich zu sehen: Wie sich die prophetischen Aussagen der Bibel über Jahrtausende hinweg wortwörtlich erfüllt haben. Das betrifft Jesus Christus, sein Kommen vor zweitausend Jahren. Über dreihundert Prophezeiungen, sogar der Zeitpunkt seines Kommens, wurden vorausgesagt. Sein Kreuzestod war im Detail prophezeit.
Weiterhin wurde vorausgesagt, dass das jüdische Volk über die ganze Welt zerstreut werden sollte. Die vielen Judenverfolgungen wurden ganz klar und im Klartext in der Bibel vorausgesagt. All das hat sich erfüllt.
Auch in unserer heutigen Zeit sehen wir die Rückkehr der Juden aus allen fünf Kontinenten zurück in das Land ihrer Vorväter. Ebenso den Hass auf sie durch die Völker rund um Israel. Das war alles vorausgesagt.
Der ganze Nahost-Konflikt ist also keine Überraschung für Bibelleser. Man wusste schon längst, dass es genau so kommen würde. Diese Erfüllung zeigt uns, dass die Bibel kein menschliches Buch ist, sondern Gottes Wort.
In keiner anderen Religion gibt es ein Buch, das solche nachweislich echten, erfüllten Prophetien enthält – nur die Bibel.
Darum ist es wichtig, und es könnte jemand fragen: „Wer ist dieser Vater? Zu welchem Vater soll ich zurückkehren? Zu Brahma, dem unpersönlichen Allgott im Hinduismus zum Beispiel?“
Nein, es geht um den Gottvater, wie er in der Bibel offenbart ist. Dieser ewige, persönliche Gott, der seinen Sohn Jesus Christus in die Welt gesandt hat. Das ist der Vater, zu dem wir zurückkehren müssen.
Gibt es noch eine weitere Frage?
Ich hoffe nur, dass Sie nicht erschlagen sind von der Fülle an Informationen. Ich wollte eigentlich etwas kürzer sein, aber manchmal fallen einem im Moment noch ein paar wichtige Dinge ein, die man auch noch sagen sollte. Dann wird es halt manchmal wieder ein bisschen länger.
Vielen Dank! Jetzt wollen wir uns wirklich erfrischen. Es ist auch die Gelegenheit, weiter über das Thema miteinander zu sprechen und Fragen zu stellen.
Danke!