Einführung in das Hohelied und erste Lesung
Wir haben heute das Hohelied vor uns. Im Sinne einer Einführung wollen wir uns mit diesen acht Kapiteln beschäftigen.
Ich lese zuerst einige Verse aus Hohelied 1, Vers 1:
Das Lied der Lieder von Salomo: „Er küsse mich mit den Küssen seines Mundes! Denn deine Liebe ist besser als Wein. Lieblich am Geruch sind deine Salben, ein ausgegossenes Salböl ist dein Name. Darum lieben dich die Jungfrauen.
Siehe mich, wir werden dir nachlaufen. Der König hat mich in seine Gemächer geführt. Wir wollen frohlocken und uns deiner freuen, wollen deine Liebe preisen mehr als Wein. Sie lieben dich in Aufrichtigkeit.
Ich bin schwarz, aber anmutig, Töchter Jerusalems, wie die Zelte Kedars, wie die Zeltbehänge Salomos. Seht mich nicht an, weil ich schwärzlich bin, weil die Sonne mich verbrannt hat. Meine Muttersöhne zürnten mir und bestellten mich zur Hüterin der Weinberge. Meinen eigenen Weinberg habe ich nicht gehütet.
Sage mir an, du, den meine Seele liebt: Wo weidest du, wo lässt du Lagen am Mittag? Denn warum sollte ich wie eine Verschleierte sein bei den Herden deiner Genossen? Wenn du es nicht weißt, du Schönste unter den Frauen, so gehe hinaus den Spuren der Herde nach und weide deine Zicklein bei den Wohnungen der Hirten.
Einem Ross an des Pharao Prachtwagen vergleiche ich dich, meine Freundin. Anmutig sind deine Wangen in den Kettchen, dein Hals in den Schnüren. Wir wollen dir goldene Kettchen machen mit Punkten von Silber.
Während der König an seiner Tafel war, gab meine Narde ihren Duft. Mein Geliebter ist mir ein Bündel Myrrhe, das zwischen meinen Brüsten ruht. Eine Zypertraube ist mir mein Geliebter in den Weinbergen von Engedi.
Siehe, du bist schön, meine Freundin, siehe, du bist schön, deine Augen sind wie Tauben. Siehe, du bist schön, mein Geliebter, ja, holdselig. Ja, unser Lager ist frisches Grün. Die Balken unserer Behausung sind Zedern, unsere Getäfel Zypressen.
Ich bin eine Narzisse Charons, eine Lilie der Täler. Wie eine Lilie inmitten der Dornen, so ist meine Freundin inmitten der Töchter. Wie ein Apfelbaum unter den Bäumen des Waldes, so ist mein Geliebter inmitten der Söhne.
Ich habe mich mit Wonne in seinen Schatten gesetzt, und seine Frucht ist meinem Gaumen süß. Er hat mich in das Haus des Weines geführt, und sein Panier über mir ist die Liebe. Stärkt mich mit Traubenkuchen, erquickt mich mit Äpfeln, denn ich bin krank vor Liebe.
Seine Linke ist unter meinem Haupt, und seine Rechte umfasst mich. Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems, bei den Gazellen oder bei den Hindinnen des Feldes: Weckt nicht die Liebe und erweckt sie nicht, bis es ihr gefällt.“
Bis dahin.
Autorenschaft und Entstehungszeit des Hoheliedes
Wir nehmen das Blatt zur Hand. Unter Autor und Entstehungszeit finden wir den Hinweis darauf, dass das Hohelied aus der Feder des Königs Salomo stammt. Der erste Vers macht das deutlich: „Das Lied der Lieder von Salomo“.
Dieser Ausdruck „von Salomo“, hebräisch „li-schlomo“, ist üblich, wie auch in den Psalmen in den Überschriften. Dort steht, wer einen Psalm geschrieben hat. Üblicherweise ist das so vermerkt mit der Vorsilbe „l“, was bedeuten kann „zu“, „für“ oder eben bei Autoren „von“.
Von David haben wir 73 Psalmen, die so beschriftet sind, um zu sagen, dass sie von David verfasst wurden. Salomo ist der Verfasser dieses Buches. Er regierte von 971 bis 931 v. Chr. Das Buch Hohelied entstand am Anfang dieser Periode.
Er wird König genannt, schon in Vers 4: „Siehe mich, wir werden dir nachlaufen, der König hat mich in seine Gemächer geführt.“ Aber es geht um den jungen Salomo. Wir müssen die Erfahrung im Hohelied also in der frühesten Zeit ansetzen. Der jung verheiratete Salomo – das Buch selbst kann natürlich von ihm noch etwas später geschrieben worden sein, und das ist es auch, wie wir noch sehen werden. Es beschreibt also die frühe Zeit der Regierung.
Von bibelkritischer Seite wurde die salomonische Autorschaft bestritten. Das ist ja normal: In der Bibelkritik wird fast immer bestritten, dass der eine oder andere der Autor ist. Das ist richtiggehend eine Manie, also eine krankhafte Erscheinung.
Man hat hier argumentiert, dass das Hebräisch in diesem Buch ein spätes Hebräisch sei. Das könnte also nicht das Hebräisch aus der Zeit Salomos im zehnten Jahrhundert vor Christus sein, sondern eine spätere Sprachstufe. Je nach Kritiker wurde die Entstehungszeit des Hohen Liedes auf die Jahre von 700 bis sogar 300 vor Christus herunterdatiert.
Diese sprachlichen Argumente konnten von diversen Gelehrten jedoch alle wirkungsvoll entkräftet werden. Unter Fußnote 1 habe ich für die, die sich wirklich dafür interessieren, etwas aufgeführt. Zum Beispiel gibt es Aramaismen, also Färbungen aus der aramäischen Sprache im hebräischen Text.
Zum Beispiel haben wir von der Zypresse gelesen in 1,17. Dort steht nicht „Beroche“, wie normalerweise auf Hebräisch, sondern „Berot“. Diese Unterschiede – ein „t“ im Aramäischen entspricht einem „sch“ im Hebräischen – sind das Übliche. So könnte man noch mehr aufzeigen.
Aber dass Aramaismen drin sind, bedeutet nicht, dass das Buch jung ist. Es wird natürlich argumentiert, dass die Juden ja in Babylon in der Gefangenschaft im sechsten Jahrhundert Aramäisch gelernt haben. Als sie zurückkamen aus der Gefangenschaft, wurde Aramäisch beibehalten neben dem Hebräisch, und so wurde die Sprache eben durch das Aramäische beeinflusst. Das ist so.
Aber Israel stand unter dem Einfluss der hebräischen Sprache seit der Zeit der Patriarchen. Wir lesen ja zum Beispiel in 1. Mose 31,47, wie Jakob, der bei Laban, seinem Onkel, war, wo man Aramäisch sprach. Jakob gab einem Haufen, den sie als Bündniszeichen aufgestellt hatten zwischen ihm und Laban, den hebräischen Namen, und Laban gab den aramäischen Namen „Jegar Sahuduta“.
So war Aramäisch quasi eine Begleitersprache Israels seit der Zeit der Patriarchen, und darum sind Einflüsse in allen Zeitstufen zu erwarten.
Was auffällt, wenn man im Hohelied liest, ist das Relativwort „der welcher“ oder ein Relativsatz. Bei uns wird das eingeführt mit „welcher“. Im Alten Testament ist das meistens „Asher“. Aber hier im Hohelied, außer in Vers 1, ist es immer „She“. Das entspricht genau so, wie man heute Hebräisch spricht. Heute ist das Relativpronomen „She“.
Wenn man „Asher“ sagen würde, würden alle Leute denken: „Oh, spricht der schön literarisches Hebräisch, aber nicht modernes Hebräisch.“
Jetzt ist es aber so, dass es überhaupt keinen Beweis gibt, dass „She“ jung ist. Wir kennen „She“ im Akkadischen, also in der verwandten babylonischen Sprache, schon seit dem dritten Jahrtausend als „Schah“. Also „She“ ist keine junge Erscheinung und kann darum in allen Sprachstufen des Hebräischen vorkommen.
Es gibt zwei angeblich griechische Wörter. Damit wollte man natürlich argumentieren, dass das Buch in der Zeit von Alexander dem Großen verfasst worden sein muss, also um 330 vor Christus, sodass dort bereits griechische Fremdwörter eingedrungen wären.
Und zwar verweist man auf Hohelied 3,9: „Apirion“ – Tragsessel – und sagt, das kommt vom griechischen „Phoreion“. Das kann aber genauso vom Sanskrit „Pajanka“ kommen, was „Sesselchen“ bedeutet.
Dann ein zweites Wort: „Pardes“, Umzäunung, in Hohelied 4,13. Dort wird argumentiert, das kommt vom Griechischen „Paradeisos“ (Paradies) oder „eingezäunter Garten“.
Oder es könnte auch vom Persischen „Pairidezza“ kommen. Aber es braucht nicht vom Griechischen oder Persischen zu kommen, sondern könnte auch vom Sanskrit „Paridisch“, was ebenfalls „Umzäunung“ bedeutet, herkommen.
Dabei ist zu bedenken, dass es Argumente gibt, dass Salomo wohl Handelsbeziehungen bis nach Indien hatte. So war eine Beziehung zum Sanskrit auch in der Zeit Salomos durchaus möglich.
Damit wären wir eigentlich schon am Ende der Hauptargumente, die also nicht sehr eindrücklich sind.
In Qumran wurden unter all den Handschriften auch vier Hohelied-Handschriften gefunden, in Höhle 4,3. Man bezeichnet sie mit „4QCant“ – Abkürzung für „Lied“ (Cant steht für „Kant“ = Lied). Die Zahl 4 bedeutet die Höhle Nummer vier in Qumran.
Dann gibt es die Bezeichnungen mit einem hohen A, das ist die erste, hohes B die zweite, C die dritte. Diese drei Handschriften werden auf die Zeit von 30 vor Christus bis 68 nach Christus datiert.
In Höhle 6 hat man noch eine weitere Handschrift gefunden, die stammt aus dem Jahr etwa 50 nach Christus.
Die Bedeutung des Buches Hohelied
Nun zur Bedeutung des Buches: In 1. Könige 4,32 lesen wir, dass Salomo insgesamt tausendfünfhundert Lieder geschrieben hat. Das schönste aller Lieder, die der Musiker Salomo verfasste, hat er selbst als das Lied der Lieder bezeichnet, hebräisch Shir haschirim.
Diese Bezeichnung ist die hebräische Art, einen Superlativ auszudrücken – also das Höchste, das Schönste. Das Lied der Lieder bedeutet somit nichts anderes als das schönste Lied. In der Fußnote 2 habe ich parallele Ausdrücke vermerkt. So wird in 2. Mose 26,33 das Allerheiligste wie üblich „Kodesch Hakodaschim“ genannt. Wörtlich bedeutet das nicht „das Allerheiligste“, sondern „das Heilige der Heiligen“. Im Deutschen übersetzen wir das dann mit „das Allerheiligste“.
Ähnliche Ausdrücke finden sich auch an anderen Stellen. Zum Beispiel wird in Offenbarung 17,14 der Herr Jesus als „König der Könige“ bezeichnet, was den höchsten König, den Herr der Herren, den höchsten Herrn meint. Ebenso wird Gott in Josua 22,22 „Gott der Götter“ genannt, was den höchsten Gott beschreibt, der über allem und jedem steht.
Das Lied der Lieder beschreibt die in jeder Hinsicht erfüllte Liebesbeziehung zwischen Salomo und Sulamit, seiner jung vermählten Ehefrau. Salomo und Sulamit sind nicht mehr verlobt, es handelt sich also nicht um ein Verlobungslied, sondern um ein Lied von Jungverheirateten. Sie stehen in einer unauflöslichen Ehebeziehung.
Von der Heirat und der Hochzeit wird in Kapitel 3, Vers 11 gesprochen: „Töchter Zions, betrachtet den König Salomo in der Krone, mit der seine Mutter ihn gekrönt hat am Tag seiner Vermählung und am Tag der Freude seines Herzens.“ In diesem Vers wird nicht direkt der Hochzeitstag angesprochen, sondern es wird gesagt: Schaut den König in seiner Krone an – die Krone, die am Hochzeitstag seine Mutter ihm aufgesetzt hatte.
Das hebräische Wort für Braut, das wir immer wieder im Hohen Lied finden, ist „Kalla“. Auf Seite 2 unter „Besonderheiten im Hohen Lied“ gibt es einen Untertitel „Salomo und Sulamit“. Unter Punkt 3 habe ich die Bezeichnungen der Frau aufgeführt. Das Wort Braut, hebräisch Kalla, kommt sechsmal vor: in Kapitel 4, Vers 8 und 9, zweimal in Vers 10, einmal in Vers 12 und dann noch in Kapitel 5, Vers 1.
Es ist wichtig zu verstehen, dass das hebräische Wort Kalla laut Whitaker, Brown, Driver Briggs Lexikon – einem Standardwörterbuch zum Bibelhebräischen in der englischsprachigen Welt – mehrere Bedeutungen hat. Es kann erstens „Verlobte“, zweitens „frisch Verheiratete“ und drittens „Schwiegertochter“ bedeuten.
Daher müssen wir verstehen: Wenn hier von der Braut gesprochen wird, bedeutet das nicht die Verlobungszeit, sondern die jung verheiratete Frau.
Mehrschichtige Bedeutungsebenen des Hoheliedes
Das Hohelied hat verschiedene Bedeutungsebenen. Diese wurden oft gegeneinander ausgespielt, als müsste man eine Bedeutung sehen und dafür die andere ausschließen. Das ist schade, denn so wurde viel von der Bedeutung dieses Buches verpasst. Es hat mehrere Ebenen, und die erste ist die wörtliche.
Im Alten Testament ist es wichtig, zuerst die wörtliche, die historische Bedeutung zu betrachten, so wie sie ist. Erst dann können wir auch geistliche Bedeutungen darin erkennen. Wenn jemand die historische wörtliche Bedeutung von vornherein ablehnt, kann er auch nicht erwarten, die geistliche Bedeutung zu verstehen.
Die erste wörtliche Bedeutung des Liedes ist die eheliche Liebe zwischen Salomo und Sulamit als konkrete Liebesbeziehung zwischen einem Mann und einer Frau. Insofern ist das Buch ein Lob auf die Ehe und die Schönheit dieser Beziehung auf allen Ebenen. Im Hohen Lied finden wir wirklich die körperliche und die seelische Einheit.
Auf den ersten Blick könnte man denken, dass hier nur über die körperliche Schönheit von Mann und Frau gesprochen wird und das Innere fehlt. Doch das Innere finden wir genau von Anfang an. Schon im Lied der Lieder von Salomo heißt es: „Ihr küsse mich mit den Küssen seines Mundes, denn deine Liebe ist besser als Wein, lieblich an Geruch sind deine Salben, ein ausgegossenes Salböl ist dein Name.“
Wir müssen wissen, dass der Name in der Bibel der Ausdruck dessen ist, was eine Person ist. Wenn über den Namen Gottes gesprochen wird, drückt dieser aus, was Gott in sich ist, sein Wesen. So kann man sagen, alle Namen, die wir in der Bibel für Gott finden, drücken aus, wer Gott ist: der Herr, der Ewige, der Starke, der Treue usw.
Wenn hier gesagt wird, „dein Name ist ein ausgegossenes Salböl“, dann heißt das, dass das, was Salomo in seiner Person ist, etwas Wunderbares, etwas Wohlriechendes ist. Es geht also nicht einfach darum, dass Sulamit durch die äußere Erscheinung Salomos angezogen ist, sondern sie liebt ihn, weil er er selbst ist, weil er Salomo ist, keinen anderen.
So sehen wir hier keine Spaltung zwischen dem Inneren und dem Äußeren. Im Hohen Lied bilden sie eine Einheit. Die Freude am Äußeren ist da, aber sie gründet sich auf der inneren Wertschätzung voneinander. Insofern ist das Lied ein Lob auf die Ehe und die Schönheit dieser Beziehung auf allen Ebenen.
Vergleichen wir das mit Hebräer 13,4, dort schreibt der Autor: „Die Ehe sei geehrt in allem und das Ehebett unbefleckt. Hur aber und Ehebrecher wird Gott richten.“ Die Ehe sei geehrt in allem, das heißt in allen Beziehungen. Es gibt keinen Aspekt der Ehe, der minderwertig wäre.
Man könnte also nicht sagen, die platonische Liebe in der Ehe sei höher als die körperliche Liebe. Diese Spaltung macht die Bibel nicht. Ehe soll eine Einheit bilden. Die Bibel sagt, die Ehe soll in allem geehrt sein, in allen Beziehungen. Da das möglich ist, ist es wichtig, dass die Sexualität rein gehalten wird. Darum wird das Ehebett unbefleckt gehalten. Hur und Ehebrecher wird Gott richten.
Das Hohelied ist durch die Betonung des Schönen und Positiven indirekt eine Verurteilung aller Verdrehungen. Ohne groß über diese zu sprechen, verurteilt es sie gerade durch die Betonung des Guten und Schönen. Verdrehungen wie voreheliche Beziehungen, Ehebruch, Polygamie und Vielweiberei waren nie Gottes Plan.
In 1. Mose 1 und 2 sehen wir, dass Gott den Menschen als Mann und Frau geschaffen hat. 1. Mose 2,24 sagt: „Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und sie werden ein Fleisch sein.“ Im Neuen Testament wird in Matthäus 19 zitiert: „Und die zwei werden ein Fleisch sein“, nicht drei oder vier.
Die Schöpfungsordnung ist von Grund auf monogam: ein Mann und eine Frau auf Lebenszeit. Das ist Gottes Plan und Wille. Im Hohen Lied wird diese einzigartige Beziehung von einem Mann und einer Frau betont.
Traurigerweise hat derselbe Salomo, der am Anfang die wunderbare Beziehung zu Sulamit erlebt hat, später viele Frauen hinzugefügt. Er wich immer mehr von Gott ab und wurde schließlich sogar ein offener Götzendiener. Das war eine klare Perversion, ein Abirren vom göttlichen Weg.
Eine interessante Stelle finden wir in Hohelied 6. Wir müssen davon ausgehen, dass Salomo dieses Lied in einem Abstand zu seiner Erfahrung mit Sulamit geschrieben hat. Im Moment des Schreibens heißt es in Vers 8: „60 sind der Königinnen und 80 der Kepsfrauen und Jungfrauen ohne Zahl. Eine ist meine Taube, meine Vollkommene, sie ist die Einzige ihrer Gebärerin. Töchter sahen sie und priesen sie glücklich, Königinnen und Kepsfrauen rühmten sie.“
Wer ist sie, die da hervorglänzt wie die Morgenröte, schön wie der Mond, rein wie die Sonne, furchtbar wie Kriegsscharen? Zu diesem Zeitpunkt hatte Salomo bereits 60 Frauen. Später, wie wir aus dem Buch der Könige wissen, hatte er 700 Frauen und 300 Nebenfrauen.
Trotzdem muss er sagen: Es gibt nur eine, die meine Taube ist. Das ganze Hohelied, das gerade das Eine, das Wahre betont, war eine Verurteilung all dessen, was später dazugekommen war und das Schöne zerstört hat. So ist das Hohelied in seiner reinen, ursprünglichen Erfahrung eine Verurteilung von allen Verdrehungen, auch der Polygamie.
Es verurteilt auch den Zölibat nicht. In 1. Korinther 7 erklärt der Apostel Paulus, dass es den Weg der Ehelosigkeit gibt und dass Gott dafür Gnade und Kraft gibt. Es wird sogar von einer Gnadengabe für die Ehelosen gesprochen. Es gibt jedoch kein Gebot zur Ehelosigkeit.
Jemand, der seinen Weg ehelos gegangen ist, bis 50, 55 oder 60 Jahre, kann auch dann noch heiraten. Er hat die Freiheit dazu. Natürlich sagt 1. Korinther 7, dass dies im Herrn geschehen soll, unter seiner Leitung. Es gibt aber keine Verpflichtung zur Ehelosigkeit.
Paulus beschreibt in 1. Korinther 7 auch die Vorteile der Ehelosigkeit. Aber das hat nichts zu tun mit dem Zölibat, in dem die Ehebeziehung als etwas weniger Geistliches oder sogar Ungeistliches herabgewürdigt wird. Das ist eine Perversion.
Diese Entwicklung wird auch prophezeit in 1. Timotheus 4. Paulus sagt dort, dass in späteren Zeiten, also in der nachfolgenden Zeit, viele vom Glauben abfallen werden, achtend auf betrügerische Geister und Lehren der Dämonen. Diese Lehren verbieten zu heiraten und gebieten, sich von Speisen zu enthalten, die Gott geschaffen hat.
Das wird als Lehre von Dämonen bezeichnet, die das Heiraten verbieten. Gerade weil Gott ein ganzes Buch in der Bibel benutzt, um die Schönheit der Beziehung zwischen Mann und Frau in der Ehe zu beschreiben, ist das eine Rüge gegen solche Verdrehungen – und natürlich auch gegen Homosexualität und andere Abweichungen von der Schöpfungsordnung in 1. Mose 1 und 2.
Alles, was von dieser Ordnung abweicht, wird durch das Hohelied verurteilt. Aber nicht, indem ständig über das Negative gesprochen wird, sondern indem das Positive dargestellt wird. Das ist sehr wichtig.
Es ist auch wichtig, dass wir unseren Kindern gegenüber das Positive betonen. Das Negative hören sie ohnehin schon genug. Als Gegengewicht müssen wir zeigen, wie schön das ist, was Gott für uns Menschen vorgesehen hat – beziehungsweise für einen großen Teil der Menschen.
Dabei sollten wir auch Rücksicht darauf nehmen, dass es den Weg der Ehelosigkeit gibt, als einen gottgeführten Weg.
Die Reinheit und Schönheit der Sexualität im Hohelied
Das Hohelied steht somit im krassen Gegensatz zu allem Schmutz. Die Sexualität wird in einer blumigen Sprache der Reinheit beschrieben und vermeidet alles Derbe und Widerliche.
Wie bereits erwähnt, ist das Hohelied im Prinzip eine Ausdeutung eines einzigen Verses, nämlich 1. Mose 2,24. Dort finden wir das Grundprinzip: Ein Mann verlässt Vater und Mutter. Er steht also auf eigenen Beinen. Es ist nicht das Prinzip "PKZ – Papa kann zahlen", sondern er verlässt sie tatsächlich.
Dann hängt er seine Frau an sich. Das zeigt, dass eine Beziehung der Anhänglichkeit, der Liebe und der Wertschätzung besteht. Der nächste und letzte Punkt ist, dass die zwei ein Fleisch werden. Die Reihenfolge ist hier ganz wesentlich, denn in knappen Worten wird Gottes Schöpfungsordnung dargestellt.
Gerade das Verlassen ist ein sehr wichtiger Punkt. Viele Männer, obwohl verheiratet, haben sich nicht richtig von zuhause abgelöst. Das ist oft ein Problem oder eine Ursache für Eheschwierigkeiten. Es ist ein göttliches Prinzip: Vater und Mutter verlassen. Das Ehren der Eltern hört dadurch nicht auf, das ist ja klar. Aber es ist ein neuer Anfang, eine neue Zelle. Es besteht eine Unabhängigkeit, die ganz wichtig ist für die neue Abhängigkeit voneinander.
Das wäre also der erste Aspekt der Bedeutung des Hohen Liedes. Es ist wichtig, wenn wir das Hohelied lesen, dass wir zuerst wirklich darauf achten, was hier wörtlich gemeint ist, bevor wir eine geistliche Übertragung vornehmen.
Übertragung auf die Geschichte Israels
Zweitens können wir tatsächlich eine Übertragung auf Israels Geschichte vornehmen. So lässt sich von Kapitel eins bis Kapitel acht eine Widerspiegelung der Geschichte Israels erkennen – von Abraham bis zum tausendjährigen Reich des Messias.
Abraham zieht aus Ur in Chaldäa aus. Im Hohelied 1,4 heißt es: „Ziehe mich, wir werden dir nachlaufen.“ Abraham ist ausgezogen, hat seine Bediensteten mitgenommen und ist aufgebrochen. Später durchzieht Israel den Weg durch Ägypten. Im Hohelied 1,9 wird Sulamit, die Geliebte, verglichen: „Einem Rosse an des Pharao Prachtwagen vergleiche ich dich, meine Freundin.“ So kann man die gesamte Geschichte Israels im Hohelied wiederfinden.
Ich möchte dies hier nicht weiter ausführen, verweise aber in Fußnote 3 auf Wim Hottenbach. Er hat ein Skript zum Hohelied veröffentlicht, in dem er genau diesen Aspekt mit den Parallelstellen detailliert beschreibt.
Ein weiterer Hinweis, ebenfalls in Fußnote 3, betrifft Israel, Juda oder die Stadt Jerusalem. Im Alten Testament werden sie als die Frau Gottes gesehen, und zwar seit dem Bund am Sinai. Dieser Bund, den Gott mit dem auserwählten Volk schloss, wird im Alten Testament als Ehebündnis dargestellt.
Dabei ist klar: Eine Ehe ist erst dann eine Ehe, wenn ein offizieller, anerkannter Vertrag geschlossen wurde. Andernfalls handelt es sich um ein Konkubinat. Die Bibel bezeichnet Konkubinat auch als Hurerei. Ein Beispiel dafür ist die Frau am Jakobsbrunnen. Der Herr sagt zu ihr, sie habe fünf Männer gehabt und der, den sie jetzt habe, sei nicht ihr Mann. Darin habe sie Recht geredet, als sie sagte, sie habe keinen Mann.
Auch zur Zeit Jesu gab es eine klare Unterscheidung zwischen Ehe und Konkubinat, obwohl es im alten Israel – wie übrigens auch heute – kein Standesamt gab. Man wusste aber genau, was eine Ehe ist: ein Vertrag zwischen Mann und Frau. Dabei musste ein Zeuge anwesend sein, der den Vertrag bezeugte.
Aus vorchristlicher, alttestamentlicher Zeit gibt es sogar schriftliche Belege, wie ein solcher Vertrag aussah. Es handelte sich eindeutig um ein Bündnis mit offiziellem Charakter und offizieller Anerkennung.
Gottes Bund mit Israel als Ehebeziehung
Ich möchte noch auf Jeremia 2 verweisen. Außerdem habe ich Hosea 1,14 notiert. Das gesamte Buch Hosea behandelt das Thema Israel als die Frau Gottes, die den Bund gebrochen hat. Ebenso relevant sind Hesekiel 16,23 und weitere Stellen.
Jeremia 2,1 lautet: Und das Wort des Herrn geschah zu mir also: „Geh und ruf vor den Ohren Jerusalems und sprich: So spricht der Herr: Ich habe dir gedacht, die Zuneigung deiner Jugend, die Liebe deines Brautstandes, deines Wandelns hinter mir her in der Wüste, in unbesätem Lande. Israel war heilig dem Herrn.“
Gott erinnert hier an die Wüstenreise, wie das Volk hinter ihm, hinter der Schechinah, herlief in einem unbesätem Land. Diese Zeit wird als Brautstand bezeichnet. Zuerst erfolgte der Auszug aus Ägypten, und erst später, am Sinai, wurde der Bund geschlossen – die Ehe zwischen Gott und Israel.
Gott sagt, damals sei alles noch schön gewesen, doch was ist daraus geworden? Er rügt Israel wegen Ehebruchs. So lässt sich diese Übertragung verstehen: Israel als die Frau Gottes, die durch den Bund am Sinai mit ihm verbunden ist.
Übertragung auf den Überrest Israels
Drittens gibt es eine Übertragung auf den Überrest Israels. Die Propheten bezeugen dies sehr deutlich: Nach der Entdrückung der Gemeinde wird Gott eine Erweckung unter dem jüdischen Volk auslösen, und zwar von Jerusalem, von Zion aus.
In der Prophetie wird viel über diesen Überrest gesprochen, der in der Endzeit umkehrt und Buße tut für die vergangene Zeit. So findet er den Messias. Dieses Israel der Zukunft kommt wieder in eine feste Beziehung zu dem Herrn, dem Messias.
Insofern sehen wir im Hohen Lied diese Beziehung zwischen Sulamit, dem gläubigen Überrest Israels, und Salomo, dem Messias, dem Friedenskönig.
Dazu habe ich in Fußnote 4 auf Psalm 45 verwiesen, wo genau dieser Bezug zu finden ist. Der Messias wird dort als der Mann gesehen, und die Frau symbolisiert Israel in der Zukunft, den gläubigen Überrest, der umkehren wird.
Jesaja 61, Vers 10 weist ebenfalls auf die Zukunft hin, auf das zukünftige Israel. Dort hört man die Stimme des Überrestes, der sagt: „Hoch erfreue ich mich im Herrn, meine Seele soll frohlocken in meinem Gott. Denn er hat mich bekleidet mit Kleidern des Heils, den Mantel der Gerechtigkeit mir umgetan, wie ein Bräutigam den Kopfschmuck nach Priesterart anlegt und wie eine Braut sich schmückt mit ihrem Geschmeide.“
Dies finden wir auch im Hohen Lied wieder, wenn Salomo Sulamit Schmuck gibt, also Geschmeide. Das wäre also die dritte Übertragung.
Übertragung auf die Gemeinde heute
Und nun wichtig: eine vierte Übertragung, die für uns heute auf die Gemeinde von Bedeutung ist. In Epheser 5,22-33 werden die Erlösten, die heute zur Gemeinde Gottes gehören, als die Frau des Messias, des Christus, gesehen.
Wir lesen aus Epheser 5. Interessant ist der Zusammenhang: Diese Beziehung zwischen dem Herrn und seiner Gemeinde wird hier genutzt, um zu zeigen, wie eine Ehebeziehung von Christen aussehen soll.
„Ihr Frauen, seid unterwürfig euren eigenen Männern als dem Herrn. Denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch der Christus das Haupt der Gemeinde ist; er ist des Leibes Heiland. Aber gleichwie die Gemeinde dem Christus unterworfen ist, so sollen auch die Frauen ihren Männern in allem untertan sein. Ihr Männer, liebt eure Frauen, gleichwie auch der Christus die Gemeinde geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat, damit er sie heiligte, sie reinigend durch die Waschung mit Wasser durch das Wort, damit er die Gemeinde sich selbst verherrlicht darstellte, die nicht Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen habe, sondern dass sie heilig und tadellos sei.“
Also sind auch die Männer schuldig, ihre Frauen zu lieben wie ihre eigenen Leiber usw. usf.
Es lohnt sich, in diesem Text genauer zu gehen. Wir finden sieben Tätigkeiten, die Christus gegenüber der Gemeinde tut. Diese werden als Aufforderung hingestellt, um zu zeigen, wie Männer sich ihren Frauen gegenüber verhalten sollen – als christliche Männer.
Nicht der Bräutigam, sondern die Gemeinde wird gesehen als die Ehefrau. Das ist aus diesem Grund wichtig, denn wir finden beides im Neuen Testament.
Aus einer anderen Perspektive gesehen – ich habe das in Fußnote 5 geschrieben – ist die Gemeinde heute die Verlobte des Herrn Jesus Christus (2. Korinther 11,2). Paulus sagt zur Gemeinde in Korinth: „Denn ich eifere um euch mit Gottes Eifer, denn ich habe euch einem Mann verlobt, um euch als eine keusche Jungfrau dem Christus darzustellen.“ Ein Mann verlobt, und die Verlobte ist eine Jungfrau.
Hier wird ganz klar deutlich, dass es vor der Ehe keine sexuelle Beziehung nach Gottes Plan gibt. Die Gemeinde wird hier als die Verlobte des Herrn gesehen.
Nun sagt Paulus weiter in Vers 3: „Ich fürchte aber, dass etwa, wie die Schlange Eva verführte durch ihre List, also auch euer Sinn oder euer Denken verderbt und abgewandt werde von der Einfalt gegen den Christus.“ Paulus sagt: Ihr seid verlobt als eine Verlobte, die wirklich nur für einen Mann bestimmt ist. Aber ich habe effektiv Angst, dass ihr davon abkommt, dass euer Blick nur allein auf Christus gerichtet ist.
Und was könnte das sein, was einen wegbringt? Vers 4: „Denn wenn der, welcher kommt, einen anderen Jesus predigt, den wir nicht gepredigt haben, oder ihr einen anderen Geist empfangt, den ihr nicht empfangen habt, oder ein anderes Evangelium, das ihr nicht angenommen habt, so ertragt ihr das gut.“
Drei Dinge: ein anderer Jesus, ein anderer Geist, ein anderes Evangelium. Und das wäre Bruch der Verlobungsbeziehung.
Einen anderen Jesus haben wir durch die ganze Kirchengeschichte hindurch gehabt. Da könnte man Beispiele noch und noch aufzählen, wie ein anderer Jesus verkündigt wurde, indem irgendetwas angegriffen wurde: die Gottessohnschaft, die wirkliche Menschwerdung Christi, die ewige Sohnschaft Christi und so weiter.
Oder bis heute: Ich habe gerade vor kurzem einen Visionenbericht in der Hand gehabt, weil einer sagt, er hätte eine Vision gehabt im Himmel und habe dann Christus gesehen, und er hat rotblondes Haar gehabt. Ja, das wird verschlungen, diese Bücher unter den Freikirchen. Das ist nicht der Jesus der Bibel. Der war nicht rotblond, das kann ich garantieren.
Und ein anderer Jesus wird da verkündigt. Und was er da im Himmel alles gesehen hat, ist ja unglaublich: Er hat die Wohnungen im Haus des Vaters gesehen, ist da eine Wiese, einen Berg hinaufgegangen und hat ein großes Gebäude gesehen, und die Leute wohnen da drin. Und das Wunderbarste war ein total weiches Sofa. Und sie haben auch Bilder an den Wänden von den Angehörigen, und sie haben auch Kunstmalerei, vor allem so moderne Bilder, aber viel besser als die von heute.
Das ist ein solcher Unsinn! Aber was hier verkündigt wird, ist ein anderer Christus.
Übrigens: Die Wohnung im Haus des Vaters – das Haus des Vaters ist ja in Johannes 2 der Tempel in Jerusalem. Und in Johannes 14 ist das der Tempel im Himmel. Im Tempel gab es ganz nahe beim Allerheiligsten ein spezielles Gebäude für die Priester, wo sie wohnten und übernachteten. So sind die Wohnungen im Haus des Vaters die Priesterwohnungen der Erlösten. Und die sind nicht auf einem Grashügel oben in einem Haus mit Fotos und so drin.
Also nur so ein aktuelles Beispiel: ein anderer Jesus.
Ein anderer Geist ist der Toronto-Segen. Leute fallen um, bewusstlos, obwohl nach 2. Timotheus 1,7 der Geist Gottes ein Geist der Selbstbeherrschung, der Besonnenheit ist. Und Leute schreien wie Tiere und so weiter und wälzen sich am Boden. Das sind unreine Geister. Aber das Phänomen hat 50 Kirchen weltweit erreicht.
Wenn ihr einen anderen Geist empfingt, würdet ihr es gut ertragen? Ihr ertragt es gut.
Und ein anderes Evangelium? Ja, das Wohlstandsevangelium. Gott möchte nicht, dass wir arm sind, wird verkündet, und Gott will, dass wir alle gesund sind. Und da wird Menschen, Gläubigen, die mit der Krankheit leben müssen, so ein Joch ausgelegt. Das ist ein anderes Evangelium, aber das ist Bruch.
Das ist die Verlobungszeit jetzt. Und in Offenbarung 19 habe ich aufgeführt, bei Fußnote 5, dass in der Zukunft die Gemeinde als die Braut des Lammes heiraten wird (Offenbarung 19,7).
Das ist also am Ende der Drangsalzeit. Im Himmel, wenn die Dankbarzeit auf Erden auf den Höhepunkt kommt, wird im Himmel die höchste Freude beginnen.
„Lasst uns fröhlich sein und frohlocken und ihm Ehre geben, denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen, und seine Frau hat sich bereitet, und es wurde ihr gegeben, dass sie sich kleiden feine Leinwand, glänzend und rein; denn die feine Leinwand sind die gerechten Taten der Heiligen.“
Und er spricht zu mir: „Schreibe: Glückselig sind die geladenen zum Hochzeitsmahl des Lammes.“ Und er spricht zu mir: „Dies sind die wahrhaftigen Worte Gottes.“
Ehe- und Verlobungsbeziehung im Neuen Testament
Nun, wie bringen wir das zusammen? Die Ehebeziehung in Epheser 5 und die Verlobungsbeziehung in 2. Korinther 11 und offenbar 19 – das sind zwei Seiten derselben Medaille.
Einerseits ist es so, dass der Herr Jesus als Mensch an Himmelfahrt, vierzig Tage nach der Auferstehung, in den Himmel gefahren ist. Er ist nicht mehr hier auf der Erde, sondern im Himmel. Er wird in der Zukunft zurückkehren, um uns Erlöste zu sich zu nehmen, am Tag der Entrückung, wie es in 1. Thessalonicher 4,13 und folgende beschrieben ist.
Wir sind zwar durch die Bekehrung und Wiedergeburt mit dem Herrn verbunden, aber wir sind dennoch von ihm getrennt. Das entspricht dem Verlobungsstand. Mann und Frau sind sich versprochen, definitiv für alle Zeit, aber sie sind noch nicht zusammen, sie sind getrennt – das ist Verlobung. Wenn es Leute gibt, die meinen, sie müssten in der Verlobungszeit nicht getrennt sein, dann ist das keine Verlobungszeit mehr, sondern sie wollen die Ehe vorwegnehmen. Wenn sie nicht warten können, dann sollen sie heiraten. Die Verlobungszeit ist also die Zeit der Trennung, in der sich beide auf den Tag freuen, an dem sie für immer zusammen sein werden.
Auf der anderen Seite hat der Herr Jesus am Schluss von Matthäus 28 gesagt: „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters.“ Warum? Weil er Gott und Mensch in einer Person ist. Als Mensch ist er in den Himmel gefahren und hat seinen Platz zur Rechten des Thrones Gottes eingenommen. Er wird als Mensch in der Zukunft wiederkommen. Als Mensch ist er nicht allgegenwärtig; jetzt ist er im Himmel.
Aber als Gott hat er nie aufgehört, Gott zu sein, auch als er Mensch wurde und in Bethlehem geboren wurde. Gott ist immer allgegenwärtig, und das war er auch zur Zeit, als Jesus auf Erden war. Darum konnte er Nikodemus sagen in Johannes 3,13: „Niemand ist in den Himmel hinaufgefahren als der, der auch herabgefahren ist, der Sohn des Menschen, der im Himmel ist.“
In dem Moment, als er mit Nikodemus sprach, war er in Jerusalem. Aber weil er Gott war, war er gleichzeitig auch im Himmel. So ist der Herr Jesus, weil er Gott ist, uns eigentlich so nahe – er ist jeden Tag bei uns bis zum Schluss.
Dieser Aspekt zeigt, dass wir in einer Ehebeziehung als Gemeinde stehen. Er ist der Mann, und die Gemeinde ist die Frau. Das sind zwei Aspekte: Einerseits sind wir als Verlobte von ihm getrennt, andererseits sind wir mit ihm so eng verbunden. Das ist die andere Sicht der Ehe als heutige Tatsache.
Wichtig ist aber, wenn wir diese Übertragung auch im Hohen Lied auf die Gemeinde machen: Es wird nie vom einzelnen Gläubigen gesagt, dass er die Braut sei. Das ist immer ein kollektiver Begriff. Deshalb ist es problematisch, wenn man manchmal Dinge liest, in denen quasi in erotischer Weise über eine Beziehung des einzelnen Gläubigen mit Christus gesprochen wird. Die Bibel kennt das nicht. Wir werden nicht als einzelne als Braut Christi gesehen, sondern die Gemeinde als Kollektiv ist die Braut beziehungsweise die Ehefrau Christi.
Neutestamentliche Bezüge zum Hohelied
Im Neuen Testament finden wir Bezüge zum Hohen Lied. Zwar gibt es keine wörtlichen Zitate, doch wenn wir in Matthäus 9, Vers 15 und den Parallelstellen lesen, stellt sich die Frage: Was mussten sich die Menschen damals denken, als der Herr sagte?
Ich lese ab Matthäus 9, Vers 14 wegen des Zusammenhangs: Dann kommen die Jünger des Johannes zu Jesus und fragen: „Warum fasten wir und die Pharisäer oft, deine Jünger aber fasten nicht?“ Jesus antwortete ihnen: „Können etwa die Söhne des Brautgemachs trauern, solange der Bräutigam bei ihnen ist? Es werden aber Tage kommen, da der Bräutigam von ihnen weggenommen sein wird, und dann werden sie fasten.“
Er spricht über sich selbst als den Bräutigam, der da ist. Die Jünger waren quasi die Freunde des Brautgemachs, die alles vorbereiten für die Hochzeit. Wie kommt Jesus dazu, sich so auszudrücken? Das ist unter anderem eine Anspielung auf das Hohelied, in dem der Messias als der Bräutigam gesehen wird. Der Überrest aus Israel, der sich zur Umkehr und Bekehrung findet, soll die Braut sein.
So war es: Der Bräutigam war quasi da, und die Freunde des Bräutigams wollten alles vorbereiten. Doch wir wissen, dass das Volk im Allgemeinen nicht bereit für diese Beziehung war.
Ich habe auch auf die Parallelstellen in Markus 2, Lukas 5 und Johannes 3, Vers 29 hingewiesen. Dort sagt Johannes der Täufer, noch bevor überhaupt etwas von der Gemeinde gesagt wird, in Bezug auf den Messias, den er in Israel einführte: „Der, der die Braut hat, ist der Bräutigam. Der Freund des Bräutigams aber, der dasteht und ihn hört, ist hocherfreut über die Stimme des Bräutigams. Diese meine Freude nun ist erfüllt. Er muss wachsen, ich aber abnehmen.“
Johannes der Täufer sollte den Messias in Israel einführen und dem Volk als Prophet Gottes klarmachen: Das ist der Verheißene. Er wies auf ihn hin mit den Worten: „Siehe, das Lamm Gottes, welches die Sünde der Welt wegnimmt.“
Nun sagt Johannes, der die Braut hat, ist der Bräutigam – eine Anspielung auf das Hohelied. Der Messias ist der Bräutigam, und das umgekehrte Israel ist die Braut. Johannes war einer der Vorbereiter, der Freund des Brautgemachs. Er sagt, er freut sich über die Stimme des Bräutigams.
Im Hohelied 2, Vers 8 heißt es: „Siehe da, er kommt, springend über die Berge, hüpfend über die Hügel.“ Das ist die Stimme des Bräutigams, und Johannes freut sich darüber: „Stimme meines Geliebten.“
Auch in Matthäus 22 und Matthäus 25 finden wir Anspielungen auf diese Beziehung. In diesen Gleichnissen spricht Jesus über eine Hochzeit des Bräutigams. Gott bereitet seinem Sohn, dem König, eine Hochzeit vor.
In Matthäus 25 werden die Gläubigen der Jetztzeit als die Jungfrauen dargestellt, nicht als die Braut. Die Braut im Gleichnis der zehn Jungfrauen ist nicht die Gemeinde und auch nicht die Christenheit. Die zehn Jungfrauen, die sich auf das Kommen des Bräutigams vorbereiten, sind die Freundinnen der Braut. Sie stellen die Christenheit dar, die jetzt wartet, bis der Bräutigam in der Zukunft kommt – im Blick auf Israel.
Diese Jungfrauen finden wir auch im Hohelied wieder. Dort heißt es in Vers 3 und 4: „Lieblich ein Geruch sind deine Salben, ein ausgegossenes Salböl ist dein Name. Darum lieben dich die Jungfrauen.“ Diese Jungfrauen sind nicht Mädchen, die eine Liebesbeziehung mit dem König wollen. Sie sind die Freundinnen der Braut und schätzen den König. Sie lieben ihn aufrichtig, aber nicht in einer Beziehung wie eine Frau einen Mann liebt. Es ist eine freundschaftliche Beziehung, ähnlich den zehn Jungfrauen, die sich für die Zukunft bereit machen sollten.
Fünf von ihnen sind töricht, wie in Matthäus 25, sie symbolisieren Christen, die nicht wiedergeboren sind und das Ziel nicht erreichen werden. Die fünf klugen Jungfrauen hingegen sind jene, die wirklich wiedergeboren sind und das Ziel erreichen.
Wir sehen, die Bibel spricht auf verschiedenen Ebenen. Die Gemeinde ist einerseits heute die Ehefrau, andererseits die Verlobte. Zugleich ist die Gemeinde auch die fünf klugen Jungfrauen, die sich im Blick auf die Zukunft Israels freuen.
Wir müssen alles am richtigen Ort platzieren und nicht vermischen, sonst entsteht Chaos.
So haben wir doch neutestamentliche Bezüge zum Hohen Lied. Die Jungfrauen spielen darin eine wichtige Rolle. Sie werden immer wieder als die Töchter Jerusalems und einmal als die Töchter Zions genannt. Das sind die Mädchen in Jerusalem, die Sulamit lieben. Auch bei der Hochzeit waren sie quasi die Jungfrauen, die mitgeholfen haben und sich über die Beziehung zwischen Salomo, dem König, und der jungen Frau Sulamit gefreut haben.
Aufbau des Buches Hohelied
Wenn wir über die Töchter Jerusalems sprechen, wollen wir zunächst den Aufbau des Buches betrachten. Das Buch ist eigentlich ganz einfach einzuteilen. Auch wenn der Inhalt schwierig erscheint, ist die Einteilung unkompliziert.
Es gibt einen Refrain im Lied, den man suchen muss. Sobald man den Refrain gefunden hat, weiß man, wo die Strophen enden und wo eine neue beginnt. Der Refrain kommt dreimal vor:
Zum ersten Mal in Kapitel 2, Vers 7:
„Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems, bei den Gazellen oder bei den Hindinnen des Feldes, dass ihr nicht weckt noch aufweckt die Liebe, bis es ihr gefällt.“Dann in Kapitel 3, Vers 5:
„Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems, bei den Gazellen oder bei den Hindinnen des Feldes, dass ihr nicht weckt noch aufweckt die Liebe, bis es ihr gefällt.“Und schließlich in Kapitel 8, Vers 4:
„Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems, dass ihr nicht weckt noch aufweckt die Liebe, bis es ihr gefällt.“
Dadurch ergibt sich automatisch die Einteilung in vier unterschiedlich lange Strophen. Der Aufbau ist also wie folgt:
Der Titel steht am Anfang: 1. Vers 1
Shir ha-Schirim ascher lishlomo – Das Lied der Lieder von Salomo.
Dann folgt die erste Strophe, von 1,2 bis 2,6. Ich betitele sie mit „Die Freude der Liebe“. Wir haben gelesen, 1,4:
„Der König hat mich in seine Gemächer geführt, wir wollen frohlocken und uns freuen, wollen deine Liebe preisen mehr als Wein.“
Es ist also eine Hochzeitsfestfreude, bei der gefeiert wird, dass Salomo ausgerechnet diese Sulamit und keine andere wollte – die Freude der Liebe.
Die zweite Strophe beginnt nach dem Refrain, ab 2,7 bis 3,4. Diese Strophe beginnt mit:
„Koldodi, Hineseba Medalleg al-Harim, Mekabetz al-Hagwa'ot Horch“ – Stimme, mein Geliebter, siehe da, er kommt, betonte der See, er kommt, kein anderer, springend über die Berge, hüpfend über die Hügel.
Das Lied, das wir am Anfang gesungen haben, wird hier wieder aufgenommen. In dieser Strophe wird besonders die Sehnsucht der Liebe gezeigt. Wir finden die Sehnsucht sowohl von Salomo als auch von Sulamit.
In Kapitel 3 sehen wir, dass sie verheiratet sind:
„Auf meinem Lager in den Nächten suchte ich den, den meine Seele liebt, ich suchte ihn und fand ihn nicht. Ich will doch aufstehen und in der Stadt umhergehen, auf den Straßen und auf den Plätzen will ich suchen den, den meine Seele liebt.“
Es geht hier um das Ehelager. In der Nacht sucht sie ihn plötzlich und stellt fest: Wer ist es? Dann steht sie auf und geht nachts in die Stadt hinaus, was natürlich gefährlich ist. Es heißt weiter:
„Ich suchte ihn und fand ihn nicht. Es fanden mich die Wächter, die in der Stadt umhergehen.“
Das sind die Polizisten, könnte man heute sagen. Sie fragen: „Habt ihr den gesehen, den meine Seele liebt?“ Kaum war ich an ihnen vorüber, da fand ich den, den meine Seele liebt. Ich ergriff ihn und ließ ihn nicht, bis ich ihn gebracht hatte in das Haus meiner Mutter und in das Gemach meiner Gebärerin.“
Die Sehnsucht findet Erfüllung, und dann folgt wieder der Refrain:
„Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems!“
Was beschwört Sulamit ihre Freundinnen? Sie sagt, sie sollen die Liebe nicht zu früh aufwecken. Sie beschwört bei den Gazellen, das sind Tiere, die auf ganz kleine Geräusche oder schon auf einen Geschmack sofort reagieren und davonlaufen, sofort aufgeweckt werden. Man muss sie nicht lange aus dem Schlaf schütteln.
Ich musste einmal Kühe von der Weide holen, zum Melken bringen. Da gab es natürlich solche, die einfach nicht wollten. Da musste man wirklich ein bisschen Angst machen, um Eindruck zu schinden. Aber das ist nicht dasselbe wie bei Gazellen. Bei Gazellen reicht ein fernes Rascheln, und schon gehen sie. Die Hindin ist heute ein poetisches Wort für Hirschkuh – genauso empfindlich.
Also sei ganz leise und achte darauf, dass die Liebe nicht zu früh aufgeweckt wird. Das ist eine ganz wichtige Sache. Ich habe das bei den Besonderheiten im Hohelied unter dem zweiten Titel „Liebe“ aufgeführt.
Der Refrain ist eine Warnung vor verfrühter Liebe. Insofern ist dieser Refrain heute hochaktuell. Das ist ja das große Problem, dass bei Kindern schon Gefühle geweckt werden, die gar nicht entstehen würden, wenn sie normal aufwachsen könnten – ohne all die Einflüsse von Werbung, Medien, Filmen, Radio, Musik. Gerade wenn man an Rockmusik denkt, aber nicht nur dort.
Dazu kommen die ganzen Einflüsse der Schulkollegen, die auch schon zu früh aufgeweckt wurden. Da werden Gefühle bis hin zur Sexualität geweckt, die bei Kindern in einem gewissen Alter überhaupt keine Rolle spielen würden und nicht aktiv werden würden. Diese Gefühle werden aufgeweckt, und wozu führt das? Zu Entwicklungsstörungen, zu einem falschen Verhältnis zum anderen Geschlecht, zu einem falschen Verhältnis zu Sexualität, Liebe und Romantik.
Das, was heute als aufgeklärt und tabulos dargestellt wird, ist genau das, was alles kaputt macht. Das Hohelied möchte das Positive betonen. Darum wird im Refrain gesagt: Weckt die Liebe nicht zu früh! Seid ganz still, damit nicht etwas wachgerufen wird, was jetzt noch nicht kommen soll. Aber wenn es dann zur rechten Zeit gesund ausreift und sich entfaltet, dann wird etwas ganz Schönes daraus – so wie im Hohelied.
Wir haben also die zweite Strophe gesehen – die Sehnsucht der Liebe –, den Refrain in 3,5, und schließlich im Anschluss daran die dritte Strophe, von Kapitel 3,6 bis 8,3. Das ist der längste Teil. Dort finden wir die Höhen und Tiefen der Liebe.
Es gibt eine Beziehungskrise. Das Hohelied ist nicht einfach idealistisch, als würde in einer Beziehung zwischen Mann und Frau alles nur rund laufen. Hier finden wir eine Beziehungskrise, aber auch die Wiederherstellung. Es geht nicht um Ehebruch oder Ähnliches, sondern um eine Krise, in der die Gefühle abkühlen. Doch es gibt eine Wende, und dann folgt die schönste Beschreibung des Geliebten durch Sulamit.
Die allerschönste Beschreibung kommt nach der Krise. Das ist etwas, was christliche Eheleute auch erleben können. Manchmal kann gerade eine Krise dazu führen, dass es danach umso schöner wird, wenn Probleme ausgeräumt sind, wenn bewusst gegenseitig vergeben wird und wenn man sich klar macht, dass Liebe nicht nur ein Gefühl ist, sondern vor allem ein Wille.
Ich will dich lieben. Wer das will, bekommt auch die Gefühle, die dann kommen. Im Bild der Wagenbahn ist die Lokomotive eigentlich der Wille zur Liebe. Dahinter kommen viele Anhänger, und ein Wagen steht für romantische Gefühle.
Wir können eine Ehebeziehung nicht nur auf Gefühle aufbauen. Statistisch zeigt sich, dass Gefühle, die entstehen, ohne dass man etwas dafür tut, vielleicht zwei Jahre halten, und dann ist es vorbei – ganz normal. Darum sagt man heute, es sei normal, wenn man wieder scheidet.
Doch das ist hohl, wenn man so aufgeklärt ist. Jugendliche werden in vielen unsinnigen Dingen unterrichtet, die sie gar nicht wissen müssten, aber wie man eine Beziehung erhält, wird ihnen nicht erklärt. Dabei ist es so einfach und das müssten Jugendliche wissen: Eine Beziehung wird erhalten wie ein Schminnefeuer.
Das Feuer brennt und erlischt, wenn man kein Holz nachlegt. Man muss immer wieder Holz nachlegen, damit es weiter brennt. So müssen in einer Beziehung beide Partner Holz nachlegen – das bedeutet, den Willen zur Liebe aufrechterhalten.
Interessant ist, dass in Epheser 5, wenn es heißt:
„Ihr Männer, liebt eure Frauen“, das Verb „agapao“ verwendet wird, das Hauptwort „Agape“.
Agape gab es als Wort bei den alten Griechen schon, aber es wurde kaum gebraucht. Viel häufiger verwendete man zum Beispiel „Eros“. Das ist nicht nur ein negatives Wort. Eros konnte ganz negativ sein, perverse Liebe, aber auch ganz normale Liebe im positiven Sinn. Doch das Wort war belastet.
Darum hat der Heilige Geist im Neuen Testament dieses Wort nicht verwendet, weil es belastet war. Stattdessen machte er das Wort „Agape“, das bei den Griechen wenig gebraucht und dadurch unbelastet war, zum Hauptwort im Neuen Testament.
Agape bezeichnet die Liebe Gottes, die im Willen Gottes begründet ist. Gott wollte uns lieben und hat darum seinen Sohn gesandt. Das Verb wird dort gebraucht: „Ihr Männer, liebt eure Frauen“. Es ist die Liebe, man kann sagen die von Gott gewirkte Liebe, die auf einem Willensentscheid beruht.
Darum können wir auch sagen: Wenn eine Ehe in eine Krise gerät, muss die Grundlösung sein, dass beide sehen: Ich möchte einen Neuanfang. Ich will lieben. Und dann kommt das andere von selbst, natürlich mit Gottes Hilfe.
Ich zeige hier nur die Seite der persönlichen Verantwortung. In der langen Strophe finden wir also die Höhen und Tiefen der Liebe. Wir werden darauf im zweiten Teil noch zurückkommen.
Schließlich folgt die vierte Strophe nach dem Refrain in 8,4, eine kurze Strophe von 8,5 bis zum Schluss, Vers 14. Dort werden wir wirklich auf den Höhepunkt geführt: die Vollkommenheit der Liebe.
Ich lese Hohelied 8,6:
„Lege mich wie einen Siegelring an dein Herz, wie einen Siegelring an deinen Arm! Denn die Liebe ist gewaltsam wie der Tod, hart wie das Totenreich ihr Eifer. Ihre Gluten sind Feuergluten, eine Flamme Jah. Große Wasser vermögen die Liebe nicht auszulöschen, und Ströme überfluten sie nicht. Wenn ein Mann allen Reichtum seines Hauses um die Liebe geben wollte, würde man ihn nur verachten.“
Das ist der Höhepunkt: Die Liebe ist gewaltsam wie der Tod und hart wie das Totenreich ihr Eifer. Es gibt falsche Eifersucht, die aus Misstrauen und einem übermäßigen Einengenwollen des Partners entsteht. Aber es gibt auch göttliche, berechtigte Eifersucht.
Ein Mann ist berechtigt eifersüchtig zu sein, wenn ein anderer seine Frau will. Niemand hat ein Anrecht auf seine Frau. Das ist biblische Eifersucht, die berechtigt ist, wenn es konkret darum geht.
Diese Eifersucht finden wir auch bei Gott. Bereits im Dekalog, in den Zehn Geboten, wo Gott den Bund mit Israel schließt, heißt es, dass er ein eifersüchtiger Gott ist. Was bedeutet das? Ein Gott, der Israel mit niemandem teilen will, der nicht akzeptieren kann, dass Israel anderen Göttern dient neben ihm. Er ist der Ehemann, Israel ist die Frau.
So war es auch bei Jesus. Er hat die Gemeinde schon im Voraus gesehen und jeden Einzelnen so geliebt, dass er bereit war, alles zu geben und für sie in den Tod zu gehen. Die Liebe ist gewaltsam wie der Tod.
Warum wollte Jesus uns erlösen, dich erlösen, mich erlösen? Weil er nicht wollte, dass jemand anderes über uns herrscht oder uns führt als er selbst. Er wollte nicht, dass Satan über uns herrscht, nicht die Sünde, nicht Geld oder sonst etwas. Nur er sollte über uns herrschen. Dafür war er bereit, bis in den Tod zu gehen.
Diese Liebe wird auch in Epheser 5 gezeigt:
„Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch Christus die Gemeinde geliebt hat und sich selbst für sie hingegeben hat, damit er sie heilige, das heißt ganz für sich auf die Seite stellte.“
Die Liebe ist gewaltsam wie der Tod, hart wie das Totenreich ihr Eifer. Der Herr Jesus ist in den Tod gegangen. Ihre Gluten sind Feuergluten. Wörtlich steht im Hebräischen: „Ihre Blitze sind feurige Blitzstrahlen.“ Das ist viel eindrücklicher als nur ein Feuer – Blitzstrahlen.
Und da wird einem auch klar: Wer hat schon einen Blitz gelöscht? Große Wasser vermögen die Liebe nicht auszulöschen. Woher kommt diese Liebe? Sie wird hier bezeichnet als Flamme Jah.
„Jah“ ist die Kurzform von „Yahweh“, dem ewigen, unwandelbaren Eigennamen Gottes in der Bibel. Im ganzen Hohelied wird der Name Gottes nie erwähnt, weder Gott, Herr noch Yahweh. Das ist die einzige Erwähnung des Gottesnamens und gibt diesem Vers umso mehr Gewicht.
Die Liebe ist eine Flamme Jahs. Das ist ganz wichtig für uns als christliche Ehemänner: Diese Kraft der Liebe, die auch bleibt und beständig ist bis zum Tod, kann nur Gott in unseren Herzen wirken.
Aber es ist nicht so, dass es lauwarm oder normal ist, wenn es lauwarm ist. Gott kann diese brennende Liebe wirken, wenn wir die biblischen Anforderungen für eine beständige Beziehung erfüllen. Diese Liebe ist eine Flamme Jahs.
Wir machen jetzt eine halbe Stunde Pause.
Vollkommenheit und Kraft der Liebe im Hohelied
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