Guten Abend, wir kommen heute zu 1. Mose 44. Wir haben gesehen, wie die Brüder von Joseph nach Ägypten gekommen sind, um wegen der Hungersnot Getreide zu kaufen. Danach sind sie wieder zurückgekehrt ins Land Kanaan.
Als die Nahrung erneut knapp wurde, mussten sie ein zweites Mal nach Ägypten gehen. Das war sehr eigenartig. Auf dem Rückweg damals hatten sie festgestellt, dass das Geld, das sie für das Getreide bezahlt hatten, in ihren Säcken wiedergefunden wurde. Das bereitete ihnen Sorgen. Sie wollten ganz ehrlich sein und das Geld bei diesem zweiten Einkauf zurückgeben.
Die Reaktion darauf war seltsam. Ein ägyptischer Beamter sagte ihnen in 1. Mose 43,23: „Friede euch, fürchtet euch nicht! Euer Gott und der Gott eures Vaters hat euch einen Schatz in eure Säcke gegeben.“
Was will dieser Ägypter von dem Gott eures Vaters wissen? Gemeint ist der Gott von Vater Jakob, also der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Gott der Bibel. Dieser Ägypter antwortet ihnen so, obwohl sie vorher gesagt hatten, sie wüssten nicht, wer das Geld in ihre Säcke gelegt habe.
Er sagt also: „Euer Gott, der Gott eures Vaters, hat euch einen Schatz in die Säcke gegeben.“ Daraufhin werden sie nicht zur Rechenschaft gezogen. Ganz eigenartig werden sie in den Palast von Joseph eingeladen und reichlich bewirtet.
Es ist kaum zu glauben, aber eigenartig: Sie wurden so zu Tisch gesetzt, dass es ganz genau nach der Altersfolge war. Ruben, der Älteste, sitzt an erster Stelle, und dann folgen die anderen Brüder in der richtigen Reihenfolge, bis auf den Elften, Benjamin, der Jüngste.
Man muss sich fragen: Wie können die Ägypter genau wissen, wie alt diese elf Männer sind? Oft ist das nicht so klar, wenn man Familien betrachtet, die drei oder vier Söhne und dann Töchter haben. Man ehrt sich manchmal, wenn man das Alter nur schätzt. Ein Jüngerer wird älter geschätzt, ein Älterer jünger. Doch hier wurden sie genau so platziert.
Benjamin erhält fünfmal größere Ehrengerichte als die anderen. Was ist da geschehen? Warum wird dieser Benjamin so bevorzugt? Es gibt keine Gleichheit.
Wir haben gesehen, dass das keine Eifersucht mehr geweckt hat. Früher waren die zehn Brüder sehr eifersüchtig auf Josef. Jetzt, wo Benjamin in Ägypten so bevorzugt wird, freuen sie sich einfach über das Unverständliche, das sie erleben.
Aber jetzt kommt Kapitel 44, und bald folgen wieder Probleme und Schrecken über diese Familie.
Und er gebot dem, der über sein Haus war, und sprach: „Fülle die Säcke der Männer mit Speise, so viel sie tragen können, und lege das Geld eines jeden oben in seinen Sack. Meinen silbernen Kelch aber sollst du oben in den Sack des Jüngsten legen, zusammen mit dem Geld für sein Getreide.“
Und er tat nach dem Wort Josephs, das er geredet hatte.
Als der Morgen anbrach, wurden die Männer entlassen, sie und ihre Esel. Sie waren gerade zur Stadt hinausgegangen, noch nicht weit, da sprach Joseph zu dem, der über sein Haus war: „Mach dich auf, jage den Männern nach! Hast du sie erreicht, so sage zu ihnen: Warum habt ihr Böses für Gutes vergolten? Ist es nicht der, aus dem mein Herr trinkt und durch den er zu weissagen pflegt? Ihr habt übel getan, was ihr getan habt.“
Er reichte sie ein und sprach diese Worte zu ihnen.
Sie antworteten ihm: „Warum redet mein Herr solche Worte? Fern sei es von deinen Knechten, so etwas zu tun! Siehe, das Geld, das wir oben in unseren Säcken fanden, haben wir dir aus dem Land Kanaan zurückgebracht. Wie sollten wir aus dem Haus deines Herrn Silber oder Gold stehlen? Bei wem von deinen Knechten es gefunden wird, der soll sterben! Und dazu wollen wir deinen Knecht werden.“
Da sprach er: „Nun, nach euren Worten soll es auch sein: Bei wem er gefunden wird, der sei mein Knecht; ihr aber sollt schuldlos sein.“
Sie beeilten sich, jeden seinen Sack auf die Erde zu stellen, und öffneten ihn. Joseph begann beim Ältesten und hörte beim Jüngsten auf. Der Kelch fand sich im Sack Benjamins.
Da zerrissen sie ihre Kleider, und jeder belud seinen Esel, dann kehrten sie in die Stadt zurück.
Man muss sich vorstellen, was da mit ihren Gefühlen geschah. Dieses Wechselbad der Gefühle! Sie kamen wegen der Hungersnot nach Ägypten und litten Not. Wie würden sie aus der Situation herauskommen? Sie hatten ehrlich gesagt, dass zu viel Silber in ihren Säcken war. Dann erlebten sie, wie erklärt wurde, dass Gott das gemacht hatte, ihr Gott. Sie würden nicht zur Rechenschaft gezogen, sondern als VIPs eingeladen – als sehr wichtige Personen, als kämen sie aus einem Königsgeschlecht. Sie wurden verwöhnt und gingen froh nach Hause, denn sie hatten mehr Speise bekommen, als sie einkaufen wollten. Ihnen wurde aufgelegt, so viel zu nehmen, wie sie tragen konnten. Hochstimmung!
Kaum waren sie aus der Stadt heraus, kam die Untersuchung hinter ihnen her. Sie sagten: „Ihr habt etwas gestohlen! Warum habt ihr das getan?“ Die Männer waren überzeugt, nichts falsch gemacht zu haben, und in ihrer Einfalt versprachen sie zu viel. Sie sagten: „Wer es hat, soll sterben!“ Sie waren sich so sicher, dass sie sogar bereit waren, sich selbst zu verkaufen. Sie wollten Knechte werden – das hebräische Wort ist „Ewed“, was sowohl Knecht als auch Sklave bedeutet.
Der Ägypter, der mit ihnen zu tun hatte, sagte daraufhin: „Nun, nach euren Worten soll es so sein.“ Dann wurden sie durchsucht. Und zwar in welcher Reihenfolge? Wieder schön der Reihe nach, altersgemäß. Zuerst wurde bei Ruben kontrolliert, nichts. Dann beim Nächsten, und so weiter, bis zum Jüngsten: Benjamin.
Benjamin war das Problem. Sie wollten ihn nicht mitbringen, weil sie wussten, dass Vater Jakob seinen Lieblingssohn nicht gehen lassen würde. Doch sie sagten ihrem Vater, sie müssten ihn mitbringen, denn der Mann in Ägypten, der Zweitoberste nach dem Pharao, hatte gesagt: „Ihr müsst euren Bruder mitbringen, sonst werdet ihr mein Gesicht nicht mehr sehen.“ Also nahmen sie Benjamin mit.
Jetzt kam die Untersuchung, schön der Reihe nach, und beim Letzten, Benjamin, kam der Kelch Josephs ans Licht. Sie waren vor Angst fast gestorben. Es heißt hier in Vers 13: Da zerrissen sie ihre Kleider. Sie waren so entsetzt, dass sie ihre Kleider zerrissen.
Es ist eindrücklich, wie ausgerechnet Juda ein Plädoyer für Benjamin hält, das wirklich zu Herzen geht.
(1. Mose 44,1-13)Liesst du mal Verse vierzehn bis siebzehn? Und Juda und seine Brüder kamen in das Haus Josefs, und er war noch dort, und sie fielen vor ihm nieder zur Erde.
Ich habe gesagt, dass das Wechselbad der Emotionen zuerst diese Erfahrung im Palast von Joseph so überaus verwöhnt zu werden, kaum sind sie aus der Stadt, kommt dieser Schreck: Benjamin muss sterben. Und den wollten sie ja nicht mitbringen. Und jetzt ausgerechnet bei Benjamin ist dieser Kelch. Sie wissen, wir haben den nicht gestohlen. Und dann kommen sie zurück zu Joseph in sein Haus, in seinen Palast, und fallen vor ihm nieder auf die Erde.
Der Traum von Joseph, damals in seiner Jugend, Kapitel 37, erfüllt sich jetzt hier zum vierten Mal. Nicht wahr, wir haben schon mehrere Phasen vorher gesehen, schon beim ersten Besuch fallen sie vor diesem Herrscher von Ägypten nieder, und er, Joseph, sieht das. Nach all diesen Jahren, nach all dem Leiden, das ich auch in meiner Familie erlebt habe, und dann das Leiden in Ägypten, das ich erlebt habe, jetzt erfüllt sich der Traum.
Aber er sagt nichts. Ich meine, nichts darüber, wer er ist und dass er sie kennt. Aber er bleibt ihnen hart gegenüber und sagt: Was habt ihr da getan? Wusstet ihr nicht, dass ein Mann wie ich – weissagen oder lenachäsch heißt auch Wahrsagen – kann? Jetzt müssen sie sich Fragen stellen: Wer ist dieser Mann? Das ist einer, der die Zukunft weiß.
Aber sie wussten natürlich, dass jemand, der wahrsagt, eigentlich ein falscher Prophet ist. Wir stehen vor einem falschen Propheten, und vor dem sind wir niedergefallen. Ja, und natürlich hatten wir schon damals die Überzeugung, unser kleiner Bruder, das ist ein falscher Prophet, denn seine Träume hatten für uns keine Bedeutung. Sie haben uns nur gesagt, dieser Junge ist so hochmütig und meint, wir würden uns eines Tages vor ihm verbeugen.
Merkt man diese Zusammenhänge? Ja, aber das Thema geht ja noch weiter. Liest du jetzt weiter ab Vers achtzehn das Plädoyer von Juda? Da trat Juda zu ihm und sprach: „Bitte, mein Herr, lass doch deinen Knecht ein Wort reden zu den Ohren meines Herrn.“
Warte noch schnell, liest doch nochmals ab Vers sechzehn: Und Juda sprach: „Was sollen wir meinem Herrn sagen, was sollen wir reden und wie uns rechtfertigen? Gott hat die Ungerechtigkeit deiner Knechte gefunden. Siehe, wir sind die Knechte meines Herrn, sowohl wir als auch der, in dessen Hand der Kelch gefunden worden ist.“ Und er sprach: „Fern sei es von mir, dies zu tun! Der Mann, in dessen Hand der Kelch gefunden worden ist, der soll mein Knecht sein.“ Und „Zieht in Frieden hinauf zu eurem Vater!“
Dieser harte Herrscher von Ägypten, der sich zwar kurz vorher so überfreundlich ihnen erwiesen hatte, ist in seinem richtlichen Urteil gerecht. Er sagt: Nein, das Angebot, alle sollen Knechte werden in Ägypten, Sklaven werden in Ägypten, das nehme ich nicht an. Nur der Schuldige wird Sklave in Ägypten.
Aber ist es nicht eindrücklich, dass Juda hier etwas Gewaltiges sagt? Vers 16 in der Mitte: „Gott hat die Ungerechtigkeit deiner Knechte gefunden.“ Jetzt gibt er zu, dass in ihrem Leben wirklich Unrecht war. Sünde! Nicht wahr, beim ersten Besuch hatten sie dem Herrscher von Ägypten gesagt, als er behauptete, ihr seid Spione: Nein, wir sind redliche Leute. Wiederholt sagen sie, wir sind redliche Leute.
Die hätten sagen können: Ja, also Spione sind wir nicht, aber wir haben unseren Bruder umbringen wollen, aber schließlich haben wir ihn für zwanzig Silberstücke verkauft nach Ägypten. Das sind nicht redliche Leute. Aber jetzt eine ganz andere Sprache: Er sagt, Gott hat unsere Schuld ans Licht gebracht. Unsere Schuld kommt jetzt auf uns zurück. Gott hat unsere Schuld gefunden.
Und er sagt im Hebräischen nicht einfach Elohim, wie das so üblich ist für Gott, sondern Ha Elohim mit Artikel. Und das betont dann: Der wahre Gott, der Gott, also der wahre Gott hat die Ungerechtigkeit deiner Knechte gefunden.
Und Joseph sagt: Nein, nicht ihr werdet alle Knechte, sondern der, der den Kelch in seinem Sack hatte, der soll bestraft werden. Und dann sagt er: Und ihr – Vers 17, liest du nochmals Vers 17? „Und er sprach: Fern sei es von mir, dies zu tun! Der Mann, in dessen Hand der Kelch gefunden worden ist, der soll mein Knecht sein, und ihr zieht in Frieden hinauf zu eurem Vater!“
Aha, also er sagt, Benjamin bleibt hier, der wird bestraft werden, aber all die anderen unschuldigen Brüder dürfen in Frieden wieder nach Hause gehen. So ganz ähnlich wie damals, als die zehn Brüder Joseph für zwanzig Silberstücke nach Ägypten verkauft haben, da sind sie schließlich auch wieder in Frieden zu ihrem Vater zurückgegangen und haben die ganze Sache unter den Tisch gekehrt, die ganze Schuld, die da war, zugedeckt, verheimlicht.
Und er sagt so: Jetzt macht ihr das auf diese Art, ihr geht nach Hause, aber dieser Lieblingssohn von dem Mann in Kanaan, der bleibt hier. Und jetzt zeigt sich: Würden Sie so etwas noch einmal machen? Würden Sie so etwas wirklich aushalten, einfach wieder zu Vater Jakob zurückgehen, wie Sie damals zu ihm zurückgehen konnten, nachdem Joseph verkauft war?
Nun, jetzt beginnt erst recht ein wunderbares Plädoyer von Juda.
Man muss betonen, warum es so besonders ist, dass Juda dieses Plädoyer hält. Wie wäre es gewesen, wenn es irgendein anderer Bruder gewesen wäre? Aber warum gerade Juda? Hat das niemanden zum Nachdenken gebracht?
Juda war vor allem der Anführer, als es um Josef ging. Er war es, der den Vorschlag machte, Josef nach Ägypten zu verkaufen. Ich kann nur empfehlen, noch einmal Kapitel 37 aufzuschlagen, denn so versteht man die Situation besser. Dort wird beschrieben, wie Juda vorgeschlagen hat, Josef für Silberlinge zu verkaufen. Die griechische Aussprache von Juda ist „Judas“, im Hebräischen „Jehuda“. Im Neuen Testament wird Judas als der Verräter bezeichnet, der Jesus für dreißig Silberstücke verkauft hat. Es ist also ein sehr eindrücklicher Zusammenhang.
In 1. Mose 37,26 steht: „Da sprach Juda zu seinen Brüdern: Was gewinnt es uns, wenn wir unseren Bruder erschlagen und sein Blut verbergen? Kommt, lasst uns ihn an die Ismaeliter verkaufen, aber unsere Hand soll nicht an ihm sein; denn er ist unser Bruder, unser Fleisch.“ Und seine Brüder hörten auf ihn.
Juda ergriff also die Initiative, Josef zu verkaufen. Er sagte, wir müssen ihn nicht unbedingt ermorden und dann sein Blut verbergen. Was bedeutet „Blut verbergen“? Es heißt, die Ermordung zu verheimlichen. Die Fußnote der Elberfelder Bibel erklärt, dass damit gemeint ist, die Ermordung zu verheimlichen. Sie haben nicht seine Ermordung, sondern seinen Verkauf verheimlicht und dem Vater vorgegaukelt, ein wildes Tier hätte Josef gefressen.
Ausgerechnet Juda setzt sich nun für den Lieblingssohn Benjamin ein. Jakob geht davon aus, dass Josef nicht mehr lebt. Benjamin, der jüngste Sohn von Rahel, hat nun den Platz des Lieblingssohnes eingenommen. Jakob hat seine ganze Liebe und Emotion auf Benjamin gerichtet. Wir werden noch deutlicher sehen, wie sehr er an Benjamin hängt.
Ab Vers 18 liest man: „Da trat Juda zu ihm und sprach: Bitte, mein Herr, lass doch deinen Knecht ein Wort zu den Ohren meines Herrn reden, und entbrenne nicht dein Zorn gegen deinen Knecht; denn du bist wie der Pharao.“
Juda spricht hier mit Hochachtung gegenüber dem Richter, dem höchsten Herrscher von Ägypten. Er sagt: „Du bist wie der Pharao.“ Der Pharao hatte gesagt, Josef sei der Zweite nach ihm, tatsächlich war Josef die Nummer eins. Juda erkennt die Macht dieses Mannes an. Er nennt ihn immer wieder „Mein Herr“. Hat jemand gezählt, wie oft er das in seinem Plädoyer sagt? Ab Vers 14 zum ersten Mal, dann in Vers 16, 18, 19 und so weiter – insgesamt siebenmal, die Zahl der Vollkommenheit.
Die Brüder, die Josef einst so verachtet hatten, die bereit waren, ihn zu beseitigen, sprechen ihn jetzt ständig mit „Mein Herr“ an und beugen sich vor ihm. Es ist sehr eindrücklich.
Juda sagt weiter, dass nun ausgerechnet Benjamin dran sei. Diesen Benjamin wollten sie ja um keinen Preis mitbringen. Aber wie kam es dazu? Das warst du, Herrscher von Ägypten, der das provoziert hat. Durch deine Fragen in Vers 19: „Hast du noch einen Vater oder einen Bruder?“ Reicht es nicht, wenn zehn Männer nach Ägypten kommen? Müssen sie unbedingt noch eine größere Familie haben, einen weiteren Bruder? Warum interessiert den Ägypter ein alter Mann in Kanaan?
Juda will damit sagen: Du hast das provoziert, du hast Interesse an unserer Familie gezeigt. So kamen sie auf Benjamin zu sprechen, der nicht dabei war.
In Vers 20 sagt Juda: „Wir haben einen alten Vater und einen jungen Knaben, der ihm im Alter geboren wurde. Und dessen Bruder ist tot, und er allein ist von seiner Mutter übriggeblieben, und sein Vater hat ihn lieb.“
Das erinnert an den Anfang von Josefs Geschichte. In 1. Mose 37,3 heißt es: „Israel liebte Josef mehr als alle seine Söhne, denn er war der Sohn seines Alters, und er machte ihm ein langes Ärmelkleid.“ Josef hatte einen besonderen Platz im Herzen Jakobs.
Das hängt damit zusammen, dass Ruben, der Erstgeborene, eine schändliche Tat begangen hatte und sein Erstgeburtsrecht verlor. Jakob übertrug das Erstgeburtsrecht auf Josef, den Erstgeborenen von Rahel, der Frau, die er wirklich liebte. Das lange Ärmelkleid war eine besondere Auszeichnung und zeigte, dass Josef Ruben als Erstgeborener ersetzte.
Juda sagt nun von Benjamin, dass sein Vater ihn lieb hat. Das hätte er nicht unbedingt sagen müssen, aber man merkt, dass er das jetzt akzeptiert, was er früher für Josef nicht konnte. Er erklärt es frei: Sein Vater hat ihn lieb.
Dann setzt sich Juda gerade für diesen geliebten Benjamin ein und betont in Vers 21: „Und du sprachst zu deinen Knechten: Bringt ihn zu mir herab, dass ich mein Auge auf ihn richte.“
Damit sagt er: Wir hätten ihn ja nie mitgebracht, wenn du das nicht verlangt hättest. Die Formulierung „Bringt ihn zu mir herab, dass ich mein Auge auf ihn richte“ ist sehr speziell. Wie kommt ein Herrscher in Ägypten darauf, einen jungen Mann aus Kanaan zu sich zu holen, um ihn zu betrachten? Was für ein Interesse steckt dahinter? Es war natürlich Benjamin, der geliebte Bruder, den Josef all die Jahre nicht gesehen hatte und der ihn nie verworfen hatte – im Gegensatz zu den anderen zehn Brüdern.
Das Plädoyer geht weiter: Juda sagt ganz klar, der Knabe kann seinen Vater nicht verlassen. Verließe er seinen Vater, so würde er sterben. Aber das war für sie klar: Benjamin durfte nicht mitkommen. Doch der Herrscher hatte gesagt, wenn euer jüngster Bruder nicht mit euch herabkommt, sollt ihr sein Angesicht nicht mehr sehen. Es gibt nur ein Entweder-oder: Entweder kommt der Knabe mit, oder ihr bekommt kein Getreide.
Weiter ab Vers 24: „Und es geschah, als wir hinaufgezogen waren zu deinem Knecht, meinem Vater, da berichteten wir ihm die Worte meines Herrn. Und unser Vater sprach: Zieht wieder hin, kauft uns ein wenig Speise. Wir aber sprachen: Wir können nicht hinabziehen, wenn unser jüngster Bruder nicht bei uns ist. So wollen wir hinabziehen, denn wir dürfen das Angesicht des Mannes nicht sehen, wenn unser jüngster Bruder nicht bei uns ist.“
Ein Knecht, der Vater, sprach zu uns: „Ihr wisst, dass meine Frau mir zwei geboren hat, und der eine ist von mir weggegangen. Ich sprach: Gewiss ist er zerrissen worden, und ich habe ihn nicht mehr gesehen bis jetzt. Und nehmt ihr auch diesen von mir weg, so wird ihm ein Unglück begegnen. So werdet ihr mein graues Haar mit Unglück hinabbringen in den Scheol.“
Wenn ich zu deinem Knecht, meinem Vater, komme, und der Knabe ist nicht bei uns, und seine Seele hängt an dessen Seele, so wird es geschehen, dass er stirbt, wenn er sieht, dass der Knabe nicht da ist. Und deine Knechte werden das graue Haar deines Knechtes, unseres Vaters, mit Kummer hinabbringen in den Scheol.“
Juda zeigt ausführlich die ganze Not von Vater Jakob auf, wenn Benjamin verloren ginge. Interessant ist auch, dass Juda in Vers 27 sagt: „Ihr wisst, dass meine Frau mir zwei geboren hat, nämlich Josef und Benjamin, und der eine ist von mir weggegangen.“ Er sagt nicht, dass er gestorben sei, als ob noch Hoffnung bestünde. Für Jakob bedeutet das konkret, dass Josef tot ist, aber er drückt es vorsichtig aus: „von mir weggegangen.“
Juda gibt das genau wieder. Dann sagt er in Vers 29: „Nehmt ihr auch diesen von mir weg, und es begegnet ihm ein Unglück (hebräisch: Asson, ein Unfall mit Todesfolge), so werdet ihr mein graues Haar mit Unglück hinabbringen in den Scheol.“
Das ist genau der Punkt: Sie haben das Urteil gesprochen, dass derjenige, bei dem der Kelch gefunden wird, sterben soll. Das ist genau das, was Jakob befürchtete.
Diese Ausdrucksweise wiederholt Juda in Vers 31: „Das graue Haar eines Knechtes unseres Vaters mit Kummer hinabbringen in den Scheol“, das Totenreich.
Das entspricht genau dem, was Jakob gesagt hatte, als wir in Kapitel 37, Vers 35 nachlesen: „Und alle seine Söhne und alle seine Töchter machten sich auf, um ihn zu trösten.“ Der Zusammenhang ist folgender: Jakob wurde ein in Ziegenblut getauchtes Gewand von Josef gezeigt, um ihm vorzugaukeln, Josef sei tot. Die Söhne trösteten ihn über den Tod, obwohl sie wussten, dass Josef noch lebte und als Sklave verkauft war.
Doch Jakob weigerte sich, sich trösten zu lassen, und sprach: „Denn trauernd werde ich zu meinem Sohn hinabfahren in den Scheol“, und er beweinte ihn.
Das war der ganze Kummer und Zusammenbruch, den Jakob bei der Todesnachricht von Josef erlebte.
Dieser Ausdruck erscheint auch noch einmal in Kapitel 42, Vers 38: „Er aber sprach: Mein Sohn soll nicht mit euch hinabziehen, denn sein Bruder ist tot und er allein ist übriggeblieben. Und begegnet ihm ein Unglück auf dem Weg, so würdet ihr mein graues Haar mit Kummer hinabbringen in den Scheol.“
Wir sehen also original, wie Jakob das gesagt hat, als sie von der ersten Ägyptenreise zurückkehrten und ihm klar machten, dass sie Benjamin mitnehmen müssten. Jakob weigerte sich strikt.
Juda betont gegenüber dem Herrscher in Ägypten zweimal, dass sie wirklich das Elend bei ihrem Vater auslösen würden, wenn Benjamin verloren ginge, dass er sterben würde.
In Vers 30 heißt es: „Wenn er, wenn sie nach Hause kommen ohne Benjamin, und der Knabe nicht bei uns ist, so wird es geschehen, dass er stirbt.“ Und dann fügt Juda in einem Einschub hinzu: „Und seine Seele hängt an dessen Seele.“
Es gibt keine Eifersucht mehr bei den Brüdern. Sie erkennen an, dass Jakob zu Benjamin eine ganz besondere Beziehung hat.
Weiter in Vers 32: „Denn dein Knecht ist für den Knaben Bürge geworden bei meinem Vater, indem ich sprach: Wenn ich ihn nicht zu dir bringe, so will ich alle Tage gegen meinen Vater gesündigt haben. Und nun lass doch deinen Knecht anstatt des Knaben bleiben als Knecht meines Herrn, und der Knabe ziehe hinauf mit seinen Brüdern; denn wie sollte ich zu meinem Vater hinaufziehen, wenn der Knabe nicht bei mir wäre, dass ich nicht das Unglück ansehen müsse, das meinen Vater treffen würde?“
Das ist eindrücklich. Juda sagt, er ist Bürge für Benjamin geworden. Er ist bereit, anstelle von Benjamin Sklave zu bleiben. Man denke daran: „Knecht“ auf Hebräisch heißt Knecht oder Sklave. Juda, derjenige, der mit seinem Vorschlag den Verkauf Josefs nach Ägypten eingeleitet hatte, ist nun bereit, diesen Platz einzunehmen, damit nicht der geliebte Sohn Jakobs in Ägypten bleiben muss.
Man merkt, dass sich in den Herzen etwas verändert hat. Das ist keine billige Gnade, nicht wie bei Saul, der seine Sünden bekannte, aber keine echte Buße zeigte. Hier kann Joseph die Echtheit erkennen. Das ist ganz anders als früher. Die Brüder würden das, was sie damals getan hatten, rückgängig machen, wenn sie könnten.
Und dann geschieht die Wende, Kapitel 45, Vers 1. Da konnte Joseph sich nicht mehr beherrschen vor allen, die um ihn standen, und er rief: „Lasst jedermann von mir hinausgehen!“ Und es stand niemand bei ihm, als Joseph sich seinen Brüdern zu erkennen gab. Er erhob seine Stimme und weinte, sodass die Ägypter es hörten und auch das Haus des Pharaos.
Unglaublich, was jetzt geschieht: Dieser harte Mann aus Ägypten beginnt zu weinen. Aber das war ja nicht das erste Mal. Wo hat er schon mal geweint? Das war noch im Kapitel 43, Vers 29, also in der vorherigen Phase. Dort lesen wir:
„Und er erhob seine Augen und sah seinen Bruder Benjamin, den Sohn seiner Mutter, und sprach: ‚Ist das euer jüngster Bruder, von dem ihr zu mir gesprochen habt?‘ Und er sprach: ‚Gott sei dir gnädig, mein Sohn!‘ Und Joseph eilte, denn sein Innerstes wurde erregt wegen seines Bruders, und er suchte einen Ort, um zu weinen. Er ging in das innere Gemach und weinte dort.“
Ja, er hat geweint, aber die Brüder haben es nicht mitbekommen. Dafür sorgte er, damit niemand etwas von seinen inneren Gefühlen bemerkte. Er konnte sich nicht mehr beherrschen, hat sich dann aber wieder gefasst. Im nächsten Vers, 31, lesen wir:
„Er wusch sein Gesicht, kam heraus und bezwang sich. Dann sprach er: ‚Tracht Speise auf!‘“
Er hat sich also bezwungen, und dann folgt dieses eigenartige Fest, das aber wieder mit einer Katastrophe endet. Juda führt aus, dass Joseph jetzt völlig überzeugt ist: Jetzt ist es anders. Die Brüder bereuen wirklich, was sie getan haben, und würden es nicht noch einmal tun.
Joseph kann sich zwar nicht mehr bezwingen, aber er will nicht mehr in ein anderes Zimmer gehen, sodass niemand etwas merkt. Jetzt sollen sie es erkennen, jetzt dürfen sie es mitbekommen. Vers 2 nochmals aus Kapitel 45:
„Und er erhob seine Stimme mit Weinen, und das war so laut, dass es heißt, die Ägypter hörten es und das Haus des Pharaos hörte es.“
Das war ein Schluchzen, so bewegend. Weiter lesen wir in Vers 3:
„Und Joseph sprach zu seinen Brüdern: ‚Ich bin Joseph! Lebt mein Vater noch?‘ Und seine Brüder konnten ihm nicht antworten, denn sie waren bestürzt vor ihm.“
Man muss sich diese Szene vorstellen: Dieser harte Mann aus Ägypten hat ja ständig mit einem Dolmetscher kommuniziert. Er sprach Altägyptisch, eine sehr schwere Sprache. Das Altägyptische hat viele Formen – ich habe etwa zweihundert Formen ausgezählt. Diese sind nicht einfach mit „haben“ und „sein“ zusammengesetzt, wie im Französischen mit „avoir“ und „être“, sondern es sind Formen, die in einem Wort vorkommen.
Joseph sprach immer Ägyptisch, der Dolmetscher übersetzte ins Hebräische. Es gab Ägypter, die Hebräisch konnten. Sie hatten damals schon Leute, die Sprachbarrieren überwinden konnten.
Und dann dieser Moment: Joseph spricht zu seinen Brüdern auf Hebräisch: „Anni Joseph, ha'od avichai?“ – „Ich bin Joseph, lebt mein Vater noch?“ Man kann sich vorstellen, dass das ein Schock war! Diese harten Männer waren so erschüttert. Wie geht das? Jetzt spricht der Mann Hebräisch, und das akzentfrei!
Das Wort sagt uns in Vers 3, dass sie nicht mehr sprechen konnten. Sie waren sprachlos, bestürzt, erschüttert. Dann lesen wir Vers 4:
„Da sprach Joseph zu seinen Brüdern: ‚Tretet doch zu mir her!‘ Und sie traten herzu. Er sprach: ‚Ich bin Joseph, euer Bruder, den ihr nach Ägypten verkauft habt.‘“
Jetzt wieder in akzentfreiem Hebräisch benennt er ihre Sünde: „Ihr habt mich verkauft.“ Wir haben gesehen, wie oft Silber in der ganzen Geschichte eine Rolle gespielt hat. Ich habe ja erklärt: Immer wenn übersetzt wird mit „Geld“, im Hebräischen „Kesef“, muss man es hier zwingend mit Silber übersetzen. In dieser Zeit gab es Geld als Münzwährung noch nicht. Geld wurde erst später erfunden.
Also bedeutet „Kesef“ Silber oder Geld, aber je nach Kontext muss man es so oder so übersetzen. Es ist wie im Französischen „argent“, das kann Silber oder Geld bedeuten. Deshalb immer Silber.
Ständig haben wir in den vergangenen Kapiteln Silber gesehen: Silber, Silber, Silber. Sie mussten mit Silber bezahlen, sie hatten Silber in ihren Säcken, sie wollten das Silber zurückgeben, aber das Silber war ihnen ein Geschenk Gottes. Immer wieder wurden sie mit Silber konfrontiert, und das sollte etwas in den zehn Männern bewirken.
Für dieses Silber wollten sie unbedingt haben, jeder zwei Stücke davon, und damit verkauften sie ihren Bruder. Deshalb hat Joseph es so geführt, dass das Silber wieder zurückgegeben wurde. Sie mussten immer wieder mit Silber nach Ägypten kommen, um den Preis für das neue Getreide zu bezahlen und das Silber zurückzugeben. Sie mussten sich immer wieder mit dem Thema Silber und Ägypten auseinandersetzen.
Weiter lesen wir in Vers 5, wo Joseph eine ganze Rede auf Hebräisch hält:
„Und nun, betrübt euch nicht und zürnt nicht über euch selbst, dass ihr mich hierher verkauft habt; denn zur Erhaltung des Lebens hat Gott mich vor euch hergesandt.“
In 1. Korinther 5 musste einer aus der Gemeinde ausgeschlossen werden. Die Korinther kümmerten sich eigentlich gar nicht darum. Sie nahmen es locker und betrachteten es als das Problem dieses Bruders. Aber die Gemeinde hatte nichts damit zu tun.
Paulus musste ihnen erklären: Ihr müsst ihn ausschließen aus der Gemeinde, aus der Gemeinschaft setzen, damit er einsieht, dass das Sünde war, und zur Buße kommt.
Schließlich, ein Jahr später, kommt der zweite Korintherbrief. Dort sieht man: Die Korinther waren so hart, dass sie, obwohl sie gesehen hatten, dass dieser Mann wirklich umgekehrt ist und Buße getan hat, ihn nicht wieder aufnehmen wollten.
Paulus sagt ihnen in 2. Korinther 2:
„Ich habe aber bei mir selbst dies beschlossen: Wenn aber jemand traurig gemacht hat, so hat er nicht mich traurig gemacht, sondern in gewissem Maß, damit ich euch nicht beschwere alle. Ist einem solch eine Strafe von den Vielen zuteil geworden, so solltet ihr vielmehr vergeben und ermuntern, damit nicht etwa ein solcher durch übermäßige Traurigkeit verschlungen werde. Darum ermahne ich euch, ihm gegenüber Liebe zu üben; denn dazu habe ich euch geschrieben, um eure Bewährung zu erkennen, ob ihr in allem gehorsam seid. Wenn ihr aber etwas vergebt, dem vergebe auch ich; denn auch ich, was ich vergebe, habe ich um eurer willen vergeben in der Person Christi, damit ihr nicht vom Satan übervorteilt werdet; denn seine Gedanken sind uns nicht unbekannt.“
Er sagt also: Jetzt müsst ihr Liebe üben und den Mann ermutigen. Es ist so, dass die Gedanken Satans uns nicht unbekannt sind. Wenn jemand wirklich gebrochen am Boden ist, ist es Satans Freude, ihn noch tiefer in den Abgrund zu stürzen. Das geht nicht, sagt der Apostel Paulus. Ihr müsst diesen Mann auffangen.
Genau das macht Joseph ohne Belehrung. Er weiß das und sagt seinen Brüdern: „Betrübt euch nicht!“ Er hat gesehen, dass wirklich eine Umkehr geschehen ist. Aber er sieht auch die Gefahr, dass sie sich so an sich selbst ärgern könnten, dass er ihnen noch einmal wörtlich sagen muss, dass sie
„betrübt euch nicht und zürnt nicht über euch selbst!“
Da sieht man die Gefahr: Sie könnten sich im Nachhinein so ärgern, dass sie sich am liebsten die Haare ausraufen oder noch Schlimmeres tun. Das ist falsch.
Wir müssen nicht selbst sühnen. Gesühnt hat der Herr Jesus am Kreuz. Wir müssen uns nicht selbst verletzen oder uns etwas antun. Das kommt aus der sündigen Natur, dem Fleisch. Das muss man seelsorgerlich abfangen, und das macht Joseph hier.
Er sagt: „Betrübt euch nicht und zürnt nicht über euch selbst!“ Da sieht man die Gefahr, dass sie sich übermäßig mit sich selbst beschäftigen könnten.
Dann liest du weiter, Jerry, denn schon zwei Jahre ist die Hungersnot im Land, und noch sind fünf Jahre, in denen es weder Pflüge noch Ernten geben wird.
Er betont schon in Vers 5 am Schluss:
„Denn zur Erhaltung des Lebens hat Gott mich vor euch hergesandt.“
Ist es nicht eindrücklich, dass Joseph all die Verletzungen, die er erlebt hat – von seinen Brüdern, die ihn in die Grube warfen, die ihn für Silber verkauften, das Hinabgeworfenwerden in die Grube von Lothan –, dass er trotzdem sagt: Gott hat mich vor euch hergesandt, um euer Wohl zu sichern.
Er wurde verkauft, kam nach Ägypten als Sklave in das Haus von Potiphar, stieg zwar auf, wurde aber verleumdet und kam ins Gefängnis, wo er Jahre verbrachte. Dort deutete er die Träume eines Bäckers und eines Mundschenks richtig, wurde aber danach vergessen. Niemand kümmerte sich um ihn.
All diese Leiden hat er durchgemacht, und dennoch ist keine Verbitterung da. Wie ist das möglich?
Er hat als Junge an dem festgehalten, was Gott ihm gesagt hat. Damals gab es noch keine Bibel. Die Bibel wurde erst später geschrieben, im Zusammenhang mit dem Auszug aus Ägypten schrieb Mose die fünf Bücher Mose, also viel später.
Das Buch Hiob und Psalm 90 waren die ersten Schriften, die man als Bibel bezeichnen kann. Die anderen Bücher kamen erst später hinzu.
Joseph hatte keine Bibel, aber er hatte Träume von Gott bekommen. An diesem Gotteswort, an diesen zwei Träumen, die er als Junge hatte, hielt er fest. Er sagte sich: Der Herr hat einen Plan für mein Leben, und auch wenn ich durch schwere Tiefen gehe, wird der Herr diese Pläne zum Ziel führen.
Jetzt kann er sagen: „Erzürnt euch nicht! Gott hat mich zur Erhaltung des Lebens vor euch hergesandt.“
Das heißt also, aktiv gehandelt durch das Böse der Brüder und der Menschen. Aber Gott hat darin seinen Plan zur Ausführung gebracht. Er hat Joseph hierher gesandt.
Dann erklärt Joseph als Prophet: Zwei Jahre Hungersnot sind jetzt vorbei. Sie wussten nicht, wie lange das noch gehen würde. Er kann ihnen sagen, es geht noch fünf Jahre weiter. Das ist eben dieser Prophet, den sie als falschen Propheten betrachtet hatten. Doch bevor er sich als Herr vorstellt, zeigt er sich als jemand, der wahr sagen kann.
Für sie war das klar: Das ist ein falscher Prophet. Doch dann müssen sie merken, dass derjenige, von dem sie meinten, er sei ein falscher Prophet, tatsächlich ein richtiger Prophet des wahren Gottes ist.
Weiter heißt es in Vers 7: „Und Gott hat mich vor euch hergesandt, um euch einen Überrest zu setzen auf der Erde und euch am Leben zu erhalten für eine große Errettung.“ Ja, die Errettung des Herrn Jesus durch das Kreuz wird in Hebräer 2 am Anfang als eine so große Errettung genannt. Josephs Rettung ist eine Vorschattung davon und wird hier ebenfalls als große Errettung bezeichnet, mit dem Ziel, am Leben zu erhalten.
Und nun, nicht ihr habt mich hierher gesandt, sondern Gott. Er hat mich zum Vater des Pharaos gemacht, zum Herrn seines ganzen Hauses und zum Herrscher über das ganze Land Ägypten.
Er sagt: „Eilt und zieht hinauf zu meinem Vater und sprecht zu ihm: So spricht dein Sohn Joseph: Gott hat mich zum Herrn von ganz Ägypten gemacht. Komm zu mir herab, zögere nicht!“
Ich muss mir vorstellen, was das bei Vater Jakob auslösen sollte. Er hatte zwar gesagt, dieser Sohn ist weggegangen, er ist weg, nicht mehr da. Und dann bekommt er endlich diese Nachricht aus Ägypten, direkt von Joseph. Sie mussten ihm sagen: „So spricht dein Sohn Joseph: Gott hat mich zum Herrn von ganz Ägypten gemacht. Komm zu mir herab, zögere nicht!“
Wie kann ein altes Herz so etwas aushalten? Wir werden gleich noch sehen, dass es ziemlich schwierig, aber einfach nur grandios ist.
Es heißt nicht nur „Komm mal schnell“, sondern in Vers 9: „Dieses Eilen wird noch weiter von Bedeutung sein.“ Lies weiter:
„Und du sollst im Land Goschen wohnen und nahe bei mir sein, du und deine Söhne und die Söhne deiner Söhne und dein Kleinvieh und deine Rinder und alles, was du hast. Und ich will dich dort versorgen, denn noch fünf Jahre ist Hungersnot, damit du nicht verarmst, du und dein Haus und alles, was du hast.“
Er sagt also: Komm nach Ägypten, aber nicht irgendwohin, sondern ins Land Goschen. Das ist im fruchtbaren Delta.
Ägypten ist weitestgehend eine Wüste. Entlang des Nils gibt es Grün, aber im Norden von Ägypten, dort, wo der Nil ins Mittelmeer mündet, gibt es ein großes Dreieck, das Delta genannt wird. Der Name stammt vom griechischen Buchstaben Delta, der wie ein Dreieck aussieht. Dort liegt Goschen.
Joseph lädt Jakob ein, in die beste und fruchtbarste Gegend Ägyptens zu kommen. Wirklich schön, das Grün. Ich bin einmal mit dem Zug von Kairo entlang des Nils nach Alexandria gefahren – wirklich wunderbar. Dort soll Jakob hinkommen.
Weiter heißt es: „Und siehe, eure Augen sehen es und die Augen meines Bruders Benjamin, dass es mein Mund ist, der zu euch redet.“ Ja, es ist alles wie unwirklich.
Und da muss ich Ihnen sagen: „Schaut, das ist mein Mund, der euch das gesagt hat, und zwar in eurer eigenen Sprache, Hebräisch.“
Dann Vers 13: „Und berichtet meinem Vater alle meine Herrlichkeit in Ägypten und alles, was ihr gesehen habt, und eilt und bringt meinen Vater hierher herab.“ Wieder: eilt!
Jetzt muss alles schnell gehen. Joseph hat sich vorher Zeit gelassen. Am ersten Besuch hat er sich nicht mitgeteilt, am zweiten Besuch hat er eine Katastrophe ausgelöst. Es hat Zeit gebraucht, ein Werk in den Herzen musste geschehen. Aber jetzt, wo alles klar ist, soll es schnell vorwärts gehen.
Ist es nicht schön? Wir haben ja schon sechzig Parallelen zwischen Joseph und dem Messias, dem Herrn Jesus, angeschaut. Seit ein paar Kapiteln haben wir die Parallelen unterbrochen. Ich habe keine Parallelen mehr aufgezeigt, aber das wird noch kommen, so Gott will, wie immer.
Wir richten jetzt unseren Fokus auf die Geschichte selbst, werden aber die Parallelen ab Kapitel 61 und so weiter wieder anschauen. So viele Parallelen sind da.
Auch hier ist das eigentlich eine wunderbare Umschreibung, wie eine Anbetungsstunde in der Gemeinde aussehen sollte.
Was ist Anbetung? Dass wir zu dem Vater beten und ihm sagen, was wir an dem Herrn Jesus gefunden haben, von den Herrlichkeiten seiner Person und von den Herrlichkeiten seines Erlösungswerkes.
So kann man das wirklich schön anwenden: „Berichtet meinem Vater alle meine Herrlichkeit in Ägypten und alles, was ihr gesehen habt.“
Vers 14: „Und er fiel seinem Bruder Benjamin um den Hals und weinte. Jetzt geht das Weinen weiter. Benjamin weinte an seinem Hals, und er küsste alle seine Brüder und weinte an ihnen. Danach redeten seine Brüder mit ihm.“ So bewegend.
Wir haben also zwei besondere Momente gesehen, in denen die Schrift sagt, dass Joseph weinte: einmal versteckt und dann dort, wo er sich offenbart hatte (45,2). Jetzt geht das Weinen weiter. Nur ist es hier ein Freudenwein.
Das ist emotional sehr nah beieinander: Freude und Leid sind sehr, sehr nahe beieinander.
Diese Umarmung, die dabei ist, ist etwas Spezielles. Wenn man durch ganz schwere Leiden hindurchgeht, ist es ganz anders, wenn man von den Seinen umarmt wird. Das hat viel mehr Bedeutung als sonst. Darum spielt das hier eine so große Rolle.
Er umarmt jeden der zehn Söhne Jakobs, der zehn Brüder von Joseph, jeden Einzelnen und weint an jedem Einzelnen. Er hat also nicht einfach pauschal eine Masse von zehn bösen Männern vergeben, sondern jedem Einzelnen ganz persönlich.
Darum ist diese Umarmung sehr, sehr wichtig.
Etwas möchte ich noch sagen: Es wird zweimal erwähnt, wie Joseph geweint hat, und jetzt hier wieder. Aber es wird nicht gesagt, wie oft er seit seiner Jugend für sich geweint hat und wie oft er sich allein gelassen fühlte.
Denn in all diesen Jahren hatte er keinen Freund, niemanden, der ihm beistand. Wenn wir sehen, ein David hatte einen Jonathan und immer wieder andere, auch Samuel, die ihm wirklich beigestanden in der Not. Aber Joseph hatte niemanden. Er war wirklich allein.
Wie oft hatte er geweint, ganz allein? Das sagt die Schrift nicht. Aber in den Psalmen lesen wir, dass Gott alle Tränen aufschreibt in einem Buch – ein spezielles Buch der Tränen im Himmel.
Weiter Vers 16: „Und die Kunde wurde im Haus des Pharaos gehört, dass Josephs Brüder gekommen sind. Und es war gut in den Augen des Pharaos und in den Augen seiner Knechte.“
Der Pharao sprach zu Joseph: „Sage deinen Brüdern: Tut dies, beladet eure Tiere, zieht hinab, geht in das Land Kanaan, nehmt euren Vater und eure Familien und kommt zu mir. Ich will euch das Beste des Landes Ägypten geben, und ihr sollt das Fett des Landes essen.“
„Du bist beauftragt zu sagen: Tut dies, nehmt euch aus dem Land Ägypten Wagen für eure kleinen Kinder und für eure Frauen und holt euren Vater und kommt! Eure Augen sollen nicht mit Bedauern auf euren Hausrat sehen, denn das Beste des ganzen Landes Ägypten soll euer sein!“
Die Söhne Israels taten so. Joseph gab ihnen Wagen nach dem Befehl des Pharaos und gab ihnen Wegzehrung. Er gab ihnen alles, jedem Wechselkleider.
Benjamin gab er dreihundert Silberstücke und fünf Wechselkleider.
Seinen Vater sandte er mit zehn Eseln, beladen mit dem Besten Ägyptens, und zehn Eselinnen, beladen mit Getreide, Brot und Nahrung für den Weg.
Er entließ seine Brüder, und sie zogen hin. Er sprach zu ihnen: „Erzürnt euch nicht auf dem Weg!“
Jetzt kommt der Pharao ins Spiel, und er steht voll hinter Joseph.
In dieser Geschichte, in Josephs Geschichte, sehen wir, dass der Pharao Befehle erteilt. Sonst war es immer Joseph, der der Leiter war. Ab jetzt befiehlt der Pharao.
Er sagt: So bringt das alles deinem Vater Jakob nach Kanaan. Nehmt ägyptische luxuriöse Wagen mit und bringt all diese Riesengeschenke.
Er erklärt, Jakob soll nach Ägypten kommen und das Beste des Landes Ägypten essen. Das Fett des Landes essen bedeutet das Beste.
Nicht alle in unserer Kultur würden sagen, Fett ist ein Äquivalent für das Beste, aber auf Hebräisch ist das so. Fett bedeutet das Beste.
Man kann es vielleicht so verstehen: Wie erkennt man die Qualität eines Entrecôtes? Die Fettschicht bei einem Rind spielt eine große Rolle, stimmt’s, Robin? Die Marmorierung des Fleisches ist wichtig, aber das Fett ist ein Indikator, korrekt?
Also, das Beste von Ägypten.
Interessant ist auch, dass Joseph allen Wechselkleider gibt, also ägyptische Luxuskleider. Sie waren einmal eifersüchtig auf das schöne Kleid von Joseph, und jetzt bekommen sie alle wunderschöne Kleider.
Benjamin erhält fünf Wechselkleider und dreihundert Silberstücke – fünfzehnmal mehr, als Joseph verkauft wurde.
Das soll alles eine Vorbereitung sein. Es wäre zu hart gewesen für Vater Jakob, Joseph direkt zu erleben.
Joseph hätte mitgehen können und sagen: „Vater, Shalom, Avi.“ Aber das hätte er nicht ausgehalten.
Er musste zuerst so indirekt vorbereitet werden und all diese prachtvollen Wagen aus Ägypten sehen.
„Dein Sohn ist Herrscher von Ägypten“ – das kann ja nicht sein, das klingt wie ein Märchen.
Aber dieser indirekte Weg war ganz wichtig, dass es nicht sofort geschah, sondern zuerst mit Beweisstücken: Joseph lebt. Und schauen wir weiter.
Die letzten Verse 25 bis 28 bitte:
Und sie zogen aus Ägypten hinauf und kamen in das Land Kanaan zu ihrem Vater Jakob. Sie berichteten ihm und sprachen: „Joseph lebt noch, und er ist Herrscher über das ganze Land Ägypten.“
Ja, diese Botschaft – Joseph lebt noch und er ist Herrscher über das ganze Land Ägypten – ließ ihn erstarren. Denn er glaubte ihnen nicht. Er hatte wirklich ein Herzproblem, so als ob ein momentaner Herzstillstand naht. Er konnte es nicht fassen.
Aber ich meine, das war ja nur indirekt. Er konnte sich sagen: „Die erzählen mir einen Unsinn.“ Das wäre ja nicht das erste Mal gewesen.
Und dann, in Vers 27, heißt es: „Und sie redeten zu ihm alle Worte Josefs, die er zu ihnen geredet hatte. Und er sah die Wagen, die Josef gesandt hatte, um ihn zu holen. Da lebte der Geist ihres Vaters Jakob auf.“
Und Israel sprach: „Genug, Josef, mein Sohn, lebt noch. Ich will hinabziehen und ihn sehen, ehe ich sterbe.“
Das muss er sich anschauen, wirklich. Das kann er glauben. Das kann ja kein Witz sein. Sie können ja nicht solche Wagen auftreiben. Und das hilft ihm: Der Geist ihres Vaters Jakob lebte auf.
Dann etwas Interessantes: Dieses Wort „genug“. Jetzt kann er irgendwie einen Schnitt machen, neu anfangen. Er hat das annehmen können und trifft eine ganz klare Entscheidung: „Ich will hinziehen und ihn sehen, ehe ich sterbe.“
Beim nächsten Mal kommen wir zu Kapitel 46 und sehen Vater Jakob in Beerscheba. Dort zögert er, hinabzugehen. Warum? Er erinnert sich an Vater Abraham, der aufgrund einer Hungersnot nach Ägypten hinabging.
Und es war damals so falsch, und es kam so viel Böses als Folge aus dieser Ägyptenreise. Soll ich wirklich nach Ägypten hinabgehen?
Wir werden sehen, was der Herr da macht.
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