Einführung in das Kapitel und Bedeutung des Namens Boas
Wir fahren weiter im Buch Ruth und kommen jetzt zu Kapitel zwei. Ich lese ab Vers eins:
Und Naomi hatte einen Verwandten ihres Mannes, einen vermögenden Mann aus der Familie Elimelech. Sein Name war Boas.
Der Name Boas bedeutet „in ihm ist Stärke“. „Bo“ heißt „in ihm“ und „As“ heißt „Stärke“. Also lässt sich der Name ganz einfach übersetzen: „In ihm ist Stärke“. Ein wunderbarer Name.
In wem? In ihm – das ist doch klar. Wir sprechen von niemand anderem als unserem Herrn.
Es ist interessant, wie wir wissen, dass aus der Linie von Boas später König David kommen sollte. Und über ihn König Salomo, der den Tempel in Jerusalem aus Stein bauen ließ.
Vor dem Tempel standen zwei Säulen, die hatten Namen: Erste Könige 7, Boas und Jakin.
Eine dieser Säulen trägt denselben Namen wie dieser Boas: „In ihm ist Stärke“. „Jakin“ bedeutet „Er wird befestigen“.
Das sind zwei wunderbare Zusagen für die Gegenwart: Wir wissen, „in ihm“ – in wem? In dem Herrn Jesus – ist Stärke. Und „Jakin“ steht für die Zukunft: Er wird alles befestigen.
Wir leben in einer Zeit totaler Verunsicherung und Unsicherheit. Aber wir haben die Zusage: „In ihm ist Stärke“ – für jetzt und auch für die Zukunft. Er wird befestigen.
Ja, soviel einmal zu diesem Namen Boas, dem Namen eines ganz besonderen Mannes, wie wir noch sehen werden.
Ruths Entschluss und Gottes Führung im Alltag
Vers 2: Und Ruth, die Moabiterin, sprach zu Naomi: „Lass mich doch aufs Feld gehen und unter den Ähren lesen, hinter dem Mann her, in dessen Augen ich Gnade finden werde.“ Naomi antwortete ihr: „Geh hin, meine Tochter!“
Ruth war eine Asilantin, heute würde man sagen, sie hatte einen Migrationshintergrund. Das ist alles Sprache der politischen Korrektheit, aber sie kam als Fremde und wollte arbeiten. Sie erwartete nicht einfach Unterstützung, sondern wollte selbst tätig sein.
Bei uns heute sind die Gesetze etwas speziell und anders, aber es geht mir darum, die Gesinnung dieser Frau zu zeigen. Sie kam als Fremde und wollte arbeiten. Das macht sie ihrer Schwiegermutter klar, und diese unterstützt sie voll: „Geh hin, meine Tochter!“
Weiter lesen wir: „Und sie ging hin und kam, und auf dem Feld hinter den Schnittern her las sie auf.“ Dabei traf sie zufällig auf das Feldstück des Boas, der aus der Familie Elimelechs stammte. Sie wusste zunächst nicht genau, wo sie arbeiten sollte, doch dann kam sie zufällig genau auf das richtige Feld, wie wir noch sehen werden. Dort arbeitete sie.
Nun stellt sich die Frage: Wie ist das möglich? Wird in Gottes Wort tatsächlich von Zufall gesprochen? Und die Übersetzung ist korrekt. Wenn jemand Zweifel hat und meint, man hätte das im Deutschen anders ausdrücken sollen: Nein, es heißt wirklich „zufällig“. Ja, es gibt Zufall.
Wir glauben an einen Gott, der alles in der Hand hat. Kolosser 1,16 sagt, dass durch den Sohn Gottes, den Herrn Jesus, alles erschaffen wurde. In Kolosser 1,17 heißt es weiter, dass alle Dinge durch ihn zusammengehalten werden. Das bedeutet, er ist nicht nur der Schöpfer, sondern auch der Erhalter der Welt. Die Welt bleibt durch ihn bestehen, die Atome zerfallen nicht einfach, die Moleküle bleiben verbunden – das ist seine Aktivität. Er trägt alles, wie Hebräer 1,3 sagt: „Er trägt alles durch das Wort seiner Macht.“
Alles steht unter seiner Kontrolle, und trotzdem steht hier „zufällig“. Nun müssen wir zwischen objektivem und subjektivem Zufall unterscheiden.
Ein objektiver Zufall wäre, wenn die Welt wirklich ohne Plan abliefe, so wie es Atheisten sich vorstellen. Da ist niemand, kein Gott, und wir leben in einem Universum, das uns schweigend gegenübersteht. Alle Abläufe wären ungeplant und unbegründet Zufall. Das ist objektiver Zufall – und den gibt es in der Bibel absolut nicht.
Subjektiv hingegen gehen wir unseren Weg, ohne einen genauen Plan zu haben. Nehmen wir Ruth: Sie will irgendwo arbeiten, und dann trifft sie zufällig auf das Feld. Von ihr aus gesehen ist das Zufall. Es geschieht einfach so, dass sie an den richtigen Ort kommt, ohne dass sie es geplant hätte.
Objektiv aber hatte der Herr alles in der Hand und führte sie. Für sie war es subjektiv Zufall, weil es nicht von ihr bewusst geplant war.
Das ist nicht die einzige Stelle. Schauen wir zum Beispiel noch 5. Mose 22. Dort finden wir ebenfalls Zufall im Gesetz. Es gibt ein Wenn-Dann-Gesetz, das einen bestimmten Fall regelt: Wenn sich zufällig ein Vogelnest auf deinem Weg befindet, auf einem Baum oder auf der Erde, mit Jungen oder Eiern, und die Mutter sitzt darauf, sollst du die Mutter nicht zusammen mit den Jungen nehmen. Du sollst die Mutter fliegen lassen, aber die Jungen darfst du nehmen, damit es dir wohl ergeht und du deine Tage verlängerst.
Hier geht es um den Fall, dass jemand beim Spazieren zufällig auf ein Vogelnest trifft. Das war nicht geplant, sondern überraschend. Deshalb sagt die Schrift: „Wenn sich zufällig ein Vogelnest vor dir auf dem Weg befindet.“ Subjektiv ist das Zufall, aber der Herr Jesus hat alles in seiner Hand und plant alles bis zum letzten Moment.
Das sehen wir auch im Buch Esther. Dort ist die Dramatik so, dass bis zur letzten Sekunde alles so gefügt wurde, dass das jüdische Volk gerettet wurde. Es scheint Zufall, aber es war Gott, der alles in der Hand hatte und alles so lenkte.
Wenn wir also spazieren gehen und plötzlich ein Vogelnest sehen, fragen wir uns vielleicht: Warum gerade hier? Wir müssen uns aber nicht ständig fragen, was die tiefere Bedeutung ist. Es gibt Menschen, die werden sogar krank davon, weil sie ständig nach einem besonderen Grund suchen.
Gott hat mit allem, auch mit dem Nebensächlichsten in unserem Leben, einen bestimmten Plan. Aber wir können das nicht immer erkennen. In der Herrlichkeit werden wir vielleicht erfahren: „Aha, ich bin dort vorbeigegangen, wurde von einem Vogelnest abgehalten und dadurch von einem Unfall bewahrt.“ Solche Dinge werden wir wohl in Fülle erkennen.
Aber wir müssen uns nicht ständig hineinsteigern. Für uns geschieht vieles subjektiv, und so wird erklärt: Du triffst auf ein Vogelnest auf dem Weg, und jetzt weißt du, dass du diesen Glücksfall ausnutzen darfst, die Eier essen und auch die Jungen nehmen kannst. Die Mutter darfst du jedoch nicht nehmen.
Bei uns ist das vielleicht nicht so attraktiv, aber in anderen Ländern essen die Leute gerne kleine Vögel. Hier wird geregelt: Nein, die Mutter darf man auf keinen Fall nehmen, sie muss fliegen gelassen werden, aber die Eier und Jungen darf man als Nahrung nehmen.
Warum? Weil der mütterliche Instinkt geschützt wird. Die Mutter fliegt normalerweise weg, wenn keine Jungen da sind, um sich in Sicherheit zu bringen. Doch wenn sie auf ihren Jungen sitzt, ist sie so an sie gebunden, dass sie ihr Leben riskiert. Dieses Gesetz macht klar, dass man diese mütterliche Fürsorge achten soll, indem man die Mutter fliegen lässt. Die Jungen dürfen als Nahrung genommen werden, das ist erlaubt.
So viel zum Thema Zufall in 5. Mose 22. Kein objektiver Zufall, aber subjektiver Zufall.
Zufall im Neuen Testament und die Bedeutung von Namen
Und nun ist es so: Wir brauchen noch einen Sprung ins Neue Testament. Der Überbringer des Epheserbriefes hieß Tychikus, und dieser Name bedeutet „glücklicher Zufallstreffer“.
Ich schlage auf, Epheser Kapitel 6. Paulus hat den Brief ja aus Rom gesandt, wo er in Halbgefangenschaft war – am Ende der Apostelgeschichte. Tychikus hat ihn dann nach Ephesus gebracht. Darum sagt Paulus in Epheser 6, Vers 21: „Damit ihr aber auch um meine Umstände wisst, wie es mir geht, wird Tychikus, der geliebte Bruder und treue Diener im Herrn, euch alles kundtun, den ich eben deshalb zu euch gesandt habe, damit ihr unsere Umstände erfahrt und eure Herzen getröstet werden.“
Also sollte Tychikus den Epheserbrief überbringen und den Ephesern zugleich erzählen, wie es dem Apostel Paulus während seiner ersten Gefangenschaft in Rom von etwa 60 bis 65 nach Christus ging.
Und sein Name, Tychikus – wie kommen die Eltern auf einen solchen Namen? Ja, plötzlich war seine Mutter schwanger. Das war nicht geplant. Und das ist auch nichts Besonderes, es sollte eigentlich in einer Ehe möglich sein, dass man prinzipiell sagt: Wir haben nicht alles in der Hand. Wenn Kinder kommen, sind sie immer willkommen – egal, ob es für die Eltern eine Überraschung ist oder ob sie wirklich darauf gehofft, gewartet und geharrt haben. Kinder sind immer willkommen, denn die Ehe ist ein geschützter Bereich, ein angstfreier Raum, wo man keine Angst vor Kindern haben muss.
Und eben dieser Tychikus wurde empfangen, und die Eltern haben ihm offensichtlich den Namen „glücklicher Zufallstreffer“ gegeben – eben kein von ihnen geplantes Kind. Er war natürlich ein Heide und hatte heidnische Eltern. Später kam Tychikus zum Glauben, wurde sogar ein Mitarbeiter des Apostels Paulus, des Völkermissionars, und durfte den Epheserbrief überbringen.
Mit der Botschaft aus Epheser 1, Vers 3: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christus, wie er uns auserwählt hat in ihm, vor Grundlegung der Welt, dass wir heilig und untadelig seien vor ihm in Liebe, und uns zuvor bestimmt hat zur Sohnschaft durch Jesus Christus für sich selbst, nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Preis der Herrlichkeit seiner Gnade, womit er uns begnadigt hat in dem Geliebten.“
Ist das nicht wunderbar? Der, der in den Augen seiner Eltern einfach so ein Zufallstreffer war – plötzlich war halt das Baby da im Mutterleib und wurde geboren. Aber der Vers macht klar: Wir waren von Gott gewollt, von jeher, vor Grundlegung der Welt. Also vor 1. Mose 1, wo Gott dieses Weltall ins Dasein gerufen hat: „Am Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde.“
Dürfen wir wissen: Der Vater hat uns gewollt, er hat uns gekannt und hat uns auserwählt, damit wir einmal in seiner Nähe sein sollen – als solche, die heilig und untadelig vor ihm in einer Beziehung der Liebe sind. Aber noch mehr: Er hat uns sogar zuvorbestimmt zur Sohnschaft. In englischen Bibeln steht „Adoption“, und das ist korrekt. Hyothesia heißt wörtlich „Sohnesstellung“ und war das Wort für Adoption bei den alten Griechen.
Also jemand, der früher irgendwo war, wird von Eltern adoptiert, gesetzlich angenommen, als wäre es das eigene Kind. Und das ist hier Adoption. Er hat uns zuvor bestimmt durch Jesus Christus. Und wieso? Für sich selbst, weil Gott uns wollte.
Das ist ein wunderbarer Gedanke, nicht wahr? Wenn man sich bekehrt, denkt man: „Ach, ist das wunderbar, dass Gott mich gerettet hat.“ Und dann lernt man kennen, dass Gott auch an sein eigenes Herz gedacht hatte und uns für sich wollte.
Wir kämen nie auf den Gedanken, so etwas zu behaupten, wenn es nicht ausdrücklich in der Bibel so stehen würde. Jemand ist vielleicht etwas enttäuscht und fragt: „Ist unsere Sohnschaft nur Adoption?“ Nein, das ist nur eine Seite der Medaille.
In Johannes 1, Vers 12 lesen wir: „So viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden, die an seinen Namen glauben.“ Und dann wird gesagt, die seien aus Gott geboren, also aus Gott geboren, die das Leben aus Gott bei der Wiedergeburt bekommen haben. Das ist nicht Adoption, das ist ein echtes Kind.
Aber es sind zwei Seiten: Die Wiedergeburt und die Gotteskindschaft drücken aus, dass wir bei der Bekehrung Leben aus Gott bekommen haben, aus Gott geboren worden sind. Und Adoption drückt aus, dass wir schon vor der Wiedergeburt existiert haben – und da waren wir ohne Beziehung zu Gott.
Gott hat gesagt: „Diese Personen möchte ich als meine Söhne und Töchter.“ Und er hat uns adoptiert. Aber es ist Adoption durch Geburt, so kann man es drastisch ausdrücken. Es sind einfach diese zwei Seiten.
Ich habe diese Stelle auch schon in der Seelsorge gebraucht. Da war ein Mädchen und ein Junge, die hatten Probleme mit der Tatsache, dass sie adoptiert worden waren. Es gibt Kinderseelsorge. Und was kann man denen sagen? Es ist etwas ganz Wunderbares, die Adoption.
Denn das ist ja genau das, was im Heilsplan Gottes war: Er hat ganz bestimmte Menschen zuvorbestimmt zur Adoption und wollte sie für sich. Was eure Eltern mit euch gemacht haben, ist eigentlich ein Abbild von dieser wunderbaren Heilstat Gottes. Dann bekommt man einen ganz anderen Blick auf die Adoption.
Natürlich ist dabei noch zu betonen: Diese Auserwählung und diese Zuvorbestimmung ist nicht bedingungslos gewesen. Es gab einen Schritt vorher, und das sehen wir in 1. Petrus 1, Vers 2. Dort heißt es: „Auserwählt nach Vorkenntnis Gottes des Vaters, durch Heiligung des Geistes, zum Gehorsam und zur Blutbesprengung Jesu Christi.“
Da steht nicht einfach „Auserwählt“, sondern „Auserwählt nach Vorkenntnis Gottes“. Und das Wort „Vorkenntnis“ heißt auf Griechisch „Prognosis“. Das kennen wir doch von der Wetterprognose.
Und wie geht das bei der Wetterprognose? Bestimmen die, ob es morgen regnet? Nein, sie erkennen es im Voraus, darum ist es eine Wetterprognose. Sie sehen, so wird es kommen. Aber ihr Vorkenntnis beeinflusst nicht die Abläufe, die beim Wetter bestimmt sind. Diese sind völlig unabhängig.
Und so war das auch: Gott wusste in seiner Allwissenheit im Voraus, wer dann, wenn Gott einmal ziehen wird, zur Buße ziehen wird – durch seine Güte, wie es in Römer 2, Vers 4 heißt: „Der Mensch wird durch die Güte Gottes zur Buße geleitet.“
Wer wird diesem Zug nachgeben und wer nicht? Denn Gott zieht nicht nur solche, die nachgeben, schließlich. Römer 2, Vers 4 warnt: „Weißt du nicht, der du störrisch widerstehst, dass du dir dadurch noch mehr Zorn aufhäufst für das ewige Gericht? Und dir nicht bewusst bist, dass es die Güte Gottes ist, die dich zur Buße leitet?“
Also Gott zieht an allen, nicht nur an bestimmten. Weil Gott möchte, dass alle Menschen gerettet werden (1. Timotheus 2, Vers 4). Aber er wusste, welche nachgeben würden, und darum hat er bestimmt, und diese Personen möchte er nicht einfach nehmen als seine Sklaven und fertig. Sondern er adoptiert sie und macht sie zu seinen Kindern durch Wiedergeburt. Sie sollen heilig und tadellos sein vor ihm in Liebe – ewige Pläne Gottes.
Und selbst wenn jemand sagen müsste: „Traurig, aber meine Eltern haben mich nie gewollt.“ Und ich habe das auch später gemerkt, ich war eigentlich immer innerlich abgelehnt. Oder es gibt solche, die sagen sogar, es war äußerlich klar erkennbar, dass sie abgelehnt wurden.
Sogar dann haben wir den Trost, dass wir uns sagen können: Übel, wenn das so ist, sehr, sehr übel. Aber die gleichen Personen können wissen: Gott, der Vater, hat mich gewollt. Ich bin kein Zufallstreffer.
Auch wenn meine Eltern das als subjektiven Zufall vielleicht erlebt haben – plötzlich war da eine Schwangerschaft, und das war gar nicht irgendwie vorgesehen – aber von Gott war die Person vorgesehen und geplant.
Ist das nicht wunderbar, dieser Unterschied zwischen objektivem Zufall, den es nicht gibt, und subjektivem Zufall?
Historische Entwicklung der Lehre von Vorkenntnis und Prädestination
Übrigens, das mit der Vorkenntnis ist ganz wichtig zu wissen. In den ersten 400 Jahren der Kirchengeschichte wurde dies von allen bekannten Kirchenlehrern so gelehrt.
Vor kurzem hat ein Amerikaner, Dr. Wilson, eine Doktorarbeit veröffentlicht. Er hatte zwar schon einen Doktortitel, denn er ist Handchirurg in den USA, aber dann hat er noch eine zweite Doktorarbeit gemacht. Dabei hat er alle Schriften von Augustin gelesen – ein riesiges Werk dieses sogenannten Kirchenvaters um das Jahr 400. Er las alles in zeitlicher Reihenfolge.
Dabei stellte er fest: Ganz klar lehrte Augustin in den ersten über fünfundzwanzig Jahren genauso wie alle Lehrer vor ihm. Gott wusste im Voraus, wer seinem Ruf folgen würde. Diese Menschen hat er zuvor bestehend und auserwählt, eben nach Vorkenntnis.
Doch dann, um das Jahr 412, änderte Augustin seine Ansicht. Er sagte: Nein, das war anders. Vorkenntnis ist eigentlich ungefähr das Gleiche wie Vorbestimmung. Aber dann wird es effektiv sinnlos. Denn in Römer 8, wo wir die sogenannte goldene Kette haben, steht Folgendes:
Römer 8,29: Fünf Glieder in der goldenen Kette: "Denn welche er zuvor erkannt hat" – das heißt Vorkenntnis – "die hat er auch zuvor bestimmt, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu sein, damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern." Also hat er diese zur Sohnschaft bestimmt.
"Welche er aber zuvor bestimmt hat, die hat er auch berufen." In der Zeit kam dann der heilige Ruf zur Bekehrung. "Welche er berufen hat, diese hat er auch gerechtfertigt." Als der Sünder Buße getan und geglaubt hat, hat Gott ihm gerechtgesprochen. "Welche er aber gerechtfertigt hat, diese hat er auch verherrlicht." Aus einem solchen Menschen macht Gott eine neue Schöpfung. "Alles ist neu geworden." (2. Korinther 5,17). Und so sind sie verherrlicht.
Die Reihenfolge lautet also: Vorkenntnis, dann Vorbestimmung, Berufung, Rechtfertigung, Verherrlichung. Augustin sagte jedoch: Nein, Vorkenntnis ist eigentlich auch etwas wie Bestimmen. Aber dann heißt es: Die, die er bestimmt hat, die hat er bestimmt. Das geht nicht. Die, die er zuvor erkannt hat, die hat er bestimmt.
Nun hat Augustin also seine Meinung geändert. Und ganz wichtig: Damit fiel er zurück in die Sekte, zu der er zehn Jahre vor seiner Bekehrung gehört hatte. Er war ein Manichäer, das war eine gnostische Sekte. Diese lehrten, dass dieser gnostische Gott – nicht der Gott der Bibel – ganz genau bestimmt habe, welche Menschen gerettet werden und welche nicht.
Diese Lehre der totalen Bestimmung, bei der die Verantwortung des Menschen eigentlich keine Rolle spielt, findet man auch bei den Gnostikern im Allgemeinen. Die Manichäer waren eine spezielle Sekte der sogenannten Gnostiker – schlimme Irrlehrer, die auch die wahre Menschwerdung leugneten, dass der Herr Jesus im Fleisch gekommen ist.
Das kann man an der Stelle in 1. Johannes 4 erkennen: "Der Geist, der nicht bekennt, dass Jesus Christus im Fleisch gekommen ist" – das waren die Gnostiker. Sie hatten eine Lehre der totalen Bestimmung ihres gnostischen Gottes.
Diese Lehre gab es auch bei den Neuplatonikern, den Philosophen, und bei den Stoikern. Die Stoiker, Feinde des Evangeliums in Athen, hatte Paulus in einer Auseinandersetzung getroffen. Dabei lachten die Stoiker und die Epikuräer.
Die Stoiker hatten ebenfalls eine solche Lehre der totalen Bestimmung. Wilson, den ich erwähnt habe mit seiner interessanten Doktorarbeit, hat auch erforscht, was in den 400 Jahren davor gelehrt wurde. Er fand über 50 Kirchenlehrer, deren Schriften heute noch vorhanden sind, die sich in den ersten 400 Jahren zu dem Thema Erwählung und Vorbestimmung äußerten.
Alle lehrten, dass Gott im Voraus wusste, wer dem Ruf in Verantwortung folgen würde – Buße zu tun und sich zu bekehren. Alle! Zudem mussten diese Kirchenlehrer in diesen 400 Jahren ständig gegen die totale Prädestination bei den Stoikern, Neuplatonikern, Gnostikern und besonders den Manichäern kämpfen. Ein ständiger Kampf!
Dann fällt Augustin zurück und übernimmt diese Lehre. Interessant ist, dass Calvin – man könnte sagen ein Spezialist für Augustin – schrieb: "Meine ganze Theologie kann man aus den Schriften von Augustin rekonstruieren." Er gibt sogar die Stellen an. Calvin sagt selbst, er hat die ganze überzogene Prädestinationslehre ohne Vorkenntnis von Augustin übernommen.
Augustin fiel also zurück in diese Leere, in der er vor seiner Bekehrung war. Bekannt ist, dass es damals ein Kirchengesetz gab, das nicht in der Bibel steht. Dieses besagte, dass jemand, der vor seiner Bekehrung Manichäer war, niemals Bischof werden durfte.
Augustin wurde jedoch Bischof von Hippo in Nordafrika und hatte dadurch großen Einfluss. Das war eigentlich nach Kirchenrecht illegal, denn ein ehemaliger Manichäer hätte nie Bischof werden dürfen. Das ist sehr wichtig zu wissen, denn so kann man die ganze Sache besser einordnen.
Heute wird viel über dieses Thema diskutiert, ausgetauscht und leider auch zum Teil gestritten. Doch man muss diese Verhältnisse kennen und verstehen, wie das damals genau war.
Man muss auch wissen, dass Augustin aus folgendem Grund in diese Lehre zurückfiel: Er hatte eine schwere Auseinandersetzung mit der Irrlehre der Pelagianer, die die Willenskraft des Menschen völlig überschätzten. Im Kampf gegen diese fiel er zurück in die sektiererischen Gedanken seiner früheren Zeit.
Das passiert oft: Wenn man gegen etwas kämpft, gerät man ins andere Extrem.
Augustin entwickelte außerdem die Lehre, dass durch die Kindertaufe gerettet wird. Das begann bei ihm. Vorher gab es zwar schon die Kindertaufe, aber zum Beispiel Tertullian um das Jahr 200 sagte, Kindertaufe sei eigentlich nicht richtig. Man solle nur diejenigen taufen, die zum Glauben gekommen sind.
Es gab also schon damals bei Tertullian die Kindertaufe, doch man hatte Mühe, sie zu begründen. Schließlich kam die Begründung durch Augustin: Die Kindertaufe rettet den Menschen.
Es gab jedoch ein Problem mit einem konkreten Fall: Eine Prostituierte setzte ein Kind aus – das kam damals häufig vor. Wer kümmerte sich um solche Kinder? Christen. Eine gläubige Frau nahm das Kind auf, brachte es zum Bischof, und es wurde getauft. Augustin sagte, das Kind sei gerettet.
Doch dann gab es eine gläubige Frau, die es versäumte, ihr neugeborenes Kind zum Bischof zur Taufe zu bringen, und das Kind starb. Nun? Es ist verloren! Schrecklich! Das Kind einer solchen Frau wird gerettet, das Kind einer gottesfürchtigen Frau geht verloren.
Augustin erklärte das so: Das ist mit der absoluten Prädestination zu erklären. Gott wollte das Kind der einen Frau retten, aber das Kind der anderen wollte er nicht retten.
So spielte die falsche Lehre der Rettung durch Kindertaufe eine wesentliche Rolle bei der Entstehung dieser Lehre. Daraus entstand dann die Präsentationslehre des Calvinismus, mit Rückbezug auf Augustin.
Das hängt eng zusammen mit dem Thema Zufall. Es gibt keinen objektiven Zufall, nur dass wir nicht verstehen, warum uns etwas begegnet, warum wir etwas erleben oder warum wir genau in eine bestimmte Situation geraten sind.
Wir dürfen jedoch wissen: Der Herr hat alles in seiner Hand. Seine Souveränität ist so groß, dass er nicht nur alles in der Hand hält, weil wir wie Computer programmiert sind und das Programm einfach abläuft, sondern er hat uns einen wirklichen eigenen Willen gegeben.
Gott führt die Geschichte, die Welt und auch mein Leben, obwohl wir einen eigenen, persönlichen Willen haben. Und er bringt seine Pläne zum Ziel.
Das ist noch viel größer, als wenn wir einfach nur das tun, was festgelegt ist.
Zum Beispiel hatten die Stoiker ein Problem mit ihrer Philosophie. Man sagte: "Ja, aber dann ist der Mensch ja nur eine Maschine." Sie antworteten: "Nein, der Mensch hat schon einen freien Willen."
Man fragte: "Aber ihr sagt doch, es ist alles bestimmt. Wie bringt man das zusammen?"
Am besten kann man das mit dem Bild eines Hundes erklären, der an einem Wagen mit Pferden angebunden ist. Der Pferdewagen geht vorwärts. Was macht der Hund? Er geht hintenher. Will er das? Ja, natürlich will er das.
Das käme ja ganz dumm heraus, wenn er nicht wollte. Dann würde er geschleift werden. Ja, alles ist bestimmt. So geht das.
Gott zeigt uns in seinem Wort: Der Mensch hat Verantwortung und wird einmal zur Rechenschaft gezogen werden.
Wie wunderbar, dass Gott alles weiß und über allem steht! Das ist ein gewaltiger Trost. Er hat uns gewollt, von Ewigkeit her geliebt und darum den Herrn Jesus zu seiner Zeit in diese Welt gesandt als Retter.
Begegnung von Ruth mit Boas und erste Eindrücke
Und jetzt kommen wir zurück zum Buch Ruth, Kapitel 2, Vers 3. Ruth traf zufällig auf das Feldstück des Boas, der aus der Familie Elimelechs stammte. Das ist der Anfangspunkt, wie es schließlich zur Ehe mit Boas kommt.
Ruth wird zur Stammmutter des Erlösers der Welt, der das Heil bringt, das nötig war, damit Gottes Pläne von Ewigkeit her über uns verwirklicht werden können. So werden wir seine Söhne und Töchter durch Adoption und seine Kinder durch Wiedergeburt.
Es ist Zeit für eine Pause. Aber dann hätten wir ein Problem, oder? Also fahren wir weiter, und zwar mit Vers 4: „Und siehe, Boas kam von Bethlehem und sprach zu den Schnittern: Der Herr sei mit euch!“ Und sie antworteten ihm: „Der Herr segne dich!“
Jetzt sind wir also auf dem Schnittfeld von Boas. Was fällt uns hier zuerst auf? Da herrscht eine geistliche Atmosphäre. Seine Angestellten sagen nicht einfach „Hallo“ oder „Hi“, sondern sie sagen: „Der Herr sei mit euch!“ Ein wunderbarer Wunsch.
Boas spricht: „Der Herr mit euch!“ Und die Schnitter antworten: „Der Herr segne dich!“ Das ist übrigens genau der gleiche Wortlaut wie der Segen aus 4. Mose 6 am Schluss – der aronitische Priestersegen: „Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Der Herr erhebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.“
Wir sehen, wie die Grundlagen im Wort Gottes gelegt sind. Damals gab es die fünf Bücher Mose, das Buch Hiob und Psalm 90 – das waren alle Bücher, die zum Kanon gehörten. Ich habe den Ausdruck „Kanon“ benutzt, und meine Frau hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass ich nicht erklärt habe, was „Kanon“ bedeutet. Man kann nicht erwarten, dass alle wissen, was das heißt.
Kanon bedeutet die Sammlung der Bücher, die fest zur Heiligen Schrift gehören. So gab es also die Bücher, die klar als Gottes Wort anerkannt waren – in begrenztem Maß eben die fünf Bücher Mose, das Buch Josua, das Buch Hiob, das Mose Israel gegeben hatte, und auch Psalm 90, den er geschrieben hatte.
Diese Bücher waren schon in dieser noch begrenzten Bibel verankert. Es gehörte zum Alltag, den Segen aus 4. Mose 6 zu verwenden: „Der Herr segne dich!“
Übrigens, wenn Boas sagt: „Der Herr mit euch“, dann müssen wir wissen, dass es nicht automatisch bedeutet, dass Gott mit uns ist. Das ist an eine konkrete Bedingung geknüpft.
Diese Bedingung sehen wir in 2. Chronik 15 in der Geschichte von König Asa. Dort tritt ein Prophet auf und sagt in Vers 2: „Hört mich, Asa und ganz Juda und Benjamin! Der Herr ist mit euch.“ Das ist der gleiche Gruß wie von Boas, aber mit einer Begründung: „Wenn ihr mit ihm seid.“
Gott bekennt sich zu uns, wenn wir uns zu ihm bekennen. Aber wenn es darum geht, dass Gott für uns ist, ist das etwas anderes.
In Römer 8, Vers 31 heißt es nicht, dass Gott mit uns ist, sondern dass Gott für uns ist. Ich lese aus Römer 8, Vers 31: „Was sollen wir nun hierzu sagen? Wenn Gott für uns ist, wer wird gegen uns sein? Er, der seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern ihn für uns alle dahingegeben hat – wie wird er uns mit ihm nicht auch alles schenken? Wer wird gegen Gottes Auserwählte Anklage erheben? Gott ist es, der rechtfertigt. Wer wird verurteilen?“
Gott ist also für uns. Die, die vorher erkannt und bestimmt wurden, sind sicher in seiner Hand – für Zeit und Ewigkeit.
Gott ist für uns. Aber die Frage, ob er auch mit uns ist, ist eine ganz andere. Das hängt von unserem praktischen Leben ab, davon, ob wir uns im Alltag konkret zum Herrn bekennen. Dann wird er mit uns sein.
Darum hat dieser Gruß von Boas eine besondere Bedeutung: „Der Herr mit euch!“ Und die Schnitter antworten: „Der Herr segne dich!“
Boas erkundigt sich nach Ruth und ihre Arbeitsmoral
Vers 5: Und Boas sprach zu seinem Knecht, der über die Schnitter bestellt war: „Wem gehört dieses Mädchen?“ Ihm fällt Rut auf, und er möchte gerne wissen, wer sie ist. Diese Information ist wichtig, und wir werden sehen, dass sich dieses Thema auch in den folgenden Abschnitten weiterzieht.
Bevor Boas sich entscheidet, sie zu heiraten, möchte er erst wissen, wer sie ist. Also: Wem gehört dieses Mädchen? Der Knecht, der über die Schnitter bestellt war, antwortet und sagt: „Es ist ein moabitisches Mädchen.“ Das zeigt uns übrigens, dass diese Witwe noch sehr jung war. Man muss sich vorstellen, sie war wohl im Teenageralter, war verheiratet, und nach einiger Zeit starb ihr Ehemann. Dann kam sie mit der Schwiegermutter aus Moab nach Israel zurück und war immer noch eine junge Frau.
Der Knecht sagt weiter: „Es ist ein moabitisches Mädchen, das mit Naomi aus den Gebieten von Moab zurückgekehrt ist. Sie sprach: ‚Lass mich doch auflesen und unter den Gaben sammeln, hinter den Schnittern her.‘ So ist sie gekommen und geblieben von morgens bis jetzt. Was sie im Haus gesessen hat, ist wenig.“ Das ist interessant, denn sie war nicht faul. Ein ganz interessantes Zeugnis: Eine Moabitin kommt mit Naomi, einer Jüdin, zurück und hat den Wunsch, zu arbeiten. Sie hat sogar den Wunsch geäußert, hinter den Schnittern zu sammeln. Das bedeutet, sie wollte nicht vorne bei den Schnittern sein, sondern hinter ihnen, um die abgefallenen Körner aufzusammeln.
Sie betont immer, dass sie hinter den Kindern herarbeiten möchte. Von morgens bis zum Zeitpunkt ihrer Aussage hat sie gearbeitet. Im Haus zu sitzen war nicht ihr Ding. Das sagt schon einiges über ihren Charakter aus.
Das war zum Beispiel auch wichtig für den Knecht in 1. Mose 24, der den Auftrag hatte, für Isaak, seinen Herrn, eine Braut zu holen in Haran bei der Verwandtschaft von Abraham. Abraham hatte ihm ganz klar gesagt: „Schau, du musst aufpassen, dass du meinem Sohn auf keinen Fall eine Kanaaniterin bringst, von diesen schlimmen Götzendienern, sondern geh zu meiner Verwandtschaft. Dort sollst du eine holen.“
Es ist ungewöhnlich, dass diese Liebesgeschichte so erzählt wird, dass ein Knecht geht, um die Braut zu holen. Es gibt keine weitere Parallele in der ganzen Bibel. Wer aus 1. Mose 24 ableiten will, man sollte eigentlich einen Knecht haben, der dann eine Braut für den Sohn holt, der irrt. Das war ein Einzelfall, ein Spezialfall.
Aber wir finden in 1. Mose 24 viele Grundsätze, die für alle Zeiten wahr sind und die sich mit vielen weiteren Aussagen durch das ganze Wort Gottes hindurch verbinden. Zum Beispiel: Der Knecht betet, bevor er Rebekka antrifft. Beten muss man nicht erst, wenn plötzlich jemand im Blickfeld ist. Das ist schon ein bisschen zu spät. Beten muss man vorher!
Er betet ganz klar darum, dass der Herr ihm zeigt, wer die richtige Frau ist. Dann kommt er zum Brunnen, und dort trifft er eine junge Frau. Er fragt sie, ob sie ihm zu trinken geben kann, und sie sagt: „Ja, das mache ich.“ Sie gibt ihm zu trinken und sagt dann: „Die Kamele, denen gebe ich auch noch Wasser.“ Sie hatte zehn Kamele, und ein Kamel trinkt etwa hundert Liter – das sind tausend Liter. Sie bietet das an, geht runter, holt Wasser und bringt es wieder hoch. Das sagt schon etwas aus.
Wie gesagt, sie war sehr schön, aber auch fleißig. Manche haben vielleicht das erste Prädikat, aber wenn man von Arbeit spricht, sind sie weg. Vom Knecht heißt es, er sah einfach zu. Er ist nicht gleich reingeschossen. Das ist der Punkt: nicht sofort handeln, sondern erst einmal beobachten.
Er sagt nicht: „Jetzt hat sich’s erfüllt.“ Stattdessen fragt er sie: „Wer bist du?“ und sie erzählt, dass sie genau aus der Verwandtschaft Abrahams stammt. Welch ein Zufallstreffer! So geht es weiter, und schließlich kommt die Überzeugung. In der Familie kann er dann alles auspacken und genau erklären, wie der Herr geführt hat. Die Familie sagt: „Wir können dir weder Gutes noch Böses sagen. Die Sache ist von dem Herrn ausgegangen. Da ist sie.“
Aber sie haben nicht einfach gesagt: „So, da ist sie, jetzt kannst du gehen.“ Sie wollten sie erst fragen: „Willst du mit diesem Mann gehen?“ Sie sagt ja, und dann geht es vorwärts. Man möchte den Knecht noch länger zurückhalten, doch er sagt: „Halte mich nicht auf, da der Herr Gelingen gegeben hat zur Reise.“ Wenn die Sache klar ist, muss man nicht unnötig lange bis zur Heirat warten. Dann wird aufgebrochen.
Am Anfang aber ist er nicht reingeschossen. Auch als die Gebete sich schon erfüllt hatten, hat er einfach zugeschaut, bis alles beieinander war. Als es dann klar war, konnte er vernünftig erzählen.
Unser künftiger Schwiegersohn in Kambodscha erzählte, bevor es so weit war: „Wir waren da so in einem Teich in Singapur.“ Dann fragte ich ihn: „Wie bist du zur Gewissheit gekommen, dass unsere Tochter die Richtige ist?“ Er antwortete nicht: „Sie ist bildhübsch.“ Sondern er sagte: „Das und das und das ist schön, und das ist gewachsen, ich bin nicht reingeschossen.“ Ganz am Schluss fügte er noch hinzu: „Es gibt noch einen anderen Grund: Sie ist so schön.“ Aber eben, das Ganze war komplett, und er konnte vernünftig darüber sprechen. Das ist auch wichtig, und das können wir alles lernen.
Wir sind davon ausgegangen, dass Boas jetzt etwas über den Charakter erfährt. Das ist ganz wichtig im Hinblick auf seine Entscheidung, diese Frau schließlich zu heiraten. Aber so weit sind wir noch nicht.
Boas sorgt für Ruths Sicherheit und gibt ihr Anweisungen
Vers 8
Und Boas sprach zu Ruth: „Hörst du, meine Tochter, geh nicht auf ein anderes Feld, um Ähren aufzusammeln, und geh auch nicht von hier weg zu meinen Jungs. Nein, so ist es nicht! Das darf man normalerweise nicht machen, Ähren auf einem fremden Feld auflesen ist verboten. Aber vielleicht vergisst man das jetzt nie mehr.
Hier steht: Halte dich hier bei meinen Mägden. Deine Augen sollen auf das Feld gerichtet sein, das gerade geschnitten wird, und geh hinter ihnen her. Habe ich den Knaben nicht befohlen, dich nicht anzutasten? Wenn du durstig bist, dann geh zu den Gefäßen und trink von dem, was die Knaben schöpfen.“
Boas trifft Sicherheitsvorkehrungen. Er merkt, dass dieses Mädchen etwas Besonderes ist, und es wäre schlimm, wenn ihr etwas Schlimmes passieren würde. Ihm ist klar: Wenn sie hier ist, ist sie in Sicherheit. Er sorgt dafür, dass ihr nichts zustoßen darf.
Dann gibt er ihr eine klare Anweisung: „Halte dich hier bei meinen Mägden.“ Das heißt, sie soll sich mit Mädchen anfreunden, nicht mit den Jungs. Also Kontakt zum gleichen Geschlecht.
Das mag jetzt etwas übertrieben erscheinen, könnte man sagen, fast schon unnatürlich. Doch er sagt ihr weiter in Vers 9b: „Und wenn du durstig bist, so geh zu den Gefäßen und trink von dem, was die Knaben schöpfen.“
Das zeigt, dass es einen normalen Kontakt auch mit dem anderen Geschlecht gab. Wir werden das noch deutlicher sehen. Der Hauptkontakt ist mit dem gleichen Geschlecht, aber es gibt auch einen ganz natürlichen Umgang mit dem anderen Geschlecht.
Ruths Demut und Boas’ Anerkennung ihrer Treue
Vers 10: Da fiel sie vor ihm nieder, beugte sich zur Erde und sprach zu ihm: „Warum habe ich Gnade in deinen Augen gefunden, dass du mich beachtest, obwohl ich eine Ausländerin bin?“
Man erkennt hier deutlich, dass sie nicht eingebildet oder arrogant ist. Vielmehr drückt sich in ihrem Verhalten eine Demut aus. Sie ist einfach dankbar dafür, in Israel so akzeptiert zu werden, obwohl sie eine Fremde ist.
Boas antwortete ihr: „Es ist mir alles genau berichtet worden, was du an deiner Schwiegermutter getan hast, nach dem Tod deines Mannes. Dass du deinen Vater und deine Mutter und das Land deiner Geburt verlassen hast und zu einem Volk gezogen bist, das du früher nicht kanntest.“
Er muss also mehr Informationen erhalten haben. Er wusste bereits einiges über Ruths Leben und darüber, wie sie mit ihrer Schwiegermutter umgegangen ist. Das ist interessant, wenn man das weiß.
Ein Tipp für jede junge Frau: Schau dir an, wie derjenige, der sich für dich interessiert, mit seiner Mutter umgeht. Das kann dir Hinweise geben, wie er später einmal mit dir umgehen wird. Boas wusste, wie Ruth mit ihrer Schwiegermutter umgegangen ist. Das ist etwas anderes als die Beziehung zur Mutter.
Früher haben wir törichte Anekdoten ausgetauscht. Weißt du, wie man auf Chinesisch „Mutter“ sagt? Nein? „Zang!“ Und wie sagt man „Großmutter“? „Zang Zang!“ Und wie sagt man „Schwiegermutter“? „Bis Zang!“ Es gibt noch mehr solcher Begriffe, die zeigen, dass die Beziehung zur Schwiegermutter oft schwierig sein muss.
Was hier wichtig ist: Man sieht, wie Ruth das Verhältnis zur Schwiegermutter gestaltet hat. Es war ein optimales Verhältnis. Das sagt viel über ihren Charakter aus, wie sie Fürsorge gezeigt hat.
Boas fährt fort: „Das sogar nach dem Tod deines Mannes.“ Da hätte sie sagen können: „So, tschüss, jetzt bin ich frei.“ Aber diese Beziehung sagt viel aus.
Dann erwähnt er, dass sie ihren Vater und ihre Mutter und das Land ihrer Geburt verlassen hat. Hier merkt man die Anspielung auf 1. Mose 12,1-3. Dort spricht Gott zu Abraham: „Geh aus deinem Vaterland und aus deinem Vaterhaus und aus dem Land deiner Geburt in das Land, das ich dir zeigen werde.“ Das war der Glaubensvorsprung Abrahams.
In Hebräer 11,8 lesen wir: „Durch Glauben zog Abraham aus, als er gerufen wurde, nicht wissend, wohin er käme.“ Er verließ also das Land seiner Geburt. Aber mit dem Vaterhaus gab es ein Problem. Der Vater kam damals mit, was nicht hätte sein sollen. Abraham hätte aus dem Vaterhaus gehen sollen. Doch Terach ging mit, ja, er organisierte sogar die ganze Reise und war der Anführer.
In 1. Mose 11 lesen wir, dass Terach Abraham, Sarah und andere aus dem Land der Chaldäer führte. Sie kamen bis Haran, aber dort blieb die Reise stehen, bis das Hindernis gestorben war. Abraham war nicht gehorsam, deshalb stockte alles in Haran und er kam nicht ins verheißene Land.
Erst nachdem das Hindernis gestorben war, setzte Abrahams geistliches Leben fort und er kam ins Land. Boas sagt also: „Du hast deinen Vater und deine Mutter und das Land deiner Geburt verlassen“, genauso wie Abraham das Land seiner Geburt in Ur in Chaldäa verlassen hatte.
Hier wird deutlich, dass diese Heidin, Ruth, ganz ähnlich wie Abraham, der Stammvater Israels, handelt. Nur noch gehorsamer, noch konsequenter. Sie hat sofort Vater, Mutter und das Land ihrer Geburt verlassen und wollte unbedingt in das Land der Verheißung gehen.
Weiter in Vers 12: „Der Herr vergelte dir dein Tun, und voll sei dein Lohn vom Herrn, dem Gott Israels, unter dessen Flügeln du Zuflucht gesucht hast.“
Man sieht, dass sie ein geistliches Gespräch führen. Das ist wichtig. Wenn es gar nicht möglich oder schwierig ist, ein geistliches Gespräch zu führen, sagt das schon viel aus. Hier geht es noch nicht ums Heiraten, sondern um den notwendigen Kontakt. Aber es ist bereits ein geistliches Gespräch im Gange.
Boas erkennt die Qualitäten dieser Frau und wünscht ihr, dass der Herr ihr vollen Lohn geben möge. Er sieht, dass sie unter den Flügeln Gottes Zuflucht genommen hat.
Dazu passt Psalm 36, Verse 7-8: „Wie köstlich ist deine Güte, o Gott! Und Menschenkinder nehmen Zuflucht zum Schatten deiner Flügel.“ Hier haben wir ein konkretes Beispiel von einem Menschenkind, das Zuflucht unter die Flügel Gottes Israels genommen hat.
Ruth sprach: „Möge ich Gnade in deinen Augen finden, mein Herr, denn du hast mich getröstet und hast zum Herzen deiner Magd geredet. Und doch bin ich nicht wie eine deiner Mägde.“
Auch hier zeigt sich ihre Bescheidenheit, die viel über ihr Wesen aussagt. Sie dankt für das geistliche Wort, das Boas zu ihr gesprochen hat. Es ist für sie ein Trost, was er sagte: „Der Herr vergelte dir, du hast unter seine Flügel Zuflucht genommen.“ Das hat sie innerlich tief berührt.
Der Ausdruck „zum Herzen reden“ findet sich auch in Hosea 2, wo Gott über die endzeitliche Wiederherstellung Israels spricht. Er werde sie in die Wüste führen und zu ihrem Herzen sprechen. So konnte Boas sie geistlich ansprechen, und es ging ihr zu Herzen.
Es muss ganz klar sein, dass die zukünftige Frau echt bekehrt ist und der zukünftige Mann ebenfalls.
Vers 14: Zur Essenszeit sprach Boas zu ihr: „Tritt hierher! Iss vom Brot und tauche es ein in den Essig.“
Sie setzte sich an die Seite der Schnitter, erreichte geröstete Körner, aß und wurde satt, ließ aber etwas übrig.
Man sieht, dass es auch Kontakt mit dem anderen Geschlecht gibt. Sie haben zusammen gegessen. Es war keine verkrampfte Situation zwischen den Geschlechtern. Das Grundprinzip war jedoch: „Halte dich zu meinen Mägden.“
Hier erfahren wir etwas über Boas’ Wesen, das Ruth beobachten konnte: Der Mann ist großzügig, kein geiziger Mann. Er gibt viel mehr, als nötig ist.
Vers 15: Sie stand auf, um aufzusammeln, und Boas gebot seinen Knaben: „Auch zwischen den Gaben mag sie auflesen. Ihr sollt sie nicht beschämen, sondern sogar aus den Bündeln Ehren für sie herausziehen und liegen lassen, damit sie sie auflesen kann. Ihr sollt sie nicht schelten.“
Das zeigt erneut, wie großzügig Boas ist. Er sagt: „Passt auf, ihr müsst ihr sogar künstlich die Möglichkeit geben, Ehren zu sammeln.“ Nicht nur das, was übrig bleibt, weil ihr es nicht erwischt habt, sondern ihr müsst noch extra etwas herausnehmen.
Aber er sagt nicht: „Bind das zusammen und gebt ihr ein Bündel.“ Nein, sie soll selbst arbeiten. Der Arbeiter ist seines Lohnes wert – dieses Prinzip gilt.
Das zeigt viel über Boas’ Großzügigkeit und Charakter. Ein reicher Mann kann leicht geizig sein, aber Boas war es nicht.
Vers 17: Sie las auf dem Feld bis zum Abend auf, schlug aus, was sie aufgelesen hatte, und es war etwa eine Epha Gerste.
Auch hier zeigt sich ihr Fleiß: den ganzen Tag auflesen und dann sogar noch ausdreschen. So kam eine große Menge Körner zusammen.
Sie nahm es mit in die Stadt. Ihre Schwiegermutter sah, was sie aufgelesen hatte, zog hervor und gab ihr, was sie übriggelassen hatte, nachdem sie sich gesättigt hatte.
Als sie nach Hause kam, war sie großzügig und gab von dem, was sie hatte, auch ihrer Schwiegermutter.
Diese fragte sie: „Wo hast du heute aufgelesen und wo gearbeitet?“ Sie ahnte nichts.
„Gesegnet sei, der dich beachtet hat“, sagte Noomi. Schön, dass sie sogar andere segnet.
Ruth teilte ihrer Schwiegermutter mit, bei wem sie gearbeitet hatte: „Der Name des Mannes, bei dem ich heute gearbeitet habe, ist Boas.“
Noomi antwortete: „Gesegnet sei er von dem Herrn, dessen Güte nicht abgelassen hat von den Lebenden und von den Toten.“
Noomi sagte weiter: „Der Mann ist nah verwandt mit uns, er ist einer von unseren Blutsverwandten.“
Hier taucht das Wort „Goel“ auf, was „Erlöser“ bedeutet. Was hier mit „Blutsverwandter“ übersetzt ist, heißt eigentlich „Erlöser“. Das ist überwältigend, was sich da ereignet.
Plötzlich merkt sie, dass der Allmächtige ihr nicht alles bitter gemacht hat. Was da in Gang kommt, ist erstaunlich.
Ruth, die Moabiterin, sagte: „Er hat auch zu mir gesagt, du sollst dich zu meinen Knechten halten, bis sie meine ganze Ernte beendet haben.“
Das bedeutet, sie soll nicht auf ein anderes Feld gehen. Aber bei den Knechten hieß es immer, hinter ihnen her, nicht als Blickfang.
Die Regel wurde später geändert. Zuvor musste sie hinten sein, aber als die Gaben schon aufgestellt waren, hätte sie sich schon ins Blickfeld stellen können. Trotzdem blieb sie hinter den Schnittern.
Das zeigt etwas vom Wesen der Frau: sich nicht als Blickfang zu präsentieren. Ruth wollte das nicht, und das werden wir noch mehr sehen.
Noomi sprach zu Ruth, ihrer Schwiegertochter: „Es ist gut, meine Tochter, dass du mit seinen Mägden ausgehst.“
Da haben wir es wieder: Sie soll sich zum gleichen Geschlecht halten, damit man sie nicht auf einem anderen Feld anfasst.
So hielt sie sich zu den Mägden Boas’, um aufzusammeln, bis die Gerstenernte und die Weizenernte beendet waren. Sie wohnte bei ihrer Schwiegermutter.
Wir wissen, dass zwischen Beginn der Gerstenernte und Beginn der Weizenernte etwa fünfzig Tage liegen.
Übrigens gibt es einen Zusammenhang mit dem Auszug aus Ägypten. Dieser geschah zu Pessach, und in der Pessachwoche fällt später das Erstlingsfest der Gerstenernte.
Dann lesen wir in 2. Mose, Kapitel 19, dass sie im dritten Monat am Berg Sinai ankamen, wo Gott den Bund mit Israel schloss. Dieser Bund fiel auf die Zeit von Schawuot, dem Pfingstfest.
Das ist genau die Zeitspanne vom Auszug Israels bis zum Bund am Sinai, also von der Gerstenernte bis zur Weizenernte.
Es ist interessant, dass die Gesetzgebung an Pfingsten stattfand. Damals schrieb Gott seine Gebote auf Tafeln.
Aber an Pfingsten, als der Heilige Geist kam, schrieb er seine Gebote, wie in 2. Korinther 3 beschrieben, auf die Herzen der Gläubigen.
So ist der Zusammenhang: Gott gibt seine Gedanken und seine neutestamentlichen Gebote ab Pfingsten in die Herzen der Erlösten.
Wir wollen hier für heute zum Schluss kommen.
Boas’ Großzügigkeit und Ruths Fleiß
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