Überblick über die Geschichte und Bedeutung des jüdischen Tempels
Wir haben uns mit dem Drama des jüdischen Tempels beschäftigt und versucht, einen Überblick über 3.000 Jahre Tempelgeschichte zu gewinnen. Dabei haben wir gesehen, wie im Jahr 70 der zweite Tempel von den Römern zerstört wurde. Seitdem musste das jüdische Volk ohne Tempel und ohne Opfer leben – bis zum heutigen Tag.
Wir haben aber auch beobachtet, wie das jüdische Volk im Sechstagekrieg nach Zion, zum Tempelberg, zurückkehrte. Seitdem wurden große Vorbereitungen für den Wiederaufbau des Tempels getroffen, insbesondere für den Bau des dritten Tempels.
Es gab jedoch ein großes Problem: Die genaue Lage des einstigen Tempels auf dem Tempelplatz von 144 Quadratmetern war unklar. Im Laufe der Jahrtausende ging dieses Wissen verloren. Im orthodoxen Judentum blieb die Tradition erhalten, dass das eigentliche Tempelhaus auf dem Felsen stand, der sich heute im Felsendom befindet – einem islamischen Schrein.
Eine andere Tradition besagt, dass an dieser Stelle einst der Altar stand und das Tempelhaus direkt dahinter gewesen sei. Die Frage nach dem genauen Standort ist jedoch von entscheidender Bedeutung. Sie würde ein Hindernis für einen möglichen Wiederaufbau des Tempels darstellen, wenn sie nicht geklärt wird.
Die Bedeutung des exakten Tempelstandorts
Ich möchte das anhand eines Beispiels erläutern. Im zweiten Jahrhundert hatte Kaiser Hadrian den Juden die Erlaubnis gegeben, den Tempel wieder aufzubauen. Es wird überliefert, dass sich daraufhin eine samaritanische Delegation einstellte und sagte: „Gebt ihnen ja nicht die Erlaubnis. Wenn sie den Tempel wieder bauen, werden sie rebellieren.“
Kaiser Hadrian soll darauf geantwortet haben: „Ja, ich habe es bereits versprochen, was soll ich tun?“ Den Samaritern sagte er, sie sollten den Tempel einige Ellen versetzt zum früheren Standort bauen. Dies führte dazu, dass das jüdische Volk in einer nationalen Zwangslage das Projekt selbst wieder einstellte.
Der exakte Standort ist also entscheidend für Sein oder Nichtsein. Nach zweitausend Jahren stellt sich die Frage: Wo war er genau?
Hier kommt Lane Rittmeier ins Spiel. Er hat 22 Jahre am Tempelberg gearbeitet. Als Architekt und Archäologe hat er viel geleistet, insbesondere in Verbindung mit den Ausgrabungen der israelischen Altertumsbehörde nach dem Sechstagekrieg.
Ihm gelang es schließlich, in den 1990er-Jahren die ganze Frage der genauen Lokalisierung zu klären. Er schrieb eine Doktorarbeit darüber, die an der Universität Manchester akzeptiert wurde. Sehr schnell wurde sie auch von den meisten israelischen Archäologen anerkannt, so überzeugend war seine Arbeit.
Das ist bemerkenswert, denn normalerweise werden neue Theorien in der Archäologie nicht schnell akzeptiert. Wenn sie doch rasch Anerkennung finden, muss das einen guten Grund haben.
Die Erforschung des Tempelplatzes und seine Untergrundstrukturen
Jetzt schauen wir uns eine Übersicht über den Tempelplatz an. Dieser umfasst 144 Quadratmeter. Blau markiert sind 37 Untergrundstrukturen.
Wieso kennen wir diese so genau? In der Vergangenheit durfte niemand hier Forschungen durchführen. Im 19. Jahrhundert war die Wasserversorgung in Jerusalem jedoch so katastrophal, dass die Türken, die damaligen osmanischen Herrscher, die Engländer beauftragten, das gesamte Wassersystem in Jerusalem zu überarbeiten.
Sie schickten zwei Wissenschaftler, Warren und Wilson, nacheinander. Diese sagten: Wenn wir das Wassersystem revidieren sollen, müssen wir zuerst eine Bestandsaufnahme machen. Sie erhielten die Erlaubnis, was es zuvor nie gegeben hatte: als Nichtmuslime durften sie den Tempelberg betreten.
So erforschten sie eine Vielzahl von Untergrundstrukturen und zeichneten diese sehr genau auf. Die modernen Forschungen müssen auf diesen Vorarbeiten aufbauen, denn seitdem wurde niemandem von islamischer Seite erlaubt, solche Forschungen auf dem Tempelberg durchzuführen.
Sie sehen hier eine Plattform, die sogenannte Moslemplattform, die erhöht auf dem Tempelplatz steht. Darauf befindet sich der Standort des Felsendoms, mit dem Felsen darin. Die Al-Aqsa-Moschee befindet sich im Süden.
Ein Archäologe, Lenrit Meyer, stellte fest, dass die Treppen immer schön parallel zur Seitenlänge verlaufen, an der sie stehen. Stimmt das? Ja, fast immer, außer hier.
Die Nordwestecke ist absolut nicht parallel. Diese Treppe wurde genau untersucht. Dabei stellte man fest, dass die unterste Stufe aus riesigen Aschlarblöcken besteht. Aschlarblöcke sind große, zugesägte Steine. Die weiteren Treppenstufen bestehen jedoch aus ganz anderen Steinen.
Daraus entstand die Frage: Ist das vielleicht ein Überrest einer uralten Mauer, die das heilige 500-Ellen-Quadrat des salomonischen Tempels begrenzte? So wurde diese Treppe zur Schlüsseltreppe für alle weiteren Erkundigungen.
Aus der Literatur und der Antike wissen wir, dass unter Herodes der Tempel massiv nach Norden, Westen und Süden erweitert wurde – aber nicht nach Osten. Warum nicht? Dort befindet sich das tief eingeschnittene Kidrontal. Dieses konnte nicht aufgeschüttet werden.
So blieb die Ostlinie von Salomo bis heute unverändert. Auf diesem erweiterten Tempelplatz musste also irgendwo das 500-Ellen-Quadrat, der eigentlich heilige Bereich, auch im Zweiten Tempel zu finden sein.
Die Schlüsseltreppe als Ausgangspunkt der Rekonstruktion
Len Rittmeier hat von hier aus, von der Schlüsseltreppe, die Entfernung bis zur Ostmauer gemessen. Diese Linie verläuft genau an einer scharfen Felsböschung entlang und misst exakt 500 Königsellen. Eine Königselle entspricht genau 52,5 cm. Das ist schon interessant, oder?
Außerdem wurde deutlich, dass der letzte Aschlarstein dieser Treppe ein Eckstein war. Dieser Stein weist Randschlag und Spiegel nicht nur zur Westseite, sondern auch zur Nordseite auf. Das bedeutet, dass die Mauer an dieser Stelle nicht weiter nach Norden führte. Das war der letzte Punkt, der vermutlich die Nordlinie des 500-Ellen-Quadrates markiert. Ich werde gleich erklären, was mit Randschlag und Spiegel gemeint ist.
Jetzt gehen wir gemeinsam auf den Tempelplatz, was seit eineinhalb Jahren nicht mehr möglich war, und betrachten die Schlüsseltreppe, die vieles klargestellt hat. Hier sehen Sie, es geht um die unterste Stufe. Vor einigen Jahren haben die Muslime das Niveau vor dieser Stufe erhöht. Deshalb sind die Steine heute seitlich nicht mehr sichtbar. Randschlag und Spiegel sind heute nicht mehr zu erkennen.
Ich habe jedoch noch ein Foto aus der Zeit davor, auf dem man diese Details noch sehen kann. Hier sehen Sie die Schlüsselstufe noch deutlicher. Nun schauen Sie mal: Diese Linie verläuft so. Die Linie von diesem Weg ist parallel zur Moslemplattform oben. Jetzt sehen Sie ganz klar mit bloßem Auge, dass hier keine Parallele besteht.
Das ist ein einzelner Block. Sie sehen, dass es sich um ganz andere Steine handelt als die, die danach folgen. Diese Steine stammen aus einer ganz anderen Bauperiode.
Die Bedeutung von Randschlag und Spiegel in der Steinbearbeitung
Jetzt erkläre ich Ihnen, was Randschlag und Spiegel bedeuten. Anhand dieser Merkmale kann man Steine in der Archäologie Jerusalems zeitlich einordnen.
Hier sehen Sie einen Stein aus herodianischer Zeit. Randschlag bezeichnet den abgeschlagenen Rand, und Spiegel ist das, was von der Seite her vorsteht. Also: Randschlag und Spiegel.
Die herodianischen Steine, also die Steine von der Erweiterung des Zweiten Tempels vor etwa zweitausend Jahren, sind besonders kunstvoll und fein gearbeitet.
Dieser Stein hier stammt aus hasmonäischer, das heißt makkabäischer Zeit, also aus dem zweiten Jahrhundert vor Christus. Auch hier gibt es Randschlag und Spiegel, allerdings ist der Spiegel sehr grobkantig.
Hier sehen Sie einen anderen Typ: Steine aus der persischen Zeit, also aus der Zeit von Nehemia, als die Stadt wieder aufgebaut wurde. Diese Steine haben ebenfalls Randschlag, aber einen dickbauchigen Spiegel.
Die Schlüsseltreppe ist aus Steinen dieses Typs gebaut, also aus der persischen Zeit. Daher müssen wir sie etwa in die Zeit von Nehemia datieren.
Ich bin einmal ganz nah zum Goldenen Tor gegangen, was nicht immer und eher selten möglich ist, und habe dort Steine aus der Zeit von Nehemia fotografiert, die noch original erhalten sind. Das Wetter hat diese Steine jedoch stark abgenutzt, sodass der Randschlag kaum noch zu erkennen ist. Man sieht aber den dickbauchigen Spiegel.
Dort sieht man eine ganze Reihe solcher Steine aus persischer Zeit.
Hier sehen Sie nun original andere Tempelsteine. Aus welcher Zeit sind die? Herodianisch. Sie können das jetzt bereits einordnen.
Und das? Auch. Ja, das war jetzt ein Trick, oder? Eine Falle, muss ich sagen, eine Falle. So etwas macht man in Prüfungen.
Die Rekonstruktion des 500 Ellen Quadrats und seine Bedeutung
Rittmayr konnte die Nordlinie des 500-Ellen-Quadrates des einstigen salomonischen Tempels wiederherstellen und rekonstruieren. Schauen wir uns nun die Ostmauer an. Bereits im 19. Jahrhundert war den Forschern bekannt, dass diese Mauer hier einen Richtungsknick aufweist – auf Englisch „bend“. Ein solcher Richtungsknick könnte darauf hinweisen, dass später eine Mauer angefügt wurde.
Rittmayr hat von diesem Punkt oben bis zum Knick heruntergemessen und genau fünfhundert Königzellen gezählt. Das ist ein beachtliches Ergebnis. Im Weiteren ergänzte er das Quadrat. Dabei fällt auf: Von Süden her gibt es zwei Tunnel. Das ist zum einen der Tunnel von der Schönen Pforte her, dem Doppeltor, und zum anderen ein weiterer Tunnel, der als Eingang für Priester diente.
Nach dem Tunnel gelangte man über Treppen hinauf auf den Tempelplatz. Die beiden Tunnel enden genau vor dem 500-Ellen-Quadrat. Man kam also nicht direkt und ohne Weiteres in das heilige Gebiet, sondern stoppte zuvor. Das passt sehr gut zur Lokalisierung.
Weiter westlich befindet sich heute die Klagemauer, zwischen dem Wilson-Bogen und dem Barclay-Tor. Vom Barclay-Tor aus kann man bei den Frauen, wo die Frauen beteten, noch den Sturz, also die Oberschwelle des Tores, erkennen. Unterirdisch führt eine Treppe hinauf zum Tempelplatz, die die Form eines L hat.
Warum wurde diese Treppe als L gebaut und nicht gerade hinauf zum Tempel geführt? Hier ist die Antwort: Das 500-Ellen-Quadrat trifft genau in die Ecke des L. Man wollte verhindern, dass die Leute direkt in den heiligen Bezirk gelangen, sondern sie zunächst in den erweiterten Vorhof leiten.
Vom Warren-Tor, das vor einigen Jahren wiederentdeckt wurde, gab es ebenfalls einen Treppenzugang. Auch dieser passt genau zur Linie des 500-Ellen-Quadrates. Diese Treppe führte nicht direkt hinein.
So erhalten wir durch die Untergrundstrukturen und die Forschungen aus dem 19. Jahrhundert eine zusätzliche Bestätigung für die Neuentdeckung des 500-Ellen-Quadrates.
Die Maße des Tempels im Talmud und ihre Anwendung
Im Talmud, dem wichtigsten theologischen Werk des Judentums, gibt es ein Traktat namens Middot Masse. Darin wurden im zweiten Jahrhundert die genauen Maße des einstigen Tempels aufgezeichnet.
Warum? Im Hinblick auf einen Wiederaufbau des Tempels, damit man genau wüsste, wie gebaut werden muss. Man dachte, das könnte vielleicht bald möglich sein. Nun, es vergingen zweitausend Jahre, und es wurde nie möglich. Aber wir haben immer noch dieses Traktat Middot. Es ist eine ganz wichtige Quelle über den Zweiten Tempel.
Dort wird erklärt, dass die inneren Vorhöfe, der Frauenvorhof und das Lager der Schechina folgende Maße hatten: 187 Ellen auf 135 Ellen. Es wird jedoch nicht exakt gesagt, wo innerhalb des 500 Ellen-Quadrates. Im Mittelalter, durch Dos Vodjomtov, wurde das genau geklärt. Dort wird angegeben: Im Norden sind es 115 Ellen, im Osten 213, im Süden 250 und im Westen 100 Ellen.
Nun hat Rittmayr dieses Quadrat gemäß diesen Ellen-Zahlen in dem mittelalterlichen Kommentar eingezeichnet. Dabei fiel ihm etwas auf: Das eigentliche Tempelhaus mit dem Allerheiligsten liegt direkt auf dem Felsen im heutigen Felsendom.
Und man sieht, das war keine böse Absicht. Er ist von den äußeren archäologischen Überresten des Tempelbergs ausgegangen und hat sich aufgrund der Zahlen in der alten Literatur von außen nach innen gearbeitet. So kam er zu diesem Ergebnis.
Das ist ein Schock, nicht wahr?
Das Modell des zweiten Tempels und seine architektonische Übereinstimmung
Ein Modell des zweiten Tempels zeigt den Tempelplatz mit einer Fläche von 144 Quadratmetern. Er ist umgeben von gewaltigen, prächtigen Säulenhallen. Besonders hervorzuheben ist die schönste Säulenhalle im Süden, die königliche Säulenhalle.
Sie sehen dort das 500 Ellen große Quadrat. Dies ist der eigentliche heilige Bereich, da hier der Platz des salomonischen Tempels lag und auch der heilige Bereich im zweiten Tempel war. Im Süden befinden sich zwei Tore, die sogenannten Hulda-Tore. Man gelangt durch diese Tore, nachdem man die beiden Tunnel hinaufgekommen ist. Alles passt also wunderbar zusammen mit dem, was wir bisher gesehen haben. Die gesamte Architektur stimmt überein.
Im Modell ist außerdem gut zu erkennen, dass hier ursprünglich das Bezettertal war. Dieses Tal wurde aufgeschüttet, um die Nordplattform des Heidenvorhofs zu erweitern. Ziel war es, möglichst vielen Heiden die Möglichkeit zu geben, nach Jerusalem zu kommen, um hier dem wahren Gott zu begegnen. Noch heute sind an der Felsböschung des Berges Zion und am Nordberg die Böschungen im Süden sichtbar. Sie wurden nicht vollständig eingeebnet. Man kann also noch die Spuren dieser gewaltigen Talaufschüttung erkennen – ein absolut gigantisches Werk.
Ritmeyer wusste, dass an dem Ort, an dem heute der Felsendom steht – nach palästinensischer Auffassung die drittwichtigste Moschee des Islam – einst das Allerheiligste des Tempels war. Diese Tatsache muss näher untersucht werden. Aus islamischer Sicht ist das jedoch schwierig, da dort keine archäologischen Forschungen erlaubt sind. Glücklicherweise war es bis vor eineinhalb Jahren möglich, als Tourist die Moschee zu betreten. So war Ritmeyer oft als Tourist in der Moschee anzutreffen. Er wusste, dass das eigentliche Tempelhaus auf dem Felsen stand.
Der Felsendom und seine Bedeutung im Islam und Judentum
Wir betreten die Moschee. Eine Moschee ist normalerweise immer nach Mekka ausgerichtet. Diese hier ist jedoch keine typische Moschee, denn sie ist rund um den Felsen gebaut.
Heute erklären Muslime das folgendermaßen: Der Fels ist ihnen wichtig, weil Abraham hier Ismael – nicht Isaak – als Opfer darbringen wollte. Ich habe mich nicht versprochen: Es ist Ismael, der gemeint ist. Mohammed gilt als Nachkomme Ismaels, ein Ismailit.
Weiter wird gesagt, dass in der siebzehnten Sure des Korans von einer Nachtreise Mohammeds zum weit entferntesten Anbetungsort, arabisch Al Aqsa, gesprochen wird. In späteren islamischen Kommentaren wird erklärt, dass damit dieser Ort hier in Jerusalem gemeint sei. Obwohl das Wort Jerusalem im Koran kein einziges Mal vorkommt, wird es so interpretiert.
Man sagt, Mohammed sei in einer Nachtreise auf Al Burak, einem pferdeähnlichen Wesen, hierher geritten. Beim Felsen habe er gebetet, sei dann hinaufgegangen in den Himmel, um dort bei Allah die richtige Art des Betens zu lernen. Danach sei er zurückgekehrt, hätte Al Burak losgebunden und sei noch vor Morgengrauen wieder in Mekka angekommen.
Aus diesem Grund ist dieser Ort so wichtig. Wenn man nach oben schaut, sieht man die Kuppel des Doms, die islamische Kunst zeigt. Uns interessiert jedoch vor allem der Fels.
Zuerst muss man eine Bestandsaufnahme machen. Der Fels sieht zerfurcht und eigenartig aus. Im Westen sind Spuren von eingeschlagenen Treppen zu erkennen, auch im Norden.
Auf dem Felsen gibt es eine rechteckige Vertiefung von 79 auf 130 Zentimeter. Weiter, exakt im Zentrum des Domes, befindet sich eine weitere Vertiefung im Felsen. Gegen Süden gibt es eine abgeplattete Region, wo der Fels offensichtlich künstlich abgeflacht wurde.
Im Osten verläuft der Fels wie eine Rampe nach unten. In dieser Region wurde viel Gestein künstlich herausgeschlagen.
Was hat das alles zu bedeuten?
Die isometrische Zeichnung und die Geschichte des Felsens
Eine isometrische Zeichnung, bei der die Aufschrankung rund um den Felsen im Dom entfernt wurde, zeigt uns folgendes Bild:
Nochmals, im Westen sind herausgeschlagene Treppen zu sehen, ebenso im Norden. Schauen Sie genau hin: Im Westen besitzt der Fels eine natürliche, sehr steile Böschung. Auch im Norden ist das der Fall. Weiter verläuft der Felsen wie eine Rampe nach unten gegen Osten. Dort finden wir nochmals diese rechteckige Vertiefung, die Vertiefung mitten im Dom und die abgeplattete Region im Südbereich.
Es ging darum, die gesamte Geschichte des Felsens zu rekonstruieren. Dabei stellte Rittmayr fest, dass die Römer und Byzantiner dem Felsen wohl nichts angetan und ihn kaum verändert haben. Auch später, unter den Muslimen, blieb der Felsen weitgehend unverändert.
Im zwölften Jahrhundert gab es in Jerusalem jedoch ein Kreuzfahrerkönigreich. Die Kreuzfahrer machten aus dem Dom eine Kirche, die sie Salomotempel nannten. Als Europäer fanden sie, dass ein solcher Felsen mitten in der Kirche nicht ästhetisch wirkte. Daher bauten sie einen Hochaltar darüber. So erklärt sich nun das Vorhandensein der herausgeschlagenen Treppen im Felsen im Westbereich und auch im Norden.
Übrigens wurde auf der Rampe viel Stein herausgeschlagen und im gleichen Gewicht als Gold verkauft. So konnte man aus Stein Gold machen – allerdings ist das kein Rezept, sondern nur eine Feststellung.
So etwa sah dieser Kreuzfahrer-Hochaltar aus. Heute Morgen habe ich bereits erklärt, dass Sultan Saladin die Kreuzfahrer wieder vertrieb.
Hier sehen Sie in Blau-Violett alles, was die Kreuzfahrer am Felsen beschädigt und zerstört haben. Das Orangefarbene zeigt Arbeiten aus der islamischen Zeit, die sich rund um den Felsen befinden.
Wenn wir uns nun alle Zerstörungen wegdenken, erhalten wir folgendes Bild vom Felsen: Hier die steile Böschung im Westen und Norden, die Rampe nach Osten und die abgeplattete Region auf dem Felsen.
Wir haben auch gleich die Erklärung für die Vertiefung in der Mitte des Doms. Im siebten Jahrhundert schlug man dort einen Flock ein, an dem eine Schnur befestigt wurde. So wurde der Kreis für den islamischen Dom abgemessen. Auch das können wir als späteren Eingriff wegdenken.
Bleibt jedoch noch diese rechteckige Vertiefung. Was sagt sie uns? Ich kannte die Sache mit den abgeplatteten Felsen schon von anderen Orten. Im Altertum, wenn man ein Haus auf Felsen baute – nicht auf Sand, denn nur der Thor baut sein Haus auf Sand – dann wurde an der Stelle, wo die Mauersteine auf das Felsfundament gelegt wurden, der Felsen zuvor abgeplattet.
Das heißt also: Hier im Süden stand einmal eine Mauer auf dem Felsen, und zwar mit einer Breite von 3,10 Metern. Das entspricht übrigens wie vielen Königsellen? Ja, ich höre schon: sechs, sechs Königsellen.
Übrigens können Sie das nachlesen in 1. Könige und 2. Chronik. Die Mauern des Allerheiligsten hatten eine Dicke von sechs Ellen.
Wow, noch interessant, oder? Einfach mal so als erste Feststellung.
Die Vermutung über Eckstein und Fundament
Das Problem war, dass es keine weitere Mauerspur mehr auf dem Felsen gab. Deshalb überlegte Rittmayr, ob der Fels nicht nur als Fundament für die Südmauer diente, sondern auch als Eckstein. Das würde bedeuten, dass die Mauer hier im Westen entlang der natürlichen Böschung und auch im Norden gebaut wurde.
Normalerweise sind Eckstein und Fundament nicht dasselbe. Der Eckstein ist der erste Stein, den man auf das Felsfundament legt. Seine Position bestimmt die Richtung der Mauern, alle weiteren Mauerrichtungen richten sich nach ihm. Deshalb nennt man ihn das Haupt der Ecke oder Eckstein. Alles muss sich nach ihm ausrichten.
Hier wäre jedoch ausnahmsweise eine Verbindung von Fundament und Eckstein gegeben: Das Fundament trägt die Mauer, der Eckstein gibt die Linie für die West- und Nordmauer vor. Übrigens fiel Rittmayr auf, dass der Verlauf dieser Westböschung praktisch parallel zur Ostmauer draußen vom Tempelplatz verläuft. Diese Ostmauer hat seit Salomo ihre Richtung nicht geändert. Das wäre also eine weitere Bestätigung dafür, dass es sich um einen Eckstein handelt.
Während eines Fluges auf zehntausend Meter Höhe zeichnete Rittmayr die Südmauer des Heiligtums auf dem Felsen ein, ebenso die Westmauer mit einer Dicke von sechs Ellen und die Nordmauer. Dann maß er den Abstand von Mauer zu Mauer, der zwanzig Königsellen betrug. Das ist bemerkenswert, denn in 1. Könige und 2. Chronik, bei der Beschreibung des Bauplans zur Zeit Salomos, wird das Allerheiligste als ein Quadrat von zwanzig Ellen beschrieben.
Nun war es nicht mehr schwierig, den Standort des Scheidevorhangs zu bestimmen. Man musste einfach ein Quadrat von zwanzig mal zwanzig Ellen zeichnen. So konnte die exakte Position des Scheidevorhangs bestimmt werden, der das Heilige vom Allerheiligsten trennte.
Fällt Ihnen nun etwas auf? Diese eigenartige Vertiefung dort ist exakt parallel zum Verlauf der Mauern und liegt zudem genau auf der Diagonale, absolut im Zentrum des Quadrates. Kann das Zufall sein? Was hat das zu bedeuten?
Rechnen wir um: Neunundsiebzig mal hundertdreißig Zentimeter ergibt eineinhalb mal zweieinhalb Ellen. Wie groß war die Bundeslade? In 2. Mose 25 hat sie eine Grundfläche von eineinhalb mal zweieinhalb Ellen.
Ist das vielleicht die Vertiefung für den Standort der Bundeslade? Tatsächlich steht in 1. Könige 6,8, dass Salomo den Sprachort, das Allerheiligste, zubereitet hat, einen Ort, um die Lade des Bundes dort hinzusetzen.
Heute ist diese Vertiefung in der Moschee noch zu sehen. Salomo hat sie geschaffen, damit die Bundeslade im Allerheiligsten nicht irgendwie unwürdig auf dem Felsen wackelte. Wir haben also tatsächlich den exakten Standort des größten aller jüdischen Tempelschätze, der Bundeslade, gefunden.
Die Bundeslade als Symbol und ihre theologische Bedeutung
Und die Bundeslade, sie hat uns sehr viel zu sagen. Sie ist eigentlich ein Protest gegen alle Religionen der Welt. Warum?
Die Bundeslade bestand aus Akazienholz und war mit reinem Gold überzogen. In diesem Kasten befanden sich die zehn Gebote, zwei Tafeln. Und was stand darauf? Zuerst stand dort: „Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst keine anderen Götter neben mir haben.“ Das ist eine Verurteilung aller Religionen der Welt. Stellen Sie sich das mal vor – so exklusiv!
Das zweite Gebot lautet: „Du sollst dir kein Bildnis machen.“ Es verurteilt alle religiösen Bilder, die verehrt werden. Das ist schon etwas, aber es gibt noch mehr.
Wir können weitergehen und das dritte bis zum zehnten Gebot betrachten. Dabei merken wir, dass wir alle verurteilt sind, denn kein Mensch kann sagen, er habe je nach diesen Geboten wirklich gelebt und sie nie gebrochen.
Die Bundeslade gehört zu Gottes Richterthron. Schauen Sie sich die Engel darüber an – das sind Cherubim. Die Cherubim-Engel kennen Sie aus der Sündenfallgeschichte. Sie versperrten den Weg zum Baum des Lebens. Das bedeutet, es sind Engel, die für die Gerechtigkeit Gottes kämpfen und nicht zulassen, dass der schuldige Mensch zum Leben gelangt.
Die Bundeslade war so gebaut (2. Mose 25): Ihre Angesichter, die Angesichter dieser Cherubim, waren nach unten gegen den Deckel gerichtet. Darin, gerade darunter, lagen die Tafeln. Das heißt, diese Gerechtigkeitsengel fordern, dass Gott Gerechtigkeit übt gegen die Menschheit, die alle diese Gebote bricht.
Am Jom Kippur, am großen Versöhnungstag im Herbst, durfte ausnahmsweise jemand ins Allerheiligste hineingehen – sonst war es immer geschlossen. Der Hohepriester betrat das Allerheiligste und zwar mit dem Blut von Opfern, von stellvertretenden Opfern. Einmal sprengte er das Blut auf den Deckel und siebenmal vor die Lade auf den Boden.
Was sahen diese Engel also symbolisch? Jetzt sahen sie nicht mehr nur die Tafeln dort unten, sondern das Blut. Gott hat gerichtet, er hat das gerechte Gericht über die Menschen vollzogen – allerdings nicht an sich selbst, sondern an einem unschuldigen Stellvertreter.
So zeigt die Bundeslade eigentlich den ganzen Heilsplan. Sie ist ein Protest gegen alle Religiosität des Menschen, die vom wahren Gott wegführen. Aber sie zeigt auch den Weg, wie der Mensch auf der Grundlage des stellvertretenden Opfers Vergebung und Versöhnung mit Gott erhalten kann.
Eine gewaltige Botschaft ist darin enthalten, und wir haben nun den Standort der Bundeslade wieder neu entdeckt.
Die Verbindung von Fels, Tempel und Gemeinde im Neuen Testament
Hier eine Darstellung des Felsens in der Moschee von oben, also ein Foto. Jetzt können wir das Allerheiligste genau nachvollziehen.
Auf der abgeplatteten Region im Süden stand die Südmauer. Entlang der natürlichen Böschung im Westen und im Norden wurden die weiteren Mauern gebaut. Hier befindet sich exakt der Scheidevorhang. Wenn man mit mir in die Moschee käme – ich sage nicht, wir gehen in die Moschee, sondern wir gehen zum Allerheiligsten – dann könnten wir dort vorbeilaufen. Sie wären genau im Bereich des Allerheiligsten, und im Zentrum ist die Vertiefung für die Bundeslade.
Das ist schon eindrücklich, denn im Neuen Testament wird die Gemeinde, also die Summe aller, die an Jesus Christus glauben, als Gottes Tempel heute beschrieben. In Jerusalem gibt es keinen Tempel mehr, aber die Gemeinde gibt es seit zweitausend Jahren. Die Gemeinde wird als Tempel beschrieben, und Jesus Christus sagte in Matthäus 16 zu Petrus: „Du bist Petros, ein Stein, und auf diese Petra werde ich meine Gemeinde bauen.“ Petra heißt Fels.
Wer ist denn diese Petra? Gerade zuvor hatte Petrus das Bekenntnis abgelegt: Jesus Christus, du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes. Im Alten Testament, in der griechischen Übersetzung, wird Gott an verschiedenen Stellen Petra, also Fels, genannt. Es heißt sogar in den Psalmen: Es gibt keinen Felsen außer Gott.
Der Fels ist also garantiert nicht Petrus, sondern er ist ein Baustein auf diesem Grundfelsen. Jesus Christus ist der Fels, und die Gemeinde ist auf diesem Felsen gebaut; er ist das Fundament.
Sie sehen hier das Felsfundament und die Südmauer darauf. Wenn Sie aber Epheser 2, Vers 20 in Ihrer Bibel aufschlagen, dann lesen Sie, dass die Gemeinde aufgebaut ist, „wobei Jesus Christus selbst Eckstein ist.“ Jesus Christus ist also auch Eckstein.
Jetzt sehen Sie hier: Der Fels ist der Eckstein, denn er gibt genau die Richtung im Westen und im Norden an. Das sind jedoch nicht zwei verschiedene Dinge, sondern Eckstein und Fundament bilden hier eine Einheit.
Das ist schon eindrücklich. Plötzlich kann man neutestamentliche Stellen ganz plastisch verstehen. Das Fundament Jesus Christus ist das Fundament bedeutet, die Gemeinde stützt sich allein auf die Autorität von Jesus Christus. Das ist das Fundament, darauf ruht alles. Menschen können versagen, Christen können uns sehr enttäuschen – das haben wir alle schon erlebt. Das ist nichts Besonderes, sondern ganz normal.
Aber Jesus Christus enttäuscht nie. Sein Fundament bleibt ewig stehen. Er ist der Felsengrund, aber auch zusätzlich der Eckstein. Alles muss sich nach Jesus Christus ausrichten.
Wir brauchen keinen Papst, wir brauchen keine Konzilien, wir brauchen nichts von alledem. Wir brauchen allein Jesus Christus, und zwar den Christus der Bibel, keinen anderen.
Darum haben die Reformatoren das so schön gesagt: sola scriptura, allein die Schrift, und Solus Christus, allein Christus. Der Christus der Schrift ist unser Eckstein, nach dem sich alles in der Gemeinde ausrichten muss.
Es geht nicht um unseren persönlichen Geschmack, unsere persönliche Meinung oder unsere Liebe zum Zeitgeist. Es geht allein um Jesus Christus. Das können wir hier so schön lernen.
Der blutbesprengte Fels und seine Bedeutung im Gottesdienst
Ja, und noch etwas: Der Hohepriester und die Priester waren im Tempel immer barfuß.
Ins Allerheiligste gingen sie durch den Scheidevorhang und standen vor der Bundeslade, wobei ihre Füße direkt auf dem Felsengrund standen. Es gab keine Sandalen dazwischen; die bloßen Füße hatten direkten Kontakt mit dem Felsen.
Der Hohepriester sprengte das Blut des Stellvertreters einmal auf die Lade und siebenmal auf den Boden. So haben wir den blutbesprengten Felsen.
Jetzt verstehen wir plötzlich besser, warum es zum Beispiel in Psalm 89 heißt: „Von Gott, du bist der Fels meiner Rettung, der blutbesprengte Fels.“
Und nun wird auch klar, was eigentlich Fundamentalisten sind – christliche Fundamentalisten. Das sind einfach Leute, die auf dem Felsfundament Jesus Christus stehen.
In 1. Korinther 3,11 heißt es: „Einen anderen Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“
Ja, ich bin ganz stolz, ein Fundamentalist zu sein, auch wenn mich jemand deswegen verachtet. Was gibt es für ein anderes Fundament außer Jesus Christus, das wirklich stabil ist?
Denken Sie daran: Der Salomonstempel ist untergegangen, der zweite Tempel ist untergegangen, keine Mauern sind mehr da, kein Stein liegt mehr auf dem anderen. Aber der Fels ist geblieben – von jeher.
So wird Gott auch in Jesaja genannt: der Fels der Ewigkeiten, der Fels, der bleibt.
In 2. Timotheus 2 wird vom großen Haus Gottes gesprochen, in dem es eine Vermischung gibt zwischen echten und unechten Gläubigen. Dann heißt es aber: „Doch der feste Grund Gottes steht und hat dieses Siegel: Der Herr kennt die Seinen.“
Ja, alles ist gefallen, aber der Fels ist geblieben. Der feste Grund Gottes steht.
So ist es auch in der Kirchengeschichte geschehen und bis in unsere Zeit hinein. Örtliche Gemeinden können zusammenbrechen oder auseinanderbrechen. Es gibt Menschen, die gehen, und ihr Glaube geht an solchen Dingen zugrunde.
Das dürfte aber nicht sein, denn das Einzige, was Bestand hat, ist der Fels – der Fels der Ewigkeit.
Wir können tiefe Enttäuschungen erleben, doch das hat für den Glauben überhaupt keine Relevanz, weil das, was steht und bleibt, Jesus Christus ist.
Die messianische Prophetie des Felsens in Zion
Eine Prophetie über den kommenden Messias. Auch die alten Rabbiner haben diese Stelle messianisch verstanden. Dort heißt es: „Darum spricht der Herr, der Ewige: Siehe, ich gründe einen Stein in Zion, einen bewährten Stein, einen kostbaren Eckstein, aufs Festeste gegründet. Wer glaubt, wird nicht ängstlich eilen.“
Hier sind also zwei Aspekte vereint: das Fundament und der Eckstein. Es handelt sich um einen Stein in Zion, also um den Tempelberg. Diese ungewöhnliche Verbindung von Fundament und Eckstein auf Zion hat bereits im Alten Testament eine klare Botschaft. Sie weist auf den Messias hin.
Wer an ihn glaubt, muss nicht mehr ängstlich umherirren, sondern findet Sicherheit und Festigkeit.
Der Hohepriester am Jom Kippur und der zerrissene Vorhang
Jom Kippur, der große Versöhnungstag: Der Hohepriester ging mit dem Opferblut durch den Vorhang hindurch in das Allerheiligste. Man sieht ihn barfuß und erkennt auf seinem Gesicht eine tiefe Ehrfurcht vor dem Ewigen. Diese Ehrfurcht unterscheidet sich deutlich von Jubel, Trubel und Heiterkeit, wie sie heute manchmal bei Gottesdiensten anzutreffen sind. Vielmehr herrscht hier eine tiefe Überzeugung von der Größe, Heiligkeit und Majestät Gottes.
Das Blut des Opfers gab dem Hohepriester Sicherheit und die Gewissheit, vor Gott angenommen zu sein – nicht aufgrund eigener Leistung, sondern wegen der Leistung des Stellvertreters. Hier erhalten wir einen Blick ins Heilige. Man sieht den Scheidevorhang mit Cherubim-Gestalten, die vier verschiedene Cherubim-Gesichter zeigen.
Wir befinden uns im zweiten Tempel. Woran erkennt man das? Der Scheidevorhang ist vierzig Ellen hoch, also über zwanzig Meter – viel größer als im Salomonischen Tempel. Auf dem Bild sieht man gerade einen Priester beim Räuchern am goldenen Altar.
Was geschah im Moment, als der Herr Jesus auf dem Felsen Golgatha starb? Im zweiten Tempel zerriss der Scheidevorhang von oben nach unten in zwei Teile. Für die Priesterschaft muss dieser Riss ein großer Schock gewesen sein. Was bedeutet das?
Der Ort, der bisher verschlossen war, wurde nun geöffnet. Dies sollte bezeugen, dass durch den Tod des wahren Opfers Jesus Christus und durch sein vergossenes Blut auf Golgatha der Zugang zu Gott endgültig geöffnet ist.
Der Gott im Judentum ist derselbe Gott wie im Christentum. Es ist der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Anders verhält es sich im Islam, denn kein Moslem würde bezeugen, dass Allah der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs ist. Hier lässt sich also ein Unterschied erkennen.
Der Gott im Judentum, derselbe wie im Christentum, war der verborgene Gott hinter dem Scheidevorhang. Im Christentum ist dieser Gott nun der, der sich durch den Messias in Menschengestalt offenbart hat und sagt: Ihr dürft jetzt in meine Gegenwart zurückkehren.
Der Weg zurück zu Gott im Tempel und die Bedeutung der Bundeslade
Adam und Eva wurden nach dem Sündenfall nach Osten aus dem Garten Eden hinausgetrieben. Der Garten war ein umzäunter Bereich, ein Paradies, was wörtlich „umzäunter Bereich“ bedeutet. Er war eigentlich eine Art Heiligtum.
Nach dem Sündenfall sperrten Cherubim den Osteingang, damit niemand mehr zum Baum des Lebens zurückkehren konnte.
Interessant ist, dass der Tempel genau nach Osten ausgerichtet ist. Die Anbetenden kamen stets vom Osten her nach Westen, denn Gott war im Westen.
Was zeigt uns der Tempel? Er zeigt, dass es einen Weg zurück zu Gott gibt. Der Mensch, der nach Osten in die Gottferne geschickt wurde, darf zurückkehren – und zwar nicht nur bis zu einem bestimmten Punkt, sondern unmittelbar in die Gegenwart Gottes, ins Allerheiligste.
Dort wird durch die Bundeslade Leben verkündet. Die Bundeslade, die ich bereits als aus Holz erklärt habe, ist ein Bild vom Baum des Lebens, der in der Mitte des Gartens stand.
Auch die Menorah, der siebenarmige Leuchter mit den Mandelknospen, ist ein Baum, der Licht gibt. Sie entspricht dem Baum der Erkenntnis.
Zusammengefasst zeigt der Tempel: Es gibt einen Weg zurück zu Gott – aber nur durch das Opfer von Jesus Christus.
Umgang mit dem zerrissenen Vorhang im Judentum und die Offenbarung des Zugangs zu Gott im Christentum
Was hat man im Judentum eigentlich mit diesem zerrissenen Vorhang getan? Zweimal im Jahr wurde der Scheidevorhang immer wieder ausgewechselt. Das bedeutet, der zerrissene Vorhang blieb nicht lange erhalten, sondern wurde regelmäßig ersetzt.
Es gibt Menschen, die einfach nur religiös sein wollen. Für sie ist der direkte Zugang zu Gott durch Jesus Christus zu intensiv. Sie wünschen sich kein offenes Heiligtum.
Die Frage ist: Wollen wir eigentlich ein offenes Heiligtum? Wollen wir den Zugang zu Gott? Im Christentum ist dieser Zugang so tief, dass Christen nach Römer 8 Gott als Abba ansprechen dürfen. Abba bedeutet auf Hebräisch „Papa“.
Im Judentum hingegen werden Sie in den Gebetsbüchern niemals eine Stelle finden, in der Gott Abba genannt wird. Dort heißt es Awinu, unser Vater, oder Awinu Sheba Shemayim, unser Vater, der du bist in den Himmeln. Das ist jüdisch. Aber diese intime Anrede wie Abba ist nicht üblich. Das geht im Judentum so nicht.
Das Neue Testament zeigt jedoch, dass Christen Gott nun Abba nennen dürfen, genauso wie der Sohn Gottes im Garten Gethsemane. Dort ruft er: „Abba, Vater, alles ist dir möglich.“ Diese tiefste, innigste Beziehung zu Gott als Abba wird uns im Evangelium offenbart. Das ist etwas völlig Neues.
Wer das wirklich einmal erfasst hat und gerade auch in den Nöten des Alltags in seinem Herzen so beten kann – „alles ist dir möglich“ –, der hat wirklich verstanden, was Christentum ist.
Die vollständige Rekonstruktion des Tempelgeländes
Rittmeier konnte natürlich nicht nur das Allerheiligste rekonstruieren, sondern das gesamte Tempelhaus. Denn im Traktat mit Dot im Talmud finden sich zahlreiche Angaben, die dies ermöglichen. Dadurch ließ sich genau lokalisieren, wo der Altar stand und wo das Waschbecken war.
Jetzt ist es nicht mehr schwierig. Wir haben einen Fixpunkt, auf den alles eingezeichnet werden kann. Sie sehen übrigens, wie das Tempelhaus nun mit der Moschee zusammenfällt. Gegen Osten befindet sich zudem ein kleiner Dom, der sogenannte Kettendom. Dieser liegt genau auf der Vorhalle des Tempels und seiner zwölf Treppen.
Alles kann nun rekonstruiert werden, sodass man das Bild völlig anders sieht. Dort war der Altar, und man könnte ihn an seiner ursprünglichen Stelle wieder aufbauen. So steht es auch in Ezra 3: Als die Juden von Babylon zurückkamen, bauten sie zunächst den Altar an seinem ursprünglichen Standort – ohne ihn auch nur ein bisschen zu verschieben.
Auf der Spur des Alten wurde auch der Tempel nach Ezra errichtet. Man könnte also heute schnell den Altar hier errichten und das Tempelhaus ein Jahr später, so wie es die Juden damals gemacht haben. Dadurch wird uns vieles noch klarer.
Die Tenne Ornans und ihre Lage auf dem Tempelberg
Wir kennen die Geschichte, denke ich, von David, der das Volk illegal gezählt hatte. Dadurch kam eine Plage über Jerusalem.
David durfte dann einen Altar auf dem Zionsberg errichten, bei der Tenne von Ornan. Dies geschah als Dank dafür, dass Gott sich in Gnade wieder über Jerusalem erbarmt hatte. David kaufte die Tenne Ornans und den gesamten Tempelplatz. Für dieses Grundstück bezahlte er sechs Kilo Gold – eines der wenigen Immobiliengeschäfte in der Bibel, aber ein äußerst wichtiges.
Da wir nun wissen, wo der Altar stand, können wir auch rekonstruieren, wo einst die Tenne Ornans lag.
Noch etwas, das gut dazu passt: Im Altertum baute man Tennen auf Berghöhen niemals auf der Bergspitze, sondern immer etwas unterhalb davon. Die natürliche Bergspitze von Zion ist der Fels im Dom, 743,7 Meter über Meeresspiegel. Etwa drei Meter tiefer liegt die Region auf dem Felsen, die als Stelle der Tenne Ornans gilt.
Sie sehen, das Pössl geht auf.
Weitere Gebäude und Strukturen auf dem Tempelberg
Nicht nur das Tempelhaus konnte rekonstruiert werden, sondern auch die Gebäude um die inneren Vorhöfe, das Lager der Schechiner und die Gebäude rund um den Frauenvorhof. So konnten auch die fünfzehn Treppen lokalisiert werden, auf denen der Tempelchor bei den großen Festen stand und sang.
Ja, ich gebe zu, es wird ein bisschen kompliziert. Hier haben wir nämlich den Plan vom Tempelplatz heute und darauf wurden die rekonstruierten inneren Vorhöfe mit all ihren Gebäuden gelegt. Es ist mir aber noch ein Anliegen, Ihnen zu zeigen, was dabei plötzlich aufgefallen ist. Zum Beispiel dieses Gebäude hier im Nordwesten: Es war das Gebäude, in dem die Priester schliefen, die Dienst taten.
Im Talmud heißt es, dass Priester, wenn sie nachts zum Beispiel durch einen Erguss verunreinigt wurden, sofort den Tempelberg hinuntergehen mussten. Dort gab es ein Ritualbad, und schließlich mussten sie den Tempelplatz verlassen. Genau unter diesem Gebäude findet man, das wissen wir von Warren aus dem 19. Jahrhundert, eine Untergrundstruktur, über die man hinabsteigen konnte, um sich dort zu baden. Das passt also.
Schauen Sie mal hier: Die 15 halbkreisförmigen Treppen entsprechen den 15 Stufenliedern in den Psalmen 120 bis 134. Diese Treppen fallen genau mit der heutigen Osttreppe zusammen, die zur Muslimplattform hinaufführt. Sie liegt genau in der Mitte. Das zeigt, dass die Muslime offensichtlich im 7. Jahrhundert auf noch bestehende Strukturen aufgebaut haben.
Oder noch etwas anderes: Hier sehen Sie eine ganz gewaltige unterirdische Zisterne im Tempelbereich. Diese befindet sich genau unter diesen beiden Gebäuden. Im Talmud steht, dass es in dieser Kammer möglich war, Wasser auf dem Tempelberg zu entnehmen.
Das passt genau zu dieser unterirdischen Zisterne. Ein Wasserrad brachte Wasser hinauf, damit man das Blut beim Altar weggespülen konnte. Man könnte mit solchen Überraschungen noch weitermachen. Es stimmt einfach schön überein mit dem, was topologisch auf dem Tempelberg zu finden ist.
Abschluss und musikalischer Ausklang
Ich glaube, wir können jetzt eine Pause machen, damit unsere Köpfe nicht zu rauchen beginnen. Wie gewünscht, spiele ich jetzt etwas am Klavier.
Es ist die Rhapsodie in D-Moll über die Hatikwa, die israelische Landeshymne. Sie hat folgenden Text:
Kol Ot Balewaw Benima
Nefesh Yehudi Homia
Ulefatei Zion Homia
Solange drinnen im Herzen, in der jüdischen Seele, noch ein Sehnen nach Zion ist, solange gibt es noch Hoffnung. Hatikwa heißt Hoffnung.
Solange es noch Hoffnung gibt, dass wir nach fast zweitausend Jahren wieder ein freies Volk werden in Judah, in unserem Land, Be'arzenu, in unserem Land, in Judah und Jerusalem, wie Judah, wie Jerusalem.
Die Rhapsodie stellt so gewissermaßen diese fast zweitausend Jahre der Zerstreuung, der Verfolgung und der Sehnsucht nach Zion dar.