Einführung in das Thema Messias und seine Bedeutung
Das Thema heute Nachmittag heißt „Der Messias des Alten Testaments und seine Erwartung im Judentum“.
Gibt es jemanden, der absolut Mühe mit Schweizerdeutsch hat? Dann soll diese Person sich melden, und ich stelle auf Hochdeutsch um. Bisher ist niemand gekommen.
Ich wäre froh, wenn das Gespräch heute Nachmittag ein bisschen in eine interaktive Form übergeht. Heute Morgen werde ich Ihnen zunächst einen Vortrag halten. Aber am Nachmittag wünsche ich mir, dass es etwas lebendiger und interessanter wird.
Zu Beginn ein paar Worterklärungen: Das Wort „Messias“ heißt auf Hebräisch „Maschiach“. Es bedeutet nichts anderes als „der Gesalbte“.
Woher kommt das Wort „Messias“? Es ist die griechische Aussprache von „Maschiach“. Wenn ein bestimmter Name oder Ausdruck in eine andere Sprache übernommen wird, entstehen oft Probleme. Zum Beispiel: „Johannes“ können die Franzosen nicht so aussprechen, deshalb sagen sie „Jean“. Es ist derselbe Name, aber keine Übersetzung, sondern eine Anpassung der Aussprache. So ist es auch bei „Maschiach“.
Die Griechen konnten das Wort „Maschiach“ nicht so aussprechen, denn im Griechischen gibt es kein „sch“-Laut. Deshalb wurde daraus automatisch ein „ss“-Laut. Man sagt also nicht „masch“, sondern „mess“. Außerdem sagen sie nicht „messiach“, sondern „messias“. Das ist die griechische Aussprache.
Die griechische Übersetzung des hebräischen Wortes „Maschiach“ heißt „Christos“, was ebenfalls „der Gesalbte“ bedeutet. Bereits die griechische Übersetzung des Alten Testaments, die im dritten Jahrhundert vor Christus in Alexandria entstand und „Septuaginta“ genannt wird, verwendet für „Messias“ im Alten Testament das Wort „Christos“. Damit ist der verheißene, kommende Gesalbte gemeint.
Die Bedeutung und Ämter des Messias im Alten Testament
In der Bibel kann das Wort Maschiach drei verschiedene Ämter bezeichnen. So wird jemand, der das Amt des Königs innehat, oft durch Salbung mit Öl eingesetzt. Ebenso kann Maschiach einen Priester bezeichnen. Es gibt sogar ein Beispiel im Alten Testament, in dem ein Prophet zu seinem Amt gesalbt wurde.
Im Prinzip bezeichnet Maschiach also einen gesalbten König, einen gesalbten Priester oder einen gesalbten Propheten.
Im Alten Testament hat der Ausdruck jedoch eine engere Bedeutung erhalten. Dabei richtet sich der Blick auf den Gesalbten par excellence, also den größten Gesalbten, der noch kommen wird. Dieser verheißene Erlöser soll in einer Person König, Priester und Prophet zugleich sein.
Das war gewissermaßen die große Hoffnung Israels – die Erwartung, dass ein kommender Erlöser kommen wird, der Israel und damit auch den Völkern Heil bringen wird.
Wenn man das Alte Testament durchliest und nach Stellen sucht, die vom Maschiach, dem Messias, sprechen, fällt auf, dass es prinzipiell zwei verschiedene Darstellungen gibt.
Einerseits gibt es Texte, die von einem Messias sprechen, der herrscht – über die ganze Welt, in einem Reich, das Gerechtigkeit, Frieden und Freude aufrichtet.
Andererseits gibt es Stellen, die ebenfalls vom Messias sprechen, aber von einem, der leidet, stirbt und für die Schuld anderer büßen muss.
Diese beiden Beschreibungen haben für Ausleger ein großes Problem dargestellt: Wie sollen diese beiden Darstellungen zusammengebracht werden?
Die zwei Gesichter des Messias im Alten Testament
Man könnte vielleicht ganz kurz beispielhaft Daniel 7,13-14 lesen, wo der herrschende Messias gezeigt wird.
Ich bin froh, wenn gerade zwischendrin auch Fragen oder Ergänzungen kommen. Es wäre gut, wenn man sich irgendwie bemerkbar macht. Könnte jemand etwas vorlesen?
Ich sah in diesem Gesicht in der Nacht, und siehe, es kam einer mit den Wolken des Himmels wie eines Menschensohns und gelangte zu dem, der uralt war, und wurde vor ihm gebracht. Der gab ihm Macht, Ehre und Reich, damit ihm alle Völker und Leute aus so vielen verschiedenen Sprachen dienen sollten. Seine Macht ist ewig und vergeht nicht, und sein Reich hat kein Ende.
Also, der Menschensohn, Bar Enas, wie er im aramäischen Text genannt wird, kommt mit den Wolken vom Himmel und wird die Weltherrschaft aufrichten.
Dann hat man das Problem, dass zum Beispiel in Jesaja 53 – das werden wir noch sehen – in der Lehre der alten Rabbiner, der großen Lehre Israels, dieser Abschnitt wesentlich auf den Messias ausgelegt wurde. Jesaja 53 spricht über einen Messias, der nicht herrscht, sondern leidet. Man könnte hier besonders Jesaja 53,2-5 betrachten.
„Er hatte keine Gestalt und keine Kraft, und als wir ihn sahen, da hatte er kein Aussehen, das uns gefallen hätte. Er war verachtet und von den Menschen verlassen, ein Mann, der Schmerzen und mit Leiden vertraut war, wie einer, von dem man das Gesicht verbirgt. Er war verachtet, und wir haben ihn nicht geachtet. Doch unsere Leiden trug er, und unsere Schmerzen lud er auf sich. Wir aber hielten ihn für bestraft, von Gott geschlagen und niedergebeugt. Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Übertretungen und zerschlagen wegen unserer Sünden. Die Strafe lag auf ihm zu unserem Frieden, und durch seine Wunden ist uns Heilung geworden.“
Das ist schon eine völlig andere Beschreibung – gerade das Gegenteil. Das hat im Judentum zu Problemen geführt, wie man diese verschiedenen Beschreibungen zusammenbringen kann.
Das führte zur rabbinischen Auslegungstheorie, dass es zwei verschiedene Messiasse gibt. Man nennt den herrschenden Messias den Maschiach Ben David, den Messias, den Sohn Davids. Von David ist ja die Verheißung gegeben worden, dass von ihm der Messias abstammen wird und dass er seinen Thron bekommen wird.
Darum haben wir vom herrschenden Messias, dem Messias, dem Sohn Davids gesprochen.
Im Gegensatz dazu bezeichnet man den leidenden Messias als Maschiach Ben Joseph, den Messias, den Sohn Josephs. Diese Vorstellung wurde wohl in Anlehnung an die Geschichte Josephs entwickelt. Joseph wurde von seinen Brüdern abgelehnt, gehasst, verworfen, an die Heiden überliefert und musste unsägliches Leiden ertragen. So wurde der leidende Messias mit Joseph verglichen und deshalb als Maschiach Ben Joseph bezeichnet.
Die Entstehung der Zweiteilung und der Talmud
Wann ist die Auslegung entstanden? Das ist sehr schwierig zu sagen. Auf jeden Fall findet man sie bereits im Talmud, wo über Mashiach ben David und Maschiach ben Joseph gesprochen wird. Das kann also im Prinzip sehr weit zurückgehen.
Ich möchte kurz erklären, was der Talmud ist. Der Talmud ist das wichtigste theologische Werk im Judentum. Darin sind die sogenannten Auslegungen oder Lehren der großen Lehre Israels zusammengefasst, und zwar aus der Zeit vor Christus bis etwa zum ersten Jahrhundert. Diese wurden schriftlich festgehalten von einem Rabbi im zweiten Jahrhundert nach Christus. Man sieht, das war nach der Zerstörung des Tempels.
Damals gab es die Angst, dass die Lehrsätze, die ein Rabbi mündlich an seine Schüler und Studenten weitergegeben hatte, verloren gehen könnten. Deshalb begann man, diese mündlichen Überlieferungen schriftlich zu fixieren. Die Lehrsätze selbst sind aber schon sehr alt, denn auch Jesus bezieht sich auf die Überlieferung der Ältesten.
Ich gebe nur schon die Spielstelle an: Matthäus 15. Dort haben Schriftgelehrte und Pharisäer Jesus den Vorwurf gemacht, warum seine Jünger die Überlieferung der Ältesten übertreten. Denn sie waschen ihre Hände nicht, wenn sie Brot essen (Matthäus 15,2). Die Überlieferung der Ältesten sind die Lehrsätze und Erklärungen der großen Lehre Israels.
Diese wurden im zweiten Jahrhundert nach Christus schriftlich abgefasst. Das nennt man die Mischna. Den Ausdruck liest man immer wieder, weiß aber oft nicht genau, was er bedeutet. Mischna heißt im Prinzip „Wiederholung“, also die Wiederholung des Gesetzes, wie man das Gesetz konkret und praktisch im Alltag ausleben soll.
Die Mischna wurde im zweiten Jahrhundert nach Christus schriftlich festgehalten, aber die Sätze gehen zum Teil viel, viel weiter zurück. Der Talmud besteht jedoch noch aus einem zweiten Teil, nämlich aus Diskussionen späterer Rabbis über die Mischna. Diesen Teil nennt man die Gemara. Gemara heißt „Vollendung“. Es ist also gewissermaßen eine Diskussion über die Mischna.
Wenn man den Talmud liest, dann liest man zuerst einen Abschnitt der Mischna, und danach folgt die Gemara. Dann kommt wieder ein neues Traktat, ein neuer Teil, und es folgt wieder Mischna und Gemara. Es ist also nicht so, dass zuerst die Mischna komplett kommt und danach die Gemara, sondern es wechselt immer wieder ab. Das Zusammenspiel von Mischna und Gemara bildet den Talmud.
Talmud heißt auf Deutsch „Lehre“. Es gibt allerdings zwei verschiedene Talmude: den sogenannten babylonischen Talmud und den Jerusalemer Talmud. Beide enthalten die Mischna, also den ersten Teil, der gleich ist. Die babylonische Redaktion besteht aus einer Gemara, die in Babylonien zusammengestellt wurde, also im heutigen Irak. Die Jerusalemer Gemara wurde im Land Israel verfasst.
Welcher Talmud ist der wichtigere? Man meint oft, es sei der Jerusalemer, weil Israel ja das Heilige Land ist. Das ist jedoch falsch. Der babylonische Talmud ist der verbindliche. Ich möchte erklären, warum.
Nach der Zerstörung des Tempels im Jahr 70 gab es eine große Fluchtwelle von Juden aus dem römischen Einflussbereich. Der schnellste Weg, den Römern zu entkommen, war nach Babylonien, also in den Irak. Deshalb vergrößerte sich das Judentum dort in dieser Zeit sehr stark, etwa eine Million Juden flohen nach der Zerstörung des Tempels dorthin.
Das bedeutete, dass das Zentrum des Judentums nach der Zerstörung des Tempels Babylonien war. Die großen Lehrer Israels nach der Zerstörung des Tempels waren über Jahrhunderte bis ins Mittelalter im Irak ansässig. Die babylonischen Lehrer galten als die großen Lehrer und waren wichtiger als die, die im Land Israel blieben.
Maimonides zum Beispiel war nicht im Irak. Er reiste umher und war an verschiedenen Orten tätig, aber er lebte schon in der nachtalmudischen Zeit.
Der babylonische Talmud wurde etwa im 5. Jahrhundert vollendet, der Jerusalemer etwa im 6. Jahrhundert. Der Jerusalemer Talmud entstand also etwas später.
Damit man ein bisschen versteht, worum es geht, wenn man vom Talmud spricht: Bereits im Talmud findet man Erklärungen zu diesen beiden Messias. Das ist theoretisch eine Möglichkeit, wie man die zwei verschiedenen Beschreibungen zusammenbringen kann.
Wenn man das Neue Testament liest, findet man eine andere Erklärung. Die neutestamentliche Erklärung lautet, dass es einen Messias gibt, der in zwei Phasen erscheint. Zuerst kommt er als der leidende Messias und dann als der herrschende.
Die neutestamentliche Sicht auf den Messias
Dazu ein Vers aus Lukas 24, die Emmaus-Jünger: Sie sind völlig frustriert, niedergeschlagen und enttäuscht. Alle ihre Hoffnungen sind am Boden. Sie haben die Kreuzigung Jesu erlebt. Die zwei reden miteinander, als ein Fremder zu ihnen kommt. Sie erklären ihm ihre Lage. Ich kann etwa mal lesen, zuerst Vers 21, der Anfang: „Wir aber hofften, dass er der sei, der Israel erlösen solle.“
Sie hatten ganz klar die Hoffnung, dass der Messias, der Maschiach Ben David, kommen würde. Jemand, der herrscht und das römische Joch abwirft. Der Herr Jesus ist dann der Fremde, der Auferstandene. In Vers 25 bis 27 heißt es: „Und er sprach zu ihnen: O Unverständigen und im Herzen zu Träge, an alles zu glauben, was die Propheten geredet haben! Musste nicht der Christus dies leiden und in seine Herrlichkeit eingehen? Und von Mose und von allen Propheten anfangend erklärte er ihnen in allen Schriften das, was ihn betraf.“
Man kann hier einfach „Messias“ einsetzen, dann ist es dasselbe. Für uns ist das Wort „Christus“ wie ein Eigenname geworden. Deshalb verpasst man oft das richtige Verständnis des Textes. Wenn wir beim Lesen „Messias“ einsetzen, verstehen wir plötzlich, worum es geht: Musste nicht der Messias dies leiden und in seine Herrlichkeit eingehen? Zuerst musste der Messias leiden, dann kommt die Herrlichkeit.
Der Herr Jesus macht ihnen den Vorwurf, sie seien unverständig, also sie begreifen es nicht. „Im Herzen zu träge“ bedeutet, sie sind schwer von Begriff. Er wirft ihnen vor, dass sie nicht realisiert haben, dass es zwei Phasen geben muss: zuerst Leiden, dann Herrschen. Aber er macht nicht nur den Vorwurf, sondern erklärt es ihnen. Das ist so ein Spaziergang, bei dem ich gern dabei gewesen wäre.
Vers 27: „Von Mose und von allen Propheten anfangend erklärte er ihnen in allen Schriften das, was ihn betraf.“ Das ist sicher der spannendste Spaziergang der ganzen Weltgeschichte.
Darf ich fragen: Ist es nicht so, dass das jüdische Volk heute noch auf den Erlöser ihres Volkes wartet und nicht auf den Erlöser der ganzen Welt? Gerade haben Sie gelesen, dass im Danielischen Staat der Erlöser der ganzen Welt gemeint ist. Aus Israel hat man mir gesagt, sie warten auf die Erlösung ihres Volkes. Dann haben sie aber nur die Hälfte erzählt. Denn das ist die große Erwartung im Judentum: Der Messias kommt in erster Linie zur Befreiung des Volkes Israel, bringt aber letztlich das Heil zu allen anderen Völkern.
Zum Beispiel in der heutigen Tempelbewegung, die darauf hinarbeitet, dass der dritte Tempel wieder aufgebaut werden kann, tun wir das ganz bewusst im Blick darauf, dass das die Zeit des Messias ist. Dann sollen die Völker der Welt nach Jerusalem kommen und dadurch den einen Gott erkennen. Der Blick für die anderen Völker ist tief im Judentum verankert.
Allerdings muss man sagen: Die Juden waren in den letzten 2000 Jahren nicht missionarisch aktiv. Das lag daran, dass sie ein Volk der Verfolgungen waren. Das Judentum vor der Zerstörung des Tempels im Jahr 70 war sehr missionarisch ausgerichtet. Man war darauf aus, Heiden zu Juden zu machen. Es gab die Möglichkeit, dass einige Heiden eine Taufe, also ein Ritualbad, auf sich nahmen. So wurden sie Proselyten, also durch das Tauchbad. Sie mussten sich verpflichten, die Torah einzuhalten. Man war sehr darauf aus und führte auch richtig missionarische Aktivitäten aus.
Dann kamen die 2000 Jahre Judenverfolgung. Das führte dazu, dass sich das jüdische Volk nur noch auf sich selbst konzentrierte und den missionarischen Auftrag aus dem Auge verlor. Jetzt aber, seit der Gründung des Staates Israel, erwacht die missionarische Sicht wieder neu. Es gibt bereits Bewegungen, die richtig missionarisch tätig sind, um auch Nichtjuden für das Judentum zu interessieren.
Wir haben ja einen Vers im Alten Testament, der das unterstreicht. Wir kommen vielleicht noch auf diese Stelle: Jesaja 49, Vers 6. Dort sagt Gott zum Messias: „Es ist zu wenig, dass du nur Israel rettest. Ich habe dich gesetzt zum Heil, dass du ein Licht sein sollst für die Nationen bis ans Ende der Welt.“
Diese Sicht ist im Judentum vorhanden, aber durch Verfolgungen in den Hintergrund getreten, weil man sich nur noch mit sich selbst beschäftigt hat.
Matthäus 23 ist auch relevant. Dort hat Jesus im ersten Jahrhundert gesagt, dass die Schriftgelehrten und Pharisäer die Zeit und das Meer durchqueren, um einen Proselyten zu machen. Matthäus 23, Vers 15 lautet: „Denn ihr durchzieht das Meer und das trockene Land, um einen Proselyten zu machen.“ Das zeigt, dass sie wirklich missionarisch aktiv waren in dieser Zeit. Sie unternahmen sogar Weltreisen, um Heiden zum Judentum zu bringen und sie zu Proselyten zu machen.
Das erklärt auch, warum die Juden Paulus so großen Widerstand leisteten, als er zu den Heidenvölkern ging. Paulus machte von Anfang an den Heiden klar, dass sie nicht ins Judentum eintreten müssen. Wenn sie zum Glauben kommen, werden sie Christen, gehören zur Gemeinde Gottes oder Kirche Gottes, der Ekklesia, wie es im Neuen Testament heißt. Das ist kein Eintritt ins Judentum, sondern etwas völlig Neues.
Das war ein großes Ereignis. Hätte Paulus alle, die zum Glauben kamen, zu Juden gemacht, die einfach zur Sekte der Nazarener gehörten, wie es die Sekten der Pharisäer, Essener oder Sadduzäer gab, dann wäre das nur eine weitere Gruppe gewesen. Dagegen hätte man nichts gehabt.
Das große Ärgernis war, dass Paulus sagte: Ihr müsst euch nicht beschneiden lassen, ihr müsst nicht ins Judentum eintreten. Das konnten sie nicht akzeptieren.
Zusammenfassend ist die Sicht, dass der Messias für die Völker der Welt kommt, im Judentum verankert. Sie ist aber durch Verfolgungen in den Hintergrund getreten, weil sich das Volk lange nur mit sich selbst beschäftigt hat.
Die prophetische Sicht in 1. Petrus und Jesaja 53
Dann ist 1. Petrus 1,11 eine interessante Stelle, die ebenfalls zwei Phasen des Messias zeigt. Petrus spricht über die Bibelschreiber im Alten Testament, die selbst darüber nachgedacht haben, was das eigentlich bedeutet, was sie schreiben. Ich habe die Verse 10 und 11 überlesen:
„Nach dieser Seligkeit haben gesucht und geforscht die Propheten, die von der Gnade geweissagt haben, die für euch bestimmt ist, und haben geforscht, auf welche und was für eine Zeit der Geist Christi deutete, der in ihnen war und zuvor bezeugt hat die Leiden, die über Christus kommen sollten, und die Herrlichkeit danach.“
Also haben die Propheten im Alten Testament darüber nachgeforscht, auf welche Zeit sich das bezieht, was sie sagen und prophezeien müssen. Dann heißt es, dass sie von den Leiden gesprochen haben, die auf den Messias kommen sollten, und von der Herrlichkeit danach. Sie haben also gesehen, dass es zwei verschiedene Beschreibungen gibt, und sich gefragt, auf welche Zeiten sich das bezieht.
Ihnen selbst war das nicht alles einfach klar, sogar den Propheten nicht. Sie haben darüber nachgestudiert, aber sie haben die zwei verschiedenen Beschreibungen erkannt.
Ein Schlüsselvers oder Schlüsselverse sind die beiden letzten Verse in Jesaja 53. Lest mal etwa Vers 11 und 12:
„Von der Mühsal seiner Seele wird er Frucht sehen und sich sättigen; durch seine Erkenntnis wird mein gerechter Knecht die Vielen zur Gerechtigkeit weisen, und ihre Missetaten wird er auf sich laden. Darum werde ich ihm die Großen zuteilgeben, und mit Gewaltigen wird er die Beute teilen, dafür, dass er seine Seele ausgeschüttet hat in den Tod und den Übertretern beigezählt worden ist. Er aber hat die Sünde vieler getragen und für die Übertreter Fürbitte getan.“
Dort wird gesagt, dass der Messias die Sünde von anderen auf sich laden wird. In Vers 12 wird begründet: „Darum werde ich ihm die Großen zuteilgeben.“ Und dann wird noch einmal erklärt, in der Mitte von Vers 12: „Dafür, dass er seine Seele ausgeschüttet hat in den Tod.“
Das heißt, der Messias stirbt und schüttet seine Seele in den Tod aus. „Seele“ kann hier ein anderes Wort für Blut sein, denn schon das Gesetz sagt: Die Seele, man kann auch „Nefesh“ übersetzen mit Seele oder Leben. Das Leben ist im Blut. Wenn man das Blut verliert, ist das Leben fort.
Der Ausdruck „dass er seine Seele ausgeschüttet hat in den Tod“ bedeutet also, dass er sein Blut in den Tod vergossen hat.
Für das gebe ich ihm die Großen. Wer sind die Großen in der Welt heute? Clinton usw. Ihr könnt die Reihe selbst vervollständigen. Das sind die Großen. Und der Messias wird verheißenermaßen die Großen erhalten.
Das heißt, der Messias wird alle Reiche der Welt von Gott bekommen als Belohnung dafür, dass er sein Blut in den Tod gegeben hat.
Aus dem Text kann man also die zwei Phasen erkennen: Zuerst das Leiden, und dann, als Belohnung für das Leiden, bekommt er das Weltherrschaftsreich.
Es steht da, dass die Großen die Beute mit den Gewaltigen teilen. Die Gewaltigen sind Israel, das die Zeit der Drangsal überleben wird. Israel wird dann zur höchsten Nation gemacht werden, über alle anderen Völker.
So wird der Messias zusammen mit dem Volk Israel die Weltherrschaft haben. Und das sind gewissermaßen die Gewaltigen, mit denen er die Beute teilt.
Darum hat Israel nach wie vor die Verheißung, dass es die Weltherrschaft erhalten wird. So sollte dann Christus auch mitherherrschen.
Das kommt dann noch dazu. Aber das wird im Alten Testament nicht verraten, denn das Geheimnis Gottes war im Alten Testament verborgen, schrieb Paulus in Epheser 3.
Also geht es da speziell um Israel. Wer die Gewaltigen sind, die teilen, aber dem Messias selbst werden die Großen zuteil.
Gut, dass ... ja?
Diskussion über die Klarheit der prophetischen Texte
Zuerst bezüglich Peter selbst, dass der Prophet unklar gewesen sei, wann der Messias kommen soll: Ich habe anstelle von Daniel 9,26 den klareren Sinn ... Es geht um eine klare Zeit. Wir werden noch auf Daniel zurückkommen.
Zunächst einmal wird gesagt, dass der Messias ausgerastet wäre und nichts zu haben, was wohl so gemeint ist. Außerdem erfasst Daniel die Gegensätze in der Welt. Natürlich kann man sagen, dass bei Daniel speziell die Zahlen mitgeteilt wurden, etwa über den Kommen des Messias. Jesaja hingegen nicht, oder? Jesaja war früher; er konnte natürlich auch darüber nachdenken, auf wen sich das bezieht, wann das mit dem Gewaltigen ist, wann der Messias sein Leben im Tod ausschüttet.
Ob für Daniel alles klar war, ist noch eine andere Frage. Denn immer wieder wollte er Dinge genauer wissen, die ihm mitgeteilt worden sind. Man sagt, man solle dieses Buch versiegeln, denn es ist für spätere Zeit gedacht. Die Erkenntnis wird sich später mehren, und man wird dieses Buch in der Endzeit besser verstehen.
„Du aber geh hin, und du wirst am Schluss so verstehen.“ Also ist vieles nicht klar, was ihm gesagt worden ist.
Noch eine Frage zu der Stelle: Ja? Zu Ihrem Nächsten, dass wir nicht unterscheiden zwischen der Andeutung, die das Alte Testament auf den Messias macht, wo der Name Messias erwähnt wird, und der Stelle, wo messianische Deutungen verlangt werden. Da muss man unterscheiden.
Ist es möglich, dass Daniel eine von den wenigen Stellen ist, wo explizit das Wort Messias gebraucht wird? Ja, das ist so. Es ist ja die Rede vom König, die Aussage über den König, wo man zuerst Messias deutet.
Man kann es so sagen: Der Ausdruck Messias ist ein Begriff, der im Alten Testament gar nicht so häufig vorkommt. Das ist für uns jetzt der Fachausdruck geworden. Aber im Judentum hat man zum Beispiel auch vom Ben David gesprochen, etwa in Diskussionen im Talmud. Dort redet man über den Ben David, und man wusste, wer das ist: der Sohn Davids.
Es ist eben der Verheißene, der einmal kommen wird, um zu herrschen. Man kann also sagen, für den Messias oder für die messianische Idee gibt es verschiedene Bezeichnungen in der Bibel. Es ist nicht nötig, dass man überall den Ausdruck Messias findet. Es reicht, wenn über den Nachkommen Davids gesprochen wird, wie etwa in Psalm 89, Psalm 132 und 2. Samuel 7. Das reicht als Hinweis auf den Verheißenen, der einmal der Große sein wird.
Sind das auch die, die ihm zuteilwerden, die Besessenen? Nach Jesaja 24 werden sie in den Abgrund kommen, in den Abgrund, also zum Schemel seiner Füße.
Ja, noch weiter. Ich gebe noch schnell die Stelle an, wir können nicht alle Stellen nachlesen, sonst kommen wir mit der Zeit nicht durch. Aber für die, die das interessiert: Er meint, was mit den Engelmachten und den Gefallenen passiert, die heute über die Völker der Welt herrschen.
Das wird in Jesaja 24,21-23 beschrieben. Sie werden eingesperrt in den Abgrund. Darum haben ja die Dämonen, die in dem besessenen Gadarener waren, als sie den Messias, Jesus, gesehen haben, gesagt: „Was bist du schon jetzt gekommen, um uns in den Abgrund zu schicken?“ Sie hatten Angst, jetzt sei es aus. Aber es war noch nicht Zeit. Sie verstanden auch nicht, auf welche Zeit sich das bezieht.
Man sieht also, es ist nicht nur für Menschen schwierig, im Allgemeinen, es ist auch für Propheten schwierig. Und es ist sogar schwierig für Engelmacht, zu verstehen, was die Sache in der Bibel bedeutet.
Das soll eine Ermutigung sein für diejenigen, die das Gefühl haben, sie verstehen vieles nicht in der Bibel. Das ist völlig normal. Diese zwei Phasen.
Die Abstammung Jesu und die Verbindung von Messias ben David und ben Joseph
Jetzt ist aber noch etwas ganz Interessantes. Der Herr Jesus war ja ein nachweislicher Nachkomme Davids. Darum hat man ihn im Volk damals allgemein als Sohn Davids gekannt. Zum Beispiel hat der Blinde bei Jericho doch gerufen: Jesus, Sohn Davids, erbarme dich meiner – Jeschua ben David, so hat er geschrien, oder? Das war bekannt.
Seine Mutter, die Maria, war ebenfalls eine Nachkommin Davids. Ihre Abstammungslinie ist im letzten Abschnitt von Lukas 3 aufgeschrieben. Das war bekannt. Interessant ist auch, dass Jesus in Nazaret in der Synagoge aus der Bibel vorgelesen hat, eine Lesung aus Jesaja, wie in Lukas 4 berichtet wird. Das durfte man nicht, wenn man kein einwandfreies Geschlechtsregister hatte. Zum Beispiel hatte jemand, der unehelich geboren war, in Israel kein Recht, in der Synagoge eine Lesung zu machen.
Also ist es interessant, dass die Abstammung von Maria anerkannt war – ebenso wie seine Abstammung durch David. Aber wie hieß sein Adoptivvater? Joseph. So war er der Messias ben Joseph, und durch Maria war er der Messias ben David in einer Person.
Besonders interessant ist die Verbindung mit der Ankündigung seiner Geburt, als ein Engel zu Maria kam. Lesen wir, was der Engel Gabriel in Lukas 1 gesagt hat. Eine der höchsten Engelmachten kam zu Maria, und in den Versen 31 bis 33 heißt es: „Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird ein König sein im Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.“
Da wird also seine Aufgabe angekündigt: Er kommt auf den Thron seines Vaters David und wird in Ewigkeit herrschen. Ganz genauso wie in Daniel 7, Vers 14. Dort haben wir ganz deutlich den Messias, den Ben David, der herrscht. Es wird nicht über sein Leiden gesprochen.
Joseph hatte ebenfalls eine Erscheinung, allerdings im Traum. Was hat der Engel ihm gesagt? In Matthäus 1,20 heißt es: „Während er dies überlegte, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sprach: Joseph, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn das in ihr Gezeugte ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk erretten von ihren Sünden.“
Hier geht es um den Messias, der leiden wird. Derjenige, der sein Volk rettet, wie in Jesaja 53 beschrieben. Das wäre also die Vorstellung des Messias ben Joseph. Der leidende Messias wird Joseph angekündigt, und der herrschende Messias wird Maria, der Tochter Davids, angekündigt. So haben wir also zwei Beschreibungen: Eine bei Joseph und eine bei Maria. Es geht um ein und denselben Messias.
Sehr gut, denn gerade in dem Text steht „Joseph, Sohn Davids“. Sein Geschlechtsregister wird in Matthäus 1,2-17 beschrieben und führt zurück bis Abraham. Das heißt, Maria und Joseph haben identische Geschlechtsregister von Abraham bis David. Beide sind Nachkommen Davids, aber die Linie von Joseph und Maria trennt sich dann bei den Nachkommen Davids.
Joseph stammt direkt von Salomo ab, dem größten König Israels, und führt dann durch die Königslinie von Juda. Maria hingegen stammt von einem Bruder Salomos ab, von Nathan, und diese Linie verläuft neben der Königslinie.
Das heißt, Maria war im Gegensatz zu Joseph nicht aus der königlichen Linie. Wenn man das Geschlechtsregister von Joseph studiert, sieht man, dass der letzte König aus seiner Linie Jekonia war, der letzte König vor der babylonischen Gefangenschaft. Wie in Vers 11 erwähnt: Jekonia.
Jekonia hat sich so unmoralisch verhalten, dass der Prophet Jeremia ihm in Jeremia 22 einen Fluch ausspricht. In Jeremia 22,24-30 heißt es: „So spricht der Ewige: Schreibe diesen Mann auf als kinderlos, als einen Mann, der kein Gedeihen hat in seinen Tagen; denn von seiner Nachkommenschaft wird keiner gedeihen, der auf dem Thron Davids sitzt und fortan über Juda herrscht.“
Das bedeutet, die Königslinie wurde verflucht. Der letzte König, Jekonia, erhielt den Fluch, dass kein Nachkomme aus seiner Linie jemals wieder auf dem Thron sitzen und herrschen wird.
Der lange Rede kurzer Sinn: Joseph hätte nie König werden können. Aber dadurch, dass Maria und Joseph sich verliebten und heirateten, wurde Joseph zum Adoptivvater von Jesus. Dadurch erhielt Jesus juristisch das Anrecht auf das Geschlechtsregister aus der Königslinie. Er war aber kein Samen von Jekonia.
Durch Maria wurde erfüllt, dass der Messias aus dem Samen Davids kommen muss, also ein biologischer Nachkomme Davids ist. Das ist ein weiterer Aspekt der Jungfrauengeburt. Dadurch war es möglich, dass sich die Königslinie und der Fluch nicht auf Jesus auswirkten.
Darf ich nur fragen: Ist Jesus der Erste, der diesen Namen trug, oder war das schon ein Name, der vorher üblich war? Das weiß ich nicht genau. Jesus ist die griechische Aussprache, nicht die Übersetzung, der hebräischen Form Jehoschua oder der Kurzform Jeshua.
Das Buch Josua heißt in der Bibel Sefer Jehoschua. Darum hat die Septuaginta, die älteste Übersetzung aus dem dritten Jahrhundert vor Christus, das Buch Josua als „Buch Jesus“ bezeichnet.
In der nachexilischen Zeit, also als man aus Babylon zurückkehrte, findet man die Kurzform zum Beispiel beim Hohepriester Jeshua im Buch Sacharja 3,1 und folgende. Das war ein üblicher Name in Israel.
Der Messias wurde dann mit diesem Namen bezeichnet. „Jeho“ oder „Je“ steht für den Ewigen, eine Kurzform von Yahweh, und „schua“ bedeutet Rettung. Also heißt der Name: Der Ewige ist Rettung. Deshalb das Wortspiel: „Du sollst seinen Namen Jesus nennen, denn er wird sein Volk erretten von ihren Sünden.“
Wenn er jetzt Adoptivsohn von Joseph war, dann geht die Linie eigentlich über Joseph. Aber ich wollte damit sagen, dass man ihn nicht als unehelichen Sohn angesehen hat. Seine Abstammung wurde also anerkannt, auch in Nazareth. Sonst wäre das nicht möglich gewesen.
Auch später ist er im Landeswittischen in der Synagoge aufgetreten und hat dort gepredigt. Das hätte man nie zugelassen, wenn seine Abstammung nicht einwandfrei gewesen wäre.
Die Geschlechtsregister wurden gesammelt und im Tempel in Jerusalem aufbewahrt. Wenn jemand im Land bekannt wurde, wurden diese Register sofort untersucht. Wären sie nicht einwandfrei gewesen, hätte man ihn als unkompetent abgetan. Aber das war nicht möglich.
Denn die Sache mit den Geschlechtsregistern war ganz eindeutig. Spätestens hätte man alle Dinge in der Verordnung geprüft. Das wäre ein schwerwiegender Fehler gewesen, und man hätte ihn abgelehnt.
Ja, das könnte man als eine massive Ausfälligkeit bezeichnen. Aber er hat nicht einmal den allgemeinen Erwartungen entsprochen.
Wobei die Frage ist, wie weit man anerkannt hat, dass es tatsächlich eine wunderbare Geburt war. Vielleicht zurückkommend darauf: Sogar im Judentum gab es das Verständnis, zum Beispiel im Mittelalter, dass der Messias auf wunderbare Art geboren werden werde.
Der Rabbi sagte, es werde keinen Mann geben, von dem man sagen könne, er sei der Vater des Messias.
Sogar im Mittelalter findet man diese Auffassung im Judentum. Würde man das einem durchschnittlichen Juden heute sagen, würde er ausfallend werden und behaupten, das habe mit Judentum überhaupt nichts zu tun.
Dann muss man fragen, was mit „Judentum“ gemeint ist: das alte Judentum oder das moderne Judentum. Denn das moderne Judentum im zwanzigsten Jahrhundert unterscheidet sich in vielen Hinsichten ganz massiv vom alten Judentum vor zwanzig Jahren und sogar noch vom Mittelalter.
Seit dem Mittelalter gab es wesentliche Änderungen in der Auslegung, gerade was die messianische Deutung betrifft.
Ich habe jetzt nicht ganz verstanden, wer eigentlich in der Synagoge predigen durfte. Waren das ausschließlich Leute mit einwandfreiem Geschlechtsregister? Und aus jedem Stamm, zum Beispiel aus dem Stamm Juda oder einem anderen Stamm?
Aus jedem Stamm, ja. Aber wenn jemand aus einer Mischehe stammte, zum Beispiel wenn der Vater ein Heide war und die Mutter eine Jüdin, dann wäre das etwas nicht Sauberes gewesen. Oder wenn jemand unehelich geboren wurde, hätte man ihn nicht akzeptiert, um vorzulisten in der Synagoge.
Die Tatsache weist darauf hin, dass man Jesus erstens als Volljuden ansah und zweitens, dass er nicht unehelich geboren wurde.
Paulus war also ein Volljude. Timotheus hingegen hätte in der Synagoge wohl nichts tun dürfen. Für ihn war es vorteilhaft, dass seine Mutter Jüdin war.
Denn das ist auch heute noch die rabbinische Auffassung: Wer eine jüdische Mutter hat, gilt als Jude.
Da ist etwas Unsicherheit dabei, aber doch wird er als Jude anerkannt. Hingegen wenn nur der Vater Jude ist, muss derjenige das Judentum praktizieren und beweisen, dass er von der Religion seiner Väter überzeugt ist.
Das hat verschiedene Gründe: Die Mutter prägt das Kind mehr in Wesen, Empfinden und Denken. Zweitens kann man die Mutterschaft leichter beweisen als die Vaterschaft. Das ist ein praktischer Aspekt, denn die Mutter weiß meistens genau, welches Kind sie am Anfang in den Armen hatte.
Aber dann hätten im alten Judentum ja die Leute merken müssen, dass Jesus der Erwartete war, wenn sie die außergewöhnliche Geburt anerkennen.
Tatsächlich sind Tausende in neutestamentlicher Zeit zum Glauben an den Messias gekommen. In Apostelgeschichte 21 heißt es: „Siehe, wie viele Zehntausende der Juden es gibt, die glauben, und alle sind Eiferer für das Gesetz.“
Die messianische Bewegung war riesig. Nach ein paar Monaten hatten die Männer schon eine Zahl von 5.000 in Jerusalem erreicht, wie in Apostelgeschichte 5 berichtet wird.
Wie viele Pharisäer gab es damals? Sie hatten über sechstausend Mitglieder. Die Sadduzäer waren noch weniger, bedeutend weniger.
Jetzt kam eine neue Bewegung, und innerhalb von Monaten waren es bereits fünftausend Männer. Das war ein schnelles Wachstum.
Man versteht, warum die Sadduzäer so eifersüchtig wurden, wie in der Apostelgeschichte beschrieben. Es war wirklich keine kleine Sache, sondern eine große Bewegung.
Zusammenfassung und Ausblick zur Pause
Es gibt noch etwas. Gut, jetzt ist es drei, und nach dem Plan müssen wir eine Pause machen. Es ist gut, wenn keine Fragen mehr offen sind, dann weiß Sophie, dass alles klar ist.
Wir haben gesehen, dass wir aus dem Alten Testament selbst erkennen können, besonders am Schluss von Jesaja 53, dass der Messias in zwei Phasen erscheint: zuerst leidet er, und dann herrscht er. Neutestamentlich finden sich die beiden Beschreibungen Messias ben Joseph und Messias ben David, aber in einer Person.
Außerdem haben wir gesehen, wie bedeutend das Geschlechtsregister von Joseph und Maria ist und wie unbedingt nötig es war, dass sie zusammenkamen. Das ist aus einem ganz tief menschlichen Grund bemerkenswert. Maria und Joseph, als sie sich verlobten, ahnten sie nicht, dass ihre Beziehung heilsgeschichtlich von großer Bedeutung und Tragweite sein würde. Genau sie mussten zusammenkommen. Sie hatten offensichtlich die Überzeugung vom Willen Gottes und wollten das auch. Sie hatten sich ja verliebt. Das zeigt, wie hoch Gottes Wege sind; er kann uns führen. Erst im Nachhinein erkennt man die volle Tragweite und dass es wirklich Gottes Führung war. Josef und Maria sind ein eindrückliches Paradebeispiel dafür.
Nebenbei gesagt war es damals im Judentum üblich, dass ein Mädchen sich im Alter von zwölf bis vierzehn Jahren verlobte und etwa mit vierzehn heiratete. Bei den Jungen lag die Verlobung zwischen sechzehn und achtzehn Jahren, und die Heirat erfolgte meist mit achtzehn. Wir sind heute vielleicht schockiert und fragen uns, ob das möglich ist. Doch die gesamte Gesellschaftsstruktur war damals ganz anders, und man kann das nicht einfach auf unsere Zeit übertragen. Wobei es manchmal dunkel erscheint: Es wäre wahrscheinlich eine große Lösung, wenn wir das wieder einführen könnten und unsere Gesellschaft so verändern würden. Denn dadurch fällt die lange Spannungszeit der Pubertät schlicht weg. Bei uns wird die Pubertät sehr weit hinausgeschoben, oft noch mit Berufsausbildung, Studium oder Zusatzausbildungen. Das Problem wurde damals also ganz anders gelöst.
Gut, das war die Situation damals, und man darf das nicht absolut setzen. Zum Beispiel heiratete Jakob erst mit sechzig Jahren. Es gibt also auch andere Möglichkeiten. Das ist ein Gegengewicht, damit man nicht meint, das sei das Ideal, mit vierzehn oder sechzehn zu heiraten.
Der Grund, warum ich das noch sage, ist folgender: Man muss fühlen, wie lange jemand für das Neue gebetet hat. Beim Isaak war es so, er hat vierzig Jahre gebetet. Jakob hat auch lange gebetet, sicherlich. Und das Kind kam relativ spät, aber es kam noch. Ich will das nur als Gegensatz zeigen, dass man das nicht als Ideal ansehen soll und nicht in Torschlusspanik verfallen muss. Der Patriarch Jakob gibt Hoffnung, dass es auch ganz anders biblisch aussehen kann.
Aber das war eigentlich nicht der Punkt, den ich nachsprechen wollte. Wir haben in einem E-Seminar gehört, dass Maria die Botschaft vom Engel bekam und geglaubt hat. Man stellt sich da oft eine junge Frau von 25 Jahren vor, aber sie war ein Mädchen. Joseph wird als gerechter Mann beschrieben, auf Hebräisch „Tzaddik“. Das bedeutet, er lebte außergewöhnlich nach der Tora. Er war ein achtzehnjähriger junger Mann. Es gibt also noch andere Dimensionen.
In diesem Moment wusste Maria um die heilsgeschichtlich große Bedeutung, woher der Engel kam. Waren sie vorher verlobt? Nein, sie waren schon vorher verlobt, ja klar. Deshalb wollte Joseph sie stillschweigend als Verlobte entlassen. Doch er war eben ein Tzaddik, ein Gerechter, und wollte sie nicht öffentlich bloßstellen. Man muss sich vorstellen, dass ein achtzehnjähriger junger Mann, der streng nach der Bibel lebte und vorbildlich war, so handelte. Das gibt der ganzen Geschichte einen anderen Bezug.
Übrigens, noch zur Josef-Messias-ben-Joseph-Geschichte: Der leidende Messias ist interessant. Joseph wurde von seinen Brüdern verworfen, gehasst und an Heiden übergeben. Mit einer kanaanitischen Karawane wurde er gekauft, mitgenommen und nach Ägypten verkauft. Dort geriet Joseph erneut in eine Grube, also zweimal. Er wurde auch von den Heiden verworfen, in Ägypten. Das zeigt, dass der Messias von Israel und von den Heiden verworfen wurde. Die Römer kreuzigten ihn schließlich. Beide Male fiel Joseph in eine Grube, ein Bild für das Grab. Doch in beiden Fällen kam er wieder heraus: aus der Grube bei seinen Brüdern und aus Ägypten. Er stieg zum Herrscher über Ägypten auf, während seine Brüder nichts mehr von ihm wissen wollten.
So wurde der Messias vom jüdischen Volk und von den Heiden verworfen, aber er stand am dritten Tag auf und herrscht seit den letzten zweitausend Jahren. Millionen Heiden, Nichtjuden, sind ihm gefolgt, während ein großer Teil des jüdischen Volkes ihn nicht erkannte.
Doch die Josefsgeschichte ist noch nicht zu Ende. Dann kam die große Drangsal über die Brüder Josefs. Sie gerieten in höchste Not und suchten Hilfe in Ägypten. Sie erkannten ihren Bruder nicht, und er war sehr hart zu ihnen. Doch Josef hörte, wie sie sagten, sie hätten Angst vor ihren Brüdern. Er merkte, dass sich etwas verändert hatte. Er sagte, beim nächsten Mal, wenn sie kommen, sollten sie Benjamin, den Jüngsten, mitbringen. Sie antworteten, das könnten sie ihrem Vater nicht antun. Josef erkannte, dass wirklich eine Veränderung stattgefunden hatte und sie das Gleiche nicht wieder tun würden.
Schließlich kam der dramatische Augenblick, als Josef sich zu erkennen gab und sagte: „Ich bin Josef, euer Bruder.“ Er begann zu weinen und umarmte seine Brüder. Das entspricht genau der Stelle in Sacharja, wo der Messias kommen wird. Dort heißt es in Sacharja 12,10: „Und sie werden auf mich blicken, den sie durchbohrt haben; und sie werden über ihn wehklagen, wie man über den einzigen Sohn wehklagt.“ Das ganze Land wird eine Totenklage anheben über den, der vor ihnen steht und lebt.
Wir sehen also in der Josefsgeschichte die beiden Phasen: zuerst Leiden und Verworfenwerden, dann Herrschen – sowohl über die Brüder als auch über die Heiden, über Ägypten. Das ist wunderbar dargestellt.
Am nächsten Bibelstudientag werde ich eine Statue von Josef zeigen, die kürzlich gefunden wurde, passend zu den neuen ägyptischen Chronologien und Identifizierungen. Dann sehen wir, wie Josef ausgesehen hat – nicht so, wie man es sich vorgestellt hat. Ich werde auch seinen Palast in Ägypten zeigen, seine Säulenhalle mit zwölf Säulen. Übrigens hat man sein Bett gefunden, das größte Bett, das je in ganz Ägypten gefunden wurde. Das passt gut zum Traumdeuter Josef, den die Brüder spöttisch „der Träumer“ nannten. Also, das nur als kleiner Ausblick.
Das Interessante ist, dass man in der ganzen Josefsgeschichte etwa 300 Parallelen zum Messias findet. Das ist phänomenal und bringt uns zum Thema des leidenden und herrschenden Messias.
Gibt es bis hierhin noch Fragen?
Der nächste Abschnitt, den wir behandeln, ist Sacharja 12,10-14. Ich habe unter dem nächsten Abschnitt eine Sammlung von Bibelstellen gemacht, die im Judentum messianisch gedeutet werden. Auffällig ist, dass es dieselben Stellen sind, die auch im Christentum auf den Messias gedeutet werden. Das ist sehr wichtig.
In der liberalen Theologie wird die messianische Prophetie oft als christliche Interpretation abgetan und als bedeutungslos betrachtet. Das ist jedoch falsch. Die Stellen wurden nachweislich nicht erst von Christen auf Jesus von Nazareth bezogen, sondern im Judentum unabhängig davon als messianisch verstanden. Das verleiht der Beweisführung große Kraft.
Sogar Senig, der Jesus von Nazareth als Messias ablehnt, spricht von denselben Stellen, wenn er vom Messias redet. Das gibt der Beweisführung noch mehr Gewicht.
Man hat mit diesen Stellen gerechnet und kann zeigen, dass Jesus von Nazareth sie eindrücklich erfüllt hat. Es ist nicht gemeint, dass wir alle Stellen durchgehen, sondern dass wir eine Sammlung haben. Sie ist nicht vollständig, deshalb habe ich am Schluss „etc.“ geschrieben. Aber es sind sehr wichtige Stellen.
Das führt uns zu Jesaja 53. Leider hat derjenige, der die Kapitel eingeteilt hat, schlecht eingeteilt. Der ganze Abschnitt über den Knecht Gottes beginnt bereits in Kapitel 52, Vers 13. Können wir dort mal schnell lesen? Ich meine nur den Anfang, nicht den ganzen Abschnitt.
Jesaja 52,13-15:
„Siehe, mein Knecht wird Erfolg haben, er wird erhöht und sehr hoch erhaben sein. Wie sich viele über ihn entsetzen, weil seine Gestalt hässlicher war als die der Menschen und sein Aussehen anders als das der Menschenkinder. So wird er viele Heiden besprengen, dass auch Könige ihren Mund vor ihm verschließen werden, denn was ihnen nicht verkündet wurde, das werden sie sehen, und was sie nicht gehört haben, das werden sie verstehen.“
Jesaja 53,1-3:
„Wer hat unserer Verkündigung geglaubt, und wem ist der Arm des HERRN offenbart? Er schoss auf vor ihm wie ein Reis und wie eine Wurzel aus dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt und Hoheit, dass wir ihn anschauen wollten, und kein Aussehen, dass wir ihn begehrten. Er war verachtet und von den Menschen verlassen, ein Mann der Schmerzen und mit Leiden vertraut; und wie einer, vor dem man das Gesicht verbirgt, war er verachtet, und wir achteten ihn nicht.“
Ich mache danach weiter.
Der Ausdruck „Messias“ kommt in diesem Text nicht vor. Ich habe gesagt, das ist kein Zufall, denn die meisten messianischen Stellen tragen gar nicht den Titel „Messias“. Aber hier haben wir den Titel „Avdi“, das heißt „mein Knecht“. Es gibt in Jesaja mehrere Stellen, die vom Knecht des HERRN sprechen, und das ist ein Titel für den Messias.
Heute ist es im Judentum so, dass, wenn man einem Juden sagt, Jesaja 53 spreche vom Messias, die Antwort oft lautet, das stimme nicht. Im Judentum wird dieser Abschnitt auf Israel gedeutet, das jüdische Volk, das viel leiden musste unter den Völkern. Der leidende Knecht sei Israel, das Volk Gottes.
Was verschwiegen wird, ist, dass diese Auslegung nicht alt ist, sondern vor allem heute vertreten wird. Auch in israelischen Schulbüchern findet man diese Deutung. Die alten jüdischen Auslegungen und sogar der Talmud erklären das Kapitel jedoch als messianisch.
Was ist passiert? Vor allem im Mittelalter haben große Ausleger wie Raschi und Abrabanel diese Deutung eingeführt und verbreitet. Sie sagen, das sei entgegen der Auffassung der früheren Lehrer. Warum wurde die Interpretation gewechselt? Natürlich wollten Christen mit diesem Kapitel argumentieren, und es war so überzeugend, dass man etwas dagegen tun musste. Deshalb wurde die Interpretation geändert und gesagt, es rede nicht vom Messias, sondern vom Volk Israel, dem leidenden und verachteten Volk unter den Völkern.
Zum Beispiel im Targum Jonathan ben Uzziel, einer aramäischen Übersetzung der Propheten aus der Zeit zwischen dem ersten und fünften Jahrhundert, steht in Jesaja 53 die Übersetzung: „Siehe, mein Knecht, der Messias wird einsichtig handeln.“ Der Übersetzer setzt hier direkt den Ausdruck „Meschicha“, also Messias, ein. Das beweist, dass es eine sehr alte messianische Auffassung gibt.
Noch etwas Wichtiges: Das Targum Jonathan ben Uzziel hat eine sehr alte Tradition und geht wahrscheinlich in die vorchristliche Zeit zurück. Das verleiht der messianischen Deutung von Jesaja 53 zusätzliches Gewicht.
Sogar im babylonischen Talmud, im Traktat Sanhedrin 98b, wird diskutiert, für wen der Wald geschaffen wurde. Es wird vertreten, dass er für den Messias geschaffen wurde. Dort wird auch gefragt, wie sein Name sei, und es heißt: „Die Rabbiner sagten: der Aussätzige, denn es heißt: ‚Fürwahr, er hat unsere Krankheiten getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen.‘ Wir aber hielten ihn für aussätzig, von Gott geschlagen und niedergebeugt.“
Das Wort „aussätzig“ ist im Judentum ein Fachausdruck speziell für Lepra. Es wird hier als Titel für den Messias verstanden.
Die Rabbiner, die hier zitiert werden, sind wichtige Lehrer Israels, was der Aussage noch mehr Gewicht verleiht.
In einem anderen Kommentar, dem „Yalkut Shimoni“, einem wichtigen rabbinischen Kommentar aus dem Mittelalter, heißt es zu Jesaja 52,12: „Dies ist der König Messias, er wird erhoben und erhöht und sehr hoch sein.“ Ich habe das ein wenig frei übersetzt.
Er wird mehr erhoben als Abraham, höher als Mose und höher als die dienenden Engel – die drei klassischen Stufen.
Das erinnert stark an den neutestamentlichen Hebräerbrief, wo genau so über den Sohn Gottes gesprochen wird: dass er höher ist als alle Engel (Hebräer 1), höher als Mose (Kapitel 3) und höher als Abraham (Kapitel 7), weil er größer als Melchisedek ist, der größer als Abraham war. Das ist eine neutestamentlich anklingende Auslegung.
Wie kamen die Rabbiner auf diese Idee? Sicherlich haben sie den Hebräerbrief nicht abgeschrieben. Das weist darauf hin, dass es eine alte Auslegungstradition gab, die im Hebräerbrief aufgenommen wurde.
Es sind also nicht nur einzelne Zitate, sondern eine Fülle von Belegen.
Eine schöne Sammlung solcher Zitate findet man bei Arnold Fruchtenbaum in „Jesus war ein Jude“. Das Buch kann man empfehlen; viele Juden sind dadurch zum Glauben gekommen. Fruchtenbaum ist ein ursprünglich polnischer Jude, der nach Amerika emigriert ist.
Ich hätte noch ein Zitat von Rabbi Alschesch aus dem 16. Jahrhundert über Jesaja 53. Das ist schon später als die von Raschi erwähnte Umdeutung. Die alten Rabbiner nahmen auf das Zeugnis der Tradition hin an, dass Jesaja 53 vom König Messias spricht. Das ist ein typischer Titel für den Messias. Daraus folgt, dass das Subjekt dieser Weissagung David, nicht Joseph, ist. Das ist ganz klar.
Die wirklichen Juden sagen, dass Israel viel leiden musste, aber dass das letztlich zum Wohl der anderen Völker geschah. Die anderen Völker konnten durch Israel viel profitieren in den vergangenen zweitausend Jahren.
Natürlich kam auch viel Fluch über die Nationen durch das jüdische Volk. Freud etwa, mit seiner tiefen Psychologie, hat seine Kultur versaut und unmoralisch gemacht; er war Jude. Marx, der mit dem Kommunismus viel Elend brachte, war ebenfalls Jude. Einstein war ein überzeugter Pazifist, aber wurde unfreiwillig zum Vater der Atombombe. Man muss beides sehen: sowohl Segen als auch Fluch sind biblisch begründet.
Nun noch zu Jesaja 53, Vers 8: „Er ist aus Angst und Gericht hinweggenommen; wer kann sein Geschick ermessen? Denn er ist aus dem Land der Lebenden weggerissen, weil er für die Missetat meines Volkes geplagt war.“
Hier wird deutlich, dass er stellvertretend für „mein Volk“ leidet. Er wird also vom Volk Gottes unterschieden. Er ist nicht identisch mit Israel, sondern leidet für das Volk Gottes. „Ammi“ heißt auf Hebräisch „mein Volk“.
Vers 9: „Wer wagt zu sagen, dass in seinem Maul kein Trug gefunden wurde?“ Das kann niemand sagen, außer dem Messias. Kein Volk und kein Mensch kann das von sich behaupten.
In der revidierten Elberfelder Übersetzung steht „wegen des Vergehens seines Volkes hat ihn Strafe getroffen“, ohne Fußnote. Andere Übersetzungen haben ebenfalls keine Fußnote. In der Qumran-Handschrift steht „mein Volk“.
Die Jesajarolle von Qumran wird heute auch von bibelkritischen Theologen oft als schlechter als der masoretische Text angesehen. Der masoretische Text gilt im Zweifel als der richtige Text. Qumran war eine Randgruppe, die weniger Texttreue hatte als das offizielle Judentum.
Der masoretische Text verfolgt eine direkte Überlieferungstradition. Die andere Jesajarolle von Qumran ähnelt dem masoretischen Text. Die populäre Jesaja-Rolle A hat „sein Volk“.
Die Lesart „sein Volk“ in der revidierten Elberfelder ist ein schwerer Fehler und ein alter Zopf. Vor der Entdeckung von Qumran glaubte man, dass alte Übersetzungen wie die Septuaginta und Vulgata einen ursprünglicheren Text hätten als das offizielle Judentum. Doch Qumran zeigte, dass der Bibeltext im Wesentlichen gleich geblieben ist und der masoretische Text oft sogar altertümlicher ist.
Das sind zwei große Errungenschaften der Qumran-Forschung. Die revidierte Elberfelder Übersetzung basiert leider auf einem Stand vor der Qumran-Forschung.
„Sein Volk“ ist also „mein Volk“, das Volk Jesu, und nicht der Vater. Das ist klar. Wer dennoch eine Ausflucht sucht, dem ist es schwer möglich.
Es kommt letztlich auf dasselbe hinaus: der Knecht ist nicht das Volk Gottes, sondern leidet für das Volk Gottes.
Danke.
In meiner Übersetzung heißt es: „Wie sich viele über dich entsetzt haben und vor dir geschlossen wurden.“ Das entspricht alten Übersetzungen wie der syrischen Übersetzung und zwei Manuskripten.
In der syrischen Übersetzung und im Targum steht „über dich“, was der richtige Text ist. Das ist leider ein Nachteil der revidierten Elberfelder, dass oft alte Übersetzungen anstelle des masoretischen Textes genommen wurden. Man macht eben Fehler.
Ich möchte noch auf ein Zitat eines Rabbiners hinweisen, auch in Verbindung mit Jesaja 53. In einem rabbinischen Kommentar namens „Schneeluchot ha-Brit“ („Die zwei Tafeln des Gesetzes“) steht in Kapitel 242a: „Er, der Messias, wird sich selbst und sein Leben zum Tod übergeben, und sein Blut wird für sein Volk Versöhnung bewirken.“ Das ist das Evangelium.
Man sieht, wie deutlich das in der alten rabbinischen Literatur verankert ist, trotzdem ist der Normaljude heute oft unwissend darüber. Jesaja 53 wird bei der Sabbatlesung, dem „Dos Yadur“, nie in der Synagoge vorgelesen. Nur Juden, die persönlich Bibel lesen, kommen in das Kapitel hinein.
Wenn sie darauf hingewiesen werden und verunsichert sind, gehen sie zum Rabbi, der sagt, das sei vom Volk Israel, und erzählt nicht, dass die alte rabbinische Literatur es ganz klar messianisch deutet und sogar den Gedanken vom stellvertretenden Versöhnungsblut des Messias für sein Volk enthält.
Man kann verstehen, dass die große Erweckung erst nach der Entrückung stattfinden wird, wenn der Überrest Israels umkehrt. Das wird im Alten Testament vielfach vorausgesagt.
Dann wird Gott die Verblendung vieler Juden wegnehmen, und plötzlich wird alles klar – so wie bei Saulus, dem späteren Paulus. Ihm wurde die Decke weggenommen, und danach kam alles ins richtige Licht. Er konnte das Evangelium offensiv und überzeugend verkünden.
Wir kennen das Alte Testament so gut, und plötzlich ist alles klar. Im Grunde ist es wie eine Zeitbombe in der rabbinischen Literatur, die explodiert, sobald Gott den Schleier wegnimmt.
So werden messianische Juden auf die Idee kommen, dass Jesus schon da ist und schon in Jerusalem regiert.
Ich habe diese Auffassung noch nie gehört. Wo hast du die her? Das müsste eine ganz extreme Meinung sein.
Ich weiß es. Es ist eine Jüdin, die früher Christin war und sehr andersartig ist.
Ah ja? In einer messianischen Gemeinde?
Ja, sie ist ein Einzelgänger.
Eben, das ist also keine verbreitete Meinung.
Ich habe auch Israel-Dienste und christliche Kongresse besucht, und dort gibt es die gleiche Verwirrung. Ein messianischer Jude sagte einmal: „Ihr Christen, legt doch endlich das Zepter der Christenheit aus euren Händen und gebt es den Juden zurück.“ Dabei hatten wir nie ein Zepter. Wenn jemand ein Zepter hat, dann Christus, und er wird es haben, ob Christen oder Juden.
Wahrscheinlich meinte er die organisierte Kirche der letzten 2000 Jahre, die das Zepter über den Kaiser von Rom hatte. Das war der Irrweg der Christenheit.
Es gibt offensichtlich eine gewisse Verwirrung, dass wahre Christen und Namenschristen in einen Topf geworfen werden.
Das ist das Problem: Verunsicherungen und verschiedene Ansichten. Es gibt jedoch auch messianische Richtlinien, die sehr gesund sind, auch in der Lehre.
Du hast gesagt, dass das heutige moderne Judentum oft vertritt, die Unterscheidung zwischen Gemeinde und Israel sei nicht richtig. Man sagt, wir leben schon im Tausendjährigen Reich oder davor, und das Ganze werde nicht mehr so gerechnet wie früher.
Das bedeutet, dass die Verwirrung groß ist.
Wir hätten oft eine naive Auffassung, wie die orthodoxen Juden, die noch genauso denken und diese Stellen erwarten.
Es wird aber nach wie vor rabbinische Literatur studiert. Es ist nicht so, dass man die alten Auslegungen wegwirft und nur neue Ansichten vertritt.
Ich wollte damit erklären, dass sobald der Schleier wegfällt, man wieder sieht, dass man im Widerspruch zu den eigenen Auslegungen steht und zur Quelle zurückkehrt.
Das ist ein kleiner Schritt: Man müsste einfach zugeben, dass man die Auslegung geändert hat und nicht mehr die ursprüngliche ist.
Im orthodoxen Judentum wird sogar vertreten, man solle zwei Drittel der Zeit mit Kommentaren verbringen und nur ein Drittel mit der Bibel. Das ist kein Rezept für Christen, zeigt aber den Stellenwert der Kommentare.
Nein, ganz im Gegenteil, das zeigt, dass es nur wenig braucht, damit das Ganze wieder kippt.
Gut, dann gehen wir weiter zu Psalm 22, dem bekannten Kreuzespsalm. Wir könnten einige Verse lesen.
Psalm 22, Vers 1 und dann 14 bis 18.
Der Psalm ist von David geschrieben, wie der Titel sagt. Viele Psalmen von David geben persönliche Erfahrungen wieder. Doch bei diesem Psalm ist es deutlich, dass es nicht Davids Erfahrungen sind. David hat nie erlebt, dass man seine Hände und Füße durchbohrte (Vers 16 bzw. 17 je nach Zählung).
Hier wird jemand beschrieben, der unsäglich leidet, wie niemand zuvor, jemand, der von Gott verlassen wurde, im Gegensatz zu den Vorvätern.
Es heißt, seine Hände und Füße sind durchbohrt. Seine Knochen sind auseinandergerissen (Vers 15: „Alle meine Gebeine sind zertrennt“). Er leidet unter unsäglichem Durst: „Meine Kraft ist vertrocknet wie ein Scherben, und meine Zunge klebt an meinem Gaumen.“
Man sieht, wie sich das bei der Kreuzigung Jesu erfüllt hat.
Die Kreuzigung war die schrecklichste Todesart, die es gab. Vor einigen Jahren wurde ein gekreuzigter Körper ausgegraben, bei dem der Nagel noch durch die Knochen des Fußgelenks steckte. Man konnte ihn offensichtlich nach der Kreuzigung nicht mehr herausziehen. Das war die grausame Todesstrafe.
Wer aufgehängt wurde, musste sich auf den durchbohrten Fuß stützen, um Luft zu holen. Das führte zu unbeschreiblichem Durst, wie es hier beschrieben wird.
Das ist eine Beschreibung, die sich so treffend bei der Kreuzigung Jesu erfüllt hat.
Ein wichtiger Kommentar dazu ist die „Pesikta Arapati“, in der Parascha 37 heißt es: „Die Erzväter, die Väter der Welt, werden ihm sagen: ‚Ephraim‘ – das ist der Sohn von Joseph, also von Messias ben Joseph – ‚Messias, unsere Gerechtigkeit. Obwohl wir deine Vorfahren sind, bist du größer als wir, weil du die Sünde unserer Söhne getragen hast. Deine Kraft war vertrocknet wie ein Scherben.‘“ Das entspricht genau Psalm 22, Vers 18.
All dies geschah wegen der Sünde unserer Söhne.
Das ist überwältigend, denn Psalm 22 spricht eigentlich nicht von Sünden, sondern vom Leiden eines Gekreuzigten, wird hier aber als stellvertretendes Leiden für Israel gedeutet.
Frau Rochon, inwieweit wird dieser Kommentar heute noch gelesen?
Das ist ein wichtiger Kommentar, der heute noch studiert wird, aber nur von denen, die eine Talmud-Ausbildung machen oder Yeschi besuchen, also Rabbiner werden wollen. Im Allgemeinen werden solche Kommentare nicht gelesen.
Was noch von einem Durchschnittsjuden gelesen wird, ist Raschi, der wichtige Kommentator, den ich erwähnt habe. Auch er ist ein wichtiger Kommentar im Judentum.
Ich habe eine CD-ROM der Bar-Ilan-Universität, wo über 400 Bände der wichtigsten jüdischen Werke der letzten 2000 Jahre gesammelt sind, mit einem guten Suchprogramm. Das ist eine riesige, für Normalverbraucher unübersichtliche Literatur.
Raschi gehört zu den wichtigsten Kommentaren, die dort enthalten sind.
Dein Verdacht, dass eine eventuelle Gläubige das eingeschmuggelt hat, ist kaum zutreffend. Es gibt zwar Fälle, dass Ultraorthodoxe sich bekehrt haben, aber das ist selten.
Ein Beispiel: Ein Ultraorthodoxer wurde auf offener Straße von Kindern ausgelacht. Eine gläubige junge Frau stellte sich auf seine Seite, und er sagte ihr, er glaube auch an Jeshua, dürfe es aber niemandem sagen, sonst wäre er aus der Verwandtschaft ausgestoßen.
Zahlenmäßig kann man nichts sagen, aber es gibt kleine Lichtblicke, die zeigen, dass es auch versteckte Gläubige gibt.
Das lesen wir übrigens auch im Neuen Testament: Viele der Obersten glaubten an ihn, aber oft im Versteck, aus Furcht vor den Juden.
Das ist ein Phänomen, aber es fehlt noch an Ermutigung.
In der Apostelgeschichte lesen wir von Zehntausenden, die geglaubt haben (Apostelgeschichte 21). Leider sind es durch die Kirchengeschichte meist sehr wenige Juden gewesen, die zum Glauben kamen und die Quelle erkannten.
Eine große Wende kam im letzten Jahrhundert. Man vermutet, dass es etwa 300.000 gläubige Juden gab, darunter große Gelehrte wie Alfred Edersheim. Er ist bekannt durch Werke über den Tempel im Licht des Neuen Testaments, das Leben Jesu und sein Wirken. Sein Buch ist über 800 Seiten dick und verbindet das Evangelium mit Hintergrundwissen aus der rabbinischen Literatur.
Wer sich dafür interessiert, kann sich bei Peter Gunther melden. Leider nur auf Englisch.
Der große Wandel war das Interesse an der rabbinischen Literatur. Vielen Juden konnte gezeigt werden, dass das Evangelium nicht so anders ist, als sie meinten.
Viele Juden haben Angst, das Neue Testament zu lesen, weil sie ihre jüdische Identität fürchten zu verlieren. Das ist eine der größten Ängste.
Durch Leute wie Edersheim, die rabbinische Literatur studierten, wurde vielen Juden der Zugang zum Evangelium geöffnet.
Seit dem letzten Jahrhundert hat sich diese Entwicklung verstärkt. Heute wird von etwa 350.000 gläubigen Juden weltweit gesprochen, die meisten im Ausland, nur wenige Tausend in Israel selbst.
Seit den 1960er Jahren sollen sich fast 100.000 Juden bekehrt haben. Das wäre eine Erweckung.
In der Schweiz, mit rund vier Millionen Einwohnern, entspräche das etwa 50 Bekehrten seit den 60ern. Das wäre eine große Veränderung.
Der Wechsel ist besonders in den USA und Kanada spürbar. Dort hat die Organisation „Jews for Jesus“ sehr aktiv missioniert und viele Juden zum Glauben gebracht.
Das Interesse an Talmud und rabbinischen Kommentaren hat vielen Juden eine Brücke zum Evangelium geschlagen.
Wollen wir eine Pause machen? Ich möchte nicht, dass die Leute mit einem überfüllten Kopf nach Hause gehen.
Sollen wir zehn Minuten Pause machen? Dann kann er auch die Batterie wechseln.
Kurze Bemerkung zu Psalm 22 und Textvarianten
Zu Plan 22 nur eine kurze Bemerkung: Es kann sein, dass man eine jüdische Übersetzung auf Deutsch findet. Dort steht im Vers 18 beziehungsweise 17 nicht „Sie haben meine Hände und meine Füße durchgraben“, sondern überraschenderweise „Meine Hände und meine Füße wie ein Löwe“. Dann hat man das Problem, und der jüdische Freund sagt: „Pja, es steht doch nicht für ‚durchgraben‘, ‚wie ein Löwe‘, ka-ari, ari ist der Löwe, ka-ari heißt ‚wie ein Löwe‘.“ Die Deutung der Konsonanten ist möglich: „wie ein Löwe“. Allerdings fällt mir auf, dass es nicht wirklich Sinn ergibt: „Meine Hände und meine Füße wie ein Löwe“. Die Bibel ist ja da, um Sinn zu geben, oder?
Aber dazu kommt noch, dass Ka'ari auch von einer Wurzel abgeleitet werden kann, die „durchgraben“ heißt. Ka'ari ist dann das Partizip „Durchgrabende“. Und dann ergibt es wieder Sinn: „Sie haben“ oder „Sie durchgraben meine Hände und meine Füße“ oder „Sie haben meine Hände und Füße durchgraben“. Dann macht es Sinn. Und warum muss man zwischen einem Text wählen, der Sinn ergibt, und einem, der keinen Sinn ergibt? Welchen würde man wählen? Ich entscheide mich eher für den, der Sinn ergibt.
Dazu kommt die Septuaginta, die schon mehrmals zitierte Übersetzung ins Griechische aus dem dritten Jahrhundert vor Christus, die von Juden in Alexandria gemacht wurde. Wie haben sie es übersetzt? „Sie haben meine Hände und Füße durchgraben.“ Also schon damals haben sie den Text so verstanden. Das erwähne ich nur nebenbei, damit man nicht plötzlich einen Beigeschmack bekommt, wenn man voller Freude mit Psalm 22 in Diskussion geht und dann kreidebleich herauskommt, wie er eigentlich heißen sollte: „wie ein Löwe“.
Frau Präsidentin! Das dritte Jahrhundert vor Christus heißt, ab etwa 280 vor Christus hat jemand angefangen. Und was ist mit dem Neuen Testament? Das Neue Testament, meinst du, wenn es geschrieben worden ist? Ja, worauf stützt du dich da? Du meinst, wenn aus dem Alten Testament zitiert wird? Nein, ich meine, wenn es zusammengestellt worden ist und wie es zusammengestellt worden ist.
Ach so, das wäre die ganze Kanonfrage, oder? Ja, das ist natürlich ein langes Thema, das wäre ein ganzer Vortrag wert. Aber nur nebenbei gesagt: An diesen Konzilien, zum Beispiel um 400, wo angeblich der Kanon beschlossen worden sei, hat man ja nicht beschlossen und gemacht, sondern nur bestätigt, was schon lange klar war.
Zum Beispiel eine wichtige neutestamentliche Handschrift, der P47, das ist eine Papyrushandschrift mit fast allen Briefen von Paulus, stammt nach neuster Datierung aus 75 bis 100 nach Christus. Man hatte also bereits im letzten Viertel des ersten Jahrhunderts in Ägypten alle Paulushandschriften. Übrigens ist der Hebräerbrief nach dem Römerbrief eingeordnet, nur so unter uns, das zeigt, dass die Ägypter im ersten Jahrhundert überzeugt waren, dass er von Paulus ist. Also das ist schon ein großer Teil des Neuen Testaments schön zusammengestellt.
Paulus zitiert Lukas, sein Evangelium, und rechnet ihn bereits zur Schrift. Also ist das im Kern schon im ersten Jahrhundert ausgebildet worden, aber es hat einen gewissen Prozess gebraucht, bis das überall klar wurde. Aber im Kern ist es eigentlich ganz früh entstanden. Gut, das wäre ein Thema, auf das man ausführlicher eingehen könnte.
Wir müssen bis 17:30 Uhr durchkommen. Ah nein, wir müssen gar nicht so pressieren. Jetzt gehen wir zu Sacharja 12. Könnte das jemand vorlesen? Denken wir daran beim Lesen: Das ist der zweitletzte Prophet aus dem Alten Testament. Sacharja wurde um 520 v. Chr. geschrieben.
„Und ich werde über das Haus David und über die Bewohner Jerusalems den Geist der Gnade und des Flehens ausgießen, und sie werden auch mich bitten, gleich der Wehklage über den Eingeborenen und bitterlich über ihn Leid tragen, wie man bitterlich über den Erstgeborenen Leid trägt. An jenen Tagen wird die Wehklage von Jerusalem groß sein wie die Wehklage von Hadad-Rimmon im Tal Megiddo. Und es wird wehklagen für das Land jedes Geschlecht besonders und ihre Frauen besonders, das Geschlecht des Hauses Nathans und ihre Frauen besonders, alle übrigen Geschlechter, jedes Geschlecht besonders.“
Also ein ganz eindrücklicher Vers. „Sie werden auf mich blicken, den sie durchbohrt haben.“ Ich habe schon über diese Stelle gesprochen, eben in Verbindung mit Joseph, der sich den Brüdern zu erkennen gibt, als der, von dem sie früher gelitten hatten, der aber jetzt plötzlich von ihnen anerkannt wird.
Im babylonischen Talmud, also wieder der verbindliche Talmud, Succa 52a, wird die Stelle zitiert: „Und das Land wird wehklagen, jede Familie für sich, die Familie des Hauses Davids für sich und ihre Frauen für sich.“ Darüber diskutierten Rabbi Dosa und die Rabbanin, die großen Lehrer. Einer sagte: „Also letztlich ist die Wehklage wegen dem Messias, dem Sohn Josephs, also Maschiach Ben Joseph, der getötet wird.“ Ein anderer sagte: „Damit meine ich einen anderen, das ist wegen des bösen Triebs, der getötet wird.“
Also sie diskutieren, warum eigentlich da geweint wird. Die einen sind der Überzeugung, es geht darum, dass der böse Trieb im Menschen, der sogenannte Jezerah, das ist ein fester Begriff im Judentum, getötet wird. Dort wird gelehrt, der Mensch hat eine Neigung zum Bösen, Jezerah, und eine Neigung zum Guten, Jezer Tov.
Es wird übrigens gelehrt, wenn ein Kind die Mutter liebt, wenn der Jezerah, die Neigung zum Bösen, stärker ist als der Jezer Tov, dann kommt das Kind behindert auf die Welt. Das ist der Hintergrund zu Johannes 9, wo die Jünger einen Blindgeborenen fragen: „Wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren wurde?“ Nicht im Hintergrund einer Reinkarnation, sondern sie fragten sich, ob bei ihm der Fall war, dass er in Mutterliebe den Jezerah stärker hatte und darum mit einer Missbildung geboren wurde.
Der Herr erklärt ihnen, weder dieser noch jener haben gesündigt, sondern dass die Werke Gottes offenbar werden. Das ist der Hintergrund. Übrigens heißt Jünger auf Hebräisch Talmid, das klingt fast gleich wie Talmud. Talmud heißt Lehre, und Talmid heißt Lehrender, Schüler, Student. Jeder Rabbi hatte damals Schüler um sich versammelt, oder auch heute. Diese nennt man Talmidim, Jünger.
Also wenn Jesus Jünger gesammelt hat, dann hat er genau das Gleiche gemacht wie alle Rabbis im Land. Er hat Jünger gesammelt, die ihm nachfolgen und von ihm lernen. Das waren also Studenten, Jünger. Da haben sie ihrem Rabbi die Frage gestellt, was es mit dem Blindgeborenen auf sich hat.
Der Herr sagt, das hat überhaupt nichts damit zu tun. Das mit dem Jezerah und Jezer Tov ist eine falsche Lehre, denn schon das Alte Testament lehrt, dass der Mensch prinzipiell in Sünde geboren ist, nämlich Psalm 51, wo David von sich spricht.
Wir haben viel über das Problem des Bösen im Menschen diskutiert, und es ist die Lehre entstanden, dass der böse Trieb in der Zeit des Messias endgültig weggenommen wird. Dann wird der böse Trieb im Menschen nicht mehr spürbar sein.
Darum sagt die eine Seite, die Wehklage hat damit zu tun, dass der böse Trieb im Menschen in der Zeit des Messias ein Ende findet. Andere sagen: Nein, die Wehklage bedeutet, dass sie über den Messias, den Sohn Josephs, wehklagen, der getötet wurde.
„Sie werden auf mich blicken, den sie durchbohrt haben.“ Das zeigt, dass die Stelle sogar im Talmud messianisch ausgelegt wird. Und das Ganze ist noch überraschender, wenn man in Kapitel 12, Vers 1 deutlich sieht, wer in diesem Kapitel redet.
Es heißt dort: „Ausspruch des Herrn, der den Himmel ausspannt.“ Dann folgt ein Doppelpunkt. Ganz klar, wer das ist: Yahweh, der Herr. Yahweh redet bis Vers 10 und sagt: „Und ich werde über das Haus Davids und über die Bewohner Jerusalems den Geist der Gnade und des Flehens ausgießen, und sie werden auf mich blicken, den sie durchbohrt haben.“
Das ist ein Schock, oder? Wer redet? Yahweh, der ewige Gott, der Gott Israels. Und der Gott Israels sagt: „Sie werden auf mich blicken, mich, den sie durchbohrt haben.“ Wie kann man Gott durchbohren? Da sehen wir das Geheimnis der Gottheit des Messias, das ist bereits alttestamentlich ganz klar enthalten.
Der zweite Schock: Es ist ein anderes Wort, das Wort „Dakar“, „Dakaru“, das ist ein ganz anderes Wort, dort ist kein Zweifel, dass es „durchbohrt“ bedeutet. Wie ist es übrigens in Johannes 19? Dort wird es zitiert, wo ein Soldat mit einem Speer in die Seite des Herrn Jesus gestochen hat. Dann ist Wasser und Blut herausgekommen.
Johannes zitiert die Stelle: „Sie werden auf mich blicken, den sie durchbohrt haben.“ Also Psalm 22 meint das Durchbohren von Händen und Füßen mit Nägeln, Sacharja 12 meint das Durchbohren mit dem Speer. Übrigens eine ganz wichtige Szene in Johannes 19. Dann ist Wasser und Blut herausgekommen.
Das ist der eindeutige medizinische Beweis, dass der Tod eingetreten ist. Es hat bereits eine Blutsenkung gegeben, die roten Blutkörperchen sind abgesunken, also die Plasmaflüssigkeit und das Blut haben sich getrennt. Das ist ein eindeutiger Beweis, dass der Tod eingetreten ist.
Das ist wichtig, gerade im Gespräch mit Muslimen, die sagen, Jesus sei nicht gestorben, sondern jemand, der ihm ähnlich sah, oder die sagen, er habe nur einen Scheintod gehabt und es gebe keine Auferstehung. Das ist der klare medizinische Beweis, neben seiner viel tieferen Bedeutung.
Gut, aber noch einmal ein Schock im Text: Der Ewige sagt, „Sie werden auf mich blicken, den sie durchbohrt haben.“ Aber der Satz geht weiter und heißt nicht: „Und sie werden über mich wehklagen, gleich der Wehklage über den Eingeborenen“, sondern „über ihn, über ihn.“
Darum gibt es im Talmud die Diskussion, auf wen sich die Wehklage bezieht. Die einen sagen, sie bezieht sich auf den Messias, Ben Joseph, und die anderen sagen, es sei wegen des bösen Triebs, wegen des Problems, dass plötzlich die Person wechselt im Vers.
Aber die einen halten nach wie vor fest: Nein, das ist wegen dem Messias. Da wechselt die Person: Gott redet, sie werden auf mich blicken, den sie durchbohrt haben, also muss er der Messias selbst sein, Gott selbst. Und dann wechselt die Person, das weist darauf hin, dass es mehr als eine Person in der Gottheit gibt.
Ja, es redet immer noch Yahweh, aber eigentlich redet er „auf mich“ und nachher „über ihn“. So wechselt nur die Sprache innerhalb der Gottheit. Der Vater ist Yahweh, der Sohn ist Yahweh. Im Alten Testament gibt es noch mehr solche Stellen.
Wer das mal für sich nachschauen will: Sacharja 2 ist überwältigend. Dort heißt es: „Yahweh, der Herr der Heerscharen, spricht“ – und am Schluss heißt es: „Und ihr werdet erkennen, dass Yahweh, der Herr der Heerscharen, mich zu euch gesandt hat.“ Yahweh redet und sagt, Yahweh hat mich zu euch geschickt. Da gibt es mehr als eine Person in der Gottheit.
Sacharja 2 ab Vers 9 bis zum Schluss kann man sich das anschauen. Gut, es wird also eine nationale Wehklage in ganz Israel geben über das Leid des Messias, weil man ihn nicht erkannt hat. Und jetzt wird er also erkannt, ganz parallel zur Geschichte von Joseph.
Gehen wir weiter, oder gibt es noch eine Frage, eine Ergänzung? Zu Micha 5, Vers 1, auch eine ganz bekannte messianische Stelle. Können wir die noch einmal lesen?
„Du Bethlehem Ephratha, die du klein bist unter den Tausenden in Juda, aus dir wird mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit gewesen ist.“
Jawohl, da kommt das Wort Messias auch nicht vor. Und der Targum Jonathan, die wichtige aramäische Übersetzung zu den Propheten, gibt das auf Aramäisch so wieder: „Du Bethlehem, du bist gleichsam zu klein geworden, um unter die Tausenden des Hauses Juda gezählt zu werden. Aus dir wird vor mir der Meschiha, der Messias, hervorkommen.“
Man sieht, dass in der aramäischen Übersetzung das Wort Messias noch viel häufiger vorkommt als im biblischen Text selbst. Aber auch das zeigt, dass im Judentum diese Stelle klar messianisch gedeutet wurde.
Das Interessante ist auch: Der Messias soll aus Bethlehem kommen, also als Mensch geboren werden. Aber es heißt in dieser Stelle: „Und seine Ausgänge oder seine Ursprünge sind von den Tagen der Ewigkeit her.“ Das weist wieder auf die Gottheit des Messias und seine Präexistenz hin.
Ist bis dahin noch etwas? Ja? Johannes Kapitel 7,8? Ja, jawohl. Also das hat Jesus erfüllt, indem er in Bethlehem geboren wurde. Übrigens ist es interessant, dass Maria und Joseph nicht in Bethlehem gewohnt haben.
Aber genau in dieser Zeit ließ Kaiser Augustus, wohl anlässlich seines Jubiläums als Vater des Römischen Reiches, eine Spezialzählung durchführen. Er zwang alle, in ihre Ursprungsstadt zurückzugehen für die Zählung.
Es gab in dieser Zeit übrigens Widerstand unter den Pharisäern, die die Zählung nicht wollten. Das hat schon eine alte Tradition, dass es Leute gibt, die gegen Volkszählungen sind. Das hat wahrscheinlich auch eine gewisse Verzögerung gegeben.
Maria und Joseph sind schließlich nach Bethlehem gegangen, weil sie beide aus der Familie Davids stammten, über viele Generationen hinweg. Genau in dieser Zeit fiel die Geburt.
So hat sich Micha 5, Vers 1 wunderbar erfüllt. Aber danach mussten sie nach Ägypten fliehen, weil Herodes der Große den Kindermord anordnete. Nach einiger Zeit kehrten sie zurück, und Joseph wollte wieder nach Judäa gehen. Das kann man in Matthäus 2 nachlesen.
Dort heißt es in Vers 22: „Als er aber hörte, dass Archelaus über Judäa herrsche anstatt seines Vaters Herodes, fürchtete er sich, dorthin zu gehen.“
Herodes der Große hatte kurz vor seinem Tod in einem Wutanfall sein Testament geändert, Antipas gestrichen und Archelaus eingesetzt. Es ist bekannt, dass Archelaus ähnlich brutal war wie sein Vater.
Joseph hatte Angst, wieder in Judäa zu wohnen, und ging nach Galiläa, das verachtete Galiläa. Wahrscheinlich dachte er, es wäre angemessener für den Messias, in Judäa aufzuwachsen.
Aber Gott fügte es so, dass Jesus nach Nazareth ging, um die Prophetie zu erfüllen, er solle Nazarener genannt werden. So lebte Jesus hauptsächlich in Galiläa, aber die Geburt wurde in Bethlehem erfüllt.
Sein Dienst begann dann in Galiläa, wie Jesaja 9 sagt: „Das Volk, das im Finstern wandelt, hat ein großes Licht gesehen.“ Auch im Zohar, dem rabbinischen Kommentar, wird gedeutet, dass der Messias sich in Galiläa offenbaren wird.
Auch im Judentum gibt es also noch das Verständnis wegen Galiläa. Es war eine typische rabbinische Diskussion in Jesaja 7, die sagten, es stehe nie in der Schrift, dass der Messias aus Galiläa kommt. Aber es gibt tatsächlich Hinweise.
Ebenso muss er in Bethlehem geboren werden, und beides hat Jesus erfüllt.
Gut, dann gehen wir weiter zu Daniel 9. Vielleicht noch etwas zu Bethlehem: Der Name Beth heißt Haus, Lechem Brot, also „Brothaus“. Dort ist er geboren worden, der später sagen konnte: „Ich bin das Brot des Lebens, das Brot, das aus dem Himmel gekommen ist“ (Johannes 6). Auch die Bedeutung des Namens ist sehr tiefsinnig.
Daniel 9, Vers 25, lesen wir mal: „Bis zu der Woche wird der Wortführer aufhören, und wegen der Beschirmung der...“ Also wenn man das zum ersten Mal liest und dann noch öfter, ist es ein schwieriger Text. Worauf bezieht sich das? Wovon ist überhaupt die Rede?
Wenn man Übersetzungen vergleicht, merkt man plötzlich Unterschiede. Es gibt tatsächlich wenige, die sagen: „Bis auf den Messias, den Fürsten, sind sieben Wochen.“ Wegen dieses schweren Irrtums habe ich eine genaue Übersetzung angegeben, z.B. die alte Elberfelder. Dort ist es sehr genau.
Nur damit man weiß, wovon die Rede ist, sonst gibt es große Verwirrung beim Vergleich der Übersetzungen. Das ist übrigens die einzige Übersetzung, die Sinn ergibt und mit der Geschichte aufgeht. Alle anderen Übersetzungen ergeben keinen Sinn.
Da gilt wieder das Prinzip: Wenn etwas Sinn ergibt und etwas keinen Sinn, was wählt man lieber? Ich nehme das, was Sinn ergibt.
Also haben wir ausdrücklich den Ausdruck Maschiach im Text, Messias. Es heißt, wenn der Messias kommt, Vers 25: „Vom Ausgehen des Wortes, Jerusalem wiederherzustellen und zu bauen, bis zum Messias, dem Fürsten, sind sieben und zweiundsechzig Wochen.“
Da haben wir also klar zwei Zeitpunkte. Vom Erlass, Jerusalem wieder aufzubauen, bis der Messias als Fürst kommt, sind sieben und zweiundsechzig Wochen, also neunundsechzig Wochen.
Im rabbinischen Kommentar wird erklärt, dass das Wort „Woche“ sieben Jahre bedeutet. Also eine Woche ist nicht sieben Tage, sondern sieben Jahre. Die Juden waren es gewohnt, oder hätten es nach dem Gesetz sein sollen, immer in siebenjährigen Zyklen zu rechnen, besonders in der Landwirtschaft.
Einer der größten Rabbiner im Judentum, Rabbi Mosche ben Maimon, auch Maimonides genannt, schrieb im zwölften Jahrhundert in einem Brief an eine jüdische Gemeinde in Jemen, den „Igeret Hateman“ (Brief nach Jemen):
„Daniel hat uns die tiefe Wissenschaft der Zeit gegeben, das heißt, wann der Messias kommen wird. Aber weil diese uns verborgen ist, haben die Weisen, die alten Rabbiner, die Chachamim, die Weisen gesegneten Andenkens, die Talmudlehrer, verboten, die Zeiten der Zukunft nachzurechnen, weil sich die einfachen Leute daran ärgern und in Irrtum geraten könnten, wenn sie sehen, dass die Zeiten vorüber sind und der Messias doch nicht gekommen ist. Deshalb sagen die Weisen gesegneten Andenkens, der Geist müsse denjenigen zerspringen, die die Zeiten ausrechnen, weil sie dem Volk Ärgernis geben. Deshalb haben die Weisen gebetet, dass ihr Gemüt zerbreche und ihre Rechnung zu nichts werde.“
Also eine recht erstaunliche Stelle. Daniel hat uns die Zeit des Messias gegeben, aber wir verstehen die Stelle nicht. Und man soll sie auch nicht nachrechnen, denn das kann einem den Glauben nehmen, wenn man feststellt, die Zeiten sind abgelaufen, aber der Messias ist nicht gekommen.
Ich habe es mehrmals nachgerechnet, und das hat nichts mit Angst zu tun. Jetzt können wir die 69 Wochen ausrechnen. Ich habe unter einigen technischen Hinweisen erklärt: Eine Woche oder Jahrwoche sind sieben Jahre.
Also rechnen wir 69 mal 7 mal 360 Tage, denn das prophetische Jahr in der Bibel dauert 360 Tage. Das sehen wir in der Offenbarung, wo 42 Monate mit 1260 Tagen gleichgesetzt werden. Jeder Monat hat streng 30 Tage, 12 mal 30 ergibt 360.
Das habe ich nicht im Kopf gerechnet, das stimmt also. Jetzt haben wir zwei Punkte: Einen Erlass, um Jerusalem wieder aufzubauen, bis der Messias als Fürst kommt.
Wir haben so einen Erlass in Nehemia 2 beschrieben. Er wurde im zwanzigsten Jahr des persischen Königs Artaxerxes oder Artasasta herausgegeben. Der Monat war Nisan, das entspricht März/April.
Das zwanzigste Jahr von Artaxerxes ist in der Geschichte das Jahr 445 vor Christus. Wann trat Jesus als Fürst auf? Das war nur ein Tag im ganzen Leben: am Palmsonntag, beim Einzug nach Jerusalem. Dort wurde er mit „Baruch haba beschem Adonai“ begrüßt, „Willkommen, der da kommt im Namen des Herrn“.
„Baruch haba“ wird oft mit „gepriesen sei, der da kommt“ übersetzt. Es ist der normale Willkommensgruß auf Hebräisch. Wenn man in Israel zu Besuch geht oder eine Tür öffnet, sagt man „Baruch haba“, willkommen. Wenn es mehrere sind, sagt man „Bruchim habaim“, willkommen oder „Gesegnet die Kommenden“.
Also wurde Jesus mit dem Ausspruch aus Psalm 118 begrüßt, wo die Rabbiner sagten, mit diesem Gruß soll der Messias empfangen werden, wenn er kommt. Genau so wurde es gemacht. „Baruch haba beschem Adonai“ – im Namen des Herrn. Da wurde er als Messias gefeiert und ritt auf einem Esel nach Jerusalem ein.
Man könnte das ausrechnen, wann er geboren wurde. Johannes der Täufer trat im fünfzehnten Jahr des Kaisers Tiberius auf, nach Lukas 3, Vers 1. Tiberius kam 14 nach Christus auf den Thron, also 14 plus 15 ergibt 29.
Dann sehen wir in den Evangelien, zum Beispiel in Lukas 13, Vers 7, dass Jesus drei Jahre umherzog und in Israel Frucht suchte. 29 plus 3 ergibt 32.
Der Einzug nach Jerusalem war im Monat Nisan, im Passamonat, also März/April 32 nach Christus. Wer es selbst nachrechnen will, kann das mit einem astronomischen Programm auf dem Computer machen.
Zwischen diesen beiden Daten, März/April 445 vor Christus bis März/April 32 nach Christus, liegen 173.880 Tage. Das sind schlagende Beweise dafür, dass Jesus der Messias ist.
Schauen wir mal, was Josephus Flavius im „Jüdischen Krieg“, Buch 6, Kapitel 5, Abschnitt 4, geschrieben hat. Das ist die bekannte Ausgabe von Clemens übersetzt.
Josephus Flavius war Priester im Zweiten Tempel zur Zeit des ersten Jahrhunderts. Er erlebte die Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 als Augenzeuge und beschreibt sie in seinem Buch.
Er sagt, die Juden seien so motiviert gewesen, gegen die Römer zu kämpfen. Was sie jedoch am meisten zum Krieg getrieben habe, sei ein zweideutiger Orakelspruch gewesen, der sich in ihren heiligen Schriften fand: dass nämlich um diese Zeit einer aus ihrem Land die Weltherrschaft erlangen werde.
Es gibt nur eine Stelle im Alten Testament, wo der Messias gemeint sein könnte: Daniel 9. Josephus Flavius hat das jedoch falsch gedeutet. Das hat nichts damit zu tun, dass der Messias, der Weltherrscher, kommen würde, sondern bezieht sich auf etwas anderes.
Aber das zeigt, dass damals eine allgemein bekannte Erwartung war, der Messias komme genau in dieser Zeit des ersten Jahrhunderts.
Im Talmud, wieder im babylonischen Traktat Nasir 32b, wird über den Tempel und dessen Zerstörung diskutiert. Da wird gefragt: „Wenn ihr wusstet, dass der Tempel zerstört werden würde, wusstet ihr auch wann?“
Die Antwort lautet: „Mit Daniel 9: Siebzig Wochen sind über dein Volk bestimmt und über deine heilige Stadt.“ Also mit siebzig mal sieben Jahren, 490 Jahren, wusste man genau, wann die Zerstörung des Tempels im ersten Jahrhundert stattfand.
Das steht also im Zusammenhang mit den 69 Wochen und der noch fehlenden Woche. Es zeigt, dass man die Stelle damals auch so verstand, dass es mit dem ersten Jahrhundert zu tun hat.
Es wird vom Messias gesprochen, der als Fürst kommen wird. Aber im Vers 26 heißt es: „Nach den 62 Wochen wird der Messias weggetan werden und nichts haben.“
Ich muss noch etwas erklären: Zuerst sind es sieben und dann zweiundsechzig Wochen. Warum diese Aufteilung? Sieben Wochen sind 49 Jahre. Das bezieht sich auf die Wiederherstellung Jerusalems. Die Zahl 7 ist eine Zahl der Vollendung.
Man konnte also rechnen, dass nach 49 Jahren Jerusalem wieder aufgebaut sein muss. Das hilft, eindeutig von Nehemia 2 zu rechnen.
Es gab nämlich mehr als einen Erlass, Jerusalem wieder aufzubauen. Schon früher unter Kyros, mehr als hundert Jahre vorher, gab es einen Erlass. Da sagte man, man könne Jerusalem wieder aufbauen.
Aber 49 Jahre später war Jerusalem immer noch nicht aufgebaut. Erst unter Artaxerxes, 49 Jahre später, war Jerusalem aufgebaut. Also wusste man: Man muss nicht vom Kyros-Erlass anrechnen, sondern vom Artaxerxes-Erlass.
Darum die Einteilung von 7 und 62 Wochen, also nach mindestens 49 Jahren wusste man, wann man rechnen muss. Dann kommen die 62 Wochen, und genau am Ende ist der Messias als Fürst.
Jetzt heißt es: „Nach den 62 Wochen wird der Messias weggetan werden“ – oder es kann auch „ausgerottet werden“ heißen – und nichts haben. Es wird gesagt, dass danach etwas passiert, aber nicht wie viel später.
Rückblickend wissen wir, dass fünf Tage nach Palmsonntag die Kreuzigung kam. Ganz klar.
Dann wird das Kaiserreich aufgerichtet, das nichts haben wird. Das ist der Maschiach Ben Joseph, das Kaiserreich.
Der Prophet sagt weiter, dass nachher in der Zeit das Volk des kommenden Fürsten die Stadt und das Heiligtum zerstören wird. Im Jahr 70 wurde Jerusalem und der Tempel zerstört. Der Tempel ist bis heute nie wieder aufgebaut worden.
Im letzten Satz heißt es: „Und bis ans Ende ist Krieg fest beschlossen von Verwüstungen.“ Also bis in die Endzeit gibt es eine Kette von Verwüstungen.
Man kann sagen, von Jahr 70 an bis ins 20. Jahrhundert hat Jerusalem die ganze Geschichte durch Krieg und Verwüstung erlebt.
Das ist eine eindrückliche messianische Stelle, die eindeutig beweist, wer der Messias ist.
Man kann es fast nicht glauben: Vor kurzem war der Rabbi Schneersohn aus New York, mit einer Anhängerschaft von etwa 350.000 Juden. Sie glaubten, er sei der Messias, und dass er sich bald offenbaren werde und nach Israel gehen werde, um sich als Messias zu zeigen.
Er war aber schon sehr alt und wurde schwer krank. Er hoffte, wieder gesund zu werden und bald zurückzukehren. Er hatte sogar ein Haus in Israel gekauft, um kommen zu können.
Er war noch nie in Israel und hoffte, dass er sich dort offenbaren könne. Er hat nie von sich gesagt, dass er der Messias sei, aber viele Anhänger hatten.
Dann wurde er immer schwächer und starb schließlich. Man beriet eine große Armee von Psychologen und Therapeuten, um Massenhysterie zu begegnen, falls er stirbt, ohne sich als Messias offenbart zu haben.
Das wäre eine Katastrophe, denn alle Hoffnungen wären am Boden.
Jetzt kann man besser verstehen, was das für die Jünger damals war: Sie hofften, dass Jesus der sei, der Israel erlösen sollte, und dann ist er gestorben.
Der Unterschied ist, Rabbi Schneersohn starb als alter, kranker Mann und ist tot geblieben.
Man hat dann angefangen, Jesaja 53 auf ihn zu beziehen, auch Daniel 9, wo steht: „Der Messias wird ausgerottet werden und nichts haben.“
Man glaubt es kaum. Eben Stellen, die man eigentlich wegschieben wollte, weil man sie nicht anrechnen wollte, fingen dann an, auf ihn bezogen zu werden.
Gerade Jesaja 53, wo es heißt, er habe nie Unrecht getan und habe für die Sünden anderer gelitten. Wenn jemand als alter Mann stirbt, stirbt er nicht für die Sünden anderer.
Hier hofft man allerdings noch, dass er aufersteht, aber das ist ein großes Problem.
Auch die Tatsache, dass die Jahrwochen längst abgelaufen sind, und man sie noch auf Rabbi Schneersohn beziehen will, ist unglaublich.
Was der Mensch alles glauben kann, wenn er die Wahrheit des Evangeliums ablehnt! Man kann wirklich jeden Unsinn glauben, und es gibt Hunderttausende, die das tun. Das ist tragisch.
Ja, gibt es noch Fragen? Ja, genau, wir sind halb durch.
Im Vers 24 wird erklärt, es geht um siebzig Jahrwochen insgesamt. Und wenn die siebzig Jahrwochen vorbei sind, wird Jerusalem endgültig erlöst werden.
Wir haben allerdings nur die neunundsechzig bis zum Messias betrachtet.
Jetzt stellt sich die Frage: Was ist mit der siebzigsten Woche?
Offensichtlich hat sich die endgültige Erlösung Jerusalems noch nicht erfüllt.
Offensichtlich ist die siebzigste Jahrwoche noch aufgeschoben, und das sehen wir im Text selbst.
Wir haben gesehen: 7 Wochen bis zum Messias, dann wird der Messias ermordet, und dann gibt es eine Kette von Kriegen und Verwüstungen bis in die Endzeit.
Im Vers 27 wird von jemandem gesprochen, der mit der Masse des jüdischen Volkes einen festen Bund für eine Woche, also sieben Jahre, schließen wird.
Das ist offensichtlich eine Woche, die noch für die Endzeit aufgespart ist.
Der Text macht deutlich, dass zwischen der 69. und der 70. Jahrwoche ein Unterbruch ist, in dem die Verwüstung und das Elend Jerusalems stattfinden.
Erst in der Endzeit kommt die siebzigste Woche.
Endzeit im Alten Testament bedeutet die Zeit, wenn das jüdische Volk aus der Zerstreuung wieder ins Land zurückkehrt.
Darum ist die siebzigste Jahrwoche hochaktuell und interessant, denn wir leben in der Zeit, in der das jüdische Volk seit dem letzten Jahrhundert begonnen hat, zurückzukehren.
So wird die siebzigste Woche zukünftig aufbewahrt, und dann werden die sieben Jahre durchlaufen. Dort fällt auch die große Drangsal.
Dann kommt der Messias als herrschender Messias.
Dann ist der Kreis geschlossen.
Nach der 69. Woche ist er als Maschiach ben Joseph gekommen, nach der 70. kommt er als Maschiach ben David, um das Reich von Frieden und Gerechtigkeit aufzurichten.
Wir leben gewissermaßen in dieser Zwischenzeit, in der Joseph in Ägypten herrscht, über die Heiden.
Unzählige dürfen ihn schon kennen, bevor eine große Masse im jüdischen Volk ihn erkennen wird.
Also die Zwischenzeit, die jetzt am Ende zugeht.
Gut, wir sind durch mit der Zeit.
Ich würde sagen, es wäre schön, wenn zum Schluss noch ein paar spontan beten könnten.