Rückblick auf das Gebetsleben und die Bedeutung von Gebet
Wenn du auf dein bisheriges Leben zurückblickst, gibt es etwas, das du bereust? Etwas, von dem du sagst: Das hätte ich wirklich gerne anders gemacht? Ich glaube, vielen von uns fällt da etwas ein.
Dem Pastor Timothy Keller wurde diese Frage nur wenige Monate vor seinem Tod gestellt. Ohne zu zögern antwortete er: „Oh, das ist leicht. Was hätte ich gerne anders gemacht? Ich wünschte, ich hätte mehr gebetet.“
Wow, das wäre nicht meine Antwort gewesen, da bin ich mir ziemlich sicher. Und zwar nicht, weil ich mehr bete als Tim Keller. Ich vermute sogar, dass ich nicht so viel bete wie er. Aber mir ist oft gar nicht bewusst, welches Defizit das ist, dass ich zu wenig bete. Es ist kein großer Schmerz für mich. Zwar habe ich manchmal ein schlechtes Gewissen und denke: „Junge, du solltest mehr beten. Du bist ja schließlich Pastor, du musst ein Vorbild sein.“ Aber dass mich das tief bewegt – „Du betest zu wenig“ – das kann ich so nicht sagen.
Es hat mich zum Nachdenken gebracht, dass Tim Keller das sagt. Timothy Keller hat das Gebet intensiv studiert. Er hat Bücher darüber geschrieben, zum Beispiel das sehr bekannte Buch „Beten – dem heiligen Gott nahekommen“. Darin meditiert er darüber, was Gebet eigentlich ist und wie wertvoll und schön es ist, im Gebet die Beziehung zum Vater im Himmel zu leben.
Ich glaube, weil Tim Keller sich so tief mit dem Gebet beschäftigt hat, hat er am Ende seines Lebens gesagt: „Mensch, das hätte ich gerne mehr gemacht. Ich hätte noch mehr dieses Privileg genießen wollen, dieses ganze Leben hier auf der Erde, dass ich kommen kann, dass der Weg frei ist, dass ich eine Beziehung zu meinem Vater habe. Ich hätte diese Beziehung gern mehr gepflegt.“
Wir starten heute eine kurze Predigtserie zum Thema Gebet. Als Prediger haben wir im Vorfeld überlegt: Was machen wir da? Wir haben auch dafür gebetet, um Gottes Weisheit, damit wir diese drei Sonntage gut nutzen. Dabei hatten wir den Eindruck, den Fokus wirklich auf die Beziehung zum Vater zu legen.
Darum geht es beim Gebet: dass wir eine Beziehung mit dem Vater im Himmel haben dürfen – durch Jesus Christus. Das wollen wir heute und in den nächsten beiden Wochen mehr entdecken. Wir wollen sehen, wie sich diese Beziehung ausdrückt und was für ein Schatz sie ist.
Ich möchte heute mit euch über die Grundlage dieser Beziehung nachdenken. Danach darüber, wie wir sie pflegen können. Und ganz zum Schluss sprechen wir über Dinge, die es uns schwer machen. Denn seien wir ehrlich: Mit dem Gebet ist es nicht immer einfach. Viele von uns kämpfen damit. Es ist nicht leicht zu beten.
Am Ende schauen wir uns an, was uns manchmal im Weg steht und wie wir damit umgehen können.
Bevor wir jetzt starten, möchte ich noch einmal beten:
Lieber Vater, wir danken dir, dass wir eine Beziehung zu dir haben dürfen. Dass wir zu dir kommen können im Gebet. Wir beten, dass diese Serie zum Gebet uns die Schönheit des Gebets noch mehr sehen lässt. Wie gut es ist, dass wir als deine Kinder mit dir reden können und dass du ein Vater bist, der uns hört. Lass uns das wirklich sehen und schenke uns Freude darüber. Hilf uns, im Gebet zu wachsen. Amen.
Der erste Punkt: Die Grundlage des Gebets – in die Beziehung zum Vater kommen.
Die Grundlage des Gebets: In die Beziehung zum Vater kommen
Jeder Mensch kann beten. Das ist eigentlich etwas ganz Einfaches. Ich habe den Eindruck, dass Beten auch in unserer Zeit wieder etwas im Trend ist.
Ich erinnere mich zum Beispiel an das Jahr 2015, als es die schrecklichen Anschläge in Paris gab, in der Konzerthalle Bataclan. Kurze Zeit später machte dieser Hashtag die Runde über Twitter und andere soziale Medien: Pray for Paris – Bete für Paris. Das haben Leute geteilt, die keine frommen Christen sind, aber alle sagten: Da müssen wir jetzt beten.
Es gibt sogar auf unseren Handys ein eigenes Zeichen für das Gebet, das wir uns schicken. Musiker, Stars und Politiker scheuen sich nicht zu sagen: Ich bete. Das ist nichts Anstößiges in unserer Gesellschaft. Neulich las ich ein Interview mit Dieter Bohlen, dem großartigen Musiker und knallharten Juror von „Deutschland sucht den Superstar“. Er bekennt ganz frei: Ich bete jeden Morgen und jeden Abend mit meiner Familie. Das ist ihm etwas ganz Wichtiges. Ohne das Gebet, sagt er, kann er nicht einmal einschlafen.
Keine Aufklärung, kein Kampf gegen den Glauben und keine Auseinandersetzung mit der Religion haben das Gebet wirklich verdrängen können. Auch heute wird noch gebetet – in diesem säkularen Zeitalter. Ich glaube, das hat viel damit zu tun, dass wir Menschen merken: Es gibt Dinge in diesem Leben, die sind einfach zu groß für uns. Damit kommen wir nicht klar. Da braucht es jemanden, der sich darum kümmert.
Wenn Terror kommt, so wie damals in Paris oder in vielen anderen Situationen, fragen sich die Leute: Was hilft jetzt noch? Pray – bete. Oder manche sagen auch: Mir geht es so gut, ich muss irgendwo hin mit meinen ganzen Emotionen, ich muss irgendjemandem einen Dank aussprechen. Das ist bei Dieter Bohlen so. Er sagt, er hat so ein geniales Leben – oder ein anderes Wort mit G –, er ist begeistert, wie toll sein Leben ist. Und er sagt, weil er so dankbar ist, betet er eigentlich so viel. Er muss diesen Dank einfach loswerden und schickt ihn nach oben.
Obwohl viele grundsätzlich offen für das Gebet sind, haben doch nur wenige verstanden, was echtes Gebet ist. Ich glaube, das geht sogar uns Christen manchmal so, dass wir in der Tiefe gar nicht begreifen, was Gebet wirklich bedeutet. Es ist erstaunlich, dass wir zum lebendigen Gott kommen und mit ihm reden können, dass wir eine Beziehung mit ihm haben können.
Die Bibel beschreibt das Gebet nicht nur als den letzten Notausgang, wenn alle Stricke reißen und man eben betet. Das ist zwar ein Teil des Gebets, aber tatsächlich ist Gebet viel mehr: Es ist Beziehung mit Gott. Ein Kind Gottes redet mit seinem himmlischen Vater – so lässt sich Gebet nach der Bibel ganz kurz zusammenfassen.
Man hört heute manchmal den Satz: Wir sind alle Gotteskinder, auch in manchen Liedern wird das besungen – egal, wo wir sind, egal, wo wir stehen. Aber das stimmt so nicht. Die Bibel zeigt uns, dass Gott unser Schöpfer ist und uns alle gemacht hat. In diesem Sinn sind wir alle Gottes Kinder, jeder einzelne Mensch.
Aber sie zeigt uns auch, dass wir nichts mit diesem Vater zu tun haben wollten. Wir sind ihm davongelaufen, haben sein Vaterhaus verlassen, haben auf seine Familienregeln gespuckt und gesagt: Es interessiert mich nicht, was du mir zu sagen hast, Gott. Ich lebe mein eigenes Leben, und da redet mir niemand rein, auch nicht du, auch wenn du mich gemacht hast.
Paulus beschreibt uns Menschen im Epheserbrief als von Natur aus Kinder des Ungehorsams. Er nennt uns sogar Kinder des Zorns – Menschen, die von Gott getrennt sind. Einige von uns können sich noch gut an eine Zeit erinnern, in der sie das so erlebt haben: getrennt von Gott.
Wir hatten vor ein paar Wochen eine Taufe am Starnberger See. Jedes Mal ist es so eindrücklich und bewegend, wenn Glaubensgeschwister ihr Zeugnis geben und erzählen, was ihnen vor der Begegnung mit Jesus wichtig war und wie ihr Leben ohne Gott aussah. Auch dieses Mal erzählten sie, wo sie ihr Glück und ihren Frieden gesucht haben: in der Philosophie, in einem schönen Körper, im Exzess, in Drogen, im Sex, in maximaler Lustbefriedigung, in Leistung, in der Arbeit.
Vielleicht beschreibt das dein Leben gerade: Du machst dein Ding, suchst dein Glück und deinen Frieden irgendwo in dieser Welt. Gott und sein Wort, die Bibel, interessieren dich nicht. Du lässt dir nichts von Gott sagen, lässt dich nicht von ihm reinreden.
Wenn das dein Leben gerade so ist, dann bist du noch getrennt von ihm. Du bist getrennt von Gott, du lebst in Sünde, sagt die Bibel. Und das ist so verheerend, weil du diese Beziehung zu Gott nicht selbst wiederherstellen kannst. Sie ist verloren. Du kannst nicht einfach sagen: „Gott, da bin ich wieder, ich komme zurück zu dir.“
Aber jetzt zeigt uns die Bibel eine andere große Wahrheit, die alles überstrahlt. Sie sagt: Gott ist ein Vater, der sich über Kinder des Ungehorsams erbarmt, der Kinder des Zorns liebt – so sehr, dass er einen Weg gesucht und gefunden hat, um uns in seine Familie zurückzubringen.
Er ist ans Äußerste gegangen. Er hat seinen Sohn Jesus Christus in diese Welt geschickt. Jesus wurde Mensch wie wir. Er hat in perfekter Beziehung zum Vater gelebt und sein Leben ganz in der Beziehung zu Gott verbracht. Dann hat er dieses perfekte Leben am Kreuz von Golgatha gegeben, um unsere Trennung von Gott auf sich zu nehmen.
Er hat deine und meine Sünde bezahlt, die Schuld, die wir vor Gott haben, um uns in die Beziehung zu Gott hineinzulieben. Der Vater gibt seinen Sohn, weil er uns so sehr liebt. Die Auswirkung ist grandios.
Paulus schreibt davon im Epheserbrief. Ich möchte uns ein paar Verse daraus vorlesen, aus Epheser 1: Über Jesus schreibt Paulus, dass Gott der Vater uns in ihm auserwählt hat, ehe der Welt Grund gelegt war, damit wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten. In seiner Liebe hat er uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein – durch Jesus Christus, nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Lob seiner herrlichen Gnade, mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten.
In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade.
Ich möchte dich fragen: Kennst du diese Liebe Gottes ganz persönlich? Hast du sie erfahren? Gott will sie dir schenken durch Jesus Christus. Jeder darf diese Liebe empfangen. Es ist die große Einladung Gottes, sein Ruf: Lass dich von mir lieben. Werde wieder ein Kind. Werde ein Kind in meiner Familie.
Gebet bedeutet, dass du sprechen musst und auch sprechen darfst, dass du sagst: „Vater im Himmel, ich habe nicht gelebt wie ein Kind in deiner Familie. Ich erkenne, dass ich gar nicht würdig bin, in deiner Familie zu sein. Da ist so viel Schuld in meinem Leben, so viel Ballast, so viel Schund, was mich von dir trennt. Aber ich will mich auf diese Verheißung aus dem Epheserbrief stellen. Ich möchte mich darauf verlassen, dass das auch mir gilt, dass Jesus meine Sünde mit seinem Blut bezahlt hat. Ich bitte dich um Vergebung. Bitte nimm mich auf in deiner Familie. Lass mich dein Kind sein. Ich brauche nichts mehr als das.“
Das ist ein Gebet, das Gott der Vater gerne hört, wenn du zu ihm kommst und sagst: „Bitte Gott, schenk mir deine Gnade, ich brauche sie.“ Ich oder auch andere hier in der Gemeinde wollen dir gern helfen, mehr herauszufinden, was es heißt, als Kind Gottes zu leben, wie das aussieht und was es bedeutet.
Das Erste, was es bedeutet, ist, dass du anfängst zu beten. Denn daran zeigt sich zuallererst, dass jemand ein Kind Gottes ist: dass er betet, dass er mit dem Vater spricht.
Der anglikanische Bischof Chase Ryle hat über das Gebet einmal gesagt, es sei eines der sichersten Kennzeichen eines wahren Christen. Er sagte weiter: So wie das erste Lebenszeichen eines neugeborenen Babys das Atmen ist, so ist die erste Handlung von Männern und Frauen, wenn sie wiedergeboren werden, das Beten.
Gott spricht zu uns in allererster Linie durch die Bibel, durch sein Wort. Und wir dürfen ihm antworten, indem wir beten, indem wir mit ihm reden.
Das Vorrecht des Gebets: Die Beziehung zum Vater pflegen
Stellt sich die Frage: Wie machen wir das eigentlich? Wie betet man denn? Das haben sich die Jünger schon gefragt. Wir haben vorhin die Textlesung aus Lukas 11 gehört. Dort sieht man, dass Jesus ganz schön viel betet. Jesus hat sich oft zurückgezogen – am Morgen oder am Abend, ist auf den Berg gegangen, in die Wüste, hat sich von den Menschen zurückgezogen, um Zeit mit seinem Vater im Himmel im Gebet zu verbringen.
Das war ihm wichtiger als alles andere: diese Zeit in der Beziehung zum Vater. Und das hat Jesus gemacht, obwohl er einen vollen Terminkalender hatte. Jesus war nicht langweilig – er hatte wirklich viel zu tun. Er musste viel predigen, viele Menschen heilen, viele wollten etwas von ihm. Aber Jesus sagt: „Das mache ich immer, ich bete.“
Das sollte uns zu denken geben, dass das Jesus so wichtig war, dem Sohn Gottes. Er hat über seinen Dienst gesagt: „Ohne den Vater kann ich gar nichts tun.“ Wie viel mehr gilt das für uns? Ohne den Vater können wir nichts tun. Die Jünger haben das beobachtet und sagen: „Also wenn jemand etwas vom Gebet versteht, dann ist das Jesus.“ Also bitten sie ihn: „Jesus, zeig uns, wie man betet. Lehre uns beten.“
Und was Jesus dann in diesem Kapitel 11 im Lukasevangelium macht, ist, dass er ihnen vor allem vor Augen malt, was für ein Vorrecht es ist zu beten. Er macht es deutlich mit Bildern, mit Verheißungen und mit Geschichten, die ihnen wirklich so ins Herz geschrieben werden sollen. Was für ein Geschenk es ist, zu beten und diese Beziehung zum Vater zu leben.
Das ist der zweite Punkt: das Vorrecht des Gebets – die Beziehung zum Vater pflegen. Ich lese uns noch einmal ein paar Verse daraus. Oder fangen wir erst mal an: Jesus lehrt sie und sagt: „Wenn ihr betet, so sprecht: Vater.“ Und ich möchte mich in dieser Predigt wirklich darauf konzentrieren, dabei zu bleiben – bei diesem Vater, damit wir mehr verstehen, was es bedeutet, in der Beziehung zum Vater zu leben.
Er lehrt sie dann ein Gebet. Ab Ende des Monats schauen wir im Gemeinschaftsgottesdienst sehr genau an, wie das Vaterunser aufgebaut ist, was das alles bedeutet, wie wir beten können und welche Inhalte unser Gebet prägen sollen. Aber bleiben wir heute bei dieser Beziehung, die Jesus uns hier zeigt und zu der er uns einlädt. Es ist die Beziehung, die sich im Gebet ausdrückt.
Jesus sagt: „Wenn ihr zu mir gehört, dann ist mein Vater auch euer Vater.“ Und das ist gewaltig. Diese Aussage, dieser Start für das Gebet ist gewaltig. Jesus sagt: Der Gott, der von Ewigkeit her war, der heute ist und der in Ewigkeit sein wird – das ist dein Vater. Der diese Welt gemacht hat mit ihrer Schönheit, mit aller Kreativität, mit einer Vielfalt, an der du dich nicht sattsehen kannst. Du kannst die ganze Welt bereisen, wirst nie fertig damit, zu staunen darüber, wie Gott diese Welt gemacht hat.
Der Gott, der das ganze Universum geschaffen hat, die Planeten, die Menschen, die ins All schauen und nicht fertig werden, diese Ewigkeit, diese Unendlichkeit zu erforschen und zu erkunden. Der Gott, der die Tiefen des Meeres gemacht hat. Das ist so erstaunlich: Wir gehen ins All und kommen nicht ans Ende, aber auch in die Tiefen des Meeres können wir nicht zu Ende studieren.
Der Gott, der so gut und barmherzig ist, dass er seinen Sohn in diese Welt schickt, dass er für uns am Kreuz stirbt und uns mit ihm versöhnt. Der Gott, der uns liebt und uns nahekommt – das ist dein Vater. Ist das zu fassen? Es ist kaum zu fassen, was Jesus hier sagt. Jesus malt uns vor Augen, wie gut dieser Vater ist. Und das möchte ich uns noch einmal lesen. Wir haben es vorhin schon gehört. Ich lese noch einmal diese Verse: Lukas 11,5-13.
Und er sprach zu ihnen: „Wenn jemand unter euch einen Freund hat und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm: Lieber Freund, leih mir Brot, denn mein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann. Und der drinnen antwortete und spräche: Mach mir keine Unruhe, die Tür ist schon zugeschlossen und meine Kinder und ich liegen schon zu Bett. Ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben. Ich sage euch: Und wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, dann wird er doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm geben, so viel er bedarf.
Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopft an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan. Wo ist unter euch ein Vater, der seinem Sohn, wenn der ihn um einen Fisch bittet, eine Schlange für den Fisch bietet? Oder der ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion dafür gibt? Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben geben könnt, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten?“
Jesus stellt uns hier vor Augen: Gott ist ein Vater, der seine Kinder hört und auch ihre Bitten erhört. Jesus erzählt diese Geschichte von einem spontanen Besuch, von einem, der einen unerwarteten Besuch bekommt und dann sagt: „Ich habe kein Essen im Haus.“ Daraufhin geht er zum Nachbarn und klopft an. Der Nachbar ist unwillig. Er sagt: „Ich bin doch schon im Bett, habe keine Lust, noch mal aufzustehen und dir jetzt Brot zu geben.“
Und Jesus sagt: Aber wenn der nur lange an der Tür bleibt und lange weiterklopft, unverschämt weitermacht, irgendwann sagt der Nachbar: „Damit ich meinen Frieden habe und endlich schlafen kann, mache ich die Tür auf.“ Das ist das Bild, das Jesus gebraucht.
Will er sagen, Gott müssten wir auch so ein bisschen weichklopfen, auf den Keks gehen, nerven? Irgendwann lässt er sich dann, wenn wir Glück haben, erweichen und gibt uns das, was wir brauchen? Nein, das ist nicht die Aussage, die Jesus hier macht. Jesus argumentiert vom Kleineren zum Größeren. Er sagt: Wenn schon ein Mensch irgendwann sagt: „Ich gebe dir das“, wie viel mehr wird Gott uns wirklich das geben, was wir brauchen.
Gott ist nicht wie so ein Nachbar, der unwillig hilft. Gott ist viel besser als der Nachbar. Genau das sagt Jesus dann. Er sagt: „Bittet, so wird euch gegeben.“ Nicht: „Bittet tausendmal und vielleicht kriegt ihr dann“, sondern „Bittet, so wird euch gegeben.“ Das ist eine Verheißung. „Suchet, so werdet ihr finden; klopft an, und es wird euch aufgetan.“ Gott ist nicht wie der Nachbar, Gott ist viel besser. Er hört und hilft schnell.
Und Jesus bringt noch einen Vergleich, um das ganz deutlich zu machen. In den Versen 11 bis 13 vergleicht er mit den menschlichen Vätern. Er sagt: Ein menschlicher Vater will grundsätzlich das Gute für sein Kind. Jesus wusste auch, dass es in unserer Welt Väter gibt, die wirklich schlechte Väter sind. Ich weiß, manche von uns haben das erlebt: Väter, die einfach gar nicht da waren, die weggelaufen sind, die die Familie im Stich gelassen haben, Väter, die zu Hause keine Liebe geschenkt haben.
Aber Jesus sagt: Das Normale ist – und das ist auch unsere Erfahrung in dieser Welt –, dass ein Vater das Gute will für sein Kind. Schon ein böser, ein sündiger Vater in dieser Welt kann seinem Kind etwas Gutes geben, viele Opfer bringen, auf die Bitten des Kindes eingehen und ihm helfen.
Jesus überträgt das auf den Vater im Himmel und sagt: Ist es denn wirklich vorstellbar, dass dein Vater im Himmel anders ist? Ist es vorstellbar, dass dein Vater im Himmel dich im Stich lässt, wenn du ihn bittest? Glaub nicht, dass er schlechter ist als die Menschenväter. Er ist viel besser. Er wird dir nichts vorenthalten, was du wirklich brauchst.
Wir schauen uns das gleich noch genauer an, was das bedeutet und was es auch nicht bedeutet. Aber erst mal ist es wichtig, dass du diese Erkenntnis ganz tief in dein Herz sinken lässt: Mein Vater im Himmel ist gut. Mein Vater im Himmel ist für mich, er sorgt sich um mich, er hört meine Bitten, er hört meine Gebete, jedes einzelne.
Wenn du dich schwer tust mit dem Beten, dann ist es ein guter Startpunkt, dass du dir das klar machst vor jedem Gebet: Mit wem rede ich hier eigentlich? Wer ist Gott, zu wem komme ich gerade? Zu dem Gott, der radikal für mich ist, der mich liebt, der mich angenommen hat, der mich adoptiert hat in seine Familie.
Und das kannst du zu deinem Startgebet machen: dass du Gott einfach danke sagst, dass du ihn lobst. Die Psalmen sind voll von Lobliedern auf Gott, den Vater, die seine Größe groß machen. Du musst dir das so vorstellen: Unsere Kinder malen manchmal Bilder für uns, und die größeren schreiben schon drauf: „Du bist die tollste Mama“, „Du bist der tollste Papa der Welt.“
Das ist nicht einfach, um das Ego zu streicheln. Es schafft Beziehung, wenn dir deine Kinder sagen: „Ich hab dich lieb, so schön, dass es dich gibt, schön, dass du mich siehst, dass du für mich da bist.“ Es macht etwas mit uns, wenn wir Gott ausdrücken, dass wir ihn lieben, dass wir dankbar sind für das, wer er ist und wie er sich um uns sorgt.
Es macht etwas mit unserem Herzen, es verändert die Beziehung. Es vertieft die Beziehung, wenn wir uns bewusst machen: So gut, so groß, so voller Liebe ist mein Gott, zu dem ich jetzt komme. So kann schon ein Gebet beginnen.
Wie Kinder zum Vater kommen: Ehrlichkeit und Einfachheit im Gebet
Und jetzt möchte ich noch ein paar Gedanken dazu teilen, was es bedeutet, als Kind zum Vater zu kommen.
Zunächst heißt das: Du brauchst keine perfekten Worte. Vielleicht denken wir manchmal, dass Gebet kompliziert sein muss. Es gibt Bücher, die das Gebet zu etwas sehr Kompliziertem machen, Gebetseminare, und man kann sogar eine ganze Woche im Kloster verbringen, um zu lernen, wie man richtig betet. Ich befürchte, dass wir in der Gemeinde, gerade in Gottesdiensten oder Gebetsgemeinschaften, manchmal den Eindruck vermitteln, dass Beten etwas Kompliziertes ist. Man meint, man braucht besonders gesalbte Worte, darf keine Halbsätze verwenden, alles muss perfekt sein – so wie vielleicht ein Pastor betet oder andere große Beter in der Gemeinde.
Ich weiß, manche Menschen werden dadurch unruhig und denken: So kann ich ja gar nicht beten. Die Ermutigung für dich und auch für mich ist: Du musst nicht perfekt beten. Du darfst einfach mit deinem Vater reden. Lass es sprudeln oder sprich auch mal stockend. Manchmal wissen wir gar nicht genau, was wir beten sollen, und oft ist es auch nicht klar, wie wir uns ausdrücken sollen.
Unser jüngster Sohn lernt gerade sprechen. Für mich ist das eine schöne Phase im Leben, wenn ein Kind anfängt, erste Worte zu sprechen, dann Zwei-Wort-Sätze bildet und sich die Sprache nach und nach herausbildet. Eines seiner absoluten Lieblingsworte ist gerade „Duz“. Ich bin mir ziemlich sicher, dass außer meiner Frau und mir hier niemand so recht weiß, was „Duz“ eigentlich bedeutet. Aber das müsst ihr auch nicht wissen, es reicht, dass ich es weiß. Wenn Levi zu mir kommt und „Duz“ sagt, dann hole ich seinen Zug aus dem Regal, und wir spielen zusammen. Ich verstehe ihn.
Wie viel mehr versteht unser Vater im Himmel uns, auch wenn die Worte nicht klar sind und wir selbst vielleicht nicht genau wissen, was wir wollen. Levi weiß genau, was er will, aber wir wissen es manchmal nicht. Doch unser Vater versteht uns.
Paulus schreibt in Römer 8,26: „Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie es sich gebührt.“ Es ist oft gar nicht so einfach, die richtigen Worte zu finden. Gott ist unser Vater, gleichzeitig aber auch heiliger Gott. Wir kommen zu ihm und wissen nicht, wie wir uns angemessen ausdrücken sollen. Doch der Geist selbst tritt für uns ein – mit unaussprechlichem Seufzen. Gott schenkt uns seinen Heiligen Geist, den Geist der Kindschaft, der übersetzt und verständlich macht, was wir sagen. Gott versteht uns, egal wie perfekt unser Gebet ist.
Zweitens: Kinder kommen ganz offen und sagen alles, was ihnen auf dem Herzen liegt. Das kenne ich auch von unseren vier Kindern, und Ruth erlebt das noch intensiver, weil sie den ganzen Tag mit ihnen zusammen ist. Kinder erleben ein großes Spektrum an Emotionen – von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt. Viele Gefühle und Themen bewegen sie, aber sie bringen all das zu ihren Eltern.
Wir sind in unseren Gebeten oft viel abgeklärter. Wir überlegen vorher, was wir Gott sagen können und was wir besser nicht sagen sollten. Das ist keine gute Idee, denn Gott ist unser Vater und kennt uns besser als wir unsere Kinder kennen. Er kennt unser Herz, und wir müssen keine Maske aufsetzen.
Die Psalmen, das Gebetsbuch der Bibel, sind voll von Gebeten von Menschen, die Gott ehrlich alle möglichen Gefühle und Herausforderungen bringen. Manchmal sind es Gebete, bei denen man sich fragt, ob man so mit Gott reden darf – fast anklagend: „Herr, wie lange noch?“ Menschen bringen ihre Todessehnsucht, ihre Depression, Verzweiflung, den Wunsch nach Gerechtigkeit vor Gott. Das ganze Spektrum ehrlicher Gebete finden wir dort.
Wir haben uns bei dieser Gebetschallenge bewusst entschieden, das nicht als Wettbewerb zu sehen. Es geht darum, die Vielfalt an Gebeten neu zu entdecken. Im Psalm lernen wir: Ich darf wirklich mit allem zu Gott kommen und ihm alles sagen. Gott kann damit umgehen. Wir müssen nichts vorsortieren oder vorfiltern. Bring es zu Gott – ohne Maske.
Drittens: Kinder bitten um alles, was sie brauchen oder meinen zu brauchen. Sie wissen nicht immer genau, was sie wirklich brauchen. Das sehe ich auch bei unseren Kindern zu Hause. Sie sagen alles, was sie brauchen. Die Bitten sind vielfältig und kommen von morgens bis abends.
Im Gegensatz dazu zensieren wir uns oft beim Beten. Wir bitten um bestimmte Dinge gar nicht, weil wir denken, das sei ungeistlich oder wir bekommen es sowieso nicht. Früher habe ich mich über Leute lustig gemacht, die Gott um einen Parkplatz bitten. Es gibt Christen, die in München zu einem Termin fahren und sagen: „Gott, es ist in deiner Hand, schenke mir bitte einen Parkplatz, ich bin spät dran.“ Ich habe darüber Witze gemacht. Heute denke ich, wie dumm und überheblich das war.
Natürlich wäre es wenig, wenn jemand nur Gott um einen Parkplatz bittet – wenn das das ganze Gebetsleben ist, da ist noch Luft nach oben. Aber es ist schön, wenn jemand mit Gott, seinem Vater, rechnet und so durch den Alltag geht. Ihn auch um solche Dinge bittet und sagt: „Gott, du bist der, der das ganze Universum gemacht hat und in seiner Hand hält. Du wirst auch einen Parkplatz für mich finden.“
Das möchte ich lernen: Mehr im Alltag so zu Gott zu kommen. Auch da, wo schwierige Gespräche anstehen, Herausforderungen in der Familie sind oder schöne Dinge erlebt werden. Mit Gott durch den Alltag zu gehen, ihm alles zu sagen und nicht alles in meinem Kopf auszudiskutieren, sondern ins Gespräch mit Gott zu kommen – das ist etwas Wunderschönes.
Natürlich hat auch ein gesundes Kind eine Lernkurve. Die Gebete und Bitten verändern sich hoffentlich, wenn wir Gott besser erkennen und verstehen, was ihm wichtig ist und was uns wirklich wichtig ist.
Aber bitte, Kind Gottes, werde niemals so abgeklärt, dass du sagst: „Jetzt bin ich erwachsen, jetzt bitte ich gar nicht mehr. Gott weiß ja sowieso, was er tut.“ Nein! Wir kommen immer wieder wie Kinder. Das dürfen wir nie verlernen.
Wie ein Kind, das sagt: „Mein Papa ist der Größte, der Stärkste, der Beste, der Liebevollste,“ so kommen wir zu Gott und rechnen damit, dass er uns hört. Er wird in dieser Hinsicht nie erwachsen.
Es ist ein riesengroßes Geschenk, dass wir diese Beziehung zu Gott leben dürfen und im Gebet zu ihm kommen können.
Die Anfechtung fürs Gebet: In der Beziehung zum Vater bleiben
Aber Hand aufs Herz: Manchmal oder sogar oft kommt uns das Gebet nicht wie ein Geschenk vor. Viele von uns tun sich schwer damit, zu beten und die Beziehung zu Gott zu pflegen. Ich kenne kaum einen Christen, der sagen würde, dass ihm das immer leichtfällt.
Auch wenn wir im Pastorenteam oder im Ältestenkreis darüber sprechen, teilen wir regelmäßig unsere Kämpfe. Es ist wirklich schwer, im Gebet dran zu bleiben. Wir kämpfen damit. Ich kenne das ganz persönlich: Dass ich wenig bete, dass ich Beten manchmal als Last empfinde, was mir eher ein schlechtes Gewissen macht.
Es gibt bei uns im Schwäbischen, wo ich herkomme, eine schöne Redewendung. Man sagt gerne: Mossott, Mossott, gesünder essen, man sollte mehr Sport machen, man sollte mehr beten. Ja, das wäre eine gute Idee, wäre schon irgendwie wichtig, aber gleichzeitig gibt es so viele andere Sachen.
Was blockiert uns also, zu beten, und wie können wir damit umgehen? Das ist der letzte Punkt: Die Anfechtung fürs Gebet – in der Beziehung zum Vater zu bleiben.
Der englische Pastor Tim Chester hat mal auf seinem Internet-Blog eine Umfrage gemacht: Womit kämpft ihr in eurem Gebetsleben? Was sind eure Themen? Dabei kam etwas ganz Beruhigendes heraus: Auch in England haben Christen Schwierigkeiten zu beten. Das darf uns ermutigen, denn wir sind nicht allein.
Was waren die größten Kämpfe, die dort geteilt wurden? Es gab eine breite Palette. Zum Beispiel: Ich habe keine Zeit. Zu viel Ablenkung in meinem Leben – Klassiker wie das Smartphone oder das Internet, die mich einfach zu sehr ablenken. Faulheit, mangelnde Disziplin. Einige sagten, da sei Sünde in ihrem Leben, die sie wirklich davon abhält, Gott zu begegnen. Müdigkeit und mangelnde Motivation wurden ebenfalls genannt.
Chester hat diese vielen Antworten gesammelt und in seinem Buch "You can pray" zusammengefasst. Am Ende kam er auf zwei große Themen, die uns vom Beten abhalten und blockieren. Ich glaube, da hat er einen guten Punkt.
Erster Punkt: Wir denken, das Gebet bringt nichts. Gott erhört uns eh nicht. Das sagen wenige direkt, aber viele empfinden es so. Sie haben für viele Dinge gebetet und haben den Eindruck, da passiert nichts. Gott macht doch, was er will.
Ich möchte nicht zu viel zu diesem Punkt sagen, weil Rico in zwei Wochen noch ausführlich über das Bittgebet predigen wird. Aber ein paar Gedanken möchte ich trotzdem anbringen, vor allem einen großen.
Ich möchte uns noch einmal an das erinnern, was wir gerade in Lukas 11 gelesen haben: Die Verheißung der Bibel ist klar. Wenn Kinder Gottes beten, dann hört Gott immer. Es gibt keine unerhörten Gebete – das gibt es bei Gott, dem Vater, nicht. Er hört sie alle.
Es gibt Gebete, auf die Gott anders reagiert und antwortet, als wir es uns wünschen. Das gibt es. Und das macht uns die große Schwierigkeit: Wir beten um etwas, und wir bekommen es nicht.
Vielleicht können wir das ein bisschen verstehen, wenn wir an unsere Kinder denken. Unser Kleinster sitzt am Esstisch und will unbedingt das scharfe Messer haben. Das wird nicht passieren, weil er noch nicht damit umgehen kann.
Gott weiß, was wir wirklich brauchen, und er gibt uns keine Dinge, die schlecht für uns sind. Aber da kommen wir an unsere Grenzen, wenn wir darüber nachdenken. Denn es gibt viele Dinge, bei denen wir uns fragen: Wie kann das schlecht sein? Warum gibt Gott uns das nicht?
Wenn wir beten für ein todkrankes Kind, warum macht Gott dieses Kind nicht gesund? Wenn wir beten für einen Ehepartner, für jemanden aus der Familie oder einen guten Freund, dass er das Evangelium versteht und zum Glauben an Jesus Christus findet – warum passiert da nichts? Wenn wir beten um einen christlichen Ehepartner – das wäre doch für Gott einfach, eine Ehe zu arrangieren – warum tut er das manchmal nicht?
Da kommen Fragen auf: Interessiert das Gott überhaupt? Ist er wirklich gut?
Mir hilft, was Paulus in 2. Korinther 12 berichtet. Er erzählt von einer persönlichen Not, von einem "Stachel im Fleisch", wie er es nennt. Wir wissen nicht genau, was das war, aber wir wissen, dass er darunter gelitten hat. Es hat ihm Schmerzen bereitet, und er hat Gott gebeten: Herr, nimm das von mir, mach mich gesund. Dreimal hat er darum gebeten.
Dann durfte Paulus erleben, dass Gott ihm das nicht gibt, dass er den Stachel nicht nimmt und der Schmerz bleibt. Aber Gott spricht zu ihm: Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig (2. Korinther 12,9).
Das löst nicht alle unsere Fragen, aber es zeigt uns klar, dass Gott hört und antwortet – nicht immer so, wie wir es erbitten, aber dass Gott einen Plan hat und weiß, was er tut. Das darf dein Vertrauen stärken, und du darfst deinen Kampf ihm bringen.
Ich habe es vorhin gesagt: Die Psalmen sind auch Lieder, in denen Unverständnis zum Ausdruck kommt – "Herr, warum? Herr, wie lange noch?" Aber sei dir sicher: Gott hört dein Gebet.
Das bringt mich zum zweiten Punkt. Chester sagt, wir denken oft, dass es wichtigere Dinge gibt als zu beten. Entweder, weil wir andere Dinge spannender oder unterhaltsamer finden, oder weil wir denken, es ist jetzt einfach nötig, dass etwas geschafft oder gearbeitet wird. "Ich habe keine Zeit fürs Gebet."
Das sagt fast niemand direkt, aber de facto ist es so. Wenn ich lieber länger schlafe, als zu beten, lieber noch eine Stunde liegen bleibe, wenn ich abends lange vor dem Fernseher sitze und mich berieseln lasse, mich stundenlang durchs Internet treiben lasse, lieber Freunde treffe als zu beten, lieber noch eine Stunde länger arbeite oder im Haushalt nie ein Ende finde – alles ist wichtiger als zu beten.
Das sagt etwas über meine Prioritäten aus. Da kann ich machen, was ich will, es zeigt, was mir wirklich wichtig ist im Leben.
Beten wäre so einfach. Es ist kein Zehn-Schritte-Programm, nichts Kompliziertes. Es ist zur Ruhe kommen vor Gott, in die Beziehung gehen, mit ihm reden, sagen: Das ist jetzt meine Priorität, ich lasse alles stehen und liegen.
Aber ich sage: Ich kann es mir nicht leisten, ich habe zu viele Dinge zu tun oder ich finde andere Dinge schöner und spannender als zu beten.
Wie kommen wir da raus?
Tim Chester sagt: Nicht mit eiserner Disziplin. Das ist oft unsere Antwort: Ich muss mich einfach mehr anstrengen. Ich mache mir einen Plan, stehe morgens auf und frühstücke erst, wenn ich eine halbe Stunde gebetet habe. Oder ich schaue abends meine Serie erst, wenn ich vorher gebetet habe.
Wie erfüllend sind solche Gebetszeiten? Wer hat damit Erfahrung gemacht? Oft sind sie trocken und stumpf. Man arbeitet sie ab und betet, damit man es abhaken kann. Man macht aus dem Gebet etwas wie Zähneputzen – nicht besonders spannend, jeden Morgen und jeden Abend wieder. Und man kann es abhaken: Ich habe gebetet.
Vielleicht gibt dir das ein gutes Gefühl, dass du deine Gebetszeiten eingehalten hast. Aber wirklich die Beziehung zum Vater zu leben und zu genießen, passiert nicht, wenn du es einfach nur durchziehst.
Die Lösung muss tiefer ansetzen, auf der Beziehungsebene. Es geht nicht um Regeln, sondern um die Beziehung zum Vater.
Ich musste darüber nachdenken, wie wir das auch in anderen Beziehungen leben. Vor allem musste ich an die Ehe denken.
Wenn eine Beziehung wachsen soll, trifft man sich am Anfang spontan und verbringt viel Zeit miteinander. Aber mit der Zeit ist eine Beziehung auch Arbeit. Es braucht Zeit, die man sich nimmt. Man sagt: Wir nehmen uns einen Eheabend in der Woche, wir machen mal ein Ehewochenende.
Das ist Arbeit, Planung, es erfordert, dass wir die Kalender herausnehmen, buchen und vielleicht einen Babysitter suchen.
Aber im Kern geht es nicht um diese Dinge, die wir dafür tun. Es geht nicht darum, ein Hotel zu buchen oder den Abend im Kalender zu blocken. Im Kern geht es darum, Zeit miteinander zu verbringen, sich besser kennenzulernen, miteinander zu reden, dass die Beziehung wächst, dass die Liebe wächst.
Wer das nur als Pflichtübung macht, wird schnell merken: Die Frauen haben ein gutes Gespür dafür, wenn der Eheabend nur als Pflichtübung einmal in der Woche abgehakt wird. Das bringt gar nichts für die Beziehung. Man kann es sich sparen, wenn man sich nicht für den anderen interessiert.
Ähnlich ist es mit dem Gebet. Es geht nicht um eine Pflichtübung.
Gott ist nicht der Chef, der sich deinen Stundenzettel anschaut und sagt: Hey, super, heute viel gebetet, kriegst du eine Gehaltserhöhung. Oder der Lehrer, der dir eine Note dafür gibt.
Gott ist der Vater, der sagt: Ich möchte, dass du Zeit mit mir verbringst.
Wenn Regeln dabei helfen, ist das gut. Ich glaube, sie helfen wirklich. Aber es geht nicht um die Regeln, sondern um die Beziehung zum Vater.
Tim Keller hat mal gesagt: Wer würde es wagen, einen König nachts um drei zu wecken, um ein Glas Wasser zu bekommen? Nur sein Kind.
Wir sind Königskinder, Kinder des Vaters im Himmel. Wir dürfen kommen. Es ist ein Privileg, diese Beziehung zu haben.
Ich möchte darum beten, dass Gott uns das schenkt, dass er es durch seinen Heiligen Geist in uns groß macht, dass wir die Beziehung zu ihm mehr schätzen als alles andere.
Dass sich das in unseren Gebeten ausdrückt, in unseren Gebetszeiten, dass das gute Zeiten sind, in denen wir seine Nähe erfahren, genießen und uns daran freuen, dass wir zu ihm gehören und dass er der Vater ist, der uns liebt.
Lasst uns beten:
Vater, dafür wollen wir dir danken, für diese Beziehung, die du uns schenkst. Dass du uns geliebt hast, als wir noch Streuner waren, deine Feinde, und uns gerettet und in deine Familie hineingeliebt hast.
Danke für dieses Vorrecht, dass wir Söhne und Töchter Gottes sein dürfen.
Wir bekennen, dass wir das oft nicht schätzen und dass uns das Gebet immer wieder langweilig erscheint oder wir sagen, wir haben keine Zeit dafür.
Wir beten, dass du uns tief in unserem Herzen veränderst, dass du uns hilfst, ehrlich zu werden vor dir, mit allem zu dir zu kommen, was uns bewegt, unsere Bitten zu dir zu bringen, die Beziehung zu dir zu schätzen und zu lieben, dich zu lieben.
Danke, dass du uns so sehr liebst, dass du deine Liebe nicht von unseren Leistungen abhängig machst, sondern dass du uns bedingungslos willst.
Wir beten, dass wir in der Beziehung zu dir wachsen.
In Jesu Namen, Amen.