Der heutige Gute Rat trägt den Titel „Dass man seine Augen aufmachen soll“. Wer gut durch die Welt kommen will, muss wachsam um sich blicken und selbst im Schlafe ein Auge offen haben. Denn es gibt manchen Köder für Fische, manches Netz für Vögel und manche Falle für Menschen.
Solange so viele Füchse umherlaufen, dürfen wir keine Gänse sein. Viele Leute sehen mit einem Auge mehr als andere mit zweien, und viele haben gute Augen und können doch gar nichts erkennen. Nicht alle Köpfe sind mit Weisheit gefüllt.
Einige sind so schlau, dass sie jeden verdächtigen und ihr ganzes Leben in elender Furcht vor ihren Nachbarn zubringen. Andere sind so einfältig, dass sie sich von jedem Betrüger reinlegen und das Fell über die Ohren ziehen lassen.
Der eine versucht, durch eine dicke Mauer hindurchzugucken und wundert sich, dass er dabei seine Augen überanstrengt. Der andere entdeckt ein Loch darin und sieht dahindurch so weit, wie es ihm gefällt.
Einige arbeiten vor der Tür eines Schmelzofens und werden doch nicht versenkt. Andere verbrennen sich die Finger an einem Feuer, an dem sie sich nur wärmen wollten.
Nun stimmt es zwar, dass niemand einen anderen zu einem weisen Mann machen kann, sondern dass jeder aus Erfahrung selbst klug werden muss. Dennoch möchte ich einige Mahnungen zur Vorsicht zum Besten geben, die mir persönlich gute Dienste geleistet haben. Vielleicht sind sie auch anderen zum Nutzen.
Niemand ähnelt einem ehrlichen Mann so sehr wie ein recht durchtriebener Schurke. Wenn du einen Menschen siehst, der besonders viel Frömmigkeit in seinem Schaufenster ausstellt, kannst du gewiss sein, dass er nur einen kleinen Vorrat davon im Lager hat.
Wähle deinen Freund nicht nach dem Äußeren. Hübsche Schuhe drücken oft. Sei vorsichtig bei Komplimenten. Halte nicht den Menschen für den Besten, der zu allem und jedem etwas zu sagen hat. Katzen, die viel miauen, fangen selten viele Mäuse.
Gib dich ja nicht in die Gewalt eines anderen Menschen. Wer seinen Daumen zwischen zwei Mühlsteine hält, darf sich nicht wundern, dass er gequetscht wird. Trinke nichts, ohne zu sehen, was es ist. Unterschreibe nichts, ohne es vorher gelesen zu haben. Überzeuge dich, dass nicht mehr damit gemeint ist, als die Worte besagen.
Prozessiere nicht, wenn du noch etwas zu verlieren hast. Gehe bei keiner Sache tiefer ins Wasser hinein, als du noch den Grund erkennen kannst. Setze kein Vertrauen auf die Quittung am Geldbeutel und zähle das Geld selbst nach. Lass dir den Sack aufmachen, ehe du kaufst, was darin ist. Wer die Katze im Sack kauft, ist förmlich darauf aus, betrogen zu werden.
Halte dich fern von Menschen, die nichts von sich selbst halten. Hüte dich vor jedem Flucher, denn wer seinen Schöpfer lästern kann, macht sich auch nichts aus Lügen und Stehlen.
Vor niemandem solltest du dich mehr hüten als vor dir selbst, denn die schlimmsten Feinde tragen wir in unserem eigenen Herzen. Begegnet dir eine neue Lehre oder Meinung, so beiße nicht sofort zu. Warte ab, bis du weißt, ob sie Brot oder Stein ist. Denke nicht, dass der Pfefferkuchen gut sein muss, nur weil er mit Schokolade verziert ist.
Schreie nicht Hurra, bevor du nicht ganz aus dem Wald heraus bist. Mache kein Hallo, bevor du den Fisch im Netz hast. Zum Rühmen ist es immer noch früh genug. Gieße kein schmutziges Wasser fort, bevor du sauberes hast.
Fahre fort, die Straße zu fegen, solange du keine bessere Arbeit bekommst. Der geringste Verdienst ist besser als gar keiner, und der niedrigste Dienst ist besser, als ohne Arbeit zu sein.
Einem Ochsen und einem Verrückten sollte man stets aus dem Weg gehen. Prügele dich nicht mit einem Kohlenträger und streite nicht mit einem schlechten Mann, denn sie machen dich beide sicherlich schwarz.
Reite nie auf einem Pferd mit gebrochenen Beinen. Ein Kaufmann, der sich einmal eines betrügerischen Bankrotts schuldig gemacht hat, ist nicht der richtige Mann, um mit ihm Geschäfte zu machen.
Ein wackeliger Stuhl ist ein gefährlicher Sitz. Allzu höflichen Leuten sollte man nicht trauen. Lass dich nicht auf Menschen ein, die naseweiß oder grob sind. Wenn du eine Nebenabsicht spürst, sei auf der Hut.
Stelle die Falle auf, sobald du eine Ratte riechst, aber achte darauf, dass du dir nicht die Finger dabei klemmt. Habe nichts zu tun mit einem Prahlhans, denn sein Bier ist lauter Schaum. Auch wenn er sich rühmt, dass alle seine Waren und selbst sein Hausgeschirr aus Gold und Silber bestehen, wirst du bald entdecken, dass Prahlhänse und Lügner Vettern sind.
Vertraue niemandem alle deine Geheimnisse an. Vertraue auf Gott mit ganzem Herzen, aber wiege dein Vertrauen in Freunde mit Bedacht ab. Menschen sind nur Menschen, und alle Menschen sind schwach.
Hänge keine schweren Gewichte an dünne Fäden, sei aber auch nicht allzu argwöhnisch. Denn Argwohn ist im besten Falle eine Tugend der Feiglinge.
Mein letzter Rat an alle lautet: Denkt daran, dass wahre Weisheit sich am Ende als solche erweisen wird.
Diese Weisheit sollt ihr suchen, meine Freunde, und zwar zu den Füßen des weisesten aller Lehrer, des Herrn Jesus.
Gelesen von Glaubensgerechtigkeit. Dieses Buch sowie viele weitere Hörbücher, Andachten und Predigten gibt es auf dem Youtube-Kanal von Glaubensgerechtigkeit