Lasst uns beten. Vater im Himmel, wir haben gerade gesungen: Jesus, nimm mein Leben hin. Du weißt, wo wir heute Morgen stehen. Du weißt, dass es in keinem Leben ganz so ist, dass wir uns in jeder Sekunde mit allem, was wir haben, ganz deinem Willen unterordnen.
Wir wollen dich um Vergebung bitten. Gleichzeitig beten wir, dass du uns immer mehr dahin führst, dich so zu lieben, dass wir Jesus immer mehr vertrauen lernen. Wir wünschen uns, dass unser ganzes Leben unter seiner guten Herrschaft steht und wir ihm in allen Dingen und Lebensbereichen nachfolgen.
Vater, gebrauche dein Wort jetzt in dieser Predigt, um unsere Herzen zu verändern und uns Jesus ähnlicher zu machen. Danke, dass du zu uns reden willst. Amen.
Geistliches Wachstum und die Bedeutung des Wortes Gottes
Wie geschieht geistliches Wachstum? Diese Frage stellte sich vor einigen Jahren eine sehr große Gemeinde in Amerika, die Willow Creek Church. Es handelt sich um eine Megagemeinde mit tausenden Gottesdienstbesuchern Sonntag für Sonntag.
Sie bemerkten, dass sie zahlenmäßig ordentlich gewachsen waren. Doch sie waren sich nicht sicher, ob dieses Wachstum auch wirklich in die Tiefe ging. Sie fragten sich: Prägt Jesus wirklich unsere Leute? Suchen unsere Mitglieder täglich seine Nähe? Bezeugen sie ihn mutig im Alltag? Vertrauen sie seinem Willen auch in schweren Lebenssituationen?
Weil sie unsicher über den geistlichen Zustand der Gemeinde waren, taten sie das, was heute häufig gemacht wird: Sie beauftragten ein Marketingunternehmen, eine Studie durchzuführen. Diese Studie wurde nicht nur in ihrer Gemeinde gemacht, sondern gleich in 1.200 Gemeinden. Insgesamt wurden fast 300 Christen befragt: Wo stehen sie geistlich? Was hilft ihnen zu wachsen?
Das überraschendste Ergebnis war, dass der wichtigste Faktor für geistliches Wachstum das intensive Studium der Bibel und die Anwendung von Gottes Wort auf das eigene Leben ist. Darüber kann man streiten, ob es dafür eine große Studie braucht.
Mich hat es jedoch sehr gefreut, dass nun wissenschaftlich belegt ist, was Christen seit 2.000 Jahren wissen – was Paulus wusste und die erste Gemeinde wusste: Es braucht Gottes Wort, um geistlich zu wachsen. Und zwar nicht nur als Bildung, also nicht nur, um etwas klüger zu werden, sondern damit unsere Herzen verändert und geprägt werden. Wir sollen Gottes Wort in unserem Leben anwenden.
Das sehen wir heute in unserem Predigttext, in dem Paulus die Gemeinden auf seinen Reisen ermutigt, Gottes Wort ernst zu nehmen und mehr danach zu leben.
Dieser Text darf uns ermutigen, seinem Beispiel zu folgen: die Bibel auf unser eigenes Leben anzuwenden und auch andere zu ermutigen, mit dem Wort zu trösten und – wo nötig – auch zu ermahnen, wie wir es in dem Text sehen.
Paulus’ Sorge um die Gemeinden und sein Dienst
Ich möchte uns noch einmal die ersten drei Verse vorlesen.
Als das Getümmel aufgehört hatte, rief Paulus die Jünger zu sich, ertröstete sie, nahm Abschied und brach auf, um nach Mazedonien zu reisen. Nachdem er diese Gegenden durchzogen und die Gemeinden mit vielen Worten ermahnt hatte, kam er nach Griechenland und blieb dort drei Monate. Da ihm aber die Juden nachstellten, als er zu Schiff nach Syrien fahren wollte, beschloss er, durch Mazedonien zurückzukehren.
In diesen ersten Versen sehen wir, wie sehr Paulus sich um die Gemeinden sorgte, die er in der ganzen Region gegründet hatte. Er war ein mutiger und hingebungsvoller Gemeindegründer. Wo er hinkam, ging er zuerst in die Synagogen, dann zu den Heiden, um ihnen das Evangelium zu predigen. Er nahm den Auftrag Jesu ernst: „Geht hin und machet zu Jüngern“, das heißt evangelisieren und missionieren.
Paulus wusste auch, dass dieser Auftrag von Jesus noch einen weiteren Teil hatte. Es ging nicht nur darum, zu evangelisieren, sondern auch darum, zu lehren und die Menschen zu ermutigen, alles zu halten, was Jesus geboten hatte. So war Paulus unterwegs und für viele Gemeinden ein Pastor.
In jener Zeit gab es noch nicht viele Bibellehrer, die das Wort gut kannten und das Evangelium tief verstanden. Deshalb brauchte es Leute wie Paulus, die anderen Apostel und auch die Schüler der Apostel. Diese gingen durch die Gemeinden, sahen nach dem Rechten und rüsteten die Gläubigen aus. Das Neue Testament war damals noch nicht vollständig entstanden. Es waren nur wenige Männer, die das Wort brachten und weitergaben.
Wie ernst Paulus diesen Auftrag nahm und welche Verantwortung er spürte, zeigt sich in diesen Versen. Er wollte nach Griechenland reisen. Wenn man auf die Karte auf dem Gottesdienstblatt schaut, sieht man, wo Ephesus liegt, wo Paulus sich befand. Von dort hätte er einfach mit dem Schiff übers Meer fahren können. Er hätte eine angenehme Zeit auf dem Wasser verbringen und bequem mit einem Schiff nach Korinth gelangen können.
Doch das tat er nicht. Paulus nahm nicht den Weg über das Meer nach Griechenland, nicht weil er Angst vor Wasser hatte, sondern weil er den Landweg wählte. So konnte er viele Gemeinden besuchen und sie stärken.
Ursprünglich wollte er von Griechenland mit dem Schiff nach Syrien reisen. Das war nach seiner zweiten Missionsreise geplant, um dann weiter nach Jerusalem zurückzukehren. Doch in Vers 3 lesen wir, dass er verfolgt wurde. Die Juden setzten ihm in Griechenland, sehr wahrscheinlich in Korinth, stark zu.
Paulus machte das Beste aus der Situation. Er reiste erneut den Landweg zurück und besuchte auf dem Rückweg wieder viele Gemeinden.
Trösten und Ermahnen als zentrale Aufgaben im Dienst
Lasst uns genauer betrachten, wie Paulus’ Dienst aussah. In Vers 1 lesen wir, dass er noch in Ephesus die Jünger, also die Christen, zusammenrief und sie tröstete. In Vers 2 heißt es, dass er die Gemeinden besuchte und viele Gemeinden ermahnte.
Das Interessante ist, dass im Griechischen für „trösten“ und „ermahnen“ dasselbe Wort verwendet wird: Parakaleo. Dieses Wort bedeutet auch „ermutigen“ und hat viele weitere Bedeutungen. Besonders bemerkenswert ist, dass Jesus selbst dieses Wort Paraklet für das Werk des Heiligen Geistes gebraucht. Im Johannesevangelium nennt Jesus den Heiligen Geist den Paraklet – den Tröster, Ermutiger und den, der ermahnt, Gottes Wort ernst zu nehmen.
Wenn wir diese zwölf Verse lesen, fällt auf, dass weder Gott, noch Christus, der Vater oder der Heilige Geist ausdrücklich erwähnt werden. Trotzdem ist das Werk des Heiligen Geistes durchdringend spürbar. Paulus wird hier als Werkzeug gebraucht, durch das Gott in den Gemeinden wirkt. Der Heilige Geist wirkt kraftvoll, zuerst in Ephesus, wo Paulus die Jünger zusammenruft.
Ihr müsst euch vorstellen: Letzte Woche hörten wir von dem Aufstand des Demetrios in Ephesus. Die Jünger waren bestimmt geknickt und hatten vielleicht auch Angst. Nach diesem Drama – Tausende Menschen auf der Straße, die laut riefen „Groß ist die Diana der Epheser“ und gegen Jesus Christus schrien – waren die Christen in Ephesus verängstigt. Was würde jetzt passieren? Wahrscheinlich erlebten sie zum ersten Mal Verfolgung.
Paulus nahm sie zur Seite und tröstete sie, bevor er ging. Sicherlich tat er das mit Gottes Wort. Vielleicht sprach er ihnen zu, was Jesus schon seinen Jüngern gesagt hatte: „In der Welt habt ihr Angst, in der Welt habt ihr Bedrängnis, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ Vielleicht ermutigte er sie auch mit den Seligpreisungen, zum Beispiel: „Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und allerlei Böses gegen euch reden und dabei lügen. Seid fröhlich und jubelt; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden, denn ebenso haben sie die Propheten verfolgt, die vor euch gewesen sind.“
Paulus tröstete die Christen in Ephesus, und das waren keine Floskeln oder nette Sprüche, die man mal eben zwischen Tür und Angel sagt. Paulus hatte selbst diesen Trost erfahren. Er war jemand, der selbst sehr unter Verfolgung gelitten hatte und immer wieder große Bedrängnis erfuhr. Es hat ihm schwer zugesetzt, und er nahm das nicht immer leicht.
Wir dürfen kein falsches Bild von Paulus bekommen, als jemand, der immer heldenhaft durch die Lande zog und nie entmutigt war. Im 2. Korintherbrief lässt er uns tief in sein Herz blicken, wenn er den Korinthern schreibt: „Denn wir wollen euch, liebe Brüder, nicht verschweigen die Bedrängnis, die uns in der Provinz Asien widerfahren ist, wo wir über die Maßen beschwert waren und über unsere Kraft, so dass wir auch am Leben verzagten.“
„Am Leben verzagt“ – Paulus war durch die Bedrängnis so belastet, dass er dachte, er müsste sterben. Es hat ihm so hart zugesetzt, dass er dachte, er könne das nicht mehr lange durchhalten. Vielleicht durch die Verfolgung, vielleicht weil sein Herz nicht mehr mitmachte angesichts dessen, was er erlebte.
Doch in seiner Not durfte er Gottes Trost erfahren. Auch das schreibt er am Anfang des 2. Korintherbriefs und beschreibt, wie Gott ihn in seiner Bedrängnis getröstet und ermutigt hat. Paulus kannte Leid und Not sehr gut, und genau das machte ihn zu einem so guten Tröster, weil er selbst von seinem guten Gott getröstet worden war.
In anderen Gemeinden, wahrscheinlich auch in denen, die in Vers 2 erwähnt werden, musste Paulus mehr ermahnen. Dort musste er die Menschen auffordern: Folgt Christus kompromisslos! Macht keine halben Sachen; das wird euch nicht helfen. Es muss die ganze Sache mit Christus sein.
Es waren vielleicht Gemeinden wie die in Korinth, die wir im 1. Korintherbrief kennenlernen, wo Paulus hart ermahnen musste. Dort gab es früh Spaltungen, Fraktionen, die gegeneinander standen, viel Lieblosigkeit, sexuelle Unmoral, Streit um Speisegebote und um die Geistesgaben. Viel Streit prägte diese Gemeinde.
Paulus ermahnte sie und sagte: Schaut auf Jesus! Er wird euch wieder verbinden und vereinen. Kommt unter seine gute Herrschaft. Mit dem Trösten tun wir uns oft leicht, mit dem Ermahnen vielleicht nicht so sehr. Aber es ist gut, dass Paulus die Gemeinden nicht einfach in die Irre laufen ließ oder sie ihren eigenen Weg gehen ließ.
Er ermahnte sie, wieder auf den richtigen Weg zurückzukehren. Dabei tat er das nicht von oben herab. Paulus wusste selbst, dass er solche Ermahnungen brauchte. Im Römerbrief Kapitel 7 beschreibt er seinen eigenen Kampf mit der Sünde: „Das Gute, das ich will, das tue ich nicht, und das Böse, das ich nicht will, das tue ich.“
Er kannte diesen Kampf mit der Sünde. Deshalb wusste er, wie wichtig es ist, sich von Gottes Wort immer wieder auf den richtigen Weg rufen zu lassen. Ebenso wichtig ist es, sich gegenseitig zuzusprechen und zu ermahnen.
So bekommt das Ermahnen eine ermutigende Facette. Im Grunde rufen wir uns gegenseitig zurück auf den richtigen Weg. Das ist etwas Ermutigendes.
Gegenseitige Ermutigung und Verantwortung in der Gemeinde
Was können wir von diesem Dienst für unser Leben als Christen lernen? Mindestens zwei Dinge.
Das erste: Der Heilige Geist will auch uns gebrauchen, um Glaubensgeschwister zu ermutigen, zu trösten und, wo nötig, auch zu ermahnen. Gott stellt uns in eine Gemeinschaft, damit wir einander in der Nachfolge Christi unterstützen – als Gemeinde.
Wir erleben zurzeit nicht dieselbe Verfolgung, wie sie damals in Ephesus war, aber wir kennen es auch, dass wir durch finstere Täler gehen. Dass das Leben hoffnungslos erscheint und es ganz dunkel wird. Dann braucht es Geschwister, die an unsere Seite kommen und uns Gottes Trost zusprechen in der Not.
Wie wichtig sind solche Menschen, die uns den Blick wieder neu auf Jesus Christus ausrichten! Und die, die das am besten können, sind oft die, die selbst schon durch diese dunklen Täler gegangen sind. Die den Schmerz kennen, den das Leben mit sich bringt. Die wissen, wie das ist.
Für mich ist es ein großes Zeugnis der Wahrheit der Bibel, wenn ich sehe, dass Menschen wirklich ganz schwere Dinge durchleben – harte Ehesituationen bis hin zu Ehebruch, schwere Krankheiten oder Bedrängnis für den eigenen Glauben. Und wenn sie sagen: In dieser Not, in dieser Schwachheit hat mich Gottes Wort getröstet, ich habe seine Nähe erfahren wie nie zuvor, er ist mir ganz nah gewesen – dann sind das die Leute, die am besten andere trösten können. Die am besten Menschen ermutigen können, die ebenfalls durch so ein dunkles Tal gehen. Sie sagen: „Lass uns wieder auf Jesus schauen.“
Wenn du das schon erlebt hast, wenn das deine Geschichte ist – auf die eine oder andere Weise – dann möchte ich dich ermutigen: Nutze das, was Gott mit dir gemacht hat, wie er dich in der Not ermutigt hat, um andere zu trösten. So wie Paulus den Trost, den er von Gott empfangen hat, weitergegeben hat.
Es braucht Menschen in unserer Gemeinde, die andere trösten und an ihre Seite kommen. Und dort, wo wir sehen, dass Geschwister nicht nach Gottes Willen leben, haben wir auch die Verantwortung, ihnen zurechtzuhelfen. Nicht als Besserwisser, nicht von oben herab, sondern wirklich als Helfer in der Not.
Ermahnen – ich möchte noch einmal sagen, das hat oft einen negativen Beigeschmack. Ermahnen macht man ja mit Kindern, aber doch nicht mit erwachsenen Menschen. Doch das Ermahnen, das der Heilige Geist bewirkt, ist eine gute Ermahnung. Sie hilft uns, auf den rechten Weg zu kommen.
Und das dürfen wir alle miteinander annehmen, diese Herausforderung. Denn der Heilige Geist will es nicht einfach an uns vorübergehen lassen, sondern er will uns gebrauchen, einander auf gute Weise zu ermahnen.
Das ist das eine: Lass dich gebrauchen.
Die andere Seite der Medaille ist das zweite: Der Heilige Geist will andere gebrauchen, um uns zu ermutigen, zu trösten und zu ermahnen.
Rechnest du damit, dass Gott durch andere Christen an dir arbeitet? Bist du offen dafür? Bittest du vielleicht sogar darum?
Ich beobachte eine Tendenz, dass Christen sich zurückziehen, wenn es ihnen schlecht geht. Auch wenn sie in Sünde verstrickt sind, ziehen sie sich immer mehr aus der Gemeinschaft zurück. Vielleicht weil es so schmerzhaft ist, vielleicht auch weil es peinlich ist.
Bitte tu das nicht! Zieh dich nicht zurück, wenn du am Leben verzweifelst, wenn deine Umstände richtig schwer sind oder wenn du mit Sünde zu kämpfen hast.
Vertrau dich jemandem an, dem du vertraust. Das können Älteste sein, das können Pastoren sein, aber auch jeder andere Christ, dem du vertraust. Sprich mit ihm darüber und lass dir helfen – besser früher als später.
Wir brauchen einander. Paulus hat Christen in seinem Reisedienst im Glauben ermutigt und gestärkt. Und wir dürfen das zweitausend Jahre später genauso tun.
Gemeinschaft und Unterstützung im Dienst
In den nächsten drei Versen sehen wir, dass Paulus nicht allein unterwegs war, sondern in einer ermutigenden Dienstgemeinschaft. Ich lese die Verse noch einmal vor:
Es zogen aber mit ihm Sopater aus Berua, der Sohn des Pyrrhus aus Thessalonich, aber Aristarch und Sekundus, und Gaius aus Derbe und Thymotius, aus der Provinz Asien aber Tychikus und Trophimus. Diese reisten voraus und warteten auf uns in Troas. Wir aber fuhren nach den Tagen der ungesäuerten Brote mit dem Schiff von Philippi ab und kamen am fünften Tag zu ihnen nach Troas und blieben dort sieben Tage.
Neben den hier in Vers 4 erwähnten Leuten, die mit Paulus unterwegs waren, war auch noch Lukas dabei. Er erwähnt sich hier nicht selbst, ist aber im „Wir“ und „Uns“ enthalten. Ihr lest in Vers 5: „Diese reisten voraus und warteten auf uns in Troas.“ Lukas ist also selbst darin enthalten, denn er hat diese Apostelgeschichte geschrieben.
Paulus war mit dieser Reisegruppe unterwegs. Die Gruppe war so bunt wie die Gemeinde, abgesehen von Frauen, die fehlten. Sonst war sie so vielfältig wie die Gemeinde: Männer aus ganz verschiedenen Städten und Regionen, die miteinander unterwegs waren. Sie kamen aus unterschiedlichen Hintergründen.
Lukas war ein Arzt, gebildet und gut situiert. Aber auch ein Mann namens Sekundus war dabei. Wer sich ein wenig mit den Griechen und Römern auskennt, weiß, dass Sklaven oft einfach durchnummeriert wurden: eins, zwei, drei, vier, fünf. Sekundus bedeutet „der Zweite“. Vielleicht war sein Bruder der „Primus“ oder sein Vater. Sekundus war also wahrscheinlich ein Sklavenname, einfach eine Nummer.
Doch Sekundus durfte erleben, wie Jesus Christus ihn durch das Evangelium rief. Er war nicht mehr einfach eine Nummer, sondern wurde für Gott ganz wertvoll.
Diese Gruppe diente gemeinsam. Das war für Paulus sicherlich eine große Ermutigung. Die Kraft des Evangeliums zeigt sich darin, wie Menschen in den unterschiedlichsten Kontexten erreicht und herausgerissen werden. Sie finden ein neues Leben in Christus.
Diese Männer waren auch große Helfer für Paulus und eine persönliche Ermutigung für ihn. Paulus konnte ja nicht überall gleichzeitig sein. Er brauchte Menschen, die ihm halfen, das Evangelium in andere Städte zu bringen und den Dienst der Ermutigung an anderen Orten zu tun.
Er konnte seine Briefe nicht einfach per Post verschicken, sondern vertraute diese Männern an. Sie reisten in die Gemeinden und stellten dort zuverlässig die Briefe von Paulus zu.
Diese Dienstgemeinschaft war ganz sicher auch ein großes Zeugnis und eine Ermutigung für viele Christen in dieser Zeit. Ihre Herkunftsgemeinden hatten diese Männer freigestellt, damit sie mit Paulus auf Reisen gehen und Menschen an anderen Orten Gottes Wort bringen konnten.
Man kann also sagen: Ihre Gemeinden verzichteten auf einige ihrer besten Leute zum Wohl anderer.
Ein Gedankenexperiment: Es ist schwer vorstellbar, aber stellt euch vor, unsere Gemeinde hätte keine Pastoren. Das ist bei uns kaum vorstellbar. Aber wie ermutigt wären wir, wenn uns andere Gemeinden ihre Leute schicken würden, die zu uns zum Predigen kommen und uns Gottes Wort auslegen?
Tatsächlich durften wir das in den letzten Jahren immer wieder erleben. Als Pastoren, aber auch als Trainer, die hier in der Gegend rund um München und auch in anderen Gemeinden in München unterwegs sind, die nicht genug Pastoren oder Prediger haben. Dort wurden wir oft zu Predigdiensten eingeladen. Meist hatte ich zumindest den Eindruck, dass die Gemeinden danach ermutigt waren.
Es ist gut, wenn wir über unsere eigene Gemeinde hinausdenken und über die Gemeindegrenzen schauen. Wie können wir als Gemeinde darin wachsen, diese Reich-Gottes-Perspektive zu bekommen? Es gibt noch viele andere Gemeinden, die wir ermutigen können.
Sind wir bereit, einige unserer besten Leute in andere Gemeinden zu schicken? Können wir versuchen, Dienst freizustellen und sie zu entsenden? Sei es für die Mission oder einfach nur in eine andere Region dieses Landes oder dieser Stadt, wo sie dann mit der Bibel in der Hand ermutigen, trösten, ermahnen und Menschen Gottes Wort bringen?
Das sind Fragen, die uns aktuell beschäftigen.
Wir haben beschlossen, eine neue Gemeinde im Münchner Westen, in Freiham, zu gründen. In diesem Gründungsteam, das es jetzt schon seit knapp zwei Jahren gibt, sind einige sehr fähige und dienstbereitete Leute aus unserer Gemeinde dabei.
Wir werden gute Leute verlieren, die nach Freiham gehen. Aber mit der Perspektive aus diesen Versen sehen wir: Das ist gut investiert. Es ist gut, wenn wir sie schicken und gehen lassen, damit auch an anderen Orten Christen ermutigt werden und Menschen ganz neu zum Glauben finden.
Genauso gilt diese Reich-Gottes-Perspektive für unser Trainee-Programm. Christian und andere, die hier ihre Pastorenausbildung machen, predigen hier ein paarmal, leiten Bibelstunden, Gruppen und Kreise. Wir lernen sie so lieben, dass wir sagen: „Christian und die anderen wollen wir nie mehr gehen lassen, weil sie hier so einen guten Dienst tun.“
Dann brauchen wir wieder diese Perspektive: Ja, sie tun hier einen guten Dienst, ja, Gott sei Dank, wir haben sie lieb und sie bringen uns Gottes Wort. Aber wir wollen auch andere Gemeinden mit solchen Leuten segnen.
Wenn wir Geschwister zum Dienst in anderen Gemeinden freisetzen, so wie es hier geschehen ist, dürfen wir wissen: Unser Verlust ist ihr Gewinn. Unser Verlust ist ihr Gewinn.
Einblick in den Gottesdienst in Troas und die Bedeutung des Wortes
In den letzten Versen lesen wir von einem ermutigenden Gottesdienst. Der Bericht wirkt wie ein Zoom: Wir bekommen eine bessere Vorstellung davon, was Paulus die ganze Zeit gemacht hat, wenn er in den Gemeinden war. Dieser Gottesdienst vermittelt uns einen Eindruck davon, wie Paulus Gemeinden besucht und was er dabei getan hat.
Die Verse 7 bis 12 berichten: Am ersten Tag der Woche, als wir versammelt waren, um das Brot zu brechen, predigte Paulus zu ihnen. Das war in Troas. Da er am nächsten Tag weiterreisen wollte, zog er die Rede bis Mitternacht hin. Es waren viele Lampen im Obergemach, wo wir versammelt waren. Ein junger Mann namens Eutychus saß in einem Fenster und sank in einen tiefen Schlaf, weil Paulus so lange redete. Vom Schlaf überwältigt fiel er vom dritten Stock herunter und wurde tot aufgefunden.
Paulus ging hinab, warf sich über ihn, umfasste ihn und sagte: „Macht kein Getümmel, denn er lebt.“ Dann ging er wieder hinauf, brach das Brot, aß und redete viel mit ihnen, bis der Tag anbrach. Danach zog er weiter. Sie brachten den jungen Mann lebend herein und wurden nicht wenig getröstet.
Paulus macht auf dem Rückweg nach Jerusalem in Troas Station. Auch dort nimmt er sich Zeit für die Gemeinde und ermutigt sie. Der Gottesdienst wurde gefeiert, so wie wir das heute tun und wie Christen das seit 2000 Jahren tun.
Es war der erste Tag der Woche, der Sonntag nach jüdischer Zählweise. Am Sonntag versammelten sie sich, feierten das Abendmahl und hörten vor allem eine lange Predigt. Heute diskutieren wir oft, ob 40 Minuten Predigt nicht zu lang sind. Paulus konnte stundenlang predigen und lehren. Die Menschen saugten das Wort auf, sie wollten es hören und konnten nicht genug davon bekommen. Sie gingen nicht nach Hause, sondern hatten einen riesigen Hunger nach Gottes Wort.
Das sage ich nicht nur, weil ich Pastor bin und gerne predige, sondern weil es wirklich so war: Da war ein großer Hunger. Sicher gab es auch Gelegenheit für Rückfragen. Paulus hielt keinen Monolog über Stunden, sondern es entstand ein Austausch: Was bedeutet das für mein Leben? Wie kann ich das auf meine Situation anwenden? Die Predigt wurde zum Gespräch.
Der Gottesdienst zog sich bis spät in die Nacht. Plötzlich wurde dieser andächtige Austausch jäh unterbrochen: Es gab einen Riesenschlag. Eutychus fiel aus dem Fenster, war während der langen Predigt eingeschlafen und wurde unten tot gefunden.
Über diese Geschichte wurden schon Witze gemacht – über zu lange Predigten, langweilige Gottesdienste und unausgeschlafene Teilnehmer. Manche haben auch moralisch gepredigt: „Seht, was passiert, wenn ihr nicht richtig zuhört und während der Predigt einschlaft. Seid wachsam allezeit!“ Doch das ist nicht der eigentliche Punkt.
Es war einfach sehr lange, schon spät in der Nacht, Mitternacht, und Paulus hatte stundenlang gepredigt. Eutychus war wahrscheinlich noch ein Junge. Das Wort für „junger Mann“, das hier verwendet wird, bezeichnet eher ein Kind zwischen acht und vierzehn Jahren. Ein Junge, der lange dabei war und jetzt müde wurde.
Wir lesen, dass viele Lampen brannten, die Luft war stickig, es war spät. Spurgeon, der Prediger, soll einmal gesagt haben, das zweitwichtigste für eine Gemeinde, gleich nach der Gottesfurcht, sei Sauerstoff. Eutychus war einfach platt, er schlief ein und fiel aus dem Fenster.
Wir dürfen daraus nicht schließen, dass er gesündigt hat oder die Predigtqualität schlecht war. Er war einfach erschöpft.
Das Wunder der Auferweckung und seine Bedeutung
Aber was für ein furchtbares Ende für diesen Mann, für diesen Jungen – was für ein schockierendes Ende auch für den Gottesdienst, der durch seinen Tod plötzlich unterbrochen wird. Doch was das Zeug hätte, diese Gemeinde massiv zu entmutigen, gebraucht Gott, um sie zu ermutigen.
Paulus geht nach unten, legt sich auf den toten Körper. Das heißt, er umfing ihn, und der Junge wird wieder lebendig. Paulus sagt: „Mach kein Getümmel, es ist Leben in ihm.“ Das bedeutet nicht, dass der Junge nicht wirklich tot war. Lukas war Arzt und wusste, wie man Tod feststellen kann. Die Menschen damals waren nicht dumm. Er war tot, aber Paulus geht hin, umfasst ihn und tut dieses Wunder in der Kraft des Heiligen Geistes.
Er tut es in der Kraft des Heiligen Geistes. Wir sehen dann auch in Vers 12: Die Gemeinde war nicht wenig getröstet. Und das ist noch einmal dieses Wort Parakaleo. Der Heilige Geist schenkt diesem Jungen das Leben, und die Gemeinde ist ermutigt und getröstet, weil sie dieses Wunder erleben darf.
So ein Wunder hat es in der Geschichte nur ganz selten gegeben. Selbst in der Bibel wird dieses Wunder nur ganz selten berichtet. Ein paarmal, dort, wo Propheten oder Apostel dieses Wunder in der Kraft des Geistes getan haben und wo Gott damit auch ihre Autorität bestätigt hat.
Ich will nicht ausschließen, dass es das auch heute noch gibt. Das kann es auch heute noch geben, aber es ist super, super selten. Wir dürfen nicht erwarten, dass Gott das tut. Und doch darf das Wunder auch uns ermutigen.
Als Christen müssen wir den Tod nicht fürchten. Das ist so eine wichtige Botschaft, gerade in diesen Tagen, in denen wir tagtäglich mit dem Tod konfrontiert sind. Tagtäglich wird uns die Sterberate im Fernsehen und in der Zeitung gezeigt, wie viele an Covid gestorben sind.
Liebe Leute, wir müssen den Tod nicht fürchten. Wie ermutigend ist es, dass Paulus dieses Wunder tun darf und die Menschen sehen: Gott hat die Macht über den Tod.
Paulus sagt im Römerbrief: „Der Sünde Sold ist der Tod“ (Römer 6,23). Unsere Sünde verdient den Tod, verdient, dass wir sterben. Wir stehen unter Gottes gerechtem Zorn. Aber preist den Herrn: Gott hat diesen Zorn selbst getilgt. Er hat die Schuld am Kreuz getilgt, als Jesus dort starb.
Als Jesus auferstanden ist, hat er den Tod überwunden. Unsere Schuld ist getilgt, der Tod ist besiegt. Und jeder, der das glaubt – und du darfst heute das glauben –, dass Jesus Christus die Schuld bezahlt hat und den Tod besiegt hat, der wird auch sein ganz persönliches Auferstehungswunder erleben.
Du wirst ein Auferstehungswunder erleben: zu einem Leben auferstehen mit Christus, das nicht nur noch ein paar Jahre oder Jahrzehnte dauert, sondern eine ganze wunderbare Ewigkeit mit unserem guten Gott.
Die Priorität des Wortes Gottes über Wunder
Ich möchte unseren Fokus am Schluss noch einmal auf etwas anderes richten. Das übersehen wir leicht, weil wir so begeistert sind von einem Wunder, bei dem ein Toter wieder zum Leben erweckt wird.
Schaut mal, wie Paulus in dieser Geschichte handelt und vorgeht, insbesondere in diesen Versen. Er predigt stundenlang, dann passiert dieses Unglück. Paulus geht hinunter, erweckt den Mann wieder zum Leben und geht anschließend nach oben zurück. Dort macht er genau dort weiter, wo er aufgehört hat. Er feiert das Abendmahl mit der Gemeinde und lehrt bis zum Morgengrauen.
Deutlicher hätte Paulus der Gemeinde in Troas nicht zeigen können, was wichtiger ist als dieses Wunder. Ebenso kann Gott uns durch diesen Bericht nicht deutlicher zeigen, was wichtiger ist als dieses Wunder, nämlich sein Wort – sein gutes Wort.
Mehr als durch das Wunder wollte Paulus die Christen durch Gottes Wort ermutigen. Sicherlich malte er ihnen das Evangelium ganz kraftvoll vor Augen. Sie durften es noch einmal neu erkennen, auch in der Feier des Abendmahls. Sie konnten sehen und schmecken, wie gut Gott ist. Paulus sprach mit ihnen darüber, wie Gottes Liebe ihren Alltag prägen kann.
Er ermutigte und tröstete sie angesichts von Anfechtungen mit den Worten: „Christus hält euch fest.“ Er half ihnen zu erkennen, wie die Bibel, wie Gottes Wort ihre Sicht auf schwere Umstände verändern kann. Außerdem mahnte er sie, ihr ganzes Leben für Christus zu leben.
Wir wissen nicht genau, was Paulus gepredigt hat, aber er lehrte sie stundenlang. Was war noch einmal das Ergebnis der Reveal-Studie von Willow Creek? Der wichtigste Faktor für geistliches Wachstum sind nicht Wunder. Nein, der wichtigste Faktor für geistliches Wachstum ist das intensive Studium der Bibel und die Anwendung von Gottes Wort im eigenen Leben.
Paulus wusste das und hat es selbst erlebt. Er wusste, dass das nicht nur für ihn wichtig war, sondern dass alle Christen das lernen und hören mussten. Deshalb ging er in der Kraft des Geistes, ermutigte, tröstete und ermahnte.
Wir dürfen ihm auf diesem Weg folgen – zuerst, indem wir uns ermutigen und trösten lassen und dort, wo es nötig ist, auch ermahnen lassen. Danach können wir zu unseren Brüdern und Schwestern in der Gemeinde gehen und uns gegenseitig im Glauben stärken.
Schlussgebet
Dafür möchte ich beten. Vater, wir danken dir für dein Wort und dafür, dass wir in dieser Geschichte sehen dürfen, wie kraftvoll es Gemeinden geprägt und verändert hat. Wir sehen, wie Paulus das genutzt hat und wie es ihn angetrieben hat, zu seinen Geschwistern zu gehen, um sie noch viel tiefer zu lehren. Nicht nur, um sie zu bilden, sondern um ihre Herzen wirklich zu prägen, damit sie dir ähnlicher werden.
Vater, wir sehnen uns danach, dass auch wir Jesus Christus ähnlicher werden. Dass auch wir lernen, in allen Umständen deinem Wort zu vertrauen, uns von dir trösten zu lassen, uns ermutigen zu lassen und Jesus Christus nachzufolgen.
Wir beten, dass wir einander auf diesem Weg helfen dürfen. Dass wir einander ermutigen und unterstützen können in der Nachfolge. Herr, hilf uns und zeig uns, welche konkreten Schritte wir gehen sollen und wo du uns gebrauchen willst.
Danke für den Segen, eine Gemeinde zu haben. Danke für den Segen, gemeinsam dir nachfolgen zu dürfen. Wir loben und preisen dich. Amen.