Einleitung und Kontextualisierung der Prophetie in Jesaja 28
Wir sind beim Studium der messianischen Prophezeiungen in Bezug auf das erste Kommen Jesu in Jesaja ziemlich zum Abschluss gekommen. Dennoch möchte ich noch einmal zu einer Stelle zurückkehren, die wir in der Reihenfolge ausgelassen hatten, und zwar Kapitel 28.
Letztes Mal hatten wir noch die Prophezeiungen aus Kapitel 61 studiert. Jetzt gehen wir nochmals deutlich zurück zu Jesaja, bevor wir dann mit Jeremia weitermachen.
Lesen wir Jesaja 28, die Verse 5 bis 13. Jesaja 28 haben wir die messianischen Verse ab Vers 14 betrachtet, aber diesen Abschnitt könnten wir ebenfalls noch dazunehmen.
Zu der Zeit wird der Herr Zebaoth eine liebliche Krone sein und ein herrlicher Kranz für die Übriggebliebenen seines Volkes. Er wird ein Geist des Rechts sein für den, der zu Gericht sitzt, und eine Kraft für diejenigen, die den Kampf zurücktreiben zum Tor.
Aber auch diese sind vom Wein toll geworden und taumeln von starkem Getränk. Priester und Propheten sind toll von starkem Getränk, sind vom Wein verwirrt. Sie taumeln von starkem Getränk, sie sind toll beim Weissagen und wanken beim Rechtssprechen. Denn alle Tische sind voll Gespei und Unflat an allen Orten.
Wen, sagen Sie, will der denn Erkenntnis lehren? Wem will er Offenbarung zu verstehen geben? Denen, die entwöhnt sind von der Milch, denen, die von der Brust abgesetzt sind.
Jawohl, Gott wird einmal mit unverständlicher Sprache und mit einer fremden Zunge zu diesem Volk reden. Er, der zu ihnen gesagt hat: „Das ist die Ruhe, schaffet Ruhe dem Müden, und das ist die Erquickung.“ Aber sie wollten nicht hören.
Darum soll so auch das Wort des Herrn an sie ergehen: zawla zaw zawla zaw Kawlakaw – hier ein wenig, dort ein wenig –, damit sie hingehen und rückwärts fallen, zerbrochen, verstrickt und gefangen werden.
So hört nun das Wort des Herrn bis dahin.
Verbindung zum Neuen Testament und Auslegung der Prophetie
Auf Anhieb ist das ein schwieriger Text, nicht wahr? Den Einstieg finden wir am besten durch ein Zitat aus dem Neuen Testament. Die Verse elf und zwölf lauten: „Ja, durch stammende Lippen und durch eine fremde Sprache wird er zu diesem Volk reden.“
Diese Stelle finden wir im Neuen Testament im 1. Korinther 14. Doch in welchem Zusammenhang steht sie dort? Es geht um die Wirkungen des Geistes, insbesondere um das Sprachenreden. Schauen wir uns 1. Korinther 14 genauer an.
Lasst uns vor allem die Verse 21 und 22 betrachten. Vers 21 lautet: „Ich will in anderen Sprachen und durch andere Lippen zu diesem Volk reden, und auch so werden sie nicht auf mich hören, spricht der Herr.“ Dieses Zitat stammt aus Jesaja 28,11-12.
Übrigens, nur nebenbei gesagt: Hier sieht man, dass der Ausdruck „das Gesetz“ – hebräisch Torah – nicht immer nur die fünf Bücher Mose meint. Er kann manchmal auch verwendet werden, um das ganze Alte Testament zu bezeichnen. Wenn Paulus hier aus Jesaja zitiert, zitiert er also aus dem Gesetz, das heißt aus dem Alten Testament.
Damit wird klar, dass wir es in den Versen elf und zwölf mit einer Prophetie aus Jesaja 28 zu tun haben. Diese Prophetie bezieht sich auf die Tatsache, dass Gott zum Volk Israel, zu diesem Volk, einmal durch andere Sprachen reden wird.
Historischer Hintergrund und Gericht über Ephraim
Der Zusammenhang ist folgender: Wenn wir kurz Jesaja Kapitel 28 lesen, könnte ein weiterer Leser die Verse 1 und folgende betrachten. Jesaja 28,1 lautet: „Wehe der prächtigen Krone der Trunkenen von Ephraim, der Blume ihrer lieblichen Herrlichkeit, die da prangt hoch über dem fetten Tal derer, die vom Wein taumeln.“
Nur ein Vers weiter, Vers 2, heißt es: „Siehe, einen starken und mächtigen Held hat der Herr bereit, wie Hagelsturm, wie verderbliches Wetter, wie Wasserflut, die mächtig einreist; er wirft sie zu Boden mit Gewalt.“
Hier in Vers 1 geht es also um Ephraim. Damit ist das Nordreich der zehn Stämme Israels gemeint, der führende Stamm der zehn Stämme, die sich nach dem Tod Salomos von den zwei Stämmen im Süden abgetrennt hatten. Diese beiden Stämme sind Juda und Benjamin mit der Hauptstadt Jerusalem. Der führende Stamm war Ephraim, denn der erste König über die zehn Stämme war Jerobeam, und er stammte aus Ephraim.
Darum wird im Alten Testament oft für die zehn Stämme die Bezeichnung Ephraim verwendet, manchmal auch Israel. In diesem Zusammenhang bedeutet Israel also die zehn Stämme im Gegensatz zu den zwei südlichen Stämmen, die genannt werden als Juda oder Benjamin. Häufig wird dieser Gegensatz auch als Juda und Ephraim dargestellt, besonders oft im Buch Hosea.
Hier geht es also darum, dass Gott das Gericht über die zehn Stämme ankündigt, damals in der Zeit von Jesaja. Diese Prophetie erfüllte sich, als die Assyrer kamen. Sie schlugen das gesamte Reich der zehn Stämme zusammen, zerstörten Samaria im Jahr 721 v. Chr. und deportierten die zehn Stämme nach Assyrien, dem heutigen Nordirak.
In Jesaja 28 wird die Verwüstung durch die Assyrer mit einem Sturmwind beschrieben. In Vers 2 heißt es, dass sie wie ein gewaltiger, überflutender Wasserstrom zu Boden werfen mit Macht. Dieser Ausdruck wird immer wieder für Assyrien verwendet. Schon in Jesaja 8 wird Assyrien als ein Strom beschrieben, der alles überschwemmt. So würde diese Armee kommen und alles verwüsten.
Wiederholt wird betont, dass die zehn Stämme durch Alkoholmissbrauch gekennzeichnet waren. „Wehe der stolzen Krone der trunkenen Ephraims“, heißt es in Vers 1. Auch in Vers 3, den wir bisher noch nicht gelesen haben, steht: „Mit Füßen wird zertreten die stolze Krone der trunkenen Ephraims.“
Der Alkoholmissbrauch spielte also eine bedeutende Rolle im Zusammenhang mit dem Unrecht in diesem Staat.
Gericht und Zustand im Südreich Juda
Aber dann kommen die Verse fünf und sechs. Könnte das jemand noch lesen? Hier muss man genau aufpassen. Der Ausdruck „an jenem Tag“ ist ein Begriff, der sehr oft in der Prophetie vorkommt und speziell auf die Endzeit hinweist.
Hier wird gezeigt, dass es eine Wiederherstellung Israels in der Endzeit geben wird. Ein Überrest wird zum Glauben kommen. Das wird geschehen nach der Entrückung der Gemeinde. Ein Überrest aus Israel wird zum Glauben kommen, und dieser wird hier vorgestellt.
An jenem Tag wird der Herr der Hirscharen dem Überrest seines Volkes zur prächtigen Krone und zum herrlichen Kranz sein. Außerdem wird er zum Geist des Rechts für den, der zu Gericht sitzt.
Das bedeutet, dass es dann ganz anders sein wird. Es wird keine Rechtsprechung mehr geben, die durch Alkohol missbraucht, pervertiert und verdreht wurde. Stattdessen wird es eine geradlinige, gerechte Rechtsprechung geben, die Gott entspricht.
Dann kommt Vers sieben: „Und auch diese wanken vom Wein und taumeln von starkem Getränk.“ Dieses „auch“ bezeichnet jetzt eine andere Gruppe, die nicht die zehn Stämme meint.
In 5. Mose 28,1-4 ging es um die zehn Stämme Israels. Jetzt beschreibt Jesaja, dass es nicht nur bei den zehn Stämmen so ist, sondern auch diese wanken vom Wein.
Dann spricht er über Priester und Propheten, die vom starken Getränk wanken, vom Wein übermannt sind und vom starken Getränk taumeln. Sie wanken beim Gesicht, schwanken beim Rechtssprechen.
Wer ist das wohl, diese „auch“? Ja, das Südreich Juda. Jesaja sagt also, dass es auch im Südreich nicht besser ist. Auch dort gibt es Männer, die eigentlich die Aufgabe hätten, das Volk geistlich zu führen – die Priester aus dem Stamm Levi.
Auch die Propheten sind nichts wert, sie sind nicht zu gebrauchen. Sie schwanken beim Rechtssprechen.
Das wird dann sehr drastisch beschrieben. Aber wie das eben so ist: In Vers 8 liest das nochmals jemand? „Alle Tische sind besudelt mit Erbrochenem und Kot bis auf den letzten Platz.“
Jawohl, so sieht das aus zur Zeit des Alten Testaments, zur Zeit von Jesaja, auch im Südreich. Völlig abgefallen.
Darum kamen dann – das wird hier aber nicht erwähnt – im Jahr 586 die Babylonier und zerstörten das Südreich. In dieser Zeit wurden die Juden nach Babylon, dem heutigen Südirak, weggeführt.
Es waren also die zehn Stämme, die 721 nach Assyrien kamen, und die zwei Stämme, die 586 nach Babylon kamen.
Ja, im Südreich war es also nicht besser.
Die Aufgabe der Priester und Propheten und die Verwirrung durch menschliche Lehren
Und jetzt Vers 9: Liest das nochmals jemand?
Wen soll er Erkenntnis lehren und wem die Botschaft verständlich machen? Den von der Milch Entwöhnten, den von den Brüsten Entfernten? Priester und Propheten hatten im Alten Testament den Auftrag, den jungen Leuten von Kindesbeinen an das Wort Gottes zu erklären und zu zeigen, was Recht und Unrecht ist.
Es wird also gefragt, wem diese Leute die Botschaft verständlich machen sollen. Es sind diejenigen gemeint, die bereits ein bestimmtes Verständnis zeigen – die von der Milch Entwöhnten, die von den Brüsten Entfernten. Das ist das Alter, in dem man Kinder bereits im Wort Gottes unterweisen kann.
Übrigens, in 2. Timotheus 3 können wir dazu kurz nachschlagen. Liest uns jemand die Verse 14 und 15?
Paulus schreibt seinem jungen Mitarbeiter Timotheus: „Ich aber ermahne dich, in dem, was du gelernt hast und wovon du überzeugt bist, festzuhalten, da du weißt, von wem du gelernt hast. Denn du kennst die heiligen Schriften von Kind auf, die Kraft haben, dich weise zu machen zur Rettung durch den Glauben, der in Christus Jesus ist.“
Ja, das reicht. Paulus sagt hier zu Timotheus, der eine gläubige jüdische Mutter und auch eine gläubige jüdische Großmutter hatte: „Und weil du von Kind auf die Heiligen Schriften kennst.“
Nun haben wir hier im Griechischen nicht das übliche Wort für Kind, sondern ein eher seltenes Wort, präfos. Das ist das typische Wort für ein Kind, das ein Säugling ist. Natürlich, wenn die Säuglingszeit mehr als ein Jahr umfasst, nämlich zwei oder drei Jahre, dann ist es ja nicht gemeint, dass man nach zwei oder drei Jahren noch voll stillt, aber immer noch stillt – das ist möglich. Und das war im Alten Orient viel verbreiteter als in unserer Gesellschaft.
Also können diese zwei- bis dreijährigen Kinder bereits biblische Geschichten hören und auch verstehen. Paulus sagt: Von Säuglingsalter an kennst du die Heiligen Schriften, die vermögen, dich weise zu machen zur Seligkeit.
Das ist ganz in Übereinstimmung mit Jesaja 28: Wen soll er Erkenntnis lehren? Den von der Milch Entwöhnten, den von den Brüsten Entfernten – also wirklich den kleinen Kindern, zwei- bis dreijährigen Kindern.
Ja, aber jetzt steht in Vers 10 etwas Eigenartiges. Liest jemand nochmals Vers 10?
„Weil sie sagen: Vorschrift auf Vorschrift, Vorschrift auf Vorschrift, Satzung auf Satzung, Satzung auf Satzung.“
Das ist die Übersetzung. Im Hebräischen heißt es: „Kizav le Tzav, Tzav le Tzav, Kav la Kav, Kav la Kav. Und ‚zeir Sham, zeir Sham‘.“ Sehr wortspielerisch, ja, im Hebräischen, um auszudrücken, wie hier das Wort Gottes vermittelt wird als etwas völlig Erkenntnisloses.
Da ein bisschen mein Befehl, da ein bisschen ein Gebot, aber es ist nicht so, dass hier das klare Wort Gottes gelehrt wird. Es entspricht vielmehr dem, was der Herr Jesus den Pharisäern in Markus 7 vorgeworfen hat: ein Lehren der Bibel, das mit menschlichen Geboten und Verfälschungen vermischt wurde.
Kritik an menschlichen Überlieferungen und die Gefahr der Verfälschung
Vielleicht lesen wir gerade den Zusammenhang in Markus 7, Verse 1-11.
Etwas anderes haben sie zu halten angenommen, nämlich Waschungen von Bechern und Krügen und ehrendem Geschirr und Polstern. Daraufhin fragten ihn die Pharisäer und Schriftgelehrten: Warum wandeln deine Jünger nicht nach der Überlieferung der Alten, sondern essen das Brot mit ungewaschenen Händen?
Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Trefflich hat Jesaja von euch Heuchlern geweissagt, wie geschrieben steht: Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, doch ihr Herz ist fern von mir. Vergeblich aber verehren sie mich, weil sie Lehren vortragen, die Menschengebote sind.
Denn ihr verlasst das Gebot Gottes und haltet die Überlieferung der Menschen ein. Waschungen von Krügen und Bechern und viele andere ähnliche Dinge tut ihr. Und er sprach zu ihnen trefflich: Verwerft ihr das Gebot Gottes, um eure Überlieferung festzuhalten?
Denn Mose hat gesagt: Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, und wer Vater oder Mutter flucht, der soll des Todes sterben. Ihr aber lehrt so: Wenn jemand zum Vater oder zur Mutter spricht, Korban, das heißt, zur Weihegabe bestimmt, was dir von mir zugutekommen sollte, dann gestattet ihr ihm auch fortan nicht mehr, irgendetwas für seinen Vater oder seine Mutter zu tun.
Und so hebt ihr eurer Überlieferung, die ihr weitergegeben habt, das Wort Gottes auf, und viele ähnliche Dinge tut ihr.
Oder rief die ganze Volksmenge zu sich und sprach zu ihnen: Hört mir alle zu und versteht, nichts, was außerhalb des Menschen ist und in ihn hineinkommt, kann ihn verunreinigen, sondern was aus ihm herauskommt, das ist es, was den Menschen verunreinigt. Wenn jemand Ohren hat zu hören, der höre.
Ja, also hier geht es zunächst einmal um das Problem, dass die Jünger vor dem Essen die Hände nicht gewaschen hatten. Aber die Ältesten, das waren also die Rabbiner im Judentum, hatten ganz genau reguliert, wie man die Reinheitsgebote aus 3. Mose 15, wo ja Waschungen vorgeschrieben sind, umsetzen soll.
Sie sind in ihren Anweisungen ganz deutlich über das hinausgegangen, was die Bibel lehrt, und haben das also noch verfeinert und mehr hinzugefügt, als wirklich in der Bibel steht. Ihre Überlegung war: Wir müssen um die Tora herum einen Zaun machen. Das heißt, wir müssen die Gebote enger auslegen, als sie gemeint sind, um damit Sicherheit zu haben, dass man das eigentliche Gebot dann einhält.
So haben sie verlangt, dass man dieses Händewaschen vorher machen müsse, um rituell rein zu sein, obwohl die Bibel das so nicht vorschreibt. Und so haben sie immer noch mehr Gebote neben der biblischen Überlieferung aufgebaut.
Das wurde zuerst mündlich weitergegeben, und später hat man das dann schriftlich zusammengefasst. Wie heißt das Werk? Das ist die Mischna, das heißt eigentlich der Talmud. Der Talmud besteht aus der ältesten Schicht, der Mischna, und dann gibt es im Talmud eine Auslegung über die Mischna, und das ist die Gemara. Genau, so besteht der Talmud aus Mischna und Gemara.
Das ist aber immer gemischt: Da ist ein bisschen Mischna, dann Gemara, Mischna, Gemara, Mischna, Gemara, so im Prinzip. Und das geht also zurück bis auf alttestamentliche Zeit.
Der Herr Jesus greift diese Überlieferung der Ältesten an. Er macht deutlich: Man muss genau das tun, was das Wort Gottes sagt, aber man darf nicht menschliche Gebote hinzufügen. Im Judentum wurde eine Tradition aufgebaut mit immer mehr menschlichen Geboten neben dem Wort Gottes.
Der Herr sagt, ihr seid sogar so weit gegangen, dass ihr mit eurer Tradition das Wort Gottes aufhebt. Er gibt ein Beispiel, das wir aus dem Talmud kennen. In Vers 11 sagt er: Wenn ein Mensch zum Vater oder zur Mutter spricht: Korban, also eine Gabe, die für Gott geweiht ist, ist das, was dir von mir zugutekommen sollte, dann darf man das nicht mehr den Eltern geben.
Dann ist das quasi geweiht und darf nicht mehr für die Eltern verwendet werden. So sagt der Herr: Mit dieser juristischen Auslegung hebt ihr das Wort Gottes auf, das eben sagt: Ehre deinen Vater und deine Mutter. Dieses Ehren kann sich auch im Finanziellen, in der Unterstützung ausdrücken.
Ehre deinen Vater und deine Mutter. So wird das eigentliche Gebot Gottes durch eine überspitzte Auslegung aufgehoben.
Der Herr zitiert Jesaja 29,13, wenn er sagt: Ihr lehrt Menschengebote, und dabei tut ihr so, als ob ihr damit Gott dienen würdet. Aber es ist Heuchelei. Der Herr deckt das als Heuchelei auf.
Ein Lehren genau in dieser Art, wie es hier steht: Gebot auf Gebot, Gebot auf Gebot, Vorschrift auf Vorschrift, Vorschrift auf Vorschrift, hier ein wenig, da ein wenig.
Das Eigentliche hat man dabei verpasst, indem man gar nicht mehr sieht, was die eigentliche Aussage des Wortes Gottes ist. Mit so vielen selbständig erfundenen Geboten wurde letztlich die eigentliche Aussage des Wortes Gottes verschleiert und nicht mehr deutlich.
Beispiel aus der jüdischen Praxis und die Gefahr der Überregulierung
Ein Beispiel aus dem Judentum heute
Das Wort Gottes sagt in 2. Mose 12, dass beim Passa alle Sauerteig aus den Häusern entfernt werden muss. Deshalb wird vor dem Passafest im Frühjahr ein gründlicher Hausputz gemacht. Aller Sauerteig, der irgendwo im Haus ist, wird hinausgetragen, indem das ganze Haus sorgfältig gefegt wird.
Rabbiner haben sich jedoch gefragt, ob nicht vielleicht doch irgendwo etwas übersehen wird. Die Lösung ist, dass der Rabbi des Viertels bei jedem Haus vorbeikommt und den eventuell noch vorhandenen Sauerteig aufkauft. So kann man sagen, selbst wenn noch Sauerteig im Haus ist, gehört er nicht mehr den Bewohnern.
Das oberste Rabbinat in Israel kauft dann den Sauerteig von diesen lokalen Rabbinern auf. So wird tatsächlich alles aufgekauft, sodass der Sauerteig virtuell nicht mehr den Leuten gehört. Das Rabbinat verkauft diesen Sauerteig schließlich an einen Araber weiter. Dabei erzielt dieser sogar noch einen Gewinn.
Dieses Beispiel zeigt, dass diese Praxis auch heute noch so angewendet wird. Dabei wird deutlich, wie man die Gedanken Gottes nicht mehr wirklich beachtet. Es geht letztlich gar nicht mehr um das Wesentliche. Das ist ein Beispiel für Lehren von Menschengeboten.
Der Herr nennt das Heuchelei. Es ist Gebot auf Gebot, Gebot auf Gebot, und das wird so ausgedrückt wie das Gestammel eines Betrunkenen:
„Zaw la zaw, zaw la zaw, kaw la kaw, kaw la kaw, ze irsham, ze ersham.“
Dieser Ausdruck soll das Stammeln betrunkener Propheten und Priester darstellen. Er zeigt, dass deren Lehren nichts nützen und reine Frömmelei sind.
Man kann sagen, dieses Bestreben, über das Wort Gottes hinauszugehen, steckt im verdorbenen Herzen des Menschen. Das sieht man schon beim Sündenfall: Die Schlange fragt: „Ist es wahr, dass Gott gesagt hat, ihr dürft von keinem Baum essen?“ Eva antwortet: „Nein, er hat gesagt, wir dürfen von allen Bäumen des Gartens essen, aber von dem Baum in der Mitte des Gartens dürfen wir nicht essen und ihn nicht berühren.“
Erstens war der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse nicht in der Mitte, sondern der Baum des Lebens stand dort. Die Bibel sagt in 1. Mose 2, dass Gott auch den Baum der Erkenntnis gepflanzt hat. Bei Eva gab es jedoch bereits eine Verschiebung der Wertung: Für sie stand der verbotene Baum im Zentrum.
Zweitens fügt Eva hinzu, dass man den Baum nicht berühren darf. Das hat Gott Adam nicht gesagt. Er sagte nur, dass er nicht gegessen werden darf. Eva geht also über das Gebot hinaus und sagt „nicht berühren“.
Doch dieses Hinzufügen bewahrte sie nicht vor dem Ungehorsam. Wenn wir über das Wort Gottes hinausgehen, bewahrt uns das nicht davor, Gottes Wort zu halten und umzusetzen. Gott will, dass wir genau das tun, was er sagt, aber keine zusätzlichen Regeln erfinden und als Gottes Willen ausgeben.
Man könnte sagen, das war ein Irrtum, aber dieser Ansatz führte letztlich zum Fall. Das ist sehr hilfreich zu erkennen. Der Sündenfall war noch nicht geschehen, als sie den Baum subjektiv als Zentrum sah.
Der Punkt ist: Wenn wir Erkenntnis und höhere Erkenntnis ins Zentrum stellen, führt das zum Fall. Das Leben wird so zu einer Irrlehre. Jesus Christus ist das Leben. Er sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Er muss im Zentrum stehen.
Wenn unser Zentrum darauf liegt, möglichst viel Erkenntnis zu haben, sind wir bereits auf einem falschen Weg. Das Zentrum muss sein, dass wir das Wort Gottes studieren, um den Herrn Jesus besser kennenzulernen. Er soll im Mittelpunkt stehen.
Es liegt in der menschlichen sündigen Natur, über das Wort Gottes hinauszugehen. Wenn wir die Kirchengeschichte betrachten, sehen wir dasselbe: In der Zeit der Apostel galt allein die Bibel, das Alte und das Neue Testament.
Doch im zweiten, dritten, vierten und fünften Jahrhundert kamen immer mehr fremde Dinge, menschliche Gebote und Traditionen hinzu. Im Laufe der Jahrhunderte entstand ein großer Ballast, der zum Teil sogar die Aussagen der Bibel aufhob.
Das geschah parallel in der Geschichte des Judentums und der Christenheit. Deshalb darf man diese Dinge nicht einfach so hinnehmen und denken, das Problem bestehe nur im Judentum. In der Christenheit ist das Problem sogar sehr groß.
Es liegt in unserer Natur, über das Wort Gottes hinauszugehen oder das Gegenteil zu tun: Dinge wegzunehmen. Das Hinzufügen und Wegnehmen ist ein Problem.
In der Kirchengeschichte sieht man das Problem des Hinzufügens bis zur Reformationszeit. Dann kam Martin Luther, ein katholischer Mönch, der sagte: Wir sind so weit von der Bibel weggekommen. Die Kirche ist nicht mehr das, was sie ursprünglich war. Wir müssen zur Bibel zurückkehren.
Er lehrte sola scriptura – allein die Schrift. Das führte zu einem großen Umbruch in Europa. Anfangs kehrte man wieder zur Bibel zurück. Doch bald kam die Bibelkritik unter dem Einfluss der Aufklärung. Man nahm von der Bibel weg: „Das ist nicht gültig, das ist nicht Wort Gottes, das hat Mose nicht geschrieben“ usw.
So wurde von der Bibel weggenommen. Vor beidem – Hinzufügen und Wegnehmen – werden wir schon im Gesetz Mose gewarnt. In 5. Mose 4,2 heißt es deutlich: „Ihr sollt nichts hinzufügen und nichts wegnehmen.“
Diese Warnung wird wiederholt in 5. Mose 12,32, dann in Sprüche 30,6 und ganz am Ende der Bibel in Offenbarung 22,18. Dort wird gewarnt, wer zu diesen Worten etwas hinzufügt oder von ihnen wegnimmt.
Diese Warnung zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Bibel: Nichts hinzufügen, nichts wegnehmen.
Die Gabe des Sprachenredens als Erfüllung der Jesaja-Prophetie
Und nun sehen wir also: Die zehn Stämme waren eine Katastrophe, und über sie kam das Gericht durch Assyrien. Dann haben wir in Vers 7 gesehen, dass es auch im Südreich Juda nicht besser war.
Von denen, die die Aufgabe hatten, das Wort Gottes zu lehren – also Propheten und Priester – wurde das Wort Gottes durch menschliche Zusätze verdunkelt. So konnte das Volk nicht mehr richtig verstehen, was Gott sagen wollte.
Darum kommt in diesem Zusammenhang jetzt Vers 11. Liest das noch jemand? Jawohl. Hier folgt die Verheißung: Gott wird einmal zu diesem Volk, das so falsch belehrt worden ist, auf eine ganz neuartige Weise sprechen, um es aufzurütteln. Und zwar wird er durch fremde Sprachen zu diesem Volk sprechen.
Nun erklärt uns der Apostel Paulus, dass sich dies auf das Wunder der Sprachenrede bezieht, wie es in 1. Korinther 14 beschrieben ist. Zum ersten Mal geschah dies an Pfingsten.
Schlagen wir ganz kurz auf: Apostelgeschichte 2. Pfingsten ist das Fest im Juni, zu dem die meisten Juden nach Jerusalem kamen. Das Torat, das Gesetz, schreibt vor, dass an dem Fest der Wochen – das ist Pfingsten – alle Juden aus dem ganzen Land Israel nach Jerusalem kommen müssen. Aber auch viele kamen aus dem Ausland, aus dem Gebiet des heutigen Irak, aus Europa und aus Nordafrika.
Die meisten Auslandjuden kamen an Pfingsten, weil dies in der alten Welt die geeignete Zeit zum Weltreisen war. Das Mittelmeer war dann nicht so gefährlich. In der Winterzeit ruhte der Schiffsverkehr im Mittelmeer, da die Winde zu gefährlich waren. Im Juni hingegen war das ideal.
So kamen die meisten Auslandjuden. Das ist sehr wichtig zu wissen, wenn wir Apostelgeschichte 2, Vers 1 lesen. Wir können auch ein paar weitere Verse lesen – ja, bis etwa Vers 14 und 15 –, um den Zusammenhang zu verstehen.
Hier sehen wir das Sprachenwunder von Pfingsten, das natürlich von den unzähligen Auslandjuden besonders eindrücklich wahrgenommen wurde. In den Versen 8 bis 11 findet sich eine ausführliche Aufzählung, woher sie kamen: Parther – das Gebiet des heutigen Iran, eher im südlichen Teil –, Meder, das Gebiet der Meder, also Nordirak und Nordiran, das medische Gebiet, dann Elamiter ebenfalls im Iran, Mesopotamien (das ist klar: Irak, das Zweistromland, einschließlich Babylonien), Judäa (ebenfalls klar) und verschiedene Landschaften in der heutigen Türkei: Kapadozien, Pontus, Asia, Phrygien, Pamphylien.
Dann kommen wir nach Afrika, nämlich Ägypten und Libyen, also in Richtung Kyrene. Aus Nordafrika kamen sie, und hier waren auch Römer, sowohl Juden als auch Proselyten, Kreter und Araber, also auch aus Europa, Rom, der Insel Kreta und sogar aus Arabien, was die heutige Saudi-Arabische Halbinsel umfasst.
Wirklich aus drei Kontinenten kamen sie: Europa, Asien und Afrika. Die Jünger, alles Galiläer ohne formale Bildung, konnten alle diese Sprachen sprechen und verkündigten die großen Taten Gottes.
Sie sagten ja in Vers 11: „Wie hören wir sie die großen Taten Gottes in unseren Sprachen reden?“ Übrigens gibt es manche Leute, die sagen, was an Pfingsten geschah, sei ein Hörwunder gewesen. Nicht die Jünger hätten andere Sprachen gesprochen, sondern Gott hätte bewirkt, dass sie das, was sie in ihrer Sprache – sagen wir Aramäisch – sprachen, in ihren eigenen Sprachen hörten.
Ist das akzeptabel? Warum nicht? Jawohl, das heißt, die Jünger redeten andere Sprachen. Und noch etwas: Wenn man weiterliest, heißt es, dass der Geist es ihnen auszusprechen gab. Das bedeutet, die Aussprache wurde vom Heiligen Geist geführt.
Das griechische Wort apophthengomai meint das Aussprechen der Wörter mit besonderem Akzent auf den klanglichen Aspekt. Sie haben also auch korrekt diese Sprachen ausgesprochen.
Übrigens, jemand hat uns das vorgelesen, und da war ich zweimal ein bisschen erstaunt. In Vers 6 steht in dieser Übersetzung: „weil jeder einzelne in seiner eigenen Sprache sie reden hörte.“ Bei mir steht aber genauer: Mundart, Dialektos auf Griechisch, nicht Glossa. Glossa bedeutet Zunge, Sprache, also eine Fremdsprache.
In Vers 4 heißt es, dass sie anfingen, in anderen Glossa zu reden, also in anderen Zungen. Natürlich darf man hier nicht „Zungen“ übersetzen, denn sie haben keine Zungenakrobatik gemacht, sondern Sprachen gesprochen.
Genauso wie im Französischen das Wort „langue“ sowohl die Zunge im Mund als auch das Sprachsystem, die Sprache, bezeichnet. Im Englischen gibt es das Wort „language“, das ebenfalls von „Zunge“ abstammt. Das ältere Wort „tongues“ bezeichnet die Zunge im Mund, aber auch das Sprachsystem, die Sprache.
Darum ist es nicht korrekt, hier zu übersetzen, dass sie in anderen Zungen redeten. Man müsste „in anderen Sprachen“ übersetzen.
In diesem Zusammenhang kommt auch der Ausdruck „Zungenreden“ vor. Das ist ein völlig unsinniger deutscher Ausdruck, denn er entspricht nicht dem, was der Bibeltext meint. Sie haben keine Akrobatik mit der Zunge betrieben, sondern Fremdsprachen gesprochen – Glossa, Fremdsprachen.
In Vers 6 steht jedoch nicht Glossa, sondern Dialektos, also jede auf ihre eigene Mundart. Gleiches gilt auch für Vers 8. Sie sprachen also nicht nur verschiedene Sprachen, sondern sogar verschiedene Dialekte.
Und da zeigt sich die Aussprache sehr speziell. Ich glaube, wenn Ausländer Schweizerdeutsch ohne Akzent sprechen können, beeindruckt das schon. Ja, das gibt es, aber es ist relativ selten.
Das hängt damit zusammen, dass man eine Sprache akzentfrei lernen kann bis etwa zum Beginn der Pubertät. Dann wird eine Art Dietrich im Gehirn geschlossen, und man kann normalerweise nicht mehr einfach durchs Hören ein Sprachgefühl bekommen oder das System vollständig erfassen.
Man muss dann mit Theorie, Grammatikbüchern und Erklärungen zu einzelnen Phänomenen arbeiten.
Ein kleines Kind bis etwa zehn Jahre, das mit Navajo-Indianern zusammenspielt, lernt Navajo problemlos – ohne Theorie und mit dem richtigen Akzent. Gleiches gilt für Mandarin im Sandkasten.
Nachher ist das nicht mehr so einfach.
Darum ist es sehr beeindruckend, wenn es in manchen Ausnahmen Leuten gelingt, Klänge sehr gut nachzuahmen und sogar einen Dialekt akzentfrei zu sprechen.
Ich kenne eine Engländerin, die echt Schweizerdeutsch sprechen kann, ohne dass man es merkt. Sie hat das als Erwachsene gelernt, und das ist sehr ungewöhnlich.
So muss man sich vorstellen, wie überwältigt diese Auslandjuden waren: Diese Galiläer ohne formale Bildung, aus dem verachteten Norden Israels, keine Rabbiner, sprachen all diese Sprachen mit dem richtigen Klang.
Das war so ungewöhnlich, dass es heißt, sie gerieten außer sich, entsetzten sich aber alle und waren in Verlegenheit.
Durch dieses Mittel wollte Gott dieses Volk nochmals aufrütteln.
Sie hatten ständig Predigten in der Synagoge gehört, die eigentlich, wie man uns schreiben könnte, als Zawla Zawkawlakaw, Zawla Zawkawlakaw? Ja. Natürlich, als der Herr Jesus als Ehe kam und in den Synagogen predigte, merkten die Leute plötzlich: Das ist etwas ganz anderes.
Schauen wir mal, wie sie reagierten, als sie den Herrn hörten, zum Beispiel anlässlich der Bergpredigt.
Matthäus 5 bis 7, nun 7, Vers 28 und 29. Die Rabbiner zitierten immer ältere Rabbiner. Im Talmud liest man ständig: „Rabbi Soundso hat im Namen von Rabbi Soundso gesagt.“ Je älter der zitierte Rabbiner, desto mehr Gewicht hatte er.
Die menschliche Tradition wird immer gewichtiger, je älter sie ist.
Der Herr Jesus hingegen sprach anders. In der Bergpredigt sagte er: „Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch...“
So sprach der Herr in eigener Autorität als Sohn Gottes. Die Menschen merkten, dass seine Predigt ganz anders war, und sie waren überwältigt.
Trotzdem, nach drei Jahren seines Predigens in allen möglichen Synagogen und auch unter freiem Himmel, wie bei der Bergpredigt im ganzen Land, schrie die Masse vor Pilatus: „Er soll gekreuzigt werden!“
Jesus wurde gekreuzigt, stand am dritten Tag auf und kehrte nach vierzig Tagen in den Himmel zurück.
Gott gab Israel noch einmal eine Chance und sandte den Heiligen Geist.
Dann begannen die Jünger, Israel gegenüber erneut Zeugnis abzulegen. Das war eine zweite Chance für Israel.
Darum ist das eben auch als messianische Prophetie zu werten, wie in Jesaja 28, denn hier kommt die Ankündigung, dass Gott außer durch den Messias nun auch durch fremde Sprachen zu diesem Volk sprechen würde.
Beispiele finden wir in der Apostelgeschichte, dann auch in Kapitel 10 und in Apostelgeschichte 19.
Unterschiedliche Arten des Sprachenredens und deren Bedeutung
Nun gibt es heute Leute, die sagen, es sei wichtig, in 1. Korinther 12 bis 14 zu lesen, da dort auch über das Sprachenreden gesprochen wird. Das sei aber nicht dasselbe wie in der Apostelgeschichte, sondern zwei verschiedene Arten von Sprachenreden. Wieso? In Apostelgeschichte 2 haben die Menschen die Sprachen verstanden; es waren echte Sprachen. In 1. Korinther hingegen gibt es ein Sprachenreden, das niemand versteht. Aha, das wäre also dasselbe wie das heutige Sprachenreden, das die Leute auch nicht verstehen – sozusagen dieses Lallen.
Schauen wir mal: 1. Korinther 14, Verse 1 bis 4 liest das jemand? Jawohl. Dort wird gesagt, wer in einer Sprache redet – eigentlich müsste man übersetzen: wer in einer Sprache oder in einer Fremdsprache redet –, redet nicht zu Menschen, sondern zu Gott, denn niemand versteht ihn. Ja, das ist ein anderes Sprachenreden.
Aber nein, wir haben gerade 1. Korinther 14, 21-22 gelesen. Dort nimmt Paulus Bezug auf die Stelle in Jesaja, wo Gott verheißen hat, dass er zum Volk Israel in anderen Sprachen reden wird, und leider werden sie dann auch nicht hören. Hier nimmt Paulus genau Bezug auf das, was an Pfingsten geschehen ist: Gott hat zum Volk Israel in Fremdsprachen geredet, und diese Sprachen verstanden die Menschen. Besonders die Menschen, die aus dem Ausland kamen.
Die Inlandjuden sprachen damals üblicherweise Aramäisch, vor allem in Galiläa und auf dem Land. In Jerusalem war Aramäisch weniger gebräuchlich; dort sprach man Hebräisch. Diese beiden Sprachen waren nebeneinander in Gebrauch. Man konnte auch etwas Griechisch, denn das war die Verkehrssprache der Römer – nicht Lateinisch. In Israel hat man aus der Zeit Jesu fast keine lateinischen Inschriften gefunden, aber Griechisch war verbreitet.
Man muss sich also vorstellen, dass auch einfachere Leute üblicherweise ein bisschen dreisprachig waren. Wenn sie jedoch plötzlich Partisch, Elamitisch oder Arabisch hörten, verstanden die Inlandjuden das nicht. Daraufhin machten sie sich lustig und sagten, die seien voll süßen Weines. Das sind die zwei Reaktionen.
Lesen wir nochmals Apostelgeschichte 2, Vers 11: Die Ausländer sagen ja, die, die den Inhalt nicht mitbekamen, spöttelten und sagten, sie seien betrunken. Dann steht Petrus auf und erklärt: Es ist ja die dritte Stunde des Morgens, sie sind nicht betrunken.
Man muss den Hintergrund verstehen: Im Judentum war es so – das wird auch im Talmud geregelt –, dass man morgens nicht frühstücken durfte, bevor nicht das Morgenbrandopfer für Gott auf dem Altar aufgelegt war. Das Morgenbrandopfer wurde um die dritte Stunde früher aufgelegt, was bei uns neun Uhr entspricht. Das Abendbrandopfer, das letzte des Tages, wurde um fünfzehn Uhr dargebracht. Das waren die Zeiten der Opferung.
Übrigens entsprachen diese Zeiten auch den Zeiten der Kreuzigung. Der Herr Jesus wurde um neun Uhr morgens gekreuzigt und um fünfzehn Uhr übergab er seinen Geist in die Hände des Vaters.
Petrus sagt also: Es ist neun Uhr morgens. Kein Israelit hat bis dahin etwas getrunken oder gegessen, denn erst um zehn Uhr war Frühstückszeit. Man ging schon früher zur Arbeit und kam vom Feld oder wo auch immer zurück, um um zehn Uhr zu frühstücken – aber nicht vor neun Uhr. Petrus stellt klar, dass man die Behauptung, sie seien betrunken, vergessen kann. Es ist neun Uhr morgens.
Das war übrigens auch die Zeit, in der man die Tempeltüren für das Volk öffnete. So strömten die Massen damals zum Pfingstfest zum Tempel. Gerade bei diesem Masseneinzug zum Tempel geschah das Wunder der Sprachen – mit eben zwei Reaktionen: Einige verstanden, andere nicht.
In Korinth muss man sich vorstellen, dass man in einer Gemeinde war, in der Griechisch gesprochen wurde. Plötzlich steht jemand auf und redet in einer Sprache, weil er die Gabe hatte, von Gott gegeben, eine Fremdsprache zu sprechen. Wenn er aber plötzlich Elamitisch spricht, versteht ihn niemand. Das ist das Problem in Korinth: Die Situation war nicht dieselbe wie zu Pfingsten in Jerusalem, wo viele Fremdsprachige anwesend waren.
In Korinth war es natürlich nützlich, wenn ein Elamiter zu Besuch kam und jemand Elamitisch sprach. Aber im Normalfall sagt Paulus: Wer in einer Sprache, in einer Fremdsprache redet, redet nicht zu Menschen, sondern zu Gott, denn niemand versteht es. Im Geist aber redet er Geheimnisse. Für alle ist es ein Mysterium, was er sagt, weil sie die Sprache nicht verstehen.
Paulus sagt weiter: Die Weissagung ist Reden zur Erbauung, Ermahnung und Tröstung. Das nützt allen Menschen und ist immer hilfreich. Wer in einer Sprache redet, erbaut sich selbst. Wer weissagt, erbaut die Gemeinde.
Das heißt also: Der, der die Fremdsprache redete, wusste natürlich, was er sagt. Das hat ihm selbst schon etwas gebracht. Aber der Sinn ist nicht, dass man selber etwas hat, sondern mit einer Gabe soll man anderen dienen. Darum sagt Paulus, der, der in einer Sprache redet, erbaut sich selbst, aber die Gemeinde wird nur erbaut, wenn das Gesagte auch übersetzt wird.
Mit dem Übersetzen verliert man Zeit. Deshalb hat Paulus in den weiteren Versen festgelegt, dass das Sprachenreden nur zwei oder höchstens drei nacheinander vorkommen soll und jeweils einer auslegen soll – also höchstens drei –, damit nicht zu viel Zeit verloren geht.
Diese Gabe darf zwar verwendet werden, aber sie muss eingeschränkt sein, weil der Nutzen sehr begrenzt ist, da die Leute die Sprache ja nicht verstehen. Diese Gabe hat nur dann einen Sinn, wenn die Leute verstehen.
Darum sagt Paulus in 1. Korinther 14: „Ich rede viel mehr in Sprachen als ihr alle.“ Er reiste herum und kam mit den Barbaren in Berührung, zum Beispiel in Lystra (Apostelgeschichte 14). Dort konnte er die Sprache. Er kam auf die Insel Melite nach dem Schiffbruch (Apostelgeschichte 27 und 28). Dort waren die Barbaren sehr freundlich, denn Paulus konnte ihre Sprachen.
Als herumreisender Missionar hatte er mehr Möglichkeiten als die Korinther, diese Gabe einzusetzen. Man kann ganz klar beweisen, dass 1. Korinther 14 genau dieselbe Gabe und dasselbe Phänomen beschreibt wie in der Apostelgeschichte. Gerade das Zitat aus Jesaja 28 macht das klar und deutlich.
Pause und Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse
Gut, jetzt machen wir eine Pause von zwanzig Minuten und schauen uns das dann noch zu Ende an.
Wir sind stehen geblieben bei der Beobachtung, dass das Sprachenreden in der Apostelgeschichte und in 1. Korinther 12–14 dasselbe Phänomen ist. Nur die Situation war anders: In der Apostelgeschichte, besonders in Kapitel 2, waren Zuhörer da, die die Fremdsprachen verstanden. In Korinth hingegen fehlten diese oft.
Deshalb hat der Apostel Paulus den Gebrauch des Sprachenredens in der Gemeinde in Korinth etwas eingeschränkt. Man durfte die Gabe benutzen, aber eben nur eingeschränkt: höchstens zwei, drei Personen sollten in einer Zusammenkunft in Sprachen reden, und einer sollte auslegen, also übersetzen, für die, die es nicht verstehen. Denn nur das Verstehen des Gesprochenen erbaut die Gemeinde.
Darum sagt Paulus in 1. Korinther 14: Die Gemeinde wird nicht durch Sprachenreden erbaut, außer es wird ausgelegt, also übersetzt. Dann wird sie erbaut. Es wird aber auch gesagt: Wer in einer Sprache redet, der baut sich selbst auf. Das heißt, er selber weiß, was er spricht.
Hier liegt der Punkt: Heute gibt es Millionen von Menschen weltweit, die sagen, sie könnten in Sprachen reden oder „in Zungen“ reden. Fragt man sie, ob sie verstehen, was sie sagen, kommt meistens die Antwort: Nein. Dann ist es nicht biblisch. Denn biblisch müsste man es selbst verstehen, damit es einen erbaut.
Man könnte fragen: Warum heißt es dann „einer lege aus“? Könnte nicht der, der spricht, selbst auslegen? Der Grundsatz der zwei oder drei Zeugen, den wir schon in 5. Mose 19,15 finden, besagt, dass ein glaubwürdiges Zeugnis durch mindestens zwei Zeugen bestätigt werden muss. Wenn einer in einer Fremdsprache spricht und dann sagt, was das bedeutet, haben wir nur einen Zeugen. Darum brauchte es einen Ausleger, damit mindestens zwei Zeugen da sind: der Ausleger und der, der gesprochen hat. So wird bestätigt, dass es wirklich das Gemeinte ist und nicht etwas anderes.
Der Herr Jesus sagt auch in Matthäus 12, dass wir am Tag des Gerichts Rechenschaft ablegen müssen über jedes Wort, das wir gesprochen haben. Das zeigt, dass Gott uns nichts zu sprechen gibt, wofür wir keine Rechenschaft ablegen können. Das ist nicht von ihm.
Diese Gabe war eine ganz wichtige Sache, als Erfüllung der Prophetie aus Jesaja 28, dass Gott diesem Volk, das mit falscher Lehre über das Wort Gottes zugedeckt war, noch einmal eine Chance gab, die Botschaft eindrücklich durch Fremdsprachen zu hören. Das geschah in Apostelgeschichte 2. An diesem Tag kamen viele Menschen zum Glauben – wie viele? Dreitausend. Das ist beeindruckend, aber wenn man bedenkt, dass es damals etwa drei Millionen Juden in Israel gab, war das nur ein kleiner Überrest, der umkehrte.
An einem Tag 3000, und dann ging es weiter: Apostelgeschichte 3, 4 und 5 machen klar, dass in kurzer Zeit die Zahl der Männer auf 5000 stieg (Apostelgeschichte 4,4). Wenn man die Frauen und Kinder dazu rechnet, sind es bereits über zehntausend. Später, in Apostelgeschichte 21, wird Paulus gesagt: „Siehe, wie viele Zehntausende, griechisch Myriaden, der Juden glauben.“ Also kamen Zehntausende zum Glauben, doch im Vergleich zum ganzen Volk war es nur ein kleiner Überrest.
Jesaja 28 sagt, Gott werde in anderen Sprachen zu ihnen reden, und dennoch würden sie nicht hören. Das gesamte Volk wird nicht zur Umkehr kommen. Aber es hatte seine Bedeutung: Ein Überrest kam dadurch zum Glauben.
Wenn wir nochmals 1. Korinther 14 aufschlagen, wird gesagt, dass diese Gabe ein Zeichen war. Lesen wir 1. Korinther 14,22: „Daher sind die Sprachen ein Zeichen, nicht für die Gläubigen, sondern für die Ungläubigen.“ Das Sprachenphänomen sollte also ein Zeichen sein – ein Zeichen für die Ungläubigen.
Gott wollte Israel mit diesem Wunder besonders aufrütteln. Der Ausdruck „Zeichen“ bedeutet, dass eine geistliche Botschaft darin steckt. Der Herr Jesus tat viele Zeichen und Wunder: Wenn er einen Blindgeborenen heilte, war das ein Zeichen, dass er das Licht der Welt ist und geistliche Dunkelheit erhellt. Als er für 5000 Menschen Brot vermehrte, erklärte er danach in Johannes 6, dass er das Brot des Lebens ist. Wer von diesem Brot isst, wird ewig leben. Auch die Auferweckung des Lazarus war ein Zeichen: Jesus ist die Auferstehung und das Leben.
So haben diese Zeichen eine besondere Bedeutung. Die Sprachenrede war ein Hinweis auf eine neue Zeit: Das Evangelium, das Wort Gottes, kommt nicht mehr nur zu einem Volk in Hebräisch, sondern zu allen Völkern in allen Sprachen. Damit wurde das Zeitalter der Weltmission eröffnet – ein Zeichen für Israel, dass die frohe Botschaft nun zu allen Völkern geht.
Das war für Israel etwas ganz Ungewöhnliches. Sie waren das auserwählte Volk, Gott sandte ihnen Propheten und gab ihnen sein Wort. Aber da der Messias verworfen wurde, sollte das Wort nun zu allen Völkern weitergehen. Das entspricht Jesaja 49,6, wo Gott zum Messias sagt: „Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, um die Stämme Jakobs aufzurichten und Israel zurückzubringen. Ich mache dich auch zum Licht der Nationen, dass mein Heil bis an die Enden der Erde reicht.“
Israel ist der Nabel der Erde, wie Hesekiel 38 sagt. Dieses Land liegt am Knotenpunkt der drei Kontinente Europa, Asien und Afrika. Von Israel aus betrachtet sind die Enden der Erde zum Beispiel Südafrika, Feuerland in Südamerika, die Eskimos in Kanada und Grönland, Alaska, die skandinavischen Länder in Europa, Russland, China, Japan in Asien sowie Australien und Neuseeland. In den letzten 2000 Jahren ist die Frohe Botschaft in alle fünf Kontinente und bis an die Enden der Erde gekommen.
Heute ist dieses Zeichen nicht mehr nötig, denn wir wissen längst, dass das geschehen ist. Damals war es aber völlig neu, und es musste Israel klargemacht werden: Jetzt ist die Zeit vorbei, in der das Evangelium nur für euch ist. Der Messias ist gekreuzigt worden, nur ein Überrest hat ihn angenommen. Jetzt geht die frohe Botschaft zu den Völkern.
Darum war das Sprachenreden einerseits eine zweite Chance für Israel, um das Volk aufzurütteln. Tatsächlich kamen zehntausende zum Glauben. Andererseits war es der Auftakt zur Verbreitung der Botschaft vom Messias als Licht der Nationen bis an das Ende der Erde.
Man muss auch das Ereignis von Pfingsten als Kontrast zum Ereignis in Babel sehen. In Babel waren alle Völker beieinander und sprachen eine Sprache. Sie erhoben sich gegen Gott im Ungehorsam und wollten nicht zerstreut werden, obwohl Gott Noah gesagt hatte, sie sollen das Festland füllen. Sie wollten zusammenbleiben und sich einen Namen machen mit dem Turmbau zu Babel.
Gott verwirrte daraufhin ihre Sprache, was die Urmenschheit aufspaltete. Erst durch die Sprachverwirrung wanderten die Japhethiten nach Europa aus, die Hamiten wie Mitzrayim und Kusch nach Afrika, die Semiten im Nahen Osten. So wurde das ganze Festland gefüllt.
Auch damals waren die Sprachen ein Werk Gottes. Die Sprachverwirrung bedeutete, dass Gott den verschiedenen Stämmen in Babel neue Sprachen eingab. Diese mussten sie nicht erst lernen, sondern sie wurden ihnen direkt eingegeben, während das alte Sprachsystem gelöscht wurde. So konnten sie sich nicht mehr verstehen; manche sprachen Sumerisch, andere Kanaanäisch, und so trennten sie sich.
Die Sprachen waren damals ein Gericht zur Trennung der Völker. Die Völker gingen auseinander. Gott wählte aus allen Völkern Abraham aus und machte ihn zum Stammvater des auserwählten Volkes. Die Auserwählung Israels bedeutete aber nicht die Verwerfung der übrigen Völker, sondern dass durch Israel alle Geschlechter der Erde gesegnet werden sollten (1. Mose 12).
In 1. Mose 10 finden wir die Namen von Noah und seinen drei Söhnen und deren Nachkommen – die Ursprünge aller Völker der Welt. Dieses Kapitel wird die Völkertafel genannt und kann als Gottes Dokument der Weltmission gesehen werden. Gott zeigt damit, dass er die anderen Völker nicht vergessen hat. Sie gehen zwar ihre eigenen Wege in Unwissenheit über Gott, aber aus Israel wird der Erlöser kommen für alle Völker.
Pfingsten war der Auftakt einer Wende: Was in Babel ein Gericht war, wurde in Jerusalem zum Segen. Gott will Menschen aus allen Völkern in der Gemeinde, seiner Kirche, vereinen – bestehend aus allen wahren Erlösten. Heilsgeschichtlich war dieses Ereignis also ganz entscheidend.
Das Sprachenreden ist keine Nebensache in der Bibel oder ein eigenartiges Phänomen, sondern von großer heilsgeschichtlicher Bedeutung. Das heutige „Stammeln“ klingt eher wie „Zawla Zaw Kawla Kaw“. Man kann oft am Klang hören, welche Muttersprache der Redende hat. Das ist natürlich ein Problem.
Das ist nicht dasselbe wie in der Apostelgeschichte. Wenn dort Arabisch gesprochen wurde, hatten sie auch Laute, die wir in europäischen Sprachen nicht haben, und sie sprachen sie richtig aus. Wenn man heute bei einem Sprachenredner einen deutschen oder englischen Akzent hört und die Phoneme seiner Muttersprache, dann ist etwas faul.
Interessant wäre es, wenn jemand plötzlich Arabisch spräche. Arabisch zu lernen erfordert viel Übung, vor allem in der Grammatik. Ein Laut, der „Ein“ genannt wird, benutzt Muskeln, die Europäer normalerweise nur beim Erbrechen verwenden. Man muss diese ungewöhnlichen Laute mühsam erlernen. Wenn man aber den Akzent und die Phoneme hört, merkt man, dass es nicht das ist, was die Jünger gemacht haben.
Die Jünger beherrschten die Sprachen, ohne sie gelernt zu haben. Das ist ein ganz anderes Phänomen als das bloße Lallen. Sie wussten genau, was sie sagten, denn sie konnten die Sprache.
Darum sagt Paulus in 1. Korinther 14: Wenn ich in einer Sprache bete, betet mein Geist – nicht der Heilige Geist in mir, sondern mein eigener Geist. In der Bibel ist mit „Geist“ hier der menschliche Geist gemeint, der die Sprache beherrscht, weil sie von Gott eingegeben wurde.
Bei Pfingsten und auch danach hat Gott bei den Sprachenrednern ihre ursprüngliche Sprache nicht gelöscht, sondern belassen. Nicht nur eine neue Sprache wurde gegeben, sondern viele. Paulus sagt, er rede mehr Sprachen als alle anderen zusammen. Er konnte an verschiedenen Orten verschiedene Sprachen reden.
Wir wollen dieses Zeichen nicht mindern, sondern seine heilsgeschichtliche Bedeutung betonen. Aber das heutige Phänomen ist nicht das von damals. Das ist der große Unterschied.
Solches Lallen kennt man auch in anderen Religionen, etwa bei afrikanischen Stammesreligionen, wenn Schamanen in Ekstase geraten. Das Lallen kann eine Folge oder Auslöser der Ekstase sein. Eine Parallele zum biblischen Sprachenreden findet man in anderen Religionen aber nicht. Offensichtlich kann der Teufel einem Menschen keine neue Sprache eingeben, die er dann beherrscht. Lallen in Trance oder Halbtrance ist möglich, auch im Hinduismus oder Spiritismus.
Das biblische Phänomen, Sprachen zu beherrschen, ohne sie gelernt zu haben, ist göttlich. Das erste Mal finden wir dieses Phänomen nicht in Babel, sondern bei Adam. Er musste seine Sprache nicht lernen; am Tag der Erschaffung gab Gott ihm die Sprache. Er konnte Gottes Reden verstehen: „Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen.“
Adam konnte sprechen. Am sechsten Tag, als Eva erschaffen wurde, sagte er: „Dieses Mal ist es Fleisch von meinem Fleisch, Gebein von meinem Gebein.“ Das hebräische Wort „Menin“ ist sogar poetisch. Adam hatte die Aufgabe, den Tieren Namen zu geben, also war er kreativ und erfand neue Wörter aus dem Sprachsystem, das er hatte.
Man muss ständig neue Wörter erfinden, wenn neue Dinge entstehen. Früher gab es keine Fahrräder, dann brauchte man einen Namen für das neue Gefährt. Oder als die Gebrüder Wright mit Flugzeugen experimentierten, brauchte man ein Wort für etwas, das fliegt – das wurde „Flugzeug“.
Das sind keine Fantasiebegriffe, sondern aus der Sprache heraus kreierte Wörter. So musste Adam den Tieren Namen geben.
Was war die Ursprache? Man kann das beantworten. Die Namen der Patriarchen vor der Sintflut – Adam, Seth, Enos, Kenan, Mahalalel bis Noah – sind weder deutsch noch sumerisch. Adam kann man vom Hebräischen her erklären: „Adam“ kommt von der Wurzel „rot sein“. Auch „Adama“ bedeutet rote Ackererde. Gott erschuf Adam aus Erde, darum heißt er Adam, „Erdling“.
Seth wurde als Ersatz für den ermordeten Kain gegeben. Seth kommt von der hebräischen Wurzel „setzen, stellen, legen“ und bedeutet Ersatz. Auch andere Namen wie Enos lassen sich aus dem Hebräischen erklären.
Man kann also plädieren, dass es sich um Urhebräisch handelt. Natürlich könnte jemand argumentieren, Mose habe die Namen nur übersetzt. Aber in der Zeit Abrahams finden wir auch nicht übersetzte Namen wie Tidal (hethitisch) und elamitisch. Mose ließ diese Namen so stehen.
Auch später, als Joseph in Ägypten war, heißen seine Frau Asnat (ägyptisch), der Pharao (ägyptisch) und Potiphar (altägyptisch) so, ohne Übersetzung. Dass Namen meist nicht übersetzt werden, ist die Regel in der Bibel. Das spricht dafür, dass die ersten Namen in der Bibel Originalnamen sind und Hebräisch die Ursprache war.
Bei der Ausgießung des Heiligen Geistes waren 120 beisammen, und der Geist kam auf alle. So begann die Ausgießung des Heiligen Geistes auf die Gläubigen allgemein.
Später schreibt Paulus in Epheser 1,13–14, dass jeder, der an das Evangelium glaubt, mit dem Heiligen Geist versiegelt wird. So war Pfingsten der Anfang. Jeder, der zum Glauben kam, wurde danach durch den Heiligen Geist versiegelt.
Noch eine Frage: Verstanden die Apostel die Sprache, die sie an Pfingsten sprachen? Ja, sie verstanden nicht nur, was sie sagten, sondern sie beherrschten die Sprache. Paulus sagt in 1. Korinther 14, wenn ich in einer Sprache bete, betet mein Geist. Der Geist ist der Teil des Menschen, der verstehen und begreifen kann (Psalm 77). Der menschliche Geist forscht und erkennt, im Gegensatz zum Tier.
Paulus sagt also, dass er die Sprache intellektuell beherrscht. So verstanden die Apostel nicht nur, sondern sie sprachen, was Gott ihnen als Auftrag gab: die großen Taten Gottes weiterzugeben.
In Apostelgeschichte 2 wird erzählt, wie es an diesem Tag war. Man könnte fragen: War das nur punktuell oder hielt es an? Paulus macht in 1. Korinther 14 deutlich, dass er mehr in Sprachen redete als alle anderen. Das zeigt, dass es eine anhaltende Gabe war, die sie auf Missionsreisen einsetzen konnten.
Paulus begrenzte die Anzahl der Sprachenredner pro Versammlung auf zwei oder drei. Man hatte die Gabe in Verantwortung, nicht als etwas, das einfach über einen kam und nicht kontrollierbar war.
Auch bei Philippus, der den äthiopischen Finanzminister auf der Rückfahrt nach Afrika belehrte, spricht einiges dafür, dass er die Sprache dieses Mannes kannte. Der Äthiopier las eine Jesajarolle, vermutlich in griechischer Übersetzung (Septuaginta). Es ist anzunehmen, dass der Sudanese Griechisch konnte, da Griechisch in Ägypten die Alltagssprache war und Sudan südlich davon liegt.
Der Äthiopier verstand nicht, was er las, und Philippus erklärte ihm das Evangelium. Noch mehr Fragen? Nein.
Japheth, Sem und Ham: Von Ham wird gesagt, er war der Jüngste, Japheth der Ältere, der Erstgeborene. Aber die Reihenfolge kommt von der Bedeutung her. Gott erwählte die Linie von Sem, aus der später der Messias kommen sollte, über Abraham.
So wird der Wichtigere zuerst genannt: Sem, dann Ham, der am nächsten bei Israel wohnt, und Japheth, der weiter weg nach Europa ging. Gott erwählt oft den Jüngeren, wie bei Jakob und Esau oder bei Josef statt Ruben.
In Apostelgeschichte sehen wir, dass der Fokus von Anfang an geöffnet wurde: Die frohe Botschaft ging zu allen Völkern in ihren Sprachen. In Kapitel 8, 9 und 10 malt Lukas drei Porträts von Menschen, die sich bekehren: den Äthiopier (ein Kuschit aus dem Sudan), Saulus (ein Semit aus Israel) und Cornelius (ein Japhethit, Europäer).
Lukas zeigt, dass die Botschaft an alle Söhne Noahs geht. Jeder Mensch muss das Heil im Glauben, in Buße und Sündenbekenntnis annehmen. Es ist keine automatische Rettung, sondern eine persönliche Annahme Jesu Christi.
Auffallend ist die Reihenfolge Ham, Sem, Japheth. Noah gab in 1. Mose 9 eine Prophetie über seine Söhne: Sem und Japheth segnete er, Ham nicht. Ham wurde nicht selbst verflucht, sondern sein Sohn Kanaan, von dem die Kananiter abstammen. Die Schwarzen waren also nicht verflucht, sondern die Kananiter standen unter einem Fluch. Ham hatte keinen Segen.
Die Linie, die damals keinen Segen hatte, wird als erste in Apostelgeschichte porträtiert. Jeder, der an ihn glaubt, hat ewiges Leben. Das ist beeindruckend und zeigt, dass Gottes Wort durch den Geist Gottes so geplant ist.
Besonders bei Frauen: Das Lallen, das viele heute zeigen, ist nicht das biblische Sprachenreden. Darum sollten wir es lassen.
Kann man das so ausleben, dass man sagt, die Schrift sei vollkommen? Das vollkommene Wort Gottes ist hier geschrieben. Die Weissagung und Erkenntnis hörten mit den Aposteln auf, genauso wie die Sprachen.
Das Vollkommene, von dem Paulus spricht, ist nicht die Vollendung der Bibel, sondern das Wiederkommen Christi. Dann werden wir nicht mehr stückweise erkennen, sondern vollkommen von Angesicht zu Angesicht.
Das betrifft die persönliche Erkenntnisfähigkeit, die heute noch stückweise ist. Die Bibel ist vollkommen, aber wir erkennen noch nicht alles vollkommen.
Jungbekehrte und Kindlein im Glauben können die Stimme des guten Hirten unterscheiden, auch wenn sie nicht alles im Detail erklären können.
Das stückweise Erkennen bleibt bis zur Wiederkunft Christi. Dann wird es weggetan.
Paulus sagt, Weissagung wird weggetan und Erkenntnis wird weggetan. Das geschieht bei der Entrückung. Die Sprachen aber werden abklingen („pauo“).
In Apostelgeschichte 21,1 steht, dass das Sprachenreden langsam abklang, und das Wort „pauo“ wird verwendet.
Die Gläubigen, die Sprachen reden konnten, starben nach und nach. Johannes war der letzte Apostel, der im ersten Jahrhundert starb, und so klang diese Gabe langsam ab.
Das heißt, die Sprachen wurden nicht plötzlich abgeschafft, sondern gingen allmählich zurück.
Es gibt also Gaben, die abklingen, und Gaben, die bleiben bis zum Kommen Christi und dann weggetan werden.
Auch die Gabe des Apostels wird in 1. Korinther 12,28 genannt. Mit dem Tod der Apostel – Johannes war der letzte – klang auch diese Gabe ab. Heute gibt es keine echten Apostel mehr; wer sich so nennt, ist ein falscher Apostel.
So sehen wir zwei Gruppen von Gaben: Die einen klangen ab, die anderen bleiben bis zur Entrückung.
Die Stelle in 1. Korinther 13 ist bedeutsam: Sprachenreden sollte nicht bis zur Entrückung bleiben, sondern nachdem es Israel als Zeugnis diente, konnte es abklingen.
Gut, dann wollen wir noch beten.
