Herzlich willkommen, auch an alle, die jetzt über den Livestream zugeschaltet sind.
Das Thema heute Abend lautet: Qumran und die Geheimnisse der Schriftrollen vom Toten Meer.
Wenn man sich einen Vortrag anhört, versteht man ihn besser, wenn man weiß, wie er aufgebaut ist. Das geht mir auch in der Musik so. Wenn ich eine Sonate höre, ist es hilfreich zu wissen, dass es eine Sonate ist. Dann kennt man das erste Thema, das zweite Thema, die Durchführung, die Reprise und die Coda. So versteht man das Stück besser.
Genauso ist es mit Vorträgen. Die Struktur hier ist keine Sonate, sondern ich möchte zuerst eine allgemeine Einleitung zum Thema Qumran geben.
Anschließend beschäftigen wir uns erstens mit der Gemeinschaft von Qumran, auch als Sekte von Qumran bezeichnet. Danach geht es weiter mit der Editionsarbeit der Schriften von Qumran, also wie diese in Büchern herausgegeben und weltweit zugänglich gemacht wurden.
Im nächsten Schritt wenden wir uns dem Thema der Überlieferung des Bibeltextes zu. Dabei betrachten wir auch die messianische Prophetie in Verbindung mit Qumran.
Der letzte Abschnitt behandelt das prophetische Drama der Rollen. Ich werde nicht erklären, was das genau ist, damit es noch ein bisschen Überraschung gibt.
Einführung in die Bedeutung der Qumran-Entdeckungen
Man kann ohne Übertreibung sagen, dass die Entdeckung von Qumran eine der größten archäologischen Entdeckungen des zwanzigsten Jahrhunderts war. Worum geht es dabei? Man hat Zehntausende von biblischen und auch außerbiblischen Fragmenten entdeckt – und zwar in elf verschiedenen Höhlen.
Vielleicht haben Sie gehört, dass vor kurzem noch eine zwölfte Höhle genauer untersucht wurde. Ein guter Bekannter von mir hat diese Untersuchung initiiert. Leider wurden dort keine Schriftrollen mehr gefunden. Somit bleiben es elf Höhlen, in denen biblische und außerbiblische Fragmente entdeckt wurden.
In Verbindung mit diesen Höhlen hat man auch die Ruinen einer religiösen jüdischen Gemeinschaft erforscht. Für diejenigen, die noch nie in Qumran waren, hier eine kurze Erklärung: Wo befindet sich Qumran? Wir haben hier das Land Israel, den See Genezareth und das Tote Meer. Qumran liegt am nordwestlichen Ende des Toten Meeres, ganz in der Nähe von Jericho, in der Wüste Judäa.
Diese Entdeckungen in den elf Höhlen erstreckten sich über einige Jahre hinweg. Es begann 1947 mit der Entdeckung der Höhle I und setzte sich bis 1956 fort. Die erste Höhle wurde von einem siebzehnjährigen Beduinenjungen entdeckt. In der Folge gab es ein Rennen zwischen Archäologen und Beduinen. Oft waren die Beduinen die schnelleren und somit die Gewinner.
Hier sieht man einige der Höhlen von Qumran. Ich habe gesagt, dass Zehntausende von Fragmenten entdeckt wurden. Ein Fragment ist ein kleines Stück von einer Rolle. Diese Fragmente können zusammengesetzt und zugeordnet werden – und zwar zu etwa 800 Schriftrollen. Von diesen 800 Schriftrollen sind ungefähr 200 biblische Rollen, also Bibeltexte.
Man hat alle Bücher des Alten Testaments belegt gefunden, mit Ausnahme des Buches Esther. Das ist überraschend, denn es gibt ein anderes biblisches Buch, das nur einmal belegt gefunden wurde. Der Unterschied, ob man ein Buch nur einmal oder gar nicht findet, ist also nicht groß. Von anderen Bibelbüchern hat man zahlreiche Fragmente gefunden, zum Beispiel von Jesaja oder Daniel, und natürlich von den fünf Büchern Mose, der Tora. Nur vom Buch Esther gab es keine Funde.
Alle diese Schriftrollen stammen aus der Zeit vom dritten Jahrhundert vor Christus bis 68 nach Christus. Das Ende dieser Zeitspanne kann man sehr genau datieren. Das Jahr 68 nach Christus markiert nämlich die Zerstörung von Qumran durch die römische Armee. Diese legte die Siedlung in Schutt und Asche. Danach zogen die Römer durch die Wüste hoch nach Jerusalem, um den Belagerungsring um die Stadt zu legen. Dies geschah im Jahr 68 und führte schließlich im Jahr 70 zum Untergang Jerusalems und des Tempels.
Auf diesem Bild sieht man den Eingang zur Höhle vier. Die Höhlen werden mit römischen Zahlen von eins bis elf nummeriert. Höhle vier war die größte Schatzkammer. Dort wurden allein Zehntausende von Fragmenten gefunden.
Warum konnten diese Schriftrollen mehr als zweitausend Jahre überleben? Das wäre in der Schweiz nicht möglich. Selbst in Italien oder Griechenland – den heißeren Ländern Europas – ist es problematisch, so alte Textüberlieferungen zu erhalten. Dass es hier möglich war, liegt daran, dass Qumran zu den extrem heißen und trockenen Gebieten der Welt gehört. Das ist ein wichtiger Faktor, warum diese Schriften überhaupt so lange überdauert haben.
Die Gemeinschaft von Qumran und ihr Umfeld
Jetzt möchte ich einige Worte zur Gemeinschaft von Qumran sagen. Was waren das für Leute? Die Ruinen, die man in der Nähe von elf Höhlen gefunden hat, waren das Zentrum einer jüdischen Gemeinschaft vom zweiten Jahrhundert vor Christus bis zum Jahr 68 nach Christus.
Diese Gruppe von Juden hatte sich vom offiziellen Judentum getrennt. Sie gingen nicht mehr in den Tempel nach Jerusalem. Ich werde noch erklären, was dahintersteckte. Sie bauten sich in der Wüste eine Siedlung auf, um dort die Bibel zu studieren und darauf zu warten, dass der Messias kommt. Sie wussten aus den Schriften des Alten Testaments, dass sie in der Zeit vor dem Kommen des Messias lebten. Das lässt sich klar aus den prophetischen Schriften erkennen. Sie wollten also dorthin gehen und warten, bis der Messias kommt.
Von diesen Ruinen sind heute nur noch die Grundmauern erhalten. Sie sind mit einer Ascheschicht bedeckt. Unter dieser Ascheschicht hat man viele Münzen gefunden. Die jüngsten Münzen stammen aus dem Jahr 68, dem Jahr der Zerstörung Qumrans durch die Römer.
Dank moderner Computertechnologie wurden Häuser von Qumran rekonstruiert. So kann man sich besser vorstellen, wie es ungefähr aussah, wo diese Leute in der Wüste wohnten, arbeiteten und die Bibel studierten.
Warum haben sie sich abgesondert? Gehen wir zurück ins zweite Jahrhundert vor Christus. Das war im Judentum eine Zeit der Krise und des Niedergangs. Früher gab es in Israel Schriftpropheten, die vom Heiligen Geist inspiriert waren und Bücher zur Bibel hinzufügen konnten.
Der letzte Schriftprophet, der in Israel auftrat, war Maleachi um 400 v. Chr. Er schrieb das letzte Buch des Alten Testaments. Danach gab es keine Schriftpropheten mehr in Israel.
Ein Schriftprophet musste den Prophetentest bestehen. Er musste Nahzeitprophetie äußern, die immer hundertprozentig korrekt sein musste. Eine falsche prophetische Aussage zeigte, dass er kein Prophet des Herrn war und den Tod verdiente. Ab 400 v. Chr. hörte das auf.
Im Talmud, dem wichtigsten theologischen Werk im Judentum, steht im Traktat Sanhedrin 10, dass nach den Propheten Sacharja, Haggai und Maleachi der Heilige Geist von Israel wich. In dieser Zeit kam es auch zu geistlicher Unordnung in den Tempeln zu Jerusalem.
Wir befinden uns jetzt im zweiten Jahrhundert, in der zweiten Hälfte, nach der großen Makkabäer-Erweckung. Doch dann ging es steil bergab. Aus den Leuten, die ursprünglich eine Erweckung ausgelöst hatten, kam Unordnung ins Volk.
Eine der Makkabäer, auch Hasmonäer genannt, riss sich illegal das Hohepriesteramt an sich. Das durften nur Zadokiden bekleiden, also Nachfahren des treuen Hohenpriesters zur Zeit von David und Salomo, Zadok.
Doch sie griffen nach dem Hohenpriesteramt. Noch schlimmer: Etwas später beanspruchte einer sogar das Königtum für sich. In der Bibel sind Priestertum und Königtum strikt getrennt. Nur der Messias sollte beides vereinen.
Hier wurden Krone und Priestertum miteinander verbunden. Das bereitete den Treuen in Israel große Probleme. Wie konnte man weiter in diesen Tempel gehen? Das entsprach nicht mehr der Bibel.
Ein Zadokide, also jemand aus der offiziellen biblischen Hohepriesterlinie, sagte: „Ich gehe in die Wüste.“ Andere schlossen sich ihm an. Sie gründeten die Gemeinschaft von Qumran.
Sie sagten: „Wir gehen ans Tote Meer, in die Wüste, und warten, bis der Messias kommt, einen neuen Tempel baut und Ordnung schafft.“ Sie wussten, dass die Zeit des Messias bald kommen würde.
Das wussten sie aus Daniel 9, der Prophetie über die Jahrwochen. Wenn man sie nachrechnet, kommt man auf das erste Jahrhundert nach Christus. Dort sollte der Messias erscheinen.
Warum gingen sie genau in die Wüste? In Jesaja 40,3 steht, dass ein Prophet den Messias einführen würde: „Stimme eines Rufenden! In der Wüste bahnt den Weg des Herrn, ebnet in der Arawa eine Straße für unseren Gott.“
Sie wussten, dass diese Prophetie sich durch Johannes den Täufer erfüllte, der als Prophet auftrat und Jesus Christus als Messias in Israel einführte.
Die Leute von Qumran sahen sich als Vorläufer des Messias. In ihrer sogenannten Sektenrolle – sie nannten sich nicht Sekte, sondern Yachad, was Gemeinschaft oder Vereinigung bedeutet – bezogen sie diesen Vers auf sich.
Darum gingen sie in die Wüste. Sie wollten gewissermaßen die Stimme eines Rufenden in der Wüste sein.
Der Vers sagt nicht nur „in der Wüste“, sondern auch: „Ebnet in der Arawa eine Straße.“ Viele Bibelübersetzungen geben hier „Steppe“ an, was korrekt ist. Arawa meint eine Steppe, aber keine beliebige Steppe in Afrika oder anderswo.
Arawa ist die Steppe in der Wüste Judäa beim Toten Meer, in der Nähe von Jericho – und ich kann sagen, auch bei Qumran.
Sie gingen also in die Arawa hinunter. In Josua 15,61, bei der Beschreibung des Stammesgebiets von Juda, wird erwähnt: „in der Wüste, Kapitel 15,61, Bet Arawah, Midin und Sechacha.“ Sechacha kann man mit der Ortschaft Qumran identifizieren.
Darum sagten sie sich: „Wir gehen in die Wüste, und zwar in die Arawa. Dort wird der Messias einmal auftreten.“ Das wussten sie, denn Jesaja 40 sagt: „In der Wüste ebnet den Weg, und dann wird sich die Herrlichkeit des Herrn offenbaren.“
Weiter sagten sie sich: „In Hesekiel 47 erfahren wir, dass der Tempel, den der Messias einmal haben wird, wenn er kommt, einen Fluss hervorbringen wird, der im Toten Meer mündet.“
Also gingen sie gleich ans Tote Meer, nicht irgendwo in die Arawa, sondern in die Arawa am Toten Meer, wo der Fluss aus dem messianischen Tempel münden wird – und zwar im Stammesgebiet von Juda.
Religiöse Gruppierungen im ersten Jahrhundert und ihre Unterschiede
Im ersten Jahrhundert nach Christus gab es verschiedene religiöse Bewegungen. Besonders wichtig sind vier davon.
Zunächst gab es die Pharisäer. Diese Gruppierung entstand bereits im zweiten Jahrhundert vor Christus aus dem Bemühen heraus, ganz genau nach der Bibel zu leben. Pharisäer bedeutet „Abgesonderte“. Sie wollten sich von allem, was nicht richtig ist, absondern und entschieden nach der Bibel ihren Weg gehen. In den Evangelien kommen die Pharisäer sehr oft vor. Als Beispiel sei hier Matthäus 16,12 genannt.
Dann gab es die Sadduzäer. Das waren vor allem Priester, und zwar reiche Priester. Sie waren nicht sehr zahlreich – etwa viertausend Mitglieder im ersten Jahrhundert. Die Pharisäer waren eine größere Gruppe mit sechstausend Mitgliedern, dazu kamen noch viele Sympathisanten.
Die Sadduzäer glaubten nicht, dass das ganze Alte Testament von Gott inspiriert sei, sondern nur die fünf Bücher Mose. Sie schrieben somit den größten Teil der Bibel im Alten Testament ab. Diese Gruppe war eher liberal eingestellt. Sie glaubten auch, dass mit dem Tod alles aus sei. Daraus folgte für sie, dass man das Leben jetzt genießen müsse. Aus dem Tempel machten sie ein Geschäft und lebten im Luxus.
In Jerusalem wurden Pharisäerwohnungen aus dem ersten Jahrhundert ausgegraben, im heutigen jüdischen Quartier. So kann man zum Beispiel das „Burnt House“ besuchen. Es ist unterirdisch und beeindruckend, was die Pharisäer an Luxus hatten. Ganz in der Nähe befindet sich das Wohl Museum, ebenfalls unterirdisch. Dort wurde ein Pharisäerpalast mit einer Grundfläche von 600 Quadratmetern entdeckt – nicht schlecht, besonders wenn man sechs Kinder hat.
Die Pharisäer wollten so entschieden bei der Bibel sein, dass sie die Gebote strenger auslegten, als sie gemeint waren. Das taten sie, um sicherzugehen, dass sie das Gemeinte auch wirklich umsetzen. Man kann sagen, die Pharisäer erfanden viele Zusatzgesetze – also „Bibel plus“. Die Sadduzäer hingegen vertraten eine Art „Bibel minus“.
Jesus Christus griff beide Gruppen massiv an und stellte sie als im Irrtum dar.
Dann gab es noch die Nazaräer im ersten Jahrhundert. Das waren Juden, die sagten, Jesus von Nazareth sei der Messias. Diese Gruppe wurde Nazaräer genannt, zum Beispiel in Apostelgeschichte 24,5. Im damaligen Judentum wurden sie als eine neue Richtung innerhalb des Judentums angesehen, ähnlich wie es Pharisäer und Sadduzäer gab.
Eine weitere Gruppe waren die Essener. Sie werden im Neuen Testament namentlich nicht erwähnt, waren aber im ganzen Land verbreitet. Aus dem, was wir über die Essener wissen, und einem Vergleich mit den Schriften von Qumran kann man sagen, dass die Qumran-Gemeinschaft den Essenern sehr ähnlich war. Trotzdem sind sie nicht ganz identisch.
Die Qumran-Leute gingen tatsächlich aus der Gesellschaft hinaus und sonderten sich ab. Die Essener blieben hingegen noch in der Gesellschaft. Man kann also sagen, dass die Qumran-Bewegung zur größeren Essener-Bewegung gehörte.
Interessant ist hier das Museum mit den Schriftrollen von Qumran in Jerusalem. Das Museum sieht aus wie ein Tonkrugdeckel von Qumran, den wir gleich noch sehen werden.
Eine schwarze Wand im Museum hat der Architekt so gestaltet, um den Kampf der „Söhne des Lichts“ mit den „Söhnen der Finsternis“ darzustellen. In der Sektenregel von Hayachat heißt es, die Mitglieder müssten die „Söhne des Lichts“ lieben und die „Söhne der Finsternis“ hassen. Das ist interessant.
Warum ist das so?
Im Matthäusevangelium, in der Bergpredigt, sagt Jesus in Kapitel 5, Vers 43: „Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde, segnet, die euch fluchen, tut wohl denen, die euch hassen, und betet für die, die euch beleidigen und verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters seid, der in den Himmel ist. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.“
Liberale Theologen haben daraus geschlossen, dass die Evangelien nicht zuverlässig seien. Sie sagen, den Gedanken, den Feind zu hassen, kenne man im Judentum gar nicht. Das sei falsch und nicht korrekt.
Ist das wirklich so?
Ja, in den Schriften der Pharisäer findet man diesen Gedanken. Das heutige orthodoxe Judentum geht in seiner Entwicklungsgeschichte auf die Pharisäer zurück. Die Sadduzäer sind ausgestorben. Ab dem Jahr 70, als der Tempel zerstört wurde, hatten sie keine großen Einnahmequellen mehr. Damit war ihre Bewegung praktisch beendet. Auch die Essener sind ausgestorben.
Die Pharisäertradition hingegen setzte sich fort. Sie bildet im Prinzip das talmudische Judentum. Dort findet man das Gebot, die Feinde zu hassen, nicht.
Im Qumran hingegen findet man es in der Gemeinschaftsregel, der Sektenregel: die „Söhne des Lichts“ zu lieben und die „Söhne der Finsternis“ zu hassen.
Jesus hat also auf diese Lehre angespielt, die es tatsächlich im Judentum gab – insbesondere in der Bewegung von Qumran.
Alltag und Lebensweise in der Qumran-Gemeinschaft
Nun, gehen wir ein wenig durch die Ruinen. Hier sieht man den Esssaal, der geräumig ist. Allerdings war das nicht einfach ein Raum, in dem man beliebig plaudern konnte. Es gab ganz genaue Vorschriften, wie man das Wort ergreifen durfte. Diese Regeln waren sehr streng.
Übrigens musste man, um in diese Gruppe aufgenommen zu werden, eine zweijährige Probezeit durchlaufen. Man konnte auch wieder exkommuniziert, also ausgeschlossen werden. Man musste sich also wirklich gut benehmen. All dies war in der sogenannten Sektenrolle festgehalten. Von diesen Rollen wurden mehr als nur ein Exemplar gefunden. So können wir genau nachvollziehen, wie die Menschen dort gedacht und gelebt haben.
Es waren allerdings nur Männer. Das ist etwas Besonderes. Im Judentum und im Alten Testament kennt man nichts vom Zölibat. Dieses Konzept ist der Bibel fremd. Die Ehe wird im Judentum als Gottes Geschenk an den Menschen sehr hoch gepriesen. Deshalb wird das Eheleben, das Familienleben im orthodoxen Judentum auch sehr hochgehalten.
Doch wie kommt das Zölibat in Qumran zustande? Ganz einfach: Nicht lange davor, etwas mehr als 100 Jahre zuvor, also um 330 v. Chr., hat Alexander der Große die Welt erobert – von Griechenland aus über afrikanische Gebiete und Ägypten bis nach Indien. So kam auch das Land Israel unter die Herrschaft seines griechischen Reiches. Dabei wurde auch die griechische Philosophie verbreitet, mit Denkern wie Platon, Aristoteles und anderen.
Ich muss sagen, Platon war kein guter Mann. Er war pädophil und vertrat die Ansicht, dass alles Materielle schlecht sei. Nur das Geistige sei gut. Der Mensch müsse zum Geistigen hinaufstreben und das Irdische verachten. Das steht im starken Gegensatz zur Bibel. Wenn man die Bibel ernst nimmt, sieht man vom ersten Kapitel an, dass Gott das Diesseits geschaffen hat. Auch die Materie ist nicht minderwertig. Er hat auch die Ehe geschaffen, und die ist keineswegs minderwertig, nur weil sie Sexualität einschließt.
Das platonische Denken verachtete all das. Alles, was mit dem Körper und dem Körperlichen zu tun hat, galt als minderwertig. So entstanden Gedanken wie: Ehelosigkeit führe zu einem höheren geistigen Zustand. Diese Ideen hatten bereits Früchte, sie beeinflussten das Judentum. Später kamen sie auch im Christentum auf, durch die griechische Religion. Doch diese Zölibatgedanken sind der Bibel, dem Alten und Neuen Testament, vollkommen fremd.
Nach der Bibel ist Sexualität nichts Minderwertiges, sondern nur für den geschützten Bereich der Ehe vorgesehen. Alles außerhalb der Ehe wird als Missbrauch und Sünde verurteilt. Aber innerhalb der Ehe ist Sexualität nicht etwas Niedriges.
In Qumran hatte das also Auswirkungen: Dort waren nur Männer. Nun ein Problem: der Essal. Wir sind immer noch beim Essal. Die Reinigung des Essals sieht man auf diesem Foto nicht, aber der Boden ist schief. An einem höheren Ende konnte man Wasser ausgießen, das dann nach unten hin heruntergefegt wurde. So geschah die Reinigung fast im Alleingang. Das war gut für eine Männergesellschaft.
Hier sieht man Zisternen, von denen es viele in dieser Siedlung gibt. Wasser wird in der Wüste gesammelt. Ich werde Ihnen später zeigen, wie das funktioniert. Außerdem gibt es zahlreiche Ritualbäder.
Für den Tempel spielt die Reinigung in Ritualbädern nach der Bibel eine sehr wichtige Rolle. Man durfte nur in den Tempel gehen, wenn man rituell gereinigt war – also im Wasserbad.
Die Qumranleute haben sich vom Tempel abgesondert, weil sie meinten, er sei in Unordnung. Dafür nahmen sie umso mehr täglich zwei Ritualbäder, um sich in der Reinheit zu halten, die man braucht, um jederzeit in den Tempel gehen zu können. Sozusagen, obwohl sie keinen Tempel hatten, in der Erwartung, dass der Tempel des Messias kommen würde.
Ich zeige hier in 3. Mose 15 einige Verse über diese Ritualbäder als Beispiel: „Wenn einem Mann der Samenerguss entgeht, so soll er sein ganzes Fleisch im Wasser baden, und er wird unrein sein bis an den Abend; dann ist er rein. Jedes Kleid, jedes Fell, worauf der Samenerguss kommt, soll im Wasser gewaschen werden, und es wird unrein sein bis an den Abend.“ Es wird auch gesagt, dass eine Frau während ihrer Periode unrein ist, aber es handelt sich um eine symbolische Unreinheit. Nach der Periode muss sie ein Ritualbad nehmen, um sich wieder rituell zu reinigen.
Diese Reinigung wurde sehr gepflegt. Darum sind die Ruinen von Qumran förmlich geprägt von Bädern und Zisternen.
Das System der symbolischen Verunreinigung ist in der Tora, im Gesetz Mose, sehr komplex. Man kann es aber auf den Punkt bringen. Im Prinzip haben diese Gesetze meist mit dem Anfang des Lebens oder mit der Quelle des Lebens sowie dem Ende des Lebens zu tun.
Ausflüsse aus den Geschlechtsorganen bei Mann und Frau verunreinigen. Wenn man einen Toten berührt, wird man ebenfalls verunreinigt und muss sich wieder baden.
Die Bibel sagt uns im Neuen Testament, dass der Mensch ein Sünder ist und von Adam her eine sündige Natur geerbt hat. Das haben wir in uns, und wir können nichts dafür. Man merkt das sehr bald: Kleine Babys sind auf den Armen unglaublich lieblich, solange sie nicht sprechen können. Doch sobald sie sprechen lernen, kommen erstaunliche Wörter, die man ihnen gar nicht beigebracht hat. Woher wissen sie das? Das zeigt, dass etwas in ihnen steckt. Woher kommt das? Von mir.
Römer 5,12 erklärt, dass diese sündige Natur von Generation zu Generation weitergegeben wird. Darum ist die Quelle des Lebens verunreinigt, denn wir sind von Grund auf Sünder. Die Sünde führt zum Tod. Römer 6,23 sagt: „Der Lohn der Sünde ist der Tod!“ Wenn man also einen Toten berührt, ist man unrein.
Das sind wichtige Wahrheiten, die eigentlich zur Basis des Evangeliums gehören. So kann man verstehen, dass wir einen Retter brauchen. Einen Retter, der uns von der Macht der Sünde in uns befreit. Diese Macht merken wir als böses Verlangen. In der Bibel lesen wir: „Du sollst nicht!“ Und plötzlich merkt man, dass man genau das tun möchte, was die Bibel verbietet. Wenn die Bibel sagt „Du sollst“, woher kommt das? Das ist eben diese sündige Natur.
Wir brauchen einen Erlöser. Die Gesetze wurden gegeben, um zu zeigen, dass wir den Messias brauchen, der kommt und uns von der Macht der Sünde befreit – und damit auch von der Macht des Todes.
Man kann sagen, die Qumran-Gemeinschaft war gut vorbereitet auf das Kommen des Messias.
Hier sieht man einen Kanal, der Wasser aus den jüdischen Bergen oben führt. Hier sind die Höhlen von Qumran. Ein Teil des Wassers wurde direkt über den Kanal in die Siedlung geleitet. So konnte man die Zisternen immer wieder füllen.
Im Winterhalbjahr, von Oktober bis März, ist in Israel Regenzeit. Dann kommen über das Wadi starke Sturzbäche, auch wenn es hier selbst nicht regnet. Das Wasser kommt von weit her, regnet dort und fließt über die Wadis in die Wüste. So wurde das Wasser automatisch angezapft und in die Siedlung gebracht.
So konnten die Bewohner jeden Tag zweimal baden – und das in der Wüste, an einem der extrem heißesten Orte der Welt.
Übrigens trat Johannes der Täufer in Matthäus 3 auf. Er war eine Sensation in Israel. Er taufte bei Kasser al-Yahud – so heißt der Ort heute auf Arabisch – nur wenige Kilometer von Qumran entfernt. Am Jordan, in der Wüste, in der Arawah.
Johannes der Täufer war die Stimme eines Rufenden in der Wüste, ganz in der Nähe von Qumran. Doch er entsprach nicht der Gemeinschaft von Qumran. Er trug einen Kamelhaarmantel, während die Leute von Qumran immer weiße Kleider trugen.
Johannes sagte den Leuten nicht, sie müssten aus der Gesellschaft austreten. Stattdessen kamen Menschen zu ihm und fragten, was sie tun sollten. Soldaten fragten ihn: „Was sollen wir machen?“ Er antwortete, sie sollten niemandem Unrecht tun und keine Gewalt anwenden. Zöllner fragten ihn ebenfalls, und er sagte ihnen nicht, sie müssten die Gesellschaft verlassen. Vielmehr erklärte er, wie man sich gerecht in der Gesellschaft verhält.
Sein Aufruf war also nicht, aus der Welt auszutreten, sondern in der Welt ganz klar vom Bösen getrennt zu leben.
Die Rolle der Schreiber und die Aufbewahrung der Schriftrollen
Hier sind wir zurück bei den Ruinen. Dieser Saal befand sich direkt unterhalb des Schreibersaals. Darüber befand sich noch ein weiterer Stock.
Warum weiß man, dass es hier war? Weil hier Schreiberbänke gefunden wurden, die durch die Zerstörung aus dem oberen Stock heruntergefallen sind. Es handelt sich also um Schreiberbänke und Schreibtische, auf denen Schriftrollen von Qumran verfasst wurden. Dort kopierte man biblische und außerbiblische Texte, Lieder, Gedichte, Bibelkommentare und Ähnliches.
Direkt daneben befindet sich die Bibliothek. In dieser Bibliothek wurden die Schriftrollen aufbewahrt, nicht in den Höhlen. Warum die Rollen später in die Höhlen kamen, werde ich erst später erklären. Der Titel heißt ja „Geheimnisse der Schriftrollen von Qumran“. Hier wurden die Rollen aufbewahrt, und man musste ein Drittel der Nacht zum Bibellesen nutzen. Das war in der Gemeinschaftsrolle so vorgeschrieben.
Per Gesetz, im Psalm 1 heißt es: „Glückselig der Mann, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen“ und so weiter. Dann heißt es dort: „Der seine Lust hat am Gesetz des Herrn und darüber sinnt Tag und Nacht.“ Es ist kein Gesetz, dass man muss, sondern es ist einfach seine Freude an der Bibel. Wenn man nachts nicht schlafen kann, studiert man über eine biblische Stelle und freut sich darüber. Aber hier war es per Gesetz vorgeschrieben, dass sie ein Drittel der Nacht dafür nutzen mussten.
Man ging zum Bibliothekar – es gibt heute keine Qumran-Leute mehr, darum habe ich einen kleinen Jungen eingesetzt – und konnte sagen: „Ich möchte gerne Jesaja.“ Dort gab es die Jesajarolle, die man dann wieder zurückgab.
Diese Schriftrollen wurden in Krügen aufbewahrt. Das ist ein Geheimnis dafür, warum sie so gut erhalten geblieben sind. Die Rollen, die vollständig oder fast vollständig erhalten gefunden wurden, waren noch in den Krügen. Alle Schriftrollen, die in Tausende von Fragmenten zerrissen waren, befanden sich nicht mehr in den Krügen.
Man muss sich im Klaren sein, dass es in den vergangenen zweitausend Jahren öfter Besuche in den Höhlen gab, in denen diese Schriftrollen schließlich aus der Bibliothek deponiert wurden. Ich werde noch erklären, warum das so war. Aber die Rollen waren immer in diesen Krügen.
Dann kamen wilde Tiere der Wüste. In der Wüste Judäa gibt es viele wilde Tiere: Steinböcke, Leoparden, Hyänen, Wüstenfüchse, Schakale und so weiter. Sie kamen in die Höhlen, warfen die Krüge um, und die Schriftrollen fielen heraus. Wenn die Rollen sprechen könnten! Alles Leder! Dann wurden sie ein bisschen gefressen. Leder ist ein Überrest von einem Tier, das einmal gestorben ist. Eine Hyäne könnte da gut hineinbeißen. Aber das, was in den Krügen war, blieb wunderbar erhalten.
Woher hatten sie die Idee? Aus der Bibel. Jeremia 32,14 erklärt, wie man Schriftrollen lange erhalten kann. Dort spricht der Herr, der Heerscharen, der Gott Israels: „Nimm diese Briefe, diesen Kaufbrief“ – also Gott spricht zu Jeremia sowohl den versiegelten als auch den offenen Brief – „und lege sie in ein irdenes Gefäß, in ein Turmgefäß, damit sie viele Tage erhalten bleiben.“
Das ist das biblische Rezept, um Schriftrollen über mehr als zweitausend Jahre zu erhalten.
Man sieht hier das spezielle Design von Qumran. Solche Deckel findet man nur in Qumran – also ein Copyright von Qumran. Die 70 Jahre über den Tod hinaus des Autors sind längst abgelaufen.
Nun sehen Sie, dass das Qumran-Museum in Jerusalem genau so gebaut wurde, dass es diesem Deckel entspricht.
Gehen wir gleich mal hinein. Dort sind wir im sogenannten Schrein des Buches in Jerusalem, im Israel-Museum. In der Mitte wurde die vollständige Jesajarolle aufbewahrt. Ich hatte sie damals noch gesehen, als die Originale dort ausgestellt waren. Inzwischen hat man aber gemerkt, dass es der Rolle nicht gut tut, so rundherum fixiert zu sein. Darum wurde jetzt eine Kopie ausgestellt.
Sie brauchen nicht nach Jerusalem zu gehen, um sie zu sehen – es gibt andere Gründe. Ich habe selbst eine Kopie in Originalgröße mitgenommen: Sie ist sieben Meter vierunddreißig lang, zusammengenäht aus siebzehn Ziegenfellen. Sie können später sehen, wie das aussieht und wie gut man sie lesen kann.
Hier sieht man den Töpferofen, in dem dieses spezielle Design der Schriftrollenkrüge gebrannt wurde. Noch einmal sieht man den Schreibersaal, daneben die Bibliothek und gleich neben der Bibliothek den Studiersaal. Dort konnte man ein Drittel der Nacht verbringen und studieren.
Musikalischer Unterbruch
Nun, bevor wir weitermachen, möchte ich eine kurze musikalische Pause einlegen – einfach in der Hoffnung, dass Sie nicht einschlafen. Ich spiele den bekannten Kanon von Pachelbel. Ich hoffe, Sie sind wieder fit für Pachelbel. Übrigens war er kein Bruder von Bach, sondern Pachelbel mit „P“. Das ist sein Familienname. Er lebte ebenfalls in der Zeit von Bach und war, man kann sagen, eine Frucht der Reformation – so wie Bach Musik der Reformation war. Die Musik, die er schuf, entstand aus der Freude an dem wiederentdeckten Wort Gottes.
Nun gehen wir weiter mit der Editionsarbeit. Was macht man mit zehntausenden Fragmenten? Das ist schon eine große Aufgabe, nicht wahr? Darum versteht man auch, warum das so viel Zeit in Anspruch genommen hat. Hier sieht man Yigael Yadin bei der Arbeit mit Fragmenten der Schriftrollen von Qumran.
Yigael Yadin war übrigens der Oberbefehlshaber der israelischen Armee im schrecklichen Krieg von 1948. Der Staat Israel wurde vor siebzig Jahren ausgerufen, mit Erlaubnis der UNO am 14. Mai 1948. Danach hatten die englischen Truppen, die früher die Besatzungsmacht in Palästina waren, das Land verlassen. Dann begann der totale Krieg. Neun voll ausgerüstete Armeen griffen die schlecht ausgerüstete israelische Armee an, um Israel auszurotten. Yigael Yadin war der Oberbefehlshaber.
Im Juli 1949 war der Krieg zu Ende, und Israel überlebte mit Landgewinn. Israel ging als Sieger hervor. Danach widmete sich Yigael Yadin der Archäologie. Hier sieht man ihn beim Studium der wunderbaren Funde aus den Qumran-Höhlen.
Hier sieht man Professor Biberkraut von der Hebräischen Universität Jerusalem, wie er versucht, eine Rolle in lamentablem Zustand zu öffnen. Das war manchmal fast unmöglich. Wenn man die Rolle dann geöffnet hatte, musste sie zunächst entziffert, übersetzt, identifiziert, geordnet, interpretiert und schließlich herausgegeben werden. Das hat viele Jahre in Anspruch genommen.
Vor einigen Jahren erschienen solche Bestseller wie „Verschlusssache Jesus“ und ähnliche Titel. Darin wurde behauptet, der Vatikan sei dahinter und wolle verhindern, dass die Geheimnisse der Qumran-Schriftrollen ans Licht kommen, weil das Christentum dadurch zerstört würde. Diese Bücher wurden verkauft, das Geld landete in den Taschen der Autoren, doch inzwischen ist klar: Das war alles Unsinn, alles nur Lüge.
Schauen Sie hier: In zwei Bänden sind alle Schriftrollen von Qumran zusammengefasst – Hebräisch, Aramäisch und mit englischer Übersetzung. Das sind nur die außerbiblischen Schriftrollen. Oder hier „The Biblical Qumran Scrolls“ – dort sind alle biblischen Schriften zusammengefasst, allerdings nur in Hebräisch und Aramäisch, ohne Übersetzung. Aber das ist kein Problem, man kann alles bekommen.
Es war nichts Gefährliches für das Judentum, und es war auch nicht der Vatikan dahinter. Das war einfach ein Märchen. Diese Schriften sind uns eine enorme Hilfe, um die Hintergründe des Neuen Testaments besser zu verstehen und einzuordnen. Überhaupt nicht gefährlich – ganz im Gegenteil.
Aber es war eine lange Arbeit, und deshalb hat es so lange gedauert. Ich habe hier nur jüdische Forscher gezeigt, doch ich muss noch erklären: Jahrelang war der Hauptteil der Schriftrollen in den Händen eines internationalen Teams, das keine Juden enthalten durfte. Man muss sich daran erinnern, dass Qumran von 1947 bis 1956 entdeckt wurde. Zu dieser Zeit gehörte das Gebiet nicht zum Staat Israel. Das kam erst durch den Sechstagekrieg dazu.
Als man zum zweiten Mal versuchte, Israel von arabischer Seite auszurotten, gewann Israel diese Gebiete hinzu. In all den Jahren bis zum Sechstagekrieg hatten Juden nur zu einem Teil der Schriftrollen Zugang. Die Hauptmasse war dem internationalen Team vorbehalten und den Juden quasi entzogen. Das war ein akademisches Problem.
Die Forscher waren in zu kleiner Zahl und völlig überfordert, das Material zu bearbeiten. Doch der Stolz in der Wissenschaft war groß: Ein Professor sagte sich, diese Rolle gibt er nicht heraus. So könnten Studenten eine Doktorarbeit daraus machen und die Ergebnisse veröffentlichen. Als Erster veröffentlichte man eine Schriftrolle zusammen mit seinem Professor – das war sicher ein Vorteil.
Doch es waren viel zu wenige Leute da, die das schafften. Sie behielten das Material lieber für sich im akademischen Schrank, als es Kollegen zu geben. Schließlich kam eine totale Änderung, aber erst später. Dieser Mann, Emanuel Tov, übernahm die Leitung, um richtig Gas zu geben.
Die israelischen Archäologen überholten links, übernahmen die Führung, und dann ging es richtig los. Heute ist alles veröffentlicht. Emanuel Tov heißt gut – er hat also eine gute Sache gemacht.
Die Überlieferung des Bibeltextes vor und nach Qumran
Jetzt ein paar Worte zur Überlieferung des Bibeltextes. Grob gesagt hatten wir bis 1900 eigentlich nur hebräische Bibeltexte aus dem Mittelalter. Diese Bibeltexte nennt man den masoretischen Text. Mittelalter bedeutet hier, zum Beispiel, eine Seite oder einen Teil einer Seite des Kodex Aleppo aus dem Jahr 930 nach Christus.
Sie merken also, der Abstand von diesen hebräischen Schriftrollen aus dem Mittelalter zu den Originalen aus vorchristlicher Zeit, etwa 400 v. Chr., war schon ziemlich groß. Nun, diese Masoreten waren Rabbiner im Mittelalter, die den hebräischen Text ganz sorgfältig und liebevoll abgeschrieben haben.
Ein Beispiel dafür ist der Codex Aleppo aus dem Jahr 930 n. Chr. Dieser Kodex gilt als die Krone der masoretischen Handschriften. Die Rolle war lange im Besitz der Synagoge in Aleppo, Nordsyrien. 1948, nachdem der Staat Israel gegründet worden war, gab es in der arabischen Welt massive Ausschreitungen gegen die Juden in den arabischen Ländern. Das führte zu einer Fluchtwelle: etwa 800 Juden flohen damals aus den arabischen Ländern, da sie um ihr Leben fürchten mussten.
Auch in Syrien, in Aleppo, wurden Juden verfolgt, und der Kodex Aleppo verschwand. Er war der Stolz der syrischen Synagoge. Nach Jahren wurde er jedoch wieder entdeckt – leider mit deutlichem Textverlust. Viele Kapitel sind verloren gegangen, aber der größte Teil des Alten Testaments ist immer noch erhalten.
Dies ist die allerbeste masoretische Handschrift. Man sieht hier, wie der Text geschrieben wird: Zeile um Zeile, von rechts nach links. Mit Punkten und Strichen sind die Vokale angegeben. Zusätzlich gibt es noch weitere Zeichen, wie hier, das sind musikalische Zeichen. Sie zeigen dem Chasan in der Synagoge an, wie er den Text singen soll.
Die Masoreten haben nicht nur sorgfältig abgeschrieben, sie haben auch Wörter, Ausdrücke und Buchstaben gezählt, um die Abschriften kontrollieren zu können. Sie arbeiteten ähnlich wie ein Computer heute. Wenn man unsicher war, ob ein Textabschnitt korrekt war, konnte man genau nachprüfen, wie viele Wörter oder Buchstaben vorhanden sind.
Man sieht zum Beispiel am Rand Notizen, welche wichtigen Wörter wie oft im Alten Testament vorkommen. Das Zeichen, das wie ein L aussieht, ist das hebräische Lamed mit einem Punkt darauf. Es ist eine Abkürzung für Lajit, aramäisch, und bedeutet, dass das bezeichnete Wort in dieser Zeile nur einmal im gesamten Alten Testament vorkommt.
Diese Hinweise waren eine Warnung an den Abschreiber: Du darfst nichts ändern! Kein Buchstabe darf verändert oder die Orthographie angepasst werden. Genau so muss der Text geschrieben werden. An anderen Stellen steht zum Beispiel ein Bet mit einem Punkt oben. Das bedeutet, dass das bezeichnete Wort in dieser Zeile zweimal im Alten Testament vorkommt. So wurde der Text sehr genau gesichert, damit man sicher sein konnte, dass nichts verändert wurde.
Die Bibelkritiker sagten damals zwar, dass die Masoreten sehr genau abgeschrieben hätten, aber wer garantiere, dass man auch in der Zeit vor dem Mittelalter so sorgfältig gearbeitet habe? Die Gläubigen wussten, dass Gott in seinem Wort verheißen hat, dass sein Wort in Ewigkeit bestehen wird. Das ist Glaube, aber für die Kritiker unwissenschaftlich.
Was hatten die Kritiker für Beweise? Natürlich gab es keine Beweise, dass der Text geändert wurde. Aber sie konnten auch nicht beweisen, dass er unverändert geblieben ist. Dennoch wussten die Gläubigen schon früher, dass vor dem Mittelalter sehr sorgfältig abgeschrieben wurde. Unter den Rabbinern wurde vor Abschreibern gewarnt: „Wehe, wenn du einen Buchstaben an der Tora änderst, so bist du ein Zerstörer der Welt.“
Der einzelne Buchstabe war also immer schon sehr wichtig, und das ist keine Erfindung des Mittelalters. Die Kritiker konnten jedoch sagen: Das glaubt ihr einfach so, wir glauben das nicht.
Nun muss man das konkret betrachten: Malachi, der letzte Prophet des Alten Testaments, lebte um 400 v. Chr. Im Jahr 895 n. Chr. gibt es eine masoretische Rolle, die berühmt ist als Prophetenrolle, ein Buch mit den Propheten, also ein masoretischer Text aus dem Jahr 895 nach Christus. Das bedeutet einen Abstand von etwa 1300 Jahren.
Dann kam Qumran hinzu. Das Problem des großen zeitlichen Abstands war damit gelöst. Plötzlich hatte man Schriftrollen, die 900 bis 1150 Jahre älter sind als das, was man bisher hatte. Nun konnte man sehen, was in der Zeit vor dem Mittelalter geschehen war. Wir werden gleich sehen, was das Ergebnis ist.
Nur ein Hinweis: Als die Schriftrollen von Qumran frisch entdeckt wurden, gab es einen journalistischen Artikel, in dem stand: „Jetzt wird sichtbar werden, wie schlecht die Bibel überliefert worden ist.“ Ich kann Ihnen genau sagen, wo die Quelle ist.
Da frage ich mich: Warum wissen die Journalisten schon das Ergebnis, bevor Wissenschaftler geforscht und verglichen haben? Das nennt man Fake News. Journalisten behaupten oft, dass es Fake News nicht gibt, oder dass nur die anderen Fake News machen. Aber hier haben Sie ein schönes Beispiel für Fake News, wenn man das Ergebnis schon zu kennen glaubt, bevor überhaupt geforscht worden ist.
Datierungsmethoden und Schriftvergleich
Woran erkennt man, dass diese Schriftrollen so alt sind? Es gibt zwei Methoden, sie zu datieren: durch Paläographie und durch die C14-Methode.
Die C14-Methode darf nicht mit all den Verfahren verwechselt werden, mit denen man Millionen oder Milliarden von Jahren für das Alter der Erde berechnet. Die C14-Methode hat damit nichts zu tun. Sie wird in der Archäologie eingesetzt, nicht in der Geologie.
Die C14-Methode ist eine sehr interessante Methode, und Paläographie werde ich gleich erklären. Zuerst aber das Ergebnis: Hier sieht man den Anfang der vollständigen Jesajarolle von Qumran aus Höhle eins. Alle Kapitel von Jesaja sind darin enthalten.
Durch Paläographie hat man das Alter auf circa 155 vor Christus geschätzt. Die C14-Methode, angewandt an der ETH Zürich an einem kleinen verbrannten Stück der Jesajarolle, ergab ein Alter von 200 bis 100 vor Christus. Die Ergebnisse stimmen also überein. Allerdings ist die Paläographie präziser, während die C14-Methode nur auf etwa hundert Jahre genau datieren kann.
Nun zur Erklärung, was Paläographie ist: Es ist die Lehre der alten Schriften. Hier zeige ich einen Ausschnitt aus der Tel-Dan-Inschrift. Es ist eine aramäische Inschrift aus dem zehnten Jahrhundert vor Christus, die übrigens König David erwähnt.
Kleiner Fehler: Es ist nicht das zehnte, sondern das neunte Jahrhundert vor Christus. Da wissen wir ganz genau, wie die Schrift damals aussah. Die aramäische und die hebräische Schrift waren damals dieselbe. Im Laufe der Zeit hat sich die Schrift ständig verändert.
Das ist auch im Deutschen so: Man erkennt sofort, wenn eine Urgroßmutter geschrieben hat, dass das ganz anders aussieht als die Schrift der Großmutter. Die Mutter schreibt wiederum anders als die Großmutter, obwohl alle Deutsch schreiben. So ändert sich Schrift, und das war im Hebräischen genauso.
Hier zum Beispiel die Hiskia-Inschrift aus dem Tunnel von Hiskia in Jerusalem. Beamte mussten sie etwa um 700 vor Christus verfassen. Diese Inschrift sieht anders aus als die Tel-Dan-Inschrift, weil sie aus einer späteren Zeit stammt.
Übrigens ist dies die originale Hiskia-Inschrift, die nicht in Israel, sondern von den Türken nach Istanbul gebracht wurde. Ich bin im riesigen Museum von Istanbul auf die Suche gegangen, als ich dort mal eine Zwischenlandung hatte und einen freien Nachmittag. Was macht man dann? Zum Beispiel ins Museum gehen. Und ich habe sie tatsächlich gefunden – das Original.
Hier sieht man einen Scherben aus Arad aus der Zeit um 600 vor Christus, zur Zeit des Propheten Jeremia. Wir wissen ganz genau, wie die Schrift damals aussah.
Das sind nur drei Beispiele, aber wir haben so viele Inschriften, dass man genau sagen kann, wie im jeweiligen Jahrhundert geschrieben wurde. Sogar für spätere Jahrhunderte kann man oft das genaue Jahrzehnt bestimmen.
Deshalb kann man auch die vollständige Jesajarolle auf etwa 125 vor Christus datieren. Das stimmt mit der C14-Methode überein.
Die C14-Methode ist für die Archäologie wirklich eine gute Sache. Zum Beispiel konnte man damit den Hiskia-Tunnel datieren. Natürlich nicht den Stein selbst, denn den kann man nicht mit C14 messen. Aber unter den untersten Kalkablagerungen wurden Holzreste gefunden, die man auf etwa 700 vor Christus datieren konnte. Das entspricht genau der Chronologie der Bibel.
Auch das Wassertor von Salomo in Jerusalem konnte man mit der C14-Methode datieren. Das Ergebnis stimmt ebenfalls mit der biblischen Chronologie überein.
Je weiter man jedoch zurückgeht, je näher man der Sintflut kommt, desto mehr werden die C14-Daten verfälscht. Das liegt daran, dass es während der Sintflut massive Vulkanausbrüche gab. Dabei brachen Quellen der Tiefe auf, und Vulkane setzen viel CO2 frei – allerdings nicht C14, sondern C12.
Deshalb erscheinen alle Überreste von Lebewesen, die man in der Nähe der Sintflut findet, viel älter, als sie tatsächlich sind. Ab etwa 1550 vor Christus funktioniert die C14-Methode jedoch wirklich sehr zuverlässig.
Weitere Entdeckungen und Wanderungen in der Wüste Judäa
Ja, und was man in Qumran entdeckt hat, hat natürlich den Hunger nach mehr geweckt. Es gibt so viele Höhlen in der Wüste Judäa. Ich empfehle Ihnen als Ehepaar, doch einmal in der Wüste Judäa wandern zu gehen – das ist fantastisch! Es ist romantisch, und wer weiß, vielleicht finden Sie Höhlen, die noch niemand entdeckt hat, mit Schriftrollen.
Darum hat man begonnen, nach den Qumran-Höhlen auch in anderen Tälern zu suchen: im Wadi Murappa'at, im Wadi Arugot, im Nachal Chäwer, auf Masada. Überall hat man Schriftrollen von der Bibel gefunden. Man spricht immer von Qumran, aber man sollte auch vom Wadi Murappa'at sprechen – auf Hebräisch Nachal Darga, das ist dasselbe. Auch das Wadi Arugot, direkt neben der Oase En Gedi, ist ein Nachbartal und bietet eine schöne Wanderung.
Gehen Sie dort hoch! Das Wadi Arugot wird dann ziemlich steil und auch gefährlich. Aber man kann sich an der Hand halten, um sicher hinüberzukommen. Allerdings muss man aufpassen, sich nicht zu verlaufen, denn das ist ziemlich gefährlich – uns ist das fast einmal passiert. Danach geht es wieder hinunter durch En Gedi, diese schöne Oase. Am besten wandert man tagsüber, denn nachts kommen dort Leoparden.
Hier sind wir im Wadi Murabbat. Dort hat man Fragmente des Pentateuchs entdeckt. Pentateuch heißt die fünf Bücher Mose. Diese Texte stammen nicht von einer Sekte, die sich abgesondert hat, sondern von Leuten aus dem offiziellen Judentum, die sie dort versteckt haben. Die Fragmente sind vor dem Jahr 70 nach Christus geschrieben. Es sind Texte des offiziellen Judentums, und sie stimmen mit dem mittelalterlichen Text bis auf einzelne Buchstaben überein – ohne eine einzige Abweichung. Das ist doch erstaunlich, oder?
Das Wadi Arugot ist dort ziemlich heiß, wenn man hochgeht. Danach geht es wieder hinunter. Für die Wanderung sollte man etwa neun Stunden einplanen und genügend Wasser mitnehmen. Ganz unter uns: Cola ist dabei hilfreich, wegen des Zuckers, nicht wegen des Koffeins. Ja, auch dort hat man wieder biblische Handschriften gefunden, die den mittelalterlichen Text bestätigen. Ebenso im Nachal Chäwer und auf Masada.
Im Qumran findet man verschiedene Texttypen. Es gibt Handschriften, die genau dem mittelalterlichen Text entsprechen. Diese nennt man heute den proto-masoretischen Text. Proto heißt „vorher“, weil er älter ist als der masoretische Text aus dem Mittelalter. Man könnte auch „vormasoretischer Text“ sagen, aber proto-masoretisch klingt einfach wissenschaftlicher. Es handelt sich also um den masoretischen Text aus der Antike, nicht aus dem Mittelalter.
Dann gibt es den orthographisch modernisierten Text. Die vollständige Jesajarolle entspricht in ihrem Typ dem mittelalterlichen Text, ist aber moderner. Sie ist deutlich moderner. Sie wissen ja, auf Hebräisch schreibt man nur Konsonanten. Wenn die Sprache lebendig beherrscht wird, kann man den Text einfach so lesen, ohne Lesehilfen. Aber je mehr Leute unsicher sind, desto mehr braucht man Lesehilfen.
Dabei kann man Konsonanten verwenden, um Vokale anzudeuten. Für die, die nicht wissen, was Konsonanten sind: P, T, K, R, L, M sind Konsonanten – im Gegensatz zu den Vokalen A, E, I, O, U. Man schreibt also nur Konsonanten, kann aber manche Vokale durch bestimmte Konsonanten andeuten. Zum Beispiel kann Alef verwendet werden, um ein A anzudeuten, und Yud, ein Konsonant, kann für I eingesetzt werden.
Die vollständige Jesajarolle ist deutlich angereichert mit solchen Lesebuchstaben, sogenannten Lesemüttern. Das ist interessant, denn sie enthält viel mehr Lesemütter als der mittelalterliche Text. Das heißt, obwohl der mittelalterliche Text etwa tausend Jahre jünger ist, ist er altertümlicher als die vollständige Jesajarolle aus etwa 125 vor Christus. Das ist der orthographisch modernisierte Text.
Dann gibt es den samaritanischen Text. Das sind die fünf Bücher Mose, die eher dem Text entsprechen, den die Samariter auf dem Berg Garizim besitzen. Diese Leute haben zum Beispiel in den Zehn Geboten ein Gebot eingefügt, dass man Gott auf dem Garizim anbeten müsse. Das ist eine Fälschung – das ist also der samaritanische Text.
Und dann gibt es den Septuaginta-Text. Das ist der Text, der der griechischen Übersetzung aus Ägypten aus dem dritten Jahrhundert vor Christus entspricht.
Im Vergleich mit diesen Texten, die man in Qumran und vom offiziellen Judentum in Masada, Nachal Chäwer usw. gefunden hat, konnte man ganz klar zeigen: Der masoretische Text war der Zentraltext im Tempel. In der rabbinischen Literatur wird überliefert, dass die allerbesten Bibelhandschriften im Tempel zu Jerusalem aufbewahrt wurden – bis zur Zerstörung im Jahr 70.
Wenn man zum Beispiel in Nazaret in der Synagoge war und plötzlich Zweifel hatte, ob der Text genau so stimmt, wie er in der Rolle steht, konnte man die Torarolle mitnehmen auf den Tempelberg und mit den Vorlagen vergleichen. Dann konnte man erkennen: Das muss ein Abschreibfehler sein. Die Vorlage im Tempel war der Normtext, also der Zentraltext im Tempel.
Dieser Zentraltext wurde von den Juden bewahrt, sodass er im Mittelalter in Tausenden von Handschriften bis heute überliefert wurde als der masoretische Text. Der allerbeste Text ist der Codex Aleppo.
Die Silberrollen von Jerusalem und ihre Bedeutung
Nun, wir sind noch nicht fertig. Jahre nach der Qumran-Entdeckung fand man zwei Silberrollen im Tal bei Jerusalem. Genauer gesagt in diesem tief eingeschnittenen Tal außerhalb der Altstadt von Jerusalem. Wenn man das Tal bis zum Ende hinaufgeht, findet man dort ein Grab aus dem siebten Jahrhundert vor Christus, in dem diese zwei Silberrollen entdeckt wurden.
Niemand konnte sie zunächst öffnen, bis schließlich doch jemand Erfolg hatte. Was war darin? Ein Bibeltext, ein Segen aus 4. Mose 6, der Priestersegen: „Der Herr segne dich und behüte dich, der Herr lasse sein Angesicht über dir leuchten und sei dir gnädig, der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden. So sollen sie meinen Namen auf die Kinder Israel legen, und ich werde sie segnen.“
Dieser Text wurde auf eine Silberrolle geschrieben. In die Rolle wurde ein Loch gebohrt, sodass man sie als Schmuck um den Hals tragen konnte. Diese Rolle wurde dann ins Grab mitgegeben. Das Besondere daran: Der Text stammt aus dem siebten Jahrhundert vor Christus, also etwa ein halbes Jahrtausend älter als die Qumran-Schriften.
Ich habe den Text verglichen: Jeder Buchstabe ist identisch mit dem mittelalterlichen Text. Ein Unterschied besteht lediglich beim Wort „Jewarechecha“ (segne dich). Dort wird es im hebräischen Text zweimal geschrieben. Aus Platzgründen könnte man es nur einmal schreiben, da es auch als Doppelaussprache verstanden werden kann. Auf der Rolle steht es jedoch zweimal.
Abgesehen davon ist jeder Buchstabe identisch, sogar die Orthographie. Das ist phantastisch. Besonders bemerkenswert ist, dass das Wort „Shalom“ dort mit dem Vokalbuchstaben Waw für das „O“ geschrieben ist. Das erstaunt für das siebte Jahrhundert, entspricht aber genau dem masoretischen Text aus dem Mittelalter.
Man kann sagen, es ist ein kurzer Text, doch er dient als Stichprobenkontrolle. Solche Kontrollen sind wichtig und können wertvolle Aufschlüsse geben.
Übrigens mussten im Tempel bis zum Jahr 70 jeden Tag Priester auf den Treppen vor dem Eingang zum Tempelhaus nach dem Morgenbrandopfer stehen. Mit erhobenen Händen segneten sie das Volk. So konnte man hören, wie dieser Segen klang.
Dieser wunderbare Ausspruch bedeutet, dass wir Segen Gottes nur in Verbindung mit dem Opfer empfangen können. Der Priestersegen wurde stets im Zusammenhang mit dem Morgenbrandopfer gegeben, das wiederum auf das Opfer des Messias hinwies.
Qumran, Koran und die Glaubwürdigkeit der Bibel
Noch etwas zu Koran und Bibel. Der Koran sagt, dass das Alte Testament und das Neue Testament, also Taurat und Injil, von Allah gegeben wurden. Aber die Juden hätten das Alte Testament verfälscht, und die Christen hätten das Neue Testament verfälscht. Deshalb stimme es nicht mehr mit dem Koran überein. Aus diesem Grund brauche es den Koran als das Siegel, das alles Frühere ersetzt – also das, was Christen und Juden verfälscht haben.
Das ist eine Behauptung, dass die Bibel verfälscht worden sei. Nun, im Jahr 1947 entdeckte ein 17-jähriger Beduine namens Muhammad al-Dhib – also wie der Gründer des Islam, Muhammad – die ersten Manuskripte von Qumran. Sein Vater hatte den Beinamen „Der Wolf“, weil er ziemlich wild war.
Dieser junge Muslim lieferte den größten archäologischen Beweis für die glaubwürdige Überlieferung des Bibeltextes. Die Bibel ist demnach nicht verändert worden. Wir haben heute dieselbe Bibel, wie sie ursprünglich geschrieben wurde. Und ein Muslim namens Muhammad ist es, der uns diesen Beweis liefert – das ist keine Ironie.
Das hat natürlich eine Bedeutung für den Koran. Wenn der Koran sagt, die Bibel sei verfälscht worden, und sie eindeutig nicht verfälscht ist, dann kann man die Schlussfolgerung selbst ziehen. So stand es auch in der Jesaja-Rolle.
Die messianische Prophetie in Qumran
Nun etwas zur messianischen Prophetie. Gerade das Buch Jesaja ist besonders gut überliefert, vor allem durch die berühmte vollständige Jesajarolle von Qumran. Ich kann Ihnen ganz genau zeigen, wo zum Beispiel das Kapitel 53 darin enthalten ist – diese Prophetie über den Tod und die Auferstehung von Jesus Christus, dem Messias. Das ist wirklich faszinierend, denn gerade in Jesaja gibt es besonders viele Prophezeiungen, die auf Jesus Christus hinweisen. Doch das, was besonders zu Herzen geht, ist Jesaja 53.
Jetzt können wir beweisen, dass Jesaja 53 echte Prophetie ist. Wenn jemand behauptet, dieses Kapitel sei wahrscheinlich später hineingeschmuggelt worden, dann ist das falsch. Wir haben eine Schriftrolle, die aus der Zeit vor Christus stammt, und darin ist Jesaja 53 vollständig enthalten. Ich habe es durchgelesen, jeder Vers ist da. Somit kann es nicht später hinzugefügt worden sein.
Ein Bekannter von mir, ein Jude aus Montreal, ist in einer orthodoxen Familie in Nordafrika aufgewachsen. Er sagte, als er Jesaja 53 zum ersten Mal in der hebräischen Bibel las, dachte er zunächst, es sei unerhört, dass Leute aus dem Neuen Testament etwas in die jüdische Bibel hineingeschmuggelt hätten. Das war seine erste Schlussfolgerung. Doch später kam er zum Glauben an Jesus Christus als den Messias. Seine erste Reaktion war also: Unmöglich, niemand hat da etwas hineingeschmuggelt, das war schon vorher drin.
Ich möchte Ihnen nun etwas aus diesem wunderbaren Kapitel vorlesen. In prophetischer Vergangenheitsform, also in einer abgeschlossenen Zeitform, wird prophetisch beschrieben – das ist ganz typisch im Hebräischen: „Er war verachtet und verlassen von den Menschen, ein Mann der Schmerzen und mit Leiden vertraut, wie einer, vor dem man das Angesicht verbirgt. Er war verachtet, und wir haben ihn für nichts geachtet.“
Man muss wissen, gemäß dem Talmud spricht dieses Kapitel vom Messias. Es gibt also keine Interpretationsprobleme. Im babylonischen Talmud, Sanhedrin 98b, wird gefragt: Wie heißt der Messias? Dort werden verschiedene Namen genannt, unter anderem Menachem, der Tröster. Ein anderer Name lautet Nagua, der Geschlagene. Genau dieses Wort wird in Jesaja 53 für den Messias gebraucht – von Gott geschlagen und niedergebeugt.
Dort heißt es: „Fürwahr, er hat unsere Leiden getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen. Und wir hielten ihn für bestraft, von Gott geschlagen und niedergebeugt. Um unserer Übertretungen willen war er verwundet, um unserer Missetaten willen zerschlagen. Die Strafe zu unserem Frieden lag auf ihm, und durch seine Striemen ist uns Heilung geworden. Doch dem Herrn gefiel es, ihn zu zerschlagen, er hat ihn leiden lassen. Wenn seine Seele das Schuldopfer gestellt haben wird, so wird er Samen sehen, er wird seine Tage verlängern.“ Also: Nachdem er als Opfer gestorben ist, wird er wieder leben – eine Auferstehung!
Weiter heißt es: „Das Wohlgefallen des Herrn wird in seiner Hand gedeihen, von der Mühsal seiner Seele wird er Frucht sehen und sich sättigen. Durch seine Erkenntnis wird mein gerechter Knecht die Vielen zur Gerechtigkeit weisen, und ihre Missetaten wird er auf sich laden.“
Dieses Kapitel ist sehr eindrucksvoll, weil die meisten Juden es nie gelesen haben. Es gibt nämlich ein Verzeichnis, die Haftarah, der Kapitel, die in den Synagogen weltweit gelesen werden. Die fünf Bücher Mose werden alle Kapitel gelesen, und dann ausgewählte Kapitel aus den Propheten. Wenn man beim fünften Buch Mose ist, liest man zum Beispiel Jesaja 52, dann Jesaja 54. Jesaja 53 wird jedoch übersprungen.
Die meisten kennen dieses Kapitel nicht. Wenn man jedoch mit orthodoxen oder auch liberalen Juden spricht und fragt: „Haben Sie schon einmal Jesaja 53 gelesen? Wer ist das?“ – dann sagen die Rabbiner, das ist der Messias. In jeder Rabbinerbibel steht, dass es der Messias ist. Im aramäischen Targum wird sogar „der Messias“ eingefügt.
Das Kapitel wirkt sehr eindrucksvoll. Von den etwa 150 bekehrten Juden, die an Jesus Christus als Messias glauben, könnten die meisten sagen, dass Jesaja 53 eine Schlüsselrolle gespielt hat. Es geht richtig ins Herz hinein. Dort sieht man, dass der Messias sterben musste – als der Gerechte für uns Ungerechte. Er trägt unsere Sünden, das Gericht Gottes, das wir verdient hätten, für die Ewigkeit, damit wir gerettet werden können.
Aber gerettet werden können wir nur, wenn wir unsere persönliche Schuld im Gebet Gott bekennen, bereuen und dann dieses Opfer annehmen. Jesaja 53 erklärt, dass der Messias als Opfer sterben wird, wie wir gelesen haben. So wurde klar, dass all die Opfer im Tempel bis zum Jahr 70 auf den Messias hinwiesen.
Das Judentum kennt heute keine Opfer mehr, seit dem Jahr 70, weil sie den Tempelberg nicht mehr haben und den Tempel bis heute nicht wieder errichtet haben. Warum hat Gott ihnen diese Opfer weggenommen? Um zu zeigen, dass das wahre Opfer bereits gebracht worden ist – vor den Toren Jerusalems, auf Golgatha.
Das prophetische Drama der Rollen und die Geschichte Israels
Und ich schließe mit dem Drama der Rollen. Im Jahr 66 beginnt der Krieg der Römer gegen die Juden. Er dauert bis 73 nach Christus. Im Jahr 70 wird Jerusalem dem Erdboden gleichgemacht, ebenso der Tempel. Mehr als eine Million Juden kommen ums Leben.
Hier sieht man Zerstörungsspuren von Jerusalem im Jahr 70 nach Christus. Qumran fiel im Jahr 68. Bevor die Legion in Qumran einmarschierte, nahmen die Leute von Qumran die Rollen aus der Bibliothek heraus und versteckten sie in den Höhlen. Sie sagten sich: Wenn sie uns umbringen, sollen die Rollen dennoch erhalten bleiben. Darum gingen sie in die Höhlen.
Also damals, als schließlich der Staat Israel durch die Gewalt von Roms Legionen unterging, wurden diese Rollen in den Höhlen versteckt. Interessant, nicht wahr? Am 14. Mai 1948 wurde der Staat Israel gegründet – vor siebzig Jahren. Ben Gurion verkündete über das Radio: Hier ist der Staat Israel. Zweitausend Jahre sind vergangen, und wenn für Gott die Zeit gekommen ist, kann niemand ihm widerstehen.
Gott hat in Hesekiel 36,24 vor fast zweitausendsechshundert Jahren gesagt: „Und ich werde euch aus den Nationen holen und euch sammeln aus allen Ländern und euch in euer Land bringen.“ Das war vorausgesagt – dass die Juden wieder heimkehren aus aller Welt. Und tatsächlich sind sie aus allen fünf Kontinenten, drei Millionen an der Zahl, heimgekehrt, aus etwa 130 verschiedenen Ländern.
Nun das Interessante: Zur Zeit der Gründung des modernen Staates Israel holte man die wiederentdeckten Rollen aus den Höhlen. In Verbindung mit dem Untergang gingen die Rollen in die Höhlen, in Verbindung mit der Wiederauferstehung des Staates Israel kamen die Rollen aus den Höhlen.
Was das Ganze zu einem echten Drama macht, ist Folgendes: Die Rollen hatten alles vorausgesagt. Den Untergang von Jerusalem und dem Tempel und in der Folge den Untergang des jüdischen Staates. Das war in 3. Mose 26,31 vorausgesagt. Gott sagt zu seinem Volk: „Und ich werde eure Städte zur Öde machen und euer Heiligtum verwüsten und werde euren lieblichen Geruch der Opfer nicht mehr riechen.“ Die Opfer sollen aufhören.
Weiter heißt es: „Und ich werde das Land verwüsten, dass eure Feinde, die darin wohnen, sich darüber entsetzen sollen. Euch aber werde ich unter die Nationen zerstreuen, und ich werde das Schwert ziehen hinter euch her, und euer Land wird eine Wüste sein und eure Städte eine Öde.“
Ab dem Jahr 70 geschah in einem jahrhundertelangen Prozess die Verwüstung und Verödung des Landes. Es war wirklich so: Vom Jahr 70 bis 1948 zieht sich eine Blutspur durch alle Jahrhunderte hindurch mit circa dreizehn Millionen Toten unter dem jüdischen Volk. Da steht es: „Euch aber werde ich unter die Nationen zerstreuen, ich werde das Schwert ziehen hinter euch her.“ Schrecklich, nicht wahr?
Darum dürfen diese Worte aus 3. Mose in den Synagogen nur mit gedämpfter Stimme vorgetragen werden. Und in 5. Mose 28,64 heißt es: „Und der Herr wird dich unter alle Völker zerstreuen, von einem Ende der Erde bis zum anderen Ende der Erde.“ Von Chile, Argentinien bis nach China, Japan, Thailand, Indonesien und wirklich von Alaska, Kanada, USA bis nach Australien, Neuseeland, von Schweden bis nach Südafrika – von einem Ende der Erde bis zum anderen Ende der Erde.
Die Rollen hatten vorausgesagt: Lange wird Israel keinen Staat mehr haben. Hosea 3,4 sagt: „Denn die Kinder Israel werden viele Tage ohne König bleiben und ohne Fürsten und ohne Schlachtopfer. Danach werden die Kinder Israel zurückkehren und den Herrn ihren Gott und David ihren König suchen.“
Im Metzudat David, einem Kommentar in jeder Rabbinerbibel, wird zu diesem Vers erklärt: „David, ihr König“ bedeutet der Messias. Dann, in der Zeit, wenn sie zurückkommen, beginnt die Suche nach dem Messias. Sie werden sich zitternd wenden zu dem Herrn und zu seiner Güte am Ende der Tage, in der Endzeit. Das war alles in den Rollen gesagt, als man sie in die Höhlen legte.
Auch das andere, Amos 9,14, sagt Gott: „Und ich werde das Schicksal meines Volkes Israel wenden, und sie werden die verwüsteten Städte aufbauen und bewohnen, Weinberge pflanzen und deren Wein trinken, Gärten anlegen und deren Frucht essen. Ich werde sie in ihrem Lande pflanzen, und sie sollen nicht mehr herausgerissen werden aus ihrem Land, das ich ihnen gegeben habe, spricht der Herr, dein Gott.“ So prophezeit im achten Jahrhundert vor Christus.
Dann weiter, Hesekiel 36,24 noch einmal: „Und ich werde euch aus den Nationen holen, euch sammeln aus allen Ländern und euch in euer Land bringen.“ Da wird gleich noch erklärt, wem das Land gehört. Ja, die UNO weiß das nicht. Da steht’s: Die Rollen, die man aus den Höhlen holte, sagen es: „In euer Land bringen.“
Hier sieht man: Der Messias, Jesus Christus, kam das erste Mal und erfüllte über dreihundert Prophezeiungen aus dem Alten Testament. Er starb als Opfer nach Jesaja 53 für unsere Sünden. Aber damals hatte die Masse des Volkes ihn abgelehnt, und darum wurde das jüdische Volk aus dem Land herausgerissen und unter alle Völker zerstreut.
Nach so langer Zeit der Zerstreuung sehen wir heute, wie sie zurückkehren. Die Bibel sagt: In der Zeit, wenn sie zurückkehren aus aller Welt und der Staat wieder entsteht, dann wird der Messias zum zweiten Mal kommen. Nicht mehr als der leidende Messias, sondern als der herrschende Messias, der sein Friedensreich auf Erden aufrichten wird.
Die lange Zwischenzeit war auch ganz wichtig. Nach der Jesaja-Rolle sollte diese Zeit die sein, in der die gute Nachricht vom Messias unter allen Völkern der Welt verkündet wird. Jesaja 49 kann man nachlesen. Alles ein Plan dahinter. Und dieser Plan hängt sogar mit Archäologie zusammen.
Es ist schon fantastisch, ja? So möchte ich schließen noch einmal mit Jesaja 40,8: „Das Gras ist verdorrt, die Blume ist abgefallen, aber das Wort unseres Gottes besteht in Ewigkeit.“
Ich möchte zum Schluss noch mit uns beten: Herr Jesus Christus, danke, dass wir dein Wort haben und dass Qumran eine so wunderbare Bestätigung dafür ist, dass dein Wort Gottes Wort ist und auch zuverlässig überliefert wurde bis zum heutigen Tag. Danke, dass wir unseren Glauben voll auf dieses Wort abstützen können.
Danke, dass dieser Glaube kein Sprung ins Dunkle ist, sondern durch die erfüllte Prophetie bestätigt wird – eine Einzigartigkeit, die in keiner anderen Religion vorkommt. Danke, Herr Jesus, dass du gekommen bist als der Messias, um für unsere Sünden zu sterben.
Wir bitten dich auch für alle unter uns, die noch nicht sagen können, dass sie Frieden mit Gott haben: Schenke ihnen diese Gnade, dich heute anzunehmen und mit ihrer persönlichen Schuld im Gebet zu dir zu kommen und dein Opfer als Messias vor den Toren Jerusalems für sich in Anspruch zu nehmen. Amen.
