Einführung und Rückblick auf den bisherigen Text
Ja, dann lade ich euch ein, mit mir den ersten Timotheusbrief aufzuschlagen, Kapitel eins. Gestern sind wir bis Vers elf gekommen. Nun geht es weiter ab 1. Timotheus 1,12.
Gestern haben wir uns der Einleitung gewidmet. Paulus stellt sich vor und betont, dass er Apostel Jesu Christi ist. Er beschreibt auch näher, wie er berufen wurde und woher er seine Autorität nimmt. Dann sagt er einige Worte über Timotheus, seinen engen Mitarbeiter. Dabei blickt er auch auf die gemeinsamen Erfahrungen zurück, die sie gemacht haben.
Der erste größere Abschnitt umfasst die Verse drei bis elf. Hier beschreibt Paulus die Situation der Irrlehrer in der Gemeinde in Ephesus. Er hat Timotheus in Ephesus zurückgelassen, damit dieser richtig mit den Irrlehrern umgeht, die dort in der Gemeinde sind. Timotheus soll die falsche Lehre widerstehen und diejenigen zurechtweisen, die von der gesunden Lehre abgewichen sind.
Paulus gibt einige Hinweise darauf, was bei den Irrlehrern falsch läuft. Zum einen spekulieren sie mit Geschlechtsregistern und Fabeln. Zum anderen ordnen sie das Gesetz falsch ein. Sie meinen, durch das Einhalten des Gesetzes könnten sie vor Gott besonders gut dastehen. Doch das ist alles falsch.
Dem setzt Paulus im nächsten Abschnitt, den ich jetzt lesen werde, das Positive entgegen. Er zeigt, wie ein Diener Jesu in der Gemeinde richtig auftreten soll. Dabei vergleicht er seine Position und seinen Dienst mit dem der Irrlehrer.
Die Irrlehrer treten auf, wollen Lehrer sein und eine gute Stellung haben. Sie bringen neue Lehren hinein, die falsch sind – das haben wir im Einzelnen besprochen. Nun zeigt Paulus, wie er seinen Dienst versteht.
Wir könnten diesen Abschnitt überschreiben mit: Gottes Gnade gilt immer. Aber es braucht auch die Einsicht in das eigene Versagen. So würde ich es zusammenfassen. Kein ganz kurzer Titel, aber so bringt es den Inhalt gut auf den Punkt: Gottes Gnade gilt immer, wie Paulus an seinem persönlichen Leben zeigt. Doch es braucht Einsicht und Umkehr, sonst geht es nicht.
Paulus’ Dankbarkeit für Gottes Gnade und seine Berufung
Ich lese den Text zunächst im Zusammenhang. Das umfasst die Verse zwölf bis siebzehn. Am Ende des Kapitels gibt es noch einen kleinen gesonderten Teil. Doch die Verse zwölf bis siebzehn bilden einen zusammenhängenden Abschnitt.
Darum danke ich dem, der mir Kraft verliehen hat, Jesus Christus, unserem Herrn. Er hat mich treu erachtet und in den Dienst eingesetzt, obwohl ich zuvor ein Lästerer, Verfolger und Frevler war. Mir ist Erbarmung widerfahren, weil ich es unwissend und im Unglauben getan habe. Die Gnade unseres Herrn wurde über alle Maßen groß, zusammen mit dem Glauben und der Liebe, die in Christus Jesus sind.
Glaubwürdig ist das Wort und aller Annahme wert, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, um Sünder zu retten, von denen ich der größte bin. Aber darum ist mir Erbarmung widerfahren, damit an mir zuerst Jesus Christus alle Langmut erweise. Dies soll zum Vorbild für die sein, die künftig an ihn glauben und zum ewigen Leben gelangen.
Dem König der Ewigkeit, dem unvergänglichen, unsichtbaren, allein weisen Gott sei Ehre und Ruhm von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Dies ist also ein kurzer Überblick über seine Person, seine Stellung zu Gott und das Wesen seines Dienstes, wie er es beschreibt. Wir beginnen nun damit, diesen Abschnitt Stück für Stück zu betrachten.
Gottes Erwählung und Vertrauen in Paulus
Die ersten Verse klingen wie ein Loblied auf Gott, allerdings ein Loblied auf das Handeln Gottes, soweit es Paulus betrifft. Es gibt einige einzelne Aspekte, die hier enthalten sind.
Zunächst hebt Paulus das Handeln Gottes hervor, weil er von Gott erwählt worden ist. Er lobt Gott mit den Worten: „Du bist groß, du hast mich erwählt.“ Es steht dort, dass Gott ihn treu erachtet und in den Dienst eingesetzt hat. Gott hat Paulus erwählt, und das ist einer der Gründe, warum er Gott lobt.
Deutlich wird auch, dass Gott Paulus Vertrauen entgegenbringt. Das zeigt sich auch in dem, was später gesagt wird: Paulus war ein Verfolger der Christen und hat sich zuvor gar nicht um Gott gekümmert. Hier freut sich Paulus richtig darüber, dass Gott ihm Vertrauen schenkt – ihm, der eigentlich nicht direkt dafür vorbereitet war, so wie man sich das vorstellen würde.
Paulus stammt nicht unbedingt aus einer christlichen Familie und war nicht der Sanftmütige. Er war jemand, der fanatisch werden konnte und eigene Wege ging. Trotzdem hat Gott ihn erwählt. Gott vertraut Paulus. Jesus nimmt ihn in seinen Dienst auf. Es heißt: Jesus Christus, unser Herr, hat Paulus treu erachtet und in den Dienst eingesetzt. Auch darüber freut sich Paulus und lobt Jesus.
Jesus macht Paulus stark für seinen Dienst. Aus eigener Kraft könnte Paulus das gar nicht tun. In Vers zwölf lesen wir, dass Jesus Christus ihm die Kraft gegeben hat. Paulus hat schon lange mit seinem Leben abgeschlossen, das er aus eigener Kraft geführt hat.
Wenn man das Leben des Paulus kennt, weiß man, dass er durchaus ein Schaffer war. Er war jemand, der lange durchhielt, Ziele hatte und sein Leben planen konnte. Er war kein Mensch, der einfach nur herumhing. Aber er hat erkannt, dass aus eigener Kraft alles nicht möglich ist.
Bei den Irrlehrern wird immer wieder betont, dass sie auf ihre eigene Kraft, ihre Werke und ihr Ansehen bauen. Paulus hingegen lobt von Anfang an den, der ihm die Kraft gibt. Er sagt: Alleine kann ich das gar nicht. Ich lobe den, der mich als würdig erachtet hat, diesen Dienst überhaupt zu tun. Alleine tauge ich dafür gar nicht.
So wie Paulus bisher gelebt hat, würde ihn das eher disqualifizieren, als dass es eine gute Voraussetzung für den Dienst wäre.
Demut und Treue im Dienst
Das Grundproblem im Dienst ist also: Wo liegt der Ausgangspunkt?
Ist der Ausgangspunkt in meiner großen Erkenntnis, so wie bei den Irrlehrern? Diese behaupten, etwas ganz Tolles erkannt zu haben, etwas, das bisher niemand erkannt hat – zum Beispiel die Geschlechtsrig. Natürlich sagen sie, Gott habe es ihnen offenbart. Letztendlich sind sie aber die Einzigen, die darüber Bescheid wissen.
Bei Paulus hingegen merken wir immer wieder, dass er sich zurückzieht. Er geht demütig einen Weg, den er als glühender Pharisäer wahrscheinlich nie gegangen wäre. Wenn man zum Beispiel liest, wie er bei den Korinthern einen auf den Kopf bekommt und wie man ihn wegschickt, obwohl er die Gemeinde gegründet hat, dann fällt auf, wie erstaunlich ruhig Paulus trotz seines Temperaments geblieben ist.
Er geht weg und versucht trotzdem noch, mit Liebe die Irrlehre zurückzugewinnen. Und das gelingt ihm später auch. Paulus ist von Gott ganz verändert worden. Er schaut nicht zuerst auf sich, sondern auf denjenigen, der ihm die Kraft gibt, durchzuhalten.
Im 2. Korintherbrief erzählt Paulus, was es für ihn bedeutet hat, diesen demütigen Weg zu gehen. Dort lesen wir von so und so oft unter falschen Brüdern, von so und so oft im Schiffbruch, so und so oft im Gefängnis, von so und so oft geschlagen, gesteinigt und ausgepeitscht.
Man merkt, dass ihn das wirklich etwas gekostet hat. Aus eigener Kraft weiß Paulus ganz klar: Das schafft er nicht. Er schafft es nur mit der Kraft Gottes. Und das betont er an dieser Stelle.
Gnade und Treue als Grundlage des Dienstes
Das, was wir hier allerdings auch sehen, ist, dass Jesus Christus, der ihm Kraft verliehen hat, unser Herr ist. Er hat Paulus treu erachtet und in den Dienst eingesetzt. Es ist alles Gnade Gottes, das wird hier deutlich.
Nebenbei erwähnt Paulus, dass Gott normalerweise Menschen einsetzt, die er als treu erachtet hat. Das wird hier betont. Das heißt, Gott handelt nicht willkürlich – auch bei Paulus nicht. Heute bist du vielleicht Christenverfolger, und morgen ruft Gott dich als Apostel. So einfach ist das nicht.
Zum Beispiel lesen wir im Galaterbrief, dass Paulus nach seiner Bekehrung vierzehn Jahre in Arabien, in der Wüste, verbracht hat. Er schreibt das selbst. Zunächst war Paulus direkt nach seiner Bekehrung in Damaskus in der Gemeinde aktiv, dann eine Zeit lang in Jerusalem. Danach verschwindet er, aber nicht einfach irgendwo – er zieht sich in die Einsamkeit mit Gott zurück. In dieser Zeit arbeitet Gott an ihm.
Später ist Paulus wieder als Gemeindemitarbeiter in Damaskus tätig, bevor er schließlich als Missionar ausgesandt wird. Diese Entwicklung hat vierzehn Jahre gedauert. In dieser Zeit hat Gott an ihm gearbeitet. Paulus bezieht sich genau darauf. Gott hat gesehen, dass Paulus in diesen vierzehn Jahren treu geblieben ist.
Ich glaube, das ist auch heute noch so. Wir können uns nicht auf unsere eigenen Leistungen einbilden. Wenn Gott uns beruft, braucht es normalerweise vorher die Treue, die wir zeigen sollen. Wir sollen bei der Aufgabe, die Gott uns gegeben hat, bleiben und nicht aufgeben.
In ganz seltenen Fällen passiert es, dass jemand von null auf hundert bekehrt wird und sofort zum großen Prediger, Missionar oder Gemeindeleiter wird. Normalerweise ist das nicht so. Auch bei Gemeindeleitern steht geschrieben, dass sie sich bewährt haben müssen – das heißt, dass sie treu sind und dabei bleiben.
Das ist eine Herausforderung für uns alle, egal an welcher Stelle wir stehen. Wir sollen den Dienst treu tun, den Gott uns vor die Füße gelegt hat. Ob Gott uns dann weiter beruft, wissen wir nicht.
Paulus blickt auf diese vierzehn Jahre zurück. An keiner Stelle lesen wir, dass er damals schon eine Perspektive hatte, wie es weitergehen würde. Das kam alles erst später.
Paulus’ Selbstzeugnis und seine Einsicht in das eigene Versagen
Dann in Vers 13 stellt er sich etwas näher vor. Das klingt dabei gar nicht wie eine Aussage aus den Bewerbungsunterlagen für einen künftigen Prediger.
Stellt euch vor, ein zukünftiger Prediger würde jetzt erzählen, was er alles in der Vergangenheit gemacht hat: „Ich war ein Lästerer, ich war ein Verfolger, und ich war ein Frevler.“
Das klingt nicht besonders gut, oder?
Bedeutung der Begriffe Lästerer, Verfolger und Frevler
Zunächst müssen wir klären, was der Begriff eigentlich bedeutet. Ein Lästerer ist jemand, der über andere herzieht. Manche tun das besonders gern, für manche ist es sogar der Hauptgesprächsstoff, mit dem sie in Kontakt mit anderen kommen. Vielleicht treffen sie also jemanden und dann wird richtig vom Leder gezogen, es wird ausgiebig gelästert.
Natürlich immer über Abwesende, das ist klar, denn das macht am meisten Spaß. Für die Anwesenden kann das jedoch Probleme verursachen, wie Auseinandersetzungen oder andere Schwierigkeiten. Paulus sagt, er sei ein Lästerer gewesen, der über andere hergezogen und sie fertiggemacht hat. Dabei ging es hier nicht nur um Menschen, sondern – was beim Paulus besonders schlimm ist – auch um Gott.
Das erkennt Paulus aber erst später. Er hat Gott gelästert, indem er gesagt hat, Jesus habe mit Gott nichts zu tun und habe die Christen bekämpft. Das bedeutet, er hat den Plan Gottes lächerlich gemacht, indem er sich so verhalten hat und solche Dinge gesagt hat – nicht nur gegenüber Menschen, sondern auch gegenüber Gott. Aus seiner Sicht ist das natürlich viel schlimmer.
Er hat den guten Plan Gottes, den Gott Jahrhunderte zuvor vorbereitet hatte, in aller Öffentlichkeit lächerlich gemacht und dagegen gepredigt. Das ist hier mit „Lästerer“ gemeint.
Als nächstes wird der Begriff „Verfolger“ genannt. Das richtet sich gegen Menschen, nicht in erster Linie gegen Gott. Paulus lästert den Plan Gottes, das ist die eine Sache, aber auf der anderen Seite verfolgt er Menschen. Das kennen wir zur Genüge, wir lesen es in der Apostelgeschichte. Paulus verschweigt es später auch nicht: Er hat Christen ins Gefängnis gebracht und mit dafür gesorgt, dass Christen getötet wurden.
Das ist besonders schlimm, er war ein Christenverfolger.
Dann wird noch der Begriff „Frevler“ erwähnt. Ein Frevler ist in der Bibel meistens jemand, der sich die Macht Gottes anmaßt. Jemand, der übermütig ist und über seine eigene Position hinaus denkt und handelt.
Das hat Paulus auch getan. Er hat sich angemaßt, besser zu wissen, wie Gott es meint – besser als Jesus, besser als die anderen Jünger. So dachte er, ehe er zum Glauben gekommen ist. Ähnlich wie die Irrlehrer, die er wahrscheinlich ein Stück weit verstehen konnte. Er wusste ja, dass er selbst so gehandelt hatte, bevor er zum Glauben gekommen war. So hatte er gearbeitet.
Warum Paulus seine Sünden erwähnt
Und jetzt stellt sich die Frage: Warum erinnert Paulus hier Timotheus an seine Sünden? Man könnte doch auch sagen: Paulus, es ist doch alles schlimm gewesen, schweig besser darüber, was da gelesen ist.
Das ist bis heute manchmal auch so. Ihr kennt vielleicht manche Bekehrungszeugnisse, in denen jemand erzählt, wie er zum Glauben gekommen ist. Manchmal könnte der Eindruck entstehen: Als du ungläubig warst, war das Leben noch richtig spannend. Und als du gläubig geworden bist, ist ja gar nichts mehr los.
Besonders solche Zeugnisse werden oft Jugendlichen erzählt. Die regelmäßige Reaktion braver Jugendlicher aus christlichen Familien ist dann: „Mein Leben ist so langweilig.“ Derjenige, der bekehrt wurde, hat eingebrochen, war im Gefängnis, hat Drogen genommen oder zehn Freundinnen gehabt – das war richtig spannend. Und das wird ausführlich erzählt, manchmal eine Viertelstunde lang. Dann folgen die letzten zwei Sätze: „Dann habe ich mich bekehrt, und das war es.“
Die braven Jugendlichen aus der Gemeinde bekommen den Eindruck, dass das ein spannendes Leben war. Und wenn ich mich am Ende noch bekehre, umso besser. Dann ist ja alles gut, Schwamm drüber. Dann habe ich das spannende Leben und die Rettung.
Aber bei Paulus ist das nicht die Motivation. Manchmal könnte man sogar argwöhnen, dass insgeheim doch noch ein bisschen Sympathie mit dem alten Leben besteht. Je nachdem hat man bei manchen wirklich den Eindruck, dass sie sagen: „Das ekelt mich an, wie ich früher gelebt habe.“ Bei anderen hingegen wirkt es eher so: „Na ja, ich habe mich jetzt bekehrt, aber ganz so schlimm war das ja nicht. Macht ja jeder mal, oder?“ Wobei „macht ja jeder mal“ bei Gott nicht gilt. Sünde ist wirklich Sünde, und Sünde ist wirklich schlimm. Das sollte auch deutlich werden.
Ich glaube, bei Paulus ist das so. An einer anderen Stelle sagt er sogar, er erachtet alles, was er früher gemacht hat, als Kot und Dreck. Da merkt man wirklich, wie er dazu steht. Das ist nicht, um sich besonders darzustellen oder zu sagen: „Seht ihr, wie schlimm ich gewesen bin?“ Das ist nicht seine Absicht.
Vielmehr schaut er zurück, damit er selbst nicht übermütig wird – denn das könnte er ja. Er hat jetzt Erfolg, die Leute bekehren sich reihenweise, neue Gemeinden entstehen. Immer wieder erinnert sich Paulus: „Nein, ich bin es nicht. Gott hat mich da rausgeholt. Ich war doch vollkommen borniert, ich war festgefahren in meiner Position, und da hat Gott mich gerettet.“ Daran will er sich immer wieder erinnern – und auch die anderen.
Das bewahrt vor Hochmut.
Beispiel aus der Geschichte: John Newton
Ich habe das mal in einer Lebensgeschichte von John Newton gelesen – nicht Isaac Newton, der Physiker, sondern John Newton, der Sklavenhändler. Er hat auf seinen Grabstein schreiben lassen: „Ungläubiger und Wüstling“. Das ist ja nicht unbedingt das, was man üblicherweise auf ein Grab schreibt, also nur diese Worte, keine Namen. Ich weiß, was ich unter John Newton verstehe: „Ungläubiger und Wüstling“.
Wobei der Mann sich ja bekehrt hat. Danach hat er sogar gegen die Sklaverei gekämpft und für Jesus geworben. Für ihn war am Ende seines Lebens jedoch klar: All das Gute, das ich tun konnte, wiegt nicht auf gegen das Böse, das ich getan habe. Deshalb sagt er, in Erinnerung bleibe nur: Ich bin der Wüstling, der aber zum Glück durch Jesus gerettet und Vergebung bekommen hat. Das ist das Wesentliche.
Ich glaube, auf einer ähnlichen Ebene bewegt sich auch Paulus hier. Er will sich nicht damit brüsten, sondern schämt sich vielmehr. Er möchte gerade dadurch zeigen: Das ist nichts, womit ich angeben könnte, dass ich jetzt Apostel bin. Ich habe nichts dafür getan. Schaut euch mein Leben an: Ich war aus Gottes Sicht ein Versager. Trotzdem hat Jesus mich erwählt. Paulus will dadurch die Gnade Gottes umso größer machen.
Ich glaube, das ist der Grund, weshalb er sein ganzes böses Leben hier nur in drei Worten zusammenfasst. Er hätte es auch ausmalen können: Ja, ich war dabei, als Stephanus getötet wurde, und das Blut spritzte, und ich habe mich sogar noch darüber gefreut. Dann würde man vielleicht denken: „Na, wer weiß, du steigerst dich da ziemlich rein, das ist ja eine peinliche Sache.“ Deshalb lässt er das Ganze lieber weg.
In dem gesamten Text spricht Paulus viel mehr über die Gnade Jesu als über sich selbst. Sein eigenes Leben fasst er in drei Worten zusammen, und dann ist es schon wieder vorbei. Ich glaube, das ist eine gute Perspektive dafür, dass er sich an dieser Stelle nicht zu sehr auf sich selbst stützt.
Nutzen der Rückschau auf das Leben vor dem Glauben
Was kann es noch bringen, wenn wir uns an unser Leben vor unserem Gläubigwerden zurückerinnern? Ich glaube, es kann in uns die Dankbarkeit für die Vergebung, die Gott uns gegeben hat, wieder wachhalten. Deshalb sind solche Dinge, denke ich, auch in der Bibel erwähnt. Man hätte sie ja alle weglassen können und sagen: „Ach, lassen wir das, erwähnen wir es nicht.“
Es soll die Dankbarkeit zeigen, dass Gott uns daraus gerettet hat. Manche von euch sagen vielleicht: „Ich war doch gar nicht so ein böser Kerl.“ Aber ich hoffe, biblisch ist euch allen klar, dass es egal ist, ob man ein bisschen böse, etwas mehr böse oder ganz böse ist. Schon ein bisschen böse zu sein, genügt, um ewig von Gott getrennt zu sein.
Es geht ja nicht nur um das Äußere. Wenn ihr in euer Herz hineinschaut oder euch daran erinnert, dann waren wir alle böse und schlimm. Wenn Jesus sagt: „Wenn du deinem Bruder irgendein böses Schimpfwort sagst, dann bist du schon das ewige Gericht schuldig“, dann erinnert euch doch mal, ob ihr Geschwister zuhause hattet und ob ihr nicht auch manchmal Böses über sie gedacht habt. Bedeutet das ewiges Höllenfeuer?
Oder er sagt: „Wenn du in deinem Kopf schon jemand anderen töten willst.“ Oder: „Wenn du eine Frau ansiehst und sie begehrst.“ Dann merken wir, dass auch diejenigen von uns, die ganz lieb und nett sind, im Herzen nicht immer so lieb und nett sind – und das manchmal bis heute nicht sind.
Wenn wir uns daran erinnern, dann nicht, um uns groß darzustellen, sondern umso mehr die Größe Gottes zu sehen und Dankbarkeit für ihn zu haben. Dankbarkeit dafür, dass er uns herausgeholt hat, dass er uns zu neuen Menschen gemacht hat, die ihm ein Stückchen ähnlicher geworden sind. Dankbarkeit.
Ich glaube, das Zurückschauen kann manchmal auch dazu führen, dass wir uns mehr für den Glauben anstrengen und uns für ihn einsetzen. Wir merken, dass Gott so viel aufgewandt hat und so viel eingesetzt hat. Deshalb möchte ich mich auch einsetzen.
Das ist das, was Jesus meint, wenn die Sünderin kommt und ihm die Füße salbt. Er sagt: „Wem viel vergeben ist, der liebt auch viel.“ Häufig ist es so, dass Menschen, die aus einem ganz schlechten Leben herausgerissen wurden, viel mehr vor Augen haben, was Jesus für sie getan hat.
Die Erinnerung daran motiviert sie: „Ich will mich einsetzen, weil Gott mir so viel gegeben hat. Ich möchte auch für ihn etwas tun.“ Dabei geht es nicht um Werkgerechtigkeit, sondern einfach darum, Gott so zu lieben, weil er so viel für mich aufgewandt hat.
Paulus’ Erkenntnis und Umkehr im Gegensatz zu den Irrlehrern
Es kann manchmal auch andere ermutigen: Ich war so schlimm, und Gott hat mich trotzdem herausgerettet. Es gibt niemanden, der zu schlimm ist, als dass Gott ihn nicht retten könnte.
Dieser Gedanke wird später im Text noch einmal aufgegriffen, und zwar direkt von Paulus erwähnt. Paulus, und das ist das Besondere, erkennt seinen Irrweg. Die Irrlehrer hingegen tun das nicht. Sie bleiben auf ihrem Weg, halten sich sogar noch für gut und erkennen nicht, wo sie vor Gott schuldig sind.
Paulus erkennt seine Schuld, aber er bleibt nicht dabei. Er erkennt seinen Irrweg, kehrt um und bittet um Vergebung. Deshalb lesen wir am Ende von Vers 13: „Aber mir ist Erbarmung widerfahren.“
Das Erbarmen Gottes und seine Stufen
Das ist das Wichtige. Paulus merkt, dass er vollkommen falsch gehandelt hat, aber Gott hat sich über ihn erbarmt. Worin drückt sich dieses Erbarmen aus? Ich glaube, es sind mehrere Stufen.
Die erste Stufe des Erbarmens ist bereits, dass Gott Paulus überhaupt nachgegangen ist. Gott hätte auch sagen können: „Dieser verbohrte Kerl soll doch machen, was er will.“ Oder er hätte sagen können: „Mal ein kleiner Herzinfarkt, zack, jetzt ist die Christenverfolgung vorbei.“ Das wäre auch möglich gewesen und alles in der Macht Gottes gelegen.
Aber das Erbarmen Gottes zeigt sich darin, dass er selbst diesen Christenverfolger Paulus geliebt hat und ihm nachgegangen ist. Die nächste Stufe ist, dass Paulus erkennen konnte, welchen falschen Weg er geht. Die dritte Stufe ist, dass er dann auch Vergebung seiner Schuld bekommen hat.
Doch das Erbarmen Gottes fing viel früher an, nicht erst bei der Sündenvergebung. Es begann viel früher, als Gott alles vorbereitet hat, damit Paulus überhaupt dazu kommen konnte.
Mir ist das immer wieder deutlich geworden, wenn ich auf Menschen treffe, denen ich das Evangelium erkläre, und es scheint wie gegen eine Betonwand zu prallen. Dabei sind das gar nicht mal dumme Leute. Es wird mir immer wieder klar, dass es schon Gnade Gottes ist, dass wir sein Angebot verstehen und wahrnehmen können. Denn das können wir nicht aus eigener Kraft.
Es ist eine Illusion zu glauben, dass Menschen sich allein durch ihren Willen bekehren könnten. Sie können es nur, wenn Gott sie im Herzen anspricht und ihnen plötzlich klar wird: „Genau so ist das, das stimmt.“ Das ist keine Frage des intellektuellen Nachdenkens, bei dem man nach zehn Jahren so weit ist. Gott muss es offenbaren.
Ich habe gestern schon zitiert und möchte es hier nochmal tun: Jesus sagt, wer kann den Vater erkennen als nur der Sohn und wem der Sohn es offenbart. Das heißt, wie willst du Gott erkennen, wenn Jesus es dir nicht offenbart? Das geht gar nicht.
Hier zeigt sich die Gnade Gottes. Diese Offenbarung Gottes äußert sich schon darin, dass Gott uns überhaupt diese Erkenntnis gegeben hat. Wir können plötzlich Zusammenhänge erkennen, auf die wir durch eigenes Nachdenken nicht gekommen wären. Paulus war genauso wenig in der Lage dazu – das ist Erbarmen.
Am Ende spielt natürlich auch das Erbarmen in Form der Vergebung der Schuld eine Rolle.
Die besondere Begründung für das Erbarmen
Dann hat er eine seltsame Begründung, könnte man sagen. Er sagt nämlich, ihm sei Erbarmen widerfahren, weil er es unwissend im Unglauben getan habe. Das klingt fast so, als ob man sagen könnte: Wenn ich keine Ahnung habe, kann ich tun, was ich will. Dann könntet ihr sagen: Pech, dass ihr jetzt schon in der christlichen Gemeinde seid. Wärt ihr nicht gläubig gewesen, hättet ihr eure Arbeitgeber betrügen können, eure Ehefrau betrügen, euch scheiden lassen oder sogar morden können. Ihr müsstet nur nicht Bescheid wissen, dann wäre alles okay.
Meint Paulus das damit? Natürlich nicht! Das sei ferne, würde Paulus an dieser Stelle sagen, in keinem Fall. Er meint nicht, dass Sünde einfach deshalb vergeben wird. Er bezieht das ja auf sein spezielles Vergehen, nicht auf irgendwelche Sünde.
Wobei ich hier auch sagen möchte, dass das schon eine teilbiblische Wahrheit ist. Eine teilbiblische Wahrheit ist nämlich: Wem viel gegeben ist, der hat auch viel Verantwortung. Das lesen wir in der Bibel immer wieder.
Denk mal an den Römerbrief. Dort wird gesagt, dass die Heiden ein Gewissen und die Natur haben. Daraus erkennen sie, dass es einen Gott gibt. Sie haben ihn dann nicht geachtet und sind verloren gegangen. Und dann spricht Paulus die Juden an: Ihr habt aber noch das Gesetz von Gott bekommen, ihr habt die Propheten erhalten, ihr wisst eigentlich noch viel mehr. Deshalb ist eure Verantwortung noch viel größer.
Also gilt das schon. Und ich glaube auch, später lesen wir im Timotheusbrief, dass diejenigen, die lehren, ein umso höheres und stärkeres Urteil empfangen werden. Das heißt: Derjenige, der einen klaren Blick hat, hat auch mehr Verantwortung.
Da denke ich mir immer wieder, wie werden da wohl die ungläubigen Pfarrer dastehen? Sie stehen als Vertreter Gottes auf, haben das Amt des Pfarrers inne, sollen die Gemeinde, die Herde, hüten, sollen sie anweisen – und bringen sie weg vom Glauben. Da denke ich mir, auch in der Bibel ganz deutlich, werden sie ein umso härteres Urteil empfangen. Denn sie haben nicht nur für sich selbst gesorgt, sondern den Auftrag, den sie von Gott bekommen haben, missbraucht.
Ein Teil davon ist natürlich nicht nur der Pfarrer oder der Älteste oder sonst jemand, sondern zum Teil sind es wir alle. Denn wir alle haben schon wesentlich mehr Wissen und dadurch auch mehr Verantwortung als der normale Ungläubige.
Wenn der Ungläubige nebenan sündigt, könnten wir sagen: Das ist falsch, klar. Er wird auch von Gott zur Rechenschaft gezogen. Zum Teil können wir aber auch sagen: Manche Sachen weiß er gar nicht besser. Wer hat es ihm denn gesagt? Du weißt manche Sachen besser.
Jetzt ist die Frage: Wie gehst du damit um für dein Leben? Und wie gehst du damit um, dass du auch anderen Menschen das weitergibst?
Paulus erwähnt das hier als Rückblick auf sein Leben, bevor er Christ geworden ist. Jetzt müssen wir natürlich auch sehen: Das gilt ja nicht nur für diese Situation, sondern jetzt, wo wir mehr wissen, haben wir auch mehr Verantwortung dafür.
Also, ich glaube, Paulus will sich nicht total entschuldigen. Einerseits sagt er: Wer mehr weiß, hat mehr Verantwortung. Paulus wusste über das Evangelium wenig. Er meint, er hat weniger Verantwortung als die jüdischen Gläubigen. Ich glaube aber, dass er das auch noch auf einen ganz bestimmten Punkt bezieht.
Er erwähnt ja vorher, dass er ein Lästerer und Verfolger gewesen war. Und da lesen wir ja auch die Aussagen Jesu, dass es nur eine einzige Sünde gibt, die nicht vergebbar ist: die Sünde gegen den Heiligen Geist.
Das wird im Matthäusevangelium in dem Zusammenhang erzählt, dass die Pharisäer zu Jesus kommen und sagen, er treibe den Teufel durch Beelzebub aus. Das heißt: Hier ist jemand, der die Wahrheit kennt, denn die Pharisäer, die Jesus aufmerksam machen, wüssten doch, was in der Bibel steht. Sie hätten wissen müssen, dass Jesus der Messias ist. Und trotz besseren Wissens haben sie Jesus nicht nur abgelehnt, sondern ihm unterstellt, dass er vom Teufel sei.
Und genau dasselbe hat Paulus auch getan. Indem er nicht den Jüngern gesagt hat, sie seien auf dem richtigen Weg, sondern dass sie ja vollkommen falsch lägen und gegen Gott seien. Das heißt, er hat eigentlich Gott gelästert.
Er sagt: Na ja, das einzige, was ich mir dazu guthalten kann, ist, dass ich es wirklich nicht besser wusste. Keine Entschuldigung für die Sünde, die Sünde ist trotzdem da. Aber er sagt, sonst hätte Gott ihm wahrscheinlich gar nicht vergeben können.
Warum? Weil das dann die Lästerung gegen den Heiligen Geist gewesen wäre. Hätte er das mit voller Überzeugung getan, hätte ihn die Botschaft Jesu getroffen, und er hätte gewusst, dass Jesus der Messias ist. Hätte er dann die Christen verfolgt, wäre das wahrscheinlich genauso die Sünde gegen den Heiligen Geist gewesen. Und dann wäre für ihn Schluss gewesen.
Ich glaube, er bezieht das speziell darauf. Da sagt er: Ja, ich habe die Christen verfolgt, das war außerordentlich schlimm, aber ich habe Erbarmen bekommen. Warum? Weil ich es als Fehler getan habe, weil es mir nicht klar war.
Das macht die Sache nicht besser, aber die Sünde gegen den Heiligen Geist ist nicht vergebbar. Diese Sünde, dass er Christen gelästert hat, Gott gelästert hat, Christen verfolgt hat, war nur deshalb vergebbar, weil er es von dem Moment an noch nicht wusste.
Ich glaube, genau darauf bezieht er sich an dieser Stelle, weshalb er das erwähnt. Es ist keine billige Entschuldigung für jemanden, der nicht Bescheid weiß. Es ist keine Sünde, doch es ist Sünde – aber es ist eine, die ihm zum Glück vergeben worden ist.
Die unermessliche Gnade Gottes und ihre Wirkung
Vers 14: Und die Gnade unseres Herrn wurde über alle Maßen groß. Dadurch, ja, durch die Erlösung des Paulus – er spricht hier von sich selbst. Das heißt, er will sagen: Wenn jemand wie ich, der wirklich der Schlimmste gewesen war und nur hauchdünn noch in den Himmel hineingekommen ist, errettet wurde, dann muss die Gnade Gottes wirklich unendlich sein. So ähnlich argumentiert er.
Hier merken wir wieder: Paulus schaut gar nicht auf seine Werke und Leistungen. Für ihn ist ganz klar, dass seine Rettung nicht seine eigene Leistung ist. Auch dass er jetzt im Dienst steht, verdankt er nicht sich selbst, sondern ausschließlich der Gnade Gottes. Diese Gnade hat ihn erst fertig gemacht und dann für ihn bezahlt.
Es ist also die Gnade Gottes, dass er gerettet wurde und dass er in das Reich Gottes hineingekommen ist. Also: Gnade Gottes.
Und die Gnade unseres Herrn wurde über alle Maßen groß, samt dem Glauben und der Liebe, die in Jesus Christus sind, dadurch, dass er ihn gerettet hat. Er hat Paulus gerettet, aber nicht nur ihn. Er hat ihn auch für den Dienst erwählt. Auch hier zeigt sich die Gnade Gottes in besonderer Weise groß.
Dann erwähnt Paulus noch, dass insbesondere die Gnade groß wird, samt dem Glauben und der Liebe. Die Gnade wird groß, und auch Glaube und Liebe werden groß durch das, was Jesus getan hat.
Warum? Der Glaube wird in Jesus groß, weil Paulus und wir durch das, was Jesus getan hat, lernen, vollkommen von uns wegzuschauen. Glauben bedeutet ja Vertrauen, also ganz auf Gott zu vertrauen. Wenn jemand nichts mehr anzubieten hat, bleibt ihm nichts anderes übrig, als ganz auf Gott zu vertrauen.
Durch die Erlösung, die Paulus erfahren hat, zeigt Gott auch, wie groß Vertrauen sein kann. Gleichzeitig zeigt sich, wie groß die Liebe ist. Jesus sagt ja auch: Wer hat größere Liebe, als der, der sein Leben für seine Freunde gibt? Oder: Ich habe euch geliebt, als ihr noch meine Feinde wart – also sogar Feindesliebe.
Diese immens große Liebe zeigt sich genau an dieser Stelle.
Durch die Errettung des Paulus wird erstens groß die Gnade, zweitens groß der Glaube und drittens groß die Liebe von Jesus. Hier geht es nicht um unsere Liebe, sondern um die Liebe, die in Jesus Christus ist.
Paulus wurde also nicht für sich selbst errettet, sondern weil Gott sich daran groß gemacht hat. Er wollte der ganzen Welt seine Gnade, seine Liebe und seinen Glauben, also sein Vertrauen zeigen – denn Vertrauen ist dabei notwendig.
Die zentrale Botschaft des Evangeliums
Und dann geht es weiter: Glaubwürdig ist das Wort und aller Annahme wert.
Jetzt wird erwähnt, was genau aller Annahme wert ist. Zweimal wird zu Beginn die Aufmerksamkeit der Leser auf die folgende Aussage gelenkt. Einmal mit „Glaubwürdig ist das Wort“. Hier merken wir schon, dass jetzt nicht irgendetwas kommt, sondern etwas ganz Besonderes.
Normalerweise bezeichnen wir etwas als glaubwürdig, wenn es überprüft wurde. Wenn ich sage, diese Person ist glaubwürdig oder dieses Buch ist glaubwürdig, dann geschieht das nicht aus dem Handgelenk heraus, sondern nachdem wir uns damit auseinandergesetzt, darüber nachgedacht und es überprüft haben. Es hat sich bewährt. Genau das will der Autor hier ausdrücken. Das, was er jetzt sagt, steht wirklich fest; er hat es genau so erfahren.
Diese Einleitung „glaubwürdig“ benutzt er übrigens noch einmal in Kapitel 3, Vers 1, in Kapitel 4, Vers 9 und im 2. Timotheusbrief, Kapitel 2, Vers 11. Immer dann, wenn ganz besonders wichtige Aussagen kommen, wird das noch einmal hervorgehoben.
Das wird noch verstärkt durch die Aussage „es ist aller Annahme wert“. Das bedeutet im Grunde dasselbe: Was ich euch jetzt sage, lohnt sich wirklich, gut zuzuhören. Deshalb passt genau auf. Diese Worte richtete er damals an die Leser, gelten heute natürlich auch für uns.
Was jetzt kommt, ist ganz wichtig. Es gibt vieles Wichtige in dem Brief, aber das hebt er jetzt besonders hervor. Deshalb sollten wir die Ohren aufmachen.
Und was kommt? Dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, um Sünder zu retten. Als Christen gewöhnen wir uns manchmal an diese Feststellung, aber Paulus kann scheinbar immer wieder darüber staunen. Das ist aller Annahme wert, da müssen wir wirklich darauf hören. Das hat sich wirklich bewährt.
Jesus ist in die Welt gekommen, um Sünder zu retten. Das ist seine Hauptaufgabe. Er wollte nicht die Menschen nur ein bisschen besser machen, so wie es manche sagen, die meinen: „Ich halte mich an die zehn Gebote“ oder „Ich halte mich an die Bergpredigt“ oder „Jesus war ein guter Mensch, er ist ein Vorbild.“ Diese Menschen haben nicht verstanden, worum es eigentlich geht.
Es gibt heute sogar Prediger und Pfarrer, die scheinbar nicht verstanden haben, wofür Jesus wirklich auf die Welt gekommen ist und warum er sterben musste. Hier steht es ganz deutlich: Paulus sagt, Jesus ist gekommen, um Sünder zu retten. Nicht, um eine neue Kirchenreform zu machen oder Menschen nur ein bisschen besser zu machen, sondern um Sünder zu retten. Das ist ihm ganz, ganz wichtig. Deshalb erwähnt er es auch hier.
Christus ist gekommen, um Sünder zu retten. Daraus können wir schließen, dass dies ein Punkt ist, den die Irrlehrer nicht verstanden haben. Scheinbar haben sie die Rettung durch Jesus Christus zur Nebensache gemacht. Vielleicht nicht ganz unter den Tisch gekehrt, aber ähnlich wie bei den Zeugen Jehovas.
Mit denen kann man endlos diskutieren. Wenn man sagt, Jesus ist wichtig, sagen sie: „Ja, er ist wichtig, er ist für die Sünden gestorben.“ Aber dann kommt: „Jetzt musst du noch das und das und das tun.“
Gerade neulich war wieder eine junge Frau da, lieb und nett. Sie kommt seit Jahren. Sie ist zwar nicht mehr ganz jung, war es aber mal vor etwa zehn Jahren, als sie das erste Mal kam. Jetzt nicht mehr ganz so jung, aber sie kam wieder und sagte: „Ja, es ist ganz wichtig, dass wir zu Gott als Jehova sprechen.“
Gut, du wirst also nur errettet, wenn du zu Gott Jehova sagst. Da würde ich sagen: Was ist das für eine Botschaft? Sie hat ja noch gar nicht richtig begriffen, worum es wirklich geht. Du musst um Vergebung der Sünden bitten. Aber sie sagt auch ganz klar: Wenn du Gott nicht Jehova nennst, weiß er gar nicht, dass er gemeint ist.
Das ist absurd. Ich habe sie auch schon selbst gefragt: Wo in der Bibel sagt Jesus denn, dass wir zu Gott Jehova sprechen sollen? Das sagt er nicht direkt, oder? Dann frage ich: Und das einzige Gebet, von dem Jesus gesagt hat, wie wir beten sollen, was steht da? „Vater unser.“ Nicht „Jehova unser.“ Also scheint das zu genügen. Jesus hat so gebetet und gesagt, ihr sollt auch so beten. Warum sagt er uns dann nicht, dass wir Jehova ansprechen sollen?
Dann wird wieder hin und her argumentiert, mit allerlei Erklärungen, bis am Ende etwas ganz anderes herauskommt. Dabei müssen wir sagen: Diese Leute erkennen zwar, dass Jesus wichtig ist, aber die Erlösung ist nicht mehr der Mittelpunkt.
Hier steht ganz klar: Wofür ist Jesus in die Welt gekommen? Nicht, um uns zu sagen, dass wir keine Bluttransfusion nehmen sollen, keine Geburtstage feiern oder kein Weihnachten, sondern Jesus ist in die Welt gekommen, um Sünder zu retten. Das ist der Kern.
Die Zeugen Jehovas versuchen immer noch, mit Selbstgerechtigkeit den Weg zu finden. „Ich tue ja noch ein bisschen, ich habe den Zeugnistdienst an der Haustür gemacht, das Versammlungsbuchstudium regelmäßig besucht“ und so weiter. Da merken wir: Das ist es nicht. Jesus ist gekommen, nicht um neue Gebote aufzustellen, sondern um Sünder zu retten.
Das ist natürlich auch eine Herausforderung für jeden von uns. Ich weiß nicht, wie es in eurem Leben aussieht, ob ihr schon Sündenvergebung durch Jesus Christus erfahren habt. Wenn ja, dann freut euch an dieser Stelle. Wenn wir jetzt in einer charismatischen Gemeinde wären, könntet ihr jetzt „Halleluja“ rufen. Da wir hier nicht sind, ist das natürlich nicht nötig. Aber ihr dürft euch auch freuen – auch wenn wir hier nicht charismatisch sind. Ein „Hosianna“ oder Ähnliches würde manchmal zur Auflockerung der Atmosphäre beitragen. Also, das wäre möglich.
Wer aber keine persönliche Beziehung zu Jesus hat, wer nur ein bisschen fromm lebt oder diese Wahrheit irgendwie für wahr hält, wird hoffentlich irgendwann von dieser Wahrheit getroffen und konfrontiert: Jesus ist gekommen, um Sünder zu retten.
Das gilt auch für dich, wenn du noch keine Sündenvergebung in deinem Leben hast. Die hast du ja nicht von Natur aus. Auch nicht, weil du Gemeinde besuchst, in der Bibel liest oder in einer christlichen Familie geboren bist. Sündenvergebung hast du nur, wenn du zu Gott kommst, deine Sünden bekennst und um Vergebung bittest.
Das braucht erst einmal Demut: zu sagen, ja, ich bin tatsächlich schwach, ich brauche Vergebung. Und ihn dann darum zu bitten. Dann verspricht er, dir deine Sünden zu vergeben, in dein Leben zu kommen, dich mit dem Heiligen Geist zu erfüllen und dein Leben innerlich zu erneuern.
Das heißt nicht, dass du von heute auf morgen vollkommen anders denkst und dich selbst nicht mehr wiedererkennst. Aber Gott fängt an, in deinem Leben zu arbeiten und es zu verändern.
Das gilt für alle. Traditionen helfen dabei nicht, auch der regelmäßige Gemeindebesuch nicht. Nur das Erkennen: Ich bin schuldig, Jesus ist auch für mich gekommen. Dann ihn darum bitten: „Herr Jesus, vergib mir, was ich getan habe.“ Und alles, was Jesus in Erinnerung ruft, nennen und bekennen und um Vergebung bitten.
Dann verspricht er, dass er uns vergibt, den Heiligen Geist schickt, der in uns wohnt, und dass wir als Christen weiterleben.
Das ist das, was er hier in den Mittelpunkt stellt und was für ihn ganz, ganz wichtig ist.
Beispiel aus einer Gemeinde: Der Jugendleiter
Leider kommt es selbst in freikirchlichen Gemeinden manchmal vor, dass wichtige Dinge übersehen werden. Ein Beispiel, das ich denjenigen, die hier schon oft waren, vermutlich schon erzählt habe, möchte ich dennoch noch einmal teilen. Für mich war es besonders eindrücklich, deshalb erzähle ich es hier erneut. Wenn ihr euch daran erinnert, freut euch mit mir über das zweite Mal, dass ich es erzähle. Falls ihr es nicht kennt, freut euch darüber zum ersten Mal.
Vor einigen Jahren war ich mit einer Gruppe von Schülern in einer Gemeinde – ich nenne sie nicht beim Namen, aber es war eine fromme Gemeinde. Dort habe ich eine Evangelisation gehalten. Am Abend, nach der Evangelisation, saß ich noch am Tisch mit dem Jugendleiter der Gemeinde, während die Gäste bereits gegangen waren.
Ich fragte ihn, wie er eigentlich zum Glauben gekommen sei. Er sah sich um, ob niemand zuhörte, und sagte: „Ich bin gar nicht zum Glauben gekommen.“ Das sei ihm während der Predigt klar geworden. Aber niemand habe ihn jemals darauf angesprochen. Warum? Weil er aus einer frommen Familie in der Gemeinde kam. Man ging einfach davon aus, dass er schon gläubig sei.
Weil er sich so fromm verhielt – er war nie ausgeflippt, sondern immer lieb und nett, ging regelmäßig in die Kinder- und Jugendstunde –, wurde er zunächst Mitarbeiter und später Leiter der Jugendgruppe. Ich sagte zu ihm: „Das ist eigentlich schlecht. Du solltest dich bekehren, dann kannst du es ja jetzt tun.“ Er antwortete: „Ja, aber was denken die anderen über mich? Die denken wahrscheinlich, ich bin doch gläubig. Das kann ich nicht machen.“
Wir sprachen etwa eine Viertelstunde bis zwanzig Minuten darüber. Ich merkte, dass er noch nicht ganz damit fertig war. Ich sagte ihm, er solle darüber nachdenken, nach Hause fahren, und wir könnten uns am nächsten Tag weiter unterhalten.
Er fuhr nach Hause. Wir setzten uns mit den anderen Schülern zusammen, beteten für den Abend und für die Leute, die da gewesen waren. Etwa eine halbe Stunde später kam der Jugendleiter zurück. Mit Tränen in den Augen stand er in der Tür und sagte: „Ich konnte nicht nach Hause fahren. Als ich hier zwei, drei Kilometer weg war, musste ich an den Straßenrand fahren. Gott hat so zu mir gesprochen. Ich musste ihm meine Schuld bekennen. Jetzt weiß ich, ich bin Christ, meine Schuld ist vergeben.“
Das war ein tolles Erlebnis. Und es war auch schön zu sehen, dass es nicht durch Drängen von außen geschah, sondern Gott selbst es bewirkt hat. Gott hat ihm klar gemacht, dass es nicht darauf ankommt, Jugendleiter zu sein oder was die anderen denken, sondern dass er vor Gott klarstehen muss.
Das fand ich sehr herausfordernd. Ich freue mich über den Mut, den dieser Jugendmitarbeiter gezeigt hat. Andererseits hatte ich auch ein ungutes Gefühl, weil ich dachte, vielleicht hätte ihn auch jemand anders in der Gemeinde mal ansprechen können. Immerhin hat er jahrelang gedacht, so sei Christsein eben: Man wächst da hinein, vertritt, was die Eltern vertreten, geht sonntags zum Gottesdienst – und das war’s.
Aber genau das ist es eben nicht. Jesus ist gekommen, um Sünder zu retten. Das hat dieser Jugendmitarbeiter damals begriffen. Er ist toll, macht seine Arbeit weiter und macht sie sehr gut.
Das ist wichtig für jeden von uns: Wir müssen erkennen, ob wir uns darüber freuen und sagen: „Halleluja, Gott hat mir meine Sünden vergeben, ich habe dadurch ewiges Leben bei ihm.“ Oder ob wir uns neue Gedanken machen und ein Leben mit Jesus anfangen, wo wir es bisher noch nicht getan haben.
Jesus Christus ist in die Welt gekommen, um Sünder zu retten. Paulus sagt von sich selbst, er sei der Größte unter ihnen. Das könnte man missverstehen und denken, Paulus sei eingebildet. Aber im Zusammenhang gelesen, meint er, er sei der größte Sünder. Er ist sich bewusst, dass das, was er getan hat, schlimm war. Darüber spricht er kaum, aber genau das meint er.
Jesus ist in die Welt gekommen, um Sünder zu retten. Und selbst für Paulus war Jesus da. Das bringt Paulus zum Lobpreis. Er lobt Gott, weil er merkt, dass Jesus nicht nur für gute Menschen gekommen ist, sondern gerade auch für ihn – einen schlimmen Mörder, Christenverfolger und so weiter. Das hat ihn mit Dankbarkeit und Begeisterung für Jesus erfüllt, und das können wir ein Stück weit nachvollziehen.
Paulus’ Ziel: Zeugnis für Gottes Langmut
Aber darum ist mir Erbarmen widerfahren. Jetzt kommt wieder dieses Wort „Erbarmen“. Ich habe das vorher ausgelegt: Erbarmen bedeutet hier, dass Gott ihm nachgegangen ist. Er hat ihm gezeigt, wie das mit Jesus wirklich aussieht, und er hat ihm Sünden vergeben. Das ist die Erbarmung.
Da aber ist mir Erbarmen widerfahren – warum? Damit an mir zuerst Jesus Christus alle Langmut erzeige, zum Vorbild für die, die künftig an ihn glauben würden zum ewigen Leben.
Also, das, was er hier an dieser Stelle deutlich macht, ist: Die Erlösung ist eigentlich gar nicht in erster Linie für ihn. Sondern er sagt, eigentlich hat mich Jesus gar nicht gerettet, weil ich so wichtig bin. Jesus hat mich nur errettet, damit es ein Zeugnis für die anderen ist, die dazusehen und sehen, dass selbst dieser schlimme Kerl gerettet worden ist. Dadurch werden sie ermutigt.
Warum zum Vorbild für die Langmut? Damit die Leute die Langmut Gottes sehen. Hier merken wir ein Stück dieser Selbstlosigkeit. Denn manchmal könnten wir als Christen noch den Eindruck haben: Na ja, Gott hat mich gerettet, weil ich irgendwie schon ein bisschen wichtig bin. Und überhaupt, dann soll ich ja verloren gehen, also ich brauche doch Erlösung.
Für Paulus ist das natürlich auch ein Teil, aber er erwähnt es nicht einmal. Er sagt vielmehr, Gott hätte mich genauso gut verloren gehen lassen können. Das war nicht, weil Paulus so wichtig war, sondern eigentlich hat er mich nur gerettet, damit alle anderen Menschen sehen, wie großzügig und langmütig Gott ist. Dass er selbst diesen argen Christenverfolger nicht verloren gehen lässt.
Er nutzt das wiederum, um nicht auf sich aufmerksam zu machen. Nicht: „Okay, Gott ist toll, der hat mir jetzt ewiges Leben gegeben.“ Sondern: „Gott ist toll, der hat mich schlimmen Sünder gerettet und dadurch allen gezeigt, wie groß seine Liebe ist.“ Das sagt er hier ganz deutlich: zum Vorbild für alle, die künftig an ihn glauben würden zum ewigen Leben.
Nebenbei wird uns auch noch gesagt: Sie glauben. Glauben heißt hier Vertrauen. Das heißt, auf Jesus vertrauen, dass er Sünde vergibt. Und wofür ist die Sündenvergebung? Zum ewigen Leben.
Das heißt, unser Glaube – und hier haben manche Christen auch ein Missverständnis – unser Glaube ist nicht in erster Linie dafür da, dass unser Leben hier auf der Erde besser geregelt ist. Das ist manchmal ein Nebeneffekt, aber auch nicht immer.
Denn viele Christen haben Probleme, die sie früher nicht hatten. Ist es so? Manche Leute haben einfacher gelebt, als sie ungläubig waren. Sie haben einfach in den Tag hinein gelebt. Manches ging schief, manches ging gut.
Aber jetzt als Christ hast du noch zusätzliche Probleme. Früher hast du vielleicht am Arbeitsplatz einfach Sachen mitgehen lassen. Ja, heute plagt dich ein schlechtes Gewissen. Mühsam, oder? Oder du bist irgendwo im Verkauf und willst gerade dem Kunden versprechen: „Ja, wir liefern in einer Woche.“ Und dann denkst du: „Oh, stimmt ja eigentlich gar nicht, ich kann nicht mehr lügen.“ Ah, Problem wieder.
So gibt es viele Probleme, die du als Christ hast, die du früher nicht hattest. Und wie gesagt, dafür errettet Jesus nicht. Er errettet nicht, damit alles im Leben glattläuft.
Es gibt manche Christen, die werben damit und sagen: „Du bist Christ, alle Christen sind reich und gesund und leben ewig hier auf der Erde.“ Klappt ja auch nie. Selbst bei den Christen nicht, die das vertreten. Die werden auch krank, nicht alle sind reich, und sie sterben auch alle.
Ich habe bisher keinen Christen getroffen, der – egal wie stark er geglaubt hat – hier wirklich viel länger gelebt hat auf der Erde. Der Glaube hat auch nur bis siebzig, achtzig Jahre gereicht.
Dann müssen wir sagen: „Ja, dann lass das ganze Zeug doch, du stirbst, wann Gott es will.“ Und dann merke ich, manche, die das vertreten, sterben trotzdem früh. Dann kommen irgendwelche Verringerungen: „Ja, das war jetzt eine besondere Anfechtung“ und was weiß ich, „da sollten andere versucht werden“. Nein, das ist einfach so. Gott sagt: Schluss, Ende aus. Es kommt nicht darauf an, was wir uns wünschen, sondern was Gott setzt.
Und was ist das große Versprechen, das Jesus seinen Jüngern gibt? Er sagt nicht: „Wenn ihr mir nachfolgt, werdet ihr reich und angesehen.“ Nein, er sagt den Jüngern: „Mich haben sie verfolgt, euch werden sie auch verfolgen.“ Da hätten sie es auch angenehmer gehabt, wären sie keine Christen gewesen.
Petrus hätte sein Fischereigeschäft weiter betrieben, hätte sich um seine Kinder kümmern können, um seine Großmutter und was weiß ich. Es wäre schön, nett und lieb gelaufen. Aber so gab es ständig Ärger, Gefängnis und am Ende des Lebens noch die Ermordung. Nicht so toll.
Da merken wir: Jesus ist nicht gekommen, um uns hier auf der Erde ein wahnsinnig glückliches Leben zu bereiten. Jesus ist gekommen, damit wir hier zum Glauben kommen für das ewige Leben. Das ist der entscheidende Faktor.
Unser Hauptproblem im Leben sind nicht Krankheiten oder Armut. Die können sehr, sehr schwer sein, aber das ist nicht das Hauptproblem. Sondern Gott gibt uns hier eine Perspektive.
Im Blick auf die Ewigkeit ist dieses kurze Leben auf der Erde nicht unser Hauptproblem. Unser Hauptproblem ist die Trennung von Gott. Es ist unsere Sünde, unsere Schuld, die uns von Gott trennt.
Und diese räumt Jesus auf, sodass er nebenher manchmal aus großer Gnade sich auch noch um unsere kleinen Probleme kümmert. Das finde ich ganz toll. Das ist für mich immer wieder vollkommen überraschend.
Und zwar einfach vollkommen überraschend, weil ich mir manchmal denke: Herr, da gibt es so viele Tausend Christen, so viele Millionen Christen. Warum kümmerst du dich gerade um meine Kleinigkeiten, um die ich dich bitte?
Manchmal bitte ich ihn ja um irgendwelche Kleinigkeiten. Gemessen daran, dass es Christen gibt in Afghanistan oder irgendwo in Afrika, in Nigeria, die gerade verfolgt werden, im Gefängnis sind, kurz davor, umgebracht zu werden.
Andere Christen sind kurz vor dem Verhungern. Da würde ich sagen: Ja, okay, das sind wirklich wichtige Anliegen. Aber dann komme ich mit Kleinigkeiten, zum Beispiel: Ich habe irgendwas verloren und bitte Gott darum. Mein Auto ist kaputt, ich bitte Gott darum. Ich habe kein Geld für irgendwelche Sachen, ich bitte Gott darum.
Und dann staune ich immer wieder, wie häufig Gott antwortet und reagiert, weil er es ja gar nicht tun müsste.
Ich könnte Gott auch nie einen Vorwurf machen, wenn er es nicht tut. Denn die Hauptsache, die er mir versprochen hat – und da ist er treu – ist: Wenn wir unsere Sünden bekennen, dann ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit (1. Johannes 1,8).
Das ist das, was er uns versprochen hat. Aber das andere sind Zusatzsätze, die wir nie einklagen können. Sie sind nicht selbstverständlich, aber Gott schenkt sie uns trotzdem dazu.
Das begeistert Paulus hier an dieser Stelle auch.
Lobpreis Gottes für seine ewige Herrschaft
Vers 17: Hier merken wir, wie begeistert Paulus ist. Jesus hat uns das ewige Leben gegeben. Dann folgt als Nächstes die Anbetung des Königs der Ewigkeiten – dem unvergänglichen, unsichtbaren, allein weisen Gott. Ihm sei Ehre und Ruhm von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
In diesem Abschnitt kommt eine Art Anbetung zum Ausdruck. Paulus staunt über die große Gnade Gottes, dass er sich um uns als „Erdenwürmchen“ kümmert, obwohl wir uns oft so wichtig nehmen. Manchmal finde ich das fast unheimlich. Ich versuche, mich in die Situation Gottes hineinzuversetzen – soweit das menschlich überhaupt möglich ist.
Ich stelle mir vor: Gott schafft mit einem Wort das ganze Universum. Zack – mit einem Wort ist es da. Heute können unsere Spitzenwissenschaftler mit Hubble-Teleskop und allem nur einen kleinen Teil des riesigen Universums erfassen, berechnen oder anschauen. Gott aber hat es mit einem Wort erschaffen.
Gott sieht die gesamte Weltgeschichte. In dieser Geschichte gab es viele wichtige Menschen: große Erfinder, größenwahnsinnige Diktatoren und vieles mehr. Um all diese Menschen hat sich Gott gekümmert. Und dann sehen wir hier, dass Gott, dieser große Gott, Mensch wird und für unsere Sünde stirbt.
Gott hätte genauso gut sagen können: „Ach, Erde, weg, probieren wir es neu.“ Das wäre auch möglich gewesen – aus der Perspektive der Bibel. Deshalb zeigt sich hier die Größe Gottes. Ich glaube tatsächlich, diese Größe ist für uns Menschen kaum zu verstehen.
Warum? Weil wir immer diese „Bauchnabel-Perspektive“ haben. Die Moderne unterstützt uns darin noch: Wir sind der Nabel der Welt, alles dreht sich um uns. Wenn es mir gut geht, ist alles gut. Mein Leben ist das Wichtigste.
Aber wenn wir mal über uns hinausschauen, merken wir: Das stimmt gar nicht. Welche Rolle spielen wir in der Welt wirklich? Wenn du heute stirbst, erinnert sich in einem Jahr kaum noch jemand an dich. Realistisch betrachtet: In hundert Jahren weiß niemand mehr, dass du geboren wurdest.
Erinnert ihr euch noch an eure Vorfahren vor hundert Jahren? Manche betreiben genealogische Forschungen. Dann wissen sie, dass irgendwo im Stammbaum ein Egon Müller war, der vor hundert Jahren lebte. Aber was wisst ihr noch über ihn? Vielleicht den Beruf oder den Wohnort – das war’s.
Und trotzdem kümmert sich Gottes Persönlichkeit um uns. Er geht uns nach und vergibt uns. Paulus benennt Gott hier mit mehreren Titeln: „König der Ewigkeit“. Damit wird uns die Größe Gottes noch einmal vor Augen gestellt – Ewigkeit als zeitliche Ausdehnung.
Gott ist unvergänglich, unsichtbar, allein weise. Ihm sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit. Diese Formulierung hat manche zu Spekulationen gebracht. Manche sagten: „Aha, also ist Ewigkeit doch nicht ewig, weil es ja eine Ewigkeit und dann noch eine andere Ewigkeit gibt.“
Nein, das ist einfach nur eine Steigerung. Es ist wie bei Jugendlichen, die schreiben: „Ich liebe, liebe, liebe, liebe dich.“ Eigentlich kann man nur einmal lieben, aber die Wiederholung soll eine Steigerung ausdrücken.
So ähnlich ist es hier bei Paulus. Sein Herz ist voll, wenn er sagt: „Gott ist ewig, ewig, ewig.“ Damit will er sagen: Es gibt keine Grenze für Gottes Ewigkeit. Das heißt nicht, dass man jetzt sagen kann, es gibt eine Ewigkeit, dann noch eine, dann noch eine – und so weiter.
Wir müssen auch fragen: Warum hört er mit „zwei“ Ewigkeiten auf? Was kommt danach? Nein, Paulus will einfach ein Maximum ausdrücken – eine doppelte Steigerung von etwas, das eigentlich schon ewig ist.
Gut, und nun kommen wir noch zu einem weiteren Abschnitt bis zum Ende des Kapitels. Das schaffen wir heute, glaube ich, auch noch.
Auftrag an Timotheus: Den guten Kampf kämpfen
Das sind dann die Verse 18 bis 20 aus Kapitel 1. Dort steht:
„Dieses Gebot vertraue ich dir an, meinem Sohn Timotheus, gemäß den früheren über dich ergangenen Weissagungen. So sollst du durch sie gestärkt den guten Kampf kämpfen. Bewahre dabei den Glauben und ein gutes Gewissen.“
Einige haben dieses Gewissen verworfen und dadurch im Glauben Schiffbruch erlitten. Zu ihnen gehören Hymenäus und Alexander. Ich habe sie dem Satan übergeben, damit sie gezüchtigt werden und nicht mehr lästern.
Bedeutung des anvertrauten Gebots
Also dieses Gebot vertraue ich dir an. Mit „Gebot“ ist an dieser Stelle gemeint – das Wort hat nämlich mehrere Bedeutungen und kann auch „Botschaft“ heißen.
Wir merken, dass vorher ja gar kein Gebot erwähnt wird, wie zum Beispiel „Du sollst dies tun oder nicht tun“. Hier lässt sich der Satz besser übersetzen als „Das tun“. Doch nicht alle Übersetzungen machen das so, einige übersetzen es mit „Gebot“.
Dann wird die Sache plötzlich klar: Das heißt, die Botschaft, dass Jesus gekommen ist, um Sünder zu retten – das ist das Wichtige. Das vertraue ich dir an, das sollst du predigen. Das ist damit gemeint.
„Anvertrauen“ oder manche sagen auch „Anbefehl“, ist ein Wort, das normalerweise benutzt wird, um jemandem etwas besonders Kostbares in Verwahrung zu geben. Und zwar jemandem, der vertrauenswürdig ist.
Anvertrauen heißt also: Ich sage dir das mal so, das ist mir ganz, ganz besonders wertvoll und wichtig. So wie jemand, der am Ende des Lebens das Herz ausschüttet über das, was wirklich den Inhalt seines Lebens ausmacht. So ähnlich ist das hier: „Dieses Gebot vertraue ich dir an.“
Deshalb kommt nachher auch nochmals die Formulierung „mein Sohn“. Das zeigt diese innige Verbindung, die Paulus zu Timotheus empfindet. Er ist ja nicht wirklich sein leiblicher Sohn, sondern er ist einfach ganz nach dem Herzen so, wie Paulus sich einen Mitarbeiter wünscht.
Denn Paulus merkt, dass Timotheus selbstlos ist, seinem Dienst nachgeht und nicht groß von sich denkt. Manchmal muss Paulus ihn sogar noch ermutigen, wie hier: „Damit du gestärkt bist, und jetzt mach es auch!“ Später lesen wir: „Niemand verachte dich deiner Jugend wegen.“
Hier wird Timotheus noch einmal daran erinnert: Siehst du, du machst es nicht aus eigener Kraft, sondern weil du von Gott berufen bist.
Timotheus war also ein bescheidener Mann, aber einer, der einen klaren Blick hatte, treu war und über Jahrzehnte mit Paulus umhergezogen ist. Deshalb hatte Paulus ihn als würdig angesehen, diese Botschaft zu empfangen und weiterzugeben.
Prophetische Weissagungen als Stärkung
Und dann wird hier als Nächstes gesagt: Mein Sohn Timotheus, ich vertraue dir das an, gemäß den früher über dich ergangenen Weissagungen.
Scheinbar gab es prophetische Aussagen über Timotheus, die seinen Dienst und seine Aufgabe betrafen. Mit diesen Weissagungen war eine Ausrüstung mit einer besonderen Gabe verbunden. Wir lesen das nämlich im Kapitel 4 im selben Buch, Vers 14: „Vernachlässige nicht die Gnadengabe, die in dir ist, die dir verliehen worden ist durch Weissagung unter Handauflegung der Ältestenschaft.“ Dasselbe steht auch noch einmal im 2. Timotheus 1,6.
Paulus ermahnt oder erinnert Timotheus also dreimal daran: Denke daran, deinen Dienst hast du dir nicht selbst ausgesucht. Es gab prophetische Äußerungen über dich. Wenn das der Fall ist, kann das ermutigend sein. Manchmal kann man solche Weissagungen vergessen, auch wenn sie über längere Zeit hinweg gegeben wurden. Aber hier wird Timotheus daran erinnert: Erinnere dich daran! Als wir dich ausgesandt haben, gab es Menschen, die prophetische Mitteilungen erhalten hatten, dass du ausgesandt werden sollst.
Das gibt eine Sicherheit. Manchmal könnten wir uns das heute auch wünschen. Doch von den vielen Mitarbeitern des Paulus erwähnt er das von keinem anderen. Offenbar gibt es nicht für jeden, der in die Mission geht oder in den Gemeindedienst, einen Propheten, der ihm das sagt.
Manchmal gibt es umherziehende Propheten, aber die prophezeien meistens auf eigene Verantwortung, also ohne Garantie. Wenn es klappt, ist es gut, wenn nicht, eben nicht. Solche freischaffenden, selbständigen Propheten dürfen gerne weiter prophezeien, aber man sollte ihnen nicht zu viel vertrauen.
Ich kann euch mein Buch empfehlen, das sich auch mit echter und falscher Prophetie beschäftigt. Lest da mal nach! Es gibt echte Prophetie, hier ist eine erwähnt. Aber heute überwiegt bei weitem die falsche Prophetie. Das haben mir selbst Leute gesagt, die regelmäßig im prophetischen Dienst sind.
Ich habe dann einen gefragt: Wie ist das mit eurer falschen Prophetie? Auf ihrer Internetseite gab es viele prophetische Äußerungen. Er sagte: Diejenigen, die sich erfüllen, lassen wir drauf, die, die sich nicht erfüllen, streichen wir einfach von der Internetseite. So einfach geht das.
Mit der Zeit haben sie mehr gestrichen, als draufgeblieben ist. Für jemanden, der diese Vorgehensweise nicht kennt, sieht es so aus, als gäbe es zehn erfüllte Prophetien. Die hundert, die sich nicht erfüllt haben, sieht man nicht.
Dann merkt man: So ist das doch keine Vorgehensweise. Wie steht das in der Bibel? Ein falscher Prophet, falsche Prophetie – Folge: Steinigung. Heute steinigen wir natürlich nicht mehr, aber man müsste zumindest die Internetseite schließen. Das wäre eine gute Variante.
Man sollte erst mal schweigen, bevor man sich wieder prophetisch zu Wort meldet. Hier ist das ganz anders. Hier sehen wir eindeutig von Gott legitimierte und bewährte Prophetie. Das hat sich erfüllt, was da gesagt wurde.
Es gibt prophetische Äußerungen, auf die er sich beruft. Er will an die Berufung durch prophetische Worte erinnern. Du sollst dich erinnern an die prophetische Weissagung, mit der du berufen wurdest. So wirst du durch sie gestärkt den guten Kampf kämpfen.
Erinnere dich daran: Du kämpfst nicht nur aus eigener Kraft. Das kann gerade für Menschen im christlichen Dienst problematisch sein. Du bist in einer Gemeinde, die Gemeinde ist lieb und nett, aber letztlich musst du deinen Dienst alleine kämpfen.
Das können kleinere Kämpfe sein, zum Beispiel in der Kinderstunde, wenn die Kinder nicht richtig zuhören. Das ist auch ein Kampf. Manchmal gibt es aber auch stärkere Kämpfe, wenn du für eine Wahrheit in der Gemeinde kämpfst.
Ich war neulich in einer Gemeinde. Eine Frau erzählte mir, dass zwei Personen zusammenlebten, ohne verheiratet zu sein. Die Frau, die nicht verheiratet war, hatte sogar einen Gemeindedienst. Ihr lag das auf der Seele, und sie sagte: „Das geht so nicht.“
Sie ging auf die andere zu und sprach mit ihr. Die andere war nicht böse, sondern sagte: „Das wusste ich gar nicht, dass man heiraten muss.“ Später ging sie auch zum Prediger. Der sagte: „Ich wusste gar nicht, dass die zusammenleben, einfach so.“
Offenbar wusste niemand etwas davon. Aber diese Frau hatte es auf dem Herzen. Sie sagte, es fiel ihr schwer, hinzugehen. Warum? Weil es unangenehm ist, als Besserwisser aufzutreten und in das persönliche Leben der Leute zu reden.
Das mag niemand so richtig. Aber es heißt auch: Kämpfe den guten Kampf des Glaubens. Natürlich mit Sensibilität, nicht einfach so. Wir wollen niemanden fertig machen, sondern helfen. Darauf kommt es an.
Dennoch gibt es solche Situationen, in denen wir den guten Kampf kämpfen müssen. Dazu brauchen wir Stärkung. Oder am Arbeitsplatz: Ich weiß nicht, ob du einen Arbeitsplatz hast, an dem dir alle zujubeln, weil du Christ bist. Für viele ist es aber ein Kampf.
Manche ziehen den Kopf ein und sagen: „Ach, bloß dass nicht viele wissen, dass ich Christ bin. Ich mache einfach meine Arbeit, das war’s.“ Auch in der Nachbarschaft oder Familie, wenn du wirklich für Jesus einstehst, ist das ein Kampf.
In diesem Kampf werden wir lebenslang stehen, immer wieder. Wir brauchen Ermutigung, sonst können wir schlaff oder entmutigt werden. Das will Paulus hier tun: Immer sagen, denk daran, Gott hat dich dahingestellt, Gott hat dich berufen. Vergiss das nicht!
Das gibt Kraft. Du tust das nicht aus eigener Kraft, sondern Gott, der das gute Werk in dir angefangen hat, wird es auch vollenden bis zum Tag Christi. Das könnte Paulus hiermit sagen, wie er es an anderer Stelle deutlich formuliert.
Der gute Kampf des Glaubens
Den guten Kampf kämpfen. Dieser Kampf ist zunächst der private Kampf mit deiner Sünde, wie es im Jakobusbrief beschrieben wird – die Sünde in uns, die uns verlockt, etwas Falsches zu tun oder zu denken. Dagegen müssen wir kämpfen. Im Epheserbrief wird uns dazu die geistliche Waffenrüstung angeboten: der Helm des Heils, das Schild des Glaubens und so weiter. Diese geistlichen Mittel helfen uns, in persönlicher Anfechtung bei Jesus zu bleiben und nicht von ihm wegzukommen.
Aber es gibt auch den Kampf von außen, mit anderen Menschen, die uns um des Glaubens willen angreifen. Das ist nicht schockierend, ihr habt das wahrscheinlich auch gelesen: Zehn Christen wurden in Afghanistan umgebracht. Vielleicht habt ihr davon gehört, einige nicken, andere wissen es noch nicht. Vor nicht einmal einer Woche oder vor ein paar Tagen wurden in Afghanistan zehn Christen von evangelikal-christlichen Organisationen getötet – einfach so, vollkommen sinnlos. Sie hatten niemandem etwas Böses getan.
Mich erinnert das auch immer noch an unsere beiden Schülerinnen, die vor etwas mehr als einem Jahr umgebracht wurden. Sie haben niemandem etwas getan. Ich finde es nach wie vor schockierend und werde es wahrscheinlich nie vergessen, denn ich habe drei Jahre hier mit ihnen zusammengelebt. Ich habe erlebt, wie Gott ihr Leben verändert hat, wie motiviert sie waren und wie sie sich eingesetzt haben. Dann wurden sie von einem Tag auf den anderen sinnlos umgebracht. Da merken wir, dass in der Welt ein Kampf herrscht.
Manche Christen lehnen sich zurück und sagen: „Was, bei uns in Stuttgart ist es doch so lieb und heilig, fast alle sind Christen.“ Wahrscheinlich, wenn man in Stuttgart wohnt, hat man diesen Eindruck. Aber auch in Stuttgart sind die meisten Menschen ungläubig, obwohl es eine fromme Ecke ist. Manchmal, wenn man nur in der Gemeinde oder im persönlichen Kreis unterwegs ist, kann man diesen Eindruck gewinnen. Wenn man aber zum Beispiel im atheistischen Osten lebt, etwa in Berlin, dann hat man die Atheisten überall um sich herum. Da hat man manchmal das Gefühl, man sei der Einzige, der übrig geblieben ist.
In diesem Kampf braucht es Treue – den Kampf mit der eigenen Sünde und den Kampf mit Angriffen von außen. Leider kommen diese Angriffe nicht nur von bösen Ungläubigen, sondern manchmal sogar von Gläubigen. Das macht diese Kämpfe besonders schwer. Ich weiß nicht, ob ihr das auch schon erlebt habt, wenn andere Christen euch regelrecht fertig machen und das Leben schwer machen. Das trifft umso mehr, weil es Geschwister sind, von denen man eigentlich Unterstützung und Hilfe erwartet.
Ich habe einige Dinge erlebt, über die ich jetzt nicht im Detail sprechen will. Aber ich bekomme regelmäßig Briefe von überzeugten Christen mit massiven Angriffen und Vorwürfen. Wenn ich dann frustrierte Stunden habe, denke ich manchmal: „Ach Michael, du kannst es dir viel leichter machen. Lass das sein. Dann können die Leute sich ärgern, über wen sie wollen. Du arbeitest einfach in irgendeinem Job, hast Spaß in der Gemeinde und lässt den ganzen Ärger hinter dir.“
Ein Beispiel: Im Frühjahr habe ich einen Artikel über eine zwielichtige Finanzanlage geschrieben. Innerhalb von eineinhalb Jahren wurden in christlichen Gemeinden über zwanzig Millionen Euro eingesammelt – nur in christlichen Gemeinden. Ich habe das bemerkt, mich reingekniet und erkannt, dass das nicht mit rechten Dingen zugeht. Es ist nicht in Ordnung. Ich schrieb einen Artikel darüber. Am nächsten Tag rief mich der Chef dieser Vertriebsorganisation an und sagte, er müsse unbedingt mit mir sprechen. Warum ich ihn angreife, und so weiter.
Auch einige Pastoren riefen mich an, die zwischenzeitlich als Vertriebsleute gewonnen wurden, um noch mehr Leute zu werben. Sie sagten: „Michael, wie kannst du das? Wir sind doch gewohnt, dass du ausgewogen bist. Hier hast du es gar nicht verstanden. Das ist doch nur für das Reich Gottes, und alles, was wir gewinnen, wird doch wieder für das Reich Gottes investiert.“ Also richtig fromm geredet.
Ich bin dann nach Bonn gefahren, auch auf eigene Kosten, und habe mit den Leuten gesprochen. Sie versuchten, mich fertigzumachen und unter Druck zu setzen. Da dachte ich manchmal: „Hey Michael, das kannst du dir doch sparen.“ Aber auf der anderen Seite spürte ich die Verantwortung vor den Christen, die da hereingelegt werden, deren Vertrauen missbraucht wird. Ich musste etwas sagen.
Letzte Woche bekam ich die Nachricht, dass die Firma nun nicht mehr ihren Verpflichtungen nachkommen kann. Ein halbes Jahr später. Wahrscheinlich bekommen all die Christen, die investiert haben, nichts mehr oder nur noch minimal etwas zurück. Ist das nicht schlimm? Diese Vertriebsorganisation wandte sich in erster Linie an evangelikale Christen und argumentierte mit vielen Bibelversen. Sie traten wie Prediger auf: „Das ist alles nur für die Sache Gottes. Die Finanzierung der Gemeinden wird auf vollkommen neue Füße gestellt.“
Bibelschüler kamen zu mir, die geworben wurden. Ihnen wurde gesagt, sie müssten nur zehntausend Euro investieren, und dann würde die gesamte Bibelschulausbildung bezahlt. Ein anderer ehemaliger Schüler schrieb mir eine E-Mail. Er sagte: „Wir wollen so gerne die Mission unterstützen, aber wir haben kein Geld. Jetzt wurde uns angeboten, 20 Euro zu investieren, und bis zum Ende meines Lebens bekomme ich 3 Euro zurück und kann jeden Monat in die Mission gehen.“ Das klingt wie wunderbare Geldvermehrung. Aber jedem sollte klar sein, dass das nicht mit rechten Dingen zugeht.
Der Mann, der mir das erzählte, sagte auch: „Wenn das von einem Ungläubigen käme, würde ich keinen Gedanken daran verschwenden. Aber der ist doch gläubig, der muss es ehrlich meinen.“ Ich sagte ihm: „Lass die Finger davon, mach das nicht.“ Aber es wirkt verführerisch. Einige Christen sagten, sie hätten bereits Renditen ausgezahlt bekommen.
Ob ihr es glaubt oder nicht: Den Christen wurde eine Rendite von sage und schreibe 260 Prozent pro Jahr versprochen. Es gibt über 800 Anleger in christlichen Gemeinden, die ihr Geld investiert haben – über 20 Millionen Euro. Und die sind wahrscheinlich alle weg. Was wurde dann gesagt? „Gut, ganz großzügig, weil wir 260 Prozent Gewinn machen, investieren wir die Hälfte davon, also 130 Prozent, wieder in das Reich Gottes.“ Das sollte in eine Stiftung fließen, deren Chef – man wundere sich nicht – der Chef der Organisation ist, die das Geld eingesammelt hat.
Dieser Mann ist ein gläubiger Christ, der gleichzeitig erster Vorsitzender und Leiter einer deutschen Missionsgesellschaft ist. Deshalb genießt er viel Glaubwürdigkeit. Da müssen wir sagen: Ist das nicht schlimm – um der Christen willen und auch wegen der Verlästerung des Reiches Gottes, die durch solche Dinge entsteht? Das ist ja vollkommen klar. Es ist schlimm, zum Weinen schlimm, so etwas mitzuerleben und zu sehen, wie gutgläubige Menschen verführt werden – und zwar nur, wie mir mehrere gesagt haben, weil der Mann gläubig ist. Deshalb vertrauen sie ihm, sonst nicht.
Das ist schlimm. Bei solchen Dingen könnte es mir manchmal so gehen wie scheinbar hier dem Timotheus, wo ich dann denke: „Warum machst du das noch? Warum nimmst du dir den Ärger und den Kampf auf dich? Ich habe doch schon genügend zu tun.“ So ähnlich kann es euch auch manchmal gehen. An anderen Stellen kämpft ihr, setzt euch ein, und dann bleibt die Motivation, dran zu bleiben.
Denn an der Stelle, an der du bist, das ist nicht nur das, was du dir ausgesucht hast. Das ist auch deine Berufung – selbst wenn du keine Prophetie dafür bekommen hast. Dieser Kampf ist lebenslang.
Wie kämpft man also den guten Kampf des Glaubens?
Wie kämpft man in dem guten Kampf des Glaubens?
Indem du den Glauben und ein gutes Gewissen bewahrst. Glauben bedeutet Vertrauen auf Gott. Das heißt: Wenn du im Kampf bist, wirf das Vertrauen auf Gott nicht weg.
Das griechische Wort „pistoio“ wird manchmal mit „Glauben“ übersetzt. Besser ist es jedoch, es als „Vertrauen“ zu verstehen. Dieses Vertrauen wirfst du nicht weg, auch wenn im Leben vieles drunter und drüber geht. Du kannst das Vertrauen in Menschen verlieren und enttäuscht werden, es kann vieles schiefgehen. Doch das Vertrauen auf Gott sollst du nicht verlieren.
Zweitens: Bewahre dein gutes Gewissen. Was bedeutet das? Wenn wir unser Leben immer wieder danach ausrichten, was Gott uns durch den Heiligen Geist zeigt, behalten wir ein gutes Gewissen. Überschreiten wir diese Maßstäbe immer wieder, entsteht ein schlechtes Gewissen. Das ist verständlich, denn der Heilige Geist zeigt uns immer wieder, wenn etwas falsch ist.
Wenn du aber Sünde in deinem Leben lässt, wird der Teufel das irgendwann ausnutzen, besonders in einer Kampfsituation. Er will dich dann vollkommen aus dem Glauben herausreißen und fertigmachen. Deshalb bewahre dir ein gutes Gewissen und bleibe in der Nähe Jesu. Höre auf den Heiligen Geist, wenn er dir deutlich macht, dass in deinem Leben etwas nicht stimmt.
So hast du ein gutes Gewissen und kannst beim Vertrauen auf Gott bleiben. Du brauchst nicht aus eigener Kraft zu kämpfen, denn irgendwann wirst du merken: Ich schaffe es nicht allein. Behalte das Vertrauen auf Gott, der in jeder Situation den Überblick behält. Bewahre für dich ein gutes Gewissen, indem du dich nach dem ausrichtest, was Gott dir durch den Heiligen Geist zeigt.
Das sind die Voraussetzungen, damit du bestehen kannst. Einige haben diese beiden Dinge verworfen und im Glauben Schiffbruch erlitten. Hier wird gesagt, dass sie das Vertrauen auf Gott und das gute Gewissen vernachlässigt haben. Das kann dazu führen, dass du im Glauben Schiffbruch erleidest.
Ich möchte jetzt nicht lange darüber diskutieren, ob das Heil verliehbar ist oder nicht. Was an dieser Stelle deutlich wird, ist die Mahnung: Es kann mit dem Glauben ganz schlimm enden, auch für jeden von uns, wenn wir nicht treu bei Jesus bleiben. Niemand ist hundertprozentig sicher. Das ist auch etwas Erschreckendes, das mich manchmal fast zur Verzweiflung bringt.
Ich höre von ehemaligen Bibelschülern, die heute vom Glauben nichts mehr wissen wollen. Das gibt es leider. Manche kenne ich sogar persönlich. Einige habe ich drei Jahre unterrichtet. Diese Menschen standen im Glauben, wir haben Seite an Seite Evangelisation betrieben und zusammen gebetet. Heute wollen sie vom Glauben nichts mehr wissen.
Diese Wahrheit steht hier klar: Es gibt Menschen, die haben gut angefangen, aber im Glauben Schiffbruch erlitten. Das ist nicht Gottes Schuld, sondern es zeigt das Versagen dieser Menschen. Es ist kein Versagen, weil sie heilig gewesen wären, sondern ein Versagen darin, das Vertrauen auf Gott nicht zu bewahren und das reine Gewissen nicht zu erhalten.
Wenn der Teufel uns angreift und wir keine Widerstandskraft mehr haben, dann ist das Ergebnis, dass wir fallen. Das will uns dieser Text hier deutlich machen.
Hymenäus und Alexander als Beispiele von Glaubensschiffbruch
An dieser Stelle werden insbesondere Hymenäus und Alexander erwähnt. Vielleicht habt ihr euch auch schon einmal gefragt: Wer sind diese Personen eigentlich?
Hymenäus wird noch einmal erwähnt. Ihr könnt mit mir nachschlagen in 2. Timotheus 2,17. Dort lesen wir: „Die unheiligen, nichtigen Schwätzereien aber meide, denn sie fördern nur noch mehr die Gottlosigkeit, und ihr Wort frisst um sich wie ein Krebsgeschwür.“ Zu diesen gehören Hymenäus und Philethos.
Hier gab es also einen weiteren Irrlehrer. Es wird erwähnt, dass sie Ärger in der Gemeinde in Ephesus gemacht haben. Hymenäus gehörte dazu, ebenso wie Philethos.
Alexander wird im 2. Timotheus 4,14 und folgende erwähnt. Dort steht: „Alexander, der Schmied, hat mir viel Böses erwiesen. Der Herr vergelte ihm nach seinen Werken! Von ihm hüte auch du dich, denn er hat unseren Worten sehr widerstanden.“
Dann geht es noch ein wenig weiter mit der Beschreibung.
Zusammenfassend werden also einmal Alexander und einmal Hymenäus genannt. Beide werden später im 2. Timotheusbrief erwähnt. Das waren Leute, die dauerhaft in der Gemeinde Probleme gemacht haben. Äußerlich erschienen sie zwar fromm, doch sie erlitten im Glauben Schiffbruch, wie Paulus es beschreibt.
Bedeutung des Ausdrucks „dem Satan übergeben“
Hier wird noch etwas Seltsames erwähnt: „Die habe ich dem Satan übergeben.“
Darum gibt es viele Interpretationen. Im Grunde bewegen sich diese Interpretationen um zwei Pole. Der eine Pol besagt, dass sie ganz und gar dem Teufel übergeben wurden. Das würde bedeuten, dass sie am Ende verloren gehen. Der andere Pol sagt, dass sie nur teilweise, in einem gewissen Maß, den Angriffen des Teufels ausgeliefert wurden.
Dass es hier etwas gab, bei dem sie dem Teufel ausgeliefert sind, ist relativ klar, denn es wird so gesagt. Allerdings wissen wir nicht genau, wie Paulus das gemacht hat. Es handelt sich um irgendeine Form von Gemeindezucht, die er hier als nötig erachtet hat.
Ob es nun so weit geht, dass sie ihr ewiges Leben verloren haben, oder ob es nur bedeutet, dass sie für eine gewisse Zeit oder in einem bestimmten Lebensbereich den Angriffen Satans ausgesetzt waren, um dann zurückzukehren, das ist eine Bandbreite, bei der wir nicht hundertprozentig sagen können, was genau gemeint ist.
Eine Möglichkeit ist, dass sie dem Einfluss des Satans ausgesetzt wurden, ähnlich wie Judas oder wie Saul, dem Gott einen bösen Geist als Strafe oder Zurechtweisung schickt. Man könnte es auch so interpretieren: Den Jüngern wird gesagt, dass das, was sie im Namen Jesu binden oder lösen, auch auf Erden gebunden oder gelöst sein wird.
Es könnte sein, dass diese Apostel Jesu eine besondere Vollmacht von ihm bekommen haben, mit der sie tatsächlich vom Heil ausschließen konnten. So scheinen die Worte Jesu zumindest verstanden zu werden.
Eine andere Möglichkeit ist, dass es sich schlicht um einen Gemeindeausschluss handelte. Der Schutzraum des Christen ist dann weg, also der Ort, an dem er vor den Angriffen Satans geschützt wird.
Wir merken das ja auch, wenn wir in der Gemeinde Gemeinschaft mit Christen haben. Dann können wir unser Christsein leichter führen und bekommen Unterstützung von anderen. Wenn wir ganz alleine sind, ist das schwieriger.
Dass dieser Schutzraum weg ist, weil sie nicht mehr zur Gemeinde kommen dürfen, könnte bedeuten, dass sie dem Satan übergeben sind – also den Angriffen der Ungläubigen und des Satans ausgeliefert sind.
„Dem Satan übergeben“ könnte auch bedeuten, dass sie Krankheit ausgesetzt sind. So lesen wir es bei denen, die das Abendmahl falsch genommen haben. Hier scheint dem Satan Freiraum gegeben zu sein, um anzugreifen, auch im Krankheitsbereich, um die Menschen zur Umkehr zu führen. Das ist ja das Ziel.
Das könnte ebenfalls ein Weg sein. Wir wissen es nicht ganz genau.
Wichtig ist auch, dass an dieser Stelle keine Aufforderung steht, dass Timotheus dasselbe tun soll oder dass wir es tun sollen. In der Bibel gibt es nirgends eine Aufforderung, jemanden dem Satan zu übergeben.
Das bedeutet, dass wir am Ende mitnehmen müssen: Was Paulus hier gemacht hat, war scheinbar eine einmalige oder höchstens zweimalige Handlung. Im zweiten Timotheusbrief gibt es noch etwas Ähnliches, aber nirgends wird erwähnt, dass wir das auch vollziehen sollen.
Man kann darüber grübeln, es wäre spannend, das genauer herauszufinden, aber es hat nicht die große Relevanz für uns.
Die große Relevanz liegt höchstens darin, dass wir das auf andere Stellen übertragen können, die von Gemeindezucht sprechen. Gemeindezucht ist auch bei uns in Gemeinden nötig.
Nicht damit wir am Ende eine Gemeinde der Reinen und Seligen haben – das wird sowieso nie klappen –, sondern damit Menschen auf den richtigen Weg geführt werden.
Gemeindezucht hat nicht das Ziel, andere auszuschließen und dann glücklich zu sein. Gar nicht! Gemeindezucht ist erst dann erfolgreich, wenn der andere eingesehen hat und zurückgewonnen wird, also wieder in die Gemeinde zurückkehrt.
Zu sagen: „Du gehst!“ ist höchstens ein Viertel der Gemeindezucht. Der Rest ist dann, den Leuten nachzulaufen und sie zur Umkehr und Einsicht zu bringen, damit sie wieder zurückkommen.
Das ist das eigentliche Ziel von Gemeindezucht.
Manchmal ist sie nötig, weil Gleichgültigkeit gegenüber anderen, also „Ach, jeder soll doch machen, was er will“, was heute weit verbreitet ist, letztlich nur dazu führt, dass die Leute in ihren Sünden bleiben, weil niemand sie mehr darauf aufmerksam macht.
Ist es gut, in Sünde zu bleiben? Natürlich nicht.
Natürlich tut es weh, etwas zu verändern, aber es ist nötig, darauf aufmerksam zu machen.
Deshalb wird auch gesagt: „Zu ihnen, zu Alexander und so weiter, habe ich dem Satan übergeben.“ Mit welchem Ziel? Damit sie gezüchtigt werden und nicht mehr lästern.
Das Ziel ist, dass diese Lästerungen gegen Gott und gegen die Gemeinde durch ihre falsche Lehre aufhören und dass sie dann wieder zurückkommen.
Gott gibt die Leute nicht leicht auf, und genauso sollten wir es auch nicht tun.
Bei Gemeindezucht gibt es wieder zwei Gefahrenpole, so wie bei vielen Dingen.
Der eine Pol ist Gleichgültigkeit: Keiner kümmert sich darum. Vielleicht gibt es Gemeinden, in denen es gar keine Gemeindezucht gibt – was eigentlich kein richtiges Wort ist –, sondern jeder macht, was er will, und jeder ist selbst vor Gott verantwortlich.
Aber so ist es nicht ganz.
Wenn du deinen Bruder sündigen siehst, was sollst du tun? Die Antwort lautet: Du hast Verantwortung.
Du sollst hingehen und ihn aufmerksam machen. Wenn er nicht hört, sollst du einen anderen Bruder mitnehmen und es nochmal versuchen.
Wenn er dann noch nicht hört, sollst du ihn vor die Gemeindeleitung bringen.
Wenn er dann immer noch nicht hört, muss die Gemeindeleitung weiter Seelsorge üben und ihn zurückführen.
Das ist eine eindeutige Aufforderung Jesu.
Ich muss zugeben, manchmal ist es viel angenehmer, einfach die Augen und Ohren zuzumachen, dann hat man weniger Ärger.
Denn ich muss auch zugeben, die meisten Leute reagieren nicht freudig, wenn du auf sie zugehst und sie auf ihr Fehlverhalten ansprichst.
Sie sagen dann: „Was fällt dir eigentlich ein? Du bist doch auch ein Sünder!“
Trotzdem musst du es aus der richtigen Motivation tun.
Dann solltest du dir möglichst erst ein paar Tage überlegen, wie du dem anderen das sagen kannst, damit er versteht, worum es geht, ohne dass er sich angegriffen fühlt.
Bestimme einen passenden Ort, zum Beispiel eine schöne Umgebung, wo niemand zuhört, damit er sich nicht bloßgestellt fühlt und denkt, andere hören mit.
Versuche es vielleicht durch eine Geschichte.
Ein Meister in dieser Zurechtweisung war Nathan. Ihr kennt ja die schöne Geschichte von David, dem Ehebrecher und schweren Sünder.
Nathan erzählt eine Geschichte, lädt David zum Kaffeetrinken ein und berichtet von einer Person, die etwas Schlimmes getan hat.
Am Ende kommt er zum Punkt: „Du bist der Mann!“
Das war wirklich klug von Nathan.
Aber das braucht Nachdenken und Ringen – nicht einfach herausplatzen.
Du solltest auch darauf achten, ob es wirklich um Sünde geht oder ob es nur darum geht, dass jemand anders ist als du.
Zum Beispiel, wenn jemand nicht dieselbe Musik hört oder nicht denselben Bibellesezettel liest, heißt das nicht automatisch, dass er ein Irrlehrer ist.
Du musst also immer prüfen, ob es wirklich Sünde ist oder nur eine persönliche Abweichung.
Es gibt Leute, die machen gar keine Gemeindezucht.
Aber es gibt auch andere, die mit Ausschluss alle plattmachen und häufig den Gemeindeausschluss benutzen, um ihre Machtposition zu festigen.
Das gibt es leider auch.
Es gibt fromme Machtmenschen, kleine Diktatoren in der Gemeinde.
Wenn du ihnen nicht passt, suchen sie so lange nach einem geistlichen Grund, um dich rauszuwerfen.
Meistens spielt der geistliche Grund keine große Rolle.
Aber du kannst ja schlecht sagen: „Deine Nase passt mir nicht“, das wäre ungeistlich.
Also suchen sie so lange, bis sie irgendwo etwas finden, zum Beispiel eine Bibelstelle falsch interpretiert, und rufen dann: „Irrlehrer, raus!“
Oder wenn jemand mal zu schnell gefahren ist, heißt es: „Irrlehrer, Sünder, raus!“
Ich übertreibe jetzt ein bisschen, aber solche Fälle gibt es leider auch.
Ich habe das nicht aus eigener Erfahrung, aber von Leuten gehört, mit denen ich in der Seelsorge war.
Sie haben sehr darunter gelitten, weil dann Dinge geistlich verkauft wurden und Druck aufgebaut wurde, um Leute wegen Sachen rauszuschmeißen, die eigentlich biblisch gar nicht nötig waren.
Das ist ein falscher Umgang mit Gemeindezucht.
Gemeindezucht ist nötig, aber ihr Ziel ist, dass die Sünde aufhört und derjenige für Jesus zurückgewonnen wird.
Nicht, um eigene Machtpositionen zu festigen.
Wir sollten aber auch nicht darauf verzichten, weil wir Konflikte scheuen.
Das sage ich als jemand, der Konflikte eigentlich nicht mag.
Ich habe es viel lieber, wenn alles harmonisch und friedlich abläuft.
Deshalb frage ich mich oft, warum Gott mich in manche Auseinandersetzungen hineinführt.
Mit mir hättet ihr wahrscheinlich wenig Ärger im persönlichen Bereich.
Aber manchmal ist es nötig, und dann sollte man darum ringen.
An dieser Stelle machen wir Schluss für heute.
Denkt daran: Gleich ist noch Chor.
Jetzt könnt ihr aus euch herauskommen, jubeln und singen.
Bevor ich euch gehen lasse, möchte ich noch ein kurzes, spätes Gebet sprechen:
Herr Jesus, vielen Dank für den Bibeltext und dafür, dass du uns Paulus als Vorbild zeigst – in seiner Selbstlosigkeit, in seiner Ausrichtung ganz auf dich.
Er hat sich nichts auf seine Taten eingebildet, lobt sich nicht über das Böse, das er früher getan hat, sondern schaut ganz auf dich.
Er sieht nicht einmal darauf, dass ihm Sünde vergeben wurde, sondern nur dein Handeln darin für andere Menschen.
Wir bitten dich, dass du auch in uns wirkst, dass wir ein wenig von Paulus’ Perspektive bekommen.
Dass wir neu jubeln lernen durch das, was du tust.
Dass du uns ewiges Leben gegeben hast, auch wenn du nicht alle Lebensprobleme löst.
Dass du uns Sündenvergebung gegeben hast.
Hilf uns, das auch anderen weiterzugeben.
Hilf uns auch, mit dem Instrument Gemeindezucht richtig umzugehen.
Dass wir auf die Menschen zugehen, wenn es wirklich nötig ist, aber auch den Mund halten, wenn es nur um unsere persönlichen Interessen geht.
Hilf uns dabei. Amen.