Historischer Hintergrund der babylonischen Gefangenschaft
Wir müssen uns die Situation vor Augen halten, um dieses Kapitel richtig einordnen zu können. Wir befinden uns hier in der Zeit der babylonischen Gefangenschaft. Diese Zeit stellt einen der tiefsten Einschnitte in der Geschichte des jüdischen Volkes dar.
Die Situation war folgende: Um 605 v. Chr. kam Nebukadnezar mit seiner Armee zum ersten Mal nach Jerusalem und belagerte die Stadt. Eine Elite wurde gefangen genommen, darunter auch Daniel, der aus adligem Geschlecht stammte, sowie seine drei Freunde. Diese Elite führte Nebukadnezar nach Babylon weg.
Das judäische Reich hatte jedoch weiterhin eine gewisse Autonomie unter der babylonischen Oberaufsicht. Es kam aber zu einer zweiten Belagerung im Jahr 597 v. Chr. Dabei wurden viele Menschen aus Jerusalem weggeführt, darunter auch zahlreiche Handwerker, also Spezialisten ihres Fachs. Dadurch sollte ein späterer Aufstand beziehungsweise eine spätere Kriegsführung geschwächt werden. Die Techniker wurden gewissermaßen deportiert.
Bei dieser Wegführung war auch Hesekiel dabei. Er war zwar kein Handwerker, sondern stammte aus priesterlichem Geschlecht und sollte einmal Priester im salomonischen Tempel werden. Auch er wurde weggeführt. Fünf Jahre nach seiner Wegführung, also um 592 v. Chr., wurde Hesekiel zum Propheten berufen. Er sollte seine Botschaft speziell an die bereits Weggeführten in Babylon, im heutigen Irak, richten.
Diese Menschen hatten jedoch ständig die Augen auf ihre Volksgenossen im Heimatland gerichtet. Die große Frage war: Was geschieht? Kommt es zum Untergang des Judenstaates, oder wird alles wieder gut? Können wir bald zurückkehren? Diese Fragen beantwortete Hesekiel als Prophet.
Im Jahr 586 v. Chr. ereignete sich der Höhepunkt der Katastrophe, die größte Krise. Die Babylonier belagerten Jerusalem erneut und zerstörten die Stadt vollständig. Die Mauern wurden geschleift, der salomonische Tempel ging in Flammen auf, und der Rest der Bevölkerung wurde deportiert. Damit endete das eigentliche Königtum des Judenstaates.
Wir befinden uns hier also noch unmittelbar in den Jahren vor dieser Katastrophe.
Die Blindheit und Unwilligkeit Israels gegenüber Gottes Wort
In den Versen 1 und 2 wird uns erneut gesagt, dass das Volk Israel, das jüdische Volk, im Grunde blind ist für die göttlichen Dinge. Zweitens sind sie auch nicht bereit, auf Gottes Wort zu hören.
Das haben wir bereits früher gesehen, in Kapitel 2, als Hesekiel zum Propheten berufen wurde. Damals wurde ihm deutlich gemacht, dass er eine sehr schwierige Aufgabe haben würde. Es geht nicht darum, dass Heiden durch ihn zum Glauben kommen, sondern darum, eine Botschaft an ein abgefallenes Volk zu bringen. Das ist viel schwieriger.
Die Parallelen zu unserer heutigen Situation sind offensichtlich. In unserer Gesellschaft geht es ebenfalls nicht hauptsächlich darum, dass Heiden durch die Weitergabe von Gottes Wort zum Glauben kommen. Vielmehr geht es um ehemalige Christen, die dem Namen nach Christen sind, aber abgefallen sind. Sie haben sich vom Christentum abgewandt.
Diese Menschen wollen alles, was irgendwie christlich ist, hinter sich lassen. Das ist eine viel schwierigere Aufgabe. Solche Menschen hatten bereits mit dem Evangelium zu tun, haben ihm aber den Rücken gekehrt. Sie zu erreichen, ist viel schwieriger als Menschen, die zum Beispiel seit Generationen im Animismus leben. Diese sind oft einfacher zu erreichen.
So zeigt sich die Ähnlichkeit der Situation.
Hesekiels theatralische Botschaft als Zeichen göttlicher Gnade
Nun bekommt Ezechiel den Auftrag, die Botschaft noch einmal besonders zu unterstreichen – und zwar mit einer Illustration, einer Art Theaterstück. Das haben wir schon früher gesehen, dass er das gemacht hat. Der Grund dafür ist, dass Gott sich so sehr über sein Volk erbarmt, das nicht bereit ist zu hören. Durch diese zeichenhafte Botschaft soll die Aufmerksamkeit erhöht werden.
Man darf nicht denken, wenn heute eine Predigt durch etwas Zeichenhaftes unterstrichen wird, dass das ein Beweis für einen guten geistlichen Zustand ist. Im Gegenteil, es wäre gerade das Bekenntnis dazu, dass wir unfähig sind, normal auf Gottes Wort zu hören. Das muss man unbedingt mit bedenken.
Aber es zeigt Gottes Gnade, dass er auf diese Art – übrigens auf sehr schlichte Weise – das Wort Gottes verständlicher macht. Es ist nichts Pompöses, Gewaltiges oder Umwerfendes, sondern einfach ungewöhnlich. Durch diese ungewöhnliche Art und Weise wird das Wort Gottes besser vermittelt.
Bis hierhin eine Frage und eine Ergänzung: Ezechiel spricht also im Grunde genommen mit den Leuten, die längst in der Verbannung sind, richtig? Genau. Und wie will er ihnen eigentlich mit diesem Auszug durch die Mauern in der Finsternis helfen? Er will es eigentlich dokumentieren, denn wenn das, was er jetzt vorführt, nicht beachtet wird, dann wird genau das mit denen passieren, die noch zu Hause im Land sind.
Das Königtum besteht ja noch, der letzte König war Zedekia. Sie hatten also noch eine gewisse Autonomie, obwohl sie bereits unter babylonischer Oberherrschaft standen. Sie hatten sozusagen zweimal revoltiert, das heißt, sie wurden zweimal angegriffen während dieser Zeit. Sie waren unter Unwahrscheinlichkeit, hatten aber trotzdem Rechte.
Es kam aber noch nicht so weit, dass die Babylonier sagten: Jetzt müssen wir endgültig ausradieren. Die endgültige Revolte kam unter Zedekia, sodass die Babylonier beschlossen, dem Königtum ein Ende zu setzen. Das führte dann zur Zerstörung Jerusalems und des Tempels.
Archäologische Funde und die Realität der Zerstörung Jerusalems
In den vergangenen Jahren wurden viele Ausgrabungen in Ostjerusalem, im Altstadtbereich, durchgeführt. Dabei sind auch die Schichten der Zerstörung Jerusalems durch Nebukadnezar freigelegt worden. Die Brandspuren sind heute noch sichtbar und nachvollziehbar.
Es wurden sogar Speerspitzen der babylonischen Armee gefunden, original erhalten. So können die ganzen Ereignisse heute handgreiflich dokumentiert werden, wie die Babylonier damals gekommen sind – vor etwa 2600 Jahren.
Hier stehen wir nun unmittelbar in den Jahren vor der großen Katastrophe. Es wird gezeigt, wie es zu einer Fluchtbewegung aus Jerusalem kommen wird. Manche versuchen im letzten Moment, ihr Leben zu retten, indem sie aus Jerusalem zu entfliehen versuchen.
In Vers 10 folgt dann eine besondere Botschaft. An wen richtet sie sich? Zwar wird kein Name genannt, aber der Fürst in Jerusalem ist gemeint – der König Zedekia. Auch er versuchte in der Nacht zu entkommen.
Das können wir im Alten Testament nachlesen, im Buch der Könige. Dort wird das Ende des Königtums beschrieben, zum Beispiel in 2. Könige 25.
Die Flucht und Gefangennahme des Königs Zedekia
Helmut, lies du mal die Verse eins bis sieben.
Und es geschah im neunten Jahr seiner Regierung, im zehnten Monat, am zweiten Tag des Monats, dass der König von Babel, Mietzer, mit seinem ganzen Heer wieder nach Jerusalem kam und die Stadt belagerte. Sie bauten ringsum eine Verschanzung.
Die Stadt war belagert bis zum elften Jahr des Königs Zedekia. Am neunzehnten Tag des vierten Monats nahm der Hunger in der Stadt überhand. Es war kein Brot mehr für das Volk des Landes da.
Die Stadt wurde erbrochen, und alle Kriegsmänner flohen des Nachts durch das Tor, das zwischen den beiden Mauern beim Garten des Königs lag. Die Kalder aber waren zumindest um die Stadt herum.
Sie zogen den Weg zur Ebene, doch das Heer der Kalder jagte den König nach und erreichte ihn in den Ebenen von Jericho. Sein ganzes Herz verließ ihn, und sie ergriffen den König. Sie führten ihn zum König von Babel nach Implan hinauf.
Über ihn wurde das Urteil gesprochen: Man schlachtete die Söhne Zedekias vor seinen Augen, blendete seine Augen, band ihn mit Ehren und Fesseln und brachte ihn nach Babel.
Das ist genau das, was hier über den Fürsten vorausgesagt wird. Es heißt, er werde sein Angesicht verhüllen, damit er mit seinen Augen das Land nicht sehe. Auch in Vers 13 am Schluss steht: „Und ich will ihn nach Babel bringen, in das Land der Kalder, aber sehen wird er es nicht.“
Wie soll das gehen? Er kommt nach Babel und wird das Land doch nicht sehen. Genau, er wurde geblendet. Das würde man heute als Kriegsverbrechen brandmarken. Doch darum hat sich Nebukadnezar nicht gekümmert.
Bevor man ihn geblendet hat, schlachtete man alle seine Söhne vor seinen Augen ab. Das diente dazu, das jüdische Volk zu demütigen und zu bezwingen. Jegliche innere moralische Kraft wurde dadurch gebrochen.
Die Zerstreuung und ihre missionarische Funktion
Ezekiel hat all dies vorausgesagt. Er sagte auch die Zerstreuung „in alle Winde“ voraus. In Vers 14 lesen wir: „Und alle seine Scharen will ich in alle Winde zerstreuen und das Schwert ziehen hinter ihnen her.“
Wir haben bereits gelesen, wie dann seine Armee, die mit ihm geflohen war – also die Soldaten –, geflohen ist. Zedekiah hingegen wurde gefangen genommen. Hesekiel sagt in Vers 15: „Und sie werden erkennen, dass ich der Herr bin, wenn ich sie unter die Nationen versprenge und sie in die Länder zerstreue.“
Durch die Erfüllung dieser Prophezeiung war es damals möglich zu erkennen, dass dies Gottes Wort ist. Hier zeigt sich erneut, dass der Glaube nicht einfach ein Sprung ins Dunkle ist. Vielmehr beweist die Erfüllung des Wortes Gottes die Wahrheit der Bibel.
Auch die Überlebenden hatten eine Funktion, beziehungsweise sollten eine Funktion erfüllen. In Vers 16 heißt es: „Und ich werde von ihnen einige Leute übergelassen vom Schwert, vom Hunger und von der Pest, auf dass sie alle ihre Gräuel erzählen unter den Nationen, wohin sie kommen werden.“
Die babylonische Wegführung und Zerstreuung des jüdischen Volkes sollte also ein Zeugnis für all die heidnischen Völker sein, wohin sie kamen. Sie sollten erzählen: „Es ist uns genau so ergangen, wie die Propheten der Bibel es vorausgesagt haben. Wir waren Gottes Wort widerspenstig, und darum ist dieses Schicksal über uns gekommen.“
Diese Zerstreuung hatte somit auch eine missionarische Funktion. Dadurch sollten die anderen Völker mit dem Gott der Bibel und seiner Wahrheit in Kontakt gebracht werden.
Übrigens geschah dies in einem sehr großen, weiten Umfeld. Die jüdische Zerstreuung damals erstreckte sich vom Gebiet zwischen Ägypten bis nach Indien. Mit all diesen Kulturen kamen die Juden in Kontakt.
Schon damals, lange vor dem Beginn des Christentums und der im Neuen Testament begründeten christlichen Mission, wurden viele Völker weit nach Asien hinein mit solchen göttlichen Botschaften erreicht.
Das jüdische Volk in der Zerstreuung und seine besondere Stellung
Und vergessen wir nicht, das heißt dann Vers 16, gerade in der Folge, nachdem gesagt wurde, dass sie alle ihre Gräuel unter den Nationen erzählen werden, wohin sie kommen, und sie werden wissen, erkennen, dass ich der Herr bin.
Also war dieser Kontakt des jüdischen Volkes, ein unfreiwilliger Kontakt, gewissermaßen bereits eine Vorbereitung im Hinblick auf die Jahrhunderte später erfolgte Sendung des Messias.
Weil es die erste Religion war, die nur einen Gott hatte, nicht?
Ja, genau, genau. Und nicht nur irgendeinen Gott, sondern man wusste ganz genau, dass dieses Volk an die Bibel gebunden war. Das sieht man zum Beispiel sehr schön im Buch Esther. Esther beschreibt das jüdische Volk in der Zerstreuung unmittelbar nach der babylonischen Gefangenschaft. Dieses Reich umfasste ja das Gebiet von Indien bis nach Äthiopien.
Schauen wir mal, was da über das jüdische Volk in Esther 3, Vers 8 steht. Kann das jemand vorlesen?
Da sagt Haman zum König Ahasveros: „Da gibt es ein Volk, verstreut und abgesondert unter den Völkern, in allen Provinzen deines Königreiches, und ihre Gesetze sind von denen jedes anderen Volkes verschieden. Die Gesetze des Königs befolgen sie nicht, und es ist dem König nicht angemessen, sie gewähren zu lassen.“
Ja, das war also unter Ahasveros. In der Geschichte ist er bekannt unter dem griechischen Namen Xerxes. Das war jener sprichwörtlich reiche König, der auch die Perserkriege gegen Griechenland veranlasst hatte – diese phänomenalen Kriege. Und Haman sagt ihm gegenüber: „Schau, da gibt es in deinem ganzen Reich zerstreut ein Volk. Das lebt so gewissermaßen abgesondert, und sie haben Gesetze, die anders sind als die aller anderen Völker.“
Durch diesen Kontakt gab es natürlich eine Missionierung, die von den meisten gar nicht bewusst wahrgenommen oder bewusst vollzogen wurde, die aber auch Erfolg hatte. Wenn wir gerade im Buch Esther sind, kam es ja zu dieser Judenverfolgung, die dann aber überwunden wurde.
Lesen wir mal Esther 8, Verse 16 und 17:
„Den Juden war Licht und Freude und Wonne und Ehre zuteil geworden, und in jeder einzelnen Provinz und in jeder einzelnen Stadt überall, wohin das Wort des Königs und sein Gesetz gelangten, war Freude und Wonne bei den Juden, Gastmahl und Festtag, und viele aus den Völkern des Landes wurden Juden, denn Furcht vor den Juden war auf sie gefallen.“
Ja, das wird jetzt vielleicht schnell überlesen. Viele aus dem ganzen persischen Reich wurden in dieser Zeit Juden, traten zum Judentum über und wollten diesem einen Gott dienen.
Anschließend Beschneidung? Ja, ja, natürlich. Gut, das wird hier nicht ausdrücklich erwähnt, aber es war ein Übertritt zum Judentum. So hatten sie sich dann zu dem einen wahren Gott bekannt.
Und noch einmal, damit man das einordnen kann: Diese Geschichte im Buch Esther spielt etwa hundert Jahre nach Hesekiel.
Also waren die Heimkehrer unter Esther und Nehemia nur wenige. Die übrigen blieben zerstreut in dem Gebiet, wohin sie durch die babylonische Gefangenschaft gekommen waren.
Aber nur um zu zeigen: Man hat oft nur die Mission seit Apostelgeschichte 2 vor Augen, seit Pfingsten.
Dass es aber effektiv schon eine alttestamentliche Missionierung gab, wird oft übersehen.
Diese geschah eben über das jüdische Volk und steht sehr eng in Verbindung mit der babylonischen Gefangenschaft.
Das Prinzip des göttlichen Segens aus Fluch
Und auch hier sehen wir wieder etwas Wunderbares: das große Prinzip des Rätsels von Simson, nämlich dass Gott aus Fluch Segen machen kann.
Das Rätsel von Simson lautet: Was ist das? Aus dem Fresser kam Frass, und aus dem Gewalttätigen kam Süßigkeit. Das konnten die Philister nicht erraten. Es ging darum, dass Simson einen Löwen gesehen hatte, und in dessen Kadaver war ein Bienenstock, aus dem er Honig nahm.
Doch das ist ein Widerspruch in sich. Aus dem Fresser kam Nahrung, obwohl der Fresser normalerweise keine Nahrung gibt. Und aus dem Gewalttätigen, der eigentlich Bitterkeit hervorbringt, kam Süßes.
Dieses göttliche Prinzip zieht sich durch die ganze Bibel hindurch. Es zeigt, wie Gott in seinen Regierungswegen mit den Menschen auf der Erde aus dem Bösen für die, die umkehren, Segen hervorbringen kann.
So ist es auch hier. Der Fluch, der über das jüdische Volk kam, bedeutet letztlich wieder Segen für viele andere Menschen.
Unterschiedliche Wegführungen und ihre prophetische Bedeutung
Unter allen Völkern gibt es doch diesen berühmten oder langweiligen Belletristik-Text von Herrn Keller. Ich hatte immer angenommen, dass sich das auf die Zerstreuung unter den Römern bezieht. Nein, nach der römischen Eroberung – das meinte er mit 70 –, jawohl, das ist auch richtig so.
Es gibt eben beides: In der Bibel finden sich Prophezeiungen, die sich auf die Zerstörung und Wegführung unter Nebukadnezar beziehen, und es gibt andere Prophezeiungen, die sich auf die Wegführung unter den Römern beziehen. Man muss also unterscheiden, welche Stelle sich auf welches Ereignis bezieht.
Hier ist direkt die Wegführung unter Nebukadnezar im Blickfeld. Schauen wir aber mal in 5. Mose 28, dort ist es eindeutig die Wegführung unter den Römern, die Mose über tausendfünfhundert Jahre vorher schon gesehen hatte.
In 5. Mose 28 lesen Sie zuerst in Vers 36, dass Mose die Babylonische Wegführung anspricht: „Zu einer Nation wirst du weggeführt, die du nicht gekannt hast. Du und deine Väter werdet dort anderen Göttern aus Holz und Stein dienen.“ Jawohl, hier haben wir die Wegführung und den jüdischen Königtum zu einer anderen Nation. Das war bei Nebukadnezar, und wir wissen, dass der letzte König Zedekia war, der dann geblendet wurde. Das ist die babylonische Gefangenschaft.
In Vers 64 spricht Mose jedoch über eine weitere Wegführung. Diese beginnt eigentlich schon ab Vers 49. Lesen Sie mal Vers 49: „Der Herr wird euch von ferne, vom Ende der Erde her, eine Nation über dich bringen. Wie der Adler fliegt, so kommt sie – eine Nation, deren Sprache du nicht verstehst, eine Nation mit hartem Gesicht, die für den Alten keine Rücksicht kennt und für die Jungen keine Gnade.“
Jawohl, und jetzt stellt sich die Frage, worauf sich das bezieht. Vers 64 macht alles noch deutlicher: „Der Herr wird dich unter alle Völker zerstreuen, von einem Ende der Erde bis zum anderen Ende der Erde, und du wirst dort anderen Göttern dienen, die du nicht gekannt hast, weder du noch deine Väter – Götter aus Holz und Stein.“
Also sprach Mose zuerst in Vers 36 über die Wegführung zu einer anderen Nation, zusammen mit ihrem König. Jetzt spricht er über eine weitere Wegführung und sagt, der Herr werde dich unter alle Völker zerstreuen, von einem Ende der Erde bis zum anderen Ende der Erde.
Das hat sich erfüllt – im Jahr 70. In einem jahrhundertelangen Prozess wurde das jüdische Volk tatsächlich in alle fünf Kontinente weggeführt. Nicht nur so grob gesagt ins Gebiet zwischen Ägypten und Indien, wo das auch schon groß ist. Das ist zwar schon recht groß, und die babylonische Gefangenschaft ist historisch eine ganz wichtige Sache, aber das ist noch gewaltiger, noch umfassender und viel länger.
Das war eine Wegführung und Zerstreuung von fast zweitausend Jahren. Die Wende zeigte sich erst ab 1882, als die erste jüdische Rückwanderung in der modernen Zeit stattfand.
So können wir zusammenfassen: Es kommt darauf an, auf welche Stelle man sich bezieht – auf die babylonische Zeit oder auf die römische Zeit.
Verbindung von babylonischer und römischer Zerstreuung in der Rückkehr
Frau Präsidentin, Sie kennen den Ansatz bereits, dass beides gezeigt wird. Einerseits heißt es, der Gesang der Galgäter, dann wird von den Nationen gesprochen, und schließlich heißt es, die Zeit ist nicht fern, ganz am Ende. Außerdem wird erwähnt, dass auch viele Tage zum Ende hin gehen.
In Hesekiel wird besonders die Rückführung des jüdischen Volkes am Ende der Zeit beschrieben – die letzte Rückführung. Dabei geht es um die Rückkehr aus der weltweiten Zerstreuung. Das haben wir ja bereits beim letzten Mal gesehen. Wir können es nochmals lesen, Hesekiel Kapitel 12, Vers 17.
Das Wort des Herrn geschah zu mir: "Menschen, mit Beben sollst du dein Brot essen." Nein, ich meinte Kapitel 12, Vers 17. Dort heißt es: "Darum spricht der Herr: Ja, ich werde euch aus den Völkern sammeln und euch zusammenbringen aus den Ländern, in welche ihr zerstreut worden seid, und werde euch in das Land Israel geben. Sie werden dorthin kommen, und ich werde alle eure Scheusale und Gräuel daraus entfernen. Ich werde ihnen ein Herz geben und einen neuen Geist in ihr Inneres. Ich nehme das steinerne Herz aus ihrem Fleisch weg und gebe ihnen ein fleischernes Herz, damit sie in meinen Satzungen wandeln und meine Rechte bewahren und tun. Sie werden mein Volk sein, und ich werde ihr Gott sein."
Hier wird also die Rückführung aus den Völkern beschrieben. Nun stellt sich die Frage: Ist das die Rückführung aus Babylon oder die Rückführung in der Endzeit? Das Argument, dass es sich um die Rückführung der Endzeit handelt, ist folgendes: Hier wird von einer nationalen Wiederherstellung gesprochen. Das Volk wird erneuert, es bekommt ein neues Herz und wird wirklich in Gottes Wort wandeln und leben. Das ist nach der Rückkehr aus Babylon nicht geschehen und auch heute noch nicht.
Hesekiel beschreibt das, wie wir später sehen werden, ab Kapitel 33 bis 48. Dort wird gezeigt, wie in der Endzeit das Volk zurückgebracht wird und wie das alles in Phasen geschieht. Es kommt unrein ins Land – das erleben wir heute. Etwa 80 Prozent sind Agnostiker und sagen, man könne nicht an Gott glauben. Nur etwa 20 Prozent sind wirklich religiös, und von diesen glauben die wenigsten, dass Jesus der Messias ist.
Hesekiel wird sehr interessant, denn er zeigt am deutlichsten von allen Propheten, wie diese Wiederherstellung in Phasen und Etappen verlaufen wird. Wir werden das sehr schön sehen, auch die verschiedenen Etappen seit der ersten Rückführung 538 v. Chr. Das ist ganz spannend, aber das kommt noch.
Ich möchte nur der Klarheit halber zeigen, dass in Hesekiel die beiden Wegführungen – nach Babel und dann die weltweite Zerstreuung – sehr eng zusammenhängen. Das ist eigentlich keine Überraschung, denn sie hängen direkt zusammen. Damals kam nur ein Teil der Juden unter Esra zurück ins Land, am Ende der babylonischen Gefangenschaft 538 v. Chr. Die meisten blieben zurück, und auch in den folgenden Jahren. Viele Juden kamen erst im 20. Jahrhundert nach Israel zurück, deren Vorväter aber noch in Babylonien, also aus der babylonischen Gefangenschaft, weggeführt worden waren.
Zum Beispiel Schlomo Hillel, ein großer Politiker in Israel, kam aus dem Irak und war Nachkomme von Juden, die noch unter Nebukadnezar weggeführt worden waren. Er war also kein Nachkomme von Juden, die erst durch die Römer vertrieben wurden.
Darum sage ich: Die heutige Rückführung fasst eigentlich beides zusammen. Juden kehren effektiv aus der babylonischen Gefangenschaft zurück, und andere, die seit der Zerstörung des Zweiten Tempels weggeführt wurden. Das gehört zusammen, und auch geistlich gehört es zusammen.
Warum hat Gott das jüdische Volk nach einigen Jahrzehnten wieder zurückkehren lassen? Weil die Propheten schon früher gesagt haben, dass der Messias aus dem Stamm Juda kommen wird. Der Messias wird im Land, in Bethlehem, geboren werden. Deshalb musste das jüdische Volk wieder ins Land zurückkehren, um dem Messias zu begegnen.
Doch dann kam die kritische Frage: Wie wird sich das jüdische Volk dem Messias gegenüber verhalten? Es kam zur Ablehnung. Der oberste Gerichtshof verurteilte ihn zum Tod. Direkt danach kam es zur weltweiten Zerstreuung.
So sehen wir, wie diese Zerstreuungen eng zusammenhängen. Das Volk musste nur kurz zurückkehren, um dem Messias zu begegnen, und wurde danach weltweit zerstreut. Heute kehren Juden aus beiden Zerstreuungen zurück ins Land.
Übrigens war das besonders in den 1950er Jahren so. Damals kam die größte Rückführung aus dem Irak, aus Babylonien. Im 20. Jahrhundert kehrten etwa 150.000 Juden aus Babylonien zurück. Am Vorabend des Golfkrieges lebten noch etwa 150 Juden im Irak, alle anderen waren vorher schon zurückgekehrt.
Ich habe das übrigens in meinem Buch „Israel und das Schicksal des Irak“ ausführlicher dokumentiert. Dort beschreibe ich die gesamte Rückkehr der babylonischen Juden in der heutigen Zeit.
Die bildhafte Predigt Hesekiels über die Belagerung Jerusalems
Ab Kapitel zwölf, Vers siebzehn, finden wir eine weitere bildhafte Predigt von Hesekiel. Er soll mit Beben Brot essen und in Angst Wasser trinken. Dies verdeutlicht die große Not während der Belagerung Jerusalems. Es geht um die Hungersnot und das Verdursten, die in dieser Zeit eintreten würden.
Tatsächlich kam es während der Belagerung durch Nebukadnezar sogar zu Kannibalismus. Eltern sollen ihre eigenen Kinder gegessen haben. Jeremia hat dies miterlebt und weint darüber in den Klageliedern ausdrücklich. Dieser Kannibalismus ist eine schreckliche Realität in dieser Zeit.
Ab Vers 21 folgt eine weitere Botschaft. Hier wird ein Spruch angegriffen, der damals in Jerusalem verbreitet war. Allgemein lautete dieser Spruch: „Die Tage werden sich in die Länge ziehen und jedes Gesicht wird zunichte werden.“
Dieser pointierte Spruch sollte bedeuten, dass keine Katastrophe eintreten würde. Die schwarzmalerischen Prophetien würden sich als falsch erweisen. Doch wir sehen, dass sich die Menschheit nicht geändert hat.
Auch heute gibt es oft solche Sprüche. Sie fassen kurz das Denken oder die Ideologie einer Person zusammen. Ein Beispiel ist: „Ich glaube nur, was ich sehe.“ Solche Sprüche sind gängig und drücken eine gewisse Haltung aus.
Im Petrusbrief heißt es: „Die Alten sind entschlafen, bleibt alles beim Alten.“ Dies zeigt, dass ähnliche Gedanken und Einstellungen schon damals verbreitet waren.
Zweifel an der Wiederkunft Christi in den letzten Tagen
Ja, lesen wir doch das. Ich habe gerade eben auch an diese Stelle gedacht: 2. Petrus 3. Am besten liest du 2. Petrus 3, die Verse 1 bis 5. Das ist das Testament von Petrus, geschrieben aus der Todeszelle in Rom.
Diesen zweiten Brief, geliebte, schreibe ich euch bereits, in welchem ich durch Erinnerung eure lautere Gesinnung aufwecke, damit ihr gedenkt der vor den heiligen Propheten zuvorgesprochenen Worte und des Gebotes des Herrn und Heilandes durch eure Apostel. Indem ihr zuerst dieses wisset, dass in den letzten Tagen Spötter mit Spötterei kommen werden, die nach ihren eigenen Lüsten wandeln und sagen: Wo ist die Verheißung seiner Ankunft? Denn seitdem die Väter entschlafen sind, bleibt alles, wie es von Anfang der Schöpfung an war.
Denn nach ihrem eigenen Willen ist ihnen dies verborgen, dass von alters her Himmel und Erde entstanden sind aus Wasser und im Wasser durch das Wort Gottes. Durch dieses Wort ist die damalige Welt vom Wasser überschwemmt untergegangen. Die jetzigen Himmel und die Erde aber sind durch sein Wort aufbewahrt für das Feuer, gehalten auf den Tag des Gerichts und des Verderbens der gottlosen Menschen.
Warum hast du diese Stelle angeführt? Weil sie sagen, es bleibt alles so, wie es war, und das passt doch zu unserem Vers 22. Die Frage zieht sich in die Länge, und es wird sich weiter nichts ereignen. Sie streiten ab, dass es eine Wiederkunft Christi gibt, ja?
Und das wird übrigens gesagt, nicht für irgendeine Zeit, sondern ausdrücklich in den letzten Tagen. Der Ausdruck „die letzten Tage“ in der Bibel bezeichnet immer die Zeit, in der das jüdische Volk aus der weltweiten Zerstreuung zurückkehren wird ins Land der Väter. Also diese Stelle steht ganz direkt in Verbindung mit unserer heutigen Zeit.
Aber es ist ja doch menschlich schon verständlich, und man hat ja auch immer wieder die Schwierigkeiten, wenn man mit Ungläubigen darüber spricht: Diese Zeiträume sind so ungeheuer. Also wenn von der Wiederkehr Jesu hier von Petrus gesprochen wird, dann ist es jetzt fast 2000 Jahre her. Seit Israel wieder im Land ist, sind es auch schon wieder 52 Jahre. Und es zieht sich ja tatsächlich heraus, ganz gewaltig.
Gut, also ich meine, bereits mal die 2000 Jahre, die sind schon gewaltig. Aber interessant ist doch, dass Petrus im Jahr 66, 67 nach Christus seinen zweiten Brief geschrieben hat. Er hat schon vorausgesagt, es wird mal die Zeit kommen, wo sie sagen werden, es geht schon ein bisschen lang, ja, mit der Wiederkunft Christi.
Also er hat entgegen dem, was manchmal von modernen Theologen gesagt wird – die hätten absolut damit gerechnet, dass Jesus Christus zu ihrer Zeit zurückkäme – Petrus sagt, das wird lange dauern. So dass sogar in den letzten Tagen später kommen und sagen, wo ist jetzt eigentlich diese verheißene Ankunft der Wiederkunft Christi?
Übrigens hat auch Matthäus geschrieben, in Matthäus 25, im Gleichnis des Herrn über den reichen Mann, der Talente abgibt seinen Knechten, in ein fernes Land geht, um dann später wiederzukommen. Das bezieht sich ja darauf, dass Jesus Christus seinen Nachfolgern Aufgaben übergibt, diese Talente, mit denen sie handeln müssen. Er geht weg in ein anderes Land, in den Himmel, und kommt dann wieder zurück – die Wiederkunft Christi – und dann rechnet er ab.
Matthäus 25 sagt aber, dass dieser hochgeborene Mann nach langer Zeit zurückkehrt. Es ist also schon angedeutet, selbst in den Worten des Herrn, dass es eine lange Zeit sein wird und nicht einfach so schnell, schnell noch in den Tagen der Apostel Jesus Christus wieder zurückkommt.
Und Petrus sagt: Schau, in den letzten Tagen. Und wenn man im Alten Testament liest, was die letzten Tage sind, ja, das ist die Zeit, wenn das jüdische Volk aus der weltweiten Zerstreuung zurückkehrt.
Und drei Jahre nach diesem Brief kam ja erst die weltweite Wegführung des jüdischen Volkes, im Jahr 70. Da muss man sagen: Aha, jetzt müssen sie aber zuerst noch zurückkommen. Und dann, in dieser letzten Zeit, wenn sie zurückkommen, werden die Leute sagen: Ja, wo ist jetzt endlich mal diese Wiederkunft?
Die Herausforderung des modernen Menschen gegenüber biblischen Wundern
Rudolf Bultmann, ein Theologe aus Deutschland und Professor, sagte, dass der moderne Mensch, der an die Wissenschaft gewöhnt ist und ihr glaubt, nicht daran glauben kann, dass plötzlich ein Mensch mit den Wolken vom Himmel herabkommt. Deshalb kann der moderne Mensch nicht an eine körperliche Wiederkunft Christi glauben. Aus diesem Grund versuchte Bultmann, das Evangelium zu entmythologisieren, wie er es nannte. Er brachte auch die „Gott-ist-tot“-Theologie im Land der Reformation hervor.
Bultmann ist in den 1960er Jahren gestorben. Genau diese Spötter sagen dann: „Wo ist jetzt die Verheißung seiner Wiederkunft?“ Der moderne Mensch kann das gar nicht mehr glauben. Die Begründung lautet, dass doch immer alles gleich geblieben sei von Anfang der Schöpfung an.
Petrus hingegen sagt, dass es den Menschen aus eigenem Willen verborgen ist, dass es früher einmal eine Sintflut gegeben hat, bei der die ganze Welt untergegangen ist. Das heißt, Petrus argumentiert so: Diese Menschen sehen nicht, dass es in der Geschichte der Menschheit schon einmal eine Zeit gab, in der Gott weltweit eingegriffen hat – nämlich bei der Sintflut. Deshalb können sie auch nicht mehr glauben, dass Gott in der Endzeit wieder weltweit eingreifen wird, wenn Christus zurückkommt. Das ist eine ganz logische Argumentation.
Interessant ist, dass bis etwa 1800 fast alle Geologen in Europa oder im Abendland Sintflutgeologen waren. Sie glaubten, dass die Erdschichten – oder viele davon – durch die Sintflut oder ähnliche Katastrophen entstanden sind. Bis 1800 war man allgemein von der historischen Tatsache der Sintflut überzeugt.
Dann kam die Wende mit Charles Lyell. Er war kein Geologe, sondern Jurist, und veröffentlichte 1830 ein Buch, in dem er schrieb, dass es nie solche Katastrophen gegeben habe. Stattdessen müsse man die Erdschichten durch ganz natürliche Prozesse erklären, so wie sie heute ablaufen. Keine Katastrophen, es sei also immer alles gleich geblieben von Anfang an. Es habe nie eine weltweite Katastrophe gegeben.
Dieses Buch nahm Charles Darwin auf seiner Weltreise auf der Beagle mit. Er hatte es gelesen, und es war für ihn sehr wichtig, um darauf die Evolutionslehre aufzubauen. Es habe nie eine Katastrophe gegeben, alles sei immer gleich abgelaufen, mit denselben Prozessen.
Petrus sagt, dass es für die Endzeit – also erst nach 1800 – möglich ist, dass den Menschen verborgen bleibt, dass es einmal eine Sintflut gab. Deshalb können sie jetzt auch leugnen, dass es eine Wiederkunft Christi geben wird.
Wir erleben hier eine interessante Parallele zur Zeit von Hesekiel. Auch damals sagte man, die Tage würden sich in die Länge ziehen, und jede Vision würde zunichte werden. Alle Prophezeiungen würden sich nie erfüllen.
Doch die heutige Geologie dringt immer wieder zu der Erkenntnis vor, dass es diese Katastrophe gegeben hat. Neuere Entwicklungen zeigen sogar, dass manche Schichten nicht durch natürliche Prozesse erklärt werden können. Das, was heute geschieht, kann gar nicht die Schichten erzeugen, die weltweit entdeckt wurden.
Ein Beispiel sind polystrate Fossilien. Das sind Fossilien, wie etwa ein versteineter Baum von 17 Metern Höhe, der durch mehrere Schichten hindurchgeht. Diese Schichten sollen laut Evolution über Millionen von Jahren entstanden sein. Der Baum wäre aber längst verrottet. Das zeigt, dass dieses ganze Schichtpaket in sehr kurzer Zeit gebildet worden sein muss. Diese Erkenntnis gewinnt heute immer mehr an Bedeutung.
Was man jedoch nicht will, ist, auf eine weltweite Katastrophe zurückzukommen. Man gibt höchstens zu, dass es große lokale Katastrophen gab, die über das hinausgehen, was wir heute kennen.
Wir wissen aber, und das haben Sie selbst auch gesagt, dass es in vielen Völkern weltweit – auch auf dem fünften Kontinent – einheitliche Sagen über eine solche Sintflut gibt.
Ganz genau, selbst in Australien und Südamerika, bei den Indianern, gibt es solche Überlieferungen. Damals wurden diese jedoch als Märchen abgetan. Natürlich, das passt einfach nicht ins Weltbild. Sonst müsste man ja zugeben, dass es einen Gott gibt, der eingegriffen hat, und das will man nicht.
Deshalb gibt es heute viele Biologen, die keine Christen sind, aber sehr kritisch gegenüber der Evolutionslehre eingestellt sind. Sie sagen, die Evolution kann eigentlich gar nicht erklären, wie alles entstanden ist. Manche von ihnen sind sehr offen und ehrlich und sagen, sie hätten nur eine Alternative: eine spezielle Schöpfung. Aber das können sie nicht akzeptieren.
Hier zeigt sich, dass die Entscheidung nicht im Intellekt fällt, sondern tief in der Persönlichkeit, im Herzen.
Wir sollten jetzt eine Pause machen.
Kurzzeit- und Fernzeitprophetien bei Hesekiel
Da schnell eine Frage: Es heißt doch, dass das, was der Herr ab jetzt sagen wird, sich nicht mehr hinziehen wird, sondern sofort geschehen wird. Herr Simons hat das so erklärt. Es bedeutet, dass die Weissagungen, die jetzt kommen, nicht mehr über eine lange Zeitspanne verteilt sind.
Es ist so, dass die Kapitel Hesekiel 1 bis 24 sich besonders mit dem Untergang Jerusalems und des ersten Tempels beschäftigen. Einige wollten daraus eine Fernzeitprophetie machen, also eine Prophezeiung, die irgendwann in der Endzeit oder in ferner Zukunft erfüllt wird. Doch Gott sagt: Nein, das sind Kurzzeitprophetien. Die Zerstörung Jerusalems steht unmittelbar bevor.
Natürlich hat Hesekiel auch vieles vorausgesagt, was bis in die Endzeit reicht, und das sagt er auch deutlich. Zum Beispiel in Hesekiel 38, wo die Invasion von Gog aus dem äußersten Norden beschrieben wird. Dort heißt es „am Ende der Jahre“, ein anderer Ausdruck für „die letzten Tage“ oder „am Ende der Tage“. Das sind Fernzeitprophetien. Aber hier, in den ersten Kapiteln, geht es speziell um die Zerstörung Jerusalems, die jetzt unmittelbar bevorsteht.
Es ist auch ganz wichtig zu wissen, dass die biblischen Propheten sowohl Kurzzeitprophetien als auch solche für die Endzeit verkündigt haben. Die Kurzzeitprophetien dienten dazu, die Propheten als echt auszuweisen. Das war sehr wichtig. Wenn ein Prophet nur eine falsche Aussage in einer Kurzzeitprophetie gemacht hätte, musste er als falscher Prophet abgelehnt und sogar hingerichtet werden, wie es in 5. Mose 18 geregelt ist.
Während man die Kurzzeitprophetien nachprüfen konnte, war das bei Fernzeitprophetien nicht möglich. Das ist Gottes Weise: Er gibt uns ein Pfand, eine Garantie, dass auch die späteren Verheißungen erfüllt werden.
Wenn ein Mensch die Bibel beginnt zu lesen, stellt sich die Frage: Wie kann er wissen, dass es Gottes Wort ist? Es ist ja gar nicht möglich, alles nachzukontrollieren. Der Mensch kann nicht ins Jenseits gehen oder zurückkommen, um es zu überprüfen.
Aber wir haben genügend Stellen in der Bibel, die wir kontrollieren können. So sehen wir, dass der Gott, der hier spricht, zuverlässig ist. Das weckt das Vertrauen im Herzen, dass wir auch die anderen Dinge im Vertrauen annehmen können, die wir nicht überprüfen können.
Das ist Gottes Weise. Er gibt uns durch die Kurzzeitprophetien die Garantie und das Vertrauen, dass alle zukünftigen Verheißungen in Christus einst erfüllt werden.
Die Warnung vor falschen Propheten in Hesekiel 13
Ja, dann kommen wir zu Kapitel dreizehn. Harich, wirst du uns das nochmals vortragen?
Und das Wort Jehovas geschah zu mir, dem Menschensohn: Weissage über die Propheten Israels, die da weissagen, und sprich zu denen, welche aus ihrem Herzen weissagen.
Höret das Wort Jehovas, so spricht der Herr Jehova:
„Wehe den törichten Propheten, die ihrem eigenen Geist nachgehen und dem, was sie nicht gesehen haben! Wie Füchse in den Trümmern sind sie geworden, Israel, deine Propheten.
Ihr seid nicht in die Risse getreten, und die Mauern habt ihr nicht vermauert. Das Haus Israel ist leer, um im Streit am Tage Jehovas standzuhalten. Sie schauen eitles und Lügenwahrsagung, die da sagen: ‚Spruch Jehovas‘, obwohl Jehova sie nicht gesandt hat. Und sie ließen hoffen, dass ihr Wort erfüllt würde.
Seht ihr nicht ein eitles Gesicht? Sprecht ihr nicht Lügenwahrsagung, wenn ihr sagt: ‚Spruch Jehovas‘, obwohl ich doch nicht geredet habe?
Darum spricht der Herr Jehova also: Wenn ihr eitles redet und Lüge schaut, so siehe, ich will an euch handeln, spricht der Herr Jehova. Meine Hand wird gegen die Propheten sein, die eitles Schauen und Lüge wahrsagen. Im Rat meines Volkes sollen sie nicht stehen, und in das Buch des Hauses Israel sollen sie nicht eingeschrieben werden. In das Land Israel sollen sie nicht kommen.
Und ihr werdet wissen, dass ich der Herr Jehova bin. Darum, ja darum, weil sie mein Volk irreführen und sprechen: ‚Friede‘, obwohl kein Friede da ist, und eine Wand bauen, siehe, ich bestreiche sie mit Tünche. Sprich zu den Übertünchern: Sie sollen fallen! Es kommt ein überschäumender Regen und Hagelsteine.
Und ihr Hagelsteine, ihr werdet fallen! Ein Sturmwind wird losbrechen, und siehe, die Mauer fällt. Wird man euch nicht sagen: ‚Wo ist das Getünchte, das ihr getüncht habt?‘
Darum spricht der Herr Jehova: Ich will einen Sturmwind losbrechen lassen in meinem Grimm. Ein verschwemmender Regen wird kommen in meinem Zorn, und Hagelsteine im Grimm zur Vernichtung. Ich will die Mauer abbrechen, die ihr mit Tünche bestrichen habt, und sie zur Erde niederwerfen, dass ihr Grund entblößt wird. Sie soll fallen, und ihr werdet in ihrer Mitte umkommen.
Und ihr werdet wissen, dass ich Jehova bin. So werde ich meinen Grimm vollenden an der Mauer und an denen, die sie mit Tünche bestreichen. Ich werde zu euch sagen: Die Mauer ist nicht mehr! Und die, die sie tünchen, sind nicht mehr die Propheten Israels, welche über Jerusalem weissagen und für dasselbe Friedensgesicht schauen, obwohl kein Friede da ist, spricht der Herr Jehova.
Und du, Menschensohn, richte dein Angesicht wieder gegen die Töchter deines Volkes, welche aus ihrem Herzen weissagen, und weissage wieder zu ihnen. Sprich: So spricht der Herr Jehova!
Seht die, welche Binden zusammennähen über alle Gelenke der Hände und Kopfhüllen machen für Häupter jeden Wuchses, um Seelen zu fangen. Die Seelen meines Volkes fangt ihr, und eure Seelen haltet ihr am Leben. Ihr entheiligt mich bei meinem Volke.
Für einige Hände voll Gerste und für einige Bissen Brot tötet ihr Seelen, die nicht sterben sollen, und haltet Seelen am Leben, die nicht leben sollten, indem ihr mein Volk belügt, das auch Lügen hört.
Darum spricht der Herr Jehova also: Siehe, ich will an euch Binden, mit welchen ihr fangt. Ich will die Seelen wegfliegen lassen und sie von euren Armen wegreißen. Ich will die Seelen freilassen, die ihr fangt, damit sie wegfliegen.
Ich werde eure Kopfhüllen zerreißen und mein Volk aus eurer Hand erretten, damit sie nicht mehr zur Beute eurer Hand werden. Ihr werdet wissen, dass ich Jehova bin, weil ihr das Herz des Gerechten mit Lügen kränkt, da ich ihn doch nicht bedrückt habe.
Und weil ihr die Hände des Gesetzlosen stärkt, damit er von seinen bösen Wegen nicht umkehrt, um sein Leben zu erhalten. Darum sollt ihr nicht mehr eitles Schauen treiben und nicht ferner wahrsagen.
Ich werde mein Volk aus eurer Hand erretten, und ihr werdet wissen, dass ich Jehova bin.“
Falsche Propheten und ihre Botschaft des falschen Friedens
Am Ende von Kapitel zwölf haben wir gesehen, wie Hesekiel als Falschprophet beschuldigt wurde, weil er negativ gesprochen hat. Er sagte den kommenden Untergang Jerusalems voraus. Er sprach nicht von einer großen Erweckung oder einer Wende, sondern vom Ende. Deshalb wollte man ihn als falschen Propheten darstellen.
Auf der anderen Seite gab es tatsächlich falsche Propheten in Israel, die nun von Hesekiel ins Visier genommen werden. Ihre Botschaft war das Gegenteil von seiner: eine Botschaft des Friedens. Sie sagten, man müsse keine Angst haben, Jerusalem werde bewahrt bleiben und nicht untergehen. Das sieht man auch im Propheten Jeremia, Kapitel 7. Dort heißt es, dass der Tempel Gottes in ihrer Mitte sei, weshalb sie sich nicht vor einer Katastrophe fürchten müssten. Diese falschen Propheten redeten also von Frieden, wo eigentlich kein Frieden sein sollte.
Interessant ist, dass Hesekiel in einer Art Endzeit lebte, einer Periode, die mit Gericht endet. Das ist ein wiederkehrendes Muster in Gottes Heilswegen: Eine bestimmte Zeitperiode endet durch Gericht. Zunächst war da die Zeit im Garten Eden, die durch das Gericht beendet wurde, als die Menschen aus dem Paradies vertrieben wurden. Dann folgte die vorsintflutliche Zeit, die mit der Sintflut endete. Danach wurde die nachsintflutliche Gesellschaft unter einer von Gott eingesetzten Regierung bei Noah gebildet. Diese Periode endete durch das Gericht der Sprachenverwirrung. So lässt sich die Geschichte der Zeitalter als eine Abfolge von Gerichtseingriffen Gottes verstehen.
Hier erkennen wir eine Parallele zu heute: Wir leben offensichtlich auch in einer biblischen Endzeit, nämlich in der Zeit, in der das jüdische Volk aus allen Völkern zurückkehrt. Was uns erwartet, ist eine Zeit des Gerichts für diese Erde. Zudem erleben wir einen Abfall in der Christenheit. Gerade heute gibt es viele Propheten, die Frieden verkünden und behaupten, die größte Erweckung aller Zeiten stehe bevor. Es würden Zeichen und Wunder geschehen, die sogar das, was die Apostel getan haben, in den Schatten stellen. Zahlreiche Christen glauben das.
Doch die Situation ist ähnlich wie damals: In der Endzeit gibt es Abfall. Wenn man die Endzeitprophetien im Neuen Testament liest, warnt der Herr ständig vor Verführung und falschen Zeichen und Wundern. Zum Beispiel in Matthäus 24. Dort sagt Jesus nicht: „Jetzt kommt die große Erweckung“, sondern: „Jetzt kommt die große Verführung.“ In der Ölbergrede der Jünger, als sie nach der Zukunft und der Endzeit fragen, beginnt die Rede mit einer Warnung. Matthäus 24, Vers 4: „Seht zu, dass euch niemand verführe, denn viele werden unter meinem Namen kommen und sagen: ‚Ich bin der Christus!‘“ Und in Vers 24 heißt es: „Denn es werden falsche Christi und falsche Propheten aufstehen und große Zeichen und Wunder tun, sodass sie, wenn möglich, auch die Auserwählten verführen werden.“
Man könnte die Liste der Warnungen vor Verführung in den Endzeitreden des Neuen Testaments fortsetzen. Überall wird vor Verführung gewarnt. Wenn man heute sagt, die biblische Prophetie sagt keine große Erweckung für das christliche Abendland voraus – ich spreche hier nicht von der Dritten Welt, wo es teilweise großartige Entwicklungen gibt, zum Beispiel in China mit über sechzig Millionen bibeltreuen Christen im Untergrund, die verfolgt werden –, dann wird das oft skeptisch betrachtet. Dort wächst die Gemeinde Gottes unglaublich, seit die westlichen Missionare durch die Kommunisten vertrieben wurden. Sie säten, und die Ernte ist enorm aufgegangen.
Doch ich spreche jetzt nicht von der Dritten Welt, sondern vom eigentlichen christlichen Abendland. Dort erleben wir den Abfall. Deshalb ist Kapitel 13 von Hesekiel umso aktueller für unsere Zeit, in der Propheten gegeißelt werden, die von Frieden und Wohlstand sprechen, obwohl Gott bald Gericht ankündigt. Die Zeit ist gekommen, dass das Gericht beim Haus Gottes anfängt. Dieses Prinzip gilt zu allen Zeiten, ist aber besonders auf die christliche Welt anwendbar: Das Gericht Gottes beginnt beim Haus Gottes.
Was ist mit „Haus Gottes“ gemeint? Jede Zeitperiode endet mit Gericht, das zuerst die Gottlosen trifft. Wenn Gott es durchzieht, wird er retten. Das sehen wir in Offenbarung 2 und 3, wo die sieben Gemeinden angesprochen werden. Diese Gemeinden waren tatsächlich am Ende des ersten Jahrhunderts real vorhanden, aber die Sendschreiben haben auch eine prophetische Bedeutung und zeigen die gesamte Kirchengeschichte über zweitausend Jahre hinweg. Der Herr spricht zu diesen Gemeinden und korrigiert, was falsch ist. Das Gericht beginnt bei den Christen und dann erst über die Welt.
Das Christentum hat sich am meisten im Abendland ausgebreitet. Deshalb steht dieses Gebiet besonders unter der Zucht Gottes. Das Gericht beginnt beim Haus Gottes. Darum ist kein großer Aufbruch zu erwarten, vor allem nicht ohne eine allgemeine Buße und Umkehr. Gerade in moralischen Fragen erleben wir in evangelikalen Gemeinden einen rasanten Zerfall, insbesondere bei ehelicher Treue und Sexualität vor der Ehe. Ein Dammbruch ist im Gange.
Vielleicht haben wir das noch nicht richtig realisiert, doch wenn man mit Jugendlichen spricht, hört man Diskussionen darüber, ob vorehelicher Geschlechtsverkehr erlaubt sei. Das ist ein offenes Thema zur Diskussion. Das zeigt, dass Christen heute keinen Aufwärtstrend erleben, sondern einen Abwärtstrend – und wir stehen unter der Zucht Gottes.
In einer solchen Zeit des moralischen Dammbruchs kommen große Propheten, die sagen: „Jetzt wird die großartigste Erweckung aller Zeiten beginnen.“ Das ist eine Parallele zu Hesekiel 13, wo es heißt: „Wehe den törichten Propheten!“ Woher kommt ihre Prophetie? Hesekiel 13, Vers 2 und 3 geben weitere Ausdrücke. Interessanterweise heißt es nicht direkt, dass die Prophetie vom Teufel kommt. Es geht um falsche Propheten, die auch beruhigen, obwohl das Gericht noch bevorsteht. Jeremia sagte, das Gericht komme erst in siebzig Jahren.
Jeremia lebte fast zur gleichen Zeit wie Hesekiel und überschneidet sich mit ihm. Auch er sprach negativ und musste gegen die Propheten auftreten, die Frieden verkündeten, obwohl kein Friede sein sollte. Interessant ist, dass diese falsche Prophetie aus ihrem eigenen Herzen und Geist kommt. Das zeigt, dass Falschprophetie nicht unbedingt eine direkte Inspiration aus dem Reich der Finsternis sein muss, sondern auch aus dem eigenen bösen Herzen hervorgehen kann.
Mit „bösem Herzen“ meine ich, dass die menschliche Natur sündig ist und daraus gottwidrige Gedanken entstehen. Man darf aber nicht denken, dass das nicht so tragisch sei, weil es nur aus dem eigenen Herzen kommt. Am Ende von Hesekiel 13, Vers 23, wird diese Falschprophetie als Wahrsagerei bezeichnet, was einen Bezug zur Dämonie herstellt.
Was ist nach der Bibel das Herz des Menschen, wenn davon gesprochen wird? Wie erklärt man das jemandem? Heute spricht man nicht mehr so oft so. Das Herz ist das Zentrum der Persönlichkeit, auch bei den Unerlösten. Beim Gläubigen ist das Herz erlöst. Das Herz ist das Zentrum der Persönlichkeit. Bibelstellen wie Markus 7 zeigen, dass das Wesen eines Menschen durch das Herz bestimmt wird.
Sehr deutlich wird das in Sprüche 4, Vers 23: „Mehr als alles, was man sonst bewahrt, behüte dein Herz, denn in ihm entspringt die Quelle des Lebens.“ Das zeigt die Zentralität des Herzens. In der Ellenfelder Übersetzung heißt es: „Von ihm aus sind die Ausgänge des Lebens.“ Alles wird vom Herzen bestimmt.
Man kann sich vorstellen, dass der Mensch aus verschiedenen Aspekten besteht: Intelligenz, Gefühl und so weiter. Alle diese Dinge werden durch Fäden zusammengezogen und vereinigen sich im Herzen.
Es gibt jedoch ein Problem: Oft wird das Wort „Herz“ im Gegensatz zum „Verstand“ gebraucht. Wir sollten nicht nur für den Verstand sprechen, sondern auch für das Herz – wie es heißt: mit Herz und Verstand. Wenn man aber in der Bibel das Thema Herz untersucht, erlebt man eine Überraschung. Das Herz hat zwar mit Gefühlen zu tun, aber auch mit Verstand, zum Beispiel in Psalm 77. Es hat auch mit dem Willen zu tun. Verstand, Gefühl und Wille sind im Herzen vereinigt.
Psalm 77, Vers 6 (oder nach anderer Übersetzung Vers 7) sagt: „Er sinnt nach im Herzen.“ Das Nachdenken geschieht im Herzen. Es gibt viele Stellen dazu. Verstand und Gefühl sind Funktionen des Herzens, die dort vereinigt sind.
Wie ist dann Matthäus 22, Vers 37 zu verstehen: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Verstand.“ Diese Ausdrücke überschneiden sich teilweise. Es sind eine Art Synonyme, aber nicht hundertprozentig gleichbedeutend. Durch diese Aufzählung wird betont, dass der Mensch Gott mit seiner ganzen Persönlichkeit lieben soll.
Im Allgemeinen sieht man, dass Verstand, Gefühl und Wille Funktionen des Herzens sind. Das hilft, einer Klippe zu entkommen: Durch die ganze Kirchengeschichte hindurch schwankt das Pendel zwischen Gefühl und Verstand. Es gibt Zeiten, in denen der Verstand mehr betont wird, und andere, in denen das Gefühl mehr betont wird.
Bis in die sechziger Jahre wurde der Verstand stark betont. Dann kamen die sechziger Jahre mit Rockmusik, Drogen und dem mystischen Boom, der das Gefühl hervorhob. Ein Beispiel: Mein Psychologielehrer sagte, man dürfe nicht sagen: „Das ist so und so, das ist gut“, sondern müsse sagen: „Ich finde das gut.“ Es gibt nichts Absolutes, alles ist subjektiv und wird vom Gefühl beurteilt.
In der Kirchengeschichte gab es Thomas von Aquin, einen katholischen Scholastiker und Rationalisten, und seinen Schüler Meister Eckhart, einen ausgeprägten Mystiker. Das Pendel schlug zwischen diesen Extremen hin und her. Heute ist das Pendel noch auf der gefühligen Seite, und der Mystikboom ist noch lange nicht vorbei.
Wie kommen wir zu einem Gleichgewicht? Wir müssen sehen, dass beides wichtig ist. In der Bibel wird nicht das eine auf Kosten des anderen betont. Beide sind Funktionen des Herzens. In der heutigen Zeit müssen wir der Gefühlsbetonung Nüchternheit entgegenhalten. Aber nicht so, dass Gefühle unwichtig sind, denn dann sind wir unglaubwürdig. Die Gefühle müssen am richtigen Ort, im richtigen Maß und kontrolliert sein.
So sehen wir, dass das Herz das Zentrum ist, von dem die Ausgänge des Lebens kommen. Vom Herzen werden Verstand und Gefühle gesteuert. Wenn das menschliche Herz böse ist, verstehen wir, warum Wissenschaft nicht einfach objektiv ist, sondern vom bösen Herzen beeinflusst wird.
Darum sind zum Beispiel die Evolutionslehre und ähnliche Theorien nicht objektiv, sondern werden von Herzen vertreten, die ein Interesse daran haben. Manche Biologen erkennen, dass Mutation und Selektion nicht alles erklären, möchten aber nichts anderes akzeptieren. Das ist das Wirken des Herzens.
Diese falschen Propheten sind aus ihrem Herzen gesteuert. Das Herz des Menschen steht nie für sich allein, sondern ist entweder auf Gott und sein Wort ausgerichtet oder auf Götter und Dämonen. Das Herz ist immer ausgerichtet – entweder so oder so.
Nun lesen wir Sprüche 23, Vers 26: „Gib mir, mein Sohn, dein Herz, und deine Augen sollen an meinen Wegen Gefallen finden.“ Gott fordert uns persönlich auf: Gib mir dein Herz! Wenn wir unser Herz ganz dem Herrn geben, kann er uns führen – auch in unserer Gefühlswelt, die nicht absolut ist, sondern durch Gottes Wort und Geist korrigiert werden muss. Dann kann er uns auch im Denken leiten. Wir müssen ihm unser ganzes Herz geben.
Die falschen Propheten aber wirken nicht einfach aus sich heraus. Wenn ihr Herz nicht auf Gott ausgerichtet ist, wirkt der Fürst der Luft, wie Satan in Epheser 2 genannt wird. Schlagen wir Epheser 2, Verse 1-3 auf:
„Auch euch, die ihr tot wart in euren Vergehungen und Sünden, in denen ihr einst gewandelt seid nach dem Zeitlauf dieser Welt, nach dem Fürsten der Gewalt, der Luft, des Geistes, der jetzt wirksam ist in den Söhnen des Ungehorsams, unter denen auch wir alle einst unseren Verkehr hatten, indem wir den Willen des Fleisches und der Gedanken taten und waren von Natur Kinder des Zorns, wie auch die übrigen.“
Hier wird Satan als Fürst der Gewalt der Luft bezeichnet, der jetzt in den Söhnen des Ungehorsams wirkt. Satan beeinflusst die Menschen. Wenn das Herz nicht auf Gott ausgerichtet ist, kann er Gefühle, Willen und Denken beeinflussen. Dort heißt es ausdrücklich, dass Satan die Gedanken verblendet und verfinstert. Er wird als „Gott dieser Welt“ bezeichnet. Das entspricht genau dem, was wir hier sehen.
In Hesekiel 13 kommen aus diesem nicht auf Gott ausgerichteten Herzen die falschen Prophezeiungen. Es heißt, sie „reden eitles und schauen Lüge“. Es wird nicht geleugnet, dass sie etwas sehen. Sie haben Bilder. Auch heute spielen solche Visionen bei falschen Propheten eine Rolle. Selbst unter evangelikalen Christen wird das immer mehr gefördert: Man entwickelt das Bilderschauen. Mystiker haben das seit jeher getan. Es stammt aus Hinduismus und Buddhismus.
Dabei geht es so: Jeder hat Tagträume. Wenn man einem langweiligen Vortrag zuhört, schweift man ab und ist fast in einer Traumwelt. Das ist normal. In der Mystik wird das aber bewusst gefördert, dass man solche Bilder gezielt sucht.
Im Kindergarten wird das heute immer mehr eingesetzt, sogenannte Traumreisen. Die Kinder liegen am Boden, schließen die Augen, es läuft mystische Musik, und die Lehrerin sagt ihnen, was sie sich vorstellen sollen. Unter Diktat werden die Tagträume gelenkt, obwohl Tagträume normalerweise spontan sind.
So gehen die Kinder auf eine Reise, die sie wieder zurückholen müssen. Das kommt aus dem Buddhismus. Man will die Kinder für das Mystische und das Bilderschauen sensibilisieren. Wenn man das gut übt, führt es bis zu Visionen.
Das gibt es auch in evangelikalen Kreisen, wo man im Hauskreis fragt: „Welche Bilder hast du gesehen?“ Man übt das Bilderschauen und entwickelt sich mystisch. Die Visionen kommen aus dem eigenen Herzen und Geist. Weil das Herz nicht auf Gott ausgerichtet ist, hat Satan eine Einfallstür. So kann es zu satanischen Visionen kommen.
Hesekiel 13 entlarvt diese Falschpropheten. Alles, was sie vorausgesagt haben, wird zusammenbrechen wie eine übertünchte Mauer. Dann wird deutlich, dass sie Falsches gesprochen haben. Das wird sichtbar, wenn sich die Prophetien des Herrn Jesus, etwa in Matthäus 24, erfüllen. Der große Aufbruch ist nicht gekommen.
So ist Hesekiel 13 ein altes Kapitel, etwa 2600 Jahre alt, aber gerade heute hochaktuell.
Wenn Sie zum Beispiel erlebt haben, dass in einem Kreis Bilder abgefragt werden und Sie das suspekt finden oder als nicht biblisch ansehen, bekommt man oft zur Antwort: „Hältst du es denn nicht für möglich, dass Gott auch heute noch so wirkt und uns durch seinen Geist Dinge mitteilt?“ Dann sollte man das Thema Visionen im Neuen Testament studieren.
In der Apostelgeschichte gibt es einige Visionen. Diese waren jedoch keine gewöhnlichen Ereignisse, sondern Schlüsselereignisse, die von Gott gesteuert wurden und heilsgeschichtlich Bedeutung für zweitausend Jahre hatten.
Die Bilder, die in frommen Kreisen gesehen werden, beziehen sich meist nur auf das persönliche Leben oder das anderer. Das finden wir nirgends in der Schrift. Selbst für die Apostel waren solche Visionen nicht üblich. Paulus sagt in 2. Korinther 5: „Wir wandeln nicht durch Schauen, sondern durch Glauben.“ Er hatte zwar einige Visionen, aber er betont, dass das christliche Leben durch Glauben geführt wird.
In Römer 8 heißt es, dass die durch den Geist Gottes geleitet werden, Söhne Gottes sind. Diese Leitung durch den Geist ist das Normale, nicht die Leitung durch Visionen.
Im ersten Petrusbrief schreibt Petrus an Christen in vielen Provinzen der heutigen Türkei: „Denn ihr liebt, obwohl ihr ihn nicht gesehen habt.“ Wie kann Petrus im apostolischen Zeitalter so schreiben? Manche hatten vielleicht Visionen und sahen den Herrn, aber für die Masse war das nicht üblich. Petrus geht davon aus, dass die Christen Jesus noch nie gesehen haben.
Das zeigt, dass Visionen selbst im apostolischen Zeitalter nicht die Regel waren. Heute aber wird uns im Zeitgeist oft glaubhaft gemacht, dass wir ständig Bilder haben sollten. Das wird immer mehr entwickelt.
Wenn Gott Paulus Visionen gab, musste er keine Visionen entwickeln. Sie kamen von Gott. Heute wird das Bilderschauen so lange entwickelt, bis es zum „Sprechen in Bildern“ wird.
In Apostelgeschichte 21 wird von Philippus berichtet, der vier Töchter hatte, die weissagten. Was ist mit Weissagung gemeint? Weissagen kann bedeuten, neue Offenbarungen zu empfangen, aber auch, durch den Geist geleitet zu sprechen, um die Bedürfnisse der Hörer zu treffen.
Das wird in 1. Korinther 14, Verse 2 bis 3 erklärt: Wer weissagt, redet zur Erbauung, Ermahnung und Tröstung. Es braucht also nicht unbedingt eine Neuoffenbarung zu sein, sondern einfach das treffende Wort zur richtigen Zeit.
Die Zeit ist abgelaufen. Wir müssen nächstes Mal weitermachen.