Guten Abend. Heute kommen wir zu 1. Mose 42. Im letzten Kapitel haben wir gesehen, wie Josef nach langer Leidenszeit in seinem Leben mit dreißig Jahren einen beispiellosen Aufstieg erlebt – und das direkt aus dem Gefängnis.
Er stieg auf zum mächtigsten Mann in Ägypten, direkt nach dem Pharao – und praktisch gesehen sogar über dem Pharao, denn er leitete das Land. Der Pharao saß zwar auf dem Thron, aber das Sagen hatte Joseph.
Dieser Aufstieg erfolgte nach einem Leidensweg von mehr als dreizehn Jahren. Mit siebzehn Jahren wurde er von seinen Brüdern nach Ägypten verkauft. Doch das Leiden begann schon vorher. Von siebzehn bis dreißig Jahren durchlebte er eine dreizehnjährige Leidenszeit.
Bereits vorher hatte er unter der Ablehnung seiner Brüder gelitten. Sie waren nicht einmal in der Lage, ihm an einem neuen Tag Schalom zu sagen. Sie grüßten ihn nicht. Auch unter den Söhnen von Bilhah und Silpa, nämlich Naftali, Gad und Asser, mit denen er als Junge als Schafhirt zusammen war, fand er keine Gemeinschaft. Diese Brüder waren in Sachen Verleumdung sehr erfahren, und Joseph wollte damit nichts zu tun haben.
So erlebte er viel Ablehnung. Doch Gott gab ihm zwei Träume, von denen er wusste, dass sie prophetisch waren. Die Bibel gab es damals noch nicht, und Gott offenbarte sich ihm als Prophet. Joseph wusste: Eines Tages werden sich seine Brüder vor ihm verbeugen – sogar die Eltern.
Doch die Realität sah zunächst ganz anders aus. Mit siebzehn Jahren hatte der Hass seiner zehn Halbbrüder einen solchen Stand erreicht, dass sie ihn schließlich für zwanzig Silberstücke an die Ismailiter als Sklaven verkauften. Es ist schon schlimm genug, wenn ein Halbbruder gegen einen ist. Joseph aber hatte zehn Halbbrüder, die seine Feinde waren.
Zuvor hatten sie ihn in eine Grube geworfen und wollten ihn eigentlich töten. Doch schließlich dachten sie, sie könnten ja Geld daraus machen. Geld gab es damals noch nicht in Form von Münzen; diese entstanden erst später. Deshalb geht es in der Josefsgeschichte immer um Silber mit einem bestimmten Gewicht. Für zwanzig Silberlinge verkauften sie den Bruder.
Joseph kam nach Ägypten und wurde dort Sklave im Haus von Potiphar. Dort erlebte er einen grandiosen Aufstieg. Doch schließlich wurde er grausam verleumdet und für Jahre ins Gefängnis geworfen.
Und dort erlebte er etwas Wunderbares. Zwei Mitgefangene, der Obermundschenk und der Oberbäcker des Pharao, hatten Träume. Joseph konnte sie deuten und sagte ihnen voraus, dass in drei Tagen die Wende kommen würde. Und es hat sich erfüllt. Das war natürlich eine große Ermutigung für Joseph.
Jahrelang hatte er erlebt, dass seine eigenen Träume sich nicht erfüllten. Schließlich wurde er sogar von seiner Familie weggebracht, nach Ägypten. Wie sollte sich da je erfüllen, dass die Brüder sich vor ihm verbeugen würden, wenn sie nicht einmal dort waren? Doch die Fähigkeit, die Träume des Mundschenks und des Bäckers zu deuten, war eine Ermutigung für ihn. Nach drei Tagen erfüllten sich seine Deutungen genau so.
Zwei Jahre später träumte der Pharao und war sehr beunruhigt. Der Mundschenk gab dem Pharao den Tipp, Joseph im Gefängnis aufzusuchen. Joseph hatte vor zwei Jahren ihre Träume richtig gedeutet, vielleicht konnte er auch die Träume des Pharao deuten. So kam Joseph vor den Pharao. Der Pharao erzählte ihm seine Träume, und Joseph erklärte ihre Bedeutung: Sieben Jahre würde es Überfluss geben, gefolgt von sieben Jahren schrecklicher Hungersnot.
Nun musste Ägypten organisiert werden, damit das ganze Land die Hungersnot überleben konnte. Sofort wurde Joseph als der weise Mann eingesetzt, der diese Organisation übernehmen konnte. Joseph stieg auf. Man muss sich vorstellen, dass alle Wahrsagepriester des Pharao nicht in der Lage waren, die Träume zu deuten. Und jetzt sollte Joseph es tun.
Er war ermutigt: „Ich habe es ja richtig gemacht bei dem Mundschenk vor zwei Jahren und dem Bäcker. Also werde ich die Träume deuten, so wie Gott mir die Überzeugung der Bedeutung ins Herz gibt.“ Doch er wusste immer noch, dass seine eigenen Träume weit entfernt von einer Erfüllung waren.
Man muss sich das konkret vorstellen: In uns Menschen kommt so schnell der Zweifel ins Herz. War das damals mit den Träumen nicht doch ein Irrtum? Alle waren ja dagegen. Sogar Vater Jakob hatte ihn gescholten, weil er solche Vorstellungen hatte, dass einmal alle sich vor ihm verbeugen würden.
Trotzdem hielt Joseph unbeirrt durch all die Jahre und durch die ganze Leidenszeit daran fest. Und nun haben wir gesehen: Er hat die Träume gedeutet, und tatsächlich kam es so. Wir haben die sieben Jahre des Überflusses bereits gesehen, wie sie sich erfüllten. Und dann begann auch die Hungersnot.
Und nun kommen wir zu Kapitel 42, Vers 1. Liest du mal, Jerry? Zehn Verse.
„Und Jakob sah, dass Getreide in Ägypten war, und sprach zu seinen Söhnen: ‚Warum seht ihr einander an?‘ Er sagte: ‚Siehe, ich habe gehört, dass in Ägypten Getreide ist. Zieht dorthin hinab und kauft uns davon, damit wir leben und nicht sterben.‘“
Die zehn Brüder Josephs zogen also hinab, um in Ägypten Getreide zu kaufen. Aber Benjamin, Josephs Bruder, ging nicht mit Jakob und seinen Brüdern, denn Jakob sagte, dass ihm nicht etwa ein Unfall widerfahren solle.
So kamen die Söhne Israels unter den Angekommenen, um Getreide zu kaufen, denn die Hungersnot war im Land Kanaan.
Danke! Also, nach diesen sieben Jahren des Überflusses folgten die sieben Jahre der Hungersnot. Das zwang die Brüder Josephs, von Kanaan nach Ägypten zu gehen. Erst jetzt wird die Voraussetzung geschaffen, dass Josephs Träume doch noch in Erfüllung gehen können. Sie werden wirklich gezwungen, nach Ägypten zu gehen.
Benjamin aber geht nicht mit. In Vers 4 haben wir gelesen, dass Jakob befürchtete, ihm möge ein Unfall zustoßen. Das hebräische Wort für Unfall, „Asson“, bedeutet Unfall mit Todesfolge. Jakob war es sehr wichtig, nachdem er Joseph verloren hatte und ihn für tot hielt, dass seinem jüngeren Sohn Benjamin, dem Vollbruder Josephs, nichts Ähnliches zustößt. Deshalb war es ihm ganz besonders wichtig, dass Benjamin geschützt wird.
Die zehn Brüder gehen also allein nach Ägypten.
Jetzt fährst du weiter mit Vers 6, Jerry. Joseph war der Gebieter über das Land und verkaufte das Getreide an das ganze Volk. Die Brüder Josephs kamen und beugten sich vor ihm nieder, mit dem Gesicht zur Erde.
Joseph sah seine Brüder und erkannte sie, doch er stellte sich ihnen fremd gegenüber und sprach hart mit ihnen. Er fragte: „Woher kommt ihr?“ Sie antworteten: „Aus dem Land Kanaan, um Speise zu kaufen.“ Joseph erkannte seine Brüder, sie aber erkannten ihn nicht.
Man muss sich vorstellen, was in Joseph vorgegangen sein muss. Plötzlich kommen seine Brüder nach Ägypten. Ägypten ist ein großes Land. Sie müssen Getreide kaufen, und Joseph ist der oberste Verwalter des gesamten Getreideverkaufs. Deshalb kommen sie tatsächlich direkt mit Joseph in Berührung. Und sie beugen sich vor ihm nieder.
Nach 37 Jahren – nicht nach 30, sondern nach 37 – kommt nun die Erfüllung. Joseph erkennt sie, doch sie erkennen ihn nicht. Es sind ja immerhin zwanzig Jahre vergangen, seit sie ihn zuletzt gesehen haben. Man verändert sich ein bisschen von siebzehn bis siebenunddreißig. Aber er erkennt sie, und jetzt beugen sich alle vor ihm. Was muss in ihm vorgegangen sein? Unglaublich!
Es war also doch richtig! Alle waren gegen mich, alle meinten, ich sei falsch, und jetzt, nach zwanzig Jahren, geht das in Erfüllung. Wir können noch einmal in Kapitel 37 lesen. Dort geht es um einen Traum, den Joseph hatte. Er sah sich auf dem Feld beim Garbenbinden und sagte zu seinen Brüdern:
„Hört doch diesen Traum, den ich gehabt habe! Siehe, wir banden Garben auf dem Feld, und siehe, meine Garbe richtete sich auf und blieb auch aufrecht stehen. Eure Garben umringten sie und verneigten sich vor meiner Garbe.“
Da sprachen seine Brüder zu ihm: „Solltest du etwa König über uns sein? Solltest du etwa über uns herrschen?“ Und sie hassten ihn noch mehr wegen seiner Träume und Worte.
Er hatte noch einen anderen Traum und erzählte ihn seinen Brüdern:
„Siehe, noch einen Traum habe ich gehabt, und siehe, die Sonne, der Mond und elf Sterne beugten sich vor mir nieder.“
Er erzählte es auch seinem Vater und seinen Brüdern. Da schalt ihn sein Vater und sprach zu ihm: „Was ist das für ein Traum, den du gehabt hast? Sollen wir etwa kommen – ich, deine Mutter und deine Brüder – um uns vor dir zur Erde niederzubeugen?“
Seine Brüder waren eifersüchtig auf ihn, aber sein Vater bewahrte das Wort.
In beiden Träumen geht es also um das Thema „sich verbeugen“. Und jetzt erlebt Joseph genau das.
Was da emotional in ihm geschah, ist unfassbar. Das macht die ganze Josephsgeschichte so besonders. Sie ist voll von solchen Ereignissen, die einfach ergreifend sind.
Ich kenne die Geschichte seit über sechzig Jahren. Ich habe sie als Kind geliebt, schon als kleiner Junge. Heute Morgen habe ich Kapitel 42 und 43 gelesen, und zwischendurch hat es mich am Rücken geschaudert, sogar bis in die Beine. Es ist unglaublich, welche Kraft diese Geschichte enthält.
Ich kenne sie doch, oder? Aber man kann sie immer wieder lesen. Das ist der Unterschied. Wenn jemand sagt, er habe einen Roman schon hundertmal gelesen, denken wir oft, da stimmt etwas nicht. Irgendetwas muss da nicht stimmen.
Aber wenn man sagen kann, man hat die Josephsgeschichte über sechzig Jahre immer wieder neu gelesen und ist immer wieder neu davon ergriffen, dann ist das Gottes Wort – ganz anders.
In Vers sieben wird betont: „Und Josef sah seine Brüder, die er anschaute und erkannte. Doch er stellte sich fremd und gab sich als ein harter Herrscher gegenüber diesen Fremden aus. Er warf ihnen vor, Kundschafter zu sein, die versuchen, die Situation auszunutzen, um im Land Ägypten die militärischen Schwächen auszukundschaften.“
Es wird nochmals betont, in Vers 8: „Josef erkannte seine Brüder, sie aber erkannten ihn nicht.“
Dann folgt Vers 9: „Joseph dachte an die Träume, die er vor ihnen gehabt hatte, und sprach zu ihnen: ‚Ihr seid Kundschafter, um zu sehen, wo das Land offen ist, seid ihr gekommen.‘“
Darauf antworteten sie ihm: „Nein, mein Herr, sondern deine Knechte sind gekommen, um Speise zu kaufen. Wir alle sind die Söhne eines Mannes, wir sind redlich, deine Knechte sind keine Kundschafter.“
Bis hierhin wird deutlich: In Vers 9 wird hervorgehoben, dass Joseph an seine Träume denkt. Er blickt Jahrzehnte zurück und sieht, dass sie nun Realität geworden sind. Die zehn Brüder sind da. Doch er hatte noch mehr geträumt – der Vater sollte ebenfalls noch kommen. Das war zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingetreten, aber das mit den zehn Brüdern war schon erfüllt.
Joseph bezeichnet sie als Kundschafter, während sie sich selbst als redlich bezeichnen. Dieses Wort „redlich“ begegnet uns noch mehrmals, insgesamt fünfmal. Sie sagen immer wieder: „Wir sind redlich, wir sind redlich.“ Im Hebräischen heißt das Wort „Ken“ in der Mehrzahl „Kenim“ und bedeutet aufrichtig, wahrhaftig, rechtschaffen.
Man muss sich vorstellen, dass Joseph die Brüder vor sich sieht, die sagen: „Wir sind rechtschaffene Leute.“ Dabei wusste er genau, dass Simeon und Levi damals ein Massaker in Sichem angerichtet hatten. Sie hatten Menschen hinterhältig und brutal getötet. Trotzdem behaupten sie, sie seien redlich.
Die zehn Brüder hatten Joseph, als er im Auftrag des Vaters kam, um nach ihrem Wohl in Dothan zu sehen, in eine Grube geworfen und wollten ihn töten. Sie holten ihn heraus, verkauften ihn für Silber nach Ägypten – und dennoch sagen sie: „Wir sind redliche Leute.“
Was passiert in einem Menschen dabei? Zehn Halbbrüder, die so feindlich sind, und denen das Geld wichtiger ist als die Beziehung zum Bruder. Und dann kommen sie und behaupten: „Wir sind redliche Leute.“ Das wirkt tief.
Nun werden wir sehen, was mit Joseph wirklich geschieht. Liest du weiter, Jerry?
Joseph sprach zu ihnen: „Nein, ihr seid gekommen, um zu sehen, wo das Land offen ist.“ Sie antworteten: „Zwölf Brüder sind wir, deine Knechte, Söhne eines Mannes im Land Kanaan. Und siehe, der Jüngste ist heute bei unserem Vater, und einer ist nicht mehr.“
Das sprach Josef zu ihnen: „Das ist es, was ich euch gesagt habe, Kundschafter seid ihr.“
Das Wort „Kundschafter“ wird, ebenso wie „redlich“, immer wieder auftauchen. Es ist ein gespielter Vorwurf von Joseph, um ihnen zu sagen: Ihr seid nicht redlich. Man muss sich überlegen, dass er ihnen nicht direkt vorwerfen konnte, was sie mit ihrem Bruder getan hatten. Aber er musste ihnen einen Hinweis geben, dass ihre Behauptung, sie seien redlich, nicht stimmt. Deshalb sagt er: „Ihr seid Kundschafter.“
Sie erklären ihm, dass es eigentlich zwölf Brüder gibt und natürlich auch noch einen Vater. Dabei erwähnen sie den Jüngsten, Benjamin, den Bruder, zu dem Joseph eine wunderschöne Beziehung hatte. Benjamin war quasi ein Ersatz für die Feindschaft der zehn Brüder. Sie erwähnen den Jüngsten, sagen aber, dass er nicht da sei, sondern beim Vater.
Aha, denkt Joseph, in dem Fall lebt Vater Jakob noch. Das war nicht klar! Jakob war damals, als Joseph verkauft wurde, schon alt. Das war vor zwanzig Jahren, und er lebt noch.
Dann sagen sie: „Und einer ist nicht mehr.“ Wie bitte? Sie haben Joseph vor zwanzig Jahren als Sklaven verkauft, und jetzt sagen sie, dass einer nicht mehr ist.
Wir werden noch sehen: Der hebräische Ausdruck hier kann bedeuten, dass jemand nicht mehr existiert oder nicht mehr da ist. Wir werden gleich sehen, dass es sich um jemanden handelt, der lebt, aber nicht mehr erreichbar ist. Das hat eine Doppelbedeutung und kann je nach Zusammenhang so oder so verstanden werden.
Es ist also nicht ganz klar, ob das heißt, dass er tot ist oder vermisst. Sie sagen einfach so: „Der ist nicht mehr da.“ Aber sie erklären nicht, was geschehen ist – diese „redlichen“ Leute.
Nochmal: Das Wort „redlich“ heißt aufrichtig, wahrhaftig, rechtschaffen.
Wir gehen weiter.
Daran sollt ihr geprüft werden, beim Leben des Pharaos, wenn ihr von hier weggeht – es sei denn, euer jüngster Bruder kommt hierher. Sendet einen von euch hin, damit er euren Bruder holt, ihr aber bleibt gefangen. Eure Worte sollen geprüft werden, ob Wahrheit bei euch ist. Wenn nicht, so seid ihr Kundschafter – beim Leben des Pharaos!
Er nahm sie dann drei Tage zusammen in Gewahrsam. Er schwor diesen Eid. "Chaypar-o" wird hier mit „Beim Leben des Pharao“ übersetzt. Wörtlich heißt das: Der Pharao lebt. Der Sinn dahinter ist: So wahr der Pharao lebt, das können sie kontrollieren, denn der Pharao ist tatsächlich da.
So wahr der Pharao lebt, müsst ihr unbedingt euren jüngsten Bruder Benjamin hierherbringen. Ja, Nummer elf muss nämlich auch noch kommen – das wusste Joseph aus seinem Traum. Die elf Sterne hatten sich ja verbeugt, nicht nur die zehn. Also muss Benjamin kommen, und das war kein bloßer Wunsch Josephs, sondern eine Notwendigkeit. Er wollte Benjamin unbedingt wiedersehen.
Dann sagte Joseph: Neun von euch bleiben hier, und zwar als Gefangene in Ägypten, und einer geht, um Benjamin zu holen. Für ihn war klar, dass diese neun Brüder die gleiche Erfahrung machen würden, die er selbst gemacht hatte. Er war nämlich selbst ins Gefängnis in Ägypten gekommen. Nun würden sie erfahren, was es genau bedeutet, im Gefängnis in Ägypten zu sein.
Er nahm sie also drei Tage lang zusammen in Gewahrsam. Alle zehn Brüder kamen somit für drei Tage in den Kerker, um einen kleinen Vorgeschmack darauf zu bekommen, was Joseph jahrelang erlebt hatte. Joseph war mindestens zwei Jahre im Gefängnis gewesen.
In Vers 18 heißt es: Am dritten Tag sprach Joseph zu ihnen: „Tut dies, und ihr sollt leben! Ich fürchte Gott! Wenn ihr redlich seid, so bleibt einer eurer Brüder im Haus eures Gewahrsams gefangen. Ihr aber zieht hin und bringt Getreide für den Bedarf eurer Häuser. Euren jüngsten Bruder sollt ihr zu mir bringen, damit eure Worte sich als wahr erweisen und ihr nicht sterbt.“
Sie handelten so. Nach drei Tagen Gefängniserfahrung änderte Joseph die Bedingungen: Nicht neun bleiben hier und einer geht, sondern neun gehen und einer bleibt. Die Mathematik wird also umgekehrt – nicht neun plus eins, sondern eins plus neun.
Dieser fremde Mann, ein Heide in Ägypten, in einem Land, in dem man viele Götter mit Menschengestalt und Tierköpfen verehrte, sagte: „Ich fürchte Gott.“ Dabei waren die Brüder Söhne Jakobs und damit Nachkommen von Isaak und Abraham.
Der wahre Gott, der Gott der Herrlichkeit, ist Abraham in Ur in Chaldea erschienen, wie es in Apostelgeschichte 7 beschrieben wird. Abraham wandte sich vom Götzendienst in Chaldea ab, wo besonders der Mond verehrt wurde. Er verehrte nicht mehr die Schöpfung, sondern den Schöpfer. In ihrer Familie kannte man den einen wahren Gott.
Jetzt kommen die Brüder nach Ägypten, und dieser vermeintliche Heide sagt: „Ich fürchte Gott.“ Was meint er damit? Meint er Ra, den Sonnengott? Oder Happ, den Gott des Nils? Oder die Himmelskuh Hathor? Er sagt: „Ich fürchte Gott“ und macht klar, dass er testen möchte, ob die Brüder wirklich redlich sind.
Hier taucht zum zweiten Mal das Wort „Ken“ auf. Einer soll in Gefangenschaft bleiben, und ihr sollt wirklich die Nahrung bekommen, für die ihr nach Ägypten gekommen seid. Joseph dachte natürlich auch an seinen Vater Jakob und an Benjamin.
Benjamin muss jedoch hierherkommen. Das war ein besonderer Moment, als Joseph seine Brüder in Ägypten sah – jetzt sind sie da. Aber er musste sich überlegen: Wenn ich ihnen die Nahrung gebe, gehen sie einfach zurück nach Kanaan und kommen vielleicht nie wieder.
Deshalb musste Joseph dafür sorgen, dass sie wiederkommen. Das funktioniert natürlich nur mit Geiselhaft: Einer bleibt hier, dann müssen sie wiederkommen – und zwar mit Benjamin.
Und dann geschieht etwas sehr Eindrückliches. Lies du Vers 21: Da sprachen sie einer zum anderen: „Wahrhaftig, wir sind schuldig wegen unseres Bruders, dessen Seelenangst wir sahen, als er zu uns flehte, und wir hörten nicht. Darum ist diese Drangsal über uns gekommen.“
Das muss man jetzt bei der weiteren Josefs-Geschichte immer wieder beachten. Diese Zehn sind wirklich ein eingespieltes Team. Sie sind so miteinander verbunden in dem, was sie tun, dass wir jetzt wiederholt sehen werden, wie sie sich in bestimmten Momenten einander anschauen. Diese Zehnergruppe – und hier auch – spricht miteinander.
Sie sprachen einer zum anderen, das sind Dialoge untereinander, und alle kommen zu demselben Schluss, der hier zusammengefasst wird: „Wahrhaftig, wir sind schuldig wegen unseres Bruders.“ Sie geben zu: Wir haben seine Seelenangst gesehen. Joseph hat geschrien, und es heißt hier, als er zu uns flehte. Das hebräische Wort meint, wir wollen wirklich um Gnade anrufen.
Sie haben ihm keine Gnade gegeben. Im Wort „flehen“ steckt das Wort Gnade drin, auf Hebräisch. Nun wird ihnen bewusst: Jetzt tragen wir die Konsequenzen unseres Tuns. „Darum ist diese Drangsal über uns gekommen.“ Sie sehen also darin eine Zucht von Gott.
Und dann Vers 22: Und Ruben antwortete ihnen und sprach: „Habe ich nicht zu euch gesprochen und gesagt: Versündigt euch nicht an dem Knaben? Aber ihr hörtet nicht, und siehe, sein Blut wird auch gefordert.“ Siehe aber!
Bis hierhin. Jetzt geschieht etwas ganz Interessantes für Joseph. Hier erfährt er etwas über Ruben, was er damals im Land Kanaan nicht mitbekommen hatte. Ruben hat ja dafür gesorgt, dass Joseph bei den zwei Zisternen, die in Dothan ganz nah beieinander sind – die eine mit Wasser, die andere ohne Wasser – in die Grube ohne Wasser kam.
Er hatte den Plan: Ich werde ihn bei Gelegenheit rausholen und befreien. Aber er hat nichts gemacht. Schließlich, als die israelitischen Händler vorbeikamen und Juda die Idee hatte: „Da machen wir Geld“, haben sie Joseph rausgeholt. Ruben hat davon nichts mitbekommen.
Er hatte zwar eine gute Idee, aber nicht den Mut, den Brüdern zu sagen: Das geht gar nicht. Und ich sage euch als Ältester, das macht ihr nicht mit ihm. Er hat sich so nicht durchgesetzt. Er hat zwar gewarnt: „Versündigt euch nicht!“ und wollte dann heimlich Joseph befreien. Es hat nicht geklappt. Er war nicht dabei, als sie Joseph rausholten.
Also konnte er das damals nicht verhindern. Jetzt erfährt Joseph: Der Älteste, der sich für mich eingesetzt hat – der Erstgeborene, der vom Vater enterbt wurde, weil er eine schreckliche Tat begangen hatte –, hat sich für ihn eingesetzt.
Dieser Erstgeborene war Ruben, der Inzest mit einer der Frauen seines Vaters begangen hatte. Darum wurde er enterbt. Vater Jakob beschloss, Joseph wird Erstgeborener, weil er der erstgeborene Sohn der Frau war, die er eigentlich nur heiraten wollte, Rahel.
Darum bekam Joseph auch das schöne Kleid als Auszeichnung – das ist das Zeichen des Erstgeborenen. Aber die Brüder hassten ihn deswegen erst recht, weil er diese Vorrangstellung bekommen hatte.
Jetzt erfährt Joseph aber, dass der, der das Erstgeburtsrecht an ihn verloren hatte, sich damals für ihn eingesetzt hat.
Und nun kommt der nächste Vers: Sie aber wussten nicht, dass Joseph es verstand, denn ein Dolmetscher war zwischen ihnen.
Ja, danke! Jetzt muss man sich vorstellen: Das war wirklich fantastisch! Joseph sprach Ägyptisch, also die Sprache der alten Hieroglyphen. Übrigens eine sehr schwierige Sprache, nicht nur zum Schreiben. Man muss etwa sechshundert Hieroglyphenzeichen kennen, um Texte in den Tempeln und so zu lesen.
Es sind sehr deutliche Bildzeichen, aber es gibt Bildzeichen, die ein ganzes Wort bedeuten, andere bedeuten eine Silbe. Zum Beispiel Yosef heißt zwei Silben. Einzelne Zeichen können auch einzelne Buchstaben bedeuten. In den Texten sind diese drei Typen normalerweise gemischt.
Nur Berufsschreiber konnten Altägyptisch lesen und schreiben. Die Sprache selbst ist auch sehr kompliziert, mit sehr vielen Formen. Ich halte etwa zweihundert Formen für das Verb, also zum Konjugieren: ich gehe, du gehst, er geht, wir gehen, sie geht, sie gehen.
Joseph spricht also Ägyptisch und hat einen Dolmetscher, der Kanaanäisch kann. Die Sprache der Kanaaniter hat Abraham und seine Familie übernommen. Abraham sprach in Ur in Chaldäa Akkadisch, also Altbabylonisch. Damals war Sumerisch die Sprache, denn Ur war eine sumerische Stadt.
Sumerisch war schon eine tote Sprache oder am Aussterben. Abraham sprach also Akkadisch, kam ins Land Kanaan und übernahm die Sprache der Kanaaniter. Diese wurde dann der hebräische Dialekt des Volkes Israel.
Nun hatten sie in Ägypten einen Dolmetscher, der Kanaanäisch konnte und alles, was Joseph auf Ägyptisch sagte, übersetzte. Darum waren die Brüder völlig ahnungslos.
Sie sprachen miteinander: „Wahrhaftig, wir sind schuldig, wir haben das gesehen, wie er geschrien hat, unser Bruder, und jetzt kommt das alles über uns.“
Ruben macht Vorwürfe: „Ich habe es euch gesagt, versündigt euch nicht, und ihr habt nicht gehört, und jetzt wird die Blutschuld von uns gefordert.“ Wer hört das alles?
Es ist unglaublich: Diese hartgesottenen Männer, die offensichtlich nicht gerne über ihre Gefühle sprachen, offenbaren ihm alles.
Und die Reaktion? „Und er wandte sich von ihnen ab und weinte, und er kehrte zu ihnen zurück und redete zu ihnen, und er nahm Simeon aus ihrer Mitte und band ihm vor ihren Augen.“
Jetzt merken wir: Das ist nicht ein verbitterter Joseph, der sich rächen will und sie darum ins Gefängnis steckt. Ein eben verbitterter Mensch, der keine Gefühle mehr ihnen gegenüber hat. Er muss weinen.
Aber das darf niemand sehen. Er geht weg und weint ganz für sich.
Dazu können wir etwas aus Psalm 56 lesen. Bis zu dieser Stelle in der Josefs-Geschichte haben wir nie gelesen, dass Joseph geweint hat. Das bedeutet nicht, dass er in all diesen Jahren und schon vor siebzehn nicht sehr viel geweint hat.
Aber jetzt wird ausdrücklich gesagt, dass er das, was bei den Brüdern vorgeht, nicht mehr ohne Weinen erträgt. Er geht weg. Das dürfen sie nicht sehen.
In Psalm 56 heißt es, David, der auch viel Grund hatte zu weinen, weil er durch viele Nöte hindurchgegangen ist, sagt in Vers 9: „Mein Umherirren zählst du, lege in deinen Schlauch meine Tränen. Sind sie nicht in deinem Buch?“
Hier erfahren wir von der himmlischen Bibliothek, wo es das Buch des Lebens gibt, die Bücher der Werke, in denen alles verzeichnet wird, was wir tun. In dieser Bibliothek, wo auch die Bibel aufbewahrt wird, heißt es in Psalm 119: „Dein Wort besteht ewig in den Himmeln.“
Wir finden dort noch eine ganze Serie weiterer Bücher im Himmel. Hier lernen wir das Buch der Tränen kennen. Es gibt also ein Verzeichnis im Himmel, in dem Gott jede Träne, auch die versteckten Tränen, aufschreibt. Für ihn sind sie so wichtig.
Bildlich sagt David: „Lege in deinen Schlauch meine Tränen.“
Was ist gemeint mit dem Schlauch? Ein Eimer? Nein, ein Schlauch, der aus Tierfellen gemacht war. Man benutzte ihn im Altertum, um Wein aufzubewahren, natürlich auch Wasser zum Trinken.
David sagt also bildlich, dass Gott alle Tränen in einem Schlauch sammelt. Im Leben vergisst man literweise Tränen.
Gott sieht das Weinen von Joseph.
Lies du weiter, Vers 24b: „Und der Mann führte die Männer in das Haus Josephs und gab ihnen.“
Also Vers 24: „Er wandte sich von ihnen ab und weinte.“
Und dann? Vers 24: „Und er kehrte zu ihnen zurück und redete zu ihnen, und er nahm Simeon aus ihrer Mitte und band ihm vor ihren Augen.“
Jetzt muss Joseph sich entscheiden, wer ins Gefängnis kommt. Er entscheidet sich für Simeon.
Wenn man die Geschichte von dem Massaker in Sichem liest und auch spätere Bibelstellen, in denen darauf Bezug genommen wird, heißt es immer: Simeon und Levi, Simeon und Levi – die zwei.
Simeon war der Anführer. Später, wenn Jakob die zwölf Söhne segnet, in 1. Mose 49, erwähnt er nochmals diese Gewalttat und sagt: Simeon und Levi.
Simeon war in der ganzen Sache der Drahtzieher und Verantwortliche. Nun überlegt Joseph: Der braucht diese Zucht. Er kommt ins Gefängnis.
Weiter: Joseph gebot, ihre Gefäße mit Getreide zu füllen und ihr Geld zurückzugeben, indem sie seinen Sack und ihren Werkwegzehrung bekamen.
Man tat ihnen so, und sie luden ihr Getreide auf ihre Esel und zogen davon.
Einer öffnete unterwegs seinen Sack, um seinem Esel in der Herberge Futter zu geben, und er sah sein Geld. Siehe, es war oben in seinem Sack.
Er sprach zu seinen Brüdern: „Mein Geld ist mir zurückgegeben worden, und siehe, es ist sogar in meinem Sack.“
Da entfiel ihnen das Herz, und sie sahen einander erschrocken an und sprachen: „Was hat Gott uns da getan?“
Danke!
Joseph ist in Gefangenschaft, aber die anderen dürfen gehen und bekommen das Getreide.
Jedes Mal, wenn es heißt „Geld“, habe ich das schon letztes Mal angedeutet, ist die Übersetzung leicht zu korrigieren.
Auf Hebräisch steht hier „Kesef“. Kesef heißt Geld oder Silber, also eigentlich Silber und dann eben auch Geld.
In der Josephs-Geschichte darf man Kesef nicht mit Geld übersetzen, weil es damals in der Weltgeschichte noch nicht erfunden war – also Münzen als Zahlungsmittel.
Man bezahlte mit Silber oder Gold nach Gewicht.
Übrigens auch in Kapitel 37, als sie Joseph verkauft haben für zwanzig Silberlinge – Silberschäkel – das ist ein bestimmtes Gewicht. Das sind Silberlinge. Genau wie du sagst: Da steht einfach Kesef, also für zwanzig Silber.
Darum kann man sich am Rand der Bibel jedes Mal, wenn hier „Geld“ steht in der Joseph-Geschichte, notieren: Silber.
Joseph gebot, Gefäße mit Getreide zu füllen und ihr Silber zurückzugeben.
Dann machte einer den Sack unterwegs auf. Es sah also gut aus. Sie hatten sogar Wegzehrung bekommen.
Sie bekamen das Lunchpaket für die gefährliche Sinai-Reise – auch erstaunlich.
Zuerst sagt dieser Mann: „Ihr seid Kundschafter, tut uns ins Gefängnis!“ und dann nur noch einen, dann kriegen sie den Lunch gratis. Wie ist das?
Plötzlich wird der Sack aufgetan, und es heißt: Da, in der Herberge, waren sie, um Futter zu geben.
Er sah sein Silber oben im Sack, erzählte es den Brüdern, und wir sehen: Das ist ein eingespieltes Team.
„Da entfiel ihnen das Herz.“ Wörtlich im Hebräischen: „Lew jadza“ – das Herz ging heraus.
Was wichtig ist: „Fast gestorben“ heißt das. Wenn das Herz draußen ist, dann sind wir tot.
Das Herz entfiel ihnen, und sie sahen einander erschrocken an.
Vorhin haben sie zueinander gesprochen, jetzt schauen sie sich in die Augen.
Sie sprachen – also nicht nur einer wie vorher – gemeinsam: „Was hat Gott uns da getan?“
Das ist immer ein Fortschritt.
Vorhin, in Vers 21, als sie diese Schulderkenntnis bekamen, sagten sie: „Darum ist diese Drangsal über uns gekommen.“
Ruben sagt in Vers 22: „Siehe, sein Blut wird auch gefordert.“ Aber er sagt nicht, von wem.
Gott wird ausgeklammert, aber er ist natürlich gemeint.
Jetzt aber sagen sie: „Was hat Gott uns da getan?“
Plötzlich spielt der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs eine Rolle in ihrem Leben.
Das ist der Unterschied zwischen Gottlosen und Gottesfürchtigen.
Der Gottlose kann sehr logisch denken und die Dinge in dieser Welt logisch betrachten und überlegen.
Das Problem ist, wenn man den größten Faktor in einer Rechnung außer Acht lässt, ist die Rechnung am Schluss falsch.
Der größte Faktor in unserem logischen Denken muss Gott sein.
Jetzt kommt dieser größte Faktor ins Leben. Ihnen wird bewusst: „Was hat Gott uns da getan?“
29 Und sie kamen in das Land Kanaan zu ihrem Vater Jakob und berichteten ihm alles, was ihnen widerfahren war. Sie sprachen: „Der Mann, der Herr des Landes, redete hart mit uns und behandelte uns wie Kundschafter des Landes.“
Wir sagten zu ihm: „Wir sind redlich, wir sind keine Kundschafter. Zwölf Brüder sind wir, Söhne unseres Vaters. Einer ist nicht mehr, und der Jüngste ist heute bei unserem Vater im Land Kanaan.“
Der gehasste Bruder, der unbedingt weg muss. Und jetzt kommen diese gestandenen Männer nach Hause. Joseph war damals siebenunddreißig, der zweitjüngste. Die anderen waren also alle deutlich über siebenunddreißig, gestandene Männer. Nun sprechen sie von diesem Mann in Ägypten zu Vater Jakob und sagen: „Der Mann, der Herr des Landes.“
Ständig sprechen sie von „dem Mann“, „der Mann“, „der Mann“. Ich greife voraus zu Kapitel 43, Vers 3, nein, zuerst 42, Vers 33: „Und der Mann, der Herr des Landes sprach zu uns.“ Also noch einmal der gleiche Titel: „Der Mann, der Herr des Landes.“ Adonai Ha'aretz – das ist der Titel „Adonai“, Herr, und zwar in der Mehrzahl. Das ist ganz ungewöhnlich, normalerweise sagt man Adon in der Einzahl, aber hier sagen sie Adonai, Adonai Ha'aretz, also der mächtige Herr des Landes, der Mann.
Und daneben, in Vers 33: „Der Mann, der Herr des Landes“, wie der Adonai, Herr Aretz. Und daneben, Kapitel 43, Vers 3, vorausgegriffen: Und Juda sprach zu ihm und sagte: „Der Mann hat uns ernstlich gewarnt und gesagt: Ihr sollt mein Angesicht nicht sehen, außer wenn euer Bruder bei euch ist.“
Vers 5: „Wenn du ihn aber nicht sendest, so werden wir nicht hinabziehen, denn der Mann hat zu uns gesagt...“
„Warum habt ihr mir das Leid angetan?“ sagt Vater Jakob, „dem Mann mitzuteilen, dass ihr noch einen Bruder habt?“ Und sie sprachen: „Der Mann erkundigte sich genau.“ Siehst du, es geht ja noch weiter: ständig „der Mann“, „der Mann“, neunmal. Das ist dieser gehasste kleine Bruder.
Ja, liest du weiter, Jerry? „Und der Mann, der Herr des Landes sprach zu uns: ‚Daran werde ich erkennen, dass ihr redlich seid: Einen eurer Brüder lasst bei mir und nehmt den Bedarf eurer Häuser und zieht hin. Und bringt ihr euren jüngsten Bruder zu mir, so werde ich erkennen, dass ihr keine Kundschafter, sondern redlich seid. Euren Bruder werde ich euch zurückgeben und ihr dürft im Land verkehren.‘“
Und es geschah, als sie ihre Säcke leerten, siehe, da hatte jeder sein Geldbündel in seinem Sack. Sie sahen ihre Geldbündel, sie und ihr Vater, und sie fürchteten sich.
Also, da wird nochmals berichtet, was wir vorhin gesehen haben, wie es geschehen ist unterwegs: Einer macht den Sack auf, das Geld ist drin, und ihr Herz geht raus. Sie sind erschrocken und haben kein gutes Gefühl, diese Silberlinge zu haben.
Warum hat Joseph das so gemacht? Die Brüder sollten sich mit dem Thema Silberling auseinandersetzen. Damals hatten sie ein gutes Gefühl bei zwanzig Silberlingen, und wie viel bekam jeder? Zwei. Ja, wir haben noch eine Bedeutung im Folgenden: zwei Silberlinge jeder. Und sie fühlten sich gut dabei.
Aber jetzt hatten sie das Silber, und sie fühlten sich ganz schlecht dabei. Sie wussten ja, er hat uns so angefleht, und wir haben ihn hart einfach übergangen, weil wir das Geld wollten. Jetzt ist uns gar nicht mehr wohl. Wie soll das weitergehen? Wir können doch nicht mehr nach Ägypten gehen. Jetzt werden wir verschrien sein als Kundschafter, die sogar noch stehlen.
Aber diese Erfahrungen, diese Schmerzen mussten sie erleben. Da geschah in ihrem Herzen ein Werk. Das brauchte Zeit, es ging nicht von einem Tag auf den anderen. Sie mussten alles erleben und dann auch erzählen. Sie mussten mit dem Vater darüber sprechen.
Sie haben ihm gesagt: „Dieser Mann war ganz hart mit uns, aber wir haben ihm gesagt, wir sind redliche Leute.“ Redliche Leute – da haben wir es wieder gehabt, nicht wahr? Jetzt schon im Ganzen fünfmal haben wir es gefunden: redlich, redlich, aufrichtig. Sie fürchten sich.
Und nun liest du weiter, Jerry, Vers 36: Und ihr Vater Jakob sprach zu ihnen: „Ihr habt mich der Kinder beraubt. Josef ist nicht mehr, und Simeon ist nicht mehr, und Benjamin wollt ihr mir nehmen. Dies alles kommt über mich.“
Jakob hat in seinem Leben viel gelitten. Man muss jedoch sagen, dass er viel gelitten hat, weil er verkehrte und verdrehte Wege ging. Dort war das Leiden effektiv Zucht. Nicht bei allen, die viel leiden, ist es so, dass es Zucht ist.
Bei Josef hat er auch viel gelitten, aber dort war es ein Polieren des Edelsteins, eine Vorbereitung für seine spätere große Aufgabe. Bei Jakob war es so, dass er sagte: „Was kommt da alles über mich?“ Er beklagt sich, man habe ihn der Kinder beraubt. Josef sei nicht mehr da. Er benutzt diesen Ausdruck, der bedeuten kann, dass Josef nicht mehr da ist oder tot ist. Für Jakob bedeutete das, dass Josef tot ist. Denn man hatte einen scheinbaren Beweis geliefert: das schöne Kleid von Josef war in Tierblut getaucht, in Ziegenbockblut, und Jakob war überzeugt, ein Tier habe ihn gefressen.
Joseph ist nicht mehr, und dann sagt er: „Und Simeon ist nicht mehr.“ Er wusste natürlich, dass Simeon nicht tot war, sondern in Ägypten im Gefängnis saß. Dann sagt er: „Jetzt geschieht denn noch etwas mit Benjamin.“ Diesen wollte er eben nicht nach Ägypten schicken, weil es dort zu einem Unfall mit Todesfolge kommen könnte. Er bedauert sich selbst: „Dies alles kommt über mich.“ Verständlich, der Mann hat so viel Trauriges erlebt.
Dann setzt sich wieder Ruben ein. Interessant: Er will seinem Vater gefallen. Er weiß, dass er sich schwer an seinem Vater verschuldet hat. Auch bei Josef war es ein Problem, dass dieser als Erstgeborener hervorgehoben wurde. Ruben setzt sich für Benjamin ein und sagt: „Meine beiden Söhne darfst du töten, wenn ich ihn nicht zu dir zurückbringe.“ Welche Torheit! Was ist das für ein Angebot? Vater Jakob soll also die zwei Söhne Rubens umbringen, falls Benjamin nicht zurückkommt. Das wäre für ihn eine Genugtuung, und er hätte noch zwei Enkel verloren, die er selbst aus dem Leben geschafft hat. So töricht! Aber man sieht doch, dass Ruben irgendwie ein gutes Verhältnis zu seinem Vater haben will.
Weiter sagt er: „Gib ihn in meine Hand, und ich werde ihn zu dir zurückbringen.“ Jakob antwortet: „Meinen Sohn sollst du nicht mit euch hinabziehen, denn sein Bruder ist tot, und er allein ist übrig geblieben. Sollte ihm auf dem Weg, auf dem ihr zieht, ein Unfall geschehen, so würdet ihr mein graues Haar mit Kummer hinabbringen in den Scheol.“ Für Jakob ist klar: Benjamin geht niemals nach Ägypten. Das wäre für ihn das schrecklichste Elend, das er noch erleben müsste.
Er hat sich so an Josef gehängt und ihn verloren. Jetzt hat er als Ersatz Benjamin, seine letzte Freude im Leben.
Schauen wir in Kapitel 37: Als Jakob meinte, das Blut am Kleid von Joseph sei Beweis, dass er tot ist, sagt er in 37, Vers 35: „Sie wollten ihn ja trösten, aber er weigerte sich, sich trösten zu lassen, und sprach: ‚Denn trauernd werde ich zu meinem Sohn hinabfahren in den Scheol.‘ Und sein Vater beweinte ihn.“
Da sagt er wieder, wenn etwas mit Benjamin geschieht, „so würde ihm ein graues Haar mit Kummer hinabbringen in den Scheol“, ins Totenreich. Hier bedeutet Scheol das Grab. Scheol diesseits ist das Grab, Scheol im Jenseits ist für die Gläubigen das Paradies, für die Verlorenen das Gefängnis, wie 1. Petrus 3 sagt.
Jetzt gehen wir weiter, Kapitel 43: „Und die Hungersnot war schwer im Land. Und es geschah, als sie das Getreide aufgezehrt hatten, das sie aus Ägypten gebracht hatten, da sprach ihr Vater zu ihnen: ‚Zieht wieder hin, kauft uns ein wenig Speise!‘“
Ich muss noch etwas nachtragen. Er sagt ja seinen Söhnen, dass Benjamin nicht mitgehen darf. Joseph ist tot, und wenn jetzt Benjamin auch noch durch einen Unfall mit Todesfolge verloren würde, das ginge nicht.
Diese Männer hätten jetzt auspacken können: „Er ist gar nicht tot. Wir haben ihn verkauft.“ Aber sie sagen nichts. Diese Schuld ist einfach da, und sie ist nicht bereinigt. Sie lastet auf ihnen. Das macht sie so hartgesotten.
Die Schuld ist nicht abgeladen. Sie haben zwar schon einiges eingesehen, aber es braucht noch ein Werk, das weitergeht.
Jetzt ist die Hungersnot so schwer, dass Vater Jakob zum Schluss kommt: „Wir müssen trotzdem wieder Speise kaufen in Ägypten. Zieht hin!“
Vers 3
Und Judas sprach zu ihm und sagte: „Der Mann hat uns ernstlich gewarnt und gesagt: Ihr sollt mein Angesicht nicht sehen, außer wenn euer Bruder bei euch ist. Wenn du unseren Bruder mit uns senden willst, so wollen wir hinabziehen und dir Speise kaufen. Wenn du ihn aber nicht sendest, so werden wir nicht hinabziehen, denn der Mann hat zu uns gesagt: Ihr sollt mein Angesicht nicht sehen, außer wenn euer Bruder bei euch ist.“
Da sprach Israel: „Warum habt ihr mir das Leid angetan, dem Mann mitzuteilen, dass ihr noch einen Bruder habt?“
Ja, danke. Also interessant: Judah sagt seinem Vater, das geht nicht. Wir gehen nicht nach Ägypten. Die Sache ist ganz klar: Dieser harte Mann in Ägypten hat gesagt, der Jüngste muss mit. Wir gehen nicht ohne ihn. Und er setzt sich dafür ein, dass eben Benjamin mitgeht.
Und das war Judah, der den Vorschlag gemacht hat, wir verkaufen Joseph für Geld, in Kapitel 37, das war seine Idee. Aber jetzt merkt man, wie er da sieht: Also, Benjamin muss gehen, aber quasi möchte er dafür sorgen, dass dieser Benjamin dann auch wieder zurückkehrt.
Dann kommt Vater Jakob auf die Idee: Was ist eigentlich mit euch los gewesen? Wieso geht ihr nach Ägypten und erzählt, wir haben noch einen kleinen Bruder zu Hause? Das hätte der harte Mann ja gar nicht wissen müssen. Und jetzt kommt es ans Licht, wie das war.
Judah erklärt: Der Mann erkundigte sich genau (Vers 7) nach uns und unserer Verwandtschaft. So etwas Komisches! Wie kommt der Mann in Ägypten auf die Idee, zu fragen: Wie ist das mit der Verwandtschaft, gibt es da noch einen dazu? Der hätte sich fragen müssen: Was ist das für ein Mann, der sich interessiert für einen noch weiteren kleinen Bruder?
Und weiter: Es wird noch besser. „Und sprach: Lebt euer Vater noch? Habt ihr noch einen Bruder?“ Wie kommt der auf die Idee zu fragen, ob der Vater noch lebt und ob da noch ein Bruder ist? Der hätte sich fragen müssen: Was ist das für ein Mann? Und er hat uns Wegzehrung gegeben.
Weiter Rückkehr: Was geht hier eigentlich ab? Und dann sagt Judah: „Und wir teilten es ihm mit.“ Nach diesen Worten konnten wir denn wissen, dass er sagen würde: „Bringt euren Bruder herab?“ Auf die Idee wären sie ja nie gekommen, dass plötzlich das ein Problem ausmacht.
Vers 8
Judah sprach zu Israel, seinem Vater: „Sende den Knaben mit mir, und wir wollen uns aufmachen und ziehen, dass wir leben und nicht sterben, sowohl wir als auch du, als auch unsere kleinen Kinder.“
Oh, dieser Judah sorgt sich um andere. Den Bruder konnte er einfach verkaufen. Und jetzt denkt er an die kleinen Kinder, die Enkel Jakobs. Aber er sieht: Wir würden ja nicht mehr überleben, wenn wir nicht mit Benjamin hingehen.
Vers 9
„Ich will Bürger für ihn sein. Von meiner Hand sollst du ihn fordern. Wenn ich ihn nicht zu dir bringe und ihn vor dein Angesicht stelle, so will ich alle Tage gegen dich gesündigt haben.“
Ja, danke. Also das ist der Punkt: Judah, der Joseph so gehasst hat, dass er ihn für zwanzig Silberstücke verkaufen wollte, weil er ihn hasste, dass Vater Jakob so eine spezielle Beziehung zu ihm hatte – und der sieht nun, Benjamin ist genau jetzt in der Situation wie früher Joseph. Aber ich bin Bürger, ich setze mich für ihn ein. Ich will gerade stehen, wenn du Benjamin nicht mehr zurückbekommst.
Da ist etwas geschehen. Das ist nicht mehr der gleiche Judah von damals. Das Werk Gottes in den Herzen geht weiter, Schritt für Schritt.
Vers 10
„Denn hätten wir nicht gezögert, gewiss wären wir schon zweimal zurückgekehrt.“
Und Israel, ihr Vater, sprach zu ihnen: „Wenn es denn so ist, so tut dies: Nehmt vom Besten des Landes in eure Gefäße und bringt dem Mann ein Geschenk hinab, ein wenig Balsam und ein wenig Honig, und Ladanum, Pistazien und Mandeln.“
Ja, oh wie peinlich! Vater Jakob hat die Idee: Dieser harte Mann in Ägypten, dieser wirklich stärkste Mann der Welt damals – das ägyptische Reich war wirklich die führende Zivilisation des ganzen Planeten – wir bringen ihm ein bisschen Mandeln, ein bisschen Honig.
Es ist ja fast peinlich, der Mann, der so steinreich ist, und ein solches Geschenk. Also ich als einer der Söhne, mir wäre es so peinlich gewesen. Ja, so geht es manchmal als Sohn. Ich musste auch manchmal Dinge machen, die mir aufgetragen wurden, aber von denen ich gar nicht überzeugt war.
Nun, er sagt das, sechs Dinge zählte er auf und dann noch ein siebtes:
Vers 12
„Und nehmt doppeltes Geld in eure Hand und bringt das Geld, das euch oben in euren Säcken zurückgegeben worden ist, in eure Hand zurück, vielleicht ist es ein Irrtum.“
Ah, dieses unangenehme Silber. Und dann erst noch doppelt! Ja, jeder hatte doppelt bekommen, nämlich zwei Silberstücke für Joseph. Und jetzt sollen sie doppelt, jeder, den doppelten Geldbetrag mitnehmen.
Vers 13
„Nehmt euren Bruder und macht euch auf und kehrt zu dem Mann zurück, und Gott, der Allmächtige, gebe euch Barmherzigkeit vor dem Mann, dass er euch euren anderen Bruder und Benjamin freilasse.“
Und ich: „Wenn ich der Kinder beraubt bin, so bin ich der Kinder beraubt.“
Da nahmen die Männer dieses Geschenk und nahmen doppeltes Geld in ihre Hand und Benjamin und machten sich auf und zogen nach Ägypten hinab, und sie traten vor Josef.
Man sieht diesen lebendigen Glauben von Jakob. Er sagt: „Und Gott, der Allmächtige, El-Schaddai, das ist der Name, Gott der Allmächtige, El-Schaddai, gebe euch Barmherzigkeit vor dem Mann.“
Ja, Joseph hatte damals um Barmherzigkeit, um Gnade gefleht – das hebräische Wort bedeutet „flehen“, um Gnade flehen – und jetzt möge Gott ihm Barmherzigkeit geben bei Joseph. Aber er weiß nicht, wer das ist, und er hofft, Benjamin kommt zurück und auch Simeon.
Und schließlich sagt er: „Aber wenn es Gott anders haben will, dann bin ich bereit, alles zu verlieren.“
Hm, und dann gehen sie mit doppeltem Geld und kommen zu Joseph.
Vers 16: Als Joseph Benjamin bei ihnen sah, sprach er zu dem Mann, der über sein Haus war: „Führe die Männer ins Haus, schlachte Schlachtvieh und richte alles her, denn die Männer sollen mit mir zum Mittagessen kommen.“
Der Mann tat, wie Josef es gesagt hatte, und führte die Männer in das Haus Josefs. Die Männer fürchteten sich jedoch, als sie in das Haus Josefs geführt wurden. Sie sprachen: „Wenn das Geld, das am Anfang wieder in unsere Säcke gelegt wurde, entdeckt wird, werden wir hineingeführt, und man wird über uns herfallen, uns zu Knechten machen samt unseren Eseln.“
Man muss sich beim Lesen jetzt ganz konkret vorstellen, was da mit Joseph geschehen ist. Vers 16: „Und als Joseph Benjamin bei ihnen sah.“ Das sind unglaubliche Emotionen. Er zieht ihn da in Ägypten zu sich, sagt aber nichts und lädt sie zum Mittagessen ein. Doch die Männer bekommen Angst. Sie denken, das sei eine Falle. Plötzlich könnten sie gefangen genommen und versklavt werden.
Diese Schreckenserfahrung war nötig, damit in ihren Herzen ein Werk geschah. Wieder Angst – ich muss all diese Stellen besonders hervorheben, wo sie solche Erfahrungen machen. Das Herz wird schwer, und dann kommt die Angst, sie könnten in Ägypten zu Sklaven gemacht werden. Ist das so schlimm? Joseph wurde ebenfalls geschickt, doch das war kein Problem, dachten sie. Man merkt, was da geschieht. Sie müssen sich überlegen: Wie war das damals, und wie ist es jetzt bei uns?
Vers 19: Sie traten zu dem Mann, der über das Haus Josefs war, und sprachen am Eingang des Hauses: „Bitte, mein Herr, wir sind am Anfang herabgezogen, um Speise zu kaufen. Als wir in der Herberge unsere Säcke öffneten, siehe, da war in jedem Sack Geld, unser Geld nach seinem Gewicht. Wir haben es in unsere Hand zurückgebracht. Anderes Geld brachten wir in unserer Hand herab, um Speise zu kaufen. Wir wissen nicht, wer unser Geld in unsere Säcke gelegt hat.“
Bis hierher! Jetzt haben sie Angst, es könnte etwas Schlimmes geschehen. Sie müssen dem Obersten Beamten Josefs ganz offen von dem Geld erzählen. Sie zeigen Ehrlichkeit und haben eine Frage: „Wir wissen nicht, wer unser Geld in unsere Säcke gelegt hat.“ Sie wissen es nicht, aber der Beamte weiß es.
Vers 23: Er sprach: „Friede euch! Fürchtet euch nicht! Euer Gott und der Gott eures Vaters hat euch einen Schatz in eure Säcke gelegt. Euer Geld ist mir zugekommen.“
Diese Männer, die Söhne Jakobs sind, Nachkommen von Abraham, Isaak und Jakob, den Patriarchen, die den einen wahren Gott kannten, wissen nicht, wer das Geld hineingetan hat. Doch hier in Ägypten, von einem Heiden, hören sie: „Friede euch! Fürchtet euch nicht! Euer Gott, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Gott eures Vaters, hat euch einen Schatz gegeben.“
Er sagt nicht die Göttin Hathor oder Happi, den Nilgott, sondern „Euer Gott“. Das ist der Gott von Jakob, diesem Vater der zehn Brüder. „Ich habe das Geld bekommen. Es gibt kein Problem.“ Was muss in ihnen vorgegangen sein? Unglaublich!
Weiter: Er führte Simeon zu ihnen heraus. Nun sind wir wieder zurück. Der Bruder ist frei und kommt aus dem Gefängnis heraus. So erlebte Simeon, wie es ist, nach langer Gefangenschaft in Ägypten wieder freizukommen. Sie lernen etwas, was Joseph erlebt hat: Er wusste, was es heißt, Sklave zu sein, was es heißt, im Gefängnis in Ägypten zu sein.
Der Mann führte die Männer in das Haus Josefs, gab ihnen Wasser, und sie wuschen sich die Füße. Er gab den Eseln Futter, und sie bereiteten das Geschenk vor, bis Josef zum Mittagessen kam. Sie hatten gehört, dass sie dort essen sollten.
Sie verstehen die Situation nicht mehr – nur Gnade. Das war nicht das Werk eines verbitterten Josef, sondern das Werk eines gottesfürchtigen Joseph, der keine billige Gnade geben wollte. Er wünschte sich, dass etwas in ihren Herzen geschieht und sie die Gnade Gottes erfahren.
Jetzt dürfen sie sogar die Füße waschen, alles wird ihnen angeboten. Dann müssen sie das peinliche Geschenk dem Mann übergeben.
Vers 26: Als Josef nach Hause kam, brachten sie ihm das Geschenk, das sie in der Hand hielten, ins Haus und beugten sich vor ihm nieder zur Erde.
Was bedeutete das für Josef? Jetzt sind es elf, wie im zweiten Traum. Elf Brüder, Benjamin ist auch da! Der Vater fehlt noch.
Weiter: Er fragte nach ihrem Wohlergehen und sprach: „Geht es eurem alten Vater gut, von dem ihr gesprochen habt? Lebt er noch?“
Sie antworteten: „Es geht unserem Knecht, unserem Vater, gut. Er lebt noch.“ Sie nennen Vater Jakob „Knecht“. Jakob war gar nicht einverstanden damit, dass Joseph meinte, sie würden sich einmal vor ihm verbeugen. Sie sagen „dein Knecht“. Wieder erkundigt sich Josef nach diesem alten Mann in Kanaan. Was ist das für ein Mann? Warum hat er so ein Interesse?
Man hätte denken können, dass es nicht möglich ist, dass ein verkaufter Sklave jetzt der mächtigste Mann Ägyptens ist. Aber alles ist so seltsam. Zum zweiten Mal verbeugen sie sich, und Joseph denkt: „Ach, jetzt haben sich meine Träume erfüllt. Es hat sich gelohnt zu warten und auf den Herrn zu vertrauen, bis die Zeit der Erfüllung kam.“
Sie verneigten sich und beugten sich nieder. Josef erhob zum dritten Mal seine Augen, und der Traum hat sich erfüllt. Er sah seinen Bruder Benjamin, den Sohn seiner Mutter, und sprach: „Ist das euer jüngster Bruder, von dem ihr zu mir gesprochen habt?“
Diese Emotionen werden anschaulich beschrieben: „Seine Augen erhob er“ und sah seinen Bruder Benjamin. Dann stellt er die Frage: „Ist das euer jüngster Bruder?“
Und was sagt er zu Benjamin? „Gott sei dir gnädig, mein Sohn!“ Josef nennt seinen kleinen Bruder „mein Sohn“ – ein Kosename für Jüngere. Ebenso nennt Boas im Buch Ruth Ruth „meine Tochter“, weil sie jünger war. Hier sieht Josef seinen kleinen Bruder als „mein Sohn“.
Vers 30: Joseph eilte, denn sein Innerstes wurde erregt wegen seines Bruders. Er suchte einen Ort, um zu weinen, ging in das innere Gemach und weinte dort.
Er kann seine Gefühle nicht mehr zurückhalten. Er muss sich zurückziehen und richtig weinen. Es wird deutlich gesagt: Sein Innerstes wurde erregt.
Wenn man bedenkt, wie oft Joseph in seinem Leben geweint hat, durfte er wissen, dass der Herr immer bei ihm war. Wie es in Jesaja 63,9 heißt: „In all ihrer Bedrängnis war Gott bedrängt.“ Wenn wir in Not sind und weinen, können wir – ob wir es fühlen oder nicht – wissen, dass Jesus genauso mitfühlt.
Vers 31: Er wusch sein Gesicht, kam heraus und bezwang sich. Er sagte: „Tragt Speise auf!“
Man trug für ihn besonders Speise auf, für sie besonders und für die Ägypter, die mit ihnen aßen, ebenfalls besonders. Denn die Ägypter durften nicht mit den Hebräern essen; das war für die Ägypter ein Gräuel.
Sie saßen vor ihm, der Erstgeborene nach seiner Erstgeburt, der Jüngste nach seiner Jugend. Die Männer sahen einander staunend an. Man trug Ehrengerichte von ihm zu ihnen.
Das Ehrengericht Benjamins war fünfmal größer als die Ehrengerichte von allen anderen. Sie tranken und feierten fröhlich mit ihm.
Was geschieht da? Zuerst wurden sie als Spione bezeichnet, und jetzt gibt es dieses Festessen. Allerdings nach kultureller Gepflogenheit aß Joseph nicht mit ihnen, sondern getrennt. Auch die Ägypter, die da waren, aßen separat.
Ich werde das nächste Mal erklären, warum es für die Ägypter ein Gräuel war, mit Kanaanäern zusammen zu essen. Aber sie waren ja zusammen im Palast von Joseph und wurden an die Tische gesetzt, in der Reihenfolge von Ruben.
Wie geht das, dass er weiß, wie die Reihenfolge ist? Wahrscheinlich ist es schwierig, das Alter bei elf Leuten genau einzuschätzen. Manche sehen zehn Jahre jünger aus, andere zehn Jahre älter. Aber sie wurden alle richtig platziert.
Wer ist dieser Mann, der sie so platziert? Der Jüngste wird bevorzugt – sein Ehrengericht ist fünfmal größer. Das muss doch alle eifersüchtig machen, so wie es damals bei Joseph war. Aber sie ertragen es.
Es ist nicht mehr wie früher. Es gibt Menschen, die können es nicht ertragen, wenn jemand bevorzugt wird. Früher konnten sie das bei Joseph nicht ertragen, aber jetzt bei Benjamin schon. Irgendetwas ist mit ihm geschehen.
Aber wir sind noch nicht am Ziel. Nächstes Mal gehen wir weiter mit Kapitel 44. Dort gibt es nochmals eine richtige Krise. Die Gefühle werden tief berührt – zuerst so hoch, dann wieder runter.
Doch all das ist nötig, damit das Werk der Wiederherstellung, der Umkehr und der Buße ein vollständiges, abgeschlossenes Werk wird.
Wir schließen hier.
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