Einführung in die Diskussionen im Tempel
Guten Abend, ich möchte alle ganz herzlich begrüßen. Wir stehen in Lukas 20, eigentlich ab Vers 9, weil wir letztes Mal schon mit diesem Kapitel begonnen hatten. Aber des Zusammenhangs wegen lesen wir nochmals ab Vers 1.
Es geht hier in Lukas 20 und 21 um den Dienstag vor Karfreitag. Den ganzen Tag über gab es Diskussionen im Tempel, und zwar harte Diskussionen.
Wenn wir gleich zu Beginn, bevor wir lesen, noch einen Vers in Erinnerung rufen: Lukas 21, wo der Herr Jesus seinen Jüngern erklärt, was passiert, wenn sie einmal verfolgt werden.
Lukas 21,13: „Es wird euch aber zu einem Zeugnis ausschlagen. Setzt es nun fest in euren Herzen, nicht vorher darauf zu sinnen, wie ihr euch verantworten sollt; denn ich werde euch Mund und Weisheit geben, da alle eure Widersacher nicht werden widersprechen oder widerstehen können.“
Jesus verheißt seinen Jüngern, dass er ihnen Weisheit geben wird, wenn sie herausgefordert werden. Er sagt hier: „Ich werde euch Mund und Weisheit geben.“
Diese Weisheit, die er hat, sehen wir heute in Kapitel 20. Dort spricht er mit ganz verschiedenen Gruppen des Judentums und geht auf ihre Fragen ein. In jedem Fall reagiert er auf eine andere Art und Weise, immer angemessen an die jeweilige Situation.
Dort lernen wir etwas von seiner Weisheit im Umgang mit den Menschen und in der Argumentation über die Wahrheit.
Das hat direkten Bezug auf uns, denn er will uns auch diese Weisheit geben, wenn es nötig ist.
Die Frage nach der Vollmacht Jesu
Also, in diesem Sinn lesen wir Nachmanns Lukas 20,1:
Und es geschah an einem der Tage, als er das Volk im Tempel lehrte und das Evangelium verkündigte, dass die hohen Priester und die Schriftgelehrten mit den Ältesten herzutreten und zu ihm zu sprechen begannen. Sie sagten zu ihm: „Sage uns, in welcher Vollmacht tust du diese Dinge, oder wer ist es, der dir diese Vollmacht gegeben hat?“
Er aber antwortete und sprach zu ihnen: „Auch ich will euch eine Frage stellen. Sagt mir, war die Taufe des Johannes vom Himmel oder vom Menschen?“
Sie überlegten miteinander und sprachen: „Wenn wir sagen, vom Himmel, wird er sagen: Warum habt ihr ihm nicht geglaubt? Wenn wir aber sagen, von Menschen, wird das ganze Volk uns steinigen, denn es ist überzeugt, dass Johannes ein Prophet ist.“
Und sie antworteten: „Wir wissen es nicht, woher.“
Da sprach Jesus zu ihnen: „So sage auch ich euch nicht, in welcher Vollmacht ich das tue.“
Das Gleichnis vom Weinberg
Er begann, dem Volk dieses Gleichnis zu erzählen: Ein Mensch pflanzte einen Weinberg und verpachtete ihn an Weingärtner. Dann reiste er für lange Zeit ins Ausland.
Zur bestimmten Zeit sandte er einen Knecht zu den Weingärtnern, damit sie ihm von der Frucht des Weinbergs geben. Die Weingärtner aber schlugen ihn und schickten ihn leer fort.
Er sandte einen anderen Knecht, doch auch diesen schlugen sie und behandelten ihn schlecht. Wieder schickten sie ihn ohne Frucht fort.
Dann sandte er einen dritten Knecht. Auch diesen verwundeten sie und warfen ihn hinaus.
Der Herr des Weinbergs sprach: Was soll ich tun? Ich will meinen geliebten Sohn senden. Vielleicht werden sie sich scheuen, wenn sie ihn sehen.
Als die Weingärtner den Sohn sahen, überlegten sie miteinander und sagten: Dieser ist der Erbe. Lasst uns ihn töten, damit das Erbe unser werde.
Sie warfen ihn aus dem Weinberg hinaus und töteten ihn.
Was wird nun der Herr des Weinbergs mit ihnen tun? Er wird kommen, diese Weingärtner umbringen und den Weinberg anderen geben.
Als sie das hörten, sagten sie: Das sei fern.
Er aber sah sie an und sprach: Was bedeutet das, was geschrieben steht? Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden.
Jeder, der auf jenen Stein fällt, wird zerschmettert werden. Und wen er fallen lässt, den wird er zermalmen.
Die Reaktion der jüdischen Führer und die Fangfragen
Die Hohenpriester und die Schriftgelehrten suchten zu dieser Stunde, ihm die Hände anzulegen. Doch sie fürchteten das Volk, denn sie erkannten, dass er dieses Gleichnis auf sie bezogen hatte.
Sie beobachteten ihn genau und sandten Aufläufer aus, die sich als fromm ausgaben. Diese sollten ihn in seiner Rede fangen, um ihn der Obrigkeit und der Macht des Statthalters zu überliefern.
Dann fragten sie ihn und sagten: „Lehrer, wir wissen, dass du recht redest und lehrst und die Person nicht ansiehst, sondern den Weg Gottes in Wahrheit lehrst. Ist es uns erlaubt, dem Kaiser Steuer zu geben oder nicht?“
Doch er nahm ihre Arglist wahr und sprach zu ihnen: „Was versucht ihr mich? Zeigt mir einen Denar. Wessen Bild und Aufschrift hat er?“ Sie antworteten: „Des Kaisers.“
Darauf sprach er zu ihnen: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.“
Sie konnten ihn mit seinen Worten vor dem Volk nicht fangen. Deshalb wunderten sie sich über seine Antwort und schwiegen.
Die Sadduzer und die Frage nach der Auferstehung
Es kamen einige der Sadduzer zu Jesus, die einwenden, es gebe keine Auferstehung. Sie fragten ihn und sagten: „Lehrer, Mose hat uns geschrieben, dass, wenn jemand stirbt, der eine Frau hat, aber kinderlos bleibt, sein Bruder die Frau nehmen soll, um seinem Bruder Nachkommenschaft zu erwecken.“
Es waren nun sieben Brüder. Der erste nahm eine Frau und starb kinderlos. Auch der zweite und der dritte nahm sie, ebenso alle sieben. Sie hinterließen keine Kinder und starben. Zuletzt starb auch die Frau.
Sie fragten Jesus: „In der Auferstehung nun, wessen Frau von ihnen wird sie sein? Denn die sieben hatten sie zur Frau.“
Jesus antwortete ihnen: „Die Söhne dieser Welt heiraten und werden verheiratet. Die aber würdig geachtet werden, jener Welt teilhaftig zu sein und der Auferstehung aus den Toten, heiraten nicht und werden auch nicht verheiratet. Denn sie können nicht mehr sterben; sie sind Engeln gleich und sind Söhne Gottes, weil sie Söhne der Auferstehung sind.
Dass aber die Toten auferstehen, hat auch Mose angedeutet, als er beim Dornbusch den Herrn den Gott Abrahams, den Gott Isaaks und den Gott Jakobs nennt. Er ist aber nicht Gott der Toten, sondern der Lebenden, denn für ihn leben alle.“
Einige der Schriftgelehrten antworteten darauf: „Lehrer, du hast gut gesprochen.“ Sie wagten es danach nicht mehr, ihn über irgendetwas zu befragen.
Die Frage nach der messianischen Identität
Er aber sprach zu ihnen: „Wie sagt ihr, dass der Christus Davids Sohn sei, wenn David selbst im Buch der Psalmen sagt: ‚Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße lege‘?
David nennt ihn also Herr. Wie kann er dann sein Sohn sein?“
Bedeutung der Passionswoche und Chronologie der Ereignisse
Wir haben bereits gesehen, dass wir uns hier in der Passionswoche befinden. Diese Woche, von Palmsonntag bis zum Sonntag der Auferstehung, ist in der Bibel so bedeutend, dass man, wenn man alle Verse zusammenzählt, die in den vier Evangelien von dieser Woche sprechen, und die Gesamtsumme aller Verse der Evangelien durch diese Zahl teilt, feststellt, dass etwa ein Drittel der Evangelientexte mit dieser einen Woche zu tun haben. Das bedeutet, etwa 32 Prozent der Evangelientexte beschäftigen sich mit nur einer Woche aus dem Leben Jesu.
Wenn man bedenkt, dass die Evangelien Biografien oder Lebensbeschreibungen des Herrn Jesus sind, ist es erstaunlich, dass ein Drittel der Texte sich auf eine einzige Woche von insgesamt 33 Jahren konzentriert. Das zeigt uns, wie wichtig diese Woche ist. Von Anfang an steuert sie auf den Höhepunkt hin: das Werk der Erlösung am Karfreitag und die siegreiche Auferstehung am dritten Tag, dem Sonntag.
In Kapitel 19 wird der Einzug Jesu nach Jerusalem beschrieben, ab Vers 28. Das war am Sonntag. Die genaue Chronologie dieser Tage lässt sich nur mit dem Markus-Evangelium ermitteln. Dieses Evangelium gibt nämlich genaue Zeitangaben darüber, was an jedem Tag geschehen ist. So kann man strikt diese Chronologie aufstellen, basierend auf den Angaben im Markus-Evangelium.
Am Sonntag haben wir den triumphalen Einzug des Königs nach Jerusalem gesehen. Doch was danach geschah, wurde ab Vers 45 beschrieben: die Tempelreinigung. Diese fand bereits am nächsten Tag, am Montag, statt. Das war eine enorme Herausforderung, denn der Sanhedrin, der oberste Gerichtshof Israels, hatte seit dem Jahr 30 seinen Sitz in der Königin-Säulenhalle, der prächtigen Südhalle des Tempels in der Südostecke. Dieser Gerichtshof hatte die Erlaubnis gegeben, im Tempel zu verkaufen.
Nun kam ein Mann aus Galiläa und jagte alle Verkäufer hinaus. Er stellte sich damit gegen den höchsten Gerichtshof Israels. Daraus ergibt sich die Frage: Mit welchem Recht konnte er das tun? Wenn er eine Vollmacht hat, die höher ist als die des Sanhedrins, dann ist das möglich. Doch wenn nicht, müsste er sterben. Denn 5. Mose erklärt, dass jemand, der sich gegen den höchsten Gerichtshof an dem Ort stellt, an dem Gott seinen Namen wohnen lassen wird – also in Jerusalem –, sterben muss.
Das erklärt, warum in Kapitel 20, Vers 1, am Dienstag die Hohenpriester, die Schriftgelehrten und die Ältesten, also Mitglieder des Sanhedrins, zusammenkommen. Sie stellen die Frage: „In welcher Vollmacht tust du diese Dinge?“ Sie wollen wissen, woher Jesus seine Vollmacht hat, die höher ist als die des Sanhedrins.
Diese Vollmacht hat Jesus, wenn er der Messias ist. Doch Jesus sagte nicht einfach: „Ich bin der Messias, deshalb kann ich das.“ Stattdessen stellte er eine Gegenfrage: „War die Taufe von Johannes von Gott oder von den Menschen?“ Diese Frage war entscheidend. Johannes der Täufer wurde damals von der Volksmasse in Israel als echter Prophet Gottes anerkannt. Die führenden Leute ließen sich nicht von Johannes taufen, im Gegensatz zu vielen aus dem Volk.
Sie wussten: Wenn sie sagen, die Taufe sei nicht von Gott, wird das Volk gegen sie aufbegehren. Wenn sie aber sagen, sie sei von Gott, dann wird Jesus fragen: „Warum habt ihr nicht geglaubt?“ Damit wäre die Frage beantwortet: Jesus ist der Messias, denn Johannes der Täufer hatte ihn als solchen angekündigt.
Aus diesem Grund antworteten sie – und das war eine Lüge: „Wir wissen es nicht.“ Darauf sagte Jesus: „Ich sage euch auch nicht.“ Wenn sie so unwahrhaftig sind, gibt er keine weitere Antwort mehr.
Die Weisheit Jesu im Umgang mit den Gegnern
Das zeigt uns übrigens, dass das, was wir vielleicht als Kinder gelernt haben – dass Gegenfragen unhöflich sind – nicht ganz stimmt. Gegenfragen können unhöflich sein, und nebenbei gesagt, ist das sehr jüdisch.
Einmal wurde ein Jude gefragt: „Warum stellt ihr immer Gegenfragen?“ Er antwortete darauf: „Wieso eigentlich nicht?“ Es ist also sehr jüdisch. Gegenfragen können unhöflich sein, aber der Herr Jesus zeigt uns hier in diesem Beispiel, dass es auch die Weisheit Gottes sein kann, in einem bestimmten Fall eine Gegenfrage zu stellen.
Damit war die Sache für den Herrn jedoch nicht erledigt. Ab Vers 9 fügt er ein Gleichnis hinzu. Dabei richtet er sich an die Volksmenge.
Er begann also, zu dem Volk dieses Gleichnis zu sagen. Auf dem Tempelplatz, wo diese Diskussionen aus Kapitel 20 stattfinden, war eine große Volksmenge versammelt. Diese Menge bekam alles mit – die Auseinandersetzung zwischen den Führern des Volkes Gottes und dem Herrn.
Darum bezog der Herr auch das Volk mit ein. Dieses Gleichnis ist eine wunderbare, knappe Darstellung der gesamten Geschichte des Alten Testaments.
Das Gleichnis im Kontext des Alten Testaments
Nimmt er da nicht Bezug auf Jesaja 5? Doch, genau. Jesaja 5 handelt vom Weinberg, den Gott gepflanzt hat. Dort wird auch gleich erklärt, was die Symbolik des Weinbergs bedeutet.
Man kann Jesaja 5 ab Vers 1 lesen. Dort finden wir das Lied vom Weinberg Gottes: „Mein Geliebter hatte einen Weinberg auf einem fetten Hügel“ und so weiter. Gleich darauf wird die Bedeutung erläutert, siehe Vers 7: „Der Weinberg des Herrn der Heerscharen ist das Haus Israel, und die Männer von Juda sind die Pflanze seiner Lust. Er erwartete Rechtsspruch, und siehe, da war Rechtsbruch; Gerechtigkeit, und siehe, da war Geschrei über Schlechtigkeit.“
Hier wird also klar gesagt, dass der Weinberg Israel symbolisiert. Damit ist auch klar, dass die Weingärtner die Führer des Volkes Israel sind. Genau um diese geht es jetzt.
Das Alte Testament wird in diesem Gleichnis noch kürzer zusammengefasst als in Hebräer 1. Lesen wir dazu Hebräer 1,1: „Nachdem Gott vielfältig und auf vielerlei Weise ehemals zu den Vätern in den Propheten geredet hat, hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet, dem Sohn, den er zum Erben aller Dinge eingesetzt hat, durch den er auch die Welten gemacht hat.“
Die Geschichte des Volkes Israel wird hier so beschrieben: Gott hat vielfältig und auf vielerlei Weise zu den Vätern in den Propheten gesprochen. Die Geschichte Israels ist eine Geschichte der Propheten, die oft gesprochen haben – das heißt vielfältig. Sie sprachen auf ganz verschiedene Arten: Sie dichteten Lieder, gaben prophetische Botschaften weiter, hatten Visionen und Auditionen, das heißt, sie hörten einfach die Stimme Gottes und mussten diese weitergeben.
Auf vielerlei Weise, auf ganz unterschiedliche Art, hat Gott ehemals zu den Vorfahren der Hebräer, des jüdischen Volkes, in den Propheten gesprochen. Dann kam der Höhepunkt: Am Ende dieser Tage des Alten Testaments sprach Gott im Sohn. Er schickte seinen Sohn.
Genau das sehen wir in dem Gleichnis, in Vers 10: Zu einer bestimmten Zeit schickt der Besitzer des Weinbergs, also Gottvater, einen Knecht zu den Weingärtnern. Doch dieser wird geschlagen und leer fortgeschickt. Das ist ein Beispiel für einen Propheten, der das Schicksal erlitt, vom Volk Israel abgelehnt zu werden. Immer wieder geschah es, dass die Propheten verfolgt und getötet wurden.
In Vers 11 wird ein zweiter Knecht gesandt, ein weiteres Bild für einen Propheten. Auch er wird verächtlich behandelt. In 2. Chronik 36 finden wir sogar ein Beispiel, dass die Propheten verspottet wurden. Sie wurden verächtlich behandelt und zum Spott nachgemacht, bevor man sie fortschickte.
Dann, in Vers 12, wird ein dritter Knecht verwundet und aus dem Weinberg hinausgeworfen.
Der Höhepunkt folgt: Der Herr des Weinbergs schickt seinen geliebten Sohn. Nun ist klar, wer gemeint ist: der Herr Jesus. Wie Hebräer 1,1 sagt, hat Gott am Ende dieser Tage im Sohn gesprochen.
Was machen sie mit ihm? Genau das Gleiche, was die Generationen zuvor mit den Propheten gemacht haben: Sie töten ihn. Damit richtet sich Jesus direkt an den Sanhedrin, der ihn wenige Tage später, am Freitag, zum Tod verurteilen wird.
Dieses Gleichnis ist eindrücklich: Der geliebte Sohn wird hinausgeworfen. Aber der Herr warnt, dass das Konsequenzen haben wird. In Vers 16 heißt es, dass er kommen wird, um die Weingärtner zu töten und den Weinberg anderen zu geben.
Das bedeutet, dass ein furchtbares Gericht kommen wird, das sich im Jahr 70 erfüllte, als die Römer Jerusalem belagerten. In einem Krieg von 140 Tagen wurde die Stadt dem Erdboden gleichgemacht, einschließlich des Tempels. Mehr als eine Million Menschen starben, unzählige wurden gekreuzigt, und rund 97.000 wurden in die Kriegsgefangenschaft geführt.
Diese Prophetie ist gewaltig und fasst das Alte Testament knapp zusammen. Sie führt zu den Ereignissen, die in den Evangelien berichtet werden, und zur Reaktion des Volkes.
„Das sei ferne!“ – so sagen sie. So etwas darf es nicht geben! Dennoch wurde es wenige Tage später Realität: Eine Volksmenge, aufgepeitscht durch die Führer, schreit vor Pilatus „Kreuzige ihn, kreuzige ihn!“
Das ist eine dramatische Situation, die hier geschildert wird.
Erfüllung der Prophetie am Kreuz
In Vers 15 lesen wir, dass vom geliebten Sohn gesagt wird, er sei hinausgeworfen und getötet worden. In Hebräer 13,12 heißt es: „Darum hat auch Jesus, um das Volk durch sein eigenes Blut zu heiligen, außerhalb des Tores gelitten.“
Das bedeutet, dass Jesus außerhalb der Stadt auf Golgata gelitten hat. Golgata liegt in einem ausgedienten Steinbruch draußen vor dem Gennatt-Tor. Dieses Tor wurde übrigens in jüngerer Vergangenheit ausgegraben. Nach dem Sechstagekrieg war es möglich, im jüdischen Quartier zu graben, und dabei entdeckte man das Gennatt-Tor in der zweiten Stadtmauer von damals.
Draußen an diesem Ort liegt Golgatha, wo der Sohn hinausgeworfen wurde. Den Herrn Jesus haben wir bereits beim letzten Mal betrachtet. In diesem Zusammenhang zitiert er, als das Volk sagt, das sei ferne, aus Psalm 118, Vers 22: „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, dieser ist zum Eckstein geworden.“ Diesen Vers haben wir beim letzten Mal ausführlicher behandelt.
Der Stein ist eine Bezeichnung für den Messias, und der Eckstein ebenfalls. Wir werden gleich noch genauer darauf eingehen, um das zu belegen. Von diesem Eckstein, der den Messias bezeichnet, wird gesagt, dass die Bauleute ihn verworfen haben. Im Aramäischen von damals bedeutete das Wort „Bauleute“ die Lehrer des Gesetzes, also diejenigen, die zur Auferbauung das Wort Gottes verkündigen sollten. Sie wurden Bauleute genannt.
So war die Verbindung sofort klar: Wenn der Herr sagt, „der Stein, den die Bauleute verworfen haben, dieser ist zum Eckstein geworden“, machte er dem Volk deutlich, dass die Schrift genau das vorausgesagt hatte. Die jüdische Führerschaft würde den Messias verwerfen. Das war keine unglaubliche Sache, sondern so sollte es kommen.
Dann sagt er zwei Dinge über diesen Stein, nämlich in Vers 18: „Er fällt auf gewisse.“ Nein, „er fällt auf gewisse, aber das ist schon die zweite Gruppe.“ Ja, das ist richtig. „Er fällt auf gewisse, und die werden dann zermalmt.“
Was steht bei dir? „Zerschmettert“? Ach so, es sind zwei verschiedene Ausdrücke. Die Elberfelder Übersetzung hat es korrekt: „Jeder, der auf jenen Stein fällt, wird zerschmettert werden; auf wen er aber fällt, den wird er zermalmen.“ Das sind zwei verschiedene Dinge.
Bevor ich das noch näher erkläre, wollte jemand zwischendurch noch etwas sagen? Nein? Gut, dann schauen wir uns das an. Das ist eine Anspielung auf Jesaja 8 und Daniel 2.
Der Stein des Anstoßes und die Prophetie aus Jesaja 8
Wenn wir Jesaja 8 aufschlagen, finden wir eine Stelle, die schon die alten Rabbiner in der rabbinischen Literatur auf den Messias angewandt haben. Sie sagten, dass der Messias hier beschrieben wird, insbesondere in Vers 14. Dort heißt es:
„Und er wird zum Heiligtum sein und zum Stein des Anstoßes und zum Fels des Strauchens für die beiden Häuser Israels, zum Klappnetz und zur Falle für die Bewohner Jerusalems. Und viele unter ihnen werden stürzen, fallen, zerbrechen, verstrickt und gefangen werden.“ (Jesaja 8,14-15)
Die Rabbiner sahen darin eine Beschreibung des Messias als Stein des Anstoßes und Fels des Strauchens. Es wird gesagt, dass der Messias abgelehnt wird und dass man sich an ihm ärgern und über ihn stolpern wird. Man muss sich vorstellen, wie jemand über einen herausragenden Felsen stolpert und fällt. Dieses Bild wird hier verwendet: Wer über diesen Fels strauchelt, wird fallen und zerschmettert werden.
Jesus selbst sprach in Lukas 20 davon, dass derjenige, der auf diesen Stein fällt, zerschmettert wird, weil er an diesem Fels des Strauchens strauchelt. Das wird in Jesaja 8,15 beschrieben: Viele werden straucheln, fallen und zerschmettert werden. Es heißt auch, sie werden verstrickt und gefangen genommen. Dies ist eine Prophetie auf das Jahr 70 n. Chr., als viele zerschmettert wurden, über eine Million Menschen ums Leben kamen und etwa 97.000 in Kriegsgefangenschaft geführt wurden. Deshalb heißt es weiter: „verstrickt und gefangen werden“. Alles hat sich genau so erfüllt.
Wichtig ist dabei, dass in Vers 15 steht: „Viele unter ihnen werden straucheln“, nicht alle. Es gab einen Überrest aus Israel, der erkannte, dass Jesus von Nazareth der Messias ist. Die große Masse aber lehnte ihn ab.
Interessant ist auch, dass es in Vers 14 heißt: „Und er wird zum Heiligtum sein.“ Schon alttestamentlich war bekannt, dass der Tempel in Jerusalem ein Bild des Messias ist. Jesus selbst sagte bei der Tempelreinigung in Johannes 2 zu den führenden Juden: „Brecht diesen Tempel ab, und in drei Tagen werde ich ihn aufrichten.“ Sie entgegneten, dass für den Tempel 46 Jahre gebaut worden seien, und er wolle ihn in drei Tagen aufrichten. Johannes erklärt, dass Jesus von dem Tempel seines Leibes sprach.
So sehen wir, dass der Messias die Erfüllung des Symbols Tempel ist. Symbol und Erfüllung sind eng miteinander verbunden, doch der Messias ist die Erfüllung des Tempels. Er ist das Heiligtum, denn in ihm war der dreieine Gott auf einzigartige Weise unter den Menschen gegenwärtig. Deshalb heißt es in Kolosser 1, dass es das Wohlgefallen der Fülle Gottes war, in ihm zu wohnen. Die Fülle der Gottheit – Vater, Sohn und Heiliger Geist – wohnt leibhaftig in Jesus, dem Menschensohn.
Jesaja nennt den Messias den Stein des Anstoßes und den Fels des Strauchens für die beiden Häuser Israels. Das ist interessant, denn das eine Haus Israel ist Juda, das andere die zehn Stämme, auch Ephraim genannt. In Hosea wird Ephraim oft als Name für die zehn Stämme verwendet, weil Jerobeam, der erste König über die zehn Stämme nach Salomo, aus dem Stamm Ephraim stammte. Ephraim war der führende Stamm und gab den zehn Stämmen ihren Namen. Die zwei Stämme Juda und Benjamin, aus denen die Könige stammten, werden zusammen als Juda bezeichnet. Das sind die beiden Häuser Israels.
Hier wird gesagt, dass der Messias für beide Häuser zum Fallstrick wird. Das ist ein Problem für diejenigen, die meinen, die zehn Stämme seien nach 722 v. Chr. von den Assyrern deportiert worden und hätten sich in der Geschichte verloren. Sie seien nicht betroffen und hätten den Messias nicht abgelehnt – nur das Haus Juda habe ihn abgelehnt. Das ist falsch.
In 2. Chronik 10-12 lesen wir, dass schon unter Jerobeam viele aus den zehn Stämmen zum Südreich überliefen. Auch in 2. Chronik 15 bei Asa werden Menschen aus verschiedenen Stämmen genannt, die in den Süden flohen, weil sie sahen, dass der Herr mit ihnen war. Später lud Hiskia sogar Leute aus den zehn Stämmen ein, nach Juda zu kommen. So gab es Überläufer aus allen zehn Stämmen, die in Juda blieben.
Das bedeutet, dass das, was man Juda nennt, die Stämme Juda, Benjamin und den Priesterstamm Levi sowie Menschen aus allen anderen Stämmen umfasst. Zur Zeit Jesu gab es tatsächlich alle zwölf Stämme im Land. Deshalb heißt es in Lukas 2, dass die Prophetin Hanna, die auf den Messias wartete, aus dem Stamm Asser stammte – einer der zehn Stämme.
Paulus sagt in seiner Rede vor Agrippa in Apostelgeschichte 26 von „unserem zwölfstämmigen Volk“, das Gott Tag und Nacht dient, quasi im Tempel. Es ist also nicht nur das zweistämmige oder dreistämmige Volk, sondern alle zwölf Stämme.
Nun wird auch klar, warum Jakobus in Jakobus 1,1 schreibt: „Jakobus, Knecht Gottes, den zwölf Stämmen, die in der Zerstreuung sind, seinen Gruß.“ Er schreibt an messiasgläubige Juden, die alle zwölf Stämme repräsentieren. Vor etwa 2000 Jahren konnten sie in der Regel nachweisen, aus welchem Stamm sie stammten.
Doch im Jahr 70 n. Chr., bei der Zerstörung Jerusalems, verbrannten die Römer das Archiv der Geschlechtsregister. Deshalb verloren die meisten Juden später die Kenntnis über ihren genauen Stamm. Dennoch sind unter dem, was heute Juden genannt werden, alle zwölf Stämme vertreten.
Daher spricht Jesaja von den beiden Häusern Israels. Das wollte ich nur erklären. Edmund könnte noch Jesaja 8,16 vorlesen. Dort heißt es:
„Versiegle die Weisung unter meinen Jüngern.“
Wörtlich übersetzt heißt es: „Binde das Zeugnis zu.“ Das bedeutet, Gott sagt, dass das Zeugnis Gottes, die Bibel, ein verschlossenes Buch für das Volk wird, das den Messias verworfen hat. Sie sollen es nicht mehr verstehen können.
Das entspricht genau dem, was Paulus in Römer 11 beschreibt. Israel wird dort als Ölbaum dargestellt, das von Gott gegebene Zeugnis in der Welt. Durch die Verwerfung des Messias wurde dieses Zeugnis den Gläubigen aus den Heidenvölkern gegeben. Sie wurden als wilde Ölbaumzweige in den kultivierten Ölbaum eingepfropft. Jesus sagt in Lukas 20,16, dass er kommen wird und die bösen Weingärtner töten und den Weinberg anderen geben wird. Das bedeutet, Gott nimmt das Zeugnis vom jüdischen Volk weg und gibt es der Gemeinde, die größtenteils aus Gläubigen aus den Heidenvölkern besteht, zusammen mit den Zweigen, die nie ausgerissen wurden – den messiasgläubigen Juden.
Römer 11 macht aber auch deutlich, dass der Tag kommen wird, an dem Gott das Zeugnis wieder ganz dem Volk Israel geben wird. Er wird die ausgerissenen Ölzweige wieder einsetzen. Er kann das und wird es tun. Israel wird wieder das Zeugnis Gottes auf der Erde sein.
Doch hier in Jesaja 8,16 heißt es, dass das Zeugnis ihnen verschlossen, versiegelt wird – ein versiegeltes Buch unter meinen Jüngern. Das bedeutet, dass diejenigen, die dem Herrn Jesus, dem Messias, nachfolgen und sich nicht an ihm ärgern, die Bibel verstehen. Das ist beeindruckend.
Darum erleben manche orthodoxe Juden, wenn sie mit Gläubigen aus den Heiden sprechen, die der Gemeinde angehören, eine erstaunliche Erfahrung. Sie merken, dass diese Gläubigen die Bibel oft viel besser kennen, Zusammenhänge sehen, die im Judentum nicht bekannt sind, und das prophetische Wort auf eine Weise verstehen, die sonst nicht bekannt ist. Das bestätigt die Aussage „versiegle das Gesetz unter oder inmitten meiner Jünger“.
Ich wollte das gerne Vers für Vers erklären. Ich bin der Herr Jesus, der Messias, und ich kann das absolut sagen – warum? Weil der Heilige Geist das so erklärt.
Schlagen wir Hebräer 2 auf. Manche ärgern sich, wenn man etwas absolut sagt, aber man kann mit dem Wort Gottes absolut sein. In Hebräer 2,11 heißt es:
„Denn sowohl der, welcher heiligt, als auch die, welche geheiligt werden, sind alle von einem. Aus diesem Grund schämte er sich nicht, sie Brüder zu nennen, indem er spricht: ‚Kundtun will ich deinen Namen meinen Brüdern, inmitten der Gemeinde will ich dir Lob singen.‘“
Hier wird aus Psalm 22 zitiert, wo die Leiden Jesu am Kreuz beschrieben werden. Dann heißt es: „Du hast mich erhört von den Hörnern der Büffel.“ Und weiter: „Ich will deinen Namen kundtun, inmitten der Versammlung will ich dir Lob singen.“ Das spricht der auferstandene Messias, der die Gläubigen Brüder nennt. Er schämt sich nicht, sie so zu nennen. Er ist es, der jetzt in der Gemeinde Gott Lob singt.
In Vers 13 heißt es weiter:
„Und wiederum, ich will mein Vertrauen auf ihn setzen, und wiederum: Siehe, ich und die Kinder, die Gott mir gegeben hat!“ (Jesaja 8,17-18)
Jesaja 8,17 sagt: „Ich will auf den Herrn harren.“ Das ist das Wort, das der Heilige Geist in den Mund Jesu legt: „Ich will mein Vertrauen auf ihn setzen.“ Dann heißt es in Vers 18: „Siehe, ich und die Kinder, die der Herr mir gegeben hat.“
Jesus verbindet sich mit dem Überrest aus den Juden und, wie das Neue Testament zeigt, auch mit den Heidenvölkern. Das sind seine Jünger, die er die Kinder nennt, die Gott ihm geschenkt hat.
In Johannes 17 spricht Jesus als ewiger Sohn zum Vater und sagt immer wieder von den Gläubigen, die der Vater ihm gegeben hat. Wir sind ein Geschenk des Vaters an den Sohn. Wer würde so etwas von sich behaupten? Doch so steht es in der Bibel.
Darum sagt Jesus: „Siehe, ich und die Kinder, die der Herr mir gegeben hat.“ Wenn wir als Gemeinde zusammenkommen, um Anbetungslieder zu singen, stimmt Jesus in unseren Herzen das Lob an: „Inmitten der Versammlung will ich dir Lob singen.“ Wir öffnen das Wort Gottes, und er gibt Licht und Verständnis, während im Judentum das Wort verschlossen bleibt.
Noch mehr: Jesaja 8,17 sagt weiter:
„Und ich will auf den Herrn harren, der sein Angesicht verbirgt vor dem Haus Jakob, und will auf ihn hoffen.“
Das bedeutet, dass Gott sein Angesicht vor Israel als Volk verbirgt, das den Messias ablehnt. Das lässt sich konkret belegen.
Nach den schrecklichen Ereignissen des Zweiten Weltkrieges und der Vernichtung von sechs Millionen Juden konnte Martin Buber vor den Nazis fliehen. Er ging in die USA und hielt dort nach dem Krieg Vorträge, die in einem kleinen Büchlein mit dem Titel „Gottesfinsternis“ zusammengefasst wurden. Buber, ein Religionsphilosoph, glaubte an Gott, sagte aber, es sei wie bei einer Sonnenfinsternis. Das Wort „Gottesfinsternis“ hat er selbst geprägt.
Bei einer Sonnenfinsternis ist die Sonne zwar da, aber verborgen. So wollte Buber sagen, dass Gott in unserer Zeit verborgen ist. Viele Menschen in der modernen Gesellschaft sagen: „Ich spüre nichts von Gott.“ Das liegt daran, dass sie unter einer Gottesfinsternis leiden.
Es ist genau diese Erfahrung: Gott verhüllt sein Angesicht. Viele fragen: „Wo war Gott in Auschwitz?“ Gott hat nie aufgehört zu existieren. Er war auch dort, aber sein Angesicht war verhüllt. Das gilt für die vergangenen zweitausend Jahre, in denen das jüdische Volk so viel Verfolgung erlitten hat. Es war eine Gottesfinsternis, die in Jesaja 8,17 vorausgesagt wurde.
In Vers 18 heißt es nochmals:
„Siehe, ich und die Kinder, die der Herr mir gegeben hat.“
Der Messias verbindet sich mit all den ihm geschenkten Kindern Gottes aus dem jüdischen Volk und den Heidenvölkern. Er sagt: „Wir sind zu Zeichen und Wundern in Israel.“ Das hebräische Leot ulemophet bedeutet Zeichen und Wunder oder auch Vorbild und Warnung.
Das ist ein Phänomen: Wie kommt es, dass in den vergangenen 2000 Jahren Millionen von Nichtjuden zur Erkenntnis gekommen sind, dass Jesus von Nazareth, dieser Jude, der Messias ist? Er ist Erlöser für Israel und alle Völker.
Während also in 2000 Jahren nur ein relativ kleiner Überrest aus Israel zum Glauben kam, sind unter den Völkern Millionen zum Glauben gekommen. Und wenn ich von Millionen spreche, meine ich nicht nur jene, die sich Christen nennen, aber keine wirklichen Christen sind – so wie manche Schneider heißen und keine Schneider sind.
Allein heute schätzt man die Untergrundkirche in China auf etwa hundert Millionen Gläubige, die bereit sind, einen hohen Preis für ihren Glauben zu zahlen. Über 2000 Jahre sind Menschen aus allen Nationen zum Glauben gekommen.
Der Herr sagt: „Wir sind zu Zeichen und Wundern in Israel.“ Das ist ein Wunder, das Gott gewirkt hat. Alles ist so kompakt in Jesaja erklärt.
Wie sind wir auf Jesaja gekommen? Der Herr spricht von denen, die auf den Stein fallen und zerschmettert werden. Dann spricht er von einer zweiten Gruppe: Der Stein wird auf sie fallen und sie zermalmen. Das ist eine Anspielung auf Daniel 2.
Die Endzeit und die Zermalmung der Weltreiche
Ja, genau. Schlagen wir Daniel 2 auf. Dort finden wir die Prophetie über das Standbild, das die vier Weltreiche bezeichnet.
Daniel beschreibt den Kopf aus Gold als das Babylonische Reich. Der nächste Teil der Statue steht für das Medopersische Reich, gefolgt vom Griechischen Reich. Die Beine bis hin zu den Füßen symbolisieren das Römische Reich und schließlich das moderne Europa.
Nun lesen wir in Daniel 2 weiter. In der Vision sieht der König, und Daniel erklärt in Daniel 2, Vers 34, einen Stein. Dort heißt es: „Du schaust, bis ein Stein losbrach, und zwar nicht durch Hände, sondern durch Hände.“ Der Stein trifft das Bild an seinen Füßen aus Eisen und Ton und zermalmt sie.
Gleichzeitig werden das Eisen, der Ton, die Bronze, das Silber und das Gold zermalmt. Sie werden wie Spreu aus dem Sommerdreschplatz, die der Wind fortträgt, und es ist keinerlei Spur mehr von ihnen zu finden. Der Stein, der das Bild zerschlagen hat, wird zu einem großen Berg und erfüllt die ganze Erde.
Das ist der Traum, und seine Deutung wollen wir vom König ansagen lassen. Es wird also klar, dass die vier Teile der Statue für vier Weltreiche stehen. Der Stein hingegen ist der Messias, der am Ende der Tage das tausendjährige Friedensreich aufrichten wird.
Wenn er kommt, wird er die Statue treffen und zermalmen – das ist der Ausdruck „zermalmen“. Darum war es mir so wichtig, dass das in Lukas 20 korrekt übersetzt ist. Im ersten Fall heißt es: „Jeder, der auf diesen Stein fällt, wird zerschmettert werden.“ Das ist die Katastrophe des Jahres siebzig, nach Jesaja 8.
Aber auf wen der Stein fällt, den wird er zermalmen. Das ist der Messias, wenn er kommt in der Endzeit, um das neue Europa zu vernichten und überhaupt alles, was auf dieser Erde ihm entgegensteht, zu zermalmen und dann sein Reich aufzurichten.
Die Reaktion der Schriftgelehrten und der Augenkontakt Jesu
Und die Reaktion der Schriftgelehrten
Vers 19: Die Schriftgelehrten und die Hohenpriester suchten in derselben Stunde, die Hände an ihn zu legen. Das ist ihre Reaktion. Sie versuchen, ihn zu töten. Damit bestätigen sie jedoch gerade nochmals, dass sie sich an dem Stein stoßen. Aber es ist noch nicht Zeit, hier an diesem Dienstag.
Sie fürchten das Volk, denn sie erkennen, dass er dieses Gleichnis im Hinblick auf sie gesprochen hat. Die haben es verstanden: Der Herr meinte sie. Aber in welcher feinen Art hat der Herr das gemacht? Er hat nicht einmal gesagt: „Ich bin der Messias“, sondern sprach in Gleichnissen. Er deutet an auf die Prophetien aus Jesaja 8, Daniel 2 und Psalm 118. Eine feine Art also. Wirklich, wer ein Ohr hat zu hören, der hört und versteht. Sie merken, dass das auf sie bezogen ist, lehnen diesen Bezug aber natürlich ab. Das ist das Problem.
Interessant ist auch Vers 17, wo es heißt: „Er aber sah sie an.“ Ich denke, das war ein Augenblick, in dem die Schriftgelehrten sicher enorm getroffen wurden. In Vers 17 sagt er: „Er aber sah sie an und sprach.“ Wobei hier das Volk gemeint ist. Er sagt dieses Gleichnis zu dem Volk, wie in Vers 9. Und das Volk sagt dann: „Eben Sie, das sei ferne.“ Dann heißt es ausdrücklich: „Er aber sah sie an und sprach: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, dieser ist zum Eckstein geworden.“
Das heißt also, der Herr hat Augenkontakt mit den Leuten im Volk aufgenommen. Was muss das für sie gewesen sein? Die Augen des Sohnes Gottes direkt! Wir werden in Lukas etwas später noch einmal etwas über Augenkontakt mit dem Herrn Jesus sehen.
Petrus verleugnet den Herrn dreimal. Dann heißt es plötzlich, er war noch im Privathaus von Kajafas drin, und Petrus und Johannes waren draußen im Hof. Dann kam eine Situation, in der der Herr von innen Blickkontakt zu Petrus hatte. Er blickte ihn an, und Petrus brach zusammen und ging weinend hinaus.
Noch etwas später gibt es diesen Augenkontakt, als Judas kommt und ihn küsst. Der Herr Jesus sagt: „Freund.“ Wenn man jemandem nur „Freund“ sagt, dann sagt man nicht einfach nur „Freund“, sondern das ist Augenkontakt. „Freund, wozu bist du gekommen?“ Und Judas bricht nicht zusammen.
Ja, aber es gibt noch mehr Stellen, an denen man solche Dinge sieht, wie der Herr eben ausdrücklich anblickt. Das sind ganz kostbare Stellen, die wirklich zeigen, wie der Herr den ganz persönlichen Kontakt zu uns sucht. Es ist wichtig, dass wir diesen Kontakt auch suchen.
Im Psalm 32, Vers 8 heißt es: „Mein Auge auf dich richtend will ich dir raten, den Weg, den du gehen sollst.“ Seid nicht wie die Pferde und Esel, die man mit Zaum und Zügel bändigen muss. Dort heißt es: „Mein Auge auf dich richtend will ich dir raten.“ Aber dazu ist es nötig, dass ein Augenkontakt da ist.
Wenn Gläubige fragen: Wie kann ich wissen, was der Wille des Herrn ist? Wie kann ich wissen, welcher Weg mein Weg sein soll, wenn kein Augenkontakt da ist? Man muss wirklich die Gemeinschaft mit dem Herrn suchen, in der persönlichen Andacht, im persönlichen Glaubensleben und im Umgang mit dem Herrn. Dann kann er uns raten und den Weg weisen.
Das ist eigentlich die schönste Art von Erziehen. Es gibt Kinder, die kann man nur anschauen, und sie wissen, was los ist und gehorchen. Das ist die einfache Art von Erziehen. Das hätte ich mir immer gewünscht, dass es nur so geht. Aber das sind besondere Momente, es braucht mehr.
So möchte der Herr uns erziehen und führen.
Die Versuche, Jesus in eine Falle zu locken
Vielen Dank für den Hinweis. Nun fahren wir mit Vers 20 fort: Jetzt schicken sie Aufpasser, die sich verstellen, als ob sie gerecht wären, um ihn in der Rede zu fangen. Vergleicht man das mit Matthäus 22, Verse 15-16, sieht man, dass diese Aufpasser Jünger der Pharisäer waren. Es waren also Pharisäer zusammen mit Herodianern.
Die Herodianer waren eine Gruppe im Judentum, die mit der Dynastie von Herodes verbündet war und damit auch Verbündete der Römer. Diese Gruppen passen eigentlich überhaupt nicht zusammen – Pharisäer und Herodianer sind wie Feuer und Wasser. Trotzdem sehen wir hier in Lukas 20 die verschiedensten Gruppen des Judentums zusammenkommen.
Als Nächstes treten in diesem Kapitel die Sadduzäer auf. Diese waren eine ganz andere Richtung im Judentum. Alle Gruppen kommen zusammen, und an diesem Tag, an diesem Dienstag, wird klar: Alle lehnen ihn ab. Alle ärgern sich an dem Fels des Strauchelns.
In Vers 21 sagen sie: „Wir wissen, dass du recht redest und lehrst und die Person nicht ansiehst, sondern den Weg Gottes nach der Wahrheit lehrst.“ Das ist unglaublich. Ganz erklärte Feinde im Herzen können so schön sprechen. Man denkt, so etwas gibt es nicht. Doch, das gibt es, und es gibt es auch heute noch.
In Römer 16, Vers 15 heißt es: „Ich ermahne euch aber, Brüder, dass ihr achtet auf die, welche entgegen der Lehre, die ihr gelernt habt, Parteiungen und Ärgernisse anrichten, und wendet euch von ihnen ab.“ Sie stiften Zwiespalt und Ärgernis. Ärgernis bedeutet eigentlich ein Stolperholz oder etwas, das im Weg steht, über das man stolpert. Diese Leute sprechen gegen die Lehre, die die Gemeinde immer gehört hat.
In Vers 18 steht: „Denn solche dienen nicht unserem Herrn Christus, sondern ihrem eigenen Bauch, und durch süße Worte und schöne Reden verführen sie die Herzen der Arglosen.“ Man denkt, sie sind so fromm, und genau so sind diese gekommen: „Wir wissen, dass du recht redest, das stimmt schon, was du sagst, und du achtest nicht auf die Person, ob diese Gruppe oder jene. Du bist einfach gerecht und lehrst den Weg Gottes.“
Dann folgt eine hinterhältige Fangfrage. Das erinnert mich an heute. Ein Journalist, der ein Feind der evangelikalen Christen ist, würde fragen: „Wie ist das bei euch? Würdet ihr jemandem, der homosexuell veranlagt ist, eine Möglichkeit geben, sich zu verändern?“ Und wenn er antwortet: „Ja, natürlich, in der Seelsorge“, dann hat er sie in der Falle.
Im Moment ist das noch nicht strafbar, aber es ist geplant, eine Motion einzubringen, die solche Therapien in der Schweiz verbieten soll. Das könnte also bald strafbar werden.
Wenn solche Fragen kommen wie: „Wie ist das bei euch?“, wie kann man da nicht in die Falle tappen? Wie muss man bei solchen Leuten reagieren? Der Herr zeigt hier ein Beispiel: Sie fragen ihn, ob es erlaubt sei, dem Kaiser Steuer zu geben oder nicht. Das ist eine Fangfrage.
Israel war damals unter römischer Fremdherrschaft, und alle Juden mussten Steuern zahlen. Die meisten Juden waren überzeugt, dass diese Fremdherrschaft nicht von Gott gewollt war. Eigentlich müssten sie als Volk Gottes dem Heiden kein Geld geben. Wer das durchsetzte, geriet mit der militärischen Macht Roms in Konflikt. Wer aber sagte, man dürfe Steuern zahlen, wurde von den meisten als Verräter angesehen.
Sie wollen den Herrn wirklich in ein Zwickmühle bringen, sodass er öffentlich etwas sagt, das man gegen ihn verwenden kann. Der Herr antwortet und sagt: „Zeigt mir einen Dena.“ Das ist eine römische Münze, die man auf dem Tempelplatz findet. Die Frage ist, warum es keine jüdische Münze gibt.
Die Römer hatten das Zahlungssystem in Israel festgelegt. Im Alltag bezahlte man mit römischen Münzen. Ein Dena war ungefähr ein Tageslohn eines Arbeiters. Der Herr fragt: „Welches Bild ist darauf? Welche Aufschrift?“ Sie antworten: „Des Kaisers.“ Auf der Aufschrift steht sogar, dass der Kaiser göttlich sei und Sohn Gottes.
Der Herr sagt: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist.“ Wenn sein Bild darauf ist, gehört die Münze ihm, also muss man sie ihm geben. Aber dann sagt er: „Gebt Gott, was Gottes ist!“ Welches Bild tragen wir Menschen? In 1. Mose 1, Vers 27 lesen wir, dass Gott den Menschen in seinem Bild erschaffen hat. Weil er uns in seinem Bild erschaffen hat, gehören wir ihm. Unser ganzes Leben, unser ganzes Sein ist ihm verpflichtet.
Wenn der Herr sagt: „Gebt dem Kaiser, was ihm gehört, und Gott, was ihm gehört“, dann hätten sie sich vor Gott, dem Gott Israels, niederknien müssen. Diese Antwort beeindruckte alle. In Vers 26 heißt es: „Sie vermochten ihn nicht bei einem Wort zu fangen von dem Volk und verwunderten sich über seine Antwort und schwiegen.“
Genau das hat der Herr uns in Lukas 21 verheißen: „Ich werde euch Mund und Weisheit geben, der alle eure Widersacher nicht widerstehen oder widersprechen können.“ Und das hat er hier gezeigt.
Dann kommen die Sadduzäer, aber die Zeit ist vorbei. Ohne zu eilen machen wir bei Vers 27 nächstes Mal weiter. Wir werden sehen, dass es zum Höhepunkt kommt, an dem am Schluss alle Gruppen des Judentums schweigen müssen. Er hat ihnen wirklich den Mund gestopft, aber jede Gruppe auf ihre Weise.
Sie wagten ihn nicht mehr zu befragen. An diesem Tag stellte er Jesus noch eine Frage, die wir in Vers 41 anschauen werden. Diese Frage richtete er ans Judentum. Bis heute ist sie vom offiziellen Judentum nicht beantwortet worden. Sie hängt damit zusammen, ob Gott dreieinig ist oder nicht und ob der Messias Gott ist oder nicht.
Diese Frage müssen sie noch beantworten. Ein sehr kluger Rabbi hat sich einmal so geäußert: Alle Stellen mit dem Engel des Herrn im Alten Testament sind ein echtes Problem für das Judentum, denn diese Person wird von Gott gesandt und selbst als Jahwe bezeichnet. Er sagt, die Lösung des Problems wird wohl sein, dass man am Ende die Dreieinheitslehre akzeptieren muss – basierend auf dem Alten Testament.
Aber das ist ein wenig vorgegriffen. Das schauen wir uns nächstes Mal noch genau an.