Guten Tag, ich möchte alle ganz herzlich begrüßen.
Nach diesem Stummfilm als Einleitung war das schon ein kleiner Besuch beim Joshua-Altar auf dem Berg Ebal im militärischen Sperrgebiet der sogenannten Westbank des Westjordanlandes.
Nun wollen wir uns mit dem Geheimnis des Joshua-Altars beschäftigen. Um dieses Geheimnis zu lüften, müssen wir in einem ersten Teil zeitlich noch weiter in die Vergangenheit zurückkehren als Joshua selbst, der ja Israel nach dem Auszug aus Ägypten ins verheißene Land hineingeführt hatte.
Wir müssen zurückgehen bis zu Abraham. Darum ist der erste Teil überschrieben mit „Abraham in Sichem, 2036 vor Christus“. Dort werden wir sehen, was nach der Bibel geschehen ist. Das wird uns sehr helfen, um zu verstehen, was es mit dem Geheimnis des Joshua-Altars auf sich hat.
Im zweiten Teil beschäftigen wir uns mit den Anweisungen von Mose, die er ganz am Ende der vierzigjährigen Wüstenwanderung in seinen acht Abschiedsreden an das Volk Israel weitergegeben hat. Diese Anweisungen betreffen den Bau des Joshua-Altars auf dem Berg Ebal. Das geschah also am Ende der Wüstenwanderung, weshalb wir es nach der strikten Chronologie der Bibel genau auf 1566 v. Chr. datieren können.
Schließlich kommen wir im dritten Teil zum Ziel. Es geht um Josuas Ausführung, die noch im selben Jahr stattfand. Mose starb, Josua führte das Volk ins Land hinein. Josua und das Volk Israel eroberten Jericho, danach Ai und schließlich gingen sie nach Sichem und eben auch auf den Berg Ebal.
Die Bedeutung von Sichem als heiliger Ort und die Verheißung an Abraham
Erstens: Abraham in Sichem. In 1. Mose 12,6 wird beschrieben, wie Abraham ins Land kam, ins verheißene Land, nachdem Gott ihn aus Ur in Chaldea, dem heutigen Südirak, herausgerufen hatte. Dort liest man: „Und Abraham, das war sein früherer Name, später hieß er dann Abraham, und Abraham durchzog das Land bis zu dem Ort Sichem, bis zu der Terebinthe Mores. Die Kanaaniter waren damals im Land. Und der Herr erschien dem Abram und sprach: Deinem Samen will ich dieses Land geben.“ Daraufhin baute er dort dem Herrn, der ihm erschienen war, einen Altar.
Der erste geografische Ort, der in der Bibel erwähnt wird, nachdem Abraham das Ziel, das verheißene Land, erreicht hatte, ist Sichem. Das ist sehr speziell, denn wie Sie auf der Karte sehen können, befindet sich dieser Ort im heutigen sogenannten besetzten Westjordanland. Die UNO behauptet, Israel habe kein Anrecht auf das Westjordanland. Die Bibel aber, in dieser Geschichte, die vier Jahre älter ist als die UNO, sagt, dass Abraham genau dorthin kam und dort ihm der Herr, der Gott der Bibel, erschienen ist. Er gab ihm die Verheißung: „Deinem Samen, deiner Nachkommenschaft, will ich dieses Land geben.“ Das ist eine weltpolitisch sehr brisante Aussage. Als Dank für diese Landzusage baute Abraham dort in Sichem einen Altar.
Was ist Sichem heute? Das ist Nablus. Sie sehen diese große Palästinenserstadt zwischen den Bergen Garizim und Ebal, so schön eingerahmt. Sichem wird auf Hebräisch „Schrem“ ausgesprochen, aber es ist dasselbe. Der Name bedeutet „Schulter“. Warum hat man diesen Ort in biblischen Zeiten so genannt? Weil er schön zwischen den Schultern des Berges Garizim und des Berges Ebal liegt. Sichem kann also „Schulter“ oder auch „Bergabhang“ bedeuten. Das Wort hat beide Bedeutungen.
Hier sehen Sie eine der größten Palästinenserstädte im sogenannten besetzten Westjordanland. Sie werden gleich sehen, was der Trump-Plan in Kürze bringen wird. Es gibt Hinweise, dass dieser Plan zu einer Annexion zumindest großer Teile des Westjordanlands durch Israel führen könnte, verbunden mit einem großzügigen finanziellen Angebot für die Palästinenser. Aber ich will nicht vorgreifen.
Abraham dankte Gott an diesem Ort mit dem Bau eines Altars. Das Besondere daran ist, dass dieser Ort im zwanzigsten Jahrhundert ausgegraben wurde. Dabei spielte ein deutscher Archäologe eine große Rolle. Sie sehen hier die Häuser des Großraums Nablus heute. Das freigelassene Gebiet dazwischen ist die Ausgrabungsstätte des zwanzigsten Jahrhunderts. Dort wird auch heute noch weiter gegraben – genau an dem Ort, an dem das in 1. Mose 12,6-7 beschriebene Ereignis stattfand.
Gehen wir in diese Ausgrabung hinein. Ich habe eine besonders eindrückliche Mauer beschriftet, die bei den Ausgrabungen ans Licht kam: die Mauer 900. Weitere Mauern grenzen ein größeres Gebiet in Sichem als heiliges Gebiet ab. Das ist eben das Heiligtum von Abraham, wo er seinen Altar gebaut hatte. Ich habe das in einem früheren Vortrag ausführlicher erklärt, als es speziell um Sichem ging. Aber ich habe nicht vergessen, dass es heute um Ebal geht. Die Verbindung zwischen den beiden Orten muss jedoch gesehen und verstanden werden.
Dieses heilige Gebiet wird in Josua 24 „das Heiligtum des Herrn“ genannt. Das ist ganz wichtig, denn Jahrhunderte später nach Abraham, als seine Nachkommen tatsächlich ein Volk geworden waren, versammelte Josua am Ende der Eroberungen des verheißenden Landes das ganze Volk Israel an genau diesem Ort in Sichem. Dort, wo Abraham früher seinen Altar hatte, errichtete Josua einen besonderen Gedenkstein.
Ich lese Josua 24,26: Nachdem Josua dem Volk Israel deutlich gemacht hatte, dass sie auf das Wort Gottes hören und die Gebote Gottes tun müssen, damit sie im Land bleiben können, warnte er sie auch. Wenn sie sich von dem Wort Gottes abwenden würden, würden sie das Land verlieren und weltweit zerstreut werden. Diese Rede bezieht sich auf all die Verheißungen, die Mose Israel im Namen Gottes übergeben hatte.
Schließlich lesen wir: „Und Josua schrieb diese Worte in das Buch des Gesetzes Gottes, und er nahm einen großen Stein.“ Ausgerechnet diesen Stein fand der besagte deutsche Archäologe und identifizierte ihn als den Josua-Stein. Dafür verlor er damals seine Stelle, weil man damals von einer falschen biblischen Chronologie ausging, die nicht mit den biblischen Zahlen übereinstimmte. Man hielt es für unmöglich, dass dieser Stein aus der Zeit Josuas stammen könnte. Als ein so großer Archäologe einen solchen Unsinn erzählte, sollte er gehen. Der arme Mann musste gehen. Doch er hatte Recht behalten.
Mit der strengen biblischen Chronologie lässt sich zeigen, dass dies genau die Zeit Josuas war. Die Daten stimmen genau mit den Zahlen der Bibel überein. Dieser Stein steht heute wieder dort. Jede archäologische Arbeit ist Zerstörungsarbeit. Man gräbt, muss aber entscheiden, was stehenbleiben soll für all jene, die später die Grabungsstätte besuchen. Man entschied sich, diesen Stein stehenzulassen.
Darum steht der Josua-Stein so da. Er ist größer als ich, aber das ist nicht besonders. Er ist sogar größer als meine Frau, die doch einen Zentimeter größer ist. Im Pass sind wir gleich groß, aber die Realität ist anders. Auch sie ist nicht überaus groß. Der Stein war ursprünglich noch größer, hat Bruchstellen und wurde durch die Ereignisse der Geschichte etwas gekürzt, aber er ist immer noch eindrücklich.
Josua nahm einen großen Stein und richtete ihn dort auf unter der Terebinthe, die bei dem Heiligtum des Herrn steht. Schon bei Abraham wurde die Terebinthe erwähnt (1. Mose 12), und hier wird das Heiligtum des Herrn genannt. Das ist natürlich nicht die Stiftshütte, denn die war zu der Zeit in Schilo, sondern es ist dieses heilige Rechteck, wo der Altar Abrahams stand.
Josua sprach zu dem ganzen Volk: „Siehe, dieser Stein soll Zeuge gegen uns sein, denn er hat alle Worte des Herrn gehört, die er mit uns geredet hat, und er soll Zeuge gegen euch sein, damit ihr euren Gott nicht verleugnet.“
Dieser erste Teil macht deutlich, warum Sichem in der Bibel ein ganz, ganz wichtiger Ort ist. Dort hat Gott Israel verheißen, dass sie dieses Land als Nachkommen Abrahams aus Gottes Hand zum Besitz erhalten sollten. Dort hat Josua den Bund Gottes mit Israel am Sinai nochmals bestätigt – auch gerade mit diesem Stein.
Moses Abschiedsreden und die Anweisungen zum Altar auf dem Berg Ebal
Nun wollen wir uns im zweiten Teil mit den Anweisungen Moses beschäftigen. Mose musste das Volk Israel, das in Ägypten aus einer Großfamilie zu einem Volk herangewachsen war, aus Ägypten hinausführen, durch die Sinaiwüste und schließlich ins verheißene Land. Die Eintrittsstelle ins verheißene Land war vorhanden.
Auf diesem Satellitenbild sieht man das Tote Meer und hier den Jordan, wie er bei der tiefsten Stelle der Welt in das Tote Meer mündet. Das Tote Meer liegt auf etwa minus 400 Metern. Der Jordan bringt das Wasser hinein.
Israel hatte sein letztes Lager vor der Eroberung des verheißene Landes hier im heutigen Jordanien, in dieser Ebene am Fuß des Berges Nebo. Das sind die Gefilde von Moab, wie sie in 5. Mose 1 genannt werden. Dort hielt Mose die acht Abschiedsreden aus dem fünften Buch Mose und verstarb anschließend.
Josua musste daraufhin das Volk über den Jordan führen. Die erste Station war Jericho. Diese Festungsstadt Jericho sollte als erstes fallen, um dann das damit geöffnete Land in Besitz nehmen zu können.
In diesen Abschiedsreden gab Mose viele Ermahnungen und Belehrungen im Hinblick auf das Leben im künftigen verheißenen Land. Besonders wichtig ist in unserem Zusammenhang 5. Mose 27,12:
„Wenn ihr über den Jordan gezogen seid, sollen diese auf dem Berg Garizim stehen, um das Volk zu segnen: Simeon, Levi, Juda, Issachar, Joseph und Benjamin. Und diese sollen auf dem Berg Ebal stehen, um zu fluchen: Ruben, Gad, Asser, Sebulon, Dan und Naphtali.“
Auf dem Bild sieht man sehr schön die zwei Berge Ebal und Garizim und dazwischen Nablus. Josua hatte den Auftrag, wenn er das Volk über den Jordan gebracht hatte, sich mit dem zwölfstämmigen Volk Israel zu versammeln. Sechs Stämme sollten auf dem Berg Garizim stehen, sechs Stämme auf dem Berg Ebal.
Dazwischen mussten Priester die Bundeslade mit den zehn Geboten, den originalen Tafeln, tragen und sich damit aufstellen. Dann mussten sechs Stämme den Segen Gottes sprechen und sechs Stämme den Fluch Gottes aussprechen.
Der Berg Garizim ist klar als Berg des Segens deklariert. Dort sollten sie aussprechen, was Gott an Segen im Gesetz Mose verheißen hat, wenn Israel sich an die Gebote hält. Der Berg Ebal ist der Berg des Fluches. Dort wurden die Flüche verkündet, die im Gesetz Mose stehen und über Israel kommen würden, wenn sie nicht auf das Wort Gottes hören.
Der Berg Garizim ist der Berg des Segens. Noch heute gibt es dort weit über zwanzig Quellen. Das macht ihn wirklich zum Berg des Segens! Der Berg Ebal steht im Kontrast dazu als Berg des Fluches.
Noch einmal sieht man Ebal, Garizim und dazwischen Nablus. Sechs Stämme stehen auf beziehungsweise an Ebal mit dem Fluch, sechs Stämme auf Garizim mit dem Segen, so wie es in 5. Mose 27 vorgeschrieben ist.
In Josua 8,30-35 wird beschrieben, wie sich das erfüllte, nachdem Josua Jericho und Ai erobert hatte.
Ein wichtiges Detail: Der Ebal ist 940 Meter hoch, der Garizim, der Berg des Segens, nur 881 Meter. Man fragt sich, ob das eine Bedeutung hat, dass der Berg des Fluches höher ist. Und das hat es sehr wohl.
Schauen Sie in Ihrer Bibel zu Hause mal nach 5. Mose 28. Dort macht Mose eine große Aufstellung mit Segen und Fluch. Die Verse 1 bis 14 beinhalten den großartigen Segen Gottes bei Gehorsam, ab Vers 15 bis 68 folgen die Flüche. Das Verhältnis ist deutlich: Der Fluch ist viel ausführlicher.
Warum? Ich verrate schon mal etwas im Voraus: Gott wusste, dass der Mensch nicht in der Lage sein würde, seine Gebote vollständig zu erfüllen. Aber Sie müssen bedenken, dass wir Menschen oft denken, unser Kern sei gut. Wir meinen, dass unser Wohl davon abhängt, ob unsere Umwelt, unsere Ökologie und unser soziales Umfeld in Ordnung sind. Wenn das gestört ist, kann der Mensch böse werden, aber im Grunde sei er gut.
Gott wollte mit dem Gesetz zeigen, dass das nicht stimmt. Das Gesetz sollte ein Spiegel sein, der deutlich macht: Wenn wir versuchen, aus eigener Kraft das zu tun, was Gott sagt, versagen wir. Dann kommen wir nicht unter den Segen Gottes, sondern unter den Fluch Gottes.
Aus diesen Flüchen lesen wir einen besonderen, der von den Leviten zusätzlich zitiert werden musste, als das ganze Volk zwischen Ebal und Garizim versammelt war. Die Leviten mussten zwölf spezielle Flüche aussprechen. Ich lese den letzten, 5. Mose 27,26:
„Verflucht sei, wer nicht aufrecht hält, die Worte dieses Gesetzes, sie zu tun!“ Und das ganze Volk sagte Amen!
Jedes Mal musste das ganze Volk Israel, und das waren vielleicht zwei oder mehr Millionen damals – 600 erwachsene Männer, dazu Frauen, also etwa 1,2 Millionen, und wenn man die Kinder dazu rechnet, schnell zwei oder mehr Millionen – gemeinsam Amen sagen. Männer und Frauen mussten gemeinsam Amen sagen.
Was wird hier gesagt? Wer ein Gebot im Gesetz bricht, steht unter dem Fluch Gottes.
Ein weiterer Fluch in 5. Mose 28,64, ausführlicher von Mose dargelegt, sagt:
„Und der Herr wird dich unter alle Völker zerstreuen, von einem Ende der Erde bis zum anderen Ende der Erde.“
Wenn Israel das Gesetz nicht einhält, kommt es unter den Fluch und wird weltweit zerstreut.
Ich nehme das schon ein wenig vorweg: Sie wissen, dass sich das dramatisch in der Weltgeschichte erfüllte ab dem Jahr 70 nach Christus. Die Zerstörung Jerusalems durch die Römer in einem furchtbaren Krieg führte dazu, dass das jüdische Volk über Jahrhunderte wörtlich über alle fünf Kontinente zerstreut wurde: von Südamerika, Chile, Argentinien bis nach China, Japan, Philippinen, Thailand, Indonesien, Nordamerika, Alaska, Kanada, USA, bis nach Australien, Neuseeland und von Schweden, Norwegen, Finnland bis nach Südafrika – genau so erfüllte sich die Verheißung „von einem Ende der Erde bis zum anderen Ende der Erde.“
Nun lesen wir im Vorbereitungskapitel im Blick auf den Ebalaltar einige weitere Verse, 5. Mose 27,4:
„Und es soll geschehen, wenn ihr über den Jordan gezogen seid, so sollt ihr diese Steine, betreffend welcher ich euch heute gebiete, auf dem Berg Ebal aufrichten, und du sollst sie mit Kalk bestreichen. Und du sollst dort, also auf dem Berg Ebal, dem Herrn, deinem Gott, einen Altar bauen, einen Altar von Steinen. Du sollst kein Eisen über dieselben schwingen, von ganzen Steinen sollst du den Altar des Herrn, deines Gottes, bauen. Und du sollst dem Herrn, deinem Gott, Brandopfer darauf opfern, und du sollst Friedensopfer opfern und daselbst essen und dich freuen vor dem Herrn, deinem Gott.“
Diese Anweisung ist eigenartig. Warum eigentlich nicht auf dem Berg Garizim, dem Segensberg, sondern ein Altar auf dem Ebal? Und mit genauen Anweisungen: Die Steine dürfen nicht behauen sein. Natürlich unbehaute Steine, und kein Eisenwerkzeug darf verwendet werden.
Das hatte Mose auch schon früher so angewiesen. Ganz grundsätzlich, wenn man einen Altar baut. Ich lese aus dem Kapitel der Zehn Gebote, 2. Mose 20, direkt im Anschluss an die Zehn Gebote:
„Einen Altar von Erde sollst du mir machen, und darauf opfern deine Brandopfer und deine Friedensopfer, dein Kleinvieh und deine Rinder an jedem Ort, wo ich meines Namens werde gedenken lassen; werde ich zu dir kommen und dich segnen.“
Das sind Anweisungen für den Fall, dass man einen Altar aus Erde baut. Wenn du aber einen Altar aus Steinen machst, so sollst du ihn nicht aus behauenen Steinen bauen. Denn wenn du deinen Meißel darüber schwingst, hast du ihn entweiht. Du sollst auch nicht auf Stufen zu meinem Altar hinaufsteigen, damit nicht deine Blöße an ihm aufgedeckt werde.
Zwei klare Aussagen: keine behauenen Steine und kein Metallwerkzeug. Außerdem keine Stufen, sondern nur eine Rampe.
Das mit der Rampe ist schnell erklärt: Die Kanaaniter, die Ureinwohner im verheißenen Land, hatten sich religiös pervers entwickelt. Sie hatten eine Religion, in der Baal, der Fruchtbarkeitsgott, eine zentrale Rolle spielte. Dabei war rituelle Unzucht und Hurerei wichtig, um Baal Fruchtbarkeit für das Land abzuringen.
Entblößung und Unsittlichkeit spielten eine zentrale Rolle bei diesen Kulten. Ein schönes Beispiel aus der Archäologie: Gehen Sie mal nach Megiddo zu den Ausgrabungen in Nordisrael. Dort hat man in den tiefsten Schichten einen kanonischen Altar aus der Zeit vor etwa 4000 Jahren stehen lassen. Dort sieht man einen Rundaltar mit Treppen – das war typisch.
Israel durfte keine Treppen haben. Das heißt, die Priester mussten auf eine Rampe hochgehen, wenn sie die Opfertiere darauf setzten oder die Opferteile aufs Feuer legten, damit beim Hochgehen nichts von ihrem Körper gesehen wurde. Nicht aus Körperfeindlichkeit, sondern um den Kontrast zu machen.
Die Kanaaniter hatten mit Unzucht zu tun, der Gottesdienst gegenüber dem heiligen Gott der Bibel hat damit nichts zu tun.
Aber was ist mit dem Eisen? Die alten Rabbiner haben das sehr schön erklärt. Sie sagten, Eisen spielte in der Weltgeschichte eine wichtige Rolle, um unzählige Menschen zu töten. Denken wir an den Waffenbau bis heute.
Der Altar ist der Ort, wo Gott uns Vergebung geben will, wo er uns Leben schenken will. Darum soll das Symbol des Todes – also Eisen, das Metall, mit dem Menschen Leben nehmen – hier keine Rolle spielen.
Deshalb unbehaute Steine ohne Werkzeuge. Es geht um den Gedanken der Vergebung, des Lebens und der Gnade Gottes.
In 5. Mose 11, immer noch in den Abschiedsreden, gibt Mose weitere Hinweise. Vers 29:
„Und es soll geschehen: Wenn der Herr, dein Gott, dich in das Land bringt, wohin du kommst, um es in Besitz zu nehmen, so sollst du den Segen erteilen auf dem Berg Garizim und den Fluch auf dem Berg Ebal.“
Sind Sie nicht jenseits des Jordan, hinter dem Weg gegen Sonnenuntergang, im Land der Kanaaniter, die in der Ebene wohnen, Gilgal gegenüber bei den Terebinten Mores?
Hier werden geografische Anweisungen für ein Volk gegeben, das noch nie in diesem Land war. Das war alles neu, und sie hatten kein GPS und keine Landkarte.
Jetzt wird erklärt, dass Segen und Fluch bei Garizim und Ebal gesprochen werden sollen. Diese Berge liegen jenseits des Jordans.
Auf der Karte sehen wir das Jordantal, das hinunterführt bis ins Tote Meer. Vom See Genezareth fließt der Jordan durch dieses tief eingeschnittene Tal bis zur tiefsten Stelle der Welt.
Hier wird gesagt, sie müssen über den Jordan gehen.
Weiter heißt es: „Sind Sie nicht jenseits des Jordan, hinter dem Weg gegen Sonnenuntergang?“ Wo ist der Weg gegen Sonnenuntergang?
Man sieht hier die Berge des Westjordanlandes, die zentralen Berge Israels. Im Jordantal gibt es ein markantes Tal, das nach Westen führt, also gegen Sonnenuntergang. Dieses Tal ist das Tirza-Tal.
Das Tirza-Tal führt hinauf zu den Bergen Garizim und Ebal. Dort liegt auch der Ort der Terebinten Mores.
Diese Terebinten hatten wir schon in 1. Mose 12 erwähnt, wo Abraham bei Sichem den Altar bei den Terebinten Mores gebaut hatte.
In unserer Kultur werden Himmelsrichtungen so angegeben: Norden oben, Süden unten, Osten rechts, Westen links. In der Bibel orientiert man sich aber am Orient, daher kommt auch das Wort „orientieren“ von „Orient“.
In der Bibel wird Osten als „vorne“ genannt. Das hebräische Wort für Osten, „Kedem“, bedeutet vorne. „Kadima“ heißt vorwärts. Westen wird als hinten bezeichnet, Süden rechts, deshalb „Teman“. „Teman“ heißt Süden, aber eigentlich das Rechtsliegende. Norden ist das Linksliegende.
Wenn man das weiß, versteht man einige Bibelstellen besser. Wenn von rechts und links gesprochen wird, ist rechts Süden und links Norden gemeint.
Zum Beispiel in Joel 2 werden das hintere Meer und das vordere Meer erwähnt. Das hintere Meer ist das Mittelmeer, das vordere Meer das Tote Meer im Osten.
„Hinter dem Weg“ heißt also das Tirza-Tal hinauf, und ganz hinten sind Ebal und Garizim, dort auch die Terebinten Mores.
So sind die geografischen und symbolischen Anweisungen für das Volk Israel vor dem Einzug ins verheißene Land gegeben.
Josuas Ausführung des Altars auf dem Berg Ebal
Im dritten Teil geht es nun um die Ausführung, wie sie in Josua 8,33 beschrieben wird, und wie schließlich alles nach den Anweisungen Moses ausgeführt wurde. Ganz Israel mit seinen Ältesten, Vorstehern und Richtern stand an dieser und jener Seite der Lade, der Bundeslade, den Priestern und Leviten gegenüber, die die Lade des Bundes des Ewigen trugen. Sowohl Fremdlinge als auch Eingeborene standen – die eine Hälfte gegen den Berg Garizim und die andere Hälfte gegen den Berg Ebal hin –, so wie Mose, der Knecht des Herrn, es zu Beginn geboten hatte, das Volk Israel zu segnen.
Danach las er alle Worte des Gesetzes vor, sowohl den Segen als auch den Fluch, entsprechend allem, was im Buch des Gesetzes geschrieben steht. So wurde das hier dann ausgeführt.
Weiter heißt es in Vers 30: Damals baute Josua dem Herrn, dem Gott Israels, einen Altar auf dem Berg Ebal, so wie Mose, der Knecht des Herrn, den Kindern Israel geboten hatte, wie im Buch des Gesetzes Moses geschrieben steht. Es war ein Altar aus ganzen Steinen, über die kein Eisen geschwungen worden war. Darauf opferten sie dem Herrn Brandopfer und schlachteten Friedensopfer.
Nun machen wir uns auf die Suche nach dem Altar. Das gestaltet sich allerdings etwas schwierig. Im 19. Jahrhundert entstand die moderne Wissenschaft der biblischen Archäologie. Diese ist eigentlich noch eine recht junge Wissenschaft, wenn man bedenkt, dass moderne Physik und Astronomie bereits in der Neuzeit, also etwa um 1500 herum, stark gefördert wurden, nicht zuletzt durch die Reformation. Die Archäologie kam etwas später auf.
Die Archäologie der biblischen Länder, die sogenannte biblische Archäologie, entwickelte sich erst im 19. Jahrhundert richtig, weil die Franzosen und Engländer viele Länder im Nahen Osten besetzten. Das bot Gelegenheit für Beamte, Militärs und andere, nebenbei ein wenig Forschung in Gebieten zu betreiben, die heute Irak heißen und biblische Länder wie Assyrien und Babylonien umfassen, aber auch im Land Israel.
Manche versuchten, den Josua-Altar zu finden, doch niemand fand ihn. Diese Forscher waren kompetent, und die Suche setzte sich auch im 20. Jahrhundert fort, ohne Erfolg – bis schließlich Adam Zertal ihn entdeckte.
Wie kam es dazu? Adam Zertal wurde später Professor an der Universität Haifa und hatte Archäologie studiert. Er war ein säkularer israelischer Archäologe, also jemand, der nicht viel von der Bibel hielt. Dennoch beschäftigte er sich mit dem Thema Josua-Altar und dachte: Ich suche mal woanders, vielleicht auf einer anderen Seite des Berges Ebal.
Viele hatten schon auf dem Bergabhang in Richtung Sichem gesucht, irgendwo am Abhang oder auf dem Berg Ebal. Doch niemand wäre auf die Idee gekommen, auf der anderen Seite hinunterzugehen, nicht gerade oben, sondern einen Abhang hinunter und dann noch einen weiteren Abhang. Dort fand er ihn – völlig unerwartet, fast versteckt auf der anderen Seite, von sich aus gar nicht sichtbar.
Man kann sich fragen, ob das eine Bedeutung hat. Hier sieht man eine Mauer, die ihm besonders auffiel. Natürlich gibt es viele andere kleine Mauern, denn die Palästinenser betrieben dort Landwirtschaft, und es ist notwendig, Felder mit Mauern einzufassen. Aber diese Mauer ist etwas ganz Besonderes.
Er untersuchte sie genauer, und zwar nicht auf der Berghöhe, sondern zwei kurze Abhänge hinunter. Dort fand er den Altar. Im Bibeltext steht, dass dieser Altar „be-Ebal“ sei, nicht „al-Ebal“. „Be-“ bedeutet „in“, also „im Berg Ebal“. Das passt wunderbar, denn der Altar liegt zwar noch auf dem Berg, aber eben zwei Abhänge tiefer als die Bergeshöhe.
Der Altar ist von einer Mauer umgeben, die einen großen Vorhof bildet. Innerhalb dieses großen Vorhofs um den Altar herum gibt es nochmals eine Mauer. Das sind eigentlich zwei Vorhöfe, ähnlich wie später beim Salomonischen Tempel, wo es auch zwei Vorhöfe gab. Im zweiten Vorhof standen der Altar und das Tempelhaus.
Wenn man vor Ort ist – ich war im April mit meiner Frau zum ersten Mal dort –, sieht man Dinge, die man auf der Landkarte nicht unbedingt erkennen würde. Man sieht die Anhöhe, und der Altar liegt so, dass Tausende aus dem Volk Israel auf dem Abhang sitzen und zuschauen konnten, wie die Leviten und Priester aus dem Stamm Levi die Opfer auf dem Altar darbrachten.
Der Altar selbst ist eine Überraschung: Er ist quadratisch, aber innen hohl. Was hat das zu bedeuten? Man erwartet eine Füllung aus Steinen, doch der Altar ist innen hohl. Rundherum gibt es eine Rampe, auf der die Priester stehen konnten, um von dort aus die Opfer auf dem Altar darzubringen.
Auffällig ist auch, dass es eine Rampe gibt, aber keine Treppen. Die Steine sind unbehauen – beides Bedingungen, die klar zeigen, dass der Altar nicht kanaanitisch ist. Rampe und unbehaute Steine sind hier schön erfüllt.
Ich habe versucht, das mit Linien zu ordnen, damit man es besser sieht: Hier ist die Rampe, dort der eigentliche Altar, rundherum eine Erhöhung, von der die Priester die Opfer bedienen konnten. Man sieht auch zwei kleine offene Höfe, in denen viele Krüge gefunden wurden – Krüge für Speisopfer, also ein Aufbewahrungsort.
Der Altar ist quadratisch, was nicht speziell vorgeschrieben war, aber genau dem Altar der Stiftshütte entspricht, die die Israeliten nach dem Auszug aus Ägypten gebaut hatten. Nach 2. Mose 30 musste der Altar quadratisch sein, mit Hörnern an den Enden, ebenfalls quadratisch, und innen hohl. Auf halber Höhe gab es ein Gitter, auf das man das Holz legte, um die Opfer darauf zu platzieren.
Das erinnert genau an den Altar der Stiftshütte. Im Altar fand man viel Asche, ein klarer Beweis, dass hier geopfert wurde. Außerdem wurden zahlreiche Knochen gefunden, aber nur von koscheren Tieren – Schafen, Ziegen, Rindern und Damhirschen. Damhirsche gelten laut 5. Mose 14 ebenfalls als koscher, also reine Tiere.
Im Zweiten Tempel zur Zeit Jesu hatte der Altar eine imposante Rampe, aber ebenfalls keine Stufen. Hier sieht man die Rampe noch besser: Es sind eigentlich zwei Rampen, eine führt ganz hoch auf den Altar, die andere auf den erhöhten Absatz für die Priester. Genau das gab es auch im Zweiten Tempel.
Die Übereinstimmung ist eindrücklich.
Warum eigentlich quadratisch? Beim Opfer geht es um den Gedanken, dass Gott uns Menschen vergeben möchte. Unsere Schuld soll vergeben werden, indem ein unschuldiger Stellvertreter an unserer Stelle stirbt, zum Beispiel ein Lamm. Es ist ein unschuldiges Tier, das für den Schuldigen stirbt und dessen Blut fließt.
Der Schuldige musste, wie in 3. Mose 5 beschrieben, seine Sünde bekennen, Gott bekennen und bereuen. So spricht der Altar von Gottes Güte und Liebe: Er ist bereit, uns zu vergeben.
Gott ist nach der Bibel aber nicht nur Liebe (1. Johannes 4), sondern auch Licht, und in ihm ist keine Finsternis (1. Johannes 1). Das schafft ein Spannungsfeld: Wenn Gott Liebe ist, kann er vergeben. Aber wenn er einfach alles vergibt und Unrecht nicht als Sünde anerkennt, stellt sich die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes.
Wenn jemandem, der schwer gesündigt hat, einfach vergeben wird, ist das gerecht? Ein Beispiel: Eine Bekannte von mir hatte mit einem jüdischen Überlebenden der Nazizeit gesprochen. Er sagte: „Gott wird allen Menschen einmal vergeben.“ Sie antwortete: „Dann wirst du auch Hitler wiedersehen.“ Das machte ihn wütend – zu Recht, denn die Frage der Gerechtigkeit bleibt offen.
Gott ist Liebe, aber auch gerecht, und jedes Unrecht muss bestraft werden. Im Altar wird dieser Konflikt gelöst: Gott vergibt, aber jemand muss sterben – nicht der Schuldige, sondern ein Unschuldiger, der an seiner Stelle stirbt.
Das ist im Grunde das Evangelium des Neuen Testaments. Es ist nicht einfach plötzlich im Neuen Testament so, sondern durch das Alte Testament und die Opfer vorbereitet. Gott hat die Welt geliebt und seinen einzigen Sohn gegeben, damit der Gerechte an unserer Stelle stirbt. Das Gericht Gottes, das wir für jede Übertretung verdienen, hat er auf sich genommen.
So ist Gott gerecht, weil er das Unrecht bestraft hat. Darum kann er uns vergeben. Der quadratische Altar drückt genau aus, dass Gottes Liebe in perfekter Harmonie mit seiner Gerechtigkeit steht. Man darf diese nicht gegeneinander ausspielen. Dieser scheinbare Widerspruch wird nur in Jesus Christus gelöst.
So sehen wir schon einiges vom Geheimnis des Altars auf dem Berg Ebal.
Adam Zertal war von dieser Entdeckung so überwältigt, weil alles genau mit der Bibel übereinstimmte, dass er sich fragte, wie er weiterhin ein säkularer Israeli sein könne. Er wurde ein leidenschaftlicher Verfechter der Bibel durch seine eigenen Forschungen.
Er stellte fest, dass dieser Altar etwa aus dem 13. Jahrhundert vor Christus stammt, also etwa 1250 v. Chr. Nach der strengen biblischen Chronologie lag die Eroberung von Jericho früher, um 1566 v. Chr. Die Mauern, die nach außen gefallen sind, werden ebenfalls in diese Zeit datiert. Jericho war dann jahrhundertelang keine Stadt mehr.
In diesem Altar fand Adam einen älteren Altar. Das heißt, der ursprüngliche Altar war dort, wie ich es eingezeichnet habe, ein Rundaltar aus unbehauten Steinen. Das war der Altar, den Josua errichtet hatte. Später, in der Richterzeit, als dieser Altar schon einige Jahrhunderte alt war und zu zerfallen begann, wurde er erweitert und renoviert.
Es ist erstaunlich: Adam Zertal entdeckte den Altar in den 1980er Jahren, und inzwischen zerfällt er schon wieder. Wenn man ältere Fotos sieht, denkt man, es war schöner als heute. Es muss ständig repariert werden.
Der Altar wurde also in der Richterzeit erweitert und renoviert, aber es ist ein fließender Übergang. Darum nenne ich ihn immer noch Josua-Altar, einfach renoviert und erweitert, aber mit den gleichen Kennzeichen wie der Altar später im Tempel und in der Stiftshütte.
Noch etwas Interessantes: Schauen wir uns die Mauer um den Altar herum an, diesen heiligen Bereich. Sie sieht aus wie eine Fußsohle. Stimmt’s? Das ist doch ein Fußabdruck – die Ferse, dann ein bisschen innen, und vorne die Zehen. Eine Fußsohle, ein rechter Fuß.
Was bedeutet das?
In Josua 1, bevor Josua über den Jordan ging, um das Land zu erobern, sprach Gott zu ihm. Ich lese aus Josua 1,1-3:
„Und es geschah nach dem Tod von Mose, dem Knecht des Herrn, da sprach der Herr zu Josua, dem Sohn Nuns, dem Diener Moses, und sagte: ‚Mein Knecht Mose ist gestorben, und nun mache dich auf, gehe über diesen Jordan, du und dieses ganze Volk, in das Land, das ich ihnen, den Kindern Israel, gebe. Jeden Ort, auf den eure Fußsohle treten wird, euch habe ich ihn gegeben, so wie ich zu Mose geredet habe.‘“
Das Land war ihnen also zugesagt, aber das nützt nichts, wenn sie es nicht erobern und in Besitz nehmen. Jede Fußsohle, die aufgesetzt wird, bedeutet die Inbesitznahme des Landes.
Und ausgerechnet beim Josua-Altar findet man diese Mauer in Form einer Fußsohle.
Adam Zertal ging weiter, das ganze Tirza-Tal hinunter ins Jordantal, und dort fiel ihm auf: Es gibt solche Fußabdrücke noch an anderen Orten! Gerade bevor man aus dem Jordantal ins Tirza-Tal kommt, um den Weg nach Sonnenaufgang hinaufzugehen, findet man dort auch eine solche Stelle mit einem Fußabdruck und einem Rundaltar.
Der ursprüngliche Josua-Altar war ja ein Rundaltar. Das ist beim Kibbuz Argaman, was „Purpur“ heißt, im Jordantal unten. Ich bin den Berg hochgegangen; der Berg bietet eine Rampe, auf der Tausende sitzen können und herunterschauen, was auf dem Altar geschieht. Auch dort ist der Fußabdruck deutlich zu sehen.
Grandios!
Unser Tal ging weiter, und Adam Zertal fand ein zusammenhängendes Netz von sechs solchen Orten im Jordantal bis hinauf ins Tirza-Tal zum Berg Ebal. Vielleicht gibt es noch mehr, aber man muss eben auch mal spazieren und die Augen offen halten. So entdeckt man in der Archäologie auch heute noch Neues.
Das hatte vor Zertal niemand entdeckt. Komisch, oder? Es ist eigentlich so klar, was da ist. Das alles steht im Zusammenhang mit dem Einzug Israels vom Jordantal über das Tirza-Tal hinauf zum Berg Ebal.
Nun stehen wir oben auf dem Berg Ebal beim Altar und schauen hinunter ins Tal, auf der gegenüberliegenden Seite, wo es niemand erwartet hätte. Dort sieht man das Tirza-Tal unten. Wenn man genau hinschaut, erkennt man sogar den Hügelhaufen der biblischen Ortschaft Tirza, die für die zehn Stämme eine Zeit lang die Königstadt war.
Bevor wir weitermachen – und ich möchte nicht, dass jemand einschläft – mache ich eine kurze musikalische Unterbrechung. Ich spiele Ihnen ein Stück, das eine Mischung aus Komposition und Improvisation ist. Es ist eine Fantasie über ein hebräisches Lied: „Hinei Matow Umannaim, Shevet Achim Gam Yachad“, Psalm 133,1: „Siehe, wie gut und wie lieblich ist es, wenn Brüder auch einträchtig beieinander sitzen.“
Zuerst hören Sie eine Einführung, eine Introduktion, in der Sie die Tonart erkennen: ganz klar D-Moll. Diese Tonart wird oft für manche israelische Lieder verwendet. Sie klingt etwas melancholisch, aber nicht dunkel wie C-Moll, sondern eher melancholisch, jedoch nicht düster.
Im zweiten Teil folgt das Thema, das verarbeitet und in Bruchstücke zerlegt wird. Man muss darauf achten, denn plötzlich taucht es wieder auf, manchmal nur als Bruchstück. Zwischendurch gibt es eine Aufhellung in D-Dur. Dann folgt der Abschluss.
Ich hoffe, Sie sind wieder fit, und wir schaffen jetzt den Schluss.
Die geografische und historische Bedeutung des Tirzatals und der Erzväter
Wie gesagt, hier ein Blick ins Tirzatal. Hier sehen Sie eine etwas genauere Karte. Jetzt habe ich den Pointer wieder. Auf dieser Karte sieht man das Tirzatal, und am Ende findet man den Berg Ebal sowie gegenüber den Berg Garizim.
Hier der Blick hinunter, und im Zoom sieht man diesen Hügel. Das sind die Überreste der Stadt Tirza aus der Bibel. Da gäbe es noch einiges zu erforschen, man könnte noch vieles finden.
Das Tirzatal ist sehr wichtig in der Geschichte von Jakob. Abraham, sein Sohn Isaak und Jakob waren die drei Erzväter. Wie war das mit Jakob? Er betrog seinen Vater brutal, weil er das Erstgeburtsrecht unbedingt wollte – um jeden Preis. Obwohl es ihm von Gott zugesagt war, meinte er, es mit seinen eigenen Tricks in Besitz bringen zu müssen. Seine Mutter gab ihm den Rat: „Schau, jetzt will dein Bruder Esau dich umbringen. Gehe nach Paddan-Aram, also nach Nordsyrien, zu meinen Verwandten. Dort kannst du heiraten. Wenn sich dein Bruder wieder beruhigt hat, schicke ich Leute zu dir, die dich zurückholen sollen.“
So war ihre Überlegung. Die Mutter hatte den Sohn angewiesen, den Vater zu betrügen, aber sie sollte ihn nie mehr sehen. Sie starb vorher und verlor den Sohn. Hals über Kopf flüchtet Jakob nach Paddan-Aram und lernt dort, was es heißt, betrogen zu werden.
Er verliebt sich in seine Cousine Rahel. Sie war die Frau seines Lebens, das war ihm klar. Er war bereit, sieben Jahre für sie zu dienen. Doch bei der Hochzeit am nächsten Morgen stellte er fest: Das war nicht Rahel, sondern ihre Schwester, die ihm gegeben wurde. Psychiatrische Hilfe gab es damals nicht, er musste einfach weiterleben. Eine furchtbare Geschichte, in der jemand lernte, was es heißt, brutal betrogen zu werden.
Es ist eine sehr verdrehte Geschichte. Schließlich heiratet Jakob vier Frauen: Rahel und noch drei andere. Das führte zu ständigem Streit in der Familie. Polygamie ist wirklich nicht für den Menschen gemacht. Sie ist eine Ursache für Streit und Eifersucht in der Familie. Das wird alles im ersten Buch Mose beschrieben.
Die Bibel berichtet die Dinge, wie sie waren, ohne sie zu beschönigen. In den Heldengeschichten anderer Völker wird immer das Gute der Helden hervorgehoben, ihre falschen Wege aber nicht gezeigt. Die Wahrheit der Bibel erkennt man allein daran, dass die Erzväter Israels so dargestellt werden, wie sie waren.
Schließlich durfte Jakob wieder zurückkehren ins Land, ins verheißene Land. Die Bibel berichtet – das müssen Sie alles im ersten Buch Mose nachlesen –, wie er über den Jabbok-Fluss kommt. Der Jabbok-Fluss liegt heute auf jordanischem Boden. Von dort gelangt er ins Jordantal und geht das Tirzatal hinauf, weil er nach Sichem will. Das war sein Weg zurück in das Land, das er durch Ungehorsam und Sünde zwanzig Jahre verloren hatte.
Es war reine Gnade Gottes, dass er zurückkehren durfte. Er kam also über den Jabbok – ich habe das vorhin falsch angezeigt, hier sehen Sie es korrekt –, dann ins Jordantal und so direkt ins Tirzatal.
Dann kam er unten am Berg Ebal vorbei, wo später Josua den Altar bauen sollte. Er ging das Tal weiter bis nach Sichem. Der Josualtar wurde genau dort gebaut, wo man den Rückkehrweg des Patriarchen Jakob sieht. Jakob hatte alles verloren, aber aufgrund der Gnade Gottes und der Vergebung durfte er durchs Tirzatal zurückkehren an den Ort der Verheißung in Sichem.
Darum ist die Platzierung des Altars von ganz besonderer Bedeutung. Wie gesagt, er ist eigentlich etwas versteckt, und das hat seine Bedeutung.
Israel bekam die Zehn Gebote und hunderte von Geboten in den fünf Büchern Mose als Spiegel, um zu zeigen: „Ihr seid keine Menschen mit einem guten Kern. Unser Kern ist gerade böse, darum brauchen wir Vergebung.“
Das Gesetz sollte zeigen: Ihr seid gar nicht fähig, Gottes Gebote zu erfüllen. Wenn Gott sagt: „Du sollst“, dann spüren wir oft gerade das Gegenteil, wir wollen es nicht tun. Wenn Gott sagt: „Du sollst nicht“, dann spüren wir den Drang, genau das zu tun. So macht das Gesetz die Sündhaftigkeit des Menschen deutlich.
Warum wollte Gott das deutlich machen? Um zu zeigen: Wir brauchen jemanden, der uns aus dem Problem der Sünde und der Bindung an die Sünde erlöst und befreit.
In Galater 3,10 schreibt der Apostel Paulus, ein ehemaliger orthodoxer Jude: „Denn so viele aus Gesetzeswerken sind, also alle Menschen, die durch das Einhalten der Gebote des Gesetzes vor Gott gerecht sein wollen, die sind unter dem Fluch. Denn es steht geschrieben: Verflucht ist jeder, der nicht bleibt in allem, was im Buch des Gesetzes geschrieben steht, um es zu tun.“
Das ist genau der Fluch, den ich noch speziell vorgelesen hatte als Nummer zwölf von den Leviten. Als sie da zwischen Ebal und Garizim waren, sprachen die sechs Stämme und die sechs Stämme zusammen, und die Leviten sagten die zwölf Flüche auf. Der zwölfte lautete: „Verflucht ist jeder, der nicht bleibt in allem, was im Buch des Gesetzes geschrieben steht, um es zu tun.“
Ich erinnere mich, dass ich mich mit Michael getroffen habe, einem orthodoxen Juden aus Zürich-Enge, dem orthodoxen Viertel in Zürich. Wir hatten abgemacht, zusammen über den Messias zu sprechen. Er lud mich zu sich nach Hause ein, und ich las ihm vor: „Schau mal, da, 5. Mose 27: Verflucht ist jeder, der nicht bleibt in allem, was im Buch des Gesetzes geschrieben steht, um es zu tun.“ Einmal ein Gebot brechen, und man steht unter dem Fluch.
Das war schockierend, aber so steht es in der Bibel.
Paulus geht im gleichen Kapitel weiter und sagt: Christus hat uns losgekauft von dem Fluch des Gesetzes, indem er ein Fluch für uns geworden ist. Denn es steht geschrieben: „Verflucht ist jeder, der am Holze hängt.“ Das ist ein Zitat aus 5. Mose, nicht aus Kapitel 27, sondern ein paar Kapitel vorher. Im gleichen Buch kommt dieser Vers vor, und Paulus bezieht das auf Christus.
So soll der Segen Abrahams in Christus Jesus zu den Nationen kommen. Ja, wir sind unter dem Fluch, und da muss man erkennen: Wir brauchen einen Erlöser.
Jesus Christus ist gekommen und hat genau diese Stelle aus 5. Mose erfüllt: „Verflucht ist jeder, der am Holze hängt.“ Er ließ sich an ein Kreuz nageln und nahm den Fluch, der auf uns lastete, auf sich, um Segen für die ganze Welt zu bringen.
So sehen wir den Ausweg aus dem Dilemma des Gesetzes. Was soll man tun? Jeder steht ja eigentlich unter dem Fluch.
Darum wird im Alten Testament, wenn Sie die biblischen Bücher weiter lesen, immer wieder in hunderten von Prophezeiungen auf den kommenden Messias hingewiesen. Schließlich wird er in Jesaja 53 beschrieben als der Knecht Gottes, der für unsere Sünden stirbt. „Die Strafe zu unserem Frieden lag auf ihm“, und dort steht auch: „Durch seine Striemen ist uns Heilung geworden.“
Das wird nicht einfach so direkt präsentiert. Zuerst kommt der Test mit den Geboten: Kann man das einhalten? Dann wird das langsam vorbereitet, und der Ausweg gezeigt.
So ist der Altar ein Zeichen für Menschen, die heilig und zugleich schelmisch sind. Sie werden durch die Gnade Gottes zu Anwälten Gottes. Davon spricht dieser Altar.
Das war gerade an unserem Hochzeitstag, als endlich mein Wunsch in Erfüllung ging, zum ersten Mal zum Ebal-Altar zu gehen. Das war die Gelegenheit, über diese Dinge nachzudenken: Gerechtigkeit Gottes, Gesetz, Fluch, Unfähigkeit, die Gebote zu tun – aber es gibt einen Ausweg durch die Gnade Gottes.
Gerechtigkeit Gottes entspricht genau der Liebe Gottes und so weiter.
Da sind wir auf dem Heimweg. Man sieht im Hintergrund noch die Steine von dem Fußabdruck. Meine Frau und ich haben uns entschieden, seit vielen Jahren diesen Weg der Gnade Gottes zu gehen. Aufgrund des Gesetzes, aufgrund von Leistung geht es nicht.
Das ist auch gerade das Problem vieler Katholiken. Es ist genau dasselbe Problem wie im orthodoxen Judentum. Man denkt, aufgrund von Leistung könne man etwas verdienen. Das geht nicht!
Das ist das Geheimnis des Josualtars: Es gibt einen Weg der Gnade, wie Gott uns vergibt, wenn wir unsere Schuld bekennen, vor Gott bereuen und auf das Opfer von Jesus Christus schauen.
Der Gerechte ist für uns gestorben. Gott ist gerecht, jede Schuld musste bestraft werden. Aber die Strafe konnte an seinem Sohn geschehen, stellvertretend.
Nur wenn wir uns mit ihm identifizieren und dieses Opfer in Anspruch nehmen, wird es uns zugerechnet. Nicht automatisch. Es gibt keine Allversöhnung, dass alle am Ende in den Himmel kommen. Sonst würde man ja auch Hitler begegnen, und das geht nicht auf.
Man muss sich ganz persönlich entscheiden. So wie damals bei den Opfern, bei den Sündopfern, musste man die Hände auf den Kopf auflegen. Das bedeutete: Ich mache mich eins mit dem unschuldigen Opfer. Das Opfer übernimmt meine Schuld und stirbt an meiner Stelle.
So muss man das Opfer von Jesus Christus für sich in Anspruch nehmen.
Das Geheimnis des Altars ist eine Antwort für alle aus dem orthodoxen Judentum. Es ist eine Antwort für alle Katholiken, aber auch für alle Buddhisten.
Dort geht es genau so mit einem Punktesystem. Die Menschen sind zum Beispiel in Thailand sehr darauf aus, gute Dinge zu tun. Jede Firma wird sogar vom Staat verpflichtet, zu spenden. Sie können aussuchen, welche Organisationen sie unterstützen wollen, aber alle müssen spenden. Das gehört zum Buddhismus.
Man muss Gutes tun, um schließlich gutes Karma zu bekommen, das heißt mit anderen Worten, guten Segen zu erhalten.
Alles ist immer auf Leistung aufgebaut. Natürlich ist es gut, wenn eine Firma spendet, das sollen sie ruhig weiter tun. Aber man darf nicht denken, man könne bei Gott etwas verdienen. Das geht nicht.
Man muss sich entscheiden für den Weg der Gnade.
Die Begegnung Jesu mit der Samariterin am Jakobsbrunnen als Symbol der Gnade
Und jetzt ganz zum Schluss noch eine kleine Zugabe – das macht man ja auch so. Wenn ein Konzert schön war, soll es eine Zugabe geben. Es gibt ja auch Konzerte, bei denen nicht so viel geklatscht wird, und trotzdem gibt der Künstler eine Zugabe. Man kann das beurteilen, wie man will. Mir geht es jetzt aber darum, einfach noch diese kleine Perle hinten anzuhängen: die Samariterin am Jakobsbrunnen.
Die meisten kennen die Geschichte aus dem Neuen Testament. Jesus Christus ist nachts mit seinen Jüngern unterwegs, weil es am Tag ziemlich gefährlich war, als Jude durch die samaritischen Gebiete zu gehen. Darum wanderten sie nachts. Am Morgen, gegen sechs Uhr, kommt er hier beim Jakobsbrunnen an, außerhalb von Sichar.
Hier ist übrigens das Josefsgrab, und hier ist Sichem – die Ausgaben, die ich gezeigt habe. Und hier hinten, am Fuß des Ebal, liegt die arabische Ortschaft Askar, das ist das biblische Sichar.
Diese samaritische Frau war fünfmal verheiratet, und jedes Mal ging es daneben. Danach lebte sie mit ihrem Freund im Konkubinat. Diese Frau kommt um sechs Uhr morgens an diesen Brunnen, und Jesus Christus ist da. Die Jünger sind weggegangen, um einzukaufen.
Es kommt zu einem persönlichen Gespräch. Herr Jesus beginnt nicht mit ihrem Problem, sondern er baut ein wunderbares Gespräch auf. Er bittet sie, ihm Wasser aus diesem Brunnen zu geben. So kommt ein Gespräch in Gang, bis sie schließlich realisiert: Dieser Mann muss ein Prophet sein. Und am Ende wird ihr sogar klar, dass er der Messias sein könnte. Die Samariter warten ja ebenfalls auf den Messias.
Also ein wunderbares Gespräch. Dann sagt der Herr Jesus: Dieses Wasser, wenn man es hier aus dem Brunnen trinkt, stillt den Durst nur für eine Weile. Ich könnte dir Wasser geben, da wirst du in Ewigkeit nicht mehr durstig sein.
Die Frau antwortet: „Oh, das möchte ich.“ Jesus sagt: „Gut, hol deinen Mann und komm her.“ Sie entgegnet: „Ich habe keinen Mann.“ Jesus erwidert: „Recht hast du gesagt: Fünf Männer hast du gehabt – das heißt, du warst fünfmal richtig legal verheiratet – und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann.“
Dann bringt die Frau noch eine biblische Frage an. Danach geht sie zurück ins Dorf, nach Sichar, und sagt den Leuten: „Kommt, da ist einer, der hat mir alles gesagt, was ich getan habe!“ Dabei hat er nur einen Satz gesagt: „Wen hast du gehabt? Der, den du jetzt hast ...“ Aber sie fühlte sich wirklich ins Licht Gottes gestellt. Ihr ganzes Leben stand im Licht Gottes, und alle Schmach oder Scham war plötzlich verloren.
Sie war ja um sechs Uhr morgens zum Brunnen gegangen, damit sie möglichst wenigen Leuten begegnet. Jetzt aber geht sie zu den Leuten und sagt: „Da ist einer, das müsste der Messias sein.“
Und ganz viele Samariter kommen dann zu Jesus und glauben an ihn.
Ist es nicht wunderbar? Wo wohnte diese Frau hier in Sichar, am Fuß des Berges des Fluches?