Guten Abend, ich begrüße alle herzlich zu diesem ganz neuen Seminarthema. Es geht um das Leben Josefs: Durch Leiden zur Herrlichkeit, 1. Mose 37-50.
Wir wollen ohne Stress durch die Kapitel hindurchgehen. Mit Stress meine ich nicht, zu schnell und oberflächlich zu überfliegen, sondern wirklich auf die Details einzugehen. Wir werden sehen, dass dieser Mann ein wunderbares Beispiel für ein Leben in der Liebe zu dem Herrn und einer völligen Hingabe ist.
Josef ist eine der wenigen Personen in der Bibel, die ausführlicher beschrieben werden, ohne dass eine einzige Sünde erwähnt wird. Natürlich war auch er ein Sünder und musste sich bekehren. Das hat er bereits in seiner Jugend getan. Aber es wird keine Sünde erwähnt, und das ist ähnlich auch bei Daniel. Auch er war nicht vollkommen und musste sich bekehren, weil er erkennen musste, dass er verloren ist. Doch auch er wird in seinem Glaubensleben von Jugend an beschrieben. Daniel kam ja als Teenager nach Babylon.
Hier werden wir sehen, dass die eigentliche Geschichte Josefs mit siebzehn Jahren beginnt. Seine Geburt wird zwar früher erwähnt, aber ab siebzehn Jahren wird uns wirklich sein Leben erzählt. In beiden Fällen wird auf eine Art berichtet, die zeigt, was positiv war in ihrem Leben.
Ein ganz grundsätzlicher Vers im Umgang mit dem Alten Testament ist Römer 15,4. Jerry, kannst du den Vers lesen?
Denn alles, was zuvor geschrieben worden ist, ist zu unserer Belehrung geschrieben, damit wir durch das Ausharren und durch die Ermunterung der Schriften die Hoffnung haben. Der Gott des Ausharrens und der Ermunterung aber gebe euch, gleichgesinnt zu sein untereinander in Christus Jesus, damit ihr einmütig mit einem Mund den Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus verherrlicht.
Besonders zu beachten ist Vers 4: „Denn alles, was zuvor geschrieben worden ist“ – damit ist wirklich das ganze Alte Testament gemeint, von 1. Mose 1 bis Maleachi am Schluss. Es ist zu unserer Belehrung geschrieben.
Damit wird klar: Das Alte Testament ist auch für die Gemeinde. Viele Christen vernachlässigen das Alte Testament und denken, es sei gar nicht so richtig oder eigentlich gar nicht für die Gemeinde. Das stimmt überhaupt nicht! Das Neue Testament erklärt, dass alles, was zuvor geschrieben worden ist, zu unserer Belehrung geschrieben worden ist.
Nun werden wir aus dem Beispiel von Josef so viel für unser persönliches Leben lernen. Aber noch mehr: Josef ist wie viele andere Personen im Alten Testament ein Hinweis auf den Erlöser, auf den damals noch kommenden Messias. Es gibt viele solche Personen, aber Josef ist ein ganz herausragendes Beispiel. Auch David ist ein Hinweis, doch bei David gibt es einige sehr dunkle Abschnitte, die genau das Gegenteil zeigen. Bei Josef jedoch nicht.
Das ganze Leben Josefs wird beschrieben, und wir werden sehen, dass wir in Kapitel 37 und in all den folgenden Kapiteln, in denen er beschrieben wird, überall Parallelen finden. Man könnte sich fragen: Wie viele Parallelen gibt es? Das kommt ein bisschen darauf an, wie man zählt. Ich habe vor, ein Skript abzugeben, in dem diese Parallelen aufgelistet sind: erstens, zweitens, drittens, viertens, hundert, hunderteins, hundertzwei und so weiter. Je nachdem, wie man zählt, sind es hundert, zweihundert bis dreihundert Parallelen.
Dem wollen wir nachgehen, uns aber nicht darin verlieren. Vielmehr wollen wir immer wieder diese Parallelen sehen und dann auch erkennen, was das Leben von Josef für uns persönlich bedeutet.
Darf ich bitten, Jerry, dass du uns vorliest, 1. Mose 37, ab Vers 1 und zunächst mal bis Vers 11.
Und Jakob wohnte in dem Land, in dem sein Vater als Fremder gelebt hatte, im Land Kanaan. Dies ist die Geschichte Jakobs.
Joseph, siebzehn Jahre alt, weidete die Herde mit seinen Brüdern. Er war als Knabe bei den Söhnen Bilhas und bei den Söhnen Silpas, der Frauen seines Vaters. Josef brachte ihre üble Nachrede vor ihren Vater, und Israel liebte Josef mehr als alle seine Söhne, weil er der Sohn seines Alters war. Deshalb machte er ihm ein langes Ärmelkleid.
Als seine Brüder sahen, dass ihr Vater ihn mehr liebte als alle seine Brüder, da hassten sie ihn und vermochten nicht, ihn zu grüßen.
Joseph hatte einen Traum und teilte ihn seinen Brüdern mit. Sie hassten ihn noch mehr.
Er sprach zu ihnen: „Hört doch diesen Traum, den ich gehabt habe. Siehe, wir banden Garben auf dem Feld. Und siehe, meine Garbe richtete sich auf und blieb auch aufrecht stehen. Eure Garben aber umringten sie und verneigten sich vor meiner Garbe.“
Da sprachen seine Brüder zu ihm: „Solltest du König über uns sein? Solltest du über uns herrschen?“ Und sie hassten ihn noch mehr wegen seiner Träume und seiner Worte.
Er hatte noch einen anderen Traum und erzählte ihn seinen Brüdern. Er sprach: „Siehe doch, einen Traum habe ich gehabt, und siehe, die Sonne und der Mond und elf Sterne beugten sich vor mir nieder.“
Sie erzählten es seinem Vater und seinen Brüdern. Da schalt ihn sein Vater und sprach zu ihm: „Was ist das für ein Traum, den du gehabt hast? Sollen wir etwa kommen – ich und deine Mutter und deine Brüder – um uns vor dir zur Erde niederzubeugen?“
Seine Brüder waren eifersüchtig auf ihn, aber sein Vater bewahrte das Wort.
Vielen Dank.
Wir haben gleich ein Problem am Anfang. Wenn man genau liest, sieht man in Vers 2: „Dies ist die Geschichte Jakobs. Joseph, siebzehn Jahre alt, weidete die Herde mit seinen Brüdern.“ Jetzt beginnt die Josefsgeschichte. Wie kommt das? „Dies ist die Geschichte Jakobs“ steht da, und dann folgt die Josefsgeschichte.
Das ist auch einem ganz großen Archäologen in England vor Jahrzehnten aufgefallen: Mr. Wiseman. Er hat sich gefragt, warum dieser Ausdruck „Dies ist die Geschichte“ nicht als Titel für das, was jetzt folgt, zu verstehen ist, sondern eher als Schlussbemerkung für das, was vorher beschrieben worden ist.
Als Spezialist für Akkadisch – also Babylonisch, Assyrisch – hat er viele Keilschrifttafeln aus Babylonien studiert. Es ist ganz typisch, dass am Schluss einer Tafel angegeben wird, wem diese Tafel gehört. Wenn dann eine nächste Tafel kommt, war es nicht üblich, einfach mit Nummerierungen wie eins, zwei, drei zu arbeiten, wie wir das heute tun. Stattdessen machte man Stichwortverbindungen.
Das heißt, am Schluss der Tafel stehen Stichwörter, die am Anfang der neuen Tafel wieder auftauchen. Wiseman überlegte: Der Ausdruck „Elle Doldot“, also „Dies ist die Geschichte“ oder „die Ursprungsgeschichte“, kommt elfmal im ersten Buch Mose vor.
Plötzlich ergibt das viel mehr Sinn, wenn man das nicht als Titel für das Folgende betrachtet, sondern als Kolophon am Schluss einer Tafel. Er stellte fest, dass es vorher Stichwortverbindungen gibt, dann kommt das Kolophon, und danach dieselben Stichwörter wieder.
So kam ihm der Gedanke, dass das die Erklärung sein könnte, wie Mose unter Inspiration des Heiligen Geistes das erste Buch Mose geschrieben hat. Woher wusste Mose von der Josefsgeschichte? Natürlich konnte Gott sie ihm direkt offenbaren, aber er konnte auch auf Zeugnisse zurückgreifen, auf die Geschichte von Jakob, davor die Geschichte von Isaak, Abraham und davor bis zurück auf Noah und die Schöpfung.
Woher hatte Mose das? Wir sehen, dass Lukas sein Evangelium geschrieben hat, indem er vielen Augenzeugen nachgegangen ist. Übrigens offensichtlich in der Zeit, als Paulus in der Gefangenschaft in Caesarea Maritima war – also Caesarea direkt am Mittelmeer, wo der Hauptsitz der römischen Militärmacht in Israel war. Dort war Paulus lange eingesperrt.
Das war für Lukas, den Begleiter des Paulus, die Gelegenheit, herumzureisen und Augenzeugen zu befragen. So hat er das Lukasevangelium verfasst. Er sagt in Kapitel 1, dass er den Augenzeugen nachgegangen ist und alles in einem bestimmten Ordnungsprinzip aufgeschrieben hat.
So ist es auch mit den Büchern Könige und Chroniken: Immer wieder steht dort, dass etwas „nicht geschrieben“ ist in dem und dem Buch. Viele dieser Bücher haben wir heute nicht mehr, beziehungsweise praktisch alles davon ist verloren.
Das zeigt, dass auch die Schreiber von Könige und Chroniken – zum Beispiel Jeremia, der an dem Buch Könige mitgeschrieben hat, und Esra – auf historische Dokumente zurückgegriffen haben.
Wir können also verstehen, dass Mose Dokumente hatte, die bis auf die Patriarchen zurückgingen, die selbst aufgeschrieben hatten.
Adam war nicht primitiv, und Noah war es auch nicht. Sonst hätte er nicht ein Schiff bauen können, das in seiner Größe erst seit dem 19. Jahrhundert in der westlichen Welt wieder gebaut wurde.
Die Patriarchen haben offensichtlich auf Tafeln geschrieben, und diese Aufzeichnungen wurden über Generationen weitergegeben – nicht nur mündlich.
Die Vorstellung einer langen mündlichen Überlieferung ist eine Schreibtischtheorie liberaler Theologen aus dem 19. Jahrhundert. Diese behaupteten ständig, das Alte Testament habe zuerst eine lange orale Tradition durchlaufen, also eine mündliche Überlieferung, die am Lagerfeuer ständig abgeändert wurde.
Diese Theologen aus Europa hatten wenig Bezug zum Land Israel und zum Nahen Osten.
Im Nahen Osten war es in der Zeit vor Mose nicht üblich, Geschichten am Lagerfeuer von Generation zu Generation weiterzugeben. Stattdessen war es wichtig, alles Wichtige schriftlich und genau aufzuzeichnen.
Schon bei den Keilschrifttafeln war es üblich, Zeilen zu zählen und Zwischenresultate anzugeben, damit ein Abschreiber kontrollieren konnte, ob er eine Zeile übersprungen hatte.
So konnte man Fehler korrigieren.
Solche Kontrollprinzipien wurden später von den Masoreten – den Abschreibern des hebräischen Textes im Mittelalter – bis zur Perfektion getrieben. Sie zählten Buchstaben, Wörter und Wortverbindungen, um in Abschriften eine perfekte Überlieferung der Bibel zu gewährleisten.
Das passt alles in das Umfeld des Nahen Ostens.
Ein Beispiel für solche Stichwortverbindungen: Wiseman hat ein Buch über die Entstehung des Schöpfungsberichts, also des ersten Buches Mose, geschrieben. Dort hat er seine Theorie dargelegt.
Ich war beeindruckt, als ich das vor vielen Jahren zum ersten Mal las. Ich bin dem nachgegangen und habe noch mehr Stichwortverbindungen gefunden. Es hat sich noch mehr bestätigt – es stimmt wirklich.
Das ist aber das Letzte, was wir hier in Kapitel 37 sehen: Nachher, in der Josephsgeschichte, kommt das nicht mehr vor.
In Ägypten hat man auf Papyrus geschrieben, und die Schreibgewohnheiten waren ganz anders, nicht auf Tontafeln, wie im Zweistromland üblich.
So kamen diese Tafeln, die Mose benutzte. Er hatte offensichtlich eine Papyrusüberlieferung von der Josephsgeschichte und hat dann unter Inspiration des Heiligen Geistes das erste Buch Mose ganz genau verfasst.
Auch in den späteren Mosebüchern kommt dieser Ausdruck nicht mehr vor.
„Dies ist die Ursprungsgeschichte von …“ ist also typisch für das erste Buch Mose.
Hier ein Beispiel aus 1. Mose 10: Ja, lesen wir in 1. Mose 11,26: „Und Tera lebte siebzig Jahre und zeugte Abram, Nahor und Haran.“
Und dies sind die Geschlechter Taras. Tera zeugte Abram, Nahor und Haran, und Haran zeugte Lot.
Der Ausdruck „elletholdot“ kann übersetzt werden mit „Dies sind die Geschlechter“ oder „Dies sind die Ursprünge von“. Besser konsequent übersetzt bedeutet es „Dies sind die Ursprünge“ oder „Dies ist die Ursprungsgeschichte“ – auf Deutsch im Singular. Damit endet die Tafel von Tera, die im Besitz war von dem Vater Abrahams.
Vorher steht: „Tera lebte siebzig Jahre und zeugte Abram, Nahor und Haran.“
Dann folgt: „Dies ist die Ursprungsgeschichte Taras.“ Punkt, nicht Doppelpunkt.
„Tera zeugte Abram, Nahor und Haran.“ Warum wird das wiederholt?
Das wurde ja schon vorher gesagt: Abram, Nahor, Haran. Diese Stichwortverbindungen markieren, dass eine Tafel endet und eine neue Tafel beginnt. So lässt sich das weiter aufzeigen.
Damit ist also klar, dass in 1. Mose 37,1-2 am Anfang der Bericht endet, den Mose auf der Tafel hatte, die im Besitz von Jakob war. Dann beginnt ganz neu die Josefsgeschichte, nicht mehr die Jakobsgeschichte.
„Joseph, siebzehn Jahre alt, weidete die Herde mit seinen Brüdern.“
Was erfahren wir über Joseph hier? Er war siebzehn Jahre alt, also ein Teenager in unserer Ausdrucksweise. Früher sprach man nicht von Teenagern, sondern nur von Kindern und Erwachsenen.
Der Begriff „Teenager“ ist eine relativ moderne Erfindung. Er beschreibt jemanden, der kein Kind mehr sein will, aber auch kein Erwachsener ist.
Dieser Mensch möchte nicht unbedingt die Verantwortung eines Erwachsenen tragen, aber die Vorrechte eines Erwachsenen ausleben. In dieser Hinsicht möchte er Kind sein, doch bei den Vorrechten möchte er erwachsen sein.
Das hängt auch mit unserer gesellschaftlichen Situation zusammen: Die Ausbildungszeiten sind sehr lang geworden. Solange die Ausbildung dauert, ist man in Entwicklung und noch nicht „fertig“.
Wer seine Ausbildung mit neunzehn abschließt, hat einen Abschluss. Andere studieren weiter, bis sie vielleicht siebenundzwanzig sind.
Diese Menschen sind eigentlich noch nicht erwachsen, haben Freude am Gedankenspielen und stellen vieles wieder auf den Kopf – allerdings unverbindlich.
Körperlich wird man schon sehr früh erwachsen, in der Zeit zwischen zehn und neunzehn Jahren, der sogenannten Teenagerzeit. Auf Englisch sagt man „thirteen“ (dreizehn) bis „nineteen“ (neunzehn). Danach ist man kein Teenager mehr.
Diese Zeit bringt viele Umbrüche mit sich, körperlich und seelisch. Joseph war siebzehn Jahre alt, also mitten in dieser Umbruchphase.
Auch damals war das so, auch wenn man nicht von Teenagern sprach und weniger diesen Konflikt hatte. Im Altertum war vielmehr klar: Bis dahin ist man Kind, und ab dann ist man erwachsen. Es gab kein „Niemandsland“ dazwischen.
Joseph war also ein junger Mensch, der in seiner Entwicklung noch nicht fertig war mit siebzehn.
Was erfahren wir noch? Das war meine Frage: Sie waren Bauern. Und zwar Kleinfiehbauern.
Genauer gesagt: Joseph war ein Hirte. Er weidete die Herde.
Das ist ein Hinweis darauf, dass Joseph ein Bild für den Erlöser ist. Jesus wird in Johannes 10 als der gute Hirte bezeichnet.
Schlagen wir Johannes 10 auf. Dort heißt es in Vers 11: „Ich bin der gute Hirte; der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe.“
Und in Vers 14: „Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich, wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne; und ich lasse mein Leben für die Schafe.“
Jesus ist also ein Hirte, der alles gibt – für seine Schafe, für seine Herde.
Weiter lesen wir in Johannes 10, Verse 27 und 28: „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir. Ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie werden niemals verloren gehen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.“
Das zeigt den guten Hirten Jesus.
Nun wird weiter erzählt, dass Joseph bei den Söhnen Bilhas und bei den Söhnen Silpas war.
Wer sind diese? Jakob hatte insgesamt vier Frauen und damit eine sehr große Familie.
Die Söhne Bilhas waren die Söhne der Magd Bilha, die Rahels Magd war. Die Söhne Bilhas sind Dan und Naftali.
Die ganze Geburtsgeschichte wird ausführlich in 1. Mose 29 erzählt.
Zuerst gebiert Lea vier Söhne: Ruben (Vers 32), Simeon (Vers 33), Levi (Vers 34) und Juda (Vers 35).
Danach gebiert Bilha Dan und Naftali in Kapitel 30, Verse 7 und 8.
Danach gebiert Silpa Gad in Vers 11 und Asser in Vers 13.
Diese sind die Nummern fünf, sechs, sieben und acht.
Später wird Issachar geboren in Vers 18 von Lea wieder, und Sebulon in Vers 20.
Dann beginnt Rahel zu gebären, und zwar Joseph.
Später gebiert sie noch Benjamin, den zwölften Sohn. Bei dessen Geburt stirbt sie – eine traurige Geschichte.
Schlagen wir kurz 1. Mose 35,16-19 auf:
„Und sie brachen auf von Bethel, und es war noch eine Strecke Landes, um nach Ephrat zu kommen. Da gebar Rahel, und es wurde ihr schwer bei der Geburt.
Als es ihr schwer wurde, sprach die Hebamme zu ihr: Fürchte dich nicht! Denn auch dieser ist dir ein Sohn.
Es geschah aber, als ihre Seele ausging, dass sie starb. Und sie gab ihm den Namen Benoni, sein Vater aber nannte ihn Benjamin.
Rahel starb und wurde begraben an dem Weg nach Ephrat, das ist Bethlehem.
Jakob richtete über ihrem Grab ein Denkmal auf. Das ist das Grabmal Rahels bis auf diesen Tag.“
So viel zur Geburtsgeschichte der Söhne Jakobs und der Einordnung Josephs.
Schauen wir noch auf 1. Mose 30,22-24:
„Und Gott gedachte an Rahel, und Gott erhörte sie und öffnete ihren Mutterleib. Sie wurde schwanger und gebar einen Sohn.
Sie sprach: ‚Gott hat meine Schmach weggenommen.‘ Und sie gab ihm den Namen Joseph und sprach: ‚Der Herr füge mir einen anderen Sohn hinzu.‘“
Für Rahel war es sehr schwer, ein Kind zu bekommen. Gott hatte ihr lange keines geschenkt.
Schließlich wurde sie erhört, und sie durfte Joseph gebären. Später kam noch Benjamin zur Welt, aber zum Zeitpunkt von Rahels Tod.
Dieser Joseph war ein ganz besonderes Geschenk, denn keiner der Söhne war wie dieser Junge.
Wenn wir kurz betrachten, was über Joseph im Segen Jakobs gesagt wird: Jakob rief unmittelbar vor seinem Tod in Ägypten alle zwölf Söhne zu sich. Dabei beginnt er mit dem erstgeborenen Ruben und spricht für jeden Sohn ein prophetisches Wort aus. Er gibt Segen und manchmal auch Fluch.
Was man über Joseph liest, ist einfach einzigartig. Lies du mal vor, Jerry, 1. Mose 49, Vers 22:
„Sohn eines Fruchtbaumes ist Joseph, Sohn eines Fruchtbaumes am Quell. Die Schösslinge treiben über die Mauer, und es reizen ihn und schießen und es bekämpfen ihn die Bogenschützen. Aber sein Bogen bleibt fest, und gelenkig sind die Arme seiner Hände durch die Hände des mächtigen Jakobs. Von dort ist der Hirte, der Stein Israels, von dem Gott deines Vaters, und er wird dir helfen, und dem Allmächtigen, und er wird dich segnen mit Segnungen des Himmels droben, mit Segnungen der Tiefe, die unten liegt, mit Segnungen der Brüste und des Mutterleibes. Die Segnungen deines Vaters überragen die Segnungen deiner Voreltern bis zur Grenze der ewigen Hügel. Sie werden sein auf dem Haupt Josephs und auf dem Scheitel des Abgesonderten unter seinen Brüdern.“
Joseph erhält hier also besondere Namen. Am Schluss von Vers 26 wird er „der Abgesonderte unter seinen Brüdern“ genannt. Natürlich war er ausgegrenzt, wie wir gleich noch sehen werden – und zwar von seiner Jugend an. Das war sehr schwierig für ihn. Er hat viel gelitten, weil er in der eigenen Familie Ausgrenzung und Feindschaft erlebte. So war er tatsächlich der Abgesonderte unter seinen Brüdern.
Wir werden auch sehen, dass Joseph, als er nach Ägypten verkauft wurde und dort jahrelang allein war, nichts mehr mit seiner Familie zu tun hatte und abgeschnitten war, weiterhin der Abgesonderte unter seinen Brüdern blieb.
Das Wort „Nasir“ ist hier wichtig. Es ist das Wort für den Nasiräer in 4. Mose 6. Ein Nasiräer war jemand, der sich ganz dem Herrn geweiht hatte und sein Leben ihm reservierte. Keiner der Söhne Jakobs war so. Das zeigt, dass nicht alles nur von den Eltern abhängt. Alle hatten denselben Vater, nicht unbedingt dieselben Mütter. Aber es hängt von der Entscheidung der Kinder ab, wie das Leben verläuft.
Joseph hat sich bereits in seiner Jugend klar entschieden. Damit war er der Abgesonderte unter seinen Brüdern – wirklich ganz speziell, einfach besonders. Diese Person war dem Herrn wohlgefällig und ihm völlig hingegeben, ein Nasir.
Dann hat er eine schöne Bezeichnung in Vers 22, am Anfang des Segens, wie er genannt wird. Ja, noch genauer! Ein Fruchtbaum an der Quelle. Ganz wörtlich übersetzt heißt es im Hebräischen „Benporat Josef“, also „Sohn eines Fruchtbaumes“. Das ist der Ausdruck für einen jungen Baum, der Frucht bringt.
Es gibt übrigens einen Rabbi, der Bekanntheit erlangt hat und Josef ben Porat heißt. Er hat seinen Namen einfach aus der Bibel genommen. Wirklich! Der Text „Sohn eines Fruchtbaumes“ ist auf Hebräisch „Benporat Josef“.
Noch eine bekannte Person trägt den Familiennamen Ben Porat: Mordechai Ben Porat. Er wurde 1923 im Irak geboren und starb 2022. Er war entscheidend tätig bei der Operation Ezra und Nehemia, die um 1950 bis 1952 stattfand. Dabei durften alle Juden aus dem Irak ausreisen, die wollten. Diese Ausreise war durch Gottes Eingreifen möglich und in Jeremia detailliert vorausgesagt.
Damals dachte die Regierung, es würden nur ein paar Tausend sein, die gehen wollen, um endlich die Juden loszuwerden, die ständig aus dem Land fliehen und nicht einmal mehr die Steuern vom vergangenen Jahr bezahlt hatten. Doch etwa 120.000 Juden meldeten sich an. Sie mussten auf die irakische Bürgerschaft verzichten und wurden staatenlos, denn den Staat Israel gab es damals noch nicht. Eine dramatische Geschichte.
Shlomo Hillel, ebenfalls ein irakischer Jude, beschrieb diese Zeit in seinem Buch „Operation Babylon“ sehr eindrucksvoll. Mordechai Ben Porat war bei dieser Aktion wesentlich beteiligt, durch die fast die gesamte jüdische Bevölkerung aus dem Irak ausreisen konnte.
So hat Joseph einen wunderbaren Namen für sich genommen: Ben Porat, junger Fruchtbaum. Und genau das war dieser Joseph.
Ich weiß, es gibt Menschen, die sich erst mit fünfundsechzig bekehren, wie Henoch, der dreihundert Jahre mit dem Herrn wandelte. Es gibt auch Fälle, in denen Leute sich mit achtzig bekehren, aber das ist sehr selten. Es wird immer unwahrscheinlicher, je länger man wartet.
Joseph hatte sich aber bereits in seiner Jugend bekehrt. Darum sieht man in der Beschreibung ab siebzehn Jahren ein hingegebenes Leben. Trotz all der Verletzungen, die ihm zugefügt wurden, und trotz kaum vorhandener Unterstützung oder Hilfe – besonders in Ägypten, wo er jahrelang völlig auf sich allein gestellt war – blieb er dieser junge Fruchtbaum.
Darum ist die Bezeichnung „Fruchtbaum am Quell“ sehr passend. Im Judentum wurden solche Namen später oft übersetzt. So kann man als Jude auch „Fruchtbaum“ heißen, was genau „Benporat“ bedeutet. Viele hebräische Namen wurden später ins Deutsche übersetzt. Wer ein wenig Gespür hat, erkennt sofort, dass es ganz typische jüdische Namen sind.
Joseph wird also als junger Fruchtbaum am Quell beschrieben. Gott wird in Jeremia 17 als die Quelle des Lebens dargestellt. Joseph war so eng mit dem Herrn verbunden, dass er ständig an dieser Quelle des Wassers des Lebens hing. Das ist eine wunderbare Bezeichnung, die erklärt, wie Joseph war und wie er sich entwickelt hat.
Diese Entwicklung erstreckte sich über Jahre, aber sie war schön und machte Freude. Dann heißt es von diesem Fruchtbaum: „Die Schösslinge treiben über die Mauer.“ Er entfaltete sich über das Maß hinaus, über die Mauer.
Dann wird von Feinden gesprochen: „Es reizen ihn und schießen und es bekämpfen ihn die Bogenschützen.“ Wir werden gleich noch in 1. Mose 37 sehen, wie gemein und übel seine Brüder zu ihm waren. Sie haben ihn wirklich mit Pfeilen beschossen – in der eigenen Familie. So etwas gibt es.
Doch seine Reaktion darauf lautet: „Aber sein Bogen bleibt fest, und gelenkig sind die Arme seiner Hände.“ Er führte keinen Krieg gegen seine Brüder, aber er kämpfte gegen all das Böse, das sie gegen ihn ausübten. Dabei blieb er fest und gelenkig.
Allerdings nicht aus eigener Kraft. Der Text sagt: „Durch die Hände des mächtigen Jakobs.“ Der wahre Gott, der einzig wahre Gott, gab ihm diese Kraft, damit er durchhalten konnte.
Jakob erklärt weiter, dass von dort, vom mächtigen Jakobs, der Hirte und der Stein Israels kommt. Das ist der Sohn Gottes. Joseph war ein guter Hirte, wie wir noch sehen werden, und ein Voraushinweis auf den Messias.
Der Stein Israels wird auch in Jesaja 8 genannt – der Fels und der Stein des Anstoßes. Dann heißt es: „Von dem Gott deines Vaters, und er wird dir helfen, und dem Allmächtigen, und er wird dich segnen mit Segnungen des Himmels droben.“
Diese Hilfe hat Joseph sein ganzes Leben hindurch erfahren, und zwar von seiner Jugend an. Das bedeutet nicht, dass er vor schweren Erfahrungen und Verletzungen verschont blieb. Doch der Herr hat ihn überreich gesegnet.
„Er wird dich segnen mit Segnungen des Himmels droben, mit Segnungen der Tiefe, mit Segnungen der Brüste und des Mutterleibes.“ Diese Segnungen überragen alles und kommen auf das Haupt Josephs und auf den Scheitel des Abgesonderten unter seinen Brüdern.
Dieser Segen gibt eine wunderbare, poetische Beschreibung von Joseph, seinem Wesen und seiner geistlichen Entwicklung. Das hilft uns, alles Weitere besser einzuordnen und zu verstehen.
Gehen wir zurück zu 1. Mose 37. Joseph war als Junge bei den Söhnen Bilhas, bei Dan und Naftali, und bei den Söhnen Silpas, bei Gad und Aser. Von seiner Mutter wird nichts gesagt; sie hat er verloren. Das war sicherlich eine schwere Erfahrung, ohne Vater oder Mutter aufzuwachsen. Ich weiß das auch aus eigener Erfahrung: Ab meinem zehnten Lebensjahr war mein Vater nicht mehr da. Es ist einfach anders, wenn man in einer Familie aufwächst, in der beide Elternteile da sind.
Dennoch muss ich sagen, der Herr kann das wirklich ausfüllen. Im Rückblick musste ich ihm immer wieder sagen, dass ich dadurch keinen Schaden erlitten habe. Viele denken, dass man zwangsläufig Schaden nimmt, wenn etwas fehlt. Das muss aber nicht so sein. Wir sehen das auch bei Joseph und werden noch sehen, was er alles erleben wird: Er wird als Sklave nach Ägypten verkauft, kommt ins Gefängnis und bleibt dort jahrelang. Wenn man seine Geschichte weiterverfolgt, muss man sagen, dass er keine Persönlichkeitsstörung entwickelt hat, sondern normal geblieben ist. Das ist schön zu sehen: Der Herr kann uns trotz schwieriger Erfahrungen normal erhalten.
Gehen wir weiter. Ganz am Schluss von Vers 2 wird berichtet, dass Josephs Brüder üble Nachrede vor ihrem Vater verbreiteten. Was erfahren wir hier? Ich sehe schon an den Gesichtern, was gedacht wird. Was wird hier gesagt? Worin besteht das Schlechte? Sie haben schlecht über Joseph geredet. Offensichtlich war es damals ganz üblich, über andere abwertend und falsch zu sprechen. Jakobus 3 sagt: Die Zunge ist ein unstetes Übel. Sie ist ein kleines Feuer, das einen ganzen Wald anzünden kann. Das war also keine Kleinigkeit.
Das Erste, was wir beachten wollen, ist, dass Joseph hätte mitgezogen werden können von seinen Eltern und Brüdern. Das ist Anpassung, Gruppendruck, und viele erleben das in der Schule. Sie wollen eigentlich nicht mitmachen, haben aber das Gefühl, sie müssen. Das muss aber nicht sein. Joseph hat sich abgegrenzt, und das war für ihn eine Not.
Jetzt stellt sich die Frage: War es falsch, dass er mit seinem Vater darüber gesprochen hat? Schweigen! Wir dürfen und müssen dem Vater im Himmel alles sagen und auch mit Menschen über solche Situationen sprechen. Es ist wichtig, dass Kinder trotz allem mit den Eltern reden, auch wenn ihnen manchmal gesagt wird, sie sollen nichts erzählen. Das ist Realität, aber es ist so wichtig, dass Kinder trotzdem mit den Eltern sprechen. Joseph hatte also noch eine Bezugsperson. Später werden wir sehen, dass diese auch wegfällt. Aber das war ein wichtiger Punkt.
Manchmal ist es auch sehr wichtig, dass Dinge gesagt werden – aber bei der richtigen Adresse. In den Sprüchen wird vom Verleumder gesprochen, der überall herumgeht und Gerüchte verbreitet. Wenn wir aber über bestimmte Probleme ganz im Vertrauen sprechen, sodass nichts weiterverbreitet wird, ist das absolut notwendig.
Auch das staatliche Gesetz fordert es, wenn es um kriminelle Dinge geht – dann müssen wir sprechen. Das ist keine Frage, ob man es für sich behält oder nicht. Leider ist es vielfach anders gemacht worden, und es wurde viel Schaden angerichtet. In Josephs Fall war es nicht strafrechtlich relevant im Sinne eines Verbrechens, aber es war böse, üble Nachrede. Joseph hat sich nicht mitreißen lassen und hat mit dem Vater darüber gesprochen.
In Johannes 7,7 sagt der Herr Jesus: „Die Welt kann euch nicht hassen, mich aber hasst sie, weil ich von ihr zeuge, dass ihre Werke böse sind.“ Joseph hat sich also geäußert: Das ist nicht recht, das geht nicht. Dadurch wurde er unter anderem gehasst – wir werden noch viele andere Gründe sehen. Hier sehen wir auch eine Quelle des Hasses seiner Brüder: Joseph hat nicht mitgemacht, sich abgegrenzt und verurteilt. Das hat die Brüder natürlich auch verurteilt fühlen lassen.
Weiter in Vers 3: „Und Israel liebte Joseph mehr als alle seine Söhne, weil er der Sohn seines Alters war, und er machte ihm ein langes Ärmelkleid. Als seine Brüder sahen, dass ihr Vater ihn mehr liebte als alle seine Brüder, hassten sie ihn und vermochten nicht, ihn zu grüßen.“
Hier haben wir den nächsten Punkt. Manche denken: Ach, dieser Jakob! In jüdischen und rabbinischen Kommentaren wird oft gesagt, Jakob habe hier falsch gehandelt. Es sei nicht richtig, ein Kind dem anderen vorzuziehen. Das ist auch so. Wir geben uns Mühe, alle Kinder gleich zu behandeln.
In den Sprüchen heißt es aber: „Erziehe den Knaben seinem Weg gemäß.“ In der Erziehung kann man nicht wie in der Industrie am Fließband vorgehen und alle gleich behandeln. Jedes Kind ist anders, und man muss der Natur und dem Wesen des Kindes entsprechend erziehen. Das ist schwierig, denn es gibt oft Widerspruch. Es ist eine Herausforderung, allen Kindern wirklich die volle Liebe zu geben.
Ein weiteres Problem ist: Wie ist es, wenn man ein schwieriges Kind und gleichzeitig ein gehorsames Kind hat? Wir haben beides erlebt. Hat man dann nicht mehr Freude an dem gehorsamen Kind? Es gibt verschiedene Arten von Liebe: die grundsätzliche Liebe zu den Kindern und die Liebe, die Freude macht, wenn ein Kind gehorsam ist.
Die Rabbis haben gesagt, wenn Jakob das nicht so gemacht hätte, wären wir nie in Ägypten gewesen. Der Holocaust, die Vernichtung der Jungen, die in den Nil geworfen werden sollten, wäre nie gekommen. Natürlich hätten die Brüder Joseph nicht gehasst, ihn nicht nach Ägypten verkauft, und die Familie wäre nicht als Großfamilie spät nach Ägypten gezogen. Dann wäre die Nachkommenschaft nicht versklavt worden, bis zum Exodus.
Gleich im Weiteren wird gesagt: Israel liebte Joseph mehr als alle seine Söhne, weil er der Sohn seines Alters war. Für ihn war es etwas Besonderes, dieses elfte Kind noch bekommen zu haben. Dann heißt es: „Und er machte ihm ein langes Ärmelkleid.“ Das erklärt jetzt etwas Wichtiges: Im Altertum war das eine Auszeichnung für den Erstgeborenen.
Das Gesetz Mose, das nach Joseph kam, legte in 5. Mose fest, dass der Erstgeborene das doppelte Erbe erhält. Wer war der Erstgeborene? Ruben. Aber Ruben hat etwas Schreckliches getan. Wir können das kurz nachlesen: 1. Mose 35,22 – „Und es geschah, als Israel in jenem Land wohnte, da ging Ruben hin und lag bei Bilha, der Nebenfrau seines Vaters, und Israel hörte es.“ Das ist eine üble Geschichte.
In dieser Familie gab es Inzest. Jakob hat sich nicht gerecht verhalten, aber das Wort Gottes sagt, Israel hörte es und musste damit fertigwerden. Das ist ein unglaubliches Leiden, das darin verborgen ist. Die Folge war, dass Jakob Ruben enterbte. Er nahm ihm das Erstgeburtsrecht weg und gab es Joseph. Joseph war zwar nicht der älteste Sohn der Familie, denn das war Ruben, der erste Sohn von Lea, aber als Sohn von Rahel war Joseph der Erstgeborene.
Darum war es wichtig zu sehen, dass Joseph der Erstgeborene war. Es gab auch noch einen kleinen, lieblichen Jungen, Benjamin. Aber Joseph war der Erstgeborene, und Jakob entschied, das Erstgeburtsrecht Joseph zu geben.
Das erklärt auch, dass aus diesen zwölf Patriarchen die zwölf Stämme Israels entstanden. Als sie unter Josua ins Land gingen, bekam Joseph ein doppeltes Erbe: seine beiden Söhne Ephraim und Manasse, die in Ägypten geboren wurden, wurden als einzelne Stämme gezählt. Der Stamm Levi bekam kein Erbe, weil er der Priesterstamm war – das war gewissermaßen sein Erbe. Joseph erhielt also den doppelten Anteil. Dieses Prinzip wird hier durch das lange Ärmelkleid ausgezeichnet.
In Vers 4 lesen wir noch einmal: „Als seine Brüder sahen, dass ihr Vater ihn mehr liebte als alle seine Brüder, da hassten sie ihn und vermochten nicht, ihn zu grüßen.“
Wir haben hier Parallelen: Joseph ist ein Bild des guten Hirten, er zeugt gegen böse Taten, wie der Herr Jesus in Johannes 7,7 sagt. Ein dritter Punkt ist, dass Joseph in besonderer Weise der geliebte Sohn des Vaters ist. Dazu lesen wir Matthäus 3, wo Jesus mit dreißig Jahren zum Jordan ging, um getauft zu werden und seinen öffentlichen Dienst zu beginnen.
Matthäus 3,16: „Als Jesus getauft war, stieg er sogleich aus dem Wasser herauf, und siehe, die Himmel wurden ihm aufgetan. Und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herniederfahren und auf ihn kommen. Und siehe, eine Stimme erging aus dem Himmel, die sprach: Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe.“
Jesus war also dreißig Jahre alt, und wir werden später sehen, dass der große Dienst von Joseph ebenfalls in diesem Alter begann – als er nach jahrelanger Haft aus dem Gefängnis kam. Die dreißig Jahre sind somit ein besonderer Startpunkt für den Dienst, für den Herrn. Alles davor war Vorbereitung und Formung.
Hier wird Jesus als der geliebte Sohn des Vaters beschrieben – eine schöne Parallele. In Hebräer 1 wird er auch genannt „der Erbe aller Dinge“. So ist Joseph der Erbe mit dem langen Ärmelkleid. Auch Jesus trug ein besonderes Kleid – ein durchgewebtes Priesterkleid.
Wo sieht man das? Johannes 19 beschreibt, dass die Soldaten bei der Kreuzigung Jesu seine Kleider unter sich aufteilten. Vers 23: „Die Soldaten nun nahmen, als sie Jesus gekreuzigt hatten, seine Kleider und machten vier Teile, jedem Soldaten einen Teil, und das Untergewand. Das Untergewand aber war ohne Naht, von oben an durchgehend gewebt.“
Das Untergewand, das Joseph hatte, war ebenfalls ein Untergewand, wahrscheinlich ein farbiges Kleidungsstück, das nur Vornehme trugen. Die Elberfelder Fußnote erklärt das als langen Leibrock. Die Parallele ist schön: Jesus hatte ein besonderes Untergewand, das an den Priesterdienst erinnerte. Am Kreuz gab er sich als Priester zum Opfer hin.
Wir sehen also eine interessante Parallele. Dann haben wir gesehen, dass seine Brüder ihn hassten und nicht grüßen konnten. Dieser Hass war verbunden mit Eifersucht.
In Johannes 15,24 heißt es: „Wenn ich nicht die Werke unter ihnen getan hätte, die kein anderer getan hat, so hätten sie keine Sünde. Jetzt aber haben sie gesehen und doch gehasst, sowohl mich als auch meinen Vater.“
Jesus spricht davon, wie er gehasst wurde. In Vers 18 davor heißt es: „Wenn die Welt euch hasst, so wisst, dass sie mich vor euch gehasst hat. Wenn ihr von der Welt wäret, würde die Welt das Ihre lieben. Weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich euch aus der Welt auserwählt habe, darum hasst euch die Welt.“
Jesus wurde gehasst, und darum werden wir als Erlöste auch gehasst. Wenn wir darauf aus sind, in dieser Welt geliebt zu werden, haben wir falsche Erwartungen. Joseph musste mit diesem Hass leben, der mit Eifersucht verbunden war.
Dazu lesen wir noch Markus 15,10: „Der Richter Pilatus wusste ganz genau, was bei diesem Scheinprozess geschah, denn er hatte erkannt, dass die Hohenpriester ihn aus Neid überliefert hatten. Die Hohenpriester aber wiegelten die Volksmenge auf, dass er ihnen lieber Barabbas freilasse.“
Die führenden Priester hatten Jesus aus Neid überliefert. So hat auch Joseph den Neid seiner Brüder erlebt.
Und dann gehen wir noch ganz kurz weiter, Vers fünf: Joseph hat einen Traum und teilte ihn seinen Brüdern mit. Sie hassten ihn noch mehr. Er sprach zu ihnen: „Hört doch diesen Traum, den ich gehabt habe! Siehe, wir banden Garben auf dem Feld, und siehe, meine Garbe richtete sich auf und blieb auch aufrecht stehen. Und siehe, eure Garben umringten sie und verneigten sich vor meiner Garbe.“
Ja, Joseph war ein Prophet, und auch Herr Jesus war ein Prophet. Ich meine, in Kapitel vierzehn liest du, dass die Leute das Zeichen, das Jesus tat, sahen und sprachen: „Dieser ist wahrhaftig der Prophet, der in die Welt kommen soll.“ Als Jesus erkannte, dass sie kommen und ihn ergreifen wollten, um ihn zum König zu machen, zog er sich wieder allein auf den Berg zurück.
Diese Menschen erkannten also, dass Jesus der Prophet ist – nicht nur ein Prophet, sondern der Prophet. Der Messias wurde von Mose angekündigt in 5. Mose 18, Vers 15. Dort heißt es, dass Gott ihnen, dem Volk Israel, einst einen Propheten erwecken würde, der gleich ihm sei. Mose war nämlich nicht nur Prophet, sondern auch Priester. Er konnte jederzeit ins Allerheiligste gehen, während Aaron, der Hohepriester, nur einmal im Jahr dorthin durfte. Mose konnte direkt mit Gott von Angesicht zu Angesicht sprechen.
Also war Mose Prophet, Priester und auch König. In 5. Mose 33 finden wir die Bemerkung, dass er König in Jeschurun war. Jeschurun ist ein Kosenname für Israel. Dort wird Mose als König bezeichnet – also König, Priester und Prophet in einer Person.
Nach Gottes Plan durfte es in der Geschichte Israels nie sein, dass ein Mensch alle drei Ämter in sich vereint: König, Priester und Prophet. Aber ausnahmsweise hatte Mose das. Darum sagt Mose in 5. Mose 18, Vers 15: „Einen Propheten gleich mir, nämlich König, Priester und Prophet, wird der Herr erwecken. Auf ihn sollt ihr hören, in allem, was er zu euch reden wird.“
Deshalb erwartet man den Messias als König und als den Propheten – nicht nur als einen von vielen Propheten. Wenn man mit Muslimen spricht, die sagen: „Ja, natürlich, er ist ein Prophet“, dann ist die Antwort: „Nein, er ist der Prophet.“ Er ist der Prophet aus 5. Mose 18.
Das ist der wichtige Punkt: Der Prophet muss, wie weitere Prophezeiungen im Alten Testament zeigen, ein Jude sein. Dann kann man sagen, dass das gar nicht auf Muhammad passt, denn er stammt nicht aus dem Stamm Juda, sondern aus Ismael. Ismael erhielt nicht das Erbe, sondern Isaak. Aus Isaaks Linie kam später der Stamm Juda, und aus dieser Linie eben der Messias, der Prophet.
Joseph war ein Hinweis auf den Herrn Jesus. Er spricht ganz offenherzig über seine Träume. Er hätte sich überlegen können: Wie reagieren meine Brüder? Sie hassen mich sowieso schon. Und jetzt erzähle ich ihnen noch, was ich geträumt habe.
Wir haben ja bereits gelesen, dass Vater Jakob beim zweiten Traum gleich die Auslegung gibt. Er weiß genau, was das bedeutet: Sonne, Mond und elf Sterne. „Meinst du eigentlich, dass dein Vater und deine Mutter und quasi die elf – übrigens ist auch Benjamin dabei – sich einmal vor dir verneigen werden?“ Und trotzdem hat Joseph es so erzählt.
Was zeigt das über den Charakter von Joseph? Er hat einen lauteren Charakter und etwas Offenherziges. Böse Zungen würden sagen, er sei naiv. Aber es ist nicht Naivität, sondern einfach so echt. Er wusste: Der Herr hat mir das gezeigt. Das war nicht irgendein Traum, sondern der Herr hat es mir offenbart. Und dann will ich es teilen.
Jesus in den Evangelien verkündet alles, was der Vater ihm aufgetragen hat, und hält nichts zurück. Er bekam Hass, Widerspruch und Ablehnung. Trotzdem sprach und predigte er bis zum Schluss. Genauso wie Joseph, der, als er merkte, dass es nach dem ersten Traum nicht gut ankam, auch den zweiten Traum erzählte.
Man kann sagen, Joseph hat seinen Dienst einfach durchgezogen.
Dann wollen wir an dieser Stelle stoppen und später weitermachen. Allein schon im Kapitel 37 finden wir über dreißig Parallelen zum Herrn Jesus.
Vielen Dank an Roger Liebi, dass wir seine Ressourcen hier zur Verfügung stellen dürfen!
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