Die unterschiedlichen Schwerpunkte der Evangelien und die Menschwerdung Jesu
Wir haben gesehen, dass die vier Evangelien jeweils ein anderes Thema behandeln. Matthäus betont, dass Jesus der König ist. Markus zeigt eine andere Seite: Jesus ist der Knecht. Lukas hebt hervor, dass Jesus Christus der vollkommene Mensch ist. Johannes betont, dass Jesus Christus Gott ist. Die vier Evangelien ergänzen sich also gegenseitig.
In der Einleitung haben wir beim letzten Mal deutlich gesehen, wie Jesus Christus hier als der ewige Gott und als der Schöpfer vorgestellt wird, der aber Mensch geworden ist.
Kann jemand Johannes 1,14 vorlesen? Jesus Christus wird hier „das Wort“ genannt, wie schon in Vers 1. Dort steht: „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater.“
Seine Gnade sei frei! Danke! Das Wort wurde Fleisch. „Fleisch“ ist im Hebräischen „basar“ und ein normaler Ausdruck für Mensch. Also wurde das Wort Mensch – Gott wurde Mensch. Das ist ein Wunder, das wir überhaupt nicht verstehen können.
Wie soll das möglich sein? Wie kann Gott Mensch werden? Weil Gott allmächtig ist, kann er es. Das ist die Antwort.
Johannes der Täufer als Prophet nach 400 Jahren Schweigen
In dieser Einleitung haben wir bereits Johannes den Täufer gefunden. In Vers 6 kann man das noch einmal nachlesen: Johannes 1,6: „Da war ein Mensch von Gott gesandt, sein Name war Johannes. Dieser kam zum Zeugnis, das von dem Licht zeugte, damit alle durch ihn glauben.“ Er war nicht das Licht, sondern er kam, um von dem Licht zu zeugen.
Das Auftreten von Johannes dem Täufer war eine Sensation. Der Grund dafür liegt darin, dass der letzte Prophet des Alten Testaments Maleachi war. Wann wirkte er? Etwa 400 v. Chr. Von da an gab es keine Schriftpropheten mehr in Israel.
Das kann man sogar in den Makkabäerbüchern nachlesen. In 1. Makkabäer 9 wird die schwere Zeit in Israel im zweiten Jahrhundert v. Chr. beschrieben. Dort heißt es: „Und es war so große Drangsal in Israel wie nicht gewesen, seitdem man keine Propheten mehr hat, keine Propheten mehr nach Maleachi.“
Im Talmud steht im Traktat Sanhedrin: Nach dem Tod der Propheten Sacharja, Haggai und Maleachi wich der Heilige Geist von Israel. Deshalb kann man diese 400 Jahre bis zur Geburt Christi als die „400 stummen Jahre“ bezeichnen.
Plötzlich tritt nun wieder ein Prophet auf, der mit göttlicher Autorität predigt: Johannes der Täufer. Sein Auftreten war eine Sensation. Dieser Prophet, nach 400 Jahren Schweigen, sollte das Volk darauf vorbereiten, dass der Messias nun kommen wird.
Die Untersuchung Johannes' durch die führenden Juden
Und darum beginnt hier, nach der Einleitung der Berichte des Johannes, in Vers 19 eine Untersuchung. Die Juden aus Jerusalem sandten Priester und Leviten zu Johannes dem Täufer. Diese sollten ihn quasi untersuchen: Wer ist dieser Mann, der plötzlich so vollmächtig auftritt?
Wenn es hier heißt, die Juden aus Jerusalem sandten Priester und Leviten, bedeutet das dann, dass Priester und Leviten keine Juden waren? Warum steht hier „die Juden sandten“? Wer sind diese Juden? Vielleicht ist das gemeine Volk gemeint, das gekommen ist, um nachzufragen, was da vor sich geht. Wenn hier aber „die Juden sandten“ steht, sind vielleicht die Judäer gemeint, also die aus dem Stamm Juda? Wenn ein Prophet auftaucht, sind es meist die Führer der Juden, die reagieren. Dann würden sie sagen: „Die Juden“ meinen speziell die führenden Juden.
Diese waren bestimmt sehr daran interessiert, zu erfahren, was passiert. Die Abgesandten kamen von den Pharisäern, wie es in Vers 24 steht. Dort wird anstelle von „die Juden“ plötzlich von „den Pharisäern“ gesprochen. Zuvor heißt es aber „die Juden sandten“, also sind Juden hier gleichbedeutend mit Pharisäern. Vielleicht haben die Juden bei den Pharisäern Druck gemacht, und jemand hat dann Leute geschickt, um die Situation zu klären.
Schauen wir uns noch andere Stellen an, um Klarheit zu gewinnen. In Johannes 9, in der Heilung des Blindgeborenen, Vers 22, fragen die Pharisäer die Eltern des Blindgeborenen, wie es zu seiner Heilung gekommen ist. Dort lesen wir: „Dies sagten seine Eltern, weil sie die Juden fürchteten; denn die Juden waren schon übereingekommen, dass, wenn jemand ihn als Christus bekennen würde, er aus der Synagoge ausgeschlossen werden sollte.“
Hier waren die Eltern offenbar keine Juden, und sie hatten Angst vor den Juden. Jetzt wird es langsam klarer. Zu welchem Schluss kommen wir? Waren das die zehn Männer, die zur Grundausstattung einer Synagoge gehörten? Es geht prinzipiell nicht nur um eine bestimmte Synagoge, sondern allgemein darum, dass jemand, der Jesus als Messias bekennt, aus der Synagoge ausgeschlossen wird. Das hatten die Juden beschlossen.
Jesus musste sich den Pharisäern vorstellen und seine Heilung vor ihnen bezeugen. Am Anfang steht, dass sie den geheilten Mann zu den Pharisäern brachten (Vers 13). In Vers 18 ist wieder von den Juden die Rede, also könnte man fast annehmen, dass es dieselben sind. Ja, es waren die führenden Pharisäer, die diese gerichtliche Untersuchung wegen der Heilung durchführten.
Der Ausdruck „die Juden“ wird im Johannesevangelium offensichtlich speziell für die führenden Juden verwendet. Das ist sehr wichtig, denn dieser Begriff taucht immer wieder auf. Wenn man das nicht verstanden hat, gibt es Probleme beim Textverständnis. Die Juden sind hier also die Pharisäer, die führenden Juden. Sie waren ein Teil der Führerschaft. Der oberste Gerichtshof bestand aus einem Teil Sadduzäer und einem Teil Pharisäer. Das war die führende Oberschicht.
Wenn also „die Juden“ etwas beschlossen, war es die führende Oberschicht, die diesen Entscheid traf. Auch bei der Aussage, dass die Juden Priester und Leviten sandten, handelt es sich um den obersten Gerichtshof, der Leute aussandte, um Johannes den Täufer zu prüfen. Man wollte klären, ob er ein falscher Prophet ist und was er von sich behauptet. So konnte man ihn nicht einfach unbeachtet stehen lassen.
Daraus ergibt sich die Frage: Wird der Begriff „Juden“ hier ähnlich verwendet wie wir heute sagen „die in Berlin“? Dabei meinen wir auch nicht jeden Berliner, sondern eine bestimmte Gruppe. Genau so verhält es sich hier. Der Ausdruck „Juden“, der sonst alle zum auserwählten Volk gehörenden Menschen bezeichnet, wird im Johannesevangelium eingeschränkt für die führende Schicht der Juden genutzt.
Das ist vergleichbar mit anderen Begriffen. Wir sagen ja auch, dass Christen damals verfolgt wurden. Gemeint sind dabei nicht alle Christen, sondern einige wenige Führende, die das in der Hand hatten. Es ist also ein paralleler Ausdruck, den man so nachvollziehen kann.
Wir kommen immer wieder auf diesen Punkt zurück. Wenn wir das nicht klären, stolpern wir ständig über solche Stellen. Zum Beispiel auch später in Johannes 11: Maria und Martha sind traurig wegen Lazarus. Da kommen „die Juden“ zu ihnen und trösten sie. Maria und Martha waren keine Juden, aber die führenden Leute aus Jerusalem, die zu ihnen kamen, wurden als „die Juden“ bezeichnet.
Die Identität Johannes' des Täufers
Nun zur ersten Untersuchungsfrage an Johannes den Täufer. Zuvor noch eine Zusatzfrage, Herr Levy, Entschuldigung. Sie sagten eben, diese Gruppe der leitenden Juden bestand aus zwei Hauptgruppen: den Pharisäern und den Sadduzäern. Geschickt haben das also offensichtlich nur die Pharisäer. In diesem Fall ganz genau, denn das wird im Vers 24 erneut verdeutlicht. Dort steht, dass es die pharisäische Führungsgruppe war, die diese Untersuchung eingeleitet hatte. Ja, ganz genau.
Kommen wir nun zur ersten Frage an Johannes: Wer bist du? Das ist eine gute Frage, die man sich auch selbst stellen kann: Wer bist du? Johannes hat eine ganz klare Vorstellung. Was sagt er als Antwort? „Ich bin nicht der Christus.“ Was bedeutet das für sie? „Ich bin nicht der Messias.“ Christus und Messias sind dasselbe. Wir haben das übrigens in Vers 41 am Schluss gelesen, wo gesagt wird: „Wir haben den Messias gefunden.“ Johannes erklärt, was übersetzt Christus bedeutet, nämlich Messias. Christus ist die griechische Form, Messias die hebräische Wortform.
Was heißt das aber genau? Was bedeutet Messias, was bedeutet Christus? Es heißt „der Gesalbte“. Für jemanden, der das noch nie gehört hat, sagt das zunächst wenig. Was heißt „der Gesalbte“? Es bedeutet: der versprochene Retter, der Erlöser. Darum geht es genau.
Wenn wir nun erklären müssen, warum der Gesalbte der versprochene Retter ist: Im Alten Testament wurden Könige und Priester gesalbt. Durch die Salbung wurden sie in ihr Amt eingesetzt. Wer wurde noch gesalbt? Ein Beispiel haben wir bei Elisa. Elia sollte Elisa zum Propheten salben. Die drei Ämter König, Priester und Prophet kommen im Alten Testament vor und wurden durch Salbung eingesetzt.
War es im Alten Testament möglich, dass eine Person alle drei Ämter gleichzeitig besetzt? Warum nicht? Wo lag der Haken? Es gab eine Art Gewaltenteilung. Wie war diese begründet? Die Priesterämter waren dem levitischen Stamm vorbehalten. Priester konnten also nur aus dem Stamm Levi kommen. Könige stammten aus der Familie Davids, also aus dem Stamm Juda. Propheten konnten aus allen Stämmen kommen, im Prinzip war das nicht auf einen bestimmten Stamm eingegrenzt.
König und Prophet zusammen? Ja. Priester und Prophet zusammen? Ja. Aber König, Priester und Prophet zusammen? Nein. Das war eine von Gott vorgesehene Gewalttrennung. Diese Gewaltenteilung wurde also nicht von den Philosophen der Aufklärung erfunden, sondern ist ein biblisches Prinzip.
Diese Gewaltenteilung sollte etwas bewirken oder verhindern: Dass nicht zu viel Macht in einer Hand liegt. Zu große Machtkonzentration in einer Person ist immer eine Gefahr – das sehen wir ständig. Darum dient die Gewaltenteilung, die wir in unseren europäischen Staaten als Grundprinzip verankert haben, dazu, zu verhindern, dass jemand zum Diktator wird, der seine Macht unbegrenzt missbraucht. Doch Gott hatte das bereits so für Israel eingerichtet.
Nun haben die Propheten vorausgesagt, dass einmal der Retter, der Erlöser kommen wird. Dieser wird alle Ämter in sich vereinen: Er wird König, Priester und Prophet in einer Person sein. Dann braucht es keine Gewaltenteilung mehr, weil er der Vollkommene sein wird.
Macht an sich ist nicht schlecht, nur Machtmissbrauch. Wenn der Richtige die Macht hat, dann ist das richtig so. Darum ist die Demokratie nicht der Weisheit letzter Schluss. Demokratie will gerade verhindern, dass jemand zu viel Macht hat und diese missbraucht, besonders wenn er verdorben ist. Solange der Mensch als verdorbenes Wesen gilt, kann durch Demokratie die Macht bis zu einem gewissen Grad zurückgebunden werden.
In einer absoluten Monarchie, in der keine Gewaltenteilung herrscht, ist die Gefahr von Grausamkeit und Machtmissbrauch sehr groß, weil wir Menschen von Natur aus verdorben sind. Doch der Messias, der Vollkommene, in ihm soll einmal alle Macht konzentriert sein.
Daher die Frage: Wer bist du? Johannes antwortet: „Ich bin nicht der Messias.“ Er ist also nicht dieser verheißene König, Priester und Prophet. Er war ja nur ein Prophet.
Die Frage nach Elias und die Rolle Johannes' des Täufers
Die nächste Frage lautet: „Was dann, bist du Elia?“ Seine Antwort: „Was sagt ihr zu dieser Antwort?“ Stehe ich im Widerspruch zu Lukas, wenn dort steht, dass Johannes der Elia gewesen sei? Ja, schlagen wir das doch einmal auf. Wir können auch Matthäus 11 nehmen. Dort befinden wir uns zu einer späteren Zeit, Johannes ist im Gefängnis – genauer gesagt in der Festung Machairus im heutigen Jordanien.
Dann spricht der Herr Jesus über Johannes den Täufer. Können wir das einmal lesen? Matthäus 11, Verse 7 und folgende:
„Als diese aber hingingen, fing Jesus an, zu den Volksmengen über Johannes zu reden: Was seid ihr in die Wüste hinausgegangen, um zu sehen? Ein Rohr, vom Winde hin und her bewegt? Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Einen Menschen mit weichen Kleidern angetan? Siehe, die, die weiche Kleider tragen, sind in den Häusern der Könige. Aber was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Einen Propheten? Ja, sage ich euch, und mehr als einen Propheten; denn dieser ist es, von dem geschrieben steht: ‚Siehe, ich sende meinen Boten vor deinem Angesicht her, der deinen Weg vor dir bereiten wird.‘“
Woher stammt dieses Zitat? Es stammt vom letzten Propheten des Alten Testaments. Maleachi kündigt also den Vorläufer des Messias an – den Boten vor dem Angesicht des Messias. Gut, weiter:
„Wahrlich, ich sage euch, unter den von Frauen Geborenen ist kein Größerer aufgestanden als Johannes der Täufer; der Kleinste aber im Reich der Himmel ist größer als er.“
Jawohl, und dann noch Vers 13 und 14:
„Denn alle Propheten und das Gesetz haben geweissagt bis auf Johannes. Und wenn ihr es annehmen wollt: Wer ist Elia, der kommen soll? Und wer Ohren hat zu hören, der höre.“
Also, da ist etwas Geheimnisvolles darin. Er ist Elia, und er sagt: „Ich bin nicht Elia.“ Wer hilft uns aus diesem Problem heraus? Wird Elia im Geist erschienen? Nein, offenbar wird Elia nicht direkt erwähnt. Es wird von zwei Propheten gesprochen, die Zeichen tun wie Elia, aber der Name Elia wird nicht genannt, ebenso wie Mose. Im Geist des Elia.
Ja, wo steht das? Gabriel, der Engel Gabriel, erschien Zacharias, dem Vater von Johannes, im Tempel. In Lukas 1 kündigte er ihm die Geburt dieses Propheten an. Und zwar Lukas 1, Vers 13:
„Der Engel aber sprach zu ihm: Fürchte dich nicht, Zacharias, denn dein Flehen ist erhört worden, und Elisabeth, deine Frau, wird dir einen Sohn gebären. Du sollst ihm den Namen Johannes geben. Und er wird dir zur Freude und zum Jubel sein, und viele werden sich über seine Geburt freuen. Denn er wird groß sein vor dem Herrn; weder Wein noch starkes Getränk wird er trinken. Schon vom Mutterleib an wird er mit dem Heiligen Geist erfüllt sein, und viele der Söhne Israels wird er zu dem Herrn, ihrem Gott, bekehren. Und er wird vor ihm hergehen in dem Geist und der Kraft des Elia, um die Herzen der Väter zu den Kindern und die der Ungehorsamen zur Gesinnung der Gerechten zu bekehren, damit dem Herrn ein zugerüstetes Volk bereitet wird.“
Danke. Also, er wird kommen im Geist und in der Kraft des Elia. Was heißt das „im Geist des Elia“? Im Sinne dessen, was Elia getan hat, in seiner Art und Weise, in seinem Geist war er führend. Ja, genau, also in seiner Art und Weise. Auf Französisch sagt man das noch viel mehr, zum Beispiel wenn man sagt, hier ist eine schöne Atmosphäre, dann sagt man: „Il y a un bon esprit“ – es gibt hier einen guten Geist. Aber das hat nichts damit zu tun, dass da irgendwie ein Geist herumgeht, sondern es bedeutet, dass man hier eine gute Gesinnung hat, man fühlt sich wohl, angenehm.
Also „im Geist des Elia“ heißt in der Gesinnung, in der Denkungsart wie Elia, und auch in der Vollmacht, wie Elia sie gehabt hatte – in der Kraft des Elia. Also nicht eine Reinkarnation.
Gut, Elia ist ja sowieso nicht gestorben, er ist entrückt worden, der Prophet Elia im 9. Jahrhundert vor Christus. Aber jetzt ist Johannes empfangen worden, Lukas 1, im Mutterleib der Elisabeth, also hätte er quasi einen neuen Körper bekommen. Es wäre doch eine Art Reinkarnation. Dieses Denken ist der Bibel jedoch vollkommen fremd.
Die Anthroposophen haben daraus abgeleitet, dass alle 800 Jahre eine Reinkarnation stattfindet. Sie begründen das so, dass Elia im 9. Jahrhundert vor Christus lebte und dann Johannes der Täufer geboren wurde – also 800 Jahre später eine Reinkarnation. Doch dieses Denken, dass dieser entrückte Prophet zurückkäme, war im Judentum nicht als Reinkarnation verstanden. Vielmehr glaubte man, dass dieser Prophet, da er nicht gestorben ist, plötzlich wiederkommen würde.
Dieser Gedanke der Reinkarnation ist jedoch völlig fremd im Judentum.
Man kennt dieses Denken auch im Islam, und zwar im schiitischen Islam. Dort gibt es den elften Imam, der als Kind gestorben ist. Man sagt, er sei entrückt worden, und dieser Imam wird als Mahdi wiederkommen. Das ist im schiitischen Islam die Erwartung eines kommenden Erlösers, des Mahdi.
Also die Idee einer Entrückung und der Rückkehr des Entrückten war verbreitet. Deshalb, wenn sie fragen: „Bist du Elia?“ – „Nein, der Entrückte ist nicht zurückgekommen, ich bin nicht Elia.“
Aber in Maleachi können wir nachschlagen: Dort hat der letzte Prophet des Alten Testaments den Vorläufer des Messias angekündigt. Maleachi 3, Vers 1:
„Siehe, ich will meinen Boten senden, der vor mir her den Weg bereiten soll.“
Und dann sagt der Prophet:
„Bald wird kommen zu seinem Tempel der Herr, den ihr sucht, und der Engel des Bundes, den ihr begehrt. Siehe, er kommt, spricht der Herr Zebaoth.“
Plötzlich wird ganz wörtlich gesagt, dass der Herr zu seinem Tempel kommen wird, also zur Zeit, in der der Tempel noch steht, in Jerusalem. Das ist übrigens sehr interessant. Im Jahr 70 wurde der Tempel im Judentum zerstört und bis heute nicht wieder aufgebaut. Somit hätte der Messias nicht mehr kommen können ab dem Jahr 70 bis heute, denn er sollte ja zum Tempel kommen. Er musste also noch zu Tempelzeiten erscheinen.
Aber da haben wir diesen Boten angekündigt. Übrigens ist es ein Wortspiel: „Mein Bote“ – auf Hebräisch heißt das „Maleachi“. Also Maleachi heißt „Mein Bote“, und so heißt auch der Prophet, der das Buch geschrieben hat. „Maleachi“ bedeutet „Mein Bote“. Das ist eine Anspielung auf ihn – „Ich sende Maleachi“, also meinen Boten.
Dann Kapitel 3, ganz am Schluss, je nach Verszählung, andere haben vier Kapitel – es sind einfach die drei letzten Verse des Propheten. Wer liest?
„Haltet im Gedächtnis das Gesetz meines Knechtes Mose, dem ich am Horeb für ganz Israel Ordnungen und Rechtsbestimmungen geboten habe. Siehe, ich sende euch den Propheten Elia, bevor der Tag des Herrn kommt, der groß und furchtbar ist. Und er wird das Herz der Väter zu den Söhnen und das Herz der Söhne zu den Vätern umkehren lassen, damit ich nicht komme und das Land mit dem Bann schlage.“
Genannt wird Elia der Prophet. Damit ist gemeint, der Vorläufer des Messias, der auch Elia genannt wird. Aber es ist nicht der alte Elia, der wiederkommen sollte. Darum sagt der Herr Jesus zum Teufel: „Nein, ich bin nicht Elia.“
Aber der Herr Jesus sagt in Matthäus 11: Wenn ihr es annehmen wollt, war Johannes der Täufer Elia, und er zitiert aus Maleachi. Damit wird klar, Johannes ist der in Maleachi angekündigte Vorbote des Messias.
Doch ganz hinten, in Vers 23, steht:
„Bevor der große und schreckliche Tag kommt, an dem ich mein Urteil vollstrecke, sende ich den Propheten Elia zu euch.“
Das ist nicht der Zeitpunkt, an dem Jesus wiederkam. Der große und schreckliche Tag des Herrn ist noch in der Zukunft.
Und da steht, dass der Prophet Elia gesandt wird. Genau, also dieser Vorbote Johannes der Täufer sollte zu einem Zeitpunkt kommen, der noch vor dem Endgericht über die Welt liegt. So ist es ja gewesen.
Schon mindestens zweitausend Jahre vor dem Tag des Herrn kam Johannes der Täufer. Wenn man diese riesigen Zeitabläufe nicht im Kopf hat, dann sind das wirklich einige hundert Jahre. „Ich komme bald“, und dann sind es vierhundert Jahre, und der schreckliche Tag des Herrn liegt mehr als zweitausend Jahre in der Zukunft.
Es heißt nicht, dieser Elia, dieser Vorbote, kommt schnell, sondern: „Ich sende ihn.“ Er wird also kommen, und zwar noch vor dem Gericht Gottes über die Welt.
Warum? Weil dieser Vorbote Israel Gnade bringen soll, nicht Gericht. Er soll den Erlöser ankündigen, der in Israel eine Erneuerung schafft. Darum muss er noch in der Zeit der Gnade kommen, nicht in der Zeit des Gerichts.
So steht es in der Bibel, dass riesige Zeitspannen in einem Vers zusammengefasst werden können.
Vielleicht noch eine Anmerkung: Wenn man die 70 Daniel-Jahrwochen betrachtet, ist die Gnadenzeit nicht enthalten. Das heißt, es wird gerechnet bis zum Beginn dieser Periode, dann weitergerechnet, wenn sie zu Ende ist, und zwischendrin ist einfach eine Zeit eingeschoben worden. Wenn man das so sieht, ist es relativ kurz davor.
Der Text selbst sagt nicht, dass es kurz davor ist, sondern nur: „Ehe der Tag des Herrn kommt.“ Das Erscheinen fällt also nicht mit dem Gericht zusammen, sondern geschieht vorher. Zuerst kommt die Gnade, dann das Gericht – das ist die Aussage.
Seine Aufgabe war es also auch, die Generationen zusammenzuführen: das Herz der Väter zu den Kindern und das Herz der Kinder zu ihren Vätern. Das Problem des Generationenrisses ist nichts Neues.
Hier liegt eigentlich die Wurzel der Sündhaftigkeit verborgen, die zu diesem Riss führt.
Johannes sollte also durch seinen Aufruf zur Umkehr auch die Generationen zusammenführen. Interessant ist, dass es nicht heißt, zuerst das Herz der Kinder zu den Vätern, sondern zuerst das Herz der Väter zu den Kindern. Die ältere Generation hat also die größere Verantwortung, den ersten Schritt zu tun. Das können wir festhalten.
Gehen wir nun zu Johannes 1. Die Sache mit Elia sollte klar sein: „Ich bin’s nicht!“ Keine Reinkarnation.
Übrigens: Reinkarnation ist etwas eigentlich Übles, weil sie letztlich eine Verachtung des menschlichen Körpers bedeutet.
Beim Reinkarnationsdenken ist der Körper nicht wichtig, sondern die Seele springt quasi von einem Körper in den nächsten. Der Körper ist nicht wichtig, nur die Seele.
Gott aber hat den Menschen in seinem Bild geschaffen – als Einheit von Geist, Seele und Körper.
Der Körper ist für Gott so wichtig, dass er ihn auch auferwecken wird. Er wird bei den Verstorbenen nicht einfach einen neuen Körper schaffen, sondern der gestorbene, verweste Körper wird auferweckt werden.
So wichtig ist für Gott auch der Körper des Menschen. Wenn wir das wirklich verstanden haben, bekommen wir ein ganz anderes Verhältnis zu unserem Körper.
Der Körper ist nicht minderwertig, sondern er ist zusammen mit Seele und Geist unter dem Urteil Gottes entstanden und war sehr gut in der Schöpfung. Die Sünde ist dazugekommen und hat alles verdorben – nicht nur körperlich, sondern auch auf Seele und Geist.
Aber der Körper an sich ist nichts Minderwertiges.
Darum betone ich auch so, dass das Denken von einer Reinkarnation völlig der Bibel fremd ist.
Man kann sagen, diese östlichen Religionen haben letztlich eine tiefste Verachtung des Körpers in sich.
Auch wenn sie sich in unserer Kultur körperfreundlich geben – denn all diese esoterischen Angebote zielen darauf ab, das Körpergefühl zu fördern und den Körper bewusst wahrzunehmen –, ist das nur vorgeschoben. In Wirklichkeit ist der Körper für sie so unwichtig, dass man darin vielleicht auch den Grund sieht, warum Mitglieder dieser Völker leichter zu Selbstmordattentätern verführt werden können.
Man sagt ihnen, ihre Seele werde in dem Moment in den islamischen Himmel kommen – oder man denkt an die japanischen Selbstmordattentäter.
Im Fall der islamischen Attentäter hängt das nicht mit dem Körperverständnis zusammen, sondern mit folgendem:
Im Islam wird gelehrt, dass der Mensch im Tod in einer Art Seelenschlaf verweilt. Die Auferstehung des Körpers erfolgt erst am Ende der Zeit, dann wird der Mensch wieder zum Bewusstsein kommen.
Es gibt also einen Seelenschlaf.
Es wird gelehrt, dass, wenn ein Mensch im Kampf für Allah stirbt, seine Seele sofort ins Paradies gelangt und nicht bis zur Auferstehung warten muss.
Das ist eine große Attraktion – der sofortige Genuss des Paradieses. Dort liegt die Sehnsucht.
Doch dieses Denken ist begründet, und man muss sagen: Wie der Mensch denkt, so ist er. Unser Denken bestimmt unser Handeln.
Übrigens, um vollständiger zu sein: Bei den östlichen Religionen ist es nicht nur eine tiefe Verachtung des Körpers, sondern auch der Seele und des Geistes.
Das Endziel all dieser Reinkarnationen ist das Nirwana oder im Buddhismus das Nibbana – das Gleiche.
Was heißt Nirwana und Nibbana? Es bedeutet „ausgelöscht“.
Buddha beschreibt es als einen Zustand, in dem man nicht sagen kann, man sei oder etwas sei, und es ist auch nicht ein Zustand, in dem man sagen könnte, es sei nichts.
Letztlich ist es die Auflösung der Person. Das Ich wird gewissermaßen im Allgeist aufgelöst, es ist ein Ausgelöschtsein.
Das ist die tiefste Verachtung der Personalität des Menschen.
Ich bin ich, und du bist du. Sie sagen, das sei eigentlich nur eine Einbildung. Im Nirwana wird dieser Unterschied völlig aufgelöst sein.
Das zeigt uns, dass diese östlichen Religionen grundsätzlich menschenverachtend sind, denn sie verachten Körper, Seele und Geist.
Man muss sagen: Im Prinzip sind es Antireligionen, denn sie sind Nihilismus im letzten Sinn.
Die Frage nach dem Propheten und die Erfüllung der Weissagung
Gut, gehen wir weiter. Noch eine Frage an Johannes, denn sie sind nicht so schnell zufrieden.
Bist du der Prophet? Was meinen sie damit, bist du der Prophet? Ja, natürlich war er ein Prophet. Es war doch von Mose vorhergesagt, dass ein Prophet, der gleich wie er ist, erweckt werden sollte. Jawohl, 5. Mose 18.
Lesen wir das? 5. Mose 18,15: „Einen Propheten aus deiner Mitte, aus deinen Brüdern, gleich mir, wird der Herr, dein Gott, dir erwecken; auf ihn sollt ihr hören.“
Nur weiter: „Nach allem, was du vom Herrn, deinem Gott, am Horeb begehrt hast, am Tage der Versammlung, als du sprachst: ‚Ich möchte nicht weiter auf die Stimme des Herrn, meines Gottes, hören, und dieses große Feuer möchte ich nicht mehr sehen, damit ich nicht sterbe‘, sprach der Herr zu mir: ‚Gut ist, was sie geredet haben. Einen Propheten gleich dir will ich ihnen aus der Mitte ihrer Brüder erwecken, und ich will meine Worte in seinen Mund legen, und er wird zu ihnen reden alles, was ich ihm gebieten werde. Und es wird geschehen: Der Mann, der nicht hört auf meine Worte, die er in meinem Namen reden wird, von dem werde ich es fordern.‘“
Jawohl, hier wird ein ganz besonderer Prophet vorausgesagt, der schließlich alles sagen wird, was Gott dem Volk Israel mitteilen möchte.
In Vers 18 heißt es noch einmal: „Und ich will meine Worte in seinen Mund legen, und er wird zu ihnen reden alles, was ich ihm gebieten werde.“ Auf ihn muss man absolut hören.
Im Judentum wurde diese Stelle als Hinweis auf den Messias verstanden. Es gibt jedoch auch die Auffassung in der jüdischen Überlieferung, dass es sich um einen besonderen Propheten handelt, unabhängig vom Messias.
Darum fragen sie hier auch: Bist du der Messias? Nein. Bist du Elija? Nein. Bist du der Prophet? Nein.
Das steht im Zusammenhang mit der Auslegung, dass es nicht unbedingt der Messias sein müsse.
Aber aus Apostelgeschichte 3 sehen wir, dass damit tatsächlich der Messias gemeint ist. Eigentlich sind der Prophet und der Messias nach biblischer Auffassung dieselbe Person: der Messias.
Im Islam spielt diese Stelle eine ganz wichtige Rolle, 5. Mose 18. Wieso? Muhammad bezieht sich wohl darauf als solcher.
Im Islam wird diese Stelle auf Muhammad bezogen. Es heißt: „Einen Propheten aus deinen Brüdern.“ Ismael war doch der Bruder von Isaak. So sollte also aus der Bruderlinie, also einer Bruderlinie, aus Ismael der Prophet kommen. So begründen sie das Kommen Mohammeds.
Aber merkt man, wo das Problem im Text liegt? Unsere Nachkommen haben sich längst abgetrennt und schließlich die saudische Wüste bewohnt.
Hier wird nun Israel aus Ägypten herauskommen. Am Ende der Wüstenwanderung sagt Mose zu dem Volk Israel: Ein Prophet aus deiner Mitte, aus deinen Brüdern. Das kann also nicht aus Ismael sein, sondern aus Israel. Es ist der Messias.
In Jutta heißt es: „Aus dir und aus deinen Brüdern“, da ist wohl die Mitte gemeint.
Ja, ganz genau. Aus dir wäre aus deiner Mitte. 5. Mose 18,15.
Wörtlich heißt es: „Einen Propheten aus deiner Mitte, aus deinen Brüdern.“ Also nicht nur aus dir, sondern wirklich aus deiner Mitte, ganz klar aus deinem Zentrum.
Keref heißt es hier. Keref ist auch die Brust, das Herz, das Innere, also das Herzstück. Aus deinem Herzstück, unmöglich aus den ismailitischen Stämmen.
Dann fragen sie: Und wie siehst du dich selbst, wer bist du?
Seine Antwort? Er beruft sich auf Jesaja 40, ganz genau.
Schlagen wir das auf, Jesaja 40, Verse 3 bis 5:
„Eine Stimme ruft: In der Wüste bahnt den Weg des Herrn, ebnet in der Steppe eine Straße für unseren Gott! Jedes Tal soll erhöht und jeder Berg und Hügel erniedrigt werden, und das Höckrige soll zur Ebene werden und das Hügelige zur Talebene. Und die Herrlichkeit des Herrn wird sich offenbaren, und alles Fleisch miteinander wird sie sehen, denn der Mund des Herrn hat geredet.“
Eine Stimme in der Wüste bahnt den Weg des Herrn. Das war auch die Erklärung, warum Johannes der Täufer in der Wüste auftrat, in der jüdischen Wüste, dort predigte, und die Leute zu ihm hinausgingen, um sich am Jordan in der Wüste Juda taufen zu lassen.
In Vers 4 heißt es: „Jedes Tal soll erhöht, also aufgeschüttet, jeder Berg und Hügel erniedrigt werden.“
Das ist bildlich gemeint: All diese Hindernisse im Herzen des Volkes sollten eingeebnet werden.
Er hat die Aufgabe, das Herz der Väter zu den Kindern und das Herz der Kinder zu den Vätern zu bringen. Alles sollte ausgehoben werden, damit Gott erscheinen kann.
Und so heißt es in Vers 5: „Und die Herrlichkeit des Herrn wird sich offenbaren, und alles Fleisch miteinander wird sie sehen.“
Die Herrlichkeit des Herrn wird sich offenbaren. Lesen wir nochmals Johannes 1,14:
„Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns, und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“
So sehen wir sogar den inneren Zusammenhang: Johannes spricht über diese Herrlichkeit und dann über den Dienst von Johannes dem Täufer.
Übrigens, diese Stelle wurde von der Qumran-Gemeinschaft in Anspruch genommen.
Die Qumran-Gemeinschaft, das waren Juden, die sich im zweiten Jahrhundert vor Christus vom Judentum abgetrennt hatten, als im Tempel viele Dinge schiefgingen.
Man hatte Leute zu Hohenpriestern gemacht, die kein Recht darauf hatten. So haben sie sich abgesondert und sind in die Wüste gegangen. Dort am Toten Meer gründeten sie eine Gemeinschaft, um zu warten, bis der Messias kommt und alle Dinge wieder in Ordnung bringt.
In ihrer sogenannten Sektenrolle, die man in den Höhlen von Qumran gefunden hat, nehmen sie Bezug auf Jesaja 40 und wenden es auf ihre Gemeinschaft an. Sie sehen sich als die Stimme eines Rufenden in der Wüste.
Interessant ist, dass Johannes nur etwa 29 Kilometer entfernt von der Qumran-Gemeinschaft gepredigt und getauft hat.
Er sagt, er sei die Stimme eines Rufenden in der Wüste und nicht diese Gemeinschaft.
Gibt es dazu noch eine Frage?
Zur Anmerkung, warum die Juden vielleicht auch gedacht haben, dass Johannes der Elija sein könnte:
In Markus 1,6 lesen wir, dass Johannes mit einem Fell von Kamelhaar bekleidet war und einen Ledergürtel trug.
Elija war ja genauso angezogen.
Er war mit einem groben Mantel bekleidet, und das bezeichnet wohl einen Ziegenhaarmantel.
Also im Alten Testament wird zwar oft von Kamelhaar gesprochen, hier ist es eher ein grober Mantel aus Ziegenhaar.
Das war üblich, denn Propheten trugen Schafpelze oder Ziegenhaarmäntel. Im Fall von Johannes war es eher ungewöhnlich ein Kamelhaarmantel.
Jetzt versteht man auch, warum Jesus in der Bergpredigt vor Wölfen warnt, die in Schafspelzen kommen.
Das sind Leute, die sich wie Propheten kleiden, in Wirklichkeit aber Verführer sind, die das Volk Gottes zerstören. Sie sind Wölfe.
Daher kommt der Vergleich „Wölfe im Schafspelz“ – das sind falsche Propheten.
Was jedenfalls richtig ist: Johannes trug einen typischen Prophetenmantel und war in diesem Sinne ein auffallendes Zeichen, weil es schon lange keine solchen Leute mehr gegeben hatte.
Gut, es ist vier Uhr, wir machen jetzt eine Pause bis zwanzig nach.
Johannes der Täufer als Stimme in der Wüste und seine Taufe
Ja, wir fahren jetzt weiter. Wir haben uns mit der Frage beschäftigt: Wer ist Johannes der Täufer? Ganz einfach: Er ist die Stimme eines Rufenden in der Wüste, der Vorläufer des Messias.
Nun wird er zuerst wieder in Bezug auf seine Person gefragt, ab Vers 25 dann in Bezug auf sein Tun. Was tat er? Er taufte. Aber waren das die ersten Taufen? Gab es keine Taufen vorher? Genau da wollte ich hinaus: Was soll diese Taufe?
Also, es hängt zusammen mit dem Bild eines Reinigungsbades. Aber woher kommt dieser Gedanke, diese Idee? Im Neuen Testament wird ja auch schon der Durchzug durch das Rote Meer mit einer Taufe verglichen, 1. Korinther 10. Und jetzt hier übt Johannes individuell für den Einzelnen eine Taufe aus. Aber es ist noch stärker im täglichen Bewusstsein verankert.
Wir haben die Reinigungsbäder immer gemacht. Ja, die Reinigungsbäder. Und woher leiten sich die her? Wer weiß das? Im Alten Testament war es doch üblich, dass man sich wäscht. Ja, ja, woher kommt diese Lehre der Waschungen? Zum Beispiel, schlagen wir mal auf: 3. Mose 15,7.
Lies mal: 15,7: „Und wer das Fleisch des Flüssigen anrührt, soll seine Kleider waschen und sich im Wasser baden, und er wird unrein sein bis an den Abend.“ Vers 16 zum Beispiel: „Und wenn einem Mann der Sammler Bussen geht, so soll er sein ganzes Fleisch im Wasser baden. Und er wird unrein sein bis an den Abend.“ Und noch weiter, Vers 17: „Und jedes Kleid und jedes Fell, worauf der Samenerwust kommt, soll im Wasser gewaschen werden, und es wird unrein sein bis an den Abend.“
Also Körper waschen und auch die Kleider waschen, baden. Dann Vers 19: „Und wenn ein Weib flüssig ist und ihr Fluss an ihrem Fleische Blut ist, so soll sie sieben Tage in ihrer Unreinheit sein, und jeder, der ihr Lager anrührt, soll seine Kleider waschen und sich im Wasser baden, und er wird unrein sein bis an den Abend.“ Kommt allein in diesem Kapitel vor. Da könnte man weiterfahren, 3. Mose 16, Vers 4, kommt es wieder vor.
Ja, wo hatten die das Wasser hier? Das mussten sie holen. Wie? Das mussten sie erst mal herantragen. Ja, wie haben die getrunken? Ein vier Millionen Volk. Es kam ja Wasser aus dem Felsen, und es ist zu Flüssen geworden.
Ja, Psalm 105, Vers 41: „Ihr öffnetet den Felsen, und es flossen Wasser heraus, sie liefen in den dürren Örtern wie ein Strom.“ Das war ein Fluss in der Sinaiwüste, und so hatten sie das Wasser sowohl zum Trinken als auch für die Ritualbäder.
Und so hat man eben im Judentum diese Ritualbäder gepflegt, und das gehörte zum Täglichen. Das ganze Leben war durch Ritualbäder gekennzeichnet, also sich vollständig eintauchen, den Körper, auch die Kleider im Wasser waschen. Und man hat gerade aus der Zeit der Evangelien unzählige Ritualbäder ausgegraben in Israel. An allen möglichen Orten, im Qumran, in Jerusalem und so weiter und so fort. Dauernd findet man solche Bäder.
Aber wichtig: Das war nicht ein einmaliges Untertauchen, sondern das wurde immer wieder erneuert. Also bei jeder rituellen Unreinung wurde das wieder neu nötig.
In Hebräer 6 werden die Grundlagen des Judentums zusammengefasst, Hebräer 6, Vers 1. Dort wird erklärt, dass jetzt als messianische Juden sie von diesem Anfang an weitergehen und im Glauben wachsen sollen, in der neutestamentlichen Wahrheit.
Hebräer 6, Vers 1 und 2, wer liest? „Deshalb wollen wir das Wort vom Anfang des Christus lassen und uns der vollen Reife zuwenden und nicht wieder einen Grund legen mit der Buße von toten Werken und dem Glauben an Gott, der Lehre von Waschungen und der Handauflegung, der toten Auferstehung und dem ewigen Gericht.“
Die Lehre der Waschungen, Handauflegung, Totenauferstehung, ewiges Gericht – das sind alles grundlegende Lehren des Judentums, verankert im Alten Testament, die Lehre der Waschungen.
Nun hat man das also so ausgeübt: Ein Unreiner muss gereinigt werden durch Untertauchen. Und man hat im Judentum zur Zeit der Evangelien auch die Proselytentaufe geübt, das heißt, ein Nichtjude, der dem wahren Gott dienen wollte und zum ausgewählten Volk gehören wollte, musste sich zuerst taufen lassen.
Durch diese Taufe, durch diese Proselytentaufe, machte er einen Bruch mit seiner Herkunft und trat über zum Volk Gottes. Unter diesem Hintergrund war natürlich diese Taufe des Johannes jeweils eine einmalige Taufe. Das war ein Skandal, denn man kann nicht sagen, das ist eben einfach ein Ritualbad gewesen, da war man sich gewöhnt, das muss man machen.
Aber eine einmalige Taufe heißt also, hier machte er einen Schnitt im Volk Gottes. Solche, die dem Volk Israel angehören, wechselten durch die Taufe auf die andere Seite. Und damit sagen sie: Wir sind nun vorbereitet für den Messias.
Also die Messiasfrage machte er eigentlich zu einem Trennungsgrund innerhalb des Volkes. Man musste seine persönliche Schuld bekennen, wurde so untergetaucht, und dann gehörte man auf die Seite, die nun auf den Messias wartete, der in Kürze öffentlich auftreten sollte.
Man kann sich kaum vorstellen, was das ausgelöst hat, dieses eigentlich Skandalöse: Dass Heiden sich taufen lassen müssen, um rüberzutreten zum Volk Gottes, das war verständlich. Aber dass Juden sich nun taufen lassen müssen, das war skandalös.
Die ganze Frage Johannes der Täufer hat das Volk gespalten. Nun war es auch so, dass die einfachen Leute zu Johannes gingen, aber gerade die Führerschicht sich weigerte, sich dieser Taufe zu unterwerfen.
Darum hatte der Herr Jesus später, in den Tagen vor der Kreuzigung im Tempel, eine Auseinandersetzung. Er wurde angesprochen: In welchem Recht macht er diese Tempelreinigung?
Dann sagt der Herr als Gegenfrage: „Die Taufe Johannes, war sie von Gott oder war sie von den Menschen?“ Die Gegenfrage ist typisch jüdisch.
Die Fragenden gingen zur Seite und sagten: „Wenn wir sagen, sie ist von Gott, dann wird er sagen, warum habt ihr nicht geglaubt? Wenn wir sagen, sie ist von den Menschen, dann wird das Volk uns steinigen.“ Denn sie hielten Johannes für einen Propheten.
Sie wussten es nicht, und daher sagt Jesus: „Ich sage euch auch nicht, in welchem Recht ich diese Dinge tue.“
Die Stelle ist Matthäus 21,23-27.
Also wir sehen, da liegt ein riesiger Zündstoff drin.
Johannes erklärt in Vers 26, warum er so mit Wasser tauft und dass nach ihm einer kommt, der ihm so überlegen ist, dass er nicht mal würdig ist, den Riemen seiner Sandale aufzulösen.
Jetzt erzählt Johannes, was am nächsten Tag geschah, Vers 29: Jesus kommt zu ihm in die Wüste und er sagt: „Siehe, das Lamm Gottes!“
Wie konnten die Menschen das damals aufnehmen? Was konnten sie darunter verstehen? Wenn er von einem Menschen sagt: „Siehe, das Lamm Gottes!“
Als Opfer für die Schuld. Ja, das ist für uns klar, weil wir das ganze Neue Testament haben und die Lehre über das Opfer von Golgatha. Aber wir müssen uns vorstellen: Zu diesem Zeitpunkt war Jesus gar noch nicht bekannt im Volk.
Jetzt kommt er zu Johannes in die Wüste und sagt: „Siehe, das Lamm Gottes!“ Jesaja 53. Das beginnt eigentlich in Kapitel 52,13 und zieht sich durch das ganze Kapitel 53 hindurch.
Dort wird der Messias beschrieben als der leidende Knecht Gottes.
Nun lesen wir Vers 7, Jesaja 53,7, wer liest? „Und tat seinen Mund nicht auf, wie das Lamm, das zur Schlachtung geführt wird, und wie ein Schaf, das stumm ist vor seinen Scherern, und er tat seinen Mund nicht auf.“
Jawohl, dann Vers 10: „Doch dem Herrn gefiel es, ihn zuzuschlagen, er hat ihn leiden lassen. Wenn er sein Leben als Schuldopfer eingesetzt hat, wird er Nachkommen sehen, er wird seine Tage verlängern, und was dem Herrn gefällt, wird durch seine Hand gelingen.“
Dieser Knecht Gottes wird hier beschrieben als jemand, der sein Leben als Opfer einsetzt, als Schuldopfer.
Also war alttestamentlich der Gedanke schon bekannt, dass der Messias als Opfer wie ein Lamm zur Schlachtung geführt das Problem der Sünde lösen würde.
Das Problem der Sünde lösen lesen wir in Kapitel 53, Vers 5: „Doch er war durchbohrt um unserer Vergehen willen, zerschlagen um unserer Sünden willen, die Strafe lag auf ihm zu unserem Frieden, und durch seine Striemen ist uns Heilung geworden.“
Also ganz klar: Der Messias würde als Opfer sterben, und zwar stellvertretend für die Sünde anderer.
Jetzt würden natürlich liberale Theologen kommen und sagen: „Ja, halt, halt, das ist eine christliche Interpretation, dass man dieses Kapitel auf Jesus Christus bezieht.“
Ja, und was sollen wir dann sagen? Ja, dann müsste man sagen, es würde sich doch lohnen, in der Theologie auch noch ein bisschen mehr das Judentum einzuschließen.
In der rabbinischen Literatur, im Talmud, wird erklärt im Traktat Sanhedrin 98b, dass dieses Kapitel sich auf den Messias bezieht.
Denn dort wird gefragt, was der Name des Messias sei, und dann werden verschiedene Namen genannt. Unter anderem wird genannt: „Der von Gott geschlagene“, wie es in Jesaja 53,4 steht: „Von Gott geschlagen und niedergebeugt“ – der von Gott Geschlagene. Das ist der Name des Messias.
Also wird von den alten großen Rabbinen ganz klar bezeugt: Dieser Mann in Jesaja 53 ist der Messias.
Es gibt viele Stellen in der rabbinischen Literatur, die das bezeugen.
Zum Beispiel lese ich vor, was Rabbi Al-Sches im 16. Jahrhundert noch über Jesaja 53 schrieb: „Unsere alten Rabbiner haben auf das Zeugnis der Tradition hin angenommen, dass hier die Rede vom König Messias sei. Daraus nehmen auch wir ihnen folgend an, dass für das Subjekt dieser Weissagung, David, das ist der Messias, gehalten werden müsse, wie dies offenbar ist.“
So war im orthodoxen rabbinischen Judentum im 16. Jahrhundert klares Zeugnis: Die alten Rabbiner haben auf das Zeugnis der Tradition dieses Kapitel auf den Messias ausgelegt.
Darum können wir sagen: Die Aussage „Siehe das Lamm Gottes“ hat einen ganz klaren Sitz im Leben, Jesaja 53, der Messias, der das Sündenproblem als Opfer lösen wird.
Aber nicht nur Jesaja 53, sondern gehen wir zu 1. Mose 22, der Opferung Isaaks.
Liest uns jemand Verse 1 und 2? „Und es geschah nach diesen Dingen, dass Gott den Abraham versuchte, und er sprach zu ihm: Abraham! Und er sprach: Hier bin ich. Und er sprach: Nimm deinen Sohn, deinen Einzigen, den du liebst, den Isaak, und ziehe hin in das Land Moria und opfere ihn dort als Brandopfer auf einem der Berge, den ich dir sagen werde.“
Die Opferung Isaaks, wo sollte die stattfinden? Im Berg Moria, im Land Moria.
Moria ist der Tempelberg in Jerusalem.
War es das Land Moria? Nein, der Berg Moria.
Ja, Moria ist der Tempelberg, meistens heißt er in der Bibel Zion, das ist also dasselbe: Moria und Zion sind das Gleiche.
Nun sollte Isaak auf dem Moria geopfert werden, auf einem der Berge im Land Moria.
Also Moria war der bekannteste Berg dort, weil am Südabhang dieses Berges die Stadt Jerusalem, Salem, lag, wo König Melchisedek damals König war.
Das war der bekannte Berg.
„Geh ins Land Moria“, das ist das Land, wo Jerusalem, Salem liegt.
Und auf einem der Berge dort sollte er dann geopfert werden.
Das war also gerade nicht Moria, aber östlich ist der Ölberg, und es gibt noch andere Berge rund um den Moriaberg herum.
Dann ging Abraham dorthin, wollte Isaak opfern, Gott hinderte ihn daran, und er durfte an der Stelle von Isaak einen Widder opfern.
Dann heißt es, dass Abraham diesem Ort einen besonderen Namen gab, 1. Mose 22, Vers 14.
Liest jemand? „Und Abraham gab diesem Ort den Namen ‚Der Herr wird ersehen‘, von dem man heute noch sagt: ‚Auf dem Berge des Herrn wird ersehen‘.“
Also er gab diesem Ort den Namen „Adonai-jireh“, der Herr wird ersehen.
Übrigens, auf dem Weg dorthin fragte Isaak: „Vater, du hast alles hier, wo ist das Opfer?“
Und dann sagte Abraham so geheimnisvoll in Vers 7 am Schluss, in Vers 8: „Und Abraham sprach: Gott wird sich ersehen, das Schaf zum Brandopfer, mein Sohn.“ Gott wird sich ersehen, das Opfer.
Aber Isaak konnte dann verschont werden.
Wie gesagt, der Ort bekam einen neuen Namen: Der Herr wird ersehen, nicht „Der Herr hat ersehen“ diesen Widder, „wird ersehen“. Und Mose schreibt: „Daher wird heute noch gesagt: Auf dem Berg des Herrn wird ersehen werden.“
Also auf diesem Berg in der Nähe des Moriaberges sollte einmal das wahre Opfer kommen.
Und an Jesaja 53 führt es aus: Der Messias wird wie ein Lamm zur Schlachtung geführt.
Und Golgatha liegt auf dem Nachbarhügel im Nordwesten in Jerusalem.
Neben Moria ist Golgatha, da ist er zum Opfer geworden.
Also wir können sehen: Dieser Ausspruch „Siehe das Lamm Gottes“ ist im Alten Testament verankert in den Propheten und auch schon in der Tora, im Gesetz.
Der Kommende wird kommen und als Opfer sterben.
So war es also nicht einfach unverständlich, wenn Johannes sagte: „Siehe das Lamm Gottes, welches die Sünde der Welt wegnimmt.“ Und er bezeugt, das ist nun wirklich der, der kommen sollte, und er wird von Gott bestätigt durch den Heiligen Geist, der auf ihn kommt.
Damit hat sich der wesentliche Dienst von Johannes dem Täufer erfüllt.
Jetzt beschreibt uns das Evangelium noch einen weiteren folgenden Tag, einen dritten Tag, Vers 35.
Johannes sagte da, dass er ihn auch nicht gekannt hat, aber es ist doch der Cousin gewesen.
Also er hat doch zur Familie gehört.
Die beiden Mütter haben sich ja getroffen, schon während sie schwanger waren.
Das heißt doch, die waren sich nicht so fremd.
Nein, nicht in dem Sinn, aber möglicherweise war das für Johannes doch nicht so ganz klar, ob er wirklich der Messias ist.
Die Zeugnisse waren ja da, und wir sehen sogar, Johannes hatte später auch wieder Zweifel.
Als er nämlich dann gefangen wurde und im Gefängnis saß, ließ er Jünger zu dem Herrn schicken und fragte: „Bist du wirklich der Kommende, oder sollen wir auf einen anderen warten?“
Das müsste man von daher erklären, dass offensichtlich nicht so klar war, und er dann aber doch die deutliche Bestätigung bekommen hat, dass er es ist.
Gerade diese Gabe des Heiligen Geistes, die wie eine Taube auf ihn kam, war für ihn natürlich die letzte klare Bestätigung.
Obwohl es ihm da schon klar war, und er wollte ihn ja auch nicht taufen, in Matthäus 3, weil er sagte: „Ich bin gar nicht würdig, dich zu taufen.“
Aber diese Gabe seines Geistes war dann nochmals ein Siegel: Das ist der Auserwählte, das ist der Messias.
Aber wenn Johannes doch als Prophet anerkannt war im Volk, und das war ja offensichtlich, warum hat Johannes hier nicht glasklar gesagt: „Leute, kommt alle her, jetzt kommt der Messias“?
Das war doch verklausuliert.
Ich meine, okay, wer das Alte Testament gut kannte, der konnte aus diesem „Lamm Gottes“ vielleicht draufkommen, dass er den Messias meint.
Aber wenn er als Prophet klar gesagt hätte: „Jetzt kommt der Messias, hier ist der Messias“, dann wäre das doch viel klarer gewesen für das Volk, oder?
Vers 34 sagt das ja.
Vers 34, lies noch mal, Peter.
„Ich habe gesehen und habe bezeichnet, dass dieser der Sohn Gottes ist.“
Jawohl, „Sohn Gottes“ ist eben eine Anspielung an Psalm 2, wo der Messias „Sohn Gottes“ genannt wird.
Ausdrücklich heißt es: „Ich habe meinen Messias gestalt auf Zion, dem heiligen Berg.“
Dort nennt Gott den Messias „meinen Sohn“.
Darf ich noch etwas fragen?
Ja?
Habe ich das Recht verstanden, wenn also Johannes der Täufer sieht, dass das der Messias ist, und hinterher dann diese Zweifel hat, als er die Jünger hinschickt und sagt: „Bist du wirklich der Mensch?“ Darf ich das so menschlich verstehen, so wie wir es eigentlich auch manchmal sind?
Ja, unbedingt.
Es ist genau das: Selbst dieser Prophet konnte seine schwachen Zeiten haben, in denen er sich fragte, warum er ins Gefängnis kommt, und der Messias sollte doch das Reich bringen, den Frieden, die Gerechtigkeit.
Das hat ihm diese menschlichen Zweifel geweckt.
Aber der Herr geht darauf ein und gibt ihm Antworten, die überzeugend waren.
Gut, also jetzt der nächste Tag, das wäre schon der dritte.
Der erste war diese Untersuchung von den führenden Juden, dann die Taufe des Messias, und jetzt gibt Johannes Jünger ab an Jesus.
Alter zwei: Johannes hatte Jünger, und denen sagte er: „Siehe, das Lamm Gottes!“
Die gehen dann von Johannes weg, sie gehen zu Jesus und werden seine Jünger.
Zuerst müssen wir mal erklären, was bedeutet „Jünger“?
Schüler, ja.
Auf Hebräisch sagt man für Jünger „Talmidim“.
Das heißt Schüler, Student.
„Jünger“ ist bei uns ein ungewohntes Wort, und wir bringen das nicht mehr in Verbindung mit Studium oder Lehre.
Das beinhaltet eben Schüler, Student.
Alle Rabbiner damals hatten ihre Jünger, das waren ihre Schüler.
So hatte auch Johannes seine Talmidim, seine Schüler, seine Jünger.
Der Herr Jesus hat dann auch Jünger gesammelt, das waren seine Studenten.
Aber ein wichtiger Unterschied: Student drückt nicht genau dasselbe aus.
Der Student ist ja normalerweise nicht interessiert, das Leben seines Professors schlechthin als Beispiel zu nehmen und nachzuahmen.
Das ist in vielen Fällen auch besser so, um das nachzuahmen.
Sonst geht es um reine intellektuelle, eingegrenzte Wissensvermittlung.
Aber wenn Rabbiner Schüler hatten, Studenten hatten, bedeutete das nicht nur das Lernen aus dem Alten Testament, sondern auch, dass er ein Vorbild sein wollte, wie man die Bibel im Alltag auslebt.
Dieser Aspekt kommt beim Wort „Jünger“ klar heraus.
Ein Jünger ist jemand, der wirklich von dem Lehrer lernt, wie er lebt, und sein Beispiel nachahmt.
Zwei Jünger von Johannes werden nun Jünger Jesu.
- Vers 37: „Und es hörten ihn die zwei Jünger reden und folgten Jesus nach.“
Ihr fragt sie, was sucht ihr? Und sie möchten gerne wissen, wo er sich aufhält.
Seine Antwort ist: „Kommt und seht.“
Jawohl.
Wer viel Talmud liest, also ein orthodoxer Jude, dem wären das vertraute Worte.
„Kommt und seht“ ist ein Ausdruck, der dauernd im Talmud vorkommt.
Und zwar immer, wenn es um ein ganz wichtiges Thema geht.
Dann heißt es: „Komm und sieh, jetzt wird etwas ganz Wichtiges gezeigt.“
Es ist genau diese Ausdrucksweise „Kommt und seht“, und sie kommen zu ihm und lernen etwas ganz Wichtiges.
Sie lernen, wer der Messias ist.
Wir haben das nachher nochmals in Vers 43.
Ja, liest du gerade?
Nathanowits sprach zu ihm: „Kann aus Nazareth etwas Gutes kommen?“
Philippus spricht zu ihm: „Komm und sieh!“
Ja, da haben wir diesen talmudischen Satz: „Komm und sieh!“
Jetzt kommt etwas ganz Wichtiges, und du kannst es erleben, wenn du mit dem Messias Kontakt aufnimmst.
Für uns ist das quasi das „Komm und sieh“, es hat keinen besonderen Hintergrund.
Aber für jüdische Ohren hat „Komm und sieh“ einen ganz speziellen Klang, weil das eine stetige Redewendung ist.
Dieser zwei Johannesjünger war wer? Andreas, Vers 40.
Und das geht nun weiter: Andreas bringt seinen Bruder Simon Petrus zu Jesus, Vers 41.
Dieser findet zuerst seinen eigenen Bruder Simon und spricht zu ihm: „Wir haben den Messias gefunden.“
Ein unglaublicher Satz.
Nach diesem jahrhundertelangen Warten können sie jetzt sagen: „Wir haben den Messias gefunden.“
Also die Lehre von Johannes war genügend klar.
Sie können sagen: Jetzt haben wir ihn gefunden.
Und so schön, Vers 42: „Und er führt ihn zu Jesus.“
Andreas führt seinen Bruder zu Jesus.
Das ist das Modell der Evangelisation, wie das gehen muss: Einer bringt den Nächsten.
Dann haben wir wieder einen neuen Tag, Vers 43 des folgenden Tages.
Ich habe noch eine Frage dazu.
Vers 40: Andreas war der eine von den zwei, war der andere Johannes selber?
Das könnte sein.
Wird aber im Text nicht klar gemacht.
Es ist auch so, dass Johannes später über den Jünger spricht, den Jesus liebte, und er sagt nicht, das ist Johannes.
Aber aus dem Text heraus erkennt man schließlich, das ist Johannes.
Also das könnte durchaus Johannes gewesen sein.
War ursprünglich ein Jünger seines Namensvetters.
Ja, ein Johannesjünger, genau, genau, das kann man annehmen.
Denn die kommen ja alle aus dem gleichen Umfeld: Johannes, Andreas und Petrus, wie man das aus Matthäus 4 sieht.
So ist das eigentlich naheliegend.
Und wieder ist Johannes der Apostel so zurückhaltend und erwähnt das nur so unterschwellig, dass wir die Schlussfolgerungen ziehen müssen.
Genau.
Übrigens, in Vers 42 gibt Jesus dem Petrus, dem Simon, einen neuen Namen.
Er nennt ihn wie?
Ja, oder vielleicht noch genauer gesagt, er verheißt ihm einen künftig neuen Namen.
Er sagt: „Du wirst Kephas heißen.“
Später, in Matthäus 16, zu einem späteren Zeitpunkt, sagt Jesus: „Du bist Petrus.“
Man könnte das auffassen als eine Ankündigung, das soll künftig dein neuer Name sein.
Kephas ist aramäisch und bedeutet dasselbe wie Petrus auf Griechisch.
Nämlich ein Stein, was hier erklärt wird, was verdolmetscht wird: ein Stein.
Auf Griechisch steht dann Petros.
Kephas und Petros sind dasselbe.
Ja, dazu eine Frage?
Es ist so, das Wort Kephas und auch Petros hat eine gewisse Bedeutungsbreite.
Es gibt ja noch ein anderes Wort, Petra, das ist das eindeutige Wort für Fels.
Während Petros und Kephas also vom Stein ausgehend auch etwas Weitergehendes bedeuten können, also ein Felsbrocken.
Wenn man abgrenzen muss zwischen Petros und Petra, dann muss man die beiden Begriffe gegeneinander abgrenzen.
So ist es ja in Matthäus 16, können wir kurz aufschlagen.
Matthäus 16, Petrus verkündet das Bekenntnis: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“ Vers 16.
Und dann sagt Jesus in Vers 18, wer liest? „Aber ich sage dir: Du bist Petrus, und auf diesem Felsen werde ich meine Gemeinde bauen, und des Hades Pforten werden sie nicht überwältigen.“
Jawohl.
Hier steht auf Griechisch: „Ich sage dir, du bist Petros, und auf diese Petra will ich meine Gemeinde bauen.“
In der Linguistik sagt man, das ist eine Opposition, wenn zwei Begriffe quasi im Gegensatz gestellt werden.
Der Herr hätte ja sagen können: „Du bist Petros, und auf diesen Petros will ich meine Gemeinde bauen.“
Die Sache wäre klar.
Aber er sagt: „Du bist Petros“ (männliche Form) und „auf diese Petra“ (weibliche Form) will ich meine Gemeinde bauen.
Warum sagt er das so?
Offensichtlich will er damit Petros und Petra unterscheiden.
Petra ist eindeutig der jungfräuliche Fels, also das Felsmassiv.
Petros kann vom Stein bis zum Felsmassiv reichen.
Durch diese Abgrenzung wird deutlich: Petros soll ein Gegensatz sein zum Felsmassiv.
Dann passt eben die Übersetzung „Stein“.
Und das soll bedeuten: Der Fels ist Jesus Christus allein, so wie es in den Psalmen heißt, dass Gott allein der Fels ist.
Alttestamentlich ist der Begriff „Fels“ ein Begriff, der nur für Gott passt.
„Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“
Petrus wäre also ein Baustein auf diesem Felsfundament, nicht er ist das Fundament.
Noch etwas in 1. Petrusbrief, 1. Petrus 2.
Jawohl, wir lesen vielleicht nicht alle Verse, aber mal Verse 4 und 5.
Wer liest? „Zu ihm kommend als zu einem lebendigen Stein, von Menschen zwar verworfen, bei Gott aber auserwählt, kostbar.“
So ist bei mir Ziffer.
Ja, weiter ist gut.
„Lasst euch auch selbst als lebendige Steine aufbauen, als ein geistliches Haus, ein geistliches Priestertum, um geistliche Schlachtopfer darzubringen, Gott wohlgefällig durch Jesus Christus.“
Jawohl.
Hier spricht Petrus Gläubige an und sagt, sie seien auch Steine, lebendige Steine, und werden aufgebaut zu einem geistlichen Haus, also zu einem Tempelhaus.
Interessant: Der Petrusbrief beginnt im Grundtext mit „Petros“, Apostel Jesu Christi, ein Stein.
Und in dem Brief sagt er dann: Ihr seid auch Steine, lebendige Steine, und werdet zu einem Tempelhaus mit aufgebaut.
Übrigens benutzt Petrus hier ein anderes Wort für Steine, „Lithos“, wir kennen das von Lithografie.
Warum benutzt er nicht Petros?
Weil er Christus selber hier auch als Stein bezeichnet.
Vers 4: „Zu welchem kommend als zu einem lebendigen Lithos, von Menschen zwar verworfen, bei Gott aber auserwählt, kostbar.“
Seid auch ihr selbst als lebendige Lithoi, als Lithos, aufgebaut, ein geistliches Haus.
Er benutzt also hier einen Ausdruck, der sowohl für Christus als auch für die Gläubigen, die Bausteine sind, passt.
Jetzt wird das Ganze noch interessanter.
Vers 6, wer liest? „Siehe, ich lege in Zion einen Eckstein, einen auserwählten, kostbaren, und wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.“
In Zion.
Das bezieht sich nun auf Jesus, er ist der Eckstein.
In Jerusalem war das so: Der Fels heute im Felsendom ist ja die Bergspitze von Zion.
Dieser Fels war, wie man jetzt durch die moderne Archäologie herausgefunden hat, der Eckstein des Tempelhauses.
Denn seine Westseite und seine Nordseite, der Verlauf dieser natürlichen Felsseiten, bestimmte den Aufbau des Tempels.
Alles wurde nach ihm ausgerichtet.
Die Mauern des Allerheiligsten liefen entlang dieses Felsens im Westen und Norden, aber die Südmauer war auf dem Fels draufgebaut.
So war dieser Fels auf Zion Eckstein und Fundament, denn das Haus war gebaut auf ihm und entlang von ihm, die Seiten wurden durch ihn bestimmt, durch diesen Eckstein.
Nun müssen wir noch Vers 7 und 8 lesen.
Wer liest? „Euch nun, die ihr glaubt, ist die Kostbarkeit; den Ungehorsamen oder Ungläubigen aber der Stein, den die Bauleute verworfen haben, dieser ist zum Eckstein geworden und ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses, die sich, da sie nicht gehorsam sind, an dem Wort stoßen, wozu sie auch gesetzt worden sind.“
Jawohl.
Hier wird der Ausdruck „ein Fels des Ärgernisses“ auf Christus bezogen.
Das ist griechisch Petra, die Petra des Ärgernisses.
Petrus nimmt den Ausdruck aus Matthäus 16 auf und bezieht ihn auf Christus.
Er ist die Petra, und er selber ist Petros, Lithos, also gewissermaßen ein Baustein, der nicht das Fundament ist, sondern auf dem Fundament aufgebaut ist.
Glücklicherweise ist die Kirche nicht auf Petrus gebaut, sonst hätte sie nicht diese bleibende Stabilität.
Weil Christus, Gott selber, der Fels ist, kann die Gemeinde bestehen bis heute.
Aber in der katholischen Kirche wurde doch geglaubt, dass die Kirche auch auf Petrus steht.
Ja, natürlich.
Und die verwischen einfach den Unterschied zwischen Matthäus 16: „Du bist Petrus und auf diese Petra.“
Die sagen quasi: „Du bist Petrus und auf diesen Petrus baue ich meine Kirche.“
Das stimmt nicht!
Es ist keine Frage von Handschriften, dass gewisse griechische Handschriften dort Petros und andere Petra hätten.
Das ist ein ganz eindeutiges Zeugnis der Handschriften: Petra, auf diese Petra werde ich meine Gemeinde bauen.
Das können sie uns nicht erklären, warum der Herr dort ein anderes Wort verwendet.
Es wäre ja das Einfachste zu sagen: „Du bist Petrus und auf diesen Petrus werde ich meine Gemeinde bauen.“
Das sagt er nicht.
Und Petrus selber in seinem ersten Brief braucht den Ausdruck Petra, aber für Christus.
Ja, wir sind mit der Zeit schon durch.
Ich dachte, wir kämen mindestens mit Kapitel 1 zum Ende.
Aber da wir ja nicht unter Stress stehen, fahren wir dann nächstes Mal mit dem letzten Abschnitt weiter und dann mit Kapitel 2.
Wollen wir noch zusammen beten?