
Wir sind stehen geblieben bei der Wahl zwischen Bar-Aba, Sohn des Teufels, und Bar-Aba, dem Sohn des Vaters im Himmel.
Dazu möchte ich aus einer Predigt von Petrus lesen, die nicht lange danach, einige Wochen später, in der Apostelgeschichte 3 stattfindet. Es sind einige Wochen oder Monate vergangen, aber eben nicht lange. Petrus spricht im Tempel, in der Säulenhalle Salomos. Diese Halle befindet sich entlang der Ostmauer, dort, wo heute das Goldene Tor ist.
Er sagt in Apostelgeschichte 3,13 zur Volksmenge Folgendes:
"Der Gott Abrahams und Isaaks und Jakobs, der Gott unserer Väter, hat seinen Knecht Jesus verherrlicht, den ihr überliefert und vor Pilatus verleugnet habt, als dieser entschieden hatte, ihn loszugeben. Ihr aber habt den Heiligen und Gerechten verleugnet und gebeten, dass euch ein Mörder geschenkt würde. Den Fürsten des Lebens aber habt ihr getötet, den Gott aus den Toten auferweckt hat, wovon wir Zeugen sind."
Man sieht die Dramatik dieses Moments. Die Volksmenge im Tempel wird hier angesprochen, was sie angerichtet hat – in dem Moment des Prozesses, als Pilatus geurteilt hatte, dieser Mann könnte freigelassen werden. Doch sie protestierten dagegen und verlangten einen Mörder.
Wie wird der Herr Jesus hier genannt? Ich streiche in meiner Bibel die Namen Gottes immer speziell an: "der Urheber des Lebens". Ein wunderbarer Name. Das Wort bedeutet Anfänger, Begründer, Fürst oder eben Urheber. Der Urheber des Lebens war also Jesus.
Ein Mörder war er aber nicht. Pilatus wäre bereit gewesen, ihn freizugeben, weil er gesehen hatte, dass die Anklagegründe Rom überhaupt nicht in Bedrängnis bringen. Es war alles nur Neid, der dahinterstand. Trotzdem haben sie Jesus verleugnet und einen Mörder gefordert.
Und weiter nennt Petrus den Herrn Jesus: „Ihr aber habt den Heiligen und Gerechten verleugnet.“ Das erinnert uns an den Traum von Frau Pilatus, in dem sie sagte: „Habe du nichts zu schaffen mit diesem Gerechten.“ Genau diese Bezeichnung nimmt Petrus für den Herrn Jesus auf: „Ihr habt den Gerechten verleugnet.“
Wir stehen hier in direktem Zusammenhang, nicht wahr? Es geht um die Prozessphase vor Pilatus. Pilatus wollte Jesus freilassen, und zwar auch im Zusammenhang mit der Ermutigung zur Freilassung durch seine eigene Frau, die im Traum gelitten hatte. „Ihr habt den Gerechten verleugnet.“
Man könnte zusammenzucken, dass Petrus dieses Wort „verleugnen“ über die Lippen brachte – und das angesichts einer Volksmenge. Da hätten Leute sagen können: „Oi, oi, oi, besser schweigen!“ Wie kannst du den Herrn verleugnet haben im Vorhof des Hohenpriesters? Wie ist es möglich, dass er hinstehen und sagen kann: „Ihr habt den Gerechten verleugnet!“?
Das zeigt, was diese Wiederherstellung war. Petrus hat wirklich nicht einfach Krokodilstränen geweint, sondern es war eine echte Umkehr, eine wirkliche Erneuerung, die der Herr in ihm gewirkt hat bei der persönlichen Begegnung am Auferstehungstag.
Als erstem Mann ist Petrus erschienen. Dieses Gespräch wird nirgends ausführlich aufgezeichnet, nur in Lukas 24 kurz erwähnt und auch in 1. Korinther 15, als der Herr mit ihm ganz persönlich gesprochen hat. Wir wissen nicht genau, was gesagt wurde, aber es gab eine so wunderbare Wende, dass Petrus eben nicht zusammengebrochen ist und sich gesagt hat: „Jetzt kann ich keinen Dienst mehr tun. Ich habe gründlich versagt. Wie soll ich je wieder?“
Der Herr hat ihn wiederhergestellt, sodass er vor der Volksmenge sagen kann: „Ihr habt den Gerechten verleugnet!“ – ohne Angst, „Jetzt komme ich dran.“ Nein, da hätte er sagen können: „Ja, das ist so, es ist wirklich traurig.“ Aber der Herr hat ihm eine völlige Wiederherstellung, eine völlige Vergebung geschenkt.
Ja, das nur als kleiner Exkurs.
Aber eben um diesen Zusammenhang zu verstehen: Mörder und Fürst des Lebens.
Die Volksmenge, angestachelt durch die Führer, verlangt die Kreuzigung – diese unvorstellbar schreckliche Todesart, die die Römer in ihrer Grausamkeit perfektioniert haben.
Die Kreuzigung wurde ursprünglich von den Persern erfunden. Man findet sie bereits im Buch Ester, nämlich das Erhängen von Haman. Dabei handelte es sich nicht um einen Galgen. In der Septuaginta, der ältesten griechischen Übersetzung aus dem dritten Jahrhundert, wird dieses Erhängen teilweise im griechischen Text mit „kreuzigen“ übersetzt, also mit dem Anbringen an einem Holz, an einem Holzkreuz.
Die Perser gaben diese Praxis später an die Griechen weiter, die sie kopierten. Die Griechen wiederum gaben sie an die Römer weiter. Die Römer entwickelten die Kreuzigung noch weiter, indem sie Methoden erfanden, um den Todesprozess zu verlängern. Zum Beispiel ermöglichten sie es, dass die Füße abgestützt werden konnten, sodass der Verurteilte trotz der Schmerzen durch die Nägel noch ein wenig aufstehen und die Lunge wieder füllen konnte.
Dadurch schafften sie es, Menschen bis zu etwa 14 Tagen am Kreuz zu halten. Nach einer bestimmten Gesetzmäßigkeit brach dabei medizinisch eine Funktion des Körpers nach der anderen zusammen. Es ist unglaublich.
Die Volksmenge fordert: „Er werde gekreuzigt, er werde gekreuzigt!“ Damit erfüllten sie Psalm 22.
Pilatus gerät in Bedrängnis. Er sieht, dass es nicht richtig ist, doch er möchte bei der Volksmenge gut dastehen. Das Thema Gruppendruck ist genau hier präsent. Selbst große Politiker wie Pilatus hatten dieses Problem. Es ist nicht nur ein Phänomen, das man als kleiner Schüler in der Schulklasse erlebt, wenn eine Übermacht Druck ausübt. In vielen Situationen geraten Menschen in solche Zwänge.
Pilatus wendet einen Trick an: Er inszeniert ein Theaterstück, nimmt Wasser, wäscht sich die Hände vor der Volksmenge und spricht: „Ich bin schuldlos an dem Blut dieses Gerechten. Seht ihr zu!“
Er benutzt dabei genau die Bezeichnung für den Herrn, die von den Lippen seiner Frau stammt: „Habe du nichts zu schaffen mit diesem Gerechten.“
Siebenmal wird im Neuen Testament Jesus als „der Gerechte“ bezeichnet. Hier im Zusammenhang mit Pilatus zweimal. Dann finden wir es in Apostelgeschichte 3, und auch in 1. Johannes 2, Verse 1 und 2: „Er ist die Sünde für unsere Sünden, nicht allein für die unseren, sondern auch für die ganze Welt.“ Dort wird er „Jesus Christus, der Gerechte“ genannt.
Insgesamt gibt es sieben Stellen, an denen Jesus „der Gerechte“ genannt wird.
Pilatus sagt: „Ich bin schuldlos an dem Blut dieses Gerechten.“ Aber er kann das nicht wirklich meinen. Hätte er seine Autorität als Landpfleger durchsetzen wollen, hätte er sagen müssen, dass Jesus freigesprochen ist.
Er kann nicht einfach sagen: „Jetzt seid ihr schuld, aber ich mache es trotzdem.“ Das geht nicht. Sein Händewaschen ist nur ein Theaterstück.
Doch die Volksmenge ist bereit, die Verantwortung zu übernehmen. In einem Vers läuft es einem eiskalt den Rücken herunter, wenn man hört, wie das ganze Volk antwortete und sprach: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder.“
Und sie wussten genau, was sie damit ausdrückten. Im Talmud gibt es ein Traktat, das Traktat Sanhedrin, in dem ein Abschnitt über das Problem von Blutschuld und deren Auswirkungen auf die kommenden Generationen spricht (Sanhedrin 37a). Dort heißt es: „Sein Blut komme über uns.“ Damit nehmen sie die Verantwortung auf sich – auch für die kommenden Generationen. Das war ein Fluch, der auf den Nachkommen lag. Ob man so etwas überhaupt aussprechen kann, werden wir noch sehen, aber sie haben es genau so formuliert.
Das Unglaubliche findet sich im Talmud, im Traktat Joma. Ich habe hier zwei Bände der zwölfbändigen Ausgabe von Viktor Goldschmidt. Dort steht im Traktat Joma 39a: Die Rapanan lehrten, dass vierzig Jahre vor der Zerstörung des Tempels das Los für Gott nicht in die Rechte geriet und der rot glänzende Wollstreifen nicht weiß wurde – und so weiter. Das ist etwas unverständlich, aber so ist das Lesen des Talmud. Man muss immer den Hintergrund kennen.
Deshalb gibt es diesen Trick: Viele Antisemiten im Internet zitieren aus dem Talmud, um zu beweisen, wie schrecklich und abscheulich das jüdische Volk sei. Sie nehmen Stellen aus dem Talmud heraus, die auf den ersten Blick so wirken, als seien sie hinterhältig. Wenn man aber weiß, wie der Zusammenhang wirklich ist, sieht man, dass es etwas ganz anderes bedeutet.
Zum Beispiel wird oft ein Rabbi zitiert, der sagt: „Ich bin so froh, dass ich keine Frau bin.“ Das klingt erstmal abscheulich. Übrigens, ich persönlich bin auch froh, ein Mann zu sein, und ich hoffe, jede Frau ist mit Freude eine Frau. Aber der Rabbi meint das nicht verachtend. Der Hintergrund ist folgender: Für Männer gibt es in der Tora, im Gesetz Mose, mehr Gebote als für Frauen. Zum Beispiel das Gebot, dreimal im Jahr zum Passah, zum Pfingstfest und zum Laubhüttenfest nach Jerusalem zu pilgern. Das galt nur für die Männer. Frauen durften zwar auch gehen, aber wegen ihrer besonderen Aufgaben, etwa wenn die Kinder noch klein sind, war das nicht verpflichtend. Für die Männer war es obligatorisch.
Da ein Mann mehr Gebote hat und dieser Rabbi Gott liebt und so viele Gebote wie möglich aus Liebe erfüllen möchte, sagt er: „Ich bin froh, dass ich keine Frau bin.“ Das hat überhaupt nichts mit Verachtung des weiblichen Geschlechts zu tun.
Solche Stellen werden also herausgeholt und als Beweis für üble Dinge dargestellt. Aber das zeigt nur, dass diese Leute die Texte nicht verstehen. Dennoch denken viele, die das zum ersten Mal hören,: War das wirklich grausam? Was kann man dagegen sagen?
Die Rabbanan lehrten, dass vierzig Jahre vor der Zerstörung des Tempels das Los für Gott nicht in die rechte Hand geriet.
Am Jom Kippur, dem großen Versöhnungstag im Herbst, durfte der Hohepriester einmal im Jahr ins Allerheiligste eintreten. Dabei spielten zwei Ziegenböcke eine besondere Rolle. Der Hohepriester stand am Altar, und zwei Ziegenböcke wurden hindurchgeführt. Es musste bestimmt werden, welcher Bock durch Handauflegung mit der Schuld Israels beladen und anschließend in die Wüste gejagt werden sollte, um dort zu sterben. So wurde die Schuld auf Nimmerwiedersehen weggetragen. Der andere Bock sollte geschlachtet werden, und sein Blut wurde ins Allerheiligste gebracht. Dort wurde es einmal am Ort der Bundeslade verspritzt und siebenmal auf dem Boden vor dem Ort der Bundeslade.
In 3. Mose 16 heißt es, dass der Hohepriester diese Entscheidung durch das Los treffen musste. Es war ein feierlicher Moment: Der Hohepriester stand vor den Böcken, ihm wurde eine Box mit zwei Losen gereicht. Er öffnete den Deckel und griff mit beiden Händen hinein. Gleichzeitig nahm er jeweils ein Los in die rechte und in die linke Hand, legte diese auf die Köpfe der Böcke und öffnete sie.
Auf einem Los stand „La Azazel“, also „für Azazel“. Das war der Bock, der in die Wüste geschickt wurde. Azazel bedeutet „Az“ (Ziege), „Ez“ (Ziege) und „Azal“ (weggehen). Der Azazel ist also der Bock, der weggeht – das ist kein Fluch. Im Israelischen wird „Azazel“ zwar auch verwendet, wenn jemand flucht, aber es bedeutet nicht „zum Teufel“, sondern „für den Bock, der weggeht“. Auf dem anderen Los stand „Ladonai“, also „für Yahweh“. Das war der Bock, der geschlachtet wurde und dessen Blut ins Allerheiligste gebracht wurde.
Die Stelle besagt, dass in den vierzig Jahren vor der Zerstörung des Tempels – also nicht nur vierzig Jahre vorher, sondern während dieser vierzig Jahre – das Los für Gott nicht in die rechte Hand geriet.
Wann war das genau? Der Tempel wurde im Jahr 70 zerstört. Vierzig Jahre davor, also ab dem Jahr 30 bis 70, kam das Los nicht in die rechte Hand. Im Judentum wusste man, dass wenn das Los für Gott in die rechte Hand kommt, dies ein Zeichen dafür ist, dass Gott das Opfer an Jom Kippur annimmt. Wenn es jedoch in die linke Hand geriet, musste man sich fragen, was das bedeutet – ob Gott nicht vergeben will.
Hier heißt es im Originaltext auf Hebräisch: „Arbaim Shana lifneh choban habayit lo haja ole“. Das bedeutet, dass Jahr für Jahr, also während der gesamten vierzig Jahre, das Los nicht in die rechte Hand kam.
Das heißt, vom Jahr 30 bis zum Jahr 70 war im Judentum die Überzeugung verbreitet, dass Gott nicht mehr vergibt. Unglaublich!
Wann war die Kreuzigung? Im Jahr 32, richtig? Der Dienst des Herrn Jesus begann zu der Zeit, als Johannes der Täufer zu predigen begann (Lukas 3). Im fünfzehnten Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius begann Johannes seinen Dienst. Augustus starb im Jahr 14, dann kam Tiberius an die Macht. Das fünfzehnte Jahr seiner Herrschaft war somit 29 n. Chr. Die Evangelien sprechen von etwa drei Jahren, in denen Jesus gepredigt hat. Also 29 plus 3 ergibt 32.
Das Ganze begann also bereits im Jahr 30.
Was war dort dann geschehen? Wir können kurz in Markus 3 nachschlagen. Der Herr Jesus befindet sich in der Synagoge. In Markus 3, Vers 1 wird ein Mensch mit einer verdorrten Hand erwähnt, den der Herr am Sabbat heilt. Daraufhin verurteilen die Führer des jüdischen Volkes, die dort anwesend sind, den Herrn. In Markus 3, Vers 6 heißt es: „Und die Pharisäer gingen hinaus und hielten mit den Herodianern sofort Rat gegen ihn, wie sie ihn umbringen könnten.“
Dies ist der erste Moment, in dem der Entschluss von jüdischen Führern gefasst wurde: Dieser Mann muss sterben. Das geschah genau im Jahr 30, also im ersten Jahr des öffentlichen Dienstes des Herrn Jesus.
Übrigens, in Markus 3, Vers 1 sehen wir diesen Abschnitt. Der vorherige Abschnitt beschreibt, wie die Jünger am Sabbat durch die Kornfelder gehen und Beeren abreißen. Aufgrund von Lukas lässt sich das datieren, da dort ein besonderer Ausdruck vorkommt. In Lukas 6, Vers 1 steht: „Und es geschah am Sabbat, dass er durch die Saaten ging und seine Jünger die Ähren abpflückten und aßen, indem sie sie mit den Händen zerrieben.“
Der Ausdruck „es geschah am Sabbat“ ist wichtig. Viele Handschriften haben hier „am zweiten Sabbat“. Das ist wahrscheinlich der Sabbat, der auf die Passawoche folgt. Einige Abschreiber ließen das weg, weil sie den Ausdruck nicht verstanden. Das ist in der Fußnote vermerkt.
Was bedeutet „der zweite Sabbat“? Es ist der nächste Sabbat nach dem ersten. Im Judentum beginnt man ab dem Passafest, in dessen Woche die Erstlingsgaben der Gerstenernte geschnitten werden. Dieses Fest ist das Erstlingsfest der Gerste. Ab diesem Zeitpunkt zählt man sieben Sabbate, um das Pfingstfest, das Fest der Wochen, zu ermitteln.
Im Judentum gibt es kein festes Datum für Pfingsten. Es hängt immer davon ab, wann das Passa im Kalender liegt. Von dort aus zählt man sieben Wochen, und der fünfzigste Tag ist dann Pfingsten. Das Wort Pfingsten stammt vom griechischen Pentekoste, was „der fünfzigste“ bedeutet.
Der fünfzigste Tag ist der fünfte Tag nach dem Auferstehungstag. Jesus ist am Erstlingsfest auferstanden. Der seltsame Ausdruck „zweiter Sabbat“ wird in der Elberfelder Bibel in der Fußnote erklärt: Es ist der zweite Sabbat nach dem Passafest und der erste nach der Darbringung der Erstlingsgabe (siehe 3. Mose 23).
Es ist also klar, dass dieser Ausdruck „zweiter Sabbat“ im Zusammenhang mit dem Passafest steht. Jesus begann seinen Dienst in Johannes 2, ganz am Anfang beim Passafest in Jerusalem. Dort, in Johannes 2, kann man nachlesen, wie er den Tempel reinigte. Das war also Passa 29. Das Passa, von dem wir hier sprechen, ist Passa 30.
Um diese Zeit beschlossen die jüdischen Führer, also beim zweiten Sabbat, den Mord an Jesus, im Jahr 30. Von diesem Zeitpunkt an lief nichts mehr richtig. Man wusste: Gott vergibt nicht.
War das nicht nur eine jüdische Auslegung? Das steht ja nicht im Gesetz. Nein, grundsätzlich war das mit dem Los vorgeschrieben durch das Gesetz, in 3. Mose 16. Wie das genau praktiziert wurde, hing davon ab, wie man wusste, es richtig umzusetzen.
Für uns ist das alles weit entfernt. Was bedeutet „das Los“? Das Los war ein Verfahren, bei dem man durch Aufklappen entschied, welches Ergebnis rechts hereinkommt. Die Überzeugung war, dass das Los die richtige Entscheidung bringt. Das steht so nicht explizit in der Bibel, aber es war so.
Für die jüdischen Führer war die Bedeutung klar: Die Botschaft war, dass Gott das Opfer nicht annimmt.
Aber jetzt wird es noch dramatischer. Das können wir unterstreichen. Nicht nur geriet das Los nicht mehr in die Rechte, sondern der rot glänzende Wollstreifen wurde nicht weiß.
Es war so, schlagen wir auf Jesaja 1,18 nach. Liest du? Christian, Jesaja 1,18: "Kommt denn und lasst uns miteinander rechten, spricht der Herr. Wenn eure Sünden rot wie Karmesin sind, sollen sie wie Schnee weiß werden. Wenn sie rot sind wie Purpur, sollen sie wie Wolle werden, wenn ihr willig seid." Ja, das reicht.
Elberfelder übersetzt hier: "Wenn eure Sünden wie Scharlach sind." Und dann: "Wenn sie rot sind wie Karmesin." Das ist eigentlich nicht das Wort für Purpur, das wäre Argaman, aber hier steht das Wort für Karmesin. Scharlach und Karmesin sind austauschbare Begriffe. Die Farbe Karmesin beziehungsweise Scharlach ist ein hell leuchtendes Rot, während Purpur eher ins Violette geht. Es gibt verschiedene Farbtöne.
Dieses leuchtende Rot entspricht wirklich der Farbe des arteriellen Blutes des Menschen. Wenn Gott sagt: "Eure Sünden sind rot wie Blut", was bedeutet das? Sind Sünden rot? Wir würden Sünden eher als schwarz bezeichnen. Rot bedeutet hier, dass man einem Menschen schuldig geworden ist. Wenn man Blutschuld auf sich geladen hat, könnte jemand denken: Jetzt ist es vorbei, das kann nicht mehr vergeben werden.
Doch Gott sagt: "Wenn eure Sünden rot sind wie Karmesin, sollen sie weiß werden wie Schnee." Es gibt Vergebung dafür.
Im Judentum wird das auch in diesem Traktat Joma 39b erklärt. Joma ist aramäisch und bedeutet "der Tag". Damit ist der Jom Kippur, der Versöhnungstag, gemeint. Darum wird dort viel erklärt. Es wird gesagt, dass ein Karmesinfaden dem Sündenbock um die Hörner gebunden wurde, nachdem er durstig bestimmt war. Dann wurde er vom Innenhof beim Altar hinausgeführt durch das Osttor, genau an der Stelle, wo heute das zugemauerte goldene Tor ist.
Von dort ging der Sündenbock über eine Brücke durchs Kidrontal hinunter und dann hinauf auf den Ölberg, bis zum höchsten Punkt. Dort steht heute die markante russische Aufwärtskirche mit einem spitzen Turm. Ich war schon mit meiner Frau ziemlich weit oben, höher ging es nicht mehr. Genau an diesem Ort wurde der Sündenbock hingeführt und dann in die dahinterliegende Wüste gejagt, bis er über eine Klippe abstürzte und starb.
Der Talmud berichtet, dass man erlebt hat, wie der rot gefärbte Faden durch ein Wunder weiß wurde. Immer wenn das geschah, heißt es in Joma, hat man sich gefreut. Das war das Zeichen: Gott vergibt.
Man muss sich das vorstellen: Es gab Zeiten, in denen der Faden weiß wurde, und Zeiten, in denen er nicht mehr weiß wurde. Dann war man traurig.
Und jetzt kommt diese Stelle: Vierzig Jahre vor der Zerstörung des Tempels wurde die rote Wolle nicht mehr weiß. Im Judentum war die Symbolsprache klar: Wir haben Blutschuld, und Gott vergibt nicht.
Aber trotzdem hat der Herr Jesus am Kreuz gebetet: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun." Denn der Herr Jesus macht nicht fertig. Er hat die Tür gegen diesen Fluch geöffnet. Sein Blut kommt über uns und unsere Kinder.
Nein, jeder, der umkehrt und Buße tut, wird vergeben.
Einmal, vor vielen Jahren, habe ich in Deutschland einen Vortrag gehalten. Dabei habe ich ein Thema etwas ausführlicher behandelt, was ich zuvor noch nie in einem Vortrag getan hatte. Danach kam eine Frau zu mir und sagte: „Meine Sünde war blutrot.“ Sie hatte abgetrieben. Und sie erlebte diese Vergebung, so als würde ihre Wollschnur weiß werden.
Das war der Beginn einer Arbeit unter Frauen, die abgetrieben hatten. Ihnen wurde die Botschaft gebracht, dass es eine Möglichkeit der Vergebung gibt. Das war sehr, sehr bewegend. Und genau das lernen wir hier: Der Herr Jesus hat die Möglichkeit gegeben, dass diese Blutschuld abgewendet werden kann.
Nun stellt sich natürlich die Frage: Wenn die Menschen gesagt haben, „sein Blut komme über uns und unsere Kinder“, dann betrifft das ja nur sie selbst, weil sie sich direkt verschuldet haben. Sie haben gesagt, er werde gekreuzigt, aber die Nachkommen nicht.
An dieser Stelle ist ein wichtiger Punkt zu beachten: Es gibt Deutsche, die nach Israel gehen und denken, sie könnten nicht unter Juden evangelisieren. Wegen unserer Geschichte ginge das nicht. Man könne ihnen immer wieder vorhalten: „Was habt ihr uns Juden angetan?“ Doch viele Deutsche sagen: „Ich habe damals gar nicht gelebt“ oder „Ich war ein Kind und wusste nichts davon. Als ich es erfahren habe, fand ich das schrecklich und habe es grundsätzlich verurteilt.“
So kann ein Israeli nicht sagen: „Ihr Deutschen habt Blut an euren Händen.“ Denn diese Generation, die damals noch nicht betroffen war und sich nicht dafür entschieden hat, trägt diese Blutschuld nicht. Man kann nicht sagen: „Vielleicht waren eure Eltern Nazis.“ Ja, vielleicht, aber viele Deutsche waren keine Nazis in der Nazizeit. Es ist nicht gerecht, eine ganze Nation oder die Nachkommen der Nazis als Nazis zu bezeichnen.
Jede Generation muss sich selbst entscheiden. Wenn jemand Neonazi wird, macht er sich schuldig – aber in seiner eigenen Verantwortung. Hesekiel 18 sagt eindrücklich, dass Gott die Kinder nicht für die Sünden der Väter bestraft. Der, der sündigt, kommt unter das Gericht. Jede Generation ist für sich selbst verantwortlich.
Manche sagen jedoch, in 2. Mose, in den Zehn Geboten, stehe ganz klar ein Generationenfluch. 2. Mose 20,5 lautet: „Du sollst dich vor ihnen nicht niederwerfen und ihnen nicht dienen. Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott, der die Schuld der Väter heimsucht an den Kindern, an der dritten und vierten Generation von denen, die mich hassen, der aber Gnade erweist an Tausenden von Generationen von denen, die mich lieben und meine Gebote halten.“
Da steht also, dass ein Generationenfluch existiert. Gott sucht die Sünde und Ungerechtigkeit an den Kindern bis zur dritten und vierten Generation heim. Aber genau lesen: Es heißt nicht einfach „bis zur dritten und vierten Generation“, sondern „an den Kindern an der dritten und an der vierten Generation derer, die mich hassen“. Das bedeutet, die Generationen, die in der Sünde ihrer Vorfahren weitergehen, im Hass gegen Gott und sein Wort, tragen die Schuld weiter.
Doch die Generationen sind verantwortlich für ihr eigenes Verhalten. Im Umkehrschluss heißt es, Gott erweist Gnade an Tausenden von Generationen. Nach der Bibel hat es zwar nicht Tausende von Generationen seit Adam gegeben, aber Gott geht weit über die Weltgeschichte hinaus bis ans Ende der Welt. Tausende Generationen wird Gott Güte erweisen – aber nur denen, die ihn lieben und seine Gebote halten.
Der Segen wird also weitergegeben, aber nicht automatisch. Er gilt nur für die Generationen, die umkehren und den Herrn liebgewinnen. Der Fluch aber trifft nur diejenigen, die den Herrn hassen und in den Sünden ihrer Vorfahren weitergehen.
Das ist ein echtes Problem für Neonazis, denn es gilt auch in 5. Mose 24,16: „Die Kinder sollen nicht für die Sünden der Eltern bestraft werden.“ Das wird dort nochmals deutlich unterstrichen. Es geht also nicht automatisch weiter.
Zurück zu Matthäus 27: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder.“ Jede Generation von Juden steht vor der Entscheidung: Wer war Jesus von Nazaret? War er der Messias oder ein Verführer? Ich hatte eine öffentliche Debatte mit einem Rabbi, der sich sehr kritisch über Jesus Christus äußerte.
Hier zeigt sich der Punkt: Jeder muss sich selbst entscheiden. Aufgrund der erfüllten Prophetie kann man erkennen, dass Jesus der Messias war. Unsere Vorfahren haben hier falsch gehandelt. Das kann man nicht unterstützen oder unterschreiben.
Dann gilt Lukas 23: Alle bekommen Vergebung – sogar diejenigen, die sich einmal gegen den Herrn Jesus entschieden haben, aber später erkennen: „Nein, er war doch der Messias.“ Jesus sagte: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“
Und noch mehr in Sprüche 26 ein wunderbarer Vers. Manchmal bekomme ich seelsorgliche Anfragen von Leuten, die Angst haben, weil von ihren Großeltern ein Fluch über die Kinder ausgesprochen wurde. Diese Menschen leben in der Angst vor einem Generationenfluch.
Im Okkultismus gibt es tatsächlich schreckliche Dinge. Doch man kann darauf ganz einfach und befreiend antworten. So ist es mir kürzlich passiert, als mich ein Ägypter fragte. Ich sagte ihm: Nein, du musst keine Angst vor solchen Dingen haben.
Sprüche 26,2 sagt: "Wie der Sperling hin und her flattert, wie die Schwalbe wegfliegt, so trifft ein unverdienter Fluch nicht ein."
Wow, der Spatz flattert hin und her, und die Schwalbe fliegt davon. Das bedeutet: Keine Angst vor einem unverdienten Fluch. Ein unverdienter Fluch ist ein Fluch, den man jemandem zuspricht, der gar nicht den Herrn hasst. Auch wenn die Sünde der Vorfahren weitergegeben wird, trifft dieser Fluch nicht ein.
Dann gibt es noch eine weitere Stelle, die wirklich beeindruckend ist: der letzte Vers im Buch Joel, Joel 4. Ich liebe diesen Vers. Das Buch Joel sagt prophetisch eine dunkle Zukunft Israels voraus, aber auch die Befreiung durch den Messias, der als König der Welt kommen wird.
Schauen wir uns Joel 4,21 an – genau, Vers 21 in Kapitel 4. Obwohl das Kapitel wechselt, ist der Vers sehr bedeutend. Und schon in Vers 20 heißt es:
"Judah soll ewig bewohnt werden und Jerusalem von Generation zu Generation."
Ein wenig vorher, in Vers 19, steht:
"Ägypten wird zur Öde und Edom zu einer öden Wüste werden wegen der Gewalttat an den Söhnen Judah, weil sie in ihrem Land unschuldiges Blut vergossen haben."
Doch dann folgt die Verheißung:
"Judah soll ewig bewohnt werden und Jerusalem von Generation zu Generation, und ich werde ihr Blut nicht ungestraft lassen, das sich bisher nicht ungestraft ließ, und der Herr wohnt in Zion."
Das "nicht ungestraft lassen" ist hier sehr frei übersetzt. Das hebräische Verb bedeutet eigentlich "reinigen". Es heißt also richtig: "Ich werde sie von ihrem Blut reinigen, von dem ich sie bisher nicht gereinigt hatte." Und der Herr wird in Zion wohnen.
Das bedeutet, dieser Fluch wird ein absolutes Ende finden für Israel. Gott wird auch denen, die sich in ihrem Leben schuldig gemacht haben, aber umgekehrt sind, so völlige Vergebung schenken, dass er sagt: "Ich werde sie von ihrem Blut bereinigen." Früher war das anders, solange sie nicht umgekehrt waren.
Dann wird es eine nationale Umkehr Israels geben. Alle, die diese Katastrophe aus Joel 1 und 2 überleben – dieser Überrest von einem Drittel im Land – werden diese Verheißung erfahren: "Ich werde sie von ihrem Blut reinigen, von dem ich sie nicht gereinigt hatte."
Dann ist endgültig Schluss mit diesem Fluch, der so unbedacht vor Pilatus ausgesprochen wurde.
Und jetzt noch zum Schluss – wir müssen das jetzt noch abrunden. Vers 26 aus Matthäus 27 lautet: „Dann gab er ihnen den Barabbas los, Jesus aber ließ er geißeln und überlieferte ihn, damit er gekreuzigt werde.“
Ja, also dieser Pilatus hat ein großes Theater gemacht mit diesem demonstrativen Händewaschen. Das hat ihn aber nicht freigemacht. Dennoch hat Gott ihm wirklich die Chance gegeben, im Moment, in dem er diese Verschuldung nicht auf sich laden musste. Trotzdem hat er es gemacht – aus Gruppendruck, weil er beim jüdischen Volk angesehen bleiben wollte.
Nach zehn Jahren war bei ihm alles vorbei. Er war von 26 bis 36 Landpfleger, und dann war Schluss. Er hatte also beschlossen: Barabbas wird frei, und Jesus wird geißelt und dann gekreuzigt.
Was das genau bedeutet – die Geißelung und die Kreuzigung – das werden wir dann nächstes Mal anschauen. Aber ich habe das nicht übersehen, Christoph, verzeih mir, dass ich so lange geredet habe. Ich wollte einfach den Faden irgendwie behalten.
Noch einmal zu dem Fluch: Du hast vorhin mit dem Sprüchevers gesagt, dass jede Generation selbst verantwortlich ist. Genau. Dann hast du gesagt, dass mit Joel dieser Fluch endgültig abgeschlossen ist. Also hat dieser Fluch tatsächlich eine Wirkung auf die nachfolgende Generation gehabt.
Denn in Matthäus gibt es ja auch heute noch die Diskussion, dass man sagt, es gebe Antisemitismus in der Bibel. Zum Beispiel bei der Matthäuspassion wird sogar vorgeschlagen, diese Verse umzuschreiben, weil sie für viele heute eine Begründung seien, die Bibel zu verändern.
Es ist aber so: Matthäus, der das Evangelium geschrieben hat, war selbst Jude. Er war kein Antisemit. Er hat aufgeschrieben, was die Volksmenge vor Pilatus gesagt hat. Wichtig ist: Wenn man sagt, „die Juden haben gesagt, sein Blut komme über uns“, dann ist das falsch.
Nicht einmal alle Juden von damals haben das gesagt. Ich habe bewusst darauf hingewiesen: Es waren die, die bei Pilatus anwesend waren. Nicht alle im Land und nicht alle Juden im Ausland. Die, die dort präsent waren, haben diesen Satz gesagt.
Und in Bezug auf sich selbst hat das einen Einfluss. Wir haben wirklich Verantwortung. Wir nehmen diese Verantwortung auf uns. Aber selbst für diese Menschen galt Lukas 23, wo der Herr Jesus sagt: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“
Darum kamen am Pfingsten 3000 Menschen zum Glauben, und in den folgenden Monaten stieg die Zahl der Männer bis auf 5000. Hochgerechnet mit Frauen waren es etwa 10.000. Da fragt man sich, wie viele von denen bei Pilatus waren. Aber sie alle haben Vergebung bekommen.
In Bezug auf die kommenden Generationen konnten sie das nicht wirklich beeinflussen. Aber es hat schon eine Bedeutung, denn es ist wirklich so, dass jede Generation wieder vor die Entscheidung gestellt wird.
Ebenso wie in Europa wird jede Generation wieder vor die Entscheidung gestellt: Verurteilen wir die Judenvernichtung in der Nazizeit? Oder leugnen wir sie einfach? Verharmlosen wir das? Oder sagen wir, das war gut? Gerade in der arabischen Welt gibt es viele, die sich darauf berufen und sagen, Hitler hätte seine Arbeit zu Ende führen sollen.
Ja, aber die machen sich wirklich schuldig. Doch auch für sie gibt es eine gute Nachricht: Solange noch Gnadenzeit ist – spätestens beim Tod ist sie vorbei – könnten auch sie Vergebung bekommen.
Gerade vor kurzem saß ich beim Abendessen, und neben mir war ein Iraner. Er erzählte mir, dass er ein kleiner Junge war, als die Islamische Revolution 1979 stattfand. Er ist in diesem Klima aufgewachsen. Mit dreizehn war er so depressiv, dass sein Traum war, ein Schahid zu werden, ein Selbstmordattentäter. Er ist in diesem Geist aufgewachsen, und das war sein Traum.
Es gibt viele, die davon träumen. Aber dieser Mann saß neben mir und durfte sich im Erwachsenenalter bekehren und völlige Vergebung erfahren. Unglaublich! Er hatte so einen Hass gegen Israel. Jetzt kann man mit ihm über Israel sprechen, und er liebt dieses Volk.
Das zeigt, was die Gnade aus einem Menschen machen kann. Und dass es eben sogar für eine Sünde, die Blut bedeutet, völlige Vergebung gibt. Völlige Befreiung und völlige Entlastung des Gewissens.
Mit dieser guten Nachricht wollen wir enden.
Vielen Dank an Roger Liebi, dass wir seine Ressourcen hier zur Verfügung stellen dürfen!
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