Die Bedeutung von Führung und Nachfolge im biblischen Kontext
Acherei, mir nach. Das ist eine Erklärung dafür, warum Israel im Sechstagekrieg so erfolgreich war, obwohl sie einer unglaublichen Übermacht gegenüberstanden. Verantwortungsträger, also Offiziere und auch solche, die unter den Offizieren stehen, hatten sehr viel Eigenkompetenz bei Entscheidungen. Selbst wenn sie von der Zentrale abgeschnitten waren, blieben sie nicht einfach passiv – wie es bei den Ägyptern der Fall war.
Eine ganze ägyptische Division wurde im Sinai von den Israelis eingekesselt. Die Soldaten wussten nicht mehr, was sie tun sollten, und konnten alle gefangen genommen werden. Die israelischen Einheiten dagegen, oft sehr kleine, blieben beweglich. Das lag daran, dass der Anführer, typischerweise der Offizier, nie sagte: „Geht!“ Sondern immer: „Mir nach!“ Er ging als Vorbild voran. Das motivierte die Soldaten enorm, nicht zurückzustehen, sondern ebenfalls voranzugehen.
Darum ist dieser Satz seit dem Sechstagekrieg so berühmt geworden: „Acherei, mir nach!“ Im Original kann man das ins Hebräische zurückübersetzen. Das Neue Testament ist zwar griechisch, aber der Herr sprach ja Hebräisch beziehungsweise Aramäisch. Dort hieß es „Lech Acherei“.
Damals hatte dieser Ausdruck nichts mit der Armee zu tun, wie heute, sondern war der Ruf der Rabbiner. Ein Rabbiner, der seine Studenten in seine Nachfolge rief, berief sie mit diesem Wort: „Folgt mir nach.“ Ein Rabbiner war nicht dasselbe wie heute ein Universitätsprofessor, der einfach doziert. Es kommt in unserer Gesellschaft kaum darauf an, wie ein Professor lebt. Er muss kein Vorbild sein, zumindest nicht unbedingt.
Für einen Rabbiner war es jedoch gefordert, dass er so lebt, wie er lehrt, und ein Vorbild ist. Darum werden seine Studenten als seine Jünger bezeichnet. Sie lernen nicht nur, sondern sollen auch das gute Beispiel kopieren.
So berief der Herr seine Jünger. Das sehen wir bereits bei den ersten Jüngern in Matthäus 4. Dort wurden Petrus und Andreas, Jakobus und Johannes berufen – genau mit diesem Wort. Wir können das nochmals nachschlagen: Matthäus 4,19 lautet: „Kommt mir nach, und ich werde euch zu Menschenfischern machen.“
Weiterhin werden Jakobus und Johannes in Vers 21 erwähnt. Dort heißt es am Schluss: „Und er rief sie.“ Das war ebenfalls wieder dieser Spruch: „Kommt mir nach!“ Jetzt wird auch dieser Zöllner berufen. Er folgt dem Ruf „Folge mir nach“ und ist bereit, sein bisheriges Leben völlig aufzugeben.
Die königliche Identität Jesu und die Berufung zur Nachfolge
Er hat erkannt, wer der wahre König über alle Könige ist. Es ist eben nicht der Kaiser von Rom, sondern der Messias. Diesem Mann wurde schließlich durch den Heiligen Geist die Botschaft aufs Herz gelegt, das Matthäusevangelium zu schreiben. Dieses Evangelium legt dar, dass Jesus Christus der Messias ist, der König Israels und der König aller Könige.
Darum beginnt das Matthäusevangelium mit dem königlichen Geschlechtsregister von Joseph. Dieses zeigt, dass der Herr Jesus einen legalen Anspruch hat, weil Joseph sein gesetzlicher Vater war. Dadurch gehört er zur Königslinie von König David über Salomo und Jechonia bis zu Joseph. Jesus hat somit das Anrecht auf den Thron.
In Kapitel 2 findet man ebenfalls etwas, das nur im Matthäusevangelium vorkommt: Die Weisen aus dem Morgenland kommen und stellen die Frage, wo der König der Juden geboren worden ist. Ganz Jerusalem gerät über diese Frage in Aufregung. Das haben wir bereits genau studiert, aber es erscheint nur im Matthäus-Evangelium. Es geht um den König.
Matthäus zeigt uns, dass als der Ruf des wahren Königs kam, dieser bereit war, dem Kaiser den Rücken zu kehren und dem wahren König zu folgen. Die große Botschaft von Matthäus lautet: Ich habe erkannt, dass ich dem falschen Herrn gedient hatte. Doch als der Ruf kam: „Folge mir nach“, war ich bereit, Rom den Rücken zu drehen, dem heidnischen Kaiser den Rücken zu kehren und dem wahren König zu folgen.
Das Matthäusevangelium ist eine Einladung an alle Menschen, auf die gleiche Weise den wahren König zu erkennen und ihm ganz zu folgen.
Die Einladung zur Umkehr und Gemeinschaft mit Ausgegrenzten
Was war die erste Auswirkung, die sichtbar wurde aus seiner totalen Lebenswende? Er wird freigiebig – aber in welcher Form? Ja, es ist eine große Einladung. In Vers 10 werden viele ehemalige Arbeitskollegen und viele Zöllner eingeladen, aber auch allgemein Sünder. Das sind Menschen, die in schwerer Sünde lebten, ganz am Rand der Gesellschaft Israels. Damals war zumindest dem Namen nach die Tora das Wort Gottes und der Maßstab für das Leben.
Gerade diese Leute lädt er ein. Er selbst war als Zöllner ohnehin am Rand der Gesellschaft und hatte deshalb keine Gemeinschaft mehr mit den „normalen“ Leuten. Diese mieden ihn. Das war ganz normal. Dass man gemieden wurde, sehen wir übrigens auch in Matthäus 18, um zu zeigen, dass dies keine bloße Behauptung ist, sondern direkt aus der Bibel abgeleitet werden kann.
In Matthäus 18, Vers 15 spricht der Herr Jesus über Gemeindezucht. In Vers 17 geht es darum, dass jemand, der sich nicht korrigieren lässt, sich schließlich der Gemeinde gegenüber verantworten muss. Dort heißt es: „Hört er aber auf diese nicht, so sage es der Gemeinde; hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, so sei er für dich wie ein Heide und ein Zöllner.“
Vielleicht noch Vers 18 dazu: „Ich sage euch, was ihr auf Erden binden werdet, das wird im Himmel gebunden sein, und was ihr auf Erden lösen werdet, das wird im Himmel gelöst sein.“
Das ist Synagogenzucht. Wenn jemand, der regelmäßig in die Synagoge ging, in schwere Sünde fiel, musste er aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden. Damit wurde erklärt, dass diese Sache in seinem Leben nicht in Ordnung ist, und die Sünde wurde quasi auf ihn gebunden. Wenn er eine Umkehr erlebte und wieder in die Gemeinschaft der Synagoge aufgenommen wurde, konnte man ihm die Vergebung zusprechen, weil alles geordnet war. Dann wurde er quasi „gelöst“.
Der Herr sagt, die Gemeinde ist ein ganz neues Thema, das in Matthäus 16 zum ersten Mal und hier zum zweiten Mal in diesem Evangelium eingeführt wird. Die Gemeinde hat eine richterliche Befugnis, wie die Synagoge, zu binden und zu lösen. Es wird also gesagt, wenn jemand aus der Gemeinschaft hinausgetan wird, damit er zur Umkehr kommt, dann sei er dir wie ein Heide und ein Zöllner. Das heißt, man soll keinen Umgang mehr mit ihm haben.
Die Bedeutung der Absonderung Israels und der Umgang mit Heiden
Für einen Juden war es beispielsweise nicht möglich, bei Heiden zu Besuch zu gehen. Das sehen wir sehr gut in Apostelgeschichte 10. Petrus wurde eingeladen, in das Haus des Hauptmanns Cornelius zu kommen. Das war für ihn ein echtes Problem. Wieso? Weil die koscheren Gesetze, die Gott Israel gegeben hatte, eine Barriere bildeten.
Sobald man sich bei Heiden einladen ließ, wurde oft etwas vorgesetzt, das nicht koscher war. Dadurch konnte keine Gemeinschaft entstehen. Deshalb mied man solche Besuche. Die Gesetze Israels in der Tora waren gegeben, um Israel von den anderen Völkern abzusondern.
Vielleicht können wir dazu noch einen Vers lesen aus dem Dritten Buch Mose, und zwar Drittes Mose 20. Könnte jemand lesen, ab Vers 23:
„Und ihr sollt nicht wandeln in den Satzungen der Nationen, die ich vor euch vertreibe, denn alle diese Dinge haben sie getan, und sie sind mir zum Ekel geworden. Und ich habe zu euch gesagt: Ihr sollt ihr Land besitzen, und ich werde es euch zum Besitz geben, ein Land, das von Milch und Honig fließt. Ich bin der Herr, euer Gott, der euch von den Völkern abgesondert habe. Und ihr sollt unterscheiden zwischen dem reinen Vieh und dem unreinen und zwischen den unreinen Vögeln und den reinen und sollt euch selbst nicht zu einem Gräuel machen durch das Vieh und durch die Vögel und durch alles, was sich auf dem Erdboden regt, was ich euch als unrein ausgesondert habe. Und ihr sollt mir heilig sein, denn ich bin heilig, ich der Herr, und ich habe euch von den Völkern abgesondert, damit ihr mein seid.“
Hier wird also klar gesagt: Israel wurde von Gott als sein Volk abgesondert von den Völkern (Vers 24). Gerade in diesem Zusammenhang sagt Vers 25, wie wichtig es ist, auf die koscheren Gesetze zu achten. Welche Tiere rein sind, die darf man essen, und welche unrein sind, die darf man nicht essen.
Dann wird nochmals bestätigt, gerade nachdem diese Koschergesetze, die in Drittes Mose 11 ganz ausführlich beschrieben werden, erwähnt worden sind. Es heißt in Vers 26: „Ihr sollt mir heilig sein.“ Heilig heißt wörtlich abgesondert. Und dann heißt es weiter: „Denn ich bin heilig, ich der Herr, und ich habe euch von den Völkern abgesondert.“ Noch ein anderes Wort als heilig, das ausdrücklich abgesondert bedeutet, um mein zu sein.
Diese Gesetze haben Israel von den Völkern getrennt. Darum pflegten sie mit den Heiden keinen Umgang. Diese Gesetze hat Gott Israel gegeben, damit sie nicht in den Götzendienst verfallen.
Das Erste war: Kontakt haben und zusammen essen. Das Nächste war dann, sich anzupassen. Das wollte Gott eben nicht für Israel. Sie sollten so getrennt und abgesondert von den Völkern leben.
Darum ging man nicht zu einem Heiden. Jetzt wird klar, aus Matthäus 18, „so sei er dir wie der Heide und der Zöllner“ – das heißt, keinen Umgang haben. So war Matthäus also einer, mit dem die normalen Israeliten keinen Umgang hatten. Dafür suchte er natürlich den Umgang mit solchen Leuten, die auch draußen waren.
Darum war ein Kontakt zu Sündern da. Jetzt, wo er die Umkehr erlebt hat, lädt er viele Zöllner ein. Die sollen auch den König der Könige kennenlernen. Weil er Zugang hatte zu den Leuten, zu denen die meisten anderen Israeliten keinen Zugang hatten, lädt er sie alle ein, an dieser besonderen Einladung teilzuhaben, zusammen mit dem Herrn Jesus zu essen.
Die heutige Bedeutung der Absonderung und das Gesetz des Sinai
Bevor ich hier weitermache, noch ein ganz kurzer Gedanke dazu:
Die Sache mit dem Absondern durch die koscheren Gesetze hat heute große Bedeutung. In der Christenheit gibt es immer mehr Entwicklungen, die stark mit den negativen Auswirkungen des Internets zusammenhängen. Es entsteht eine Bewegung, die sagt, Christen sollten eigentlich auch das Gesetz vom Sinai halten, das Gott Israel gegeben hat.
In 2. Mose 19 hat Gott das Gesetz Israel gegeben und den Bund am Sinai geschlossen – aber nur mit Israel, nicht mit den anderen Völkern. Nun behaupten manche, Christen sollten ebenfalls unter das Gesetz vom Sinai gestellt werden, also unter diesen Bund. Manche sagen sogar, der neue Bund sei nur eine Bestätigung und Erneuerung des alten Bundes. Deshalb müssten Christen auch die koscheren Gesetze und Ähnliches einhalten.
Der Galaterbrief sagt jedoch ganz klar Nein: Die Gemeinde steht nicht unter dem Bund von Sinai. Deshalb sollen Christen, die zur Gemeinde Gottes gehören, nicht die Gesetze einhalten, die Gott Israel gegeben hat – im Gegensatz zu den Nationen.
Manche, die diese Gesetze beachten, fühlen sich oft etwas stolz und ein bisschen besser. Sie beachten die Tora, im Gegensatz zu anderen Christen, die den Sabbat nicht beobachten und nicht koscher essen. Dabei sagt 1. Timotheus 4 ganz klar, dass jedes Geschöpf Gottes gut ist und man es mit Danksagung nehmen und essen darf. Trotzdem sagen diese Leute: Nein, man muss diese Gesetze einhalten.
Sie gehen dann auch gerne nach Israel und versuchen dort, Kontakte zu orthodoxen Juden zu knüpfen. Gerade im sogenannten besetzten Westjordanland gibt es viele überzeugte Siedler. Diese Siedler sind nicht einfach nur dort, weil sie irgendwo wohnen möchten. Sie sind überzeugt, dass Gott Israel dieses Land zugesagt hat. Für sie ist es ganz wichtig, in der Westbank zu wohnen, weil es das Herzstück des verheißenden Landes Israel ist, von dem wir in 3. Mose 26 lesen – ein Land, das von Milch und Honig fließt.
Diese Siedler haben jedoch ein echtes Problem mit gewissen Rabbinern, die gerade diese sogenannten Christen kritisieren, die sich unter das Gesetz stellen. Die Rabbiner sagen: Diese Christen machen alles kaputt. Gott hat uns diese Gesetze gegeben, aber nur uns Israel. Diese Gesetze dienen dazu, uns abzusondern. Aber die Christen, die sich unter das Gesetz stellen, machen diese Absonderung kaputt. Sie sagen quasi, alle sollten dazugehören. Das stimmt aber nicht!
Gott hat nicht die ganze Welt als sein Volk auserwählt. Er hat aus allen Völkern nur Israel auserwählt. Und diese Gebote hat Gott Israel gegeben, um diese Absonderung zu unterstreichen und damit sie auch in der Praxis funktioniert.
Das ist ein kleiner Exkurs, der sich aus der Tatsache ergibt, dass wir gesehen haben: Zöllner und Sünder, also Heiden, pflegten nach Matthäus 18 damals keine Gemeinschaft mit der Masse des Volkes Israel. Matthäus war selbst so ein Außenseiter. Deshalb hatte er Zugang zu vielen anderen Außenseitern, und diese hat er eingeladen.
Die Überlieferung der Ältesten und die Kritik Jesu an menschlichen Zusätzen zum Gesetz
Ja, Andreas? Darf ich dazu noch eine Frage stellen? Der Herr tadelt ja an anderer Stelle, dass sie den Geboten Gottes menschliche Überlieferung hinzugefügt haben. Das betrifft auch die ganzen Speisegesetze, um die weitere Zäune gezogen wurden. Er sagt, sie hätten das Gebot Gottes aufgegeben und stattdessen Menschengebote eingeführt, die eigentlich darüber hinausgingen oder sogar im Widerspruch dazu standen.
Diese Unterscheidung ist weitergehend als die, die Gott eigentlich gewollt hat. Genau. Also die Überlieferung der Ältesten, die, wie du erwähnst, in Markus 7 erwähnt wird, sind die rabbinischen Auslegungen der Gesetze, wie Gott sie in den fünf Büchern Mose in der Tora gegeben hat. Diese Auslegung ging oft über das hinaus, was die Bibel sagte.
Diese Auslegung wurde mündlich weitergegeben, von Generation zu Generation. Das heißt, von Rabbi zu seinen Schülern und, wenn diese dann Rabbiner geworden waren, wieder an ihre Schüler. Diese Überlieferungen durften nicht aufgeschrieben werden. Man bezeichnete sie als das mündliche Gesetz, im Gegensatz zur Tora, den fünf Büchern Mose, dem schriftlichen Gesetz.
Als jedoch der Tempel im Jahr 70 zerstört wurde, entstand ein Problem. Alles wurde instabil. Die Gefahr war groß, dass diese Überlieferungen verloren gehen. Deshalb wurde die Notwendigkeit, sie schriftlich festzuhalten, höher eingestuft als das bisherige Gebot, diese mündlichen Überlieferungen nicht aufzuschreiben. So entstand der Talmud.
Wie du sagst, sind das Gesetze, die über das Wort Gottes hinausgehen und vielfach beschrieben werden. Du wolltest jetzt diesen Gedanken noch ergänzen. Erklär noch einmal.
Jetzt noch eine ergänzende Frage dazu: Petrus zitiert im ersten Kapitel seines ersten Briefes 3. Mose 11 mit den Worten: „Seid heilig, denn ich bin heilig.“ Wie müssen wir das geistlich auf uns heute als Christen anwenden? Diese Aufforderung zur Absonderung, „Seid heilig, denn ich bin heilig“ – was bedeutet das für uns?
Das heißt ja nicht, dass wir aus der Welt gehen oder ins Kloster ziehen sollen. Was ist für uns dann die Anwendung? Es geht eben nicht darum, das Gesetz zu halten, um uns wie Juden abzusondern, aber trotzdem heilig zu sein, wie Gott heilig ist.
Geistliche Absonderung und Erneuerung des Denkens im Neuen Testament
Die Antwort wird eigentlich gegeben durch Römer 12. Könntest du das gleich auch vorlesen? Römer 12, Vers 2: „Und seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung eures Sinnes, dass ihr prüfen mögt, was der gute und wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist.“
Hier wird also die Welt erwähnt. In diesem Vers steht im Griechischen nicht „Kosmos“, wie oft, wenn „Welt“ im Deutschen verwendet wird, sondern „Aion“. „Aion“ bedeutet Verschiedenes, unter anderem Zeitlauf und auch Zeitgeist. Unser deutsches Wort „Zeitgeist“ meint sozusagen die modische Denkart in einer bestimmten Epoche der Geschichte. Jede Epoche hat ihren eigenen Zeitgeist.
Das ist ein fantastisches Wort auf Deutsch. Auf Englisch gibt es das nicht, und darum haben sie unser deutsches Wort „Zeitgeist“ übernommen. Es ist die Übersetzung von „Zeitgeist“. Hier wird also gesagt, wir sollen dieser Welt, diesem Zeitgeist mit allen möglichen Modeerscheinungen, die eben in Konflikt kommen mit den moralischen und ethischen Forderungen des Neuen Testaments, nicht gleichförmig sein.
Vielmehr sollen wir uns davon absondern. Es ist eine innerliche Absonderung von diesen Dingen, also nicht gleichförmig sein dieser Welt. Im Gegenteil: Werdet verwandelt durch die Erneuerung eures Denkens. Das ist im Griechischen eine Befehlsform, die bedeutet, in einem Prozess, also ständig verwandelt werden.
In einem Prozess soll unser Denken durch Gottes Wort eben ständig korrigiert und ausgerichtet werden, sodass wir erkennen, welche Zeitgeisterscheinungen wir als Christen nicht mitmachen können und uns davon distanzieren sollten.
Dann wird aber noch eine Verheißung gegeben, im gleichen Satz: „Damit ihr prüfen mögt, was der gute und wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist.“
Es gibt manche Christen, die sagen: Wie kann ich erkennen, was Gott will, was sein Wille für mich ist? Wie soll ich mich da entscheiden? Wie dort? Wie kann ich Gottes Willen erkennen?
Nun, eine Voraussetzung ist: Je mehr unser Denken verändert wird durch Gottes Wort und wir diese Anpassung an den Zeitgeist korrigieren, also rückgängig machen, desto klarer wird unser Verständnis dessen, was Gottes Wille ist.
Das ist eine ganz wesentliche Voraussetzung, um Gottes Willen immer klar erkennen zu können.
Also, der langen Rede kurzer Sinn, Andreas: Seid heilig, denn ich bin heilig. Das bedeutet eben, sich absondern – innerlich und in unserem ganzen Verhalten und in unserer Lebensweise – von dem Zeitgeist dieser Welt, der Gottes Wort widerspricht.
Und sehr gut, dass du das Thema aufgebracht hast, gerade in diesem Zusammenhang.
Die Einladung Jesu zum Essen mit Zöllnern und Sündern und die Reaktion der Pharisäer
Jetzt müssen wir uns vorstellen: Matthäus hat die gute Idee, all diese Leute zu einem Essen einzuladen. Er sagt zwar nicht ausdrücklich, dass es ein großes Essen ist, aber es geht darum, dass sie den Herrn Jesus, den König der Könige, kennenlernen könnten. Und der Herr Jesus geht tatsächlich dorthin.
Das wirft Fragen auf. In Vers 11 heißt es, dass die Pharisäer, als sie das sahen, zu seinen Jüngern sagten: "Warum isst euer Lehrer mit Zöllnern und Sündern?" Für sie war das ein Problem. Wie kann jemand abgesondert sein, wenn er mit solchen Leuten in dieser Weise zu tun hat?
Man muss wissen, was das Wort "Pharisäer" bedeutet. Auf Hebräisch heißen sie "Peruschim". Das bedeutet, sie waren gerade dadurch gekennzeichnet, dass sie mit ihren Auslegungen die Überlieferung der Ältesten über das Wort Gottes hinaus erweiterten. Sie stellten sogar Dinge auf, die Herr Jesus in Markus 7 mit einem speziellen Beispiel zeigte. Dieses Beispiel findet man auch im Talmud. Dort wird beschrieben, wie sie Gottes Gebote durch eigene Gebote aufhoben und somit im Widerspruch zur Tora standen.
Trotzdem sahen sie sich als die wirklich Abgesonderten an. Vielleicht noch eine Erklärung dazu: In deiner Frage hast du angedeutet, dass sie die Gebote noch enger machten, als sie eigentlich waren. Das entspricht einem Grundsatz, der im Talmud nachzulesen ist. Dort heißt es, man solle um die Gebote herum einen Zaun errichten. Das bedeutet, die Auslegung der Gebote soll immer strenger sein als das, was das Gebot selbst sagt – also mit einer Sicherheitsmarge.
Das ist jedoch nicht Gottes Gedanke. Deshalb sehen wir in den Evangelien, dass der Herr Jesus immer wieder mit den Pharisäern in Konflikt geriet. Zum Beispiel in der Frage, wie der Sabbat genau einzuhalten ist, insbesondere ob man am Sabbat heilen darf oder nicht. Der Herr Jesus hat das Gesetz vollkommen eingehalten, aber er machte klar, dass das Heilen, wie er es tat, mit dem Gesetz vereinbar ist.
Dieser Konflikt zeigt, dass der Herr Jesus durch sein Leben deutlich machte, dass er nicht über die Gebote hinausging, sondern genau das tat, was die Gebote sagten. Das menschliche Denken jedoch meint oft, wenn man die Gebote strenger macht, schützt das vor Sünde. Das stimmt nicht. Das zeigt sich schon im Sündenfall.
Die Schlange stellt Eva die Frage: "Ist es wirklich so, dass Gott euch gesagt hat, ihr dürft von keinem Baum im Garten essen?" Eva antwortet: "Doch, wir dürfen von allen Bäumen essen, nur von einem, dem Baum in der Mitte, dürfen wir nicht essen, und wir sollen seine Früchte nicht berühren."
Erstens war der verbotene Baum gar nicht in der Mitte. In 1. Mose 2 heißt es klar, dass der Baum des Lebens in der Mitte war. Gott hatte auch den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse gemacht, aber von ihm steht nicht, dass er in der Mitte sei. Der Satzbau lautet so: "den Baum des Lebens in der Mitte" und dann als Apposition "den Baum der Erkenntnis". Eva aber sagt "der Baum in der Mitte". Das zeigt eine Verschiebung in ihrem Denken.
Anstatt sich über den Baum des Lebens zu freuen, von dem sie essen durften und der für das Leben Gottes steht, rückte für sie der unerlaubte Baum ins Zentrum. Außerdem sagt sie, sie dürften die Früchte nicht berühren – das hat Gott nicht gesagt. In 1. Mose 2 hatte Adam klar gesagt: nicht essen, aber vom Berühren war nicht die Rede. Sie hätte den Baum berühren dürfen, aber nicht essen.
Trotzdem kam es zum Sündenfall. Das überzogene Gebot war für Eva kein Schutz. So sehen wir das auch im Pharisäismus.
Die Fortsetzung des Pharisäismus nach dem Untergang des Tempels in Jerusalem ist das orthodoxe Judentum bis heute. Diese Tradition geht direkt auf die Bewegung der Pharisäer zurück. Die Sadduzäer und Essener sind ausgestorben, aber die Pharisäer setzten sich fort, indem sie das mündliche Gesetz verschriftlichten – den Talmud, der vom zweiten bis zum fünften Jahrhundert verfasst wurde.
Auch dort sehen wir, dass die verstärkte Auslegung nicht dazu führte, dass das Gesetz besser eingehalten wurde. Das ist ein Selbstbetrug. Man hat das Gefühl, besonders fromm zu sein. Doch wahre Frömmigkeit liegt nicht in dem Zaun, der zusätzlich mit Abstand um die Gebote gebaut wird. Sie liegt darin, das zu beachten, was Gott sagt, und im Bewusstsein, warum Gott diese Dinge gesagt hat. Man bemüht sich also, zu verstehen, warum Gott seine Gebote erlassen hat.
Jesu Umgang mit Zöllnern und Sündern und die Kritik der Pharisäer
Ja, und jetzt sehen wir also diese Problematik: Der Herr Jesus ließ sich einladen. Dazu ein Wort aus Lukas 6. Das führte nämlich dazu, dass die Pharisäer ein Schimpfwort für den Herrn Jesus prägten. Schlagen wir auf Lukas 7, Verse 33-35. Dort heißt es:
„Der Johannes der Täufer ist gekommen, der aß kein Brot und trank keinen Wein, und da sagt ihr, er hat einen Dämon. Der Sohn des Menschen ist gekommen, der isst und trinkt, da sagt ihr: Siehe, wie ist der Mensch ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund der Zöllner und Sünder! Und doch ist die Weisheit gerechtfertigt worden von allen ihren Kindern.“
Der Herr Jesus macht klar, dass, wenn man die Wahrheit nicht akzeptieren will, man immer eine Begründung findet. Johannes war der letzte Prophet, bevor das Reich Gottes mit dem Herrn Jesus anbrach. Er war ein Naziräer von Kindheit an, so hatte Gott es gewollt. Ein Naziräer verzichtete auf bestimmte gute Dinge in der Schöpfung, nämlich alles, was vom Weinstock kam. Das war nach 4. Mose 6 für einen Naziräer verboten, nicht für einen normalen Israeliten.
Darum hat Johannes kein Wein getrunken, keine Trauben gegessen, nichts, was vom Weinstock kam. Er lebte sehr karg, aß Heuschrecken – die waren nach 3. Mose 11 koscher – und Honig. Er wohnte in der Wüste. Was sagen die Gegner? Sie behaupten, das sei ein Besessener. Einer, der so karg lebt, muss besessen sein.
Der Herr Jesus lebte nicht so wie Johannes der Täufer. Er trank Wein. Daraus wird übrigens klar, dass er kein Naziräer war. Damit ist auch klar, dass er keine langen Haare hatte. Denn Naziräer mussten, solange sie Naziräer waren – und das konnte drei Monate sein, wenn es ein freiwilliges Gelübde war – ihre Haare nicht schneiden. Im Fall von Johannes dem Täufer war es lebenslang; er ließ seine Haare frei wachsen.
Der Herr Jesus war kein Naziräer, denn er trank Wein und hatte daher auch keine langen Haare. Ein Naziräer durfte auch nie Tote berühren. Aber der Herr Jesus hat Tote berührt, wie zum Beispiel den Jüngling von Nain oder das zwölfjährige Töchterlein von Jairus bei der Hand gefasst.
Er war also kein Naziräer, trank Wein, und dann sagen sie, er sei ein Fresser und Weinsäufer. Immer hat man ein Argument. Man kann aus jedem einen Übeltäter machen. Das weiß übrigens auch jeder Psychologe, wenn er für irgendeinen Zweck eine Persönlichkeitsanalyse anfertigen soll, etwa für eine zu besetzende Stelle. Dann kann er fragen, was herauskommen soll.
Man kann aus jedem ein psychologisches Profil machen und irgendeine Problemperson herausstellen. Zum Beispiel: „Der ist aufgewachsen ohne Vater, nur mit der Mutter.“ Aha, das ist so einer, der macht einfach alles, was er will, der hat nie etwas erlebt in der Jugend. Man kann alles so interpretieren.
So haben das auch die Gegner bei Johannes gemacht. Wenn sie ein schlechtes Zeugnis geben wollen, sagen sie: „Ah, der lebt so karg, also ist er besessen.“ Jesus lebte nicht karg, aber auch nicht übertrieben. Dann sagen sie: „Fresser und Weinsäufer.“ Aber der Punkt, auf den ich hinaus wollte, kommt jetzt: Sie sagen, er sei ein Freund von Zöllnern und Sündern.
Das ist ja gerade die Konsequenz, dass er mit solchen Leuten zusammen gegessen hat. Und nun stellt sich für uns die schwierige Frage: Ein Freund von Zöllnern und Sündern – wie geht das zusammen mit Jakobus 4? Schlagen wir auf Jakobus 4,4. Dort heißt es:
„Ihr Ehebrecherinnen, wisst ihr nicht, dass die Freundschaft der Welt Feindschaft gegen Gott ist? Wer nun irgendein Freund der Welt sein will, erweist sich als Feind Gottes.“
Also muss es eine Lösung geben. Der Herr Jesus war ein Freund der Sünder, aber Jakobus sagt, wer ein Freund der Welt sein will, erweist sich als Feind Gottes. Die Diskussion ist offen.
Hier steht nicht die Freundschaft mit der Welt, sondern die Freundschaft der Welt. Wenn ich also darauf aus bin, dass die Welt mich als eines ihrer Gleichen betrachtet und ich möchte, dass sie mit mir eine Freundschaft als ihresgleichen hat, dann ist das der falsche Weg.
Aber Beziehungen zu Menschen der Welt zu pflegen, um sie zu gewinnen, ohne mich selbst zu kompromittieren – also ohne meine Maßstäbe oder die Maßstäbe Gottes aufzugeben – ist richtig.
Der Punkt ist: Was bedeutet das Wort „Welt“ hier? Im Griechischen heißt es Kosmos, aber nicht Aion, sondern ein anderes Wort, das ich nur erwähnt habe.
Was bedeutet Kosmos, Welt, in der Bibel? Alles, was mich vom Herrn wegbringt. Alles, was mich von Gott wegbringt.
Das Wort Kosmos hat im Neuen Testament etwa zehn verschiedene Bedeutungen. Meistens ist es ganz klar. Zum Beispiel, wenn es heißt, dass die Gläubigen außerhalb der Welt sind vor Grundlegung der Welt, dann meint Kosmos das ganze Universum. Die Gläubigen waren im Herzen Gottes, bevor dieses Universum erschaffen wurde.
Wenn es aber heißt, in Johannes 3,16: „Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab“, dann bedeutet Welt die ganze Menschheit.
Gott hat die Menschheit geliebt, aber es ist dasselbe Wort Kosmos wie in Jakobus. Man muss immer sehen, was ein Wort in einem bestimmten Zusammenhang bedeutet.
Das gleiche Wort Kosmos bedeutet übrigens in 1. Petrus 3 auch Schmuck. Schmuck von Frauen wird ebenfalls Kosmos genannt. Das kommt daher, dass Kosmos von der Wurzel „cosmeo“ stammt, was schmücken bedeutet.
Der Grundgedanke ist etwas Geordnetes. Ein schöner Schmuck ist ein künstlerisches Werk, das Harmonie und Ästhetik herstellen muss. Darum ist es etwas Geordnetes.
Welt im Sinne von Weltall ist die Tatsache, dass das ganze Universum von Gottes Ordnung spricht. Unser Weltall ist nicht zufällig fein abgestimmt, sondern genau so, weil Gott es gemacht hat – der Kosmos.
Kosmos bedeutet also auch die Menschheit, aber auch das System, das Satan aufgebaut hat, um die Menschen von Gott abzuhalten.
Von diesem System ist er der Fürst. In Johannes 14,31 wird er genannt „der Fürst dieser Welt“. Er steht an der Spitze dieses geordneten Systems.
Man kann das sehr gut zusammenfassen mit der Überschrift am Kreuz in drei Sprachen: Hebräisch, Griechisch und Lateinisch.
Hebräisch war die Sprache der Religiösen, inklusive der Überlieferung der Ältesten, die über das Wort Gottes hinausgingen – also Religion.
Griechisch war die Welt der Philosophie und Wissenschaft.
Latein war die Sprache der Politik.
Satan hat ein System aufgebaut, in dem er Religion in all ihren Facetten, Philosophie und Wissenschaft in all ihren Facetten – bis hin zur Klimawandelwissenschaft – benutzt, um die Menschen zu steuern und von dem Wort Gottes abzuhalten. Auch die Politik benutzt er.
Er hat also ein durchdachtes System aufgebaut, mit dem er die Politik nutzen kann, um die Menschen so zu führen und zu lenken, wie er will.
Ein riesiges, durchdachtes System – die Welt.
Mit diesem System dürfen die Gläubigen niemals Freundschaft schließen. Es heißt also nicht, seid nicht ein Freund der Sünder, sondern eben nicht ein Freund der Welt mit diesem System. Wer Kompromisse macht, macht sich zum Feind Gottes.
So löst sich das Ganze, wenn man genau liest: Er ist ein Freund der Sünder, aber das ist nicht dasselbe wie ein Freund der Welt.
Der Herr Jesus ist uns hier ein wunderbares Vorbild.
Das war keine böse Feier, keine abgefahrene Party – davon steht nichts –, sondern es war ein Essen. Bei diesem Essen konnten sie den Herrn Jesus kennenlernen.
Darum ist es eine absolut gute Sache, wenn man Leute zu einem Essen einlädt und vielleicht noch einen Input aus der Bibel gibt. So werden Herzen geöffnet.
Gerade durch den Umgang und das gemeinsame Essen werden unnötige Hindernisse und Schwellen abgebaut. So kommt man besser an die Herzen der Menschen heran.
Das hat uns der Herr Jesus gezeigt. Es ging ihm nicht um eine Party, sondern darum, diese Menschen zu erreichen, und zwar auf eine Art und Weise, die ihre Herzen öffnet.
Umgang mit unglaubenden Freunden und die Bedeutung von Gemeinschaft
Jetzt sollten wir eine Pause machen. Vorher noch eine letzte Frage.
Ich wollte fragen, wie es für uns als Gläubige ist, wenn wir freundschaftlichen Kontakt zu Ungläubigen haben. Das kann manchmal sehr schwierig sein, weil man sich fragt: Wer beeinflusst wen am Ende?
Ich finde, wir können vom Herrn lernen, wie er trotz Gemeinschaft mit gottlosen Menschen Einfluss auf sie hatte.
Ich wiederhole die Frage für diejenigen, die sie nicht gehört haben: Wie sollen Christen mit dem Kontakt zu Menschen umgehen, die ohne Gott leben, damit daraus keine Gefahr entsteht, dass sie von den Gottlosen beeinflusst werden?
Tatsächlich ist das ein Problem. Zum Beispiel ist es sehr wichtig, wenn jemand sich bekehrt hat, etwa aus einer Drogensucht, dass er alle alten Freundschaften abbricht. Das Risiko, durch solche alten Freunde wieder zurückgezogen zu werden, ist riesengroß. Dabei darf man sich selbst nicht überschätzen.
Grundsätzlich muss man ehrlich mit sich selbst sein und prüfen, welche Kontakte wirklich gut und förderlich sind und welche eine Gefahr darstellen, weil man vielleicht nicht so stark ist, wie man meint. Man muss klar sehen, wo etwas wirklich eine Hilfe ist und wo es zum eigenen Schaden führt.
Dazu kann man keine allgemeine Richtlinie geben, die für alle gilt. Das muss jeder persönlich vom Herrn gezeigt bekommen – aber ehrlich.
Was der Herr uns grundsätzlich zeigt, ist, dass Offenheit gegenüber den Menschen dieser Welt sehr wichtig ist. So kann man das Herz erreichen, nicht nur durch Worte, sondern auch durch gemeinsame Mahlzeiten oder Einladungen. Solche Begegnungen öffnen die Herzen und machen sie empfänglich für das Wort Gottes.
Jetzt machen wir eine zwanzigminütige Pause und setzen an dieser Stelle danach fort.
Das Gastmahl des Matthäus und die Fragen der Pharisäer
Wir sollten weitermachen. Ich möchte noch ergänzen: Matthäus berichtet in seinem eigenen Evangelium einfach über die Tatsache, dass er ein Gastmahl vorbereitet hatte (vgl. Matthäus 9,10). Es heißt dort: „Und es geschah, als er in dem Haus zu Tische lag, siehe, da kamen viele Zöllner und Sünder und lagen zu Tisch mit Jesus und seinen Jüngern.“
Lukas fügt uns jedoch etwas Zusätzliches hinzu. Können wir Lukas 5 aufschlagen? Liest jemand bitte ab Vers 27 bis 29 vor?
„Danach ging er hinaus und sah einen Zöllner namens Levi an der Zollstätte sitzen und sprach zu ihm: Folge mir nach! Und er verließ alles, stand auf und folgte ihm nach. Und Levi bereitete ihm ein großes Mahl in seinem Haus, und es saß eine große Schar von Zöllnern und anderen, die es mit ihnen hielten, bei Tisch.“
Das reicht. Hier wird gesagt, dass er ein großes Mahl veranstaltete. Das hat Matthäus nicht von sich selbst gesagt. Er hat einfach das Haus geöffnet. Lukas, sein Freund, fügt hinzu, dass es ein großes Mahl war, das dieser Matthäus veranstaltet hatte, um diese Menschen für den wahren König zu gewinnen.
Dann lesen wir, dass die Pharisäer die Frage stellen: „Warum isst euer Lehrer mit den Zöllnern und Sündern?“ Diese Frage ist sehr bedeutsam. Im nächsten Abschnitt geht es um die Jünger Johannes’, die fragen: „Warum fasten wir und die Pharisäer oft, aber deine Jünger fasten nicht?“ Wir sehen, dass eine Frage auf die andere folgt.
Diese Fragen haben eine besondere Bedeutung. Letztes Mal haben wir den ersten Abschnitt von Matthäus 9 betrachtet, die Heilung des Gelähmten in Kapernaum. Wir sahen, dass es ein großer Aufmarsch war: Rabbiner aus ganz Israel waren anwesend. Das wird ausdrücklich in der Parallelstelle im Lukasevangelium erwähnt. Aus jeder Stadt in Galiläa, in Judäa und aus Jerusalem kamen Rabbiner.
Wir hatten letztes Mal den Zusammenhang hergestellt mit dem besonderen messianischen Wunder der Heilung eines Aussätzigen, beschrieben in Matthäus 8,1-4. Damals sahen wir, dass die Heilung eines Aussätzigen ein klares Zeichen für den Messias war. Seit der Zeit Mose wurde kein Israelit mehr von Aussatz geheilt. Es gibt zwar die Geschichte bei Elisa und Naaman, dem Syrer, einem Ausländer, aber keinen Israeliten.
Die Heilung von Aussatz war also ein messianisches Zeichen. Aussätzige mussten klar von Ärzten und Priestern gemäß 3. Mose 13 und 14 diagnostiziert werden. Erst aufgrund dieser eindeutigen Diagnose wurden sie aus der Gesellschaft ausgeschlossen, wegen Ansteckungsgefahr. Wenn jemand geheilt wurde, musste er wieder durch Ärzte und Priester untersucht werden, und die Diagnose wurde verglichen. Dann wurde offiziell bestätigt: Ja, er ist geheilt.
Darum schickte der Herr damals den Aussätzigen nach Jerusalem zu den Priestern. Das war die offizielle Bestätigung: Er war aussätzig und ist geheilt worden. Das musste der Messias sein. Deshalb kam es zu dieser Invasion von Rabbinern in Kapernaum. Die Frage stand klar im Raum: Ist dieser Mann aus Nazareth, der jetzt in Kapernaum wohnt, der Messias oder nicht?
In einer ersten Phase hörten sie einfach zu. Sie stellten keine einzige Frage, als der Gelähmte geheilt wurde. Sie überlegten nur: Wie kann er sagen, deine Sünden sind vergeben? Das kann nur Gott sagen. Also, das kann nicht der Messias sein, denn er sagt etwas, das absolut nicht geht. Aber sie dachten das nur für sich. Der Herr wusste es jedoch.
Darum sagt der Bibeltext, er hat ihre Gedanken erkannt und ihnen erklärt, dass der Sohn des Menschen Gewalt hat, auf Erden Sünden zu vergeben. Nun sehen wir die zweite Phase, in der Fragen gestellt werden. Diese Phase war notwendig, um weiter abzuklären, ob er der Messias ist oder nicht.
Schließlich führt auch diese zweite Untersuchungsphase zur Antwort: Er ist nicht der Messias. Deshalb wird er gekreuzigt. Darum sind diese Fragen sehr wichtig: Wie ist es möglich, dass er mit Zöllnern und Sündern zusammensitzt? Und dann die Frage: Warum fasten seine Jünger nicht? Sogar die Jünger Johannes’ fasteten, und auch die Pharisäer waren ernster als diese Jünger. Kann das der Messias sein?
Die Antwort des Herrn Jesus auf die Frage, warum er mit Zöllnern und Sündern zusammensitzt, lautet: „Die Starken bedürfen nicht eines Arztes, sondern die Kranken.“ Er ist gekommen als Arzt, als Sündenarzt. Diese Leute wollen hören, wie man geheilt wird, und darum sollen sie es auch hören.
Er verweist auf Hosea 6,6: „Ich will Barmherzigkeit und nicht Schlachtopfer.“ Damit macht der Herr klar, dass schon das Alte Testament zeigt, dass die Erfüllung der Gebote, zu denen auch die Opfer gehörten, mit einer inneren Gesinnung von Barmherzigkeit und Liebe für die Schwachen und Verlorenen verbunden sein sollte.
Der Herr beantwortet das wunderbar. Wie wird die Frage zum Fasten beantwortet? Er sagt, der Bräutigam ist da. Fasten ist ein Zeichen von Trauer. Das passt nicht, wenn der Bräutigam da ist. Es ist eine Zeit der Freude, wenn der Messias gekommen ist, nicht die Zeit der Trauer.
Er sagt aber auch, es wird eine Zeit kommen, in der der Messias nicht mehr da ist. Damit deutet der Herr an, dass sein Kommen nicht dazu führt, dass er das Friedensreich weltweit aufrichtet. Er deutet an, dass er als Messias verworfen wird und dass für seine Nachfolger eine schwierige Zeit kommt, in der Fasten angebracht sein wird.
Obwohl es im Neuen Testament kein Gebot zum Fasten gibt, sagt der Herr, dass es eine traurige Zeit geben wird, wenn er weg ist, und dann kann Fasten angemessen sein. Aber jetzt ist eine Zeit der Freude. Interessant ist, dass er nicht sagt: „Jetzt ist der Messias da, und man soll sich freuen“, sondern: „Jetzt ist der Bräutigam da.“
Worauf bezieht sich der Herr? Die Gemeinde war damals noch ein Geheimnis. Das erste Mal, dass der Herr in den Evangelien über die Gemeinde spricht, ist Matthäus 16, wo er sagt: „Auf diesen Felsen werde ich meine Gemeinde bauen.“ Aber worauf bezieht er sich rückblickend im Alten Testament, wenn er von sich als Bräutigam spricht? Genau auf das Hohelied.
Das Hohelied beschreibt die Liebe des Königs zu einem bescheidenen Mädchen namens Sulamit. Sie kam aus einfachen Verhältnissen, hatte einige Weinberge und Herden. Ihre Brüder waren mit ihr nicht zufrieden, weil sie die Weinberge ihrer Meinung nach nicht gut genug bewirtschaftet hatte. Doch der König liebte Sulamit.
Der König Salomo ist ein prophetischer Hinweis im Hohelied auf den Messias. Sulamit bedeutet im Judentum von alters her Israel. Es ist eine traurige Geschichte: Am Sinai, als Gott den Bund mit Israel schloss, war das eine Verheiratung. Der Bund am Sinai wird als Vermählung Gottes mit Israel beschrieben, zum Beispiel in Jeremia 31.
Können wir kurz Jeremia 31 aufschlagen? Liest jemand vor, was über den Neuen Bund im Alten Testament gesagt wird?
„Siehe, es kommen Tage, spricht der Herr, da ich mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda einen neuen Bund schließen werde, nicht wie der Bund, den ich mit ihren Vätern geschlossen habe, an dem Tag, als ich sie bei der Hand fasste, um sie aus dem Land Ägypten herauszuführen. Diesen meinen Bund, den sie gebrochen haben, und doch hatte ich mich mit ihnen vermählt, spricht der Herr. Sondern das ist der Bund, den ich mit dem Haus Israel schließen werde nach jenen Tagen, spricht der Herr: Ich werde mein Gesetz in ihr Inneres legen und werde es auf ihr Herz schreiben. Und ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein.“
Danke. Hier wird gesagt, dass Gott mit Israel, dem zwölfstämmigen Volk – dem Haus Israel (zehn Stämme) und dem Haus Juda (zwei Stämme, Juda und Benjamin) – einen neuen Bund schließen wird. Dieser neue Bund wird anders sein als der Bund, der nach dem Auszug aus Ägypten geschlossen wurde.
In Vers 32 heißt es: „Den sie gebrochen haben, und doch hatte ich mich mit ihnen vermählt.“ Der Bund am Sinai war also eine Vermählung. Das wird besonders im Prophetenbuch Hosea ausführlich beschrieben. Israel hat sich versündigt durch Unzucht und Ehebruch begangen.
Nach dem Gesetz gibt es nur einen gültigen Grund für die Auflösung einer Ehe: vollzogener Ehebruch, nicht nur in Gedanken, sondern tatsächlicher Ehebruch. Das ist in 5. Mose 25 geregelt. In Hosea lesen wir, dass Gott Israel einen Scheidebrief gab, genau wie in 5. Mose 25 beschrieben.
Können wir Jesaja 50, Vers 1 aufschlagen? Wer liest vor?
„So spricht der Herr: Wo ist der Scheidebrief eurer Mutter, mit dem ich sie verstießen habe? Oder welchen von meinen Gläubigern habe ich euch verkauft? Siehe, ihr seid um eurer Sünden willen verkauft worden. Und um eurer Übertretung willen ist eure Mutter verstossen worden.“
Dazu noch Jeremia 3, Vers 6 und folgende. Wer liest?
„Und der Herr sprach zu mir in den Tagen des Königs Josia: Hast du gesehen, was Israel, die Abtrünnige, getan hat? Sie ist auf jeden hohen Berg und unter jedem grünen Baum gelaufen und hat dort Hurerei getrieben. Ich dachte, nachdem sie das alles getan hat, wird sie zu mir zurückkehren, aber sie kehrte nicht zurück. Und ihre treulose Schwester Juda sah dies. Ich aber sah, dass, obwohl ich die abtrünnige Israel wegen ihres Ehebruchs entlassen und ihr den Scheidebrief gegeben hatte, sich ihre treulose Schwester Juda nicht fürchtete, hinzugehen und auch Hurerei zu treiben. So kam es, dass sie durch ihre leichtfertige Hurerei das Land entweihte und Ehebruch mit Stein und Holz trieb. Trotz alledem ist ihre treulose Schwester Juda nicht von ganzem Herzen zu mir zurückgekehrt, sondern nur zum Schein, spricht der Herr.“
Danke. Hier wird klar, dass Israel Unzucht durch Götzendienst begangen hat. Die hohen Berge und grünen Bäume waren Opferstätten für den Baalskult, der offenen Götzendienst mit ritueller Hurerei verband. Götzendienst wird hier als Hurerei bezeichnet. Es wird von Hurerei mit Holz und Stein gesprochen, also anderen Göttern neben Gott.
Das war echter Ehebruch. Gott hat das gesehen und hoffte auf Umkehr. Selbst wenn Ehebruch vorliegt, besteht die Möglichkeit der Vergebung und Wiederherstellung einer Ehe. Doch Gott gab schließlich den Scheidebrief. Das Buch Hosea zeigt dies ausführlich.
Hosea illustriert das durch die Erfahrung des Propheten selbst. Er hatte Gomer geheiratet, die ihm untreu wurde. Er versuchte, sie später zurückzuholen. Dadurch war er besonders befähigt, das Buch Hosea zu schreiben, in dem Gott seinen Schmerz über den Ehebruch Israels ausdrückt.
Das Buch Hosea gibt Hoffnung und macht klar: Israel ist nicht verworfen, sondern es gibt eine Zukunft. Dazu lesen wir Hosea 2. Hosea ist der erste der kleinen Propheten. Hosea 2, Vers 19 (in manchen Bibelausgaben Vers 21) sagt:
„Darum siehe, ich will dich locken, ich will dich zu mir führen, und ich will dich mir verloben in Ewigkeit, in Gerechtigkeit, Gericht, Güte und Barmherzigkeit. Ich will dich mir verloben in Treue, und du wirst den Herrn erkennen.“
„Und es wird geschehen an jenem Tag, da werde ich erhören, spricht der Herr. Ich werde den Himmel erhören, und dieser wird die Erde erhören. Die Erde wird das Korn, den Most und das Öl erhören. Sie werden Israel erhören. Ich will sie mir säen im Land, mich über Lo-Ruhama erbarmen und zu Lo-Ammi sagen: Du bist mein Volk! Und sie werden sagen: Mein Gott!“
In Hosea 1 nennt Gott Israel „Lo-Ammi“ – nicht mein Volk. Israel hat die Stellung als Volk Gottes verloren. Das steht im Zusammenhang mit dem Scheidebrief wegen Götzendienst.
Gott verheißt in Hosea 2, dass er Israel wieder annehmen und sich mit Israel verloben wird. Das ist die Zeit, in der sie nicht mehr „Lo-Ammi“ sein werden, sondern Gott zu ihnen sagen wird: „Du bist mein Volk!“ und sie sagen: „Mein Gott!“
Das wird nach der großen Drangsalzeit geschehen. In Sacharja 13, Vers 8 lesen wir, dass zwei Drittel von Israels Bevölkerung im Land umkommen und ein Drittel übrigbleibt, das sich bekehren wird. Können wir das nachlesen?
Sacharja 13,8: „Und es soll geschehen, spricht der Herr, dass im ganzen Land zwei Drittel ausgerottet werden und umkommen, ein Drittel aber soll darin übrig bleiben. Dieses letzte Drittel will ich ins Feuer bringen und es läutern, wie man Silber läutert, und ich will es prüfen, wie man Gold prüft. Es wird meinen Namen anrufen, und ich will ihm antworten. Ich werde sagen: Das ist mein Volk! Und es wird sagen: Der Herr ist mein Gott!“
Diese Drangsal ist noch nicht in der Vergangenheit erfüllt. Es ist nicht die Judenvernichtung durch die Nazis, denn hier ist vom Land Israel die Rede, nicht von Europa. Es ist eine zukünftige Zeit.
Ein Drittel wird durch die Prüfung zum Glauben kommen und Gott anrufen. Gott wird sagen: „Es ist mein Volk.“ Das hebräische Wort für „mein Volk“ ist „Ami“. Das steht im direkten Zusammenhang mit Hosea 1 und 2: Gott sagte „Lo-Ammi“, nicht mein Volk, aber der Tag wird kommen, an dem er „Ami“ sagen wird, mein Volk, und sie werden sagen: „Der Herr ist mein Gott“, wie in Hosea 2,21.
Gott hat diese Verheißung gegeben. Israel hat zwar die Stellung als Ehefrau Gottes verloren, aber es wird eine Wiederherstellung geben. Das ist eine klare Absage an die Ersatztheologie, die lehrt, Israel habe seinen Platz verloren und die Gemeinde habe ihn eingenommen – für immer.
Römer 9 bis 11 sagt hingegen: Israel wurde auf die Wartebank gesetzt, bis die Vollzahl aus den Nationen für die Gemeinde eingegangen ist. Dann wird ganz Israel gerettet werden (vgl. Römer 11,25). Diese zukünftige Rettung Israels wird kommen.
Wenn zwei Drittel umkommen und ein Drittel übrigbleibt, wird dieses Drittel das „ganz Israel“ sein, das gerettet wird. Wenn der Messias auf dem Ölberg kommt, wie in Sacharja 12,10 beschrieben, wird das geschehen.
Gehen wir zurück zu Sacharja 12,10: „Und sie werden auf mich blicken, den sie durchbohrt haben, und werden über ihn wehklagen. Sie werden ihn sehen, den Messias, der beim ersten Mal verworfen wurde und durchbohrt wurde.“
Dann wird die Verheißung aus Hosea erfüllt: „Ich werde mich mit Israel verloben in Ewigkeit.“ Der neue Bund wird ein Hochzeitsbund mit Israel sein, nicht mit der Gemeinde. Über die Gemeinde sprechen wir noch. Ich habe das jetzt ausgeklammert.
Wenn wir Matthäus 9 lesen, müssen wir klar sein: Damals war die Gemeinde noch nicht bekannt. Wenn der Herr vom Bräutigam spricht, ist das ein Rückverweis auf das Hohelied und die Stellen im Alten Testament, die sagen, dass der Messias in der Endzeit einen neuen Bund schließen wird.
Dann wird Israel wieder als Frau Gottes angenommen. Jesus nimmt darauf Bezug in Matthäus 9 und sagt: „Jetzt ist der Bräutigam da.“ Seine Jünger werden als „Söhne des Brautgemachs“ bezeichnet – besser „Hochzeitsgäste“ oder „Gefährten des Bräutigams“. Wörtlich sind es die „Söhne des Brautgemachs“ oder „Söhne des Hochzeitsaals“.
Das sind die Freunde des Bräutigams, die die Hochzeit organisieren und unterstützen. Sie sind die wichtigsten Personen neben dem Bräutigam.
Die Frage ist: Wo ist die Braut? Das Hohelied spricht vom Bräutigam, Salomo, aber wo ist die Braut? Das ist das Drama. Israel war damals nicht bereit, als Nation den Messias zu empfangen. Darum bezeichnet der Herr die Jünger, die Israeliten waren, nicht als Braut, sondern als Freunde des Bräutigams, die alles vorbereiten.
Darum sagt der Herr: „Jetzt ist der Bräutigam da.“ Die Freunde des Bräutigams freuen sich und können jetzt nicht fasten. Doch der Bräutigam wird weggenommen. Das bedeutet, die Verheißungen aus Hosea 1 und 2 konnten noch nicht erfüllt werden.
Es wird eine traurige Zeit kommen, in der die Freunde des Bräutigams trauern. Dann wird Fasten ein Thema sein, sagt Jesus.
Diese Stelle ist sehr wichtig, um das Hohelied im Alten Testament zu verstehen. Das Buch mit seinen acht Kapiteln beschreibt die Schönheit der Liebe zwischen Mann und Frau, zwischen einem Mann und einer Auserwählten, genannt die Auserwählte, die eine.
Dieses Buch ist sehr wertvoll, um uns die Schönheit der Ehe von Mann und Frau vorzustellen. In unserer Zeit, in der Genderfragen vieles verkomplizieren, ist das Hohelied ein wichtiges Buch, das wir hochhalten sollten. Es zeigt, wie eine glückliche Beziehung von Mann und Frau möglich ist. Man lernt viel Vers für Vers.
Das ist aber nicht die einzige Bedeutung. Das Hohelied wurde im alten Judentum auch als Gleichnis für die Beziehung Gottes zu Israel verstanden.
In Jesaja 54 wird Israel in ihrem traurigen Zustand beschrieben. Können wir Jesaja 54 aufschlagen? Liest jemand Vers 5 und folgende?
„Denn dein Schöpfer ist dein Ehemann, der Herr der Heerscharen ist sein Name, und dein Erlöser ist der Heilige Israels, er wird Gott der ganzen Erde genannt. Wie eine verlassene und im Geist bekümmerte Frau wird der Herr dich rufen, wie die Frau der Jugendzeit, wenn sie verstossen ist, spricht dein Gott. Einen kleinen Augenblick habe ich dich verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit werde ich dich sammeln. In überwallendem Zorn habe ich einen Augenblick mein Angesicht vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich über dich erbarmen, spricht der Herr, dein Erlöser. Und das soll mir sein wie die Wasser Noachs, denn wie ich geschworen habe, dass die Wasser Noachs nie mehr die Erde überfluten sollen, so habe ich geschworen, dass ich nie mehr über dich zornig werden noch dich schelten werde. Denn die Berge mögen weichen und die Hügel wanken, aber meine Gnade wird nicht von dir weichen und mein Friedensbund nicht wanken, spricht der Herr, dein Erbarmer. Du Elende, Sturmbewegte, Ungetröstete, siehe, ich will deine Steine in Bleiglanz legen und deine Grundfesten mit Saphiren bauen. Ich will deine Zinnen aus Rubinen machen und deine Pforten aus Karfunkeln und alle deine Grenzmauern aus kostbaren Steinen.“
Hier wird Israel in der Zeit beschrieben, als die Nation nicht mehr die Frau Gottes war. In Vers 6 heißt es: „Wie eine verlassene und im Geist betrübte Frau ruft dich der Herr, wie eine Frau der Jugend, wenn sie verstossen ist, spricht dein Gott.“
Gott hat Israel den Scheidebrief gegeben, wie Jesaja 51 und Jeremia 3 sagen. Doch er heiratet diese Frau erneut. Das klingt unglaublich, aber es gibt Beispiele: Ich hatte eine Klavierschülerin, die sich von ihrem Mann scheiden ließ, beide hatten die Ehe gebrochen. Sie erlebten Umkehr und heirateten wieder. Jetzt sind sie glücklich verheiratet. Das gibt es!
Dieses Prinzip wird uns heils-geschichtlich mit Israel vorgestellt. Es gab die Verheiratung am Sinai, den traurigen Ehebruch, Gottes Ruf zur Umkehr, und schließlich den Scheidebrief. Doch Gott ruft die „verlassene Frau“ – in Vers 11 „du Elende, Sturmbewegte, Ungetröstete“ – und beschreibt Israels Geschichte.
Gott, der ewige Gott, sagt in Vers 8: „Im Zorneserguss habe ich einen Augenblick mein Angesicht vor dir verborgen.“ Für Gott ist diese lange Zeit nur ein kurzer Augenblick im Vergleich zur Ewigkeit.
Darum sagt er: „Einen Augenblick, aber mit ewiger Güte werde ich mich deiner erbarmen.“ Das ist sicher und unumstößlich. „Die Berge mögen weichen und die Hügel wanken, aber meine Güte wird nicht von dir weichen und mein Friedensbund nicht wanken, spricht der Herr, dein Erbarmer.“
Das Gewaltige ist, dass dieses Kapitel 54 auf Kapitel 53 folgt. Jesaja 53 ist das Kapitel, das den leidenden Messias vorstellt. Siebenhundert Jahre vor Christus beschrieb Jesaja detailliert, wie der Messias für unsere Sünden leiden und von seinem Volk verworfen werden würde.
In Jesaja 53 hört man den Überrest Israels, der in der Zukunft auf ihn blicken und wehklagen wird. Was werden sie dann beten? Zum Beispiel Jesaja 53, Vers 3:
„Er war verachtet und verlassen von den Menschen, ein Mann, der Schmerzen und Leiden vertraut, und wie einer, vor dem man das Angesicht verbirgt. Er war verachtet, und wir haben ihn für nichts geachtet.“
Vers 5: „Doch um unserer Übertretungen willen war er verwundet, um unserer Missetaten willen zerschlagen. Die Strafe zu unserem Frieden lag auf ihm, und durch seine Striemen ist uns Heilung geworden.“
Das werden sie beten. Dann wird der Herr sich mit ihnen verloben, und der neue Bund wird geschlossen werden. So wird das Hohelied in Erfüllung gehen, aber mit Bräutigam und Braut beim zweiten Kommen.
Beim ersten Kommen sehen wir den Bräutigam, aber die Frage bleibt: Wo ist die Braut? Die Jünger des Herrn waren die Gefährten des Bräutigams, die das Evangelium verkündigten. Der Herr schickte sie durch ganz Israel, damit die Nation als Nation umkehrt und die Braut Sulamit dem Bräutigam begegnet. Doch es kam nicht so weit.
Darum bleibt die prophetische Verheißung des Hohen Liedes bestehen. Der Tag wird kommen, an dem das für Israel so glücklich in Erfüllung geht, wie es in Hohelied 1 bis 8 beschrieben ist.
Nun zur Frage: Was ist mit der Gemeinde? Die Gemeinde war ein Geheimnis. Epheser 3 sagt, sie ist ein Geheimnis, das von Ewigkeit her in Gott verborgen war. Gott hat es keinem Engel offenbart und auch keinem Propheten im Alten Testament.
Darum wurde die Gemeinde nie im Alten Testament vorausgesagt, nur in Bildern angekündigt. Erst im Neuen Testament wurde das Geheimnis der Gemeinde offenbart, sagt der Apostel Paulus.
Epheser 5 sagt: „Das Geheimnis ist groß. Ich sage es in Bezug auf Christus und seine Gemeinde.“ Dort wird Christus als der Mann, der Ehemann, und die Gemeinde als die Ehefrau dargestellt.
Man muss das so verstehen: Von Ewigkeit her hatte Gott den Plan der Gemeinde als himmlisches Volk, als Braut des Sohnes Gottes. Zuerst aber hatte Gott im Alten Testament das irdische Volk Israel erwählt, das als Frau vermählt wurde mit Gott am Sinai. Das war ein irdisches Abbild von dem, was im Herzen Gottes für die Gemeinde war.
Darum müssen wir diese Dinge nicht gegeneinander ausspielen. Manchmal werde ich gefragt: Wer ist die Braut – die Gemeinde oder Israel? Die Frage ist falsch. Man muss schauen, welche Stellen von der Braut sprechen. Dort ist Israel gemeint. Und bei anderen Stellen ist die Gemeinde gemeint.
2. Korinther 11 sagt Paulus ganz klar: „Ich habe euch, ich spreche zur Gemeinde von Korinth, einem Mann verlobt, um euch als eine keusche Jungfrau dem Christus darzustellen.“ Die Hochzeit des Lammes in Offenbarung 19 ist die Hochzeit mit der Gemeinde.
Das muss man nicht gegeneinander ausspielen. Israel ist das irdische Abbild des himmlischen Urbildes – der Gemeinde.
Wenn wir jetzt im Matthäusevangelium lesen und die Frage „Warum fasten deine Jünger nicht?“ kommt, sagt Jesus: „Der Bräutigam ist da.“ Das ist eine riesige Freude. Die „Söhne des Brautgemachs“ sind da, sie freuen sich und können nicht fasten.
Doch der Bräutigam wird weggenommen. Das ist der Hinweis, dass der Messias beim ersten Kommen verworfen wird, aber wiederkommen wird. Dann wird Israel bereit sein, als Braut den neuen Bund zu empfangen.
Das ist ein gewaltiges heilsgeschichtliches Drama, das in diesen wenigen Versen und den Antworten des Herrn Jesus in der zweiten Untersuchungsphase, die vom Sanhedrin ausging, enthalten ist.
Der Herr gibt Antworten und macht klar: Es ist noch nicht die Zeit für das Hohelied.
Nächstes Mal fahren wir an dieser Stelle weiter, ab Vers 16, mit der weiteren Antwort über den Flicken und die alten Schläuche.