Guten Morgen, ich begrüße alle herzlich zu diesem Reformationstag hier in Bern.
Wir haben an diesem Morgen das Thema: „Gibt es Fehler in der Bibel? Enthält die Bibel Gottes Wort oder ist sie hundert Prozent Gottes Wort?“ Im Vorfeld dieser Tagung, die schon einige Zeit zurückliegt, wurde ich vom Vorstand angefragt, ob ich diesmal Themen im Zusammenhang mit schwierigen und negativen Entwicklungen in der Theologie behandeln könnte.
Ich habe mir überlegt, was wirklich relevant ist und was die Gläubigen heute beschäftigt. So bin ich schließlich zu diesem Thema gekommen.
Warum? Ich erinnere mich gut an die Stimmung der 60er und 70er Jahre. Das war die Zeit, in der die Theologie von Bultmann in Deutschland richtig Furore machte. Er war ein Theologieprofessor in Deutschland, der Prediger für die EKD ausbildete und die Lehre vertrat: „Gott ist tot“.
Warum er nicht lieber Fernfahrer geworden ist, sondern trotzdem Theologieprofessor blieb, ist eine andere Frage. Jedenfalls bedeutete seine Lehre die Zerstörung des christlichen Glaubens von innen heraus.
Ich erinnere mich, wie viele verantwortliche Brüder in den Freikirchen damals richtig auf die Barrikaden gingen. Sie standen ein für die volle Inspiration des Wortes Gottes und kämpften wirklich dafür.
Es war auch die Zeit, in der im Zusammenhang mit den Fragen Schöpfung oder Evolution viele Brüder, die gleichzeitig auch Wissenschaftler waren, auf die Barrikaden stiegen. Sie setzten sich für die volle Inspiration der Bibel ein, um zu zeigen, dass aus wissenschaftlicher Sicht die Evolutionslehre absolut unhaltbar ist und dass die Realität mit dem übereinstimmt, was die Bibel in Bezug auf die Entstehung der Welt beschreibt.
Doch heute, nach einigen Jahrzehnten, ist vieles ganz anders geworden. Man muss suchen, wo diejenigen sind, die noch wirklich für die Glaubwürdigkeit der Bibel kämpfen. Unter jungen Leuten begegnet man oft nur einem müden Achselzucken, wenn es um die Frage Schöpfung und Evolution geht.
Warum? Oder warum nicht Schöpfung und Evolution? Viele zeigen Unverständnis und fragen sich, wie man da überhaupt Konflikte empfinden kann.
Es ist wirklich sehr viel geschehen, und darum wird das Wort aus dem Judasbrief umso aktueller.
Ich lese den Brief des Judas, der speziell für die Endzeit geschrieben wurde, in der wir heute leben. Die Endzeit ist die Zeit, in der das jüdische Volk wieder in das Land der Väter heimkehrt und die umliegenden Völker versuchen, Israel zu zerstören. Genau in dieser Zeit leben wir.
Judas schreibt in Judas 3: „Geliebte, während ich allen Fleiß anwandte, euch über unser gemeinsames Heil zu schreiben, war ich genötigt, euch zu schreiben und zu ermahnen, für den einmal den Heiligen überlieferten Glauben zu kämpfen.“ Dieser Kampfwille ist also sehr wichtig, und die Bibel fordert ihn ausdrücklich.
Heute feiern wir den Reformationstag. Eine ganz wichtige Erkenntnis der Reformation war „sola scriptura“ – allein die Schrift. Eigentlich heißt es im Lateinischen „allein durch die Schrift“. Nur durch die Heilige Schrift können wir erkennen, was richtig und was falsch ist, was wahrer Glaube und was falscher Glaube ist.
Die Reformatoren haben die Autorität der Bibel wieder neu auf den Leuchter gestellt. Sie betonten, dass wir nicht durch die Tradition der Kirche wissen, was Wahrheit ist, sondern nur durch die Schrift. Auch nicht durch die Philosophie, die in der katholischen Kirche eine große Rolle gespielt hat – durch die ganze Kirchengeschichte hindurch, mit Denkern wie Platon und Aristoteles. Diese Philosophen waren eher Türschließer als Türöffner.
Die Reformatoren erkannten: Allein durch die Heilige Schrift können wir wissen, was Wahrheit ist, nicht durch die Philosophie.
In diesem Zusammenhang ist das Thema heute sehr passend: Gibt es Fehler in der Bibel? Enthält die Bibel Gottes Wort oder ist sie hundertprozentig Gottes Wort?
Der Untertitel steht im Zusammenhang mit Karl Barth. Er war ein Theologieprofessor an der Universität Basel, nicht Bern, sondern Basel. Barth vertrat die Richtung, die man als Neutheologie oder Neorthodoxie bezeichnet, also „neue Rechtgläubigkeit“. Diese war jedoch weder neu noch wirklich rechtgläubig.
Er lehrte, dass die Bibel Gottes Wort enthält. Man muss nicht einmal den Namen Karl Barth oder seine Theologie genau kennen, um zu sehen, dass er heute unter Evangelikalen einen sehr großen Einfluss hat. Dieser Einfluss wirkt zerstörerisch von innen heraus, jedoch auf eine sehr subtile Art. Es ist nicht so polternd oder brutal wie bei Rudolf Bultmann in den 1960er und 1970er Jahren.
Karl Barth hat schon vor vielen Jahrzehnten auf diese Weise argumentiert: „Die Bibel enthält Gottes Wort.“ Das klingt so, als wäre die Bibel vertrauenswürdig. Doch es ist ein feiner Unterschied: Es wird nicht gesagt, die Bibel sei Gottes Wort, sondern man findet in der Bibel Gottes Wort. Wo genau? Das ist eine andere Frage.
Der eine sagt, das sei Gottes Wort, das sei Paulus. Der andere sagt, das seien nur die Worte Jesu, die der Bibel zugeschrieben werden. So wird die Bibel von innen heraus unglaubwürdig gemacht und dargestellt, als wäre sie kraftlos.
Wir wollen dieser Frage nachgehen und zunächst wissen: Was sagt die Bibel selbst zur Inspiration und Unfehlbarkeit der Bibel?
Wir lesen in 2. Timotheus 3,16. Man bedenke, dieser Brief ist ein Endzeitbrief, ähnlich wie der Judasbrief. Gott wusste, dass in der Endzeit ganz besonders Gottes Wort innerhalb der Christenheit massiv angegriffen werden würde.
Gerade der 2. Timotheusbrief ab Kapitel 3, Vers 1: „Dies wisse aber, dass in den letzten Tagen schwere oder gefährliche Zeiten sein werden, denn die Menschen werden eigenliebig sein usw.“ Paulus beschreibt hier nicht die Welt des Heidentums, sondern die Christenheit – nicht das Christentum. Das Christentum ist die Lehre der Bibel unter denen, die sich zu Christus bekennen. Das ist Christentum.
Christenheit hingegen ist ein Begriff, der einfach alles umfasst, was sich christlich nennt – egal, ob es das wirklich ist oder nur äußerlich so erscheint. Paulus beschreibt die Endzeit und schildert die Christenheit mit einem totalen moralischen Zerfall. Er wusste auch im Voraus, dass die Bibel massiv angegriffen werden würde.
Genau an dieser Stelle schreibt er in 2. Timotheus 3,16: „Alle Schrift ist von Gott eingegeben.“ Warum „alle Schrift“ und nicht einfach nur „die Schrift“? Die Schrift war im damaligen Judentum schon die Bezeichnung für die verbindlichen Bücher, die zur Bibel gehören. Aber warum wird hier betont „alle Schrift“?
Im Zusammenhang spricht Paulus über die Bibel, die Timotheus von Kind auf kannte. Das war der Tanach, das Alte Testament, also alle Bücher in unserer Bibel von Erstemose bis Maleachi – das ist der Tanach, die jüdische Bibel. Im gleichen Zusammenhang, in den Versen davor, sagt Paulus, dass Timotheus genau weiß, von wem er gelernt hat – und meint damit sich selbst, den Apostel Paulus.
Damit haben wir die neutestamentliche Offenbarung mit eingeschlossen. Paulus hat 14 von den 27 Büchern des Neuen Testaments geschrieben, ich zähle den Hebräerbrief bewusst dazu, ohne hier eine Erklärung zu geben. Zusammengefasst heißt es also: Alle Schrift – das heißt Altes und Neues Testament – ist von Gott eingegeben.
Der Ausdruck, den wir im Deutschen mit „von Gott eingegeben“ übersetzen, lautet im griechischen Grundtext in einem Wort „Theopneustos“. Das bedeutet „Gott gehaucht“. Wenn ich jetzt hier spreche, ist das nur möglich, weil ich ständig atme. Ich fülle meine Lungen von unten her und lasse die Luft wieder strömen – durch den Kehlkopf, den Mundraum, zwischen Zunge und Zähnen hindurch, über die Lippen. Darum hören Sie etwas.
Ohne diesen ständigen Luftstrom wäre Kommunikation nicht möglich. Wenn es hier heißt, „alle Schrift ist von Gott gehaucht“, dann besagt das Folgendes: Die Heilige Schrift, die Bibel, ist Gottes direkte Rede an uns. Er spricht.
Dieser Ausdruck ist viel stärker, als wenn es hier heißen würde, die Bibelschreiber seien inspiriert gewesen. Warum? Denn dann könnte jemand sagen: Ja, die waren vielleicht inspiriert, aber sie haben beim Aufschreiben auch eigene Ideen und ihr veraltetes Weltbild mit hineingebracht – eine Vermischung. Die Bibel enthält Gottes Wort. Nein, die Aussage hier ist viel stärker.
Natürlich sagt der Apostel Petrus in seinem zweiten Petrusbrief am Schluss des ersten Kapitels, dass heilige Männer Gottes redeten, getrieben vom Heiligen Geist. Das bedeutet, die Bibelschreiber waren inspiriert – das lehrt die Bibel. Aber 2. Timotheus 3,16 geht noch weiter und ergänzt: Alle Schrift ist von Gott gehaucht. Das heißt, das Endprodukt, das Geschriebene, ist Gottes direkte Rede an uns.
Die Lehre der Bibel ist sehr klar: Die ganze Heilige Schrift ist Gottes Wort. Man kann nicht sagen, sie enthält Gottes Wort – sie ist Gottes Wort. Dass sich das auch auf den Buchstaben bezieht, macht der Herr Jesus in der Bergpredigt deutlich.
In Matthäus 5 sagt er, dass kein Jota und kein Tüttel vom Gesetz vergehen wird. Jota ist der kleinste Buchstabe im Hebräischen, nur ein kleiner Strich. Der Tüttel oder das Hörnchen ist ein Teil von gewissen Buchstaben, der ähnliche Buchstaben voneinander unterscheidet. Zum Beispiel werden ein B und ein K im Hebräischen fast gleich geschrieben. Jemand, der kein Hebräisch gelernt hat, könnte sagen, das ist doch das Gleiche. Nein, schau mal da, das Strichlein – das ist der Tüttel. Er macht klar: Das ist ein B, und das ist ein K.
Es geht also um den einzelnen Buchstaben. Ist das nicht Buchstabengläubigkeit? Ja, bitte! Es gibt Leute, die sagen: Nein, wichtig ist der Geist, die Botschaft, der Buchstabe ist nicht so wichtig. Gut, ich rate Ihnen mal zuhause auf Ihrem Laptop, schreiben Sie in Word oder einem anderen Programm ein Gedicht von Ihnen. Dann denken Sie, die Buchstaben sind nicht so wichtig, sondern die Botschaft.
Machen Sie also alles dunkel, kopieren Sie den Text, und drücken Sie nicht „Einfügen“, um ihn woanders hinzutun, sondern löschen Sie die Buchstaben weg. Was ist dann noch von Geist und Botschaft übrig? Nichts, oder? Die Buchstaben tragen die Botschaft – das kann man nicht voneinander trennen.
Wenn jemand sagt „Buchstabengläubigkeit“, dann sage ich: Gut, machen wir die Buchstaben weg, dann ist alles weg. Darum hat der Herr Jesus betont, dass kein Jota und kein Tüttel vergehen wird.
Ich möchte aber noch hinzufügen: Es gibt ganz gescheite Intellektuelle, die die Fähigkeit haben, Dinge auf den Kopf zu stellen und klare Aussagen ins Gegenteil zu verkehren. Da wird gesagt: Ja, aber wenn inspiriert und Gottes Wort, dann muss man bedenken, dass die Menschen im Altertum nicht so analytisch dachten wie wir heute.
Damals gab es nicht so ein klares Verständnis von richtig und falsch, wie wir es heute haben. Ich lese Psalm 19, Verse 7 und 8: „Das Gesetz des Herrn ist vollkommen, vollkommen“ – ja, was meinten die damals mit „vollkommen“? Das bedeutet „vollständig“ und „erquickt die Seele“. „Das Zeugnis des Herrn ist zuverlässig“ – wenn etwas nicht ganz wahr ist, ist es auch nicht zuverlässig. Hier wird gesagt: Es ist zuverlässig und macht weise den Einfältigen.
„Die Vorschriften des Herrn sind richtig, nicht falsch, richtig und erfreuen das Herz.“ „Das Gebot des Herrn ist lauter“, das heißt auch gereinigt von moralisch Unreinem – „laut“ und erleuchtet die Augen. „Die Furcht des Herrn ist rein und besteht ewig.“ „Die Rechte des Herrn sind wahrhaftig, sie sind gerecht, allesamt.“
Diese Ausdrücke wie „vollkommen“, „zuverlässig“, „richtig“, „lauter“, „wahrhaftig“ zeigen, was gemeint ist. Die Bibel ist wirklich hundertprozentig zuverlässig. Sie sagt das, was der Wahrheit entspricht, und verurteilt das, was der Wahrheit widerspricht.
Im Psalm 12, Vers 7 wird die Bibel sogar mit Silber verglichen, siebenmal gereinigt im Schmelztiegel, sodass alle Fremdstoffe ausgeschaltet sind. Sieben ist die Zahl der Vollkommenheit, und so ist alles Menschliche und Irrtümliche ausgeschaltet – siebenmal gereinigt im Schmelztiegel.
Wir müssen natürlich betonen: Wenn wir von der Vollkommenheit der Schrift sprechen, dann bezieht sich das auf den Grundtext. Im Alten Testament ist dieser hauptsächlich hebräisch, in wenigen Teilen aramäisch, und im Neuen Testament griechisch.
Natürlich gibt es in den Abschriften Abschreibfehler, und in den Übersetzungen und Auslegungen können Irrtümer vorkommen. Aber es geht um den Grundtext, der uns durch Tausende von Handschriften bis heute überliefert ist. Trotz Abschreibfehlern können wir durch die Fülle der Handschriften zeigen, was ein Abschreibfehler ist und was das Wort Gottes ist.
Jesaja 40,8 gibt auch eine göttliche Verheißung: „Das Gras ist verdorrt, die Blume ist abgefallen. Udvar Elohenu, Jakum le'olam“ – „aber das Wort unseres Gottes bleibt in Ewigkeit.“
Das sagt die Bibel zur Zuverlässigkeit der Bibel bis heute.
Und jetzt wollen wir uns zweitens mit dem Thema Prophetie als Gottes Siegel auf die Bibel beschäftigen.
Wir sind Geschöpfe. Als solche sind wir an Raum und Zeit gebunden. Albert Einstein hat das sehr eindrücklich dargelegt. Zeit und Raum kann man nicht voneinander trennen; sie gehören vollständig zusammen. Das sagt auch die Bibel deutlich im ersten Satz: "Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde." Im Anfang beginnt die Zeit, und Gott schuf den Himmel und die Erde – damit ist das Weltall gemeint, also Raum und Zeit zusammen.
Da wir an Raum und Zeit gebunden sind, brauchen wir immer Zeit von A bis B. Die Bibel macht jedoch klar: Gott ist allgegenwärtig und ewig, ohne Anfang und überall gleichzeitig. Deshalb muss er nicht von A nach B gehen. Darum kann er die Zukunft vollkommen wissen. Wir können das nicht. Wir können nicht sagen, was von jetzt an in tausend Jahren an dem Ort sein wird, wo heute das Hotel Bern steht. Aber Gott weiß das ganz genau.
Deshalb ist die Prophetie der Bibel so wichtig, um zu erkennen, dass die Bibel Gottes Wort ist. Sie kommt von dem Gott, der fast siebentausendmal im Alten Testament Yahweh genannt wird – im Deutschen mit Großbuchstaben als Herr. Dieser Gott heißt der Ewigseiende, der Unwandelbare, der über allem steht und darum über alles gebietet: der Herr.
Erfüllte Prophetie ist etwas Wunderbares. Allein im Buch Hesekiel, dem Prophetenbuch, findet man 77 Mal den Refrain – wie in der Musik üblich mit Variationen – „Ihr werdet erkennen, dass ich der Herr bin“, manchmal „Und ihr werdet erkennen, dass ich der Herr bin“ und noch andere Variationen. Gott sagt in Hesekiel etwas voraus, und dann wird gesagt: „Und ihr werdet erkennen, dass ich der Herr, der Ewige bin.“ Das macht klar: Prophetie ist dazu da, um den wahren Gott, den Gott der Bibel, erkennen zu können.
Im Alten Testament gibt es mehr als 300 Prophezeiungen über den Messias, die sich in Jesus Christus erfüllt haben. Ich habe ein Büchlein geschrieben mit dem Titel Der verheißene Erlöser, in dem ich dieses wunderbare Thema behandle. Damit kann man beweisen, dass Jesus von Nazaret der geweissagte Messias des Alten Testaments ist.
300 Prophezeiungen – wenn jemand kommt, ist das Zufall? Nein. Man kann erklären, wie das mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung in der Mathematik ist, und dass das vollkommen absurd ist. Wenn Dutzende von Prophezeiungen ganz genau in Erfüllung gehen, dann geht das nicht mehr mit Zufall.
Ich habe ein Buch geschrieben mit dem Titel Weltgeschichte im Visier des Propheten Daniel. Darin behandle ich alle schon erfüllten Prophezeiungen aus dem Buch Daniel. Ich habe sie einzeln ausgezählt – über zweihundert. Dort zeige ich auch anhand der Geschichtsliteratur, wie man beweisen kann, dass alle Prophezeiungen und zwar in der richtigen Reihenfolge in der Weltgeschichte in Erfüllung gegangen sind.
Jetzt haben wir schon rund fünfhundert Prophezeiungen. Dann habe ich ein Buch geschrieben mit dem Titel Leben wir wirklich in der Endzeit? Darin behandle ich mehr als hundertachtzig erfüllte Prophezeiungen aus unserer Zeitepoche – genau gesagt ab 1882 bis heute. Das ist auch noch nicht so lange her. In dieser Epoche wurde mein Großvater geboren, und ich bin immer noch da und fit. Also haben wir hier hunderte von erfüllten Prophezeiungen.
Nun fragen manche Muslime, sie sollen ihnen eine Liste mit hundert erfüllten Prophezeiungen aus dem Koran bringen. Sie werden nie eine solche Liste bekommen. Aber man muss das nicht provokativ sagen, sondern auf freundliche, gewinnende Art. So sieht man, dass eine solche Liste nie vorgelegt werden kann.
Man kann auch einen Buddhisten fragen, und er wird niemals eine solche Liste bringen. Einer meiner Schwiegersöhne war Buddhist, ist im Buddhismus in Kambodscha aufgewachsen. Ich habe ihn gefragt: Gibt es eine solche Liste? Nein, Papi, gibt es nicht. Das gleiche gilt, wenn man einen Hindu fragt – es gibt keine solche Liste.
Darum ist die erfüllte Prophetie in der Bibel so wichtig. Sie zeigt, wie man den wahren Gott, den Gott der Bibel, erkennen kann. Außerdem zeigt sie die Zuverlässigkeit der Bibel.
Jetzt versteht man auch, warum die Zahl 77 – die Zahl sieben ist die Zahl der Vollkommenheit in der Bibel – 77 Mal der Satz steht: „Ihr werdet erkennen, dass ich der Herr bin“. Wenn das Geweissagte, das Prophezeite, in Erfüllung geht, dann wird klar, wer der Herr ist.
Ein Beispiel: Die Jünger haben am Dienstag vor Karfreitag den Herrn Jesus auf dem Ölberg gefragt, was das Zeichen für die bald bevorstehende Zerstörung des Tempels sei. Hier sehen Sie den zweiten Tempel in seiner Schönheit in Jerusalem.
In Lukas 21,20 sagt Herr Jesus das Zeichen voraus: „Wenn ihr aber Jerusalem von Armeelagen umzingelt seht, dann erkennt, dass ihre Verwüstung nahegekommen ist.“ Die Verwüstung Jerusalems und des Tempels fand tatsächlich statt. Um 68 nach Christus umzingelten die römischen Legionen Jerusalem, und ihre Armeelager wurden aufgebaut. Zwei Jahre später war Jerusalem samt Tempel dem Erdboden gleichgemacht.
Die Steine auf dem Bild sind originale Steine der Römer, die vom Tempelbezirk abgebrochen und vom Tempelplatz hinunter auf die damals dort bestehende Hauptstraße für Fußgänger gefallen sind. Diese Zerstörung war massiv. Heute ist das sichtbar – das sind Fakten, keine Fantasie. Es hat sich genau so erfüllt.
Als im Jahr 68 diese Armeelager errichtet wurden, wusste man, dass die Zerstörung des Tempels bald bevorstand. Jesus sagt weiter, dass die, die in Judäa sind, auf die Berge fliehen sollen; die in der Mitte Jerusalems sind, sollen daraus entweichen; und die auf dem Land sind, sollen nicht hineingehen.
Im Jahr 68 flohen die an den Messias Jesus glaubenden Juden auf die Berge des sogenannten Westjordanlandes. Danach gingen sie über den Jordan und fanden Zuflucht in Pella. Sie hielten sich genau an dieses Wort.
Warum konnten sie fliehen? Gerade nachdem diese Armeelager aufgebaut waren, beging Kaiser Nero Selbstmord. Die Nachfolge war nicht geregelt, es herrschte Chaos. Wer würde Kaiser werden? Der General in Israel, Vespasian, stoppte den Krieg. Er wollte Kaiser werden und ging nach Rom. Es brauchte einige Zeit, bis er schließlich Kaiser wurde.
Weil der Krieg gestoppt wurde, konnten alle messiasgläubigen Juden aufgrund von Lukas 21 fliehen. Sie nahmen das Wort wörtlich und handelten danach. Sie sagten nicht, dass man das tiefenpsychologisch deuten müsse, wie Eugen Drewermann es gezeigt hat, sondern verstanden es einfach so, wie es da steht, und setzten es um.
Der Herr Jesus sagt weiter in Vers 22: „Denn dies sind Tage der Rache, damit alles erfüllt werde, was geschrieben steht. Wehe aber den Schwangeren und den Säugenden in jenen Tagen!“ Wenn man schwanger ist, besonders hochschwanger, und in die Berge fliehen muss, ist das schwierig – ebenso mit säugenden Babys. Selbst wenn man fähig ist, zwei Babys gleichzeitig zu ernähren und noch einen Vortrag zu halten, ist es schwierig. Ich sage das, weil meine älteste Tochter das kann.
Darum: Wehe den Schwangeren und den Säugenden in jenen Tagen, denn große Not wird im Land sein! Und Zorn über dieses Volk. Sie werden fallen durch die Schärfe des Schwertes und gefangen weggeführt werden unter alle Nationen.
Bei der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 kamen mehr als eine Million Juden ums Leben. Doch die Bibel hat diese Katastrophe vorausgesagt. Weiter heißt es in Vers 24: „Und sie werden fallen durch die Schärfe des Schwertes und gefangen weggeführt werden unter alle Nationen.“
Ab dem Jahr 70, als Jerusalem zerstört und der Tempel vernichtet wurde, wurde das jüdische Volk in einem jahrhundertelangen Prozess über alle fünf Kontinente zerstreut. Darum gab es in der folgenden Geschichte Juden überall – auf allen Kontinenten und in vielen Ländern.
Das war so vorausgesagt. Wir können auch sehen, dass diese Prophezeiung vor der Erfüllung gegeben wurde. Denn das hat den messiasgläubigen Juden das Leben gerettet. Sie sind alle geflohen und sind im Jahr 70 nicht mehr zum Passafest gegangen.
Allen anderen im Land war klar: „Wir müssen zum Passafest nach Jerusalem.“ Titus, der Sohn von Vespasian, der im Frühling 70 den Krieg seines Vaters zu Ende führen sollte, wartete, bis alle aus dem Land nach Jerusalem gegangen waren. 2,7 Millionen Menschen füllten die Stadt bis zum Bersten.
Dann schloss er den Belagerungsring, und in 140 Tagen war die Stadt dem Erdboden gleichgemacht. Wie gesagt, es gab mehr als eine Million Tote. Von keinem einzigen messiasgläubigen Juden ist bekannt, dass er umgekommen ist. Sie wurden alle gerettet, weil sie die Bibel ernst genommen und das Lukasevangelium, das damals schon bestand, genauso befolgt haben.
Das ist Gottes Siegel auf die Bibel. Wir könnten nun mit Hunderten weiteren Prophezeiungen fortfahren, aber dazu haben wir heute Morgen nicht die Zeit.
Ich möchte Ihnen jetzt persönlich erklären, warum ich der Bibel voll und ganz vertraue und warum ich mein ganzes Leben, meine ganze Existenz auf dieses Buch aufgebaut habe. Ist das nicht ein Risiko? Nein, es war kein Sprung ins Dunkle. Ich erkläre Ihnen, warum.
Durch die erfüllte Prophetie habe ich klar erkannt, dass Jesus der Messias ist. Ich erinnere mich noch genau, wie ich mit 14 Jahren ein Buch geschenkt bekam – das Buch eines messianischen Juden aus Amerika, John Meldau, mit dem Titel „Der Messias in beiden Testamenten“. Ich sehe mich heute noch am Schreibtisch sitzen, das Buch studieren und wichtige Stellen unterstreichen. Es war für mich überwältigend zu sehen, wie man anhand der Prophetien des Alten Testaments beweisen kann, dass Jesus von Nazaret der Messias ist.
So eindeutig klar war es sogar, dass der genaue Zeitpunkt festgelegt wurde, wann der Messias als Fürst kommen sollte – der Moment von Palmsonntag im Jahr 32 nach Christus. Auch die Kreuzigung wurde bis ins kleinste Detail vorausgesagt. So wurde mir klar: Man kann beweisen, dass Jesus der Messias ist.
Jesus Christus erkannte das gesamte Alte Testament als Gottes Wort an. In Matthäus 5,17 sagt er, dass kein Jota und kein Tüpfelchen von der Tora vergehen wird. In Lukas 24,25-27 erklärt er den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus, wie in der Tora, in den Propheten und in allen Schriften das, was ihn betrifft, angekündigt ist.
Die jüdische Bibel ist in drei Teile gegliedert, deshalb heißt sie Tanach. Im Hebräischen schreibt man die Konsonanten T N K, da keine Vokale gebraucht werden. Man fügt einfach A A ein, sodass Tanak entsteht. Man spricht es aber Tanach aus, weil ein K nach einem Vokal weich klingt. Tanach steht für Tora (das Gesetz), Nevi'im (die Propheten) und Ketuvim (die Schriften).
Wenn man Tanach sagt, meint man das ganze Alte Testament – also alle Bücher, die Sie in Ihrer Bibel im Alten Testament finden, von Erster Mose bis Maleachi, aber keine Apokryphen. Das sind Bücher aus späterer Zeit, die im Judentum nicht als Heilige Schrift anerkannt wurden, weil es damals keine Schriftpropheten mehr gab.
Jesus anerkennt das ganze Alte Testament. Deshalb zeigt er die erfüllte Prophetie in der Tora, in den Schriften, in den Propheten und in allen Schriften. Damit bestätigt er die jüdische Bibel.
Jesus Christus gab den Aposteln seine Autorität und kündigte die Inspiration des Neuen Testaments an. In Matthäus 10 setzt er die Apostel ein und erklärt: „Wer euch aufnimmt, nimmt mich auf; wer euch verwirft, verwirft mich.“
Am Vorabend der Kreuzigung, im Obergeschoss, kündigte Jesus das Kommen des Heiligen Geistes an Pfingsten an. In Johannes 14,26 sagt er: „Er wird euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“ Das führte zur Abfassung der Evangelien Matthäus, Markus, Lukas und Johannes – eine Erinnerung an die Worte Jesu.
In Johannes 15,26 sagt Jesus: „Der Heilige Geist wird von mir Zeugnis ablegen, und ihr werdet meine Zeugen sein.“ Das erfüllte sich in der Apostelgeschichte. Die Apostelgeschichte beschreibt die Missionsarbeit ab Pfingsten im Jahr 32 nach Christus bis etwa 62, als Paulus in Rom eine zweijährige Gefangenschaft hatte – das sind rund dreißig Jahre. Dort wird das Zeugnis des Heiligen Geistes durch die ersten Zeugen beschrieben.
In Johannes 16,12-13 sagt Jesus: „Wenn der Heilige Geist kommt, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten.“ Das kündigt die Abfassung der einundzwanzig Briefe der neuntestamentlichen Apostel und Propheten an. Dort wird die volle Wahrheit verkündet und aufs Vollmaß gebracht, wie Paulus in Kolosser 1 sagt – den Auftrag, das Wort Gottes auf das Vollmaß zu bringen.
Jesus sagt auch: „Der Heilige Geist wird euch das Kommende verkündigen.“ Das spiegelt sich in der Abfassung des letzten Buches der Bibel wider – der Offenbarung. Dieses Buch ist das einzige im Neuen Testament, das vollständig prophetisch ist. In Matthäus, Markus, Lukas, Johannes, Apostelgeschichte und anderen Büchern finden sich viele Prophezeiungen, aber die Offenbarung ist das einzige Buch, das komplett prophetisch ist.
Damit hat Jesus Christus die Inspiration und Glaubwürdigkeit des Neuen Testaments ganz klar verkündet.
Nun möchte ich in diesem Abschnitt sehr persönlich sein: Ich vertraue seiner Aussage voll und ganz. Genau wie der Apostel Paulus in 2. Timotheus 1,12 sagt: „Ich weiß, wem ich geglaubt habe.“ Paulus hat keinen Sprung ins Dunkle gemacht. Glauben ist nicht einfach nur ein Hoffen oder Vermuten.
Vor kurzem sagte mir ein Rabbi, jeder könne auf seine eigene Weise selig werden. Das ist unverantwortlich. Niemand kann nach seiner eigenen Fasson selig werden. Es gibt nur eine Wahrheit, und man muss zur Wahrheit der Bibel voll und ganz stehen.
Der Apostel Paulus sagte: „Ich weiß, wem ich geglaubt habe.“ Im Griechischen ist das eine spezielle Perfektform, eine resultative Form. Das heißt: Ich weiß, auf wen ich mein Vertrauen gesetzt habe. Dieses Vertrauen steht jetzt fest. Es ist nicht „ich denke“, „ich hoffe“ oder „ich meine“, sondern ein sicheres Wissen.
In seiner Bekehrungsgeschichte in Apostelgeschichte 9 fragt Saulus: „Wer bist du, Herr?“ Und in seinem letzten Brief aus der Todeszelle schreibt er: „Ich weiß, wem ich geglaubt habe.“
Für mich persönlich kann ich sagen: In 55 Jahren Glaubensleben habe ich erlebt, wie eine Schwierigkeit nach der anderen in der Bibel gelöst werden konnte. Das ist doch schön.
Nun wollen wir das Miteinander ganz konkret üben, anschauen und Probleme lösen. Beim Lesen der Bibel treten immer wieder Schwierigkeiten und Verständnisfragen auf. Wie passt das zusammen? Das klingt wie ein Widerspruch. Aber ich kann Ihnen sagen: Ich habe es in 55 Jahren erlebt, es geht immer wieder auf.
Zunächst sollten wir uns mit einigen allgemeinen Grundsätzen beschäftigen, wie man die Bibel lesen muss und in welcher Gesinnung man an Probleme und Schwierigkeiten herangehen sollte.
Erstens braucht es Demut. Das ist nicht gerade auf unserem Mist gewachsen, wie man so sagt. Das müssen wir lernen: Demut bedeutet, sich bewusst zu werden, dass wir als Menschen sehr limitiert sind – bezüglich Erfahrung, Wissen, Bildung, Wahrnehmung, Gesichtskreis und Logik. Wir alle machen Logikfehler, nicht wahr? Diese müssen wir korrigieren, aber wir müssen uns dessen bewusst sein.
Unsere Erfahrung ist begrenzt, unser Wissen immer begrenzt, und was ist Bildung? Ich erinnere mich an meinen englischen Lehrer, der wirklich gut Englisch konnte. Ich hatte wohl nie einen Lehrer mit einem so großen Wortschatz wie er. Er erklärte uns, was Bildung ist: „Meine Herren, das war eine Bubenklasse, wie man damals noch sagte. Wenn Sie einmal alles vergessen haben, was Sie hier gelernt haben, das, was übrig bleibt, das ist Bildung.“ Das stimmt.
Ich habe auch gelernt, dass man, wenn man das Gymnasium verlässt, ein anderer Mensch ist, nicht mehr derselbe, der hineingegangen ist. Man wird verändert, und das können gute, aber auch sehr schlechte Veränderungen sein. Man kann eben auch verbildet werden. Das bleibt dann übrig, wenn man alles vergessen hat.
Unsere Wahrnehmung und unser Gesichtskreis sind eingeschränkt. Wenn ein kleiner Junge sagt, es gibt nur weiße Schwäne, dann ist das nicht ganz richtig. Heute ist es etwas anders, heute kennen wir auch schwarze Schwäne bei uns. Aber ich bin in einer Zeit aufgewachsen, in der man sagen konnte: „Es gibt nur weiße Schwäne.“ In Australien gibt es schwarze Schwäne. Wenn man immer nur weiße Schwäne gesehen hat, sagt man: „Es gibt nur weiße Schwäne.“ Das ist falsch – man hat nur weiße Schwäne erlebt. Ob es vielleicht auf einem anderen Kontinent schwarze Schwäne gibt, ist eine andere Sache. Vielleicht gab es damals auch schon an bestimmten Orten schwarze Schwäne bei uns, aber ich habe sie nie gesehen.
Das ist das Erste: Man muss Dinge, die man nicht zusammenbringt, einfach stehen lassen. Ich habe erlebt, dass das manchmal wenig Zeit braucht, bis es klar wird. Manchmal dauert es ein paar Jahre, bis es klar wird, und ich habe es auch erlebt, dass es Jahrzehnte dauern kann. Man muss also geduldig und demütig sein.
Zweitens ist es wichtig, was der hebräische, aramäische und griechische Grundtext sagt. Manche Schwierigkeiten beim Lesen einer Übersetzung können durch einen Blick in den Grundtext, der letztlich verbindlich ist, gelöst werden.
Haben Sie keine Angst, wenn Sie kein Hebräisch, Aramäisch oder Griechisch können und jemand Ihnen sagt, Sie verstehen die Bibel nicht, weil Sie den Grundtext nicht lesen können. Ich habe diese Aussage in all den Jahrzehnten meines Lebens immer gehasst, weil sie einfach nicht stimmt. Ich habe Leute kennengelernt, die nur die deutsche Bibel lasen und ein besseres Verständnis hatten als solche, die Theologie studiert hatten und etwas Griechisch und Hebräisch konnten. Es kommt auf ganz andere Faktoren an.
Wir können mit unserer Übersetzung arbeiten und unser Vertrauen darauf setzen. Ich empfehle die Elberfelder, CSV Hückerswagen; das ist im Deutschen einfach die genaueste Übersetzung. Es gibt manchmal Probleme, und da muss man sagen: Jetzt müssen wir schauen, was der Grundtext sagt. Das gibt dann Klärung. Das sind einzelne Punkte. Aber es ist nicht dazu da, dass Sie denken: „Ich lese nur die deutsche Übersetzung, das ist zu ungenau.“ Nein, gerade durch das Verstehen der Zusammenhänge werden manche Dinge geklärt, die an einem Punkt nicht ganz klar sind.
Bei schwierigen Fragen muss man auf den Grundtext zurückgehen. Wenn man das selbst nicht kann, muss man jemanden fragen, der es kann. Aber bitte nicht solche, die es nur halb können – die sind manchmal gefährlicher als die, die es gar nicht können. Da werden manchmal Dinge über den Grundtext erzählt, die einfach nicht stimmen.
Drittens ist es wichtig, dass man darauf achtet, die Wortbedeutungen exakt zu berücksichtigen. Ein einzelnes Wort hat mehrere Bedeutungen. In der Sprachwissenschaft sagt man, ein Wort hat ein Wortfeld. Darum findet man in einem Deutsch-Englisch-Wörterbuch für ein deutsches Wort viele verschiedene englische Wörter. Warum? Weil das deutsche Wort nicht mit einem einzigen Wort im Englischen verglichen werden kann, sondern ein Wortfeld mit verschiedenen Bedeutungen hat.
Das ist kein Problem, sondern bedeutet, dass je nach Zusammenhang das Wort hier diesen Sinn hat und in einem anderen Zusammenhang einen anderen Sinn. Normalerweise ist die Vieldeutigkeit der Wörter kein Problem, denn die Textzusammenhänge neutralisieren die Vieldeutigkeit. Wenn man es genauer sagen will, kann man sagen: Die kontextuellen Faktoren neutralisieren die Polysemantik.
Das war das Gleiche, was ich vorhin gesagt habe. Albert Einstein sagte einmal: Wenn man beweisen will, dass man seine eigene Theorie verstanden hat, muss man sie seiner Großmutter erklären können. Sie hatte eine jiddische Mamme, die nicht gebildet war. Wenn man es trotzdem verständlich erklären kann, hat man den Beweis erbracht, dass man es selbst verstanden hat.
Also: Exakte Berücksichtigung der Wortbedeutungen und der Grammatik. Noch ein Hinweis: Manche schauen mit Internetprogrammen nach, was ein Wort im Grundtext bedeutet. Das sind gute Hilfen. Da sieht man, dass ein Wort verschiedene Bedeutungen haben kann. Aber diese Leute berücksichtigen oft nicht die Grammatik, und die ist auch wichtig. Da können Fehler entstehen.
Der sprachliche Gebrauch muss ebenfalls berücksichtigt werden. Handelt es sich um Poesie oder ein Gedicht? Das ist eine andere Sprache als Prosaerzählung. Prosa ist so, wie wir im Alltag sprechen, ohne besonderen Rhythmus. Wenn Luther dichtete: „Ein feste Burg ist unser Gott“, hat das einen schönen Rhythmus. In Prosa würde man sagen: „Gott ist für uns eine feste Burg.“
Wir müssen auch darauf achten, ob es sich um ein Gleichnis handelt. Meistens wird auch gesagt, dass jetzt ein Gleichnis kommt. Ein Gleichnis ist keine Geschichte, die so passiert ist, sondern eine Geschichte, die so in der Art immer wieder passiert oder passieren könnte.
Man muss die Bibel wörtlich nehmen und dabei ertragen, dass manche säkulare Intellektuelle sagen, Fundamentalisten nehmen die Bibel zu wörtlich und seien stupid. Natürlich nehmen wir sie wörtlich – und zwar so wörtlich, dass, wenn es heißt, das ist ein Gleichnis, wir es als Gleichnis nehmen und nicht als eine tatsächliche Geschichte.
Wenn die Bibel sagt, das ist eine Geschichte, die im Jahr der Geschichte Israels geschehen ist, dann nehmen wir das als Geschichte. Wenn es sich um eine Fabel handelt – in der Bibel gibt es Fabeln, zum Beispiel die Fabel von Jotham im Buch der Richter –, da kann ein Dornstrauch sprechen, ebenso der Feigenbaum und der Weinstock. Natürlich meinte Jotham nicht, dass ein Dornstrauch wirklich gesprochen hat, sondern genauso wie La Fontaine, der schöne französische Gedichte und Fabeln schrieb. Dort sprechen Tiere, und das gibt es auch in der Bibel.
Wenn es eine Fabel ist, nehmen wir sie als Fabel. Aber wir glauben nicht, dass der Weinstock wirklich gesprochen hat. So wörtlich nehmen wir die Bibel.
Wenn es sich um Apokalyptik handelt, wie in Daniel, da kommt aus dem Meer ein Löwe mit Adlerflügeln. Das ist apokalyptische Sprache. Im gleichen Kapitel wird erklärt, dass das ein Königreich bedeutet. Wir glauben nicht an Löwen mit Adlerflügeln. Ich habe auch noch nie so etwas gesehen, auch nicht in freier Wildbahn.
Apokalyptische Sprache stellt Königreiche als Tiere dar, zum Beispiel ein Leopard mit vier Köpfen und vier Flügeln. Das ist das Symbol für das griechische Weltreich Alexanders des Großen, das in dreizehn Jahren alles eroberte bis an das damalige Ende der Welt, bis nach Indien und darüber hinaus.
In der Offenbarung 13 wird ein Tier beschrieben, das aus dem Meer kommt, mit zehn Hörnern, ein schreckliches Tier. Wir glauben nicht, dass in der Zukunft ein solches Tier aus dem Mittelmeer heraufsteigen wird. Aber ein solcher Diktator, der damit symbolisiert wird, wird für die westliche Welt kommen. Das ist Apokalyptik.
Die Bibel ist voll von Symbolik. Wenn sie symbolische Sprache verwendet, beachten wir das. Wenn die Bibel aber in Klartext Geschichte erzählt und genaue Jahreszahlen und geografische Angaben nennt – Hebron, Jerusalem oder andere –, dann gehen wir ganz genau nach diesen geschichtlichen und geografischen Angaben vor. So muss man die Bibel wörtlich nehmen.
Viertens muss man beim Bibellesen auch Sitten und Gebräuche berücksichtigen. Man muss mit alten Gesetzen rechnen. Zum Beispiel Abraham und Sarah: Gott versprach ihnen ein Kind. Sarah war unfruchtbar und hatte jahrelang kein Kind. Schließlich meinte Sarah, man müsse Gottes Zusage nicht so wörtlich nehmen. Sie schlug Abraham vor, doch die Magd Hagar aus Ägypten zu heiraten.
Damals gab es im heidnischen Nahen Osten das Gesetz, dass, wenn ein Herr die Magd heiratet, das Kind der Magd der Herrin zugerechnet wird. Dieser Hintergrund ist nicht dazu da, um zu sagen, dass das alles okay war. Es war vollkommen falsch, was Abraham damals tat und was Sarah ihm riet. Gott sprach dann jahrelang nicht mehr mit Abraham. Das ist schrecklich.
Solche Gebräuche, Sitten, alte Gesetze und Hintergründe – gerade in der jüdischen Literatur, Geschichte und den Gebräuchen – sind sehr hilfreich fürs Verständnis.
Fünftens müssen wir die Heilsgeschichte berücksichtigen, die großen Bögen im Geschichtsablauf der Bibel und die umfassenden Zusammenhänge. Es gibt in der Bibel eine Offenbarungsentwicklung. Gott hat nicht am Anfang alles gesagt, sondern nach und nach neue Dinge offenbart.
Mit dem Abschluss der Bibel, mit der Offenbarung, ist es vollständig. Darum steht dort: Wer jetzt noch etwas hinzufügt zu diesem Buch, dem fügt Gott die Plagen hinzu, die in diesem Buch beschrieben sind.
Jetzt ist die Bibel voll genügsam. Im Verlauf der Entstehung kamen immer mehr Dinge dazu. Das muss man berücksichtigen.
Man muss unterschiedliche Zeitabschnitte und ganze Heilszeitalter unterscheiden. Zum Beispiel ist die Zeit der Unschuld im Paradies etwas ganz anderes als die Zeit danach, nach dem Sündenfall. Da gab es grundlegende Änderungen: Der Tod kam in die Welt, Krankheit, Leiden.
Wir müssen auch unterscheiden, zum Beispiel die Zeit des Gesetzes am Sinai, in der Gott von Israel Tieropfer forderte. Die heutige Zeit wird als Gnadenzeit beschrieben, in der keine Tieropfer mehr nötig sind.
Man kann nicht sagen: „In der Bibel steht, man muss ein Stier opfern für ein Brandopfer.“ Nein, heute nicht. Das war für die Zeit des Gesetzes, nicht für die Zeit der Gnade.
Diese Unterschiede müssen berücksichtigt werden, sonst entsteht Chaos. Es ist unglaublich, was man erlebt, wenn Menschen diese Unterscheidungen nicht machen.
Interessanterweise lässt sich die gesamte biblische Geschichte in sieben heilsgeschichtliche Zeitalter einteilen. Jedes beginnt mit einem Bund, den Gott mit Menschen schließt, verbunden mit Segen. Durch die Untreue der Menschen geht es abwärts, bis es so schlimm wird, dass das, was mit Segen begann, mit Fluch endet und Gott richtet.
Dann beginnt ein neues Zeitalter mit einem neuen Bund, aber wieder geht es abwärts, bis es mit Fluch endet und Gott richtet. Das wiederholt sich konsequent siebenmal durch die ganze Bibel.
Das steht nicht auf den ersten Seiten. Man muss es selbst entdecken. Die Bibel geht auf wie ein Puzzle.
Man muss auch die heutige Zeit vom tausendjährigen Reich unterscheiden. Das tausendjährige Friedensreich ist eine zukünftige Zeit, in der Gott sofort eingreifen und das Böse richten wird.
Heute leben wir in einer Zeit, in der Menschen sich fragen: Warum greift Gott nicht ein? Warum bestraft er nicht? Warum können gottlose, gesetzlose Menschen leben und es geht ihnen gut – sie haben einen dicken Bauch, weil sie zu viel essen –, während andere, gerechte und gottesfürchtige Menschen leiden?
Wir leben in einer Zeit, in der Gott noch keine direkte Regierung hat. Im tausendjährigen Reich aber, so beschreibt es die Bibel, wird Gott sofort eingreifen.
Viele Bibelstellen, die sich auf das tausendjährige Reich beziehen, führen zu Chaos, wenn man sie auf die heutige Zeit bezieht.
Das sind wichtige Dinge.
Jetzt machen wir einen kurzen Unterbruch. Ich merke, da beginnen schon einige Köpfe zu rauchen. Damit Sie sitzenbleiben können, spiele ich Ihnen einfach eine Geschichte vor.
Vielen Dank an Roger Liebi, dass wir seine Ressourcen hier zur Verfügung stellen dürfen!
Noch mehr Inhalte von Roger Liebi gibt es auf seiner Webseite unter rogerliebi.ch