Rückblick und thematische Einordnung
Dann lade ich euch ein, wieder mit mir den ersten Timotheusbrief aufzuschlagen. Beim letzten Mal haben wir uns insbesondere mit den Witwen und dem Amt der Witwen in der Gemeinde beschäftigt. Das finden wir im fünften Kapitel, und wir sind bis Vers sechzehn gekommen.
Es ging darum, dass nicht alle Witwen gleichermaßen betrachtet werden. Natürlich sollten alle Hilfsbedürftigen in der Gemeinde Unterstützung erhalten. Doch es gibt Frauen, die aufgrund besonderer geistlicher Qualifikation eine besondere Unterstützung in der Gemeinde genießen und ein spezielles Amt ausfüllen.
Nun lesen wir weiter. Im nächsten Abschnitt geht es wieder um die Ältesten. In den Kapiteln, die wir bisher gelesen haben, behandelt Paulus immer noch das Thema Ordnung und Amt in der Gemeinde. Zuerst waren es die Witwen, jetzt wendet er sich wieder den Ältesten zu.
Die Wertschätzung der Ältesten in der Gemeinde
Und da lese ich den Abschnitt 1. Timotheus 5,17-22. Die Ältesten, die gut vorstehen, sollen doppelten Ehrwert erhalten, besonders diejenigen, die im Wort und in der Lehre arbeiten. Denn die Schrift sagt: Du sollst dem Ochsen nicht das Maul verbinden, wenn er drischt, und der Arbeiter ist seines Lohnes wert.
Gegen einen Ältesten nimm keine Klage an, außer aufgrund von zwei oder drei Zeugen. Die, welche sündigen, sollen weise zurechtgewiesen werden, vor allem damit sich auch die anderen fürchten.
Ich mahne dich ernstlich vor Gott und dem Herrn Jesus Christus und den auserwählten Engeln, dass du dies ohne Vorurteil befolgst und nichts aus Zuneigung tust. Der Herr lege niemandem schnell die Hände auf. Mach dich auch nicht fremder Sünden teilhaftig und bewahre dich selbst rein.
Also hier noch einmal ein paar Anweisungen, was den Umgang mit den Ältesten in der Gemeinde betrifft. Die Ältesten, die gut vorstehen – hier geht es um Älteste, aber scheinbar nicht um alle. Paulus macht da gewisse Unterscheidungen. Und das wissen wir auch: Nur weil jemand Ältester ist, macht er seine Arbeit nicht automatisch gut, nur weil er in dem Amt ist.
Wenn hier erwähnt wird, dass diese besonders geehrt werden sollen in der Gemeinde, dann sind damit die gemeint, die ihre Arbeit gut tun. Das setzt voraus, dass es scheinbar auch Älteste gibt, die ihre Aufgabe nicht gut erfüllen.
Der Hinweis auf die Ehre hat einerseits mit Anerkennung und Achtung zu tun. Das bestimmt auch den direkten Umgang und das Hören auf das, was sie sagen. Aber diese Ehre beinhaltet genauso wie bei den Witwen auch die Möglichkeit einer finanziellen Unterstützung.
Die finanzielle Unterstützung der Ältesten
Das sehen wir insbesondere in dem folgenden Vers 18, denn dort werden zwei Zitate aus dem Alten Testament genannt, die genau in diese Richtung weisen. Älteste können also auch finanziell unterstützt werden.
Wir müssen uns das so vorstellen: Ein Ältester in der Gemeinde setzt sich ganz intensiv ein und verbringt viel Zeit für die Gemeinde. Paulus argumentiert, dass dieser Älteste für die Zeit, in der er nicht mehr seiner Erwerbstätigkeit nachgehen kann, entschädigt werden soll. So kann er seine Aufgabe gut erfüllen, ohne persönlichen Nachteil für seine eigene Familie zu erleiden.
Es wird außerdem das Prinzip der doppelten Ehre erwähnt, besonders für diejenigen, die in Wort und Lehre arbeiten. Wenn hier „besonders die“ steht, bedeutet das offenbar, dass nicht alle Ältesten gleichermaßen intensiv in Wort und Lehre eingebunden sind. Das wird auch deutlich bei den Qualifikationen der Ältesten und in dem, was zwischendurch beschrieben worden ist. Wort und Lehre sind zwei Hauptaufgaben der Ältesten.
Wenn hier „Wort“ steht, ist damit nicht zuerst das Wort Gottes im Allgemeinen gemeint, sondern vor allem die Verkündigung. Man spricht ja manchmal von Wortverkündigung, also von der Predigt. Predigt meint hier insbesondere auch die Seelsorge, die von den Ältesten an den Menschen ausgeübt wird. Eine Predigt ist nicht nur eine Erklärung des Wortes Gottes, sondern soll immer auch einen Appell, eine Aufforderung, eine Zurechtweisung oder etwas Mutmachendes enthalten. Sie soll das praktisch und anschaulich machen.
Ein bloßer theologischer Vortrag wäre etwas anderes. Eine Predigt soll mehr sein als ein theologischer Vortrag. Deshalb meint „Wort“ hier diese seelsorgerliche Zuwendung in der Predigt.
Wenn danach „in der Lehre“ steht, ist damit mehr die systematische Unterweisung gemeint. Diese kann im Gottesdienst stattfinden, aber auch in speziellen Schulungen, Gesprächen, Hauskreisen oder Bibelstunden. Also einerseits stärker das seelsorgerlich Orientierte und andererseits stärker die systematische, erklärende Bibellehre.
Die Ältesten, die besonders viel Zeit in diese Aufgaben investieren, zum Wohl der Gemeinde und ihrer Aufgabe, und deshalb ihrer Berufstätigkeit nicht mehr voll nachgehen können, sollen nach dieser Argumentation auch finanziell unterstützt werden.
Die biblische Grundlage für die Unterstützung
Das ist in Vers 18, wo zwei Zitate aus dem Alten Testament vorkommen: „Du sollst dem Ochsen nicht das Maul verbinden, wenn er drischt.“
Eingeleitet wird das Ganze mit der Aussage: „Denn die Schrift sagt...“ Diese Formulierungen finden wir bei Paulus mehrfach. Sie drücken gleichzeitig die Autorität aus, die Paulus an dieser Stelle dem Alten Testament zuschreibt. Sehr wahrscheinlich bezieht er sich dabei aber nicht nur auf das Alte Testament. Denn die hier genannte Stelle aus 5. Mose 25,4 wird auch von Jesus aufgegriffen, und zwar in Lukas 10,7. Jesus deutet sie in einem anderen Sinn, so wie sie hier gemeint ist.
Im Alten Testament ist diese Vorschrift zunächst eine Tierschutzregelung. Sie ist wortwörtlich zu verstehen: Wenn du ein Tier zum Arbeiten einspannst, musst du es auch füttern. Das Alte Testament ist in vielen Dingen sehr anschaulich, praktisch und konkret – so auch an dieser Stelle.
Jesus nimmt dieses alttestamentliche Wort in Lukas 10,7 auf und wendet es auf diejenigen an, die im Dienst für Gott stehen. Diese sollen ebenfalls eine angemessene Entlohnung erhalten. Im selben Sinn nennt Paulus das hier auch. Dass er das nicht im rein tierischen Sinn meint, wird deutlich, da es hier um Älteste geht und nicht um Landwirtschaft.
Das wird auch durch das zweite Zitat klar, das er anhängt: „Der Arbeiter ist seines Lohnes wert.“ Hier sehen wir deutlich, dass es nicht um Tiere, sondern um Menschen geht. Auch dieses Zitat stammt von Jesus, zum Beispiel aus Matthäus 10,10. Paulus stellt diese Aussagen auf eine Stufe. Wenn von der Schrift die Rede ist, hebt er das Alte Testament als Autorität hervor, aber auch schon die Aussagen Jesu, wie wir sie in den Evangelien lesen – einmal in Matthäus, einmal in Lukas.
Für Paulus gelten diese als Schrift und damit als Autorität, nach der man sich richten muss.
Wie gesagt, die zweite Aussage macht es deutlich: Wenn man es missverstehen wollte, könnte man daraus natürlich eine Art „Vers für die Gewerkschaften“ machen. „Der Arbeiter ist seines Lohnes wert“ – und man könnte fragen, wie viel dieser Wert denn sei. Das ist hiermit aber nicht gemeint. Es geht um geistlichen Dienst und nicht um eine Auseinandersetzung über Lohnerhöhungen.
„Arbeiter“ meint hier im wörtlichen Sinne zunächst den normalen Arbeiter, aber im engeren Sinn den Arbeiter im Reich Gottes. Das sind Älteste, die ihre Aufgabe gut erfüllen – insbesondere diejenigen, die in der Predigt und Lehre tätig sind. Diese können auch eine finanzielle Unterstützung erhalten.
Das ist das erste Thema, das Paulus hier noch zu den Ältesten nachschiebt.
Umgang mit Anklagen gegen Älteste
Das zweite Thema betrifft den Umgang mit Ältesten, insbesondere in Bezug auf echte oder nur vorgebliche Anklagen. Zunächst wird darauf hingewiesen, dass gegen einen Ältesten keine Klage angenommen werden soll. Wenn man nur diesen ersten Teil liest, könnte der Eindruck entstehen, Älteste könnten tun und lassen, was sie wollen. Sie seien unhinterfragbar, und wenn jemand einmal als Ältester etabliert ist, könne ihn nichts mehr von seinem Thron stoßen.
Diese Sichtweise ist natürlich etwas einseitig dargestellt und entspricht nicht dem, was Paulus tatsächlich will. Er hat vielmehr im Blick, dass es in der Gemeinde wahrscheinlich immer stärkere Kritik an den Leitungsmitgliedern geben wird als an den normalen Gemeindegliedern. Die Frage, warum das so ist, lässt sich relativ einfach beantworten: Älteste müssen, wenn sie ihre Aufgaben ernst nehmen, ab und zu auch unangenehme Dinge ansprechen.
In der Gemeinde besteht immer die Gefahr, dass man nicht sehr erfreut ist, wenn einem etwas Unangenehmes gesagt wird. Ich weiß nicht, wie es anderen dabei geht; mir ergeht es meistens so, dass ich nicht sofort dankbar bin, wenn jemand zu mir kommt und sagt: „Michael, das hast du vollkommen falsch gemacht.“ Ich falle demjenigen nicht um den Hals und sage: „Danke, dass du mir das sagst, ich habe schon immer darauf gewartet.“ Stattdessen denke ich zunächst emotional: Hat er Recht? Was fällt ihm ein? Stimmt das überhaupt? Oder ich suche nach Rechtfertigungen.
Ich sage das nur für den ersten Moment, denn es wäre falsch, dabei zu bleiben. Das Traurige ist ja, dass manchmal diejenigen, die uns solche Dinge sagen, sogar Recht haben. Wären die anderen immer nur die Bösen, wäre die Sache einfach: Dann könnten wir die Ohren verschließen und sagen, das stimmt alles nicht. Aber manchmal haben die anderen tatsächlich Recht, besonders die, die uns gut kennen. Das ist ja in der Gemeinde der Fall, und auch in der Familie.
Wenn ich etwas falsch mache, ist die Person, die mir das am häufigsten sagt, meine Frau. Das ist klar, weil sie mich am besten kennt und wir am meisten miteinander zu tun haben. Solche Dinge sind nicht immer angenehm. In der Gemeinde sollen Älteste auch eine solche Funktion haben: Sie sollen auf Menschen zugehen und sie auf Fehler aufmerksam machen. Das führt natürlich dazu, dass sie nicht von allen gerne gemocht werden.
Manchmal müssen Älteste auch unangenehme Entscheidungen für die Gesamtgemeinde treffen, mit denen man eventuell nicht einverstanden ist. Deshalb werden in der Gemeinde schnell Vorwürfe gegen die Ältesten laut. Aus diesem Grund gibt es den Hinweis: Gegen einen Ältesten nimm keine Klage an – außer aufgrund von zwei oder drei Zeugen.
Diese Regel soll sicherstellen, dass eine Anklage wirklich begründet ist. Der Älteste genießt einen gewissen Schutzraum und muss sich nicht mit jedem Vorwurf auseinandersetzen. Wenn es jedoch ernsthafte Anklagen gibt, weil der Älteste gesündigt oder sich falsch verhalten hat, und dies von mehreren Gemeindemitgliedern bestätigt wird, soll Timotheus dem nachgehen.
Denn, wie gesagt, ein Ältester ist in der Bibel nicht unantastbar. Er soll einen Schutzraum haben, damit er seine Aufgabe gut erfüllen kann, aber er ist nicht unantastbar. Kritik und Hinweise auf Sünde sind möglich und notwendig. Der Hinweis auf zwei oder drei Zeugen stammt aus dem Alten Testament, genauer aus dem fünften Buch Mose, Kapitel 19, Vers 15. Dort wird diese Regel als Maßstab für die Prozessordnung genannt.
Auch im Alten Testament erwartete man bei einer Verurteilung mindestens zwei oder drei Zeugen, weil man wusste, dass es immer wieder Menschen gibt, die lügen. Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei oder drei Personen unabhängig voneinander gleichzeitig lügen, ist deutlich geringer. Natürlich kann man auch hier von Bestechung oder Verschwörung ausgehen, aber generell galt im Alten Testament keine Verurteilung ohne zwei oder drei Zeugen.
Diese Regel wird von Jesus in Matthäus 18, Verse 15 bis 20 ebenfalls aufgegriffen. Sie gilt für die Korrektur, die in der christlichen Gemeinde stattfinden soll. Paulus stützt sich also einerseits auf das Alte Testament und andererseits auf die Aussage Jesu.
Wenn zwei oder drei Zeugen unabhängig voneinander sagen, dass ein Ältester zum Beispiel ungeduldig ist und das immer wieder vorkommt, dann soll man ihn ermahnen. Es steht hier nicht, dass er deshalb sofort sein Amt verliert. Ein Ältester kann Fehler machen. Wenn er diese bereut, wird ihm von Gott vergeben, und hoffentlich geht er dann weiter einen guten Weg für die Gemeinde.
Er soll jedoch durchaus kritisiert werden können. In Vers 20 wird noch näher erklärt: „Die, welche sündigen, weise zurecht vor allen.“ Das bedeutet, wenn ein Ältester gesündigt hat, wird die Anklage geprüft. Nach der Prüfung stellt man fest, ob er tatsächlich gesündigt und falsch gehandelt hat.
Es geht nicht darum, dass jemand eine andere Meinung hat als ich. Es wird nur kritisiert, wenn ein Vorwurf offensichtlich auf Sünde oder falsches Verhalten hinweist. Dann wird das geprüft. Wenn der Älteste überführt ist, soll er – und das ist eine Besonderheit bei Ältesten – öffentlich das eingestehen und bereuen.
Warum öffentlich? Weil das Amt des Ältesten in der Öffentlichkeit ausgeübt wird. So wie er öffentliche Ehre erhält, soll auch öffentlich auf sein Fehlverhalten aufmerksam gemacht werden. Wenn zwei oder drei Zeugen aus der Gemeinde vorhanden sind, ist das meistens ohnehin eine öffentliche Angelegenheit. Deshalb soll die Klärung ebenfalls öffentlich erfolgen.
Es geht hier nicht um Seelsorgegeheimnisse, denn bei diesen sind normalerweise keine zwei oder drei Zeugen dabei. Es geht um Dinge, die die Gemeinde betreffen, zum Beispiel falsche Lehre oder öffentliches Fehlverhalten. Dort soll Transparenz herrschen, und es soll nicht vertuscht werden.
Vielleicht erinnert man sich an die Situation, in der Paulus den Petrus zurechtweist, als er in Antiochien ist. Dort kommen einige aus Jerusalem, und sobald sie da sind, zieht sich Petrus von den Heidenchristen zurück und tut so, als hätte er nichts mit ihnen zu tun. Das war offensichtliche Heuchelei. Paulus macht ihn darauf aufmerksam, und es steht ebenfalls, dass Petrus öffentlich seinen Fehler eingestand und daraufhin sein Verhalten änderte.
Das ist nötig, weil es sich um eine Sünde handelte, die öffentlich geschah und die gesamte Gemeinde betraf. Deshalb heißt es: „Die, welche sündigen, weise zurecht vor allen, damit sich auch die anderen fürchten.“
Hier wird noch ein Zusatzargument eingefügt: Jeder soll sehen, dass Älteste mit demselben Maßstab gemessen werden wie alle anderen auch. Es gibt keine Sonderbehandlung.
Warnung vor Parteilichkeit und Vorurteilen
Ich ermahne dich ernstlich vor Gott, dem Herrn Jesus Christus und den auserwählten Engeln, dass du dies ohne Vorurteil befolgst und nichts aus Zuneigung tust.
Hier werden also zunächst Zeugen angerufen: Gott, Jesus Christus und die auserwählten Engel. Der Ausdruck „auserwählte Engel“ lädt zu Spekulationen ein. Bedeutet „auserwählt“ hier prädestiniert? Sind manche Engel bekehrt, andere nicht? Ganz eindeutig können wir das nicht sagen. Meine Deutung dieses Verses ist, dass mit den „auserwählten Engeln“ einfach diejenigen gemeint sind, die bei Gott sind.
Wir lesen an einzelnen Stellen, dass auch Dämonen früher einmal Engel waren, zum Beispiel der Teufel, der sich von Gott abgewandt hat. Diese sind nun nicht mehr die Auserwählten, sondern diejenigen, die gegen Gott kämpfen. Daher würde ich sagen, dass hier nicht von bekehrten Engeln die Rede ist, sondern von denen, die bei Gott geblieben sind – die, die sich nicht empört haben und nicht von ihm abgefallen sind. Diese sind hier als Zeugen aufgerufen.
Es wird betont, dass alle zuschauen und mit dabei sind. Nun wird auf eine besondere Gefahr aufmerksam gemacht, die vor allem leitende Personen betrifft. Leitende haben eine gewisse Macht und Autorität. Dadurch besteht immer die Gefahr, dass sie in der Gemeinde bestimmte Leute bevorzugen und Menschen ungleich behandeln. Sie können für den einen sympathisch sein, für den anderen hingegen ablehnend. So wartet man vielleicht nur darauf, dass jemand ein falsches Wort sagt, um ihn zu tadeln. Die Realität in Gemeinden sieht manchmal genau so aus.
Das wird vielleicht nicht offen gezeigt, aber die Betroffenen merken es oft. Zum Beispiel besucht ein Ältester oder Prediger nur bestimmte Leute regelmäßig und hat einen kleinen Freundeskreis von zwei, drei Personen. Andere werden kaum besucht. Bei dem einen werden Fehler eher übersehen, bei dem anderen genau darauf geachtet. Diese Hinweise zeigen, warum hier gesagt wird, dass man ohne Vorurteile und ohne Zuneigung handeln soll.
Mit „Zuneigung“ ist natürlich nicht gemeint, dass man die Leute in der Gemeinde nicht mögen soll. Im Gegenteil: Man soll Zuneigung haben. Aber diese Zuneigung darf nicht dazu führen, dass man Menschen ungleich behandelt. Wenn ein Ältester einen Fehler macht, soll dieser nicht einfach wegerklärt werden, während ein anderer Ältester für denselben Fehler öffentlich zurechtgewiesen wird. So soll es nicht sein.
Hier soll Unparteilichkeit in der Gemeinde herrschen. Das ist auch heute noch eine Herausforderung. Denn oft machen wir, egal auf welcher Ebene wir Verantwortung tragen, unterschwellig Unterschiede im Umgang mit Menschen. Ich kenne Beispiele, wo Menschen in der Gemeinde unangenehm wurden, vielleicht weil sie auf Missstände aufmerksam machten. Dann hat man nur darauf gewartet, dass die Gemeinde einen kleinen Fehler macht, um sich auf diese Personen zu stürzen und sie zu kritisieren. Irgendwann waren sie in der Gemeinde nicht mehr gern gesehen. Manche sind dann selbst gegangen, andere haben nahegelegt bekommen zu gehen.
Jeder Mensch, auch Älteste und Prediger, hat gewisse Sympathien. Die Gefahr besteht jedoch darin, dass sie zu stark nach diesen Sympathien handeln, wenn sie ihr Amt ausüben. Davor wird Timotheus gewarnt – und damit auch alle Ältesten als Leiter in der Gemeinde. Sie sollen in keinem Fall so handeln, denn sie stehen nicht als Privatpersonen da, sondern erfüllen ihr Amt im Auftrag Gottes. Und dort soll Gleichheit herrschen.
Wir können das heute gut nachvollziehen. Ähnliche Anforderungen stellt man beispielsweise an Richter vor Gericht. Ein Richter sollte Recht sprechen, unabhängig davon, ob ihm die Person sympathisch ist oder nicht. Er darf nicht sagen: „Weil du mit mir im Musikverein bist, ist deine Strafe für zu schnelles Fahren nur halb so hoch.“ Oder: „Weil du Fan des falschen Fußballvereins bist, zahlst du doppelt so viel.“ Das wäre illegal.
Genauso soll auch in der Gemeinde eine möglichst objektive und gerechte Behandlung gelten. Deshalb die eindringliche Aufforderung an die Leitenden: Passt besonders darauf auf!
Vorsicht bei der Einsetzung von Ältesten
Dann geht es auch noch ein bisschen weiter. Es kommt ein nächstes Thema, Vers 22: „Die Hände liegen niemandem schnell auf.“ Was ist damit gemeint?
Handauflegung gab es im Alten Testament an verschiedenen Stellen. So wurden beispielsweise manchmal den Opferthieren die Hände aufgelegt. Im 2. Mose 29,10 finden wir das. Manchmal wurden auch Königen oder Propheten, wenn sie in ihr Amt eingesetzt wurden, die Hände aufgelegt.
Im Neuen Testament haben wir ja schon oder jetzt in diesem Brief schon etwas von Handauflegung gelesen. Paulus schreibt zum Timotheus, dass er seine Gabe und seinen Auftrag unter Auflegung der Hände bekommen hat. Es gab also diese Handauflegung als Segenszeichen, auch als Zeichen der Einsetzung und des Bittes, dass Gott diesen Menschen in seinem Amt ausrüstet, ihn mit der Kraft und mit dem Heiligen Geist segnet.
Manchmal ist Handauflegung auch ein Zeichen der Identifikation, also: Wir gehören zusammen, ich identifiziere mich mit dir, ich stehe hinter dir. Das sollte auch ausgedrückt werden, wenn ein Prophet dem König die Hände aufgelegt hat. Hier gehören sie ja zusammen, natürlich mit dem Propheten als Sprecher Gottes an der Stelle.
Diese Identifikation wird noch stärker bei den Opfertieren. Ich habe ja gesagt, im 2. Mose 29,10 sollte der Hohepriester dem Tier die Hände auflegen, um die Sünde des Volkes auf das Tier zu übertragen. Hier ist eine Art Identifikation, eine Verbindung durch die Hände, eine Verbindung mit der Schuld, die da ist.
Natürlich ist das nur symbolisch, das ist ja klar. Denn durch den Tod eines Tieres kann keine Sünde vergeben werden. Das wäre ja eine billige Art und Weise, wie wir unsere Sünde loswerden könnten: Wir müssten nur irgendein herumgelaufenes Tier nehmen, schnell die Hand auflegen, und zack, hat das Tier die Schuld und wir sind frei. Das gibt es biblisch natürlich nicht. Symbolisch ist das an dieser Stelle klar.
Und hier steht: „Niemand lege die Hände auf.“ Was ist damit gemeint? Natürlich nicht die Länge der Zeremonie. Man könnte sagen, legt jemand zwei Stunden lang die Hände auf, dann ist das okay. Aber nur zwei Minuten sind zu wenig.
Mit „schnell“ ist hier also nicht die Dauer gemeint, sondern „vorschnell“. Das heißt: Bevor du dich nicht genau darüber informiert hast, ob diese Person auch die Qualifikation erfüllt, lege ihr nicht die Hände auf.
Hier handelt es sich wahrscheinlich um die Einsetzung eines Ältesten, denn vorher geht es ja auch um die Ältesten. Wenn du also jemanden in ein Amt einsetzt – einen Ältesten, einen Diakon oder eine Witwe – dann prüfe genau, damit nicht jemand zu vorschnell in das Amt kommt und du später zurückrudern oder die Person wieder aus dem Amt entfernen musst.
Das ist gerade in dem Zusammenhang wichtig, wo Beschwerden kommen. Es gibt ehrliche Beschwerden gegen die Leitung. Damit das nicht so häufig passiert, prüfe lieber vorher genau, ehe jemand in das Amt kommt.
Und wenn dann steht: „Mach dich nicht fremder Sündeteil haftig“, dann ist genau das gemeint. Du hast jemanden eingesetzt, oder der Älteste hat jemand anderen eingesetzt, und hat vorher nicht genau geprüft. Dann kann es sein, dass er moralisch mitschuldig daran ist, dass diese Person in ihrem Amt Fehler macht. Er hätte es vorher wissen können, wenn er genau hingeschaut hätte.
Das wird auch gleich noch ein bisschen weiter beschrieben. Ich überspringe mal Vers 23, dann geht es nämlich noch weiter: „Die Sünde mancher Menschen ist allen offenbar und kommt vorher ins Gericht.“
Erkennbarkeit von Sünde und guten Werken
Paulus bezieht sich hier sehr wahrscheinlich weiterhin auf die Ältesten, die geprüft werden, bevor sie Älteste werden, oder auch auf andere Gemeindemitarbeiter. Der Gedanke in Vers 23, dass Paulus nur spontan gekommen sei, wird unterbrochen, bevor er wieder zu seinem Thema zurückkehrt: Die Sünde mancher Menschen ist allen offenbar und sie kommen vorher ins Gericht.
Dabei ist hier nicht ein himmlisches Gericht gemeint, sondern eine irdische Bewertung von Menschen. Sehr wahrscheinlich ist damit eine Art Gemeindegericht gemeint. In der Gemeinde sind manche Sünden von Menschen offensichtlich. Zum Beispiel gibt es jemanden, der in der Gemeinde andauernd flucht – das kann man schlecht verbergen. Natürlich gibt es auch Menschen, die das nur zu Hause tun und nicht in der Gemeinde, das ist auch möglich.
Oder jemand ist ein Ehebrecher; das wird meistens ziemlich schnell deutlich. Es gibt also bestimmte Sünden, die sehr auffällig sind. Dabei besteht wenig Gefahr, dass diese Personen in das Amt eines Ältesten gelangen. Es heißt: Die Sünde mancher Menschen ist allen offenbar und sie kommen vorher ins Gericht, also bevor sie eingesetzt werden.
Manche Sünden erkennt man jedoch erst, wenn die Betroffenen im Amt sind. Zum Beispiel Menschen, die zu Machtmissbrauch neigen. Das merkt man erst, wenn sie Macht haben. Solange jemand keine Macht hat, ist er oft lieb und nett.
Man kann sich zum Beispiel an den Nationalsozialismus erinnern. Dort gab es grausame Menschen, manchmal auch Frauen, die in Konzentrationslagern andere gefoltert haben. Wären diese Menschen nie in die Situation eines Konzentrationslagers gekommen, hätten sie vielleicht nur zu Hause gemeckert, aber niemals jemanden gefoltert.
Dass das Böse in manchen Menschen steckt, zeigte sich auch bei den Auseinandersetzungen in Ruanda. Innerhalb von wenigen Wochen wurden dort Millionen Menschen ermordet – oder zumindest Hunderttausende – von Menschen, die zuvor friedlich nebeneinander lebten.
Ähnlich war es im Kosovo, wo sich plötzlich Serben und Kroaten gegenseitig umbrachten, obwohl sie jahrzehntelang nebeneinander gewohnt hatten. Das Böse war also in den Menschen, aber erst durch die neue Situation kam es zum Vorschein.
Genau das wird hier gesagt: Manche Sünden sind offensichtlich und können geprüft werden. Dann kann man sagen: „Nein, du wirst kein Ältester.“ Aber bei anderen Sünden erkennt man sie vorher nicht. Sie kommen erst ans Licht, wenn die Betroffenen im Dienst sind.
Dann muss man Beschwerden nachgehen und gegebenenfalls gegen die Ältesten vorgehen – aber nur, wenn es wirklich nötig ist.
Umgekehrt heißt es auch, dass die guten Werke allen offenbar sind. Die, bei denen das nicht so ist, können auch nicht verborgen bleiben. Paulus spricht hier also sowohl vom Bösen als auch von den guten Werken, die Menschen tun.
Zum Beispiel jemand, der gastfreundlich ist – das weiß jeder. Egal wann und wo man hinkommt, diese Person hat immer eine offene Tür. Andere positive Eigenschaften zeigen sich erst im Dienst, ebenso wie die guten Werke.
Paulus will hier nicht nur das Negative betrachten, denn das wäre ein falscher Blickwinkel für die Ältesten. Für die zukünftigen Ältesten gilt: Manche haben ihre Stärken, die jeder sieht, und dann sagt man: „Ah, die müssen Älteste werden.“
Umgekehrt gibt es auch Menschen, deren Stärken verborgen sind. Manchmal muss man sie etwas mehr fördern und unterstützen, damit sie ins Amt kommen und sich dort bewähren.
Er macht darauf aufmerksam, dass man nach Möglichkeit alles Sichtbare prüfen soll. Aber man wird nie alles prüfen können, denn manche Dinge werden erst deutlich, wenn die Menschen im Amt sind. Das will Paulus hier noch einmal betonen, besonders in Bezug auf die Ältesten.
Persönliche Hinweise an Timotheus zur Gesundheit
Zwischen den Anweisungen, die Paulus in Bezug auf die Ältesten gibt, findet sich ein für uns etwas interpretationsbedürftiger Satz: „Trink nicht mehr nur Wasser, sondern gebrauche ein wenig Wein um deines Magens willen und wegen deines häufigen Unwohlseins.“
Das ist eigentlich nur eine Randbemerkung. Sie betrifft auch ganz persönlich Timotheus. Trotzdem finde ich sie spannend. Nicht nur wegen des Weins, sondern vor allem wegen einer anderen Sache: der scheinbaren Erkrankung, die Timotheus hat.
Hier zeigt sich ganz deutlich, dass die ersten Christen nicht immer gesund waren. Vielleicht sagen manche von euch das ja selbstverständlich. Aber ihr wisst wahrscheinlich, dass es auch Christen gibt, die sagen: „Wenn du nur genügend glaubst und fromm genug bist, dann bist du immer gesund.“
Doch hier haben wir ein Beispiel dagegen. Es gibt auch andere in der Bibel, die Jesus nachgefolgt sind und Vorbilder im Glauben waren. Aber an keiner Stelle kommt Paulus, Petrus oder jemand anderes auf die Idee, Timotheus zu sagen: „Du glaubst zu wenig.“ Denn hier ist klar: Wenn nur der Glaube fehlen würde, bräuchte Timotheus keinen Wein trinken.
Vielmehr geht es hier scheinbar um ein körperliches Leiden. Möglicherweise haben sie auch schon dafür gebetet. Auf jeden Fall nennt Paulus hier keine geistliche Vorgehensweise, sondern sagt: Bei dieser Art von Magenproblem ist es am besten, ein bisschen Wein zu trinken.
Das heißt, auch wenn du unter körperlichen Krankheiten leidest, solltest du erst einmal die Möglichkeiten nutzen, die du selbst hast. In vielen Fällen ist das ganz normal irdisch, weil wir einen Körper haben, der manchmal seine Macken hat. Dann muss man lernen, damit umzugehen.
Gott greift nicht immer ein. Er wird uns auch, wenn wir Christen sind, nicht jedes Leiden ersparen. Ich spreche hier nicht zu Leuten, die erst 15 sind und vielleicht noch denken, sie würden ewig gesund bleiben. Ich spreche zu Leuten, die das wahrscheinlich schon einmal erfahren haben und sagen können: „Ja, Gott mutet das zu.“ Und er hat meistens auch eine positive Absicht damit. Vielleicht sogar immer, nur erkennen wir sie nicht immer.
Wenn Gott das zumutet, will er sich manchmal dadurch groß machen, indem er uns Kraft gibt – und nicht, indem er die Krankheit wegnimmt.
Fragen zur Einsetzung und Kontrolle der Ältesten
Ich frage hier: Ich setze ja den Paulusschein als Ältester ein oder jemand von außen, wie zum Beispiel Timotheus. Aber wenn jetzt eine Gemeinde entsteht und es zwar Prediger und Brüder gibt, leider aber noch keine Ältesten, wer setzt dann die Ältesten ein? Und wenn man älter ist, ist man dann praktisch unantastbar als Ältester? Nun gut, wenn die Ältesten dann ihre Sünde bekennen, sind sie wieder „älter“ – können sie dann praktisch machen, was sie wollen, oder wie?
Es sind jetzt mehrere Fragen, die du gestellt hast. Also die eine wäre erst einmal: Wer setzt die Ältesten ein? Hier soll Timotheus beauftragt werden, das zu tun. Im Normalfall sollte es so sein, dass die Ältesten selbst dafür sorgen, dass Nachfolger von ihnen in ihr Amt eingesetzt werden, von ihnen selbst, also von den Leitern der Gemeinde, weil diese ja die höchste Autorität sind. Es gibt ja keine höhere Autorität in der einzelnen Gemeinde. Hierdurch will Gott wirken, das hat er gesagt. Natürlich besteht die Gefahr, dass sie auch Fehler machen, denn sie sind Menschen. Das kommt ja auch immer wieder vor. Deshalb sind die Ältesten eben nicht unhinterfragbar.
Es wird darauf hingewiesen, dass sie, wenn sie einen Fehler machen, diesen eingestehen und um Vergebung bitten sollen. Tatsächlich ist es dann so, dass sie nicht generell aus dem Amt entfernt werden. Es ist natürlich eine Frage, welche Sünde begangen wurde, das ist klar. Zum Beispiel Sünden, die sie von ihrem Dienst disqualifizieren. Da können sie nicht immer wieder sagen: „Tut mir leid, tut mir leid.“ Nehmen wir mal an, was ja wahrscheinlich am wenigsten in unseren Kreisen vorkommt, jemand ist ein regelmäßiger Trinker, ein Alkoholiker. Und dann hat er sich am Wochenende wieder voll getrunken und kommt betrunken in den Gottesdienst. Dann sagt man: „Das geht aber nicht, du musst bereuen.“ Er steht dann nach vorn und sagt: „Ja, tut mir leid“, und nächste Woche passiert das wieder.
Dann wäre klar: Wenn er um Vergebung bittet, vergibt Gott natürlich ernsthaft, aber dieser Älteste hat sich disqualifiziert. Das heißt, er müsste aus dem Ältestenamt entfernt werden, durch die anderen Ältesten. Deshalb sind im Neuen Testament Älteste immer in der Mehrzahl genannt. Es gibt in der Gemeinde nie nur den einen Ältesten, sondern immer mehrere. Diese Ältesten sollen gegenseitig aufeinander achten, und im Normalfall funktioniert das auch.
Es funktioniert nicht, wenn ein Ältester sehr ungeistlich ist und seine Position als Machtposition benutzt. Wenn er dann noch klug genug ist, die anderen Ältesten rauszukicken und hinterher nur noch Ja-Sager um sich hat, die tun, was er will. So etwas gibt es natürlich auch. In solch einem Fall ist es sehr schwierig, denn die gesamte Leitung ist so sehr in Sünde verstrickt, dass es keine Instanz in der Gemeinde gibt, die das grundsätzlich aufheben könnte.
Was könnte man machen? Man könnte sagen: „Machen wir eine Gemeinderevolution.“ Aber wer gibt den einzelnen Leuten der Gemeinde die Macht und das Recht, das zu tun? Denn wenn man dieses Recht gäbe, könnte es ja auch sein, dass die Gemeinde in Fällen, in denen die Ältesten Recht haben, sagt: „Das machen wir nicht.“ Also hier ist es schwierig.
Ich glaube schon, dass es möglich ist, wenn die Sünde offensichtlich ist – sagen wir, mehrere Älteste sind betroffen – und man nach längeren Gesprächen, denn auch der einfache Gläubige hat ja die Möglichkeit, den Ältesten anzusprechen, nach dem Motto, was Jesus sagt: „Wenn du deinen Bruder sündigen siehst, geh hin.“ Der Älteste ist ja auch ein Bruder. Dann kann man hingehen und ihn mahnen. Dann nimmt man zwei oder drei mit und bringt die Sache vor die Gemeinde.
Insofern glaube ich, wenn es wirklich begründet ist, ist es auch möglich, die Sache vor der ganzen Gemeinde anzusprechen. Aber man sollte sehr vorsichtig mit dieser Vorgehensweise sein und sich sicher sein, dass es nicht nur persönliche Streitlust oder Ähnliches ist, sondern eine ernsthafte Sache. Ich denke immer: Erst nach längerem Gebet und dem Ausschöpfen anderer Möglichkeiten sollte man diesen Weg gehen.
Letztendlich wäre es auch möglich, dass die gesamte Gemeinde die Ältesten absetzt. Das ist dann aber ein Sonderfall, der nicht direkt besprochen wird, sondern nur angedeutet durch die Ermahnung an jeden Christen. Im Normalfall ist es so, dass die Ältesten untereinander diese Korrektur üben sollen. Sie sollen nicht nur gut befreundet sein und sich gut verstehen, sondern auch kritisch bleiben. Paulus sagt ja gerade vorher: „Kein Ansehen der Person.“
In meinem Buch über Calvin findet sich der Hinweis, dass er versucht hat, das ziemlich gut durchzuhalten. Selbst Leute, mit denen er eng befreundet war, hat er unter Gemeindezucht gestellt, wenn es nötig war. Das fiel ihm sicherlich nicht leicht, soweit wir aus seinen Schriften lesen, aber er hat es getan, damit vor der Gemeinde nicht der Eindruck entsteht, es gäbe eine Bevorzugung für seine Freunde. Das wäre sehr naheliegend sonst – und das war nicht so. Das hat einigen seiner Freunde auch missfallen. Sie hatten gehofft, eine Sonderbehandlung zu bekommen, und waren beleidigt, dass sie sie nicht erhielten.
Er selbst hat sich auch unter Gemeindezucht gestellt. Er sagte, einmal im Jahr sollen die Ältesten auch zu ihm kommen, dann werden Gespräche mit ihm geführt, und wenn nötig, sollen sie ihn zurechtweisen. So war die Absicht dabei. So soll es im Idealfall laufen, und im Idealfall eben auch, dass die Ältesten eingesetzt werden.
Wenn jetzt keine Ältesten da sind, gibt es heute keinen Timotheus und keinen Paulus, die herumziehen und das machen. Dann wäre es in einer ersten Phase wahrscheinlich am naheliegendsten, dass Personen, die in einer Gruppe, die neu entsteht, eine Leitungsaufgabe übernehmen. Es sind ja keine Ältesten, sagen wir mal, es gibt vielleicht einen Hauskreis, vielleicht Missionare.
Wenn Missionare dabei sind, dann arbeitet der Missionar darauf hin, dass, wenn die Gruppe groß genug ist – solange nur zwei oder drei Leute da sind, ist es ja unsinnig, Älteste zu wählen – aber wenn es eine größere, etablierte Gruppe ist, in der nicht nur Neulinge sind (denn Neulinge sollen ja nicht gewählt werden), dann bereitet der Missionar, der sonst ersatzweise wie Paulus früher die Verantwortung trägt, die Gemeinde darauf vor, dass Älteste bestimmt werden sollten.
An dieser Stelle kann ich mir vorstellen, dass die ganze Gemeinde einbezogen wird, weil es ja diese Ältesten, die Autorität ausüben, noch nicht gibt. Wie tut sie das? Ich glaube nicht durch Wahl, sondern ich halte im Moment den besten Weg für den, dass nach intensivem Bibelstudium, das mit der Gemeinde durchgeführt wird, für jeden Kandidaten ein Zettel herumgegeben wird, auf dem die Qualifikationen stehen.
Dann kann jedes Gemeindeglied eintragen, ob es meint, dass diese Person diese Qualifikation hat, möglichst detailliert. Zum Beispiel: Ist der Kandidat gastfreundlich? Dann sollte jedes Gemeindeglied mit „Ja“ oder „Nein“ antworten. Das soll natürlich am besten anonym geschehen, damit keine Streitpunkte entstehen, aber so, dass jeder zu seiner Meinung stehen muss.
Ich halte diesen Weg für besser, als nur abzustimmen, ob man für oder gegen jemanden ist, denn dann wird man nicht gezwungen, genau zu begründen, warum man „Ja“ oder „Nein“ sagt. Das führt häufig zu ungeistlichem Verhalten, nämlich dass man den wählt, den man mag, und den anderen nicht. Hingegen, wenn man nicht gefragt wird, ob man jemanden wählt, sondern ob er die Eigenschaften hat, wird man eher zu Objektivität gezwungen oder zumindest gedrängt.
Das wäre eine Vorgehensweise, die ich in solchem Fall vorschlagen würde.
Also gut, das war jetzt bei den Ältesten. Ach ja, bei dem Wein waren wir stehen geblieben, bei Timotheus und dem Wein.
Einmal können wir daraus lesen und lernen, dass Christen nicht immer gesund sein müssen, auch vorbildliche Gläubige nicht. Wir ziehen daraus auch, dass bei Krankheit nicht immer starker Glaube hilft. Dabei wird Glaube manchmal als Einbildung missinterpretiert oder als starke Selbstsuggestion.
Wenn ich mir möglichst häufig sage: „Ich bin gesund, ich bin gesund, ich bin gesund“, werde ich es auch – das ist unbiblisch, das ist Magie, das hat mit Glauben nichts zu tun. Dass Timotheus hier nicht daran glaubte, dass Gott ihn gesund machen kann, lesen wir an keiner Stelle. Aber scheinbar hat Gott hier auch nach längerem Leiden nicht eingegriffen und auch nach Gebet nicht. Dann sagt er: „Na ja, dann nimm doch ein bisschen Wein.“
Mit dem Wein müssen wir natürlich vor Augen haben, dass Weintrinken an sich in der Antike – so wie heute noch in weiten Teilen des Mittelmeerraums – relativ weit verbreitet war. Man hat den Wein allerdings meistens verdünnt getrunken, und zwar zu den meisten Mahlzeiten.
Warum hat man Wein getrunken und verdünnt? Das hängt einfach damit zusammen, dass Wein, weil er Alkohol enthält, eine gewisse desinfizierende Wirkung hat. Alle möglichen Keime und Verunreinigungen, die sonst im normalen Wasser drin sind, wurden so ein Stück weit neutralisiert. Das ist einer der Gründe, die man damals hatte. Wahrscheinlich auch, weil es den Leuten schmeckte, und so spielte auch die Beigabe eine Rolle. Aber man hat es nicht getan, um sich zu betrinken.
Ich bin mit einer Französin verheiratet, das habe ich euch ja schon mehrfach gesagt. Wenn wir dann irgendwo bei Verwandten in Frankreich sind, gibt es bei jedem Essen Wein, meistens Rotwein. Das ist ganz normal. Die Leute würden es als komisch empfinden, wenn man keinen Wein ausschenkt. Das ist in Deutschland nicht überall der Fall, wobei ich mir sagen lassen habe, dass es in manchen Teilen Süddeutschlands etwas stärker verbreitet ist als in Norddeutschland. Da unterscheidet sich das also ein bisschen.
Früher gab es eine Beobachtung, die ich von den Baptistengemeinden kenne – die Brüdergemeinden waren das, glaube ich, die süddeutschen Brüdergemeinden. Die hatten alle ihren Weinberg und tranken dann eben auch mal Wein. Deshalb war Alkohol in diesen Kreisen keine so wichtige Sache. Die Norddeutschen hatten das anders. In manchen Brüdergemeinden gab es Aschenbecher in der Gemeinde, weil die Norddeutschen häufiger rauchten, bis hin zur Zigarre. Dann traf man sich draußen und hatte Aschenbecher.
Man hat sich gegenseitig oft missverstanden. Die einen dachten, die anderen seien ungeistlich, weil sie Wein trinken, und die anderen dachten, die anderen seien ungeistlich, weil sie rauchen. Ich will hier nicht sagen, wer Recht hat oder Unrecht. Diese Sache werde ich heute Abend nicht klären. Aber ich glaube, heute ist das auch nicht mehr ganz so aktuell, diese Streitigkeit aus der Vergangenheit.
Auf jeden Fall wird hier mit dem Wein gesagt: Wein ist nicht prinzipiell verboten. Das, was verboten ist – und das wird ja mehrfach in dem Brief gesagt – ist der Missbrauch von Alkohol. Und der muss fein abgewogen werden. Es geht nicht darum, sich mit Alkohol zu vergnügen.
Warum, wenn es nun alltäglich war, dass Wein getrunken wurde, muss Timotheus dann speziell noch gesagt werden: „Trink Wein“? Dann würde er es ja sowieso tun. Das liegt wahrscheinlich daran, dass Timotheus entweder ein Versprechen abgelegt hat, keinen Wein zu trinken – so nach dem Vorbild der alttestamentlichen Naziräer, die solche Versprechen abgelegt hatten. Sie wollten Gott ein Versprechen halten für eine bestimmte Zeit oder das ganze Leben. Das war zum Teil, dass sie ihre Haare nicht schneiden oder bestimmte Sachen nicht essen und trinken, bis sie das Versprechen erfüllt hatten. Das wäre möglich.
Es wäre auch möglich, dass Timotheus als Vorbild für die gesamte Gemeinde, weil er wusste, dass viele Leute mit Alkohol nicht umgehen können, gar keinen Wein getrunken hat. Damit nicht die Leute hinterher sagen: „Du trinkst doch auch immer Bier beim Essen“, und das als Entschuldigung benutzen, um sich zu betrinken. Diese Radikalität ist bis heute manchmal durchaus angebracht.
Ihr kennt wahrscheinlich alle zumindest vom Namen her die Arbeit der Heilsarmee. Bis heute ist es so: Wenn du bei der Heilsarmee mitarbeiten oder Mitglied werden willst, musst du dich verpflichten, gar keinen Alkohol anzurühren, in keiner Form – weder in Pralinen noch sonst irgendwo.
Warum? Weil die Heilsarmee sehr stark mit Menschen arbeitet, die aus der Gosse kommen und in den meisten Fällen mit Alkohol nicht umgehen können, sondern ihn missbrauchen. Dem Gründer William Booth war vollkommen klar: Du kannst dem Alkoholiker nicht sagen: „Trink ein bisschen weniger.“ Sondern da geht es nur: „Trink gar nichts.“ Und wenn die Mitarbeiter trinken, geht das nicht. Also trinkt keiner.
Einige Missionsgesellschaften machen das auch, und das hat durchaus etwas für sich. Selbst in Deutschland ist es erschreckend zu hören, wenn Krankenkassen oder Gesundheitsvereinigungen darauf hinweisen, dass wahrscheinlich zehn Prozent der Bevölkerung alkoholabhängig sind. Ein Großteil davon würde das natürlich nie eingestehen.
Ich weiß nicht, ob ihr schon mal Alkoholiker getroffen habt. Solange sie ihr Leben noch geregelt bekommen, sagen sie immer: „Ich trinke ja nur, weil es mir schmeckt. Ich könnte jederzeit aufhören.“ Und da musst du sie nur fragen: „Ja, und warum hörst du nicht auf?“ – „Na ja, ich will ja nicht. Es schmeckt mir ja und ist auch nicht verboten.“ Das machen sie so lange, bis es allen anderen klar ist, nur ihnen selbst noch nicht. Dann trinken sie weiter. Schließlich, wenn sie ihren Job verlieren, verstehen sie nicht, warum das so ist, oder warum die Frau wegläuft. Irgendwann, nach langem Leiden, gestehen sie es sich ein und gehen zu einer Therapie. Aber die meisten, die Alkohol missbrauchen, merken das nicht, nur die anderen merken es.
Deshalb will ich sagen: Auch heute ist Alkoholismus ein Problem, selbst in Deutschland. Und wenn wir von Ländern hören wie Weißrussland, wo es noch viel mehr ist, wissen wir das auch aus der Erweckungszeit in Deutschland.
Ich habe eine Studie über das Erweckungsgebiet hier in der Umgebung, Lippe, angefertigt. Mitte des 19. Jahrhunderts, in den Vierzigerjahren, gab es eine große Erweckung. Dabei wurden zahlreiche Werke gegründet, unter anderem eben Ezer hier in Lemgo. Typisch für viele Orte, an denen Erweckung ausgebrochen ist, wurden sofort Abstinenzvereine gegründet. Das lag daran, dass Alkoholismus das große Problem war, mit dem die Leute zu kämpfen hatten.
Vor ein paar Jahren habe ich mal einen Bericht gelesen, ich glaube, es ist das Tagebuch von Finney, einem amerikanischen Erweckungsprediger. Er zog von Ort zu Ort und evangelisierte. Es ist begeisternd zu lesen, was Gott dort getan hat. An anderen Stellen ist es fast einschläfernd, weil er von einem Ort zum anderen zog und es überall hieß: „Er predigte, und die Leute bekehrten sich massenhaft.“
Nebenbei wird erwähnt, dass Kneipen geschlossen wurden. Er berichtet sogar von einer Demonstration der Kneipenwirte und Schnapsbrenner gegen Finney, damit er dort nicht auftritt. In dieser Zeit ist kaum vorstellbar, dass in ganzen Landstrichen in den USA alle Kneipen geschlossen wurden. Viele Kneipen wurden billig verkauft und anschließend als Kirchen genutzt. Das ist kein Einzelfall. Fast überall, wo Erweckung stattfand, gab es auch eine Sensibilität gegenüber Drogen oder Genussmitteln wie Alkohol.
Deshalb könnte es sein, dass Timotheus als Vorbild keinen Wein trank. Auf jeden Fall wird er hier aufgefordert, etwas Wein zu trinken, weil es für seine Gesundheit von Vorteil ist.
Soweit ich weiß, ist es bei Muslimen bis heute so, dass Alkohol verboten ist, weil es ein berauschendes Getränk ist – es sei denn, es ist gut für die Gesundheit. Ich weiß nicht, ob das aus dieser Stelle im ersten Timotheusbrief indirekt abzuleiten ist. Mohammed kannte das ja. Heute treffe ich viele Muslime, die sich genauso betrinken wie andere auch, aber offiziell ist Alkohol für sie verboten.
Also, das zu dem Trinken: Er soll Wein trinken, aus gesundheitlichen Gründen. Wahrscheinlich hat er es erst nicht getan, entweder wegen eines Schwurs vor Gott oder als Vorbild für die Gemeinde, damit andere nicht verführt werden.
Verhältnis von Knechten und Herren in der Gemeinde
Dann kommen wir jetzt noch kurz zum nächsten kleinen Abschnitt, es sind nur zwei Verse, und danach machen wir für heute Schluss: Kapitel sechs.
Diejenigen, die als Knechte unter dem Joch sind, sollen ihren eigenen Herrn als dem Herrn aller Ehre wert halten, damit nicht der Name Gottes und die Lehre verlästert werde. Die aber, welche gläubige Herren haben, sollen diese darum nicht geringschätzen, weil sie Brüder sind, sondern ihnen umso mehr liebend dienen, weil es Gläubige und Geliebte sind, die darauf bedacht sind, Gutes zu tun. Dies sollst du lehren und dazu ermahnen.
Hier geht er jetzt weg von den Ältesten und spricht eine andere Gruppe in der Gemeinde an. Diese Gruppe sind die Sklaven. Heute kennen wir keine Sklaverei mehr, aber in der Antike war sie relativ weit verbreitet. Dabei hatten Sklaven durchaus auch gewisse Rechte. Sie waren nicht nur diejenigen, die die Knochenarbeit verrichteten. In der Antike waren Sklaven manchmal Händler, die im Auftrag ihres Herrn handelten. Lehrer waren häufig Sklaven, Redner und sogar Politiker konnten Sklaven sein. Sie hatten also auch verantwortungsvolle Posten inne. Dennoch war es in der Gesellschaft klar, dass es Sklaverei gab.
An anderen Stellen der Bibel, zum Beispiel im Philemonbrief, geht es ebenfalls um Sklaverei. Dort wird der Sklave Onesimus erwähnt, der von seinem Herrn weggelaufen ist und von Paulus zurückgeschickt wird. Auch hier geht es um Sklaverei. An keiner Stelle im Neuen Testament wird Sklaverei prinzipiell verurteilt oder dazu aufgerufen, politisch gegen sie zu kämpfen.
Manche haben in früheren Jahrhunderten daraus den Schluss gezogen, Gott sei für Sklaverei. Das lässt sich jedoch nicht eindeutig sagen. Im Alten Testament gab es ebenfalls Sklaverei. Dort werden bestimmte Regeln genannt, wie man mit Sklaven umgehen soll. Es wird betont, dass sie Rechte haben, dass man sie nicht quälen, sondern versorgen muss und dass sie ihre Religion frei ausüben können.
Außerdem wird erwähnt, dass sie sich nach einer gewissen Zeit von Jahren befreien können. Dennoch wird Sklaverei im Alten Testament nicht generell verboten. Manche Sklaven hatten eher den Status von Angestellten, die versorgt und bezahlt wurden und eine gewisse Sicherheit genossen.
Hier ist von Leuten die Rede, die als Knechte unter dem Joch stehen. Das Wort "Knechte" meint eigentlich Sklaven, "dolos". Unter dem Joch zu stehen bedeutet, einer anderen Autorität unterworfen zu sein. Das Joch ist normalerweise das Gerät, das man Ochsen oder Pferden über die Schultern legt, damit sie etwas ziehen können. In der Antike war das ein bekanntes Bild und Symbol für Sklaverei.
Es wird gesagt, dass diese Sklaven eine besondere Last und Verantwortung tragen. Was sollen sie tun? Sie sollen ihren eigenen Herrn aller Ehre wert halten. Das "Ehre werthalten" haben wir schon mehrfach gehört. Es bedeutet, die Stellung eines anderen anzuerkennen und zu unterstützen.
Warum? Es gab damals einige Christen – wie auch in der gesamten Kirchengeschichte – die biblische Aussagen genutzt haben, um eine soziale Revolution anzuzetteln. Nach dem Motto: Jesus hat uns freigemacht, jetzt gelten auch die staatlichen Ordnungen nicht mehr.
Das war nicht nur hier so. Zur Zeit Luthers waren es zum Beispiel die Zwickauer Propheten mit Thomas Müntzer an der Spitze. Sie forderten, die gesamte Sozialstruktur zu verändern. Viele Bauern zogen los, zündeten die Schlösser der Adligen an und töteten Adlige im Namen Jesu. Sie sagten, vor Jesus seien alle gleich, deshalb müssten die Ungerechten beseitigt werden.
Auch einige Fromme, wie die Täufer in Münster, haben so gehandelt. Sie töteten Katholiken, weil sie diese für gottlos hielten, und hielten es für gerechtfertigt, sie abzusetzen und deren Besitz selbst einzunehmen. Wenn die nicht freiwillig gingen, wurden sie eingesperrt oder getötet.
Solche Bewegungen gab es immer wieder, bis in die neueste Zeit hinein, zum Beispiel in der Befreiungstheologie. Diese sagte, Gott habe eine Option für die Armen. Das stand wörtlich in Schriften von Leuten wie Leonardo Boff oder Gustavo Gutiérrez. Dort hieß es, wenn Bauern gegen die Reichen kämpfen und es keinen anderen Weg gibt, dürfen sie auch Waffengewalt einsetzen, weil sie im Recht sind.
Doch das steht so nicht in der Bibel. Der Staat gilt erst einmal als Autorität, auch wenn er Dinge tut, die Gott nicht gutheißt. Der damalige Staat sagte: Es gibt Sklaverei. Gott befreit dich geistlich, aber nicht von jeder staatlichen Ordnung.
Deshalb sind die Sklaven hier aufgefordert, ihre Aufgabe gut zu tun. Warum? Damit der Name Gottes und die Lehre nicht verlästert werde. Wie würde das geschehen? Gerade bei den Reichen und Besitzenden würde verlästert, wenn sie merken, dass Christen nur geworden sind, um nicht mehr Sklaven zu sein.
Das wäre der naheliegende Weg. So war es zum Beispiel im Süden Indiens. Viele Kastenlose wurden Christen, weil sie dadurch aus der Kastenordnung herausfielen. Das war gut gemeint, doch die Motivation, Christ zu werden, war nicht immer ehrlich. Deshalb waren es oft keine echten Christen, sondern eine Mischung aus Hinduismus und Christentum. Das soll nicht so sein.
Dann wird gesagt, die, die gläubige Herren haben, sollen diese nicht gering schätzen, weil sie Brüder sind, sondern ihnen umso mehr liebend dienen. Das ist ein wichtiger Gedanke, den wir auch auf heute übertragen können.
Wenn du heute einen Chef hast, der gläubig ist, denken manche Gläubige, weil ihr beide Gläubige seid, gibt er dir eine Vorzugsbehandlung. Vielleicht wirst du eher befördert oder bekommst leichtere Arbeit.
Hier wird das Gegenteil gesagt: Wenn der Herr gläubig ist, setze dich erst recht ein und mache deine Arbeit gut. Warum? Wenn du für einen ungläubigen Chef arbeitest, verwendet er den Gewinn vielleicht für ungöttliche Dinge. Hast du aber einen gläubigen Herrn, dann sorg dafür, dass sein Geschäft gut läuft. Denn alles, was dadurch verdient wird, setzt er für geistliche Zwecke ein.
Gleichzeitig sehen die anderen, wie man als Christ vorbildlich arbeitet und lebt. Es geht nicht darum, als Christ nur das Minimum zu leisten, weder als Sklave noch als Angestellter. Man soll seine Aufgabe gut machen, damit Gott nicht verlästert wird und die Leute nicht sagen: „Ach, das sind Christen, deshalb machen sie ihre Arbeit nicht ordentlich.“
Und schließlich heißt es: Den gläubigen Herren, weil sie Brüder sind, erwartet nicht, dass ihr einen Vorteil habt, sondern dient ihnen umso lieber. Denn sie sind Gläubige und Geliebte, die darauf bedacht sind, Gutes zu tun. Die Herren tun Gutes mit dem, was sie erarbeiten, und deshalb soll man ihnen erst recht dienen.
Wenn du also einen gläubigen Chef hast, der vor Gott verantwortlich ist für das, was er verdient, dann diene ihm umso lieber.
Schlussgebet
Damit schließen wir für heute ab. Wir haben uns also noch einmal ein bisschen mit der Ältestenschaft beschäftigt, mit dem Weintrinken sowie mit dem Verhältnis zwischen Knecht und Herr beziehungsweise Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
An dieser Stelle bete ich noch mit euch: Herr Jesus, vielen Dank, dass du uns viele konkrete Hinweise gibst, wie Gemeindeleben ablaufen soll – auch in schwierigen Situationen, wenn die Ältesten nicht so handeln, wie sie es sollten.
Wir möchten dich bitten, dass du uns Weisheit schenkst – für diejenigen von uns, die in der Leitung sind, damit sie ihre Aufgabe gut erfüllen. Ebenso für diejenigen, die nicht in der Leitung sind, damit sie die Ältesten doppelter Ehre würdig halten. Lass sie nicht sofort Vorwürfe übernehmen und gegen die Ältesten opponieren. Gib ihnen aber auch den Mut, wenn es nötig ist, auf die richtige Art und Weise darauf aufmerksam zu machen.
Wir bitten dich außerdem, dass wir im Umgang mit Krankheit richtig handeln. Hilf uns, keine geistlichen Auswege zu suchen, wo diese nicht gefragt sind. Gleichzeitig wollen wir dir vollkommen vertrauen, dass du eingreifen kannst und es immer wieder tust, um Krankheiten zu heilen. Sollte dies nicht geschehen, gib uns Geduld und Ruhe, damit leben zu können.
Hilf uns auch, richtig in unserer Beziehung zu unserem Arbeitgeber zu leben. Lass uns keine falschen Wege einschlagen oder den Arbeitgeber schlecht machen – besonders dann nicht, wenn es ein Gläubiger ist. Vielmehr wollen wir auch im Berufsleben vorbildlich handeln, so wie du es willst. Lass uns dort in Ehrlichkeit und Fleiß für andere ein Hinweis auf dich sein.
Vielen Dank für diesen Abend und für alles, was du heute noch für uns vorbereitet hast. Amen.