Die Offenbarung als prophetische Darstellung der Kirchengeschichte
Wir haben gesehen, dass die Offenbarung tatsächlich Ereignisse beschreibt, die sich bereits zur Zeit des Johannes zu erfüllen begannen. Dabei erkennen wir, dass Offenbarung 2 und 3 eine prophetische Beschreibung der gesamten Kirchengeschichte ist.
Übrigens werden die sieben Sterne als ein Geheimnis bezeichnet (Offenbarung 1,20). Ein Geheimnis im Neuen Testament ist eine Wahrheit, die im Alten Testament verborgen war und erst im Neuen Testament offenbart wurde. Epheser 3 erklärt dies und macht deutlich, dass Gottes Plan über die Gemeinde im Alten Testament verborgen war, von Ewigkeit her in Gott verborgen lag und erst im Neuen Testament enthüllt wurde.
Nun sehen wir, dass das Geheimnis der sieben Sterne das Zeugnis der Gemeinde auf Erden ist. Das erklärt auch, warum es im Neuen Testament die Offenbarung braucht. Es gibt bereits viele prophetische Bücher wie Jesaja, Jeremia, Hesekiel, Daniel und die zwölf kleinen Propheten. Auch in anderen Büchern finden wir viel Prophetie.
Warum also noch die Offenbarung? Weil die Offenbarung die Prophetie mit der Gemeinde in Zusammenhang bringt, was im Alten Testament nicht der Fall war. Darum ist es gerade so wichtig, dass dieses Buch an die Gemeinde geschrieben wurde und auch in der Gemeinde gelehrt werden sollte.
Schauen wir ganz zum Schluss der Offenbarung: In Kapitel 22 sagt der Herr Jesus ausdrücklich in Vers 16: „Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt, euch diese Dinge zu bezeugen in den Gemeinden.“
Jetzt sehen wir, dass es ein Problem ist, dass dieses Buch in vielen Gemeinden gar nicht gelehrt wird. Dabei rundet es die Bibel ab und sollte ausdrücklich der Gemeinde mitgeteilt werden. So kann erkannt werden, welchen Platz die Gemeinde innerhalb der Prophetie einnimmt – neben Israel, das ausführlich im Alten Testament behandelt wird, und neben den Nationen im Allgemeinen, die ebenfalls im Alten Testament ausführlich behandelt werden.
Darum hat die Offenbarung ein ganz spezielles Gepräge, gerade für die Gemeinde.
Die sieben Sendschreiben als Spiegel der Kirchengeschichte
Es ist erstaunlich, dass diese sieben Sendschreiben genau in der richtigen Reihenfolge stehen, so wie sie sich in sieben Epochen der Kirchengeschichte bis heute erfüllt haben. Wir befinden uns am Ende, in der Endzeit, in Laodizea.
Als Jugendlicher habe ich mir schon einmal Gedanken darüber gemacht, als ich diese Zusammenhänge mit der Kirchengeschichte zum ersten Mal gesehen habe. Ich hatte ein Büchlein von Abraham Keuper zu diesem Thema gelesen, das mich sehr beeindruckt hat.
Dabei habe ich mich gefragt, wie viele Möglichkeiten es eigentlich gibt, die Sendschreiben falsch anzuordnen, sodass sie sich nicht gemäß der Kirchengeschichte erfüllen würden. Das lernt man in der Wahrscheinlichkeitsrechnung, und es ist eine der einfachsten Anwendungen: das Rechnen mit Fakultäten.
Ein Beispiel: Ruth und Franz sitzen auf zwei Stühlen nebeneinander. Wie viele Möglichkeiten gibt es, Ruth und Franz anzuordnen? Entweder zuerst Ruth und dann Franz oder zuerst Franz und dann Ruth. Das sind zwei Möglichkeiten, also 2 Fakultät, was 1 mal 2 ergibt.
Nimmt man zu Ruth und Franz noch Martin hinzu, gibt es natürlich mehr Möglichkeiten: Martin am Schluss, Martin am Anfang oder Martin in der Mitte, und Ruth entsprechend an den anderen Plätzen. Das entspricht 3 Fakultät, also 1 mal 2 mal 3, was 6 Möglichkeiten ergibt.
Wie sieht es aus, wenn wir noch vier weitere Personen auf die Stühle setzen? Dann haben wir sieben Personen, und es gibt 7 Fakultät Möglichkeiten. Das ist 1 mal 2 mal 3 mal 4 mal 5 mal 6 mal 7, also 5.040 Möglichkeiten.
Von diesen 5.040 Möglichkeiten wären 5.039 falsch, wenn sie die Sendschreiben betreffen. Aber die 5.040. Möglichkeit haben wir in der Bibel. Das bedeutet, dass allein die Reihenfolge schon genau so vorliegt, abgesehen von den Details, die wirklich frappante Parallelen zur Kirchengeschichte aufweisen.
Die Entrückung und der Beginn der himmlischen Vision
Und dann die Entrückung von Johannes. Das führt uns jetzt zu Kapitel vier und fünf. Ich lese noch einmal Kapitel 4, Vers 1:
„Nach diesem sah ich, und siehe, eine Tür war geöffnet im Himmel. Und die erste Stimme, die ich wie die einer Posaune, eines Schofahorns, mit mir hatte reden hören, sprach: Komm hierherauf, und ich werde dir zeigen, was nach diesem geschehen muss.“
Nach diesem beginnt der dritte Teil. Alles, was wir hier finden, liegt von unserem Standpunkt aus gesehen – also Mai 2017 – immer noch in der Zukunft. Die Entrückung der Gemeinde, wie sie zum Beispiel von Apostel Paulus gelehrt wird in 1. Thessalonicher 4,13 und folgende sowie 1. Korinther 15,51 und folgende, könnte jederzeit geschehen. Es muss nichts vorher noch erfüllt werden.
Johannes sieht eine geöffnete Tür. Nicht nur eine Tür wurde in diesem Moment geöffnet, sondern die Tür war geöffnet. Ähnlich finden wir das auch im Alten Testament, wenn der Himmel plötzlich geöffnet wird. Zum Beispiel in Hesekiel 1 sah Hesekiel Visionen Gottes, und der Himmel wurde für einen Moment geöffnet.
Wir sehen das auch, als der Herr Jesus am Jordan war – bei Qasr al-Yahud, so nennt man heute den Ort der Taufstelle von Johannes. Dort öffnete sich der Himmel, und die Stimme kam: „Dieser ist mein geliebter Sohn.“
Das Erstaunliche ist: In all den Stellen vor dem Kreuz, wo der Himmel geöffnet gesehen wird, ist der Himmel nur für einen Moment geöffnet. Aber ab der Kreuzigung – wenn der Himmel offen gesehen wird – ist er wirklich offen. Man lese Apostelgeschichte 7 bei der Steinigung von Stephanus, ein Jahr nach der Kreuzigung. Stephanus sieht den Himmel offen, geöffnet.
Das haben wir doch zusammengefasst in einem schönen Lied: „Der Himmel steht offen, Herr, weißt du warum? Weil Jesus gekämpft, geblutet darum.“ Seit dem Kreuz von Golgatha haben wir es mit einem offenen, geöffneten Himmel zu tun.
Nun sieht Johannes den Himmel geöffnet, die Tür geöffnet, und dann die Stimme: „Komm hierherauf!“ Da wird er in den Himmel entrückt.
Vers 2: Sogleich war ich im Geist und sah: Ein Thron stand im Himmel. Auf dem Thron saß einer, und der, der da saß, war vom Aussehen gleich einem Jaspisstein und einem Sardis. Ein Regenbogen war rings um den Thron, vom Aussehen gleich einem Smaragd.
Rings um den Thron waren vierundzwanzig Throne, und auf den Thronen saßen vierundzwanzig Älteste, bekleidet mit weißen Kleidern, und auf ihren Häuptern goldene Kronen.
Er wird in den Himmel entrückt.
Die Bedeutung des himmlischen Thrones und des Tempels
Und jetzt werde ich im Folgenden zunächst den Nachweis erbringen, dass die Entrückung dieses letzten Apostels, Jesu Christi, die Entrückung der Gemeinde symbolisiert.
Interessanterweise wird Johannes in den Himmel entrückt, und er sieht sofort den Thron Gottes. Was ist der Thron Gottes im Alten Testament? Das ist die Bundeslade.
Psalm 80,1: „Der du thronst zwischen den Cherubim, strahle hervor.“ Im Allerheiligsten befand sich die Bundeslade mit den Cherubim-Gestalten, und der ganze Raum war dunkel. Gott sagte zu Salomo, er wolle im Dunkeln wohnen. Gott braucht kein Licht, denn er ist das Licht. Zwischen den Cherubim strahlte das Licht Gottes hervor, wenn der Hohepriester am Jom Kippur, einmal im Jahr, ins Allerheiligste ging – sowohl in der Stiftshütte als auch im Salomo-Tempel.
So sehen wir, dass Johannes entrückt wird zum Thron Gottes. Die Bibel spricht in Hebräer 11 über das Vaterland im Himmel, das Abraham, Isaak und Jakob erwartete. In Hebräer 11 und 12 wird auch die Stadt Gottes im Himmel erwähnt, die Gott bereitet hat: das himmlische Jerusalem, eine wirkliche Stadt im Himmel.
Die Bibel spricht jedoch auch über einen Tempel Gottes im Himmel. Zum Beispiel heißt es in Offenbarung 11,19: „Und der Tempel Gottes, der im Himmel ist, wurde geöffnet, und die Lade seines Bundes wurde in seinem Tempel gesehen.“ Hier wird ausdrücklich vom Tempel Gottes im Himmel und sogar von der himmlischen Bundeslade gesprochen.
Johannes wird also nicht einfach ins himmlische Vaterland entrückt, auch nicht in diese wunderbare Stadt, das himmlische Jerusalem, sondern in den Tempel entrückt. Und zwar nicht in irgendeinen der Vorhöfe, sondern ins Tempelhaus. Aber auch nicht in die Vorhalle oder ins Heilige, sondern ins Zentrum, ins Allerheiligste – die Entrückung in das Allerheiligste.
Die Offenbarung als Tempelbuch und seine himmlischen Details
Und nun werden wir heute sehen: Die Offenbarung ist ein richtiges Tempelbuch. Viele Details des himmlischen Tempels werden dort ganz konkret beschrieben. Man erfährt, wie es im Tempel aussieht.
Man muss also nicht solche Bücher lesen, in denen jemand erzählt, er sei drei Minuten im Himmel gewesen oder Ähnliches. Diese Berichte erzählen oft etwas anderes. Natürlich ist die Offenbarung abgeschlossen. Wir brauchen keine neuen Offenbarungen über den Himmel, denn das haben wir ja in der Bibel. Es ist klar, dass viele solcher Berichte Unsinn erzählen.
Es geht aber um den wirklichen Himmel, und dort wird zum Beispiel vom goldenen Räucheraltar gesprochen. Seine vier Hörner werden speziell erwähnt. Wir haben schon gelesen, dass die Bundeslade genannt wird. Außerdem werden wir sehen, dass auch der Brandopferaltar erwähnt wird.
Im innersten Vorhof wird in der Offenbarung das Meer genannt. Dieses Meer ist ein riesiges Waschbecken. Im Salomontempel wird dieses Meer erwähnt. Das hebräische Wort „Yam“ bedeutet nicht nur Ozean oder See, sondern auch Sammelbecken. Wenn also von dem Meer „wie Glas“ gesprochen wird, ist damit dieses riesige Waschbecken für die Priester im Vorhof gemeint.
Warum „wie Glas“? Das Waschbecken in der Stiftshütte wurde aus Spiegeln hergestellt, aus Bronzespiegeln. Die feingearbeitete Bronze lässt einen wirklich wie in einem Spiegel erkennen. Das himmlische Becken ist so vollkommen gearbeitet, dass es wie Glas erscheint.
Weiter wird in der Offenbarung über das goldene Rauchfass gesprochen, das „Machtat“ genannt wird (Offenbarung 8). Auch die sieben goldenen Schalen werden erwähnt. Der Ausdruck für Schale wird in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments gerade auch für die Blutschalen verwendet, mit denen die Priester im Tempel das Blut der geschlachteten Tiere auffingen und am Fuß des Altars ausschütteten. Diese Schalen nennt man auf Hebräisch „Misrak“.
Also sind die sieben goldenen Misrakim Opferschalen. Dann wird auch von den sieben Feuerfackeln gesprochen, die vor dem Thron Gottes brannten – also der Menora im Himmel.
Weiter werden wir über die Harfen Gottes im Himmel lesen (Offenbarung 15). Im Alten Testament gab es zwei Instrumente, die mit „Harfe“ übersetzt wurden, im Griechischen „Kithara“. Das eine ist der Kinnor. Das ist das Instrument, das David spielte (1. Samuel 16). Es hat eine Form, die an den See Genezareth erinnert. Darum heißt dieser See auch „Jam Kineret“, der Kinnor-See.
Das Instrument hält man am Herzen und spielt mit der rechten Hand die Saiten, während man dazu singt. In der Elberfelder Übersetzung wird dieses Instrument, das bei David mit Laute oder Harfe übersetzt wird, genannt. Wichtig ist, dass man versteht, was gemeint ist.
Im Gegensatz zur Laute wird dort die Harfe genannt, das ist der Nevel. Dieses Instrument hat zwei Resonanzkörper. Das unterscheidet es vom Kinnor.
Dann werden die sieben Posaunen erwähnt, das sind die sieben silbernen Posaunen. Im Zusammenhang mit dem Morgen- und Abendopfer im Tempel zur Zeit Jesu wurden jeden Tag siebenmal die silbernen Posaunen geblasen. Diese Posaunen heißen im Hebräischen „Chazozerah“. Es sind die Posaunen, die in 4. Mose 10 beschrieben werden.
Man darf sie nicht mit dem Schofahorn verwechseln. Die Schofahörner sind Tierhörner. Sie müssen von einem koscheren Tier stammen, zum Beispiel von einem Widder oder einer Antilope.
Das Horn, dessen Stimme in Offenbarung 4, Vers 1 wie eine Posaune tönt und das Johannes emporruft in den Himmel, sollte man am besten mit Schofahorn übersetzen.
So sind diese Details im himmlischen Tempel beschrieben.
Der Tempel als Ort der Gnade und des Gerichts
Man kann sich fragen: Die Offenbarung ist doch ein Buch des Gerichts. Warum spielt der Tempel dabei eine so große Rolle? Der Tempel ist doch eigentlich der Ort, an dem Gott uns Gnade erweist – aufgrund des Opfers, der Vergebung durch das vergossene Blut. Warum wird gerade dieser Ort der Gnade so wichtig dargestellt?
In der Offenbarung wird gezeigt, dass das kommende Gericht Gottes über diese Welt furchtbar sein wird. Es ist gewissermaßen ein Krieg des Tempels im Himmel gegen die Erde. Warum ist das so? Eine Welt, die das Opfer des Herrn Jesus Christus und das Angebot der Gnade und Liebe Gottes ablehnt, wird für diese Welt zum Fluch.
So wird der Tempel, der eigentlich von der Gnade und Liebe Gottes spricht, zu einem Fluch für diese Welt. Diese Welt wird ein furchtbares Chaos und einen schrecklichen Zusammenbruch erleben – das zeigt uns die Offenbarung.
Wir leben in der Epoche von Laodizea. In der Gemeinde ist es weit verbreitet, dass man denkt, man sei reich und habe es zu Wohlstand gebracht. Man glaubt, heute sei man „cool“. Doch der Herr sagt: „Du realisierst nicht, dass du blind bist, jämmerlich und bloß.“
Aber der Herr ist freundlich. Er sagt: „Ich stehe an der Tür und klopfe an. Wenn jemand die Tür öffnet, zu dem werde ich eingehen.“ Er überführt viele und liebt sie, sagt er in Offenbarung 3 zu Laodizea.
Es ist zwar traurig, denn Laodizea meint, es gehe ihr wirklich gut, sehr, sehr gut. Aber sie merkt nicht, dass der Herr gar nicht in ihrer Mitte ist. Er hat versprochen: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Matthäus 18,20). Doch hier steht er an der Tür und klopft – und sie merkt es nicht. Aber er klopft. Und er gibt die Gelegenheit, die Tür zu öffnen.
Doch dann kommt dieses verheerende Gericht.
Der Thron Gottes als Symbol der göttlichen Herrschaft
Ganz am Anfang haben wir gesehen: Johannes wird entrückt. Was sieht er? Den Thron Gottes. Dieser Thron wird in der Offenbarung etwa vierzigmal erwähnt. Das illustriert eindrücklich, was in einem Lied ausgedrückt wurde, das ich als Kind sehr geliebt habe: Gott ist noch auf dem Plan, und alles ist ihm untertan.
In einer Welt, in der alles drunter und drüber geht – wie auch heute –, wäre es noch viel schlimmer. Da fragt man sich: Wo ist Gott? Wo ist seine Autorität? Der Thron Gottes steht ruhig im Himmel. Gott hat alles in der Hand, und ihm entgleitet nichts. Nichts entkommt seiner Kontrolle.
Dann wird gesagt: Der, der auf dem Thron saß, sieht wie ein Jaspisstein und wie ein Sardis aus. Nun, das ist erstaunlich. In 1. Timotheus 6,16 steht, dass Gott ein unzugängliches Licht bewohnt, das kein Mensch je gesehen hat und auch nicht sehen kann. Doch Johannes sagt, er sieht jemanden auf dem Thron sitzen – es ist Gott. Wie ist das möglich?
Auch in Johannes 1,18 heißt es: Niemand hat Gott jemals gesehen. Der eingeborene Sohn, der vom Vater kommt, hat ihn kundgemacht. Wie passt das zusammen? Wir wissen aus dem Alten Testament, dass Gott zu verschiedenen Gelegenheiten gesehen wurde.
Zum Beispiel sah Jesaja der Prophet in Jesaja 6 den Herrn Zebaoth auf dem Thron sitzen, umgeben von Seraphim, die ihn anbeten. Oder denken wir an Simson, der Gott gesehen hatte und sagte: „Wir haben Gott gesehen, wir müssen sterben“ (Richter 13). Oder an Hagar, die den Engel des Herrn, den Gesandten des Herrn, sieht und plötzlich realisiert: Das ist der Herr selbst – im Hebräischen Yud, Hey, Waw, Hey, der Gottesname Yahweh, der Ewigseiende und Unwandelbare. Sie sagt von ihm: „Du bist ein Gott, der sich schauen lässt.“
Wie ist das möglich? Ganz einfach: Gott nimmt im Alten Testament eine Gestalt an, die für Menschen erträglich ist. Derjenige, der Gott im Alten Testament offenbart, war immer der Sohn Gottes. Deshalb werden diese Gotteserscheinungen genannt: Gott, der Herr Zebaoth, Yahweh Zebaoth oder auch der Engel des Herrn. Engel bedeutet im Hebräischen und Griechischen einfach „Bote“ oder „Gesandter“. Malach Adonai ist der, der vom Herrn gesandt wird – das ist der Sohn Gottes im Alten Testament, der den dreieinigen Gott offenbart.
Jetzt sehen wir: Wenn Johannes in den Himmel geht, sieht er Gott in dieser für Geschöpfe erträglichen Erscheinungsform. Johannes vergleicht sein Aussehen mit einem Jaspisstein und einem Sardis.
Der Jaspis ist ein Halbedelstein, nicht durchsichtig. Im Lauf der Zeit haben sich die Namen einiger Edelsteine geändert. Man muss herausfinden, was der Jaspis vor zweitausend Jahren im Neuen Testament war. Tatsächlich entspricht er dem Diamanten.
In Offenbarung 21,10 wird der Jaspis erwähnt als „wie ein kristallheller Stein und sehr kostbarer Stein“. Also nicht ein undurchsichtiger Halbedelstein, sondern völlig durchsichtig, kristallklar und sehr wertvoll – das ist der Diamant.
Es gibt nichts Härteres auf dieser Erde als Diamant. Werkstoffe werden in der Wissenschaft auf einer Härteskala von eins bis zehn bewertet, wobei zehn der Diamant ist. Mit Diamant kann man alles andere schleifen, aber mit Stahl kann man keinen Diamanten schleifen.
So ist der Diamant ein wunderbares Bild von Gott, dem Höchsten, der alles beurteilt. Nicht die Menschen können Gott beurteilen. Manche sagen: „Wenn ich einmal vor Gottes Thron stehe, werde ich ihm sagen, warum?“ Doch auf tausend Fragen wird man keine Antwort erhalten, sagt Hiob 9.
Nicht wir sagen Gott, was gerecht oder ungerecht ist, sondern er ist der Höchste. Er bestimmt, was Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit sind. Alles muss sich an ihm orientieren. So wie man mit Stahl keinen Diamanten schleifen kann, aber mit Diamant Stahl, so ist Gott der Maßstab.
Dann wird noch gesagt: „wie ein Sardis“. Das ist ein roter Edelstein, in dem man bei genauem Hinsehen Blutgefäße erkennen kann.
Dieser Gott, der Höchste, der absolut gerecht ist, in dem kein Finsternis ist, völlig unantastbar, war bereit, Mensch zu werden. Der Sohn Gottes wurde Mensch, um als Mensch für uns Menschen zu sterben. Das ist der Hohepriester aus Kapitel 1.
Er hat sein Blut gegeben. In Offenbarung 1,5 lesen wir: „Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in seinem Blut.“ Dieser höchste Gott, der alles beurteilt und sagt, was gerecht und ungerecht ist, hat einer verlorenen Welt das Opfer des Herrn Jesus als Möglichkeit der Vergebung angeboten.
Dieser Gott bringt nun das Gericht über die Welt, wie es in Offenbarung 4 und den folgenden Kapiteln beschrieben wird. Auch hier zeigt sich der Gedanke, dass Gott einerseits ein gnädiger Gott ist, der Retter der Welt, und andererseits der Richter der Welt.
Die vier lebendigen Wesen und ihre Bedeutung
In den weiteren Versen wird beschrieben, dass es vier lebendige Wesen um den Thron gibt, die Flügel haben. Diese Wesen sehen jeweils aus wie ein Löwe, ein Ochse, ein Adler und ein Mensch.
In Hesekiel 1 sowie in den Kapiteln 8 bis 11 finden wir diese lebendigen Wesen ebenfalls. Dort werden sie Cherube genannt, hebräisch Kruwim. Diese mächtigen Thronengel repräsentieren Gottes Gerechtigkeit.
Was bedeuten die einzelnen Tiere? Der Löwe steht für das Gericht, das Gott von seinem Thron aus über diese Welt bringt. Es ist königlich und majestätisch.
Der Ochse, der auch manchmal mit Kalb übersetzt wird, sollte hier als Ochse verstanden werden, so wie auch in Hesekiel 1. Dort werden diese vier lebendigen Wesen beschrieben, und das hebräische Wort „Schor“ ist das typische Wort für Ochse. Ein Ochse ist ein entmanntes Rind, das gut arbeiten kann. Ein Ochse ist ein Arbeitstier, das sich von nichts stören oder abhalten lässt, sondern unermüdlich arbeitet.
Der Ochse drückt aus, dass Gottes Gericht nicht mitten im Prozess Halt machen wird. Es wird nicht plötzlich stoppen oder anders verlaufen als angekündigt. Alles ist fest beschlossen, wie es in Daniel 9,27 heißt. Gott wird seinen Plan bis zum Ende durchziehen.
Der Adler, ein Tier, das mit großer Schnelligkeit vom Himmel herabkommt, zeigt, dass diese Gerichte schnell durchgeführt werden. Das Wesentliche wird innerhalb von sieben Jahren geschehen, nicht in hundert oder tausend Jahren. Gottes Plan wird in dieser Zeitspanne vollendet.
Und schließlich das Wesen, das wie ein Mensch aussieht. Das lateinische Wort für Mensch ist Homo sapiens, der weise Mensch. Dies steht für den Intellekt, den Gott dem Menschen gegeben hat. Er ist ein besonderes Kennzeichen im Vergleich zu anderen Lebewesen auf der Erde.
Dies soll ausdrücken, dass alle Gerichte Gottes weise und intelligent sind. Sie zeugen von höchstem Wissen und sorgfältiger Planung.
Die 24 Ältesten als Priester und Könige
Aber dann haben wir bereits gelesen: Um den Thron Gottes herum sieht Johannes 24 Älteste auf Thronen sitzen, bekleidet mit weißen Kleidern, und sie tragen goldene Kronen. Wer sind diese? Darüber haben schon viele gerätselt. Für Johannes war das jedoch ganz einfach.
Die 24 Ältesten mit weißen Gewändern – das sind ja Priestergewänder – sind die 24 Führer der 24 Priesterklassen. König David hatte die gesamte Priesterschaft, die aus Tausenden bestand, in 24 Abteilungen eingeteilt. Das steht in 1. Chronik 24. Man kann sich das gut merken. 1. Chronik 24 spricht über die 24 Klassen, und an der Spitze jeder Klasse stand ein Ältester.
Zum Beispiel Zacharias, der Vater von Johannes dem Täufer. Lukas 1 berichtet, dass er von Sabbat zu Sabbat Dienst tat. Er gehörte zur Klasse Abija, der achten Klasse. Die 24 Klassen mussten jeweils eine Woche, von Sabbat zu Sabbat, Dienst im Tempel zu Jerusalem tun.
Wenn man also nach Jerusalem kam, konnte man an einem beliebigen Tag einen Ältesten mit den Priestern seiner Klasse sehen. Die 24 Klassen deckten so 24 Wochen ab, aber das Jahr ist etwas länger. Deshalb mussten sie auch ein zweites Mal antreten, also zwei Wochen Dienst pro Jahr.
Doch mit 48 Wochen ist man noch nicht ganz am Jahresende. Deshalb mussten an den großen Festen, die nach der Tora, dem Gesetz Mose, obligatorisch waren – Pessach, Schawuot (Wochenfest, Pfingsten) und Sukkot (Laubhüttenfest) im Herbst – alle Israeliten nach Jerusalem kommen. Ganz Israel war versammelt.
Auch die Frauen konnten kommen, aber es war nicht absolut notwendig, zum Beispiel wegen der kleinen Kinder und anderer Gründe. Doch Israel war an diesen drei Festen versammelt, und deshalb brauchte man viele Priester. Alle 24 Klassen mussten anwesend sein.
Jedes Mal, wenn man in Jerusalem war und die 24 Ältesten sah, wusste man: Sie sind alle da. Johannes kommt in den Himmel, er sieht die 24 Ältesten – oh, sie sind alle da. Wer? Ja, eben das Priestervolk.
Wer ist dieses Priestervolk? Es sind diese Priester, die übrigens auch Könige sind, denn sie tragen goldene Kronen. Wer sind diese? Das wissen wir doch schon längst, weil wir die Einleitung so ausführlich gemacht haben, damit man das andere besser versteht.
Johannes schreibt an die sieben Gemeinden, die in Asien sind: „Gnade euch und so weiter“ (Vers 4). Dann in Vers 5: „Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in seinem Blut und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern seinem Gott und Vater, ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit.“
Also: Die Gemeinde sind Könige und Priester. Und jetzt sind die 24 Ältesten im Himmel, sie sind alle da. So ist klar: Die ganze Gemeinde ist entrückt, sie sind oben, noch bevor die Gerichte toben. Die Gerichte kommen erst nach Kapitel 4.
Der Regenbogen als Zeichen des Bundes und Gottes Treue
Übrigens sieht Johannes um den Thron einen Regenbogen, der einem Smaragd gleicht. Was bedeutet das? Es bedeutet, dass Gott sich an sein Wort hält.
In 1. Mose 9 hat Gott den Regenbogen als Zeichen des Noah-Bundes eingesetzt. Dieser Bund gilt mit der ganzen Erde, solange die Erde besteht. Gott sagt darin, dass er die Welt nie mehr durch eine weltweite Sintflut richten wird. Lokale Überschwemmungen sind möglich, aber eine weltweite Flut wird es nicht mehr geben. Deshalb wird in der Offenbarung auch keine weltweite Flut erwähnt.
Oft ist es so, dass Filmregisseure die Bibel nicht oder nur unzureichend lesen. Ein Beispiel dafür sind einige Endzeitfilme der letzten Jahre. Ich habe nur ausnahmsweise den Trailer eines solchen Films angeschaut, normalerweise mache ich das nicht, da ich die Bibel habe. In dem Trailer sieht man, wie riesige Fluten über die Berge der Erde kommen und alles verwüsten. Das wird aber nie passieren. Gott hat dies ganz klar versprochen und hält sich an sein Wort.
Hier zeigt sich auch ein wichtiger Unterschied zum Islam. Im Islam wird gelehrt, dass Allah, der Gott des Islam, tun kann, was er will, und nicht an sein Wort gebunden ist. Zwar kann er etwas im Koran sagen, aber es kann auch wieder abrogiert, also aufgehoben werden. Auch im letzten Gericht ist er nicht an etwas gebunden. Er kann entscheiden, wie er will. So kann jemand als treuer Muslim gelebt haben und dennoch nicht ins Paradies kommen, sondern in die Hölle. Man kann sich also auf nichts mit Sicherheit verlassen.
Der Gott der Bibel hingegen hat sich an sein Wort gebunden. Die Bibel sagt, dass Gott nicht lügen kann. Wenn man sagt, Gott sei allmächtig, dann bedeutet das nicht, dass er auch lügen kann. Die Bibel macht ganz klar, dass Allmacht bedeutet, dass Gott nicht lügen kann und sich selbst nicht verleugnet (2. Timotheus 2). In Titus 1 steht ebenfalls, dass Gott nicht lügen kann. Er hält sich an sein Wort, und wir können uns hundertprozentig auf seine Verheißungen und Zusagen verlassen.
Himmlische Symbole und ihre Bedeutung
Und dann sieht Johannes in Offenbarung 4,5 sieben Feuerfackeln brennen vor dem Thron. Das ist die himmlische Menorah. Außerdem wird das himmlische Waschbecken erwähnt, eben dieses Meer, das wie Glas ist. Das hat natürlich eine Bedeutung – und übrigens auch eine praktische Bedeutung für uns heute. Wir machen heute aber nur eine Übersicht, darum gehe ich nicht auf alle Details ein.
Dann, in Offenbarung 5,1, schaut Johannes plötzlich zum Thron. Nahtlos geht es von Kapitel 4 zu Kapitel 5 über. Dort sieht er in der Hand dessen, der auf dem Thron sitzt, ein Buch mit sieben Siegeln. Es wird gefragt: Wer ist würdig, dieses Buch zu öffnen, die Siegel zu brechen und darin zu lesen? Niemand im Himmel, auf der Erde noch in den Gräbern unter der Erde ist würdig. Johannes beginnt zu weinen.
Man sieht hier übrigens, dass man im Himmel weinen kann. Es gibt Leute, die meinen, im Himmel könne man nicht weinen. Das stimmt nicht. In der Bibel steht, dass man im Himmel weinen kann. Aber man kann im Himmel auch getröstet werden. In Lukas 16 heißt es von Lazarus, der ein so schlimmes Leben hatte: Er ist im Schoß Abrahams. Bei den Rabbinen ist das ein anderer Ausdruck für das Paradies. Abraham sagt, jetzt wird Lazarus hier getröstet. Er weiß noch im Himmel, was für ein Leben er hatte, aber er wird im Himmel getröstet.
Johannes wird ebenfalls getröstet. Da sagt ein Engel zu ihm: Weine nicht, es hat überwunden, der Löwe aus dem Stamm Juda. Johannes will den Löwen sehen, doch er sieht ein Lamm, wie geschlachtet. Das ist der Herr Jesus im Himmel. Achtundzwanzig Mal – viermal sieben – findet man in der Offenbarung diesen Ausdruck „Lamm“. Übrigens ist die Verkleinerungsform „Arnion“ – Lämmlein oder auf Schweizerdeutsch „Schäfli“.
Es wird gesagt: Der Löwe aus dem Stamm Juda hat überwunden, und Johannes sieht ein Schäfli, ein Lämmlein. Der Löwe aus dem Stamm Juda bezeichnet den Messias, der aus dem Stamm Juda kommen sollte. Der Herr Jesus ist dieser Messias, König aus dem Stamm Juda. Er hat als Löwe den Satan am Kreuz besiegt.
Wenn man die Kreuzigung anschaut, denken die Menschen, er sei in Schwachheit gekreuzigt worden. Wo ist er da? Dieser Sieg war ein Sieg als Lämmlein. Als Lämmlein war der Herr Jesus gleichzeitig der Löwe aus dem Stamm Juda. Er hat sich geopfert und sich in den Tod für uns hingegeben. Das hat den größten Sieg gebracht: Er hat den Tod besiegt, die Macht der Sünde gebrochen, die Sünden beseitigt und abgeschafft. Außerdem hat er auch Satan besiegt.
Das Lamm wird mit sieben Hörnern dargestellt. Ja, natürlich – die Schafart, die im Alten Testament typisch war, waren Jakobs Schafe. Diese Rasse gibt es heute noch. Erst kürzlich hat man eine Herde dieser Schafe wieder nach Israel eingeführt. Das war ein bisschen schwierig mit dem Zoll und so weiter, aber jetzt gibt es die Jakobsschafe, die ursprünglichen, wieder.
Typisch für diese Schafe ist, dass sie sehr oft vier Hörner haben, aber es gibt sie auch mit sechs Hörnern. Männchen und Weibchen haben Hörner. Das sind schon sehr spezielle Schafe. Ich gebe zu, das Exemplar hier hat vier Hörner, aber auch sechs Hörner sind immer wieder anzutreffen.
Von dem Herrn Jesus wird gesagt: Er hat sieben Hörner. Damit wird ausgedrückt, dass er, das Lamm Gottes, derjenige ist, der nach seiner Auferstehung in Matthäus 28 am Schluss sagt: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.“ Er ist würdig, dieses Buch zu öffnen.
Und was ist dieses Buch? Es ist das Buch der Gerichte Gottes über die Welt. Wir werden gleich sehen: In diesem Buch steht der genaue Ablauf der Gerichte – ab der Entrückung der Gemeinde bis zum zweiten Wiederkommen des Herrn Jesus in Macht und Herrlichkeit auf dem Ölberg. Hier wird das angedeutet mit dem roten Hügel in Harmagedon, in Edom, in Südjordanien und so weiter. Dort wird alles erklärt.
Je nachdem, wie der Herr Jesus als Lamm Gottes ein Siegel bricht, kommt das Gericht über die Welt, gesteuert vom Thron Gottes im himmlischen Tempel.
Übrigens hat man archäologisch einen Fund gemacht im Wadi Dalia im Jordantal von sieben Siegeln. Das Dokument ist durch den Zahn der Zeit verschollen, aber die sieben Siegel hat man noch gefunden. Sie sind im Israel Museum ausgestellt, einem der phantastischsten Museen der Welt. Es lohnt sich, dort hinzugehen, wo die Siegel mit den Inschriften in einer Vitrine nebeneinander ausgestellt sind.
Das muss ein ganz wichtiges Dokument gewesen sein – mit sieben Siegeln. Dieses finden wir nun in der Offenbarung: das Buch Gottes der Gerichte über die Welt, ein Buch mit sieben Siegeln.
Die Zeit der Gerichte: Stunde der Versuchung und große Drangsal
Jetzt muss ich Folgendes einmal übersichtlich erklären:
Die Zeit von der Entrückung bis zur Wiederkunft des Herrn in Macht und Herrlichkeit wird in zwei Abschnitte eingeteilt. Der erste Abschnitt heißt die Stunde der Versuchung, und der zweite Teil die große Drangsal.
In Matthäus 24,21 sagt der Herr Jesus, dass die große Drangsal so schrecklich sein wird, wie es sie seit Anfang der Welt noch nie gegeben hat und auch nie wieder geben wird. Das ist der schrecklichste Weltkrieg überhaupt, der stattfinden wird – die große Drangsal.
Aber was ist die Stunde der Versuchung? Diesen Ausdruck finden wir in Offenbarung 3,10, wo der Herr Jesus zur Gemeinde in Philadelphia spricht. Er sagt: „Weil du das Wort meines Ausharrens bewahrt hast, so werde auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird, um die zu versuchen, welche auf der Erde wohnen. Ich komme bald, halte fest, was du hast, auf dass niemand deine Krone nehme.“
Die Stunde der Versuchung – ich will das kurz überlegen. Vom Garten Eden an gab es viele Stunden der Versuchung. Im Leben jedes Menschen gibt es Epochen oder Momente ganz besonderer Versuchung oder Prüfung. Hier aber wird von der Stunde der Versuchung gesprochen. Das ist die schrecklichste Verführungszeit der ganzen Menschheitsgeschichte.
Das ist die Zeit, wenn der Antichrist, der größte Verführer und schlimmste falsche Messias, auftreten wird. In den vergangenen zweitausend Jahren, seit dem Kommen des Herrn Jesus, sind im Judentum über fünfzig falsche Messias aufgetreten. Der letzte war Rabbi Menachem Mendel Schneerson aus New York, der vor Jahren verstorben ist. Aber die warten immer noch darauf, dass er aufersteht. Man kann in Israel immer noch Bilder sehen, die in der Öffentlichkeit aufgehängt sind, auf denen sein Kopf zu sehen ist. Darunter steht „Melech Maschiach“, König Messias. Unglaublich – das ist der letzte falsche Messias. Aber der Schrecklichste kommt noch, der größte Verführer. Und das wird die Stunde der Versuchung sein.
Der Herr Jesus sagt der Gemeinde: „Ich werde dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird.“ Also gibt der Herr der Gemeinde die Verheißung, dass sie nicht in diese Zeit hineinkommen wird.
Man könnte sagen: „Ja gut, das heißt einfach, er wird sie bewahren in dieser Versuchung.“ Aber der Text sagt nicht: „Ich werde dich bewahren vor der Versuchung“, sondern: „Ich werde dich bewahren vor der Stunde der Versuchung“, also vor dieser Zeit.
Einige mögen einwenden: „Hier steht ja nicht ‚vor‘, sondern im Griechischen ‚ek‘, und ‚ek‘ heißt doch im Wörterbuch ‚aus‘. Also werde er die Gemeinde ‚aus der Stunde der Versuchung‘ bewahren. Das heißt, die Gemeinde kommt da hinein und wird dann vielleicht entrückt.“ Im Wörterbuch steht bei „ek“ auch „vor“. Nun kann man wählen, was man lieber möchte.
Diejenigen, die hineinwollen, übersetzen „ich werde dich bewahren aus der Stunde der Versuchung“. Diejenigen, die nicht hineinwollen, übersetzen, wie die Elberfelder, „ich werde dich bewahren vor“. Aber so geht das auch wieder nicht in der Bibelübersetzung.
Natürlich haben Wörter mehrere Bedeutungen, aber um das ganz genau zu sagen: In der Linguistik sagt man, die kontextuellen Faktoren neutralisieren die Polysemie, also die Vieldeutigkeit eines Wortes. Im Textzusammenhang gibt es Hinweise, die klar machen, was gemeint ist. Diese neutralisieren die Vieldeutigkeit.
Und zwar: „bewahren ek, tereo ek“ – bewahren. Wenn ein Kind zum Beispiel in die Aare springt und man hält das Kind auf, dann kann man es bewahren vor dem Wasser. Wenn es schon drin ist, kann man es nicht bewahren aus dem Wasser, sondern nur retten aus dem Wasser.
Wenn hier stehen würde „sozoek“, also retten, dann könnte man übersetzen: „Ich werde dich retten aus der Stunde der Versuchung“ – das wäre absolut korrekt. Aber hier steht „tereo“, bewahren. Das Wort drückt aus, dass vor einem bestimmten Bereich geschützt wird. Darum muss man übersetzen: „Ich werde dich bewahren vor der Stunde der Versuchung.“
Übrigens können wir den Test machen: Dieser Ausdruck kommt noch einmal im Neuen Testament vor, in Johannes. Dort bittet der Herr für die Jünger, dass der Vater sie bewahre vor dem Bösen. Interessant! Versucht mal, eine Übersetzung zu finden, die sagt, dass du sie bewahrst „aus dem Bösen“. Das ist für alle Übersetzer klar: bewahren vor dem Bösen, damit man nicht in den Bereich des Bösen hineinkommt, das ist bewahren.
Retten wäre, dass du sie rettest aus dem Bösen – das ginge. Aber bewahren heißt bewahren vor dem Bösen. Und da steht es so: Der Herr sagt: „Ich werde dich bewahren vor der Stunde der Versuchung.“ Das heißt, die Gemeinde muss vorher weggehen.
Das bestätigt nochmals das mit den 24 Ältesten. Sie werden entrückt, bevor die Gerichte kommen. Diese 24 Ältesten sind nicht einfach die entschlafenen Gläubigen, die jetzt schon im Paradies sind, sondern die 24 – das heißt, alle sind da, das ganze Volk ist da. Das ist der Punkt: Die Gemeinde ist entrückt, sie ist oben, und dann kommen die Gerichte.
Diskussion um den Zeitpunkt der Entrückung
Es gibt oft die Diskussion, ob die Entrückung der Gemeinde vor der Drangsal, während der Drangsal oder am Ende der Drangsal stattfindet. Dabei werden die Gläubigen sogar in Gruppen eingeteilt, wie die Prätribulationisten, die Midtribulationisten und die Posttribulationisten.
Man versucht, etwas Klarheit zu schaffen, indem man sagt: vor, in der Mitte oder am Ende der Drangsal.
Der Punkt ist jedoch folgender: Die Gemeinde wird nicht einfach vor der Drangsal entrückt, sondern noch vorher – vor der Stunde der Versuchung. Das ist noch ein anderer Zeitpunkt.
Wir werden gleich sehen, dass sich die ersten sechs Siegel auf diese Zeit, die Stunde der Versuchung, beziehen. Das siebte Siegel wird dann das Schrecklichste eröffnen: die große Drangsal.
Die siebzigste Jahrwoche Daniels als Schlüssel zur Endzeit
Und jetzt müssen wir noch einen Schritt weitergehen. Ich habe bereits angedeutet, dass sieben Jahre vor der Wiederkunft des Herrn Jesus in Macht und Herrlichkeit die entscheidenden Jahre der Gerichte sein werden. Diese sieben Jahre werden in zwei Abschnitte von jeweils dreieinhalb Jahren eingeteilt.
Es handelt sich dabei um die siebzigste Jahrwoche aus dem Buch Daniel, Kapitel neun. Daniel 9 ist der Schlüssel zur Prophetie. Wer die Prophetie der siebzig Jahrwochen nicht versteht, kann mit der Prophetie insgesamt wenig anfangen, denn sie bildet quasi das Knochengerüst der Prophetie. Anhand dieses Gerüsts lassen sich dann alle weiteren Details — das „Fleisch“, die „Sehnen“ und so weiter — einordnen.
Ganz kurz: In Daniel 9,25 wird gesagt, dass von dem Moment an, in dem ein Erlass ausgeht, Jerusalem wieder aufzubauen, bis der Messias als Fürst kommt, sieben und zweiundsechzig Jahrwochen vergehen. Das sind insgesamt neunundsechzig Jahrwochen.
Diese Prophezeiung hat sich so erfüllt. Daniel befand sich in der babylonischen Gefangenschaft, und Jerusalem war ein Trümmerhaufen. Im Jahr 445 v. Chr. hat der persische König Artaxerxes, wie in Nehemia 2 beschrieben, einen Erlass gegeben, der den Wiederaufbau Jerusalems erlaubte. Der Herr Jesus kam als Fürst an Palmsonntag im Jahr 32 n. Chr. Diese Details erläutere ich an anderen Stellen ausführlich.
Wer also gewisse Details jetzt nicht glaubt, kann das Buch „Jerusalem – Hindernis für den Weltfrieden“ nachlesen. Dort erkläre ich ganz genau, warum es 445 v. Chr. und nicht 444 oder 446 war, warum Jesus im Jahr 32 und nicht 33 kam und so weiter. Um es kurz zu fassen: Zwischen dem Erlass und dem Kommen des Messias liegen 69 Jahrwochen. Eine Jahrwoche bedeutet eine Epoche von sieben Jahren. Eine Woche besteht aus sieben Tagen, aber hier geht es um Jahrwochen, also sieben Jahre pro Woche.
Und jetzt ganz wichtig: Das lernen wir aus der Offenbarung, auf die wir noch zurückkommen werden. Dreieinhalb Jahre werden in der Offenbarung gleichgesetzt mit 42 Monaten. Das stimmt, oder? Zwölf Monate plus zwölf Monate plus zwölf Monate und sechs Monate ergeben 42 Monate. Außerdem werden diese 42 Monate noch mit 1260 Tagen gleichgesetzt.
1260 Tage – das braucht heute schon ein Handy, um das durch 3,5 zu teilen, und das ergibt 360! Das ist genau die Mitte zwischen dem Mond- und dem Sonnenjahr. In der Prophetie verwendet Gott das lunisolare Jahr, also die Mitte von Mond- und Sonnenjahr, weil der jüdische Kalender eine Mischung aus beidem ist.
Also: 69 mal sieben mal 360 Tage ergeben 173.088 Tage. Das habe ich jetzt nicht im Kopf gerechnet, das geht bei mir nicht so schnell, aber man kann das zuhause mit dem Taschenrechner nachprüfen. Und tatsächlich passt diese Zeitspanne genau in den Zeitraum von 445 v. Chr. bis 32 n. Chr.
Palmsonntag war damals am 6. April, und der Erlass zum Wiederaufbau Jerusalems war am 14. März 445 v. Chr. Die Bibel sagt, dass beide Ereignisse im Monat Nisan stattfanden, das entspricht März/April, also passt das zeitlich genau zusammen. So hat sich die Prophezeiung erfüllt.
Aber in Daniel 9 steht nicht, dass unmittelbar danach die siebzigste Jahrwoche folgt. Stattdessen heißt es, der Messias werde ausgerottet werden und nichts haben, fünf Tage nach Palmsonntag. Danach wird ein Volk kommen und die Stadt und den Tempel zerstören. Das geschah im Jahr 70 n. Chr.
Es wird keine weitere Jahrwoche erwähnt. Dann heißt es, dass bis ans Ende Krieg und Verwüstung über Jerusalem kommen werden. Wir befinden uns in der Endzeit.
Dann folgt Daniel 9,27: „Und er wird einen festen Bund schließen mit den Vielen, und zur Hälfte der Woche wird er das Schlachtopfer und Speisopfer aufhören lassen“ und so weiter.
Das bedeutet: Zuerst braucht es den Tod des Messias, dann die Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 n. Chr., danach eine Kette von Krieg und Verwüstung bis in die Endzeit. Erst dann kommt die siebzigste Jahrwoche.
Diese letzten sieben Jahre sind die Zeit vor dem Kommen des Reiches Gottes, in der Gott eine ewige Gerechtigkeit einführt. Die letzte Jahrwoche aus Daniel wird ausführlich in der Offenbarung mit den Gerichten beschrieben.
Am Ende dieser Zeit kommt der Herr Jesus als König der Welt und richtet das Reich Gottes auf. Das ist nach Offenbarung 20 das tausendjährige Friedensreich.
Die lange Zwischenzeit und die Rolle der Gemeinde
Man könnte sich fragen: Was bedeutet eigentlich dieser lange Einschub zwischen der 69. und der 70. Jahrwoche?
Diese Zeit war geprägt davon, dass das jüdische Volk in der ganzen Welt zerstreut war. Von Argentinien bis China, Thailand und Indonesien, von Alaska, Kanada und den USA bis nach Australien und Neuseeland, sowie von Schweden, Norwegen und Finnland bis nach Südafrika – weltweit ohne eigenen Staat. Diese Zerstreuung dauerte fast zweitausend Jahre.
Was bedeutet diese Zeit? Sie ist geprägt von Krieg und Verwüstung bis in die Endzeit.
Gott hatte jedoch einen Plan von Ewigkeit her. Das ist das Geheimnis der sieben Sterne und das Geheimnis des Leibes Christi, wie es in Epheser 3 beschrieben wird. Gott hat die Gemeinde in diesen Plan hineingeschoben. Am Sonntag hat die prophetische Uhr mit Israel gestoppt.
Fast sechzig Tage später kam an Pfingsten der Heilige Geist und schuf die Gemeinde als einen Leib. Dies ist die Taufe mit dem Heiligen Geist, wie es in 1. Korinther 12,13 heißt: Die Gläubigen werden zusammengefügt zu einem Leib – das bedeutet Geistestaufe. Diese Taufe hat nichts mit einem ekstatischen Erlebnis zu tun.
Man wird dadurch ein Christ, ein wirklicher Christ, ein Glied am Leib Christi. Nun wohnt der Heilige Geist in der Gemeinde.
Bei der Entrückung der Gemeinde, wenn der Herr Jesus nicht auf die Erde, sondern bis in den Luftbereich kommen wird, wird der Heilige Geist zusammen mit der Gemeinde, wie es in Offenbarung 22 heißt, der Geist und die Braut, sagen: „Komm!“ Dann gehen sie in den Himmel.
Das ist die Entrückung. Dieser Einschub dazwischen ist die Zeit, in der die Uhr gestoppt hat. Wenn die Entrückung geschehen ist, beginnt die Uhr mit Israel wieder zu ticken. Dann folgt die siebzigste Jahrwoche.
Das ist jetzt ein guter Punkt, um eine Mittagspause zu machen. Danach wird es richtig spannend.