
Der Chor hat einen höheren Trainerverschleiß als die erste Bundesliga, denn es gibt immer wieder neue Dirigenten.
Vielen Dank für die Beiträge und die sehr passenden Lieder. Danke auch an Simon für seinen Beitrag, das mutige Zeugnis und die gesamte Organisation eines solchen Tages.
Ich bin sehr beeindruckt, wie alles abläuft und wie gut alles zusammenpasst. Schön, dass ihr jetzt noch einmal hier seid.
Wenn du durchs Feuer gehst – die Frage nach dem Leid.
Ich weiß nicht, welches Elend sich gerade bei dir versammelt hat oder was dir auf der Seele liegt. Als ich so alt war wie du, war ich ein Sanguiniker durch und durch. Alles fiel mir leicht, die Schule lag mir zu Füßen, und ich war immer gut drauf. Aber vielleicht sitzen hier auch Menschen mit richtigem Elend, mit Jammer und Kummer.
Simon wurde schon früh Halbwaise. Aber was hast du für einen Kummer? Kannst du noch sagen: Gott ist gut? Ich bin nicht der Pressesprecher Gottes und kann vieles nicht erklären. Ich erinnere mich noch sehr lebendig daran, als mein kleiner Sohn Nathan zu mir kam und sagte: „Papa, erklär mir das, warum musste dieser kleine Mirko sterben? Der hat doch auch zum Herrn Jesus gerufen, oder? Und dann wurde er umgebracht. Könnte mir das auch passieren?“ Das war bei uns im Badezimmer. Und ich wusste keine Antwort.
Manchmal bringt Gott seine Kinder im Dunkeln zu Bett, hat mal jemand gesagt. Habt ihr schon mal das Buch Hiob durchgelesen? Am Stück ist es etwas schwierig, aber wenn ihr es zusammenhängend lest, achtet mal darauf, wie Hiobs Freunde alle möglichen Erklärungsmuster und Antworten haben. Doch damit verschlimmern sie nur Hiobs Lage.
Es ist nicht leicht, die richtige Antwort auf das Leid zu geben. Ich finde das wirklich schwer. Das Thema wurde mir auch schon gestellt. Wäre es nicht ehrlicher, Ratlosigkeit zuzugeben? Auf viel Leid weiß ich keine Antwort.
So sagt Jesaja in Jesaja 55,8: „Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr. Denn wie der Himmel höher ist als die Erde, so sind meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken höher als eure Gedanken.“ Das ist uns zu hoch.
Ich leide manchmal daran, dass ich keine Antwort weiß. Simon sagt: „Ich habe doch gebetet.“ Viele haben dafür gebetet, dass der Papa den Krebs überlebt. Ich werde nie den Moment vergessen, als es in unserer Familie einschlug wie ein Blitz.
Wir, die wir im Freizeitheim wohnen, haben immer Dauerbesuch und Dauerpräsenz. Bei uns wohnen immer Zivis, Hauswirtschafter, Freizeitgäste und so weiter. Aber dann kam endlich der vierte Advent. Wir wollten das Heim abschließen und bis Weihnachten einfach mal ruhig haben und privat sein.
Und dann, genau am vierten Advent, bekam meine Frau über Nacht plötzlich Schmerzen im Arm, so stark, dass sie nicht schlafen konnte. Sie tigerte herum, und meine Frau ist überhaupt nicht zimperlich. Es wurde immer schlimmer. Wir fuhren zum Notarzt, der ihr eine Schmerzspritze gab, doch das half nicht.
Der Arm wurde immer dicker, so dick wie ein Bein. Dann sind wir ins Krankenhaus. Der Notarzt, es war Sonntagnacht, sagte: „Wenn das in zwei Stunden nicht abschwillt, müssen wir den Arm künstlich aufschneiden, um Druckentlastung zu schaffen.“ Er sagte: „Ich habe jetzt noch eine OP vor mir, aber in zwei Stunden sehen wir uns den Arm nochmal an. Bitte füllen Sie schon mal den Narkosefragebogen aus.“
Da dachte ich: Das kann nicht sein. Wir wollen jetzt gleich zu Hause sein, Ruhe haben, Weihnachten feiern. Ich bin im Krankenhaus auf die Knie gegangen und habe gebetet: „Herr, du hast gesagt, wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, dann sagt ihr zu diesem Berg: Hebe dich hinweg. Ich habe nur einen Senfkorn-Glauben, einen kleinen Glauben, aber du hast große Kraft. Nimm doch diesen schlimmen Arm von meiner Frau weg. Bitte nimm diesen monströs geschwollenen Arm weg. Heb das Problem auf – ohne OP. Wir glauben, dass du die Macht dazu hast.“
Und was passierte? Der Arm wurde immer schlimmer. Meine Frau musste notoperiert werden. Nicht nur das: Es lief alles aus dem Ruder. Sie musste zweimal notverlegt werden – mit Hubschraubern. Sie war zehn Wochen lang im Krankenhaus. Ein Unglück jagte das nächste, und es wurde immer schlimmer. So sehr, dass die Ärzte irgendwann nicht mehr wussten, wie sie ihr Leben retten sollten – nicht nur ihren Arm.
Gott ist gut? Es gibt ungeheures Leid. Und dann singt der Chor: „Aber Gott ist gut.“ Wie passt das zusammen?
Atheisten sagen, dass das nur zusammenpasst, wenn es Gott nicht gibt. Es gibt viel Leid, Elend und Jammer auf der Welt, klar. Aber es gibt keine Instanz, die das für uns regelt.
Agnostiker sagen, es gibt vielleicht einen Gott, aber man kann es nicht genau wissen. Wenn es ihn gibt, hat er sich weit, weit zurückgezogen. Wir sind unserem Elend ausgeliefert. Gott ist fern und interessiert sich nicht für uns. Sonst müsste Gott doch eingreifen.
Aber der Chor singt: „Nein, Gott ist gut.“ Wie passt das zusammen? Wenn Gott gut ist und die Welt schlecht, dann ist Gott doch nicht allmächtig, oder? Dann könnte er doch etwas tun. Oder wenn Gott allmächtig ist und die Welt schlecht, dann ist Gott nicht gut.
Das ist ein bisschen provokant, was ich sage. Aber ich will das auch gleich ein wenig auflösen.
Die Bibel sagt, dass es auf den ersten Seiten der Bibel genau so war: Gott war grundlos gut zu uns, alles war sehr gut. Im Gegenteil dazu wollen wir unser eigener Gott sein.
Schlagt mal Lukas Kapitel 8 auf. Das hatten wir gerade bei uns in der Tageslese in der Hausandacht. In Lukas 8 ist mir etwas aufgefallen.
Dort finden wir ein kleines, süßes, zwölfjähriges Mädchen. Ihren Namen kennen wir nicht. Wir sagen immer nur „Jairus Töchterlein“. Vielleicht hieß sie Tamara, zwölf Jahre alt – und glücklich zwölf Jahre.
Aber schaut mal, wie es in dem Kapitel weitergeht. Dort finden wir noch eine andere Frau oder vielleicht schon eine reifere Frau. Sie leidet seit zwölf Jahren an Blutungen, die gar nicht zu stoppen sind. Sie hat es bei allen Ärzten versucht, mit allen möglichen Eingriffen und Therapien – dies noch und das noch. Sie hat ihr ganzes Geld darauf verwendet. Die Behandlungskosten haben alles gesprengt und aufgefressen.
Da gibt es also das kleine Mädchen, die Tamara, nur im Glück. Und da ist die andere Frau, die nur im Jammer und Elend lebt. Aber beide – oder sagen wir beide Parteien – rennen zu Jesus.
Ich habe mich gefragt: Wäre Jairus auch zu Jesus gekommen, ohne diese Not? Hätte er nicht zuhause mit Tamara Uno gespielt, oder? Wäre er zu Jesus gerannt, wenn es ihm gut gegangen wäre?
Ich glaube, wir brauchen so oft Leid und Kummer in unserem Leben, um uns zu vertiefen. Simon sagte eben: „Ich habe die Gemeinschaft mit Gott gesucht.“ Und das tun wir meistens nur, wenn wir irgendwie schreien möchten.
Viele Menschen sagen, Leid sei blindes Schicksal. Der Krebs sei nicht wählerisch, das könne jeden treffen. Das seien die Zufälle und Unfälle des Lebens, Punkt. Das seien blinde Naturkräfte.
Nein, das stimmt nicht.
Andere sagen, Leid sei Strafe Gottes, die Folge unserer Sünde. Und manchmal stimmt das ja auch. Da ist zum Beispiel ein Junkie hier in Bielefeld am Bahnhof, der sich irgendeinen Stoff spritzt. Danach bekommt er Hepatitis. Oder jemand erkrankt an einer Geschlechtskrankheit und AIDS durch seinen Lebensstil. Tja, das ist dann die Strafe Gottes.
Aber das ist auch ein bisschen anmaßend. Leid ist nicht immer Strafe Gottes.
Als die Jünger damals den Blindgeborenen sahen, fragten sie: Hat der gesündigt oder seine Eltern? Nein, das ist nicht die Antwort. Oder ich habe vorhin von diesem Tempelmassaker erzählt. Da fragten die Leute auch: „Hey, das waren bestimmt schlimme Sünder, oder?“ Nein, Leid ist nicht die Strafe Gottes, manchmal vielleicht, aber nicht immer.
Andere sagen, Leid kommt deshalb, weil wir Menschen frei sind, weil wir selbstbestimmt sind. Dann sei das eben die Kehrseite der Medaille. Erinnert ihr euch an Andreas Lubitz, den Piloten? Hat Gott die Maschine abstürzen lassen? Nein, da war ein selbstbestimmter Mensch, der nicht mehr leben wollte und die Maschine gegen die Felswand steuerte.
Leid sei der Preis der Selbstbestimmtheit, sagen viele.
Alfred Nobel hat das Dynamit erfunden. Das ist toll für einen Steinbruch und für den Wegebau. Aber dummerweise kann man es auch für Weltkriege und Bomben benutzen. So hat alles Kehrseiten – durch unsere Kreativität und durch unsere Bosheit.
Aber ist das die Antwort?
Manchmal ist Leid Gottes Gnade mit uns, dass er uns erzieht, dass er uns dahin bringt, wo wir anders niemals hinkommen. Und dazu will ich jetzt ein bisschen was erzählen.
Wir haben einen Bekannten, der Rettungssanitäter in Gummersbach ist. Er wurde zu einer Familie gerufen, weil ein kleines Kind, etwa anderthalb bis zwei Jahre alt, in die Agger gefallen war. Die Agger ist ein kleines Flüsschen bei uns. Das Kind wurde einige hundert Meter mitgerissen. Als die Eltern das Kind schließlich herausfischten, war es klinisch tot – es war ertrunken.
Mein Bekannter Thomas und sein Team reanimierten das Kind und begleiteten es auf dem ganzen Weg bis zur Kinderklinik in Köln. Seitdem ist das Kind schwerstbehindert. Jahre später traf Thomas die Eltern wieder. Sie erzählten ihm, dass das Kind ihr Leben komplett verändert habe. Sie seien endlich wesentlich geworden, hätten wieder über die Bedeutung des Lebens nachgedacht und sich auf den Weg gemacht, Gott zu suchen. Das ist krass und unglaublich!
Manche Menschen werden durch Leid hart wie Lehm, der in der Sonne aushärtet. Andere hingegen werden weich wie Wachs, formbar und nachgiebig. Was für ein Typ bist du?
Vor ein paar Jahren erzählte ein Junge in unserer Freizeitgruppe folgende Geschichte: Er und seine Mutter wollten in die Stadt zu einem Event gehen. In der Straßenbahn saß hinter ihnen plötzlich ein Betrunkener, der sich übergab. Dabei traf er die Mutter am Genick, und sie war von oben bis unten voller Erbrochenem. Warum lässt Gott so etwas Leid zu? Die Mutter schimpfte heftig, und sie mussten sofort umkehren, sich zu Hause umziehen.
Später hörten sie im Radio, dass gerade das Unglück auf der Love Parade passiert war. Sie waren auf dem Weg durch denselben Tunnelschacht, bevor sie umgekehrt waren. Manchmal gibt es Dinge, die wir nicht verstehen. Gedanken, die zu hoch für uns sind.
Aber was ist die Antwort auf unsere Fragen zum Leid? Ich möchte euch auf den Büchertisch hinten hinweisen. Dort liegen einige sehr gute Bücher, aus denen ihr vielleicht Gewinn ziehen könnt. Ihr könnt von den Erfahrungen anderer lernen und viele Fehler vermeiden.
Ich merke, der Trend geht dahin, dass die Jugend kaum noch liest – oder wenn, dann nur noch auf dem Reader oder Tablet. Darf ich mal um ein Handzeichen bitten: Wer hat in der letzten Woche ein Buch gelesen? Wow! Ich meine nicht nur einen Abreißkalender oder ein Stille-Zeit-Heft, sondern wirklich ein Buch.
Lest Bücher! Macht euch fit und nutzt eure Zeit, solange euer Gehirn noch frisch ist und ihr noch viel aufnehmen könnt. Greift zu! Ich habe gesehen, die Bücher sind subventioniert und sehr günstig. Packt sie ein, nehmt sie mit und lest!
Als wir noch kleine Kinder waren, fanden wir auf dem Sperrmüll altes Bürozeugs, Briefpapiere und allerlei Kram. Daraus richteten wir uns ein Geheimbüro ein und spielten Detektive. Ich erinnere mich noch genau daran, wie wir uns mit Zitronen und Zitronensaft Geheimpost schickten, die man nicht lesen konnte. Nur derjenige, der dann das Bügeleisen nahm oder den Brief über eine Kerze hielt, konnte die Schrift wieder sichtbar machen.
So ähnlich verhält es sich auch mit Gottes Verheißungen in diesem Buch. Viele von euch lesen darin und denken: „Oh, Jesaja, oh, Jeremia, das ist so langatmig“, oder „Buch Prediger“. Aber Simon sagte: „Ich habe heute Morgen Prediger Kapitel neun gelesen, und das hat mich sofort angesprochen.“ Wisst ihr, warum? Weil die Kerzenflamme des Leids eine unsichtbare Tinte sichtbar macht.
Wenn unser Leben mit den Verheißungen Gottes in Berührung kommt, muss auch die Hitze des Leids dazukommen – schwere Erfahrungen, damit wir es erfassen und verstehen können. Damit es uns tröstet. Viele Verheißungen der Bibel werden erst im Leid erfahrbar, sichtbar und kostbar.
Das haben wir als Ehepaar damals sehr intensiv erlebt. Davon möchte ich ein wenig berichten. Ich glaube sogar, dass Gott in seiner Weisheit – der gute Gott – für fast jedes Gebrechen eine Medizin in der Natur geschenkt hat. Die Natur bietet viele Heilmittel für körperliche Leiden. Aber für seelische Leiden hat er uns diese Medizin gegeben: dieses Buch.
Es ist unser Apothekenschrank für das Leid des inneren Menschen, für unsere Fragen nach dem Warum und für die Schmerzen der Seele.
Damals, als meine Frau ins künstliche Koma gelegt wurde, standen eine Operation nach der anderen an. Es folgten eine Hauttransplantation, Organversagen und eine Lungenentzündung. Die Situation wurde tagelang immer kritischer und schlimmer.
Plötzlich wurde sie ein wenig wach. Sie war intubiert, hatte einen Schlauch im Hals und wurde langsam wieder ins Bewusstsein gebracht. Sie schaute mich nur voller Verzweiflung an. An ihrem Blick erkannte ich, dass sie nichts mehr verstand. Die Situation war ungeordnet, chaotisch und verzweifelnd.
Damals flüsterte ich ihr nur ins Ohr: „Gabi, Gabi, sag ja, Vater, denn so war es wohlgefällig bei dir.“ Dabei fühlte ich mich wie ein Schuft. Wie konnte ich meiner leidenden Frau so etwas sagen? „Sag ja. Gabi, sag ja, Vater.“ Doch ich weiß noch genau, dass diese Worte bei Gabi etwas auslösten. Sie konnte sich in ihren Umständen ergeben und fand mitten in diesem Elend Frieden – einen Frieden, der höher ist als alle Vernunft.
Wer das verstehen möchte, kann das gerne nachlesen. Wir haben damals jeden Tag lange E-Mails geschrieben, in denen wir berichteten, was passiert war. Daraufhin erhielten wir Antworten von Freunden, die uns Trost und Hilfe schenkten. Das hat uns sehr, sehr getröstet und geholfen.
Ihr findet das Buch dort hinten am Büchertisch. Es war genau ein Jahr nach der Amputation meiner Frau, am Jahrestag, als wir am 29. Januar zusammen beim Frühstück saßen. Irgendwie war alles vorbei und überwunden.
Wir griffen zu diesem Andachtsbuch, kennt ihr das? „Licht für den Weg“. Vielleicht haben manche von euch es auch, aber wir lesen nur selten darin. Wir nahmen es aus dem Regal und schlugen am 29. Januar auf. Dort las ich: „Ja, Vater, denn also war es wohlgefällig vor dir.“
Meiner Frau und mir liefen die Tränen, als wir das lasen.
Dann schreibt William McDonald: „Bei fast jedem Menschen gibt es Dinge im Leben, die er sich selbst nie ausgesucht hätte, die er gerne los wäre, die aber nun mal nicht geändert werden können. Es kann sich um körperliche Behinderungen handeln, eine chronische Krankheit, die uns einfach nicht in Ruhe lässt, oder eine nervliche Störung, eine Gemütskrankheit.“
So viele Menschen leben ein Leben voller bitterer Niedergeschlagenheit und träumen davon: „Was wäre, wenn? Wenn ich doch nur größer wäre.“ Hier ist ein Bruder, der träumt vielleicht, dass er etwas kleiner wäre. Andere wünschen sich, besser auszusehen, in einer anderen Familie, einer anderen Rasse oder mit einem anderen Geschlecht geboren zu sein. Manche wünschen sich einen besseren Körperbau oder träumen davon, im Sport etwas zu erreichen.
Doch die Lektion, die diese Menschen lernen sollten, ist: Wahrer Friede liegt darin, anzunehmen, dass nicht geändert werden kann, was wir sind. Das sind wir durch die Gnade Gottes. Er hat unser Leben mit unendlicher Liebe und Weisheit geplant.
Wenn wir alles so beurteilen könnten wie er, hätten wir unsere Lebensumstände genau so eingerichtet, wie der Herr es getan hat. Deshalb sollen wir sagen: „Ja, Vater, so war es wohlgefällig vor dir, ja.“
Ich fand es großartig von Gott, dass er genau am Amputationstag, an einem Jahrestag, diese Andacht in dieses Buch hineingelegt hat. Genial!
Habt ihr schon einmal von Ernst Moritz Arndt gehört? Er war ein sehr patriotischer Heimatdichter. Doch er hat etwas Tragisches erlebt.
Er war am Rhein mit seiner Familie, und sein elfjähriger Sohn konnte, glaube ich, schon gut schwimmen. Doch dann sah er, wie der Junge unter ein Floß geriet, sich nicht mehr retten konnte und vor seinen Augen ertrank.
Daraufhin kniete sich Ernst Moritz Arndt am Ufer nieder und schrie zu Gott. Er wurde jedoch nicht bitter. Stattdessen schrieb er ein Lied:
„Ich weiß, woran ich glaube,
ich weiß, was festbesteht,
wenn alles hier im Staube
wie Sand und Staub verweht.
Ich weiß, was ewig bleibet,
wenn alles wankt und fällt,
woran die Wesen treibet
und Trug die Klugen prellt.
Ich kenne den Ewigvater.
Ich weiß, was ewig dauert,
ich weiß, was nimmer lässt,
mit Diamanten mauert
mir’s Gott im Herzen fest.
Die Steine sind die Worte,
die Worte hell und rein,
wodurch die schwächsten Orte
gar feste können sein.“
Wie wirst du reagieren, wenn du in Not gerätst, wenn du ins Feuer kommst, wenn du durchs Feuer musst?
Uns im Krankenhaus wurde es zu einer Hilfe, dass wir Lieder gesungen haben. Den Tipp gab mir mein Zivildienstleistender damals. Er sagte: „Andreas, auch wenn deine Frau im Koma liegt, sing ihr etwas vor. Sie bekommt das bestimmt unterbewusst oder unbewusst mit.“
So saß ich auf der Intensivstation und sang ihr zur Gitarre Lieder vor: „Gott wird dich tragen“, „Befiehl du deine Wege“, „Gott ist gegenwärtig“, „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ und so weiter. Ich bin überzeugt, dass in diesen Liedern ein Schatz auch für dich steckt.
Ich habe einen Freund, der ebenfalls mein Ex-Zivi ist. Er war in Nigeria, in einem Grenzgebiet zu Boko Haram. Er erzählte, dass nachts Schießereien stattfanden und er dachte, er würde sterben. Er befürchtete, dass ihre Missionsstationen überfallen würden.
Dann sagte er, dass all diese seichten Chöre ihm in dieser Situation nicht mehr halfen. Stattdessen gaben ihm die alten Choräle Halt, Trost und eine Perspektive auf Ewigkeit. Choräle statt Charts – in dir ist Freude, in allem Leide. Ja, so ist es.
Zurzeit werden überall in NRW die Autobahnbrücken saniert. Nach 25, 30 Jahren sind sie fällig. Aber die alten Römerbrücken stehen immer noch. So ist es auch mit den Liedern: Haltet an den guten, wertigen Liedern fest. Das sind Schätze. Menschen haben sie im Leid getextet – und sie bleiben.
Ich möchte euch jetzt noch erzählen, wie es mit meiner Frau weiterging, weil es ganz aktuell ist. Sie lebt seither mit nur einem Arm, und das ist schon eine riesige Einbuße. Versuch mal, eine Nylonstrumpfhose mit einem Arm anzuziehen – mach das morgen mal, das nervt wirklich. Oder versuch mal, einen Schirm mit nur einem Arm aufzuklappen, oder einen Schuh zu binden – das geht fast gar nicht.
Aber was mir bei meiner Frau gefällt: Ich habe sie noch keinen einzigen Tag jammern hören. Stattdessen hat sie Zuversicht. Sie steht morgens fröhlicher auf als ich und sagt jeden Tag: „Ja, Vater, so war es wohlgefällig vor dir.“
Jetzt will ich euch etwas erzählen, das sich bei uns ereignet hat. Wir sind gerade dabei, unser Freizeitheim umzubauen. Dabei mussten wir ein bisschen sanieren und hatten einen Fliesenleger bestellt – Fliesenleger Peter. Dieser Peter ist Pole und hat bei uns gearbeitet. Seine Familie wohnte noch in Polen.
Dann sagte meine Frau zu Peter: „Bleib doch auch zum Essen und zum Abendbrot.“ So ging das immer weiter, und dann sagte meine Frau: „Peter, du kannst auch schon zum Frühstück kommen, du bist ja alleine.“ Aber wenn du zum Frühstück kommst, dann bitte eine Dreiviertelstunde oder eine Stunde früher, weil wir morgens noch eine Hausandacht machen. Dann kannst du mitmachen.
Und so kam dieser Peter zu uns an den Tisch, war dabei, wenn wir in der Bibel lasen und zusammen beteten. Er hörte aufmerksam zu. Er kann noch nicht so gut Deutsch, aber es hat ihn so angelockt. Dann sagte er: „So Christen wie ihr gibt es in Polen nicht.“ Ich fragte ihn: „Peter, die gibt es doch auch in Polen?“ Er antwortete: „Ja, die müsstet ihr mir zeigen.“ Dann sagte ich: „Peter, dann besuchen wir dich mal, und dann zeigen wir dir solche Christen in Polen.“
Jetzt passierte das Komische: Peter lud uns im Sommer ein, ihn in Polen zu besuchen. Wir sind als Familie hingefahren, obwohl ich noch keine Adresse hatte. Wir beteten: „Herr, führe uns dort mit lebendigen Geschwistern zusammen in diesem schwarzkatholischen Polen.“ Tags zuvor hatte ich bei einer Hochzeit eine Frau kennengelernt, die mir eine Adresse geben wollte, aber sie hatte sie nicht dabei. Doch sie sagte: „Andreas, ich schicke dir die E-Mail mit der Adresse.“
Diese Frau hielt ihr Wort. Gerade beim Grenzübertritt bekam ich noch eine Nachricht auf mein Handy. Danach hatte ich in Polen keinen Empfang mehr, und mein Handy war die Tage komplett tot. Trotzdem hatte ich die Adresse.
Wir kamen also zu Peter nach Polen und trafen zum ersten Mal seine Frau. Sie war sehr couragiert, aber uns gegenüber sehr voreingenommen. Sie hatte schon längst Wind bekommen, dass ihr Peter in Deutschland in irgendeine Sekte geraten sei. Sie war kühl und reserviert.
Meiner Frau fiel es schwer, in dieser Familie zu Gast zu sein, besonders weil die Hausfrau so reserviert war und unsere beiden Kinder dabei waren. Es war alles ein bisschen kompliziert. Aber wir wollten so gern Peter und Maria für Jesus gewinnen.
Ich muss die Geschichte ein wenig abkürzen, sonst wird sie zu lang. Die Adresse, die mir die Frau geschickt hatte und von der sie wusste, dass es dort Christen gibt, hatte ich im Handy. Peter sagte dann: „Morgen besuchen wir meine Mutter in meinem Heimatort.“ Wir fuhren dorthin, in den Ort Kamień Pomorski. Ich schaute auf mein Handy und dachte: „Kamień Pomorski? Das gibt es ja gar nicht.“ Polen ist groß, aber genau aus diesem Ort gab es die Adresse, die einzige.
Es war Dienstag, als wir dorthin fuhren. Als Erstes gingen wir zu der Adresse, die die Frau mir geschickt hatte, weil Peter Christen in Polen kennenlernen wollte. Das Gemeindehaus war jedoch abgeschlossen, dunkel, die Klingel kaputt. Niemand war anzutreffen – schade.
Aber es gab auch eine Telefonnummer, und wir riefen an. Am anderen Ende sagte eine Stimme: „Das ist ja interessant, ihr könnt bleiben, denn heute Abend haben wir hier eine besondere Veranstaltung. Ein Trupp aus Skandinavien ist auf der Durchreise, sie werden hier essen und ein bisschen berichten, und dann fahren sie weiter. Ihr könnt gern dabei sein.“
Maria war sehr reserviert. Was würde das bedeuten? Was ist das für eine Gruppe? Warum erzähle ich das so ausführlich? Wir gingen an diesem Abend zu dieser Veranstaltung, ohne zu wissen, was uns erwartete. War es vielleicht eine ganz charismatische Truppe oder eine ganz verbohrte, gesetzliche Gruppe? Waren das gewinnende Geschwister oder eher abschreckende? Was würde passieren?
Wir kamen also in Polen, in dieser fremden Stadt, zu fremden Leuten. Maria kannte bisher nur die katholische Messe. Wie würde sie mit diesem ungewohnten Eindruck umgehen? Doch an diesem Abend hat Gott wirklich eine Tür aufgestoßen.
Es passierte Folgendes: Da war eine internationale Truppe auf der Durchreise. Sie sangen an diesem Abend ein paar Lieder auf Englisch, die ins Polnische übersetzt wurden. So konnten meine Frau, Peter und Maria alles verstehen.
Dann brachte ein Bruder eine Botschaft. Er predigte auf Englisch, und es wurde ins Polnische übersetzt. Wir konnten alles verstehen – das wäre sonst nie möglich gewesen in Polen.
Dann ging Peter nach vorne, tippte einen der Brüder an und sagte: „Ich habe hier Besucher aus Deutschland, die wollen auch noch etwas sagen.“ Wir standen völlig unvorbereitet auf und wurden nach vorne gebeten.
Da standen meine Frau mit einem Arm und ich. Kurz wurde Gabi nach ihrer Geschichte gefragt. Sie gab Zeugnis und am Schluss sagte meine Frau: „Ihr lieben Geschwister hier, wir sind extra nach Polen gefahren, um Peter und Maria zu besuchen. Bitte nehmt sie herzlich auf und führt sie zum Herrn Jesus. Dafür beten wir schon lange.“ Das wurde eins zu eins vor den Ohren von Peter und Maria übersetzt. Maria liefen die Tränen.
Dann geschah etwas Unglaubliches: Eine Dame kam nach vorne und sagte zu Gabi: „Du hast nur einen Arm. Wir haben hier ein paar hundert Meter weiter eine Schwester, die seit fünf Jahren querschnittsgelähmt im Bett liegt. Sie kann zu keiner Gemeindeveranstaltung mehr kommen. Würdest du sie besuchen? Vielleicht kannst du sie trösten.“
Meine Frau antwortete: „Wenn du mich übersetzt, ja.“ Dann ging meine Frau mit der Übersetzerin dorthin. Maria fragte: „Darf ich mit?“, und Peter sagte: „Darf ich auch mit?“ So gingen alle zusammen in das Nachbarhaus.
Stellt euch das vor: Alles ganz fremde Personen. Meine Frau kam dort hinein und sah so ein Elend. Da lag eine etwa 50-jährige Frau, die seit fünf Jahren zum Glauben gefunden hatte, aber ganz gelähmt war. Der Rücken offen, mit falschem Ausgang – ein sehr trostloser Anblick. Doch die Frau lag da und strahlte. Sie beobachtete, wie sich diese beiden Frauen kennenlernten, sich gegenseitig trösteten und Mut machten im Glauben, im Herrn.
Meine Frau sagte: „Mir fehlt nur ein Arm, aber du bist so elend.“ Die polnische Schwester im Bett antwortete: „Meine Mauer ist so hoch, deine Mauer ist vielleicht so hoch, aber mit meinem Herrn kann ich über die Mauer springen – und du auch.“
Diese beiden Frauen trösteten sich. Maria stand dabei und weinte und weinte. Sie konnte das nicht fassen. Das hat ihr Herz geknackt oder geöffnet.
Leid – warum lässt Gott das zu? Warum macht Gott das? Wir verstehen vieles nicht, aber im Rückblick wissen wir von vielen Menschen, die durch den Jammer meiner Frau zum Glauben gefunden haben oder Gott sich anvertraut haben.
Maria ist jetzt nach Deutschland zu ihrem Mann gezogen und liest seit letzter Woche intensiv die Bibel. Sie schaut kein Fernsehen mehr, sondern liest den McDonald-Kommentar auf Polnisch. Sonntags kommen sie mit zu uns in die Versammlungen.
Manchmal mutet Gott uns Dinge zu, die er selbst hasst, um etwas zu erreichen, das er liebt, sagt Joanie, die selbst im Rollstuhl sitzt.
Uns hat eine liebe Schwester, als meine Frau gerade aus dem Krankenhaus entlassen wurde, einen Thermomix geschenkt. Kennt ihr diese Geräte? Hast du auch einen? Sie sind ja ziemlich teuer, aber diese Schwester sagte: „Deine Frau hat jetzt einen Arm eingebüßt, sie braucht so ein Ding.“
Diese Schwester hat uns nun einen Text geschickt. Darin beklagt sich eine junge Frau bei ihrem Vater über ihr schweres Leben. Der Vater hört zu, sagt aber nichts. Stattdessen geht er in die Küche und holt aus dem Regal ein Bündel Möhren, ein paar Eier und eine Handvoll Kaffeebohnen.
Dann setzt er Wasser auf. Die Tochter fragt: „Was machst du, Papa? Warum kochst du heute?“ Der Vater stellt Töpfe mit Wasser auf den Herd. Zwanzig Minuten später nimmt er die Töpfe vom Herd.
Er legt die Möhren in eine Schüssel, die Eier in eine andere Schale. Das Kaffeewasser gießt er in einen Becher. Die Tochter fragt: „Bist du die Möhre, das Ei oder der Kaffee? Das verstehe ich nicht.“
Dann erklärt der Vater, was das mit schweren Situationen zu tun hat. „Schau mal: Die Möhre wird im Leid ganz weich, sie wird von Gott formbar und offen für seine Gnade und Barmherzigkeit, so wie diese Karotten hier. Sie lernt, mit anderen gnädiger und barmherziger zu sein.
Aber schau dir das Ei an: Vorher war es zerbrechlich und verletzlich, jetzt ist es fest, krisenfest. Auch du sollst in schweren Nöten Treue und Ausdauer lernen. Vielleicht kannst du so anderen Halt geben.
Und der Kaffee? Schau dir das mal an: An dem Kaffee scheint nichts geschehen zu sein, aber schau, wie er seine Umgebung verändert hat.“
Was für ein Leidtyp bist du? Macht Gott dich breiter und gefügiger? Macht er dich krisenfester? Oder wirst du für andere ein Segen im Leid? Das wäre schön.
Ich möchte zum Abschluss mit einer Geschichte aus dem Buch Daniel enden. Diese Geschichte ist euch allen wohlbekannt. Schaut aber genau hin, besonders in Daniel 3, denn dort geschieht etwas, das auch dir passieren kann.
In Daniel Kapitel 3 werden drei Freunde – wie es in unserer Überschrift heißt – ins Feuer geworfen. Sie durchlaufen den Glutofen der größten Versuchung. Schon vorher wussten sie, dass ihnen das droht. Trotzdem blieben sie standhaft und erklärten: Ob Gott uns errettet – und er kann es –, oder nicht, wir werden uns nicht beugen. Und wenn es für uns vorgesehen ist, dann gehen wir ins Feuer.
Schaut euch diese drei Freunde im Feuer an. Ich möchte daran, wie vorhin, vier kurze Punkte zum Schluss anfügen, die ihr euch vielleicht merken könnt.
In diesem Elend, in dieser riesigen Erprobung, als sie das Feuer durchlaufen müssen, geschieht etwas, das sie vorher noch nie erlebt hatten: Sie begegnen Gott selbst. Mitten im Glutofen sind sie plötzlich nicht mehr zu dritt, sondern zu viert. Mitten im Feuer merken sie: Gott, du bist da! Du bist unglaublich nah, du bist dabei.
Diese Erfahrung haben meine Frau und ich auch sehr intensiv im Krankenhaus gemacht. Auch wenn ich durchs Tal des Todesschattens wandere, bist du bei mir – gerade dann. Nicht, wenn wir leichtfüßig durchs Leben gehen, sondern wenn der Todesschatten uns berührt. Dann merken wir: Er ist da, er ist existenziell nah.
Hiob drückt es ähnlich aus: „Ich konnte dich vorher nur vom Hören sagen, aber jetzt haben meine Augen dich gesehen.“ (Hiob 42,5) Gott tritt hier zu ihnen in den Ofen. Einer, der wie die Göttersöhne ist, ist plötzlich bei ihnen.
Ich sage dir: Wenn du im Leid an Gott festhältst, wirst du genau diese Erfahrung machen. Du wirst hören: „Du bist bei mir. Du belohnst Vertrauen. Du zeigst dich gerade im Jammer.“ Gott hat nicht versprochen, das Feuer fernzuhalten, aber er sagt in Jesaja 43,1-2: „So spricht der Herr, der dich geschaffen hat, Jakob, der dich gebildet hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein. Wenn du durchs Wasser gehst, bin ich bei dir, und die Ströme werden dich nicht überfluten. Wenn du durchs Feuer gehst, wirst du nicht versengt, und die Flamme wird dich nicht verbrennen.“
Im Ofen zeigt sich: „Ich bin da!“ Das ist der erste Punkt. Gerade im Elend und im Leid können wir Gott am existenziellsten erfahren. So haben wir es erlebt.
Aber noch ein zweiter Punkt: Nebukadnezar hat sich vielleicht so einen Klappstuhl vor den Ofen gestellt und will sich ansehen, wie die drei jetzt schmoren. Plötzlich springt er auf und ruft: „Ach du lieber Schreck! Das sind ja vier! Habe ich Halluzinationen? Ist das irgendwie eine Fata Morgana? Zählt mal nach, das sind doch vier, oder?“
Da erschrak der König Nebukadnezar, stand eilends auf, hob an und sprach zu seinen Räten: „Haben wir nicht drei Männer gebunden ins Feuer geworfen?“ Sie antworteten und sprachen zu dem König: „Ja, gewiss, so ist es, König.“ Er antwortete und sprach: „Siehe, ich sehe vier frei wandeln mitten im Feuer, und keine Verletzung ist an ihnen. Das Aussehen des Vierten ist gleich einem Sohn der Götter.“
Das ist der zweite Punkt: Wenn du im Leid treu bist, können vielleicht ein paar Zeitgenossen einen Blick auf Gott durch dich werfen. Wenn du im Leid treu bist, kann man vielleicht bei dir Jesus sehen. Genau das hat hier Nebukadnezar erfahren. Es wurde für ihn ein Zeugnis, für ihn, den Ungläubigen.
Zu meiner Frau kam ein Brief ins Krankenhaus, drei Tage vor der Armamputation. Darin schrieb ein ungläubiger Nachbar, der zwei Dörfer weiter wohnt. Bis dahin war er ein militanter Gegner, weil seine Frau zur Gemeinde kam. Er hatte ihr christliche Bücher weggenommen und weggeworfen und ihr verboten, zur Gemeinde zu gehen.
Der Mann schrieb uns einen Brief ins Krankenhaus: „Liebe Gaby, lieber Andi, die vergangenen Wochen haben uns sehr erschreckt. Wie konnte das sein, diese Dramatik? Ich glaube zu ahnen, warum Gott das tut. Gott ist nämlich gnädig. Er hätte dich bestimmt gerne zu sich geholt, da er Gefallen an dir hat, Gaby, aber er tat es nicht. Warum nicht? Diese Gnade war in diesem speziellen Fall nicht nur für euch gedacht. Dieses Wunder, das wir alle auf einem Logenplatz miterleben durften, ist ein Zeichen für uns. Die Wirkung zeigt sich schon: Menschen, die plötzlich beten und die Nähe Gottes suchen. Ich bin dankbar für die Gnade Gottes. Unser Ziel ist es, dass wir die Gewissheit haben können, eines Tages bei Gott sein zu dürfen, wenn wir ihn annehmen. Und schön ist es auch, dass wir den Weg dorthin mit Freunden wie euch gehen dürfen.“
Ich konnte es nicht fassen. Dieser Mann schrieb plötzlich so einen Brief. Es war für uns wie Nebukadnezar vor dem Feuerofen. Vielleicht ist das so ähnlich gemeint, als Petrus in seinem Brief schreibt: „Ja, jetzt, wenn es nötig ist, werden wir betrübt durch mancherlei Versuchungen, damit die Bewährung unseres Glaubens viel köstlicher ist als die des Goldes, das vergeht, aber durch Feuer erprobt wird, zum Lob und zu Herrlichkeit und zur Ehre Gottes“ (1. Petrus 1,6).
Das ist der zweite Punkt: Nicht nur wir haben eine Begegnung mit Gott, sondern vielleicht auch andere, wenn wir mit Leid richtig umgehen.
Aber noch etwas Drittes: In der Geschichte in Daniel 3 – da verbrennt doch etwas, habt ihr das bemerkt? Die drei Freunde verbrennen nicht.
Ich meine jetzt nicht die Wächter, die vor dem Ofen versenkt wurden und umfallen. Habt ihr gesehen, was verbrannt ist? Dreimal wird betont, dass sie gebunden in den Ofen geworfen wurden, gefesselt. Sie fielen in den Ofen – dreimal heißt das, sie waren gebunden. Haben wir sie nicht gebunden hineingeworfen?
Aber dann sagt Nebukadnezar: „Ich sehe sie frei umherwandeln, mitten im Feuer.“ Was ist in den Flammen verbrannt? Die Fesseln. Merkwürdig. Warum?
Ich glaube, das tut Gott auch bei dir. So manche Bindungen, Einschränkungen und Begrenzungen des Lebens werden nur durch Leid gelöst und gelockert. Durch schwere Erfahrungen.
1. Petrus 1,6: „Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus, nachdem ihr eine kleine Zeit gelitten habt, der wird euch selbst vollkommener machen, reifer machen, weiterführen, befestigen, kräftigen, gründen. Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen!“
Wenn du im Leid nicht Gott abschwörst, so wie es Hiobs Frau geraten hat, sondern an ihm festhältst, dann werden Fesseln fallen. Gott prüft uns im Schmelzofen des Elends, aber er erledigt dabei auch, was uns fesselt, was uns einengt, was uns noch gefangen hält.
Bei meiner Frau war es sehr konkret so: Bei ihr ist etwas Fesselndes gefallen im Leid, nämlich ihre Befangenheit. Meine Frau war eine sehr scheue Person, sehr zaghaft und zurückhaltend. Sie konnte nie freimütig Zeugnis geben, weil sie sich schämte. Sie wäre nie auf die Straße gegangen, um Traktate zu verteilen oder Ähnliches – nie.
Aber jetzt kann sie frei von Gott reden, weil sie etwas mit ihm erlebt hat, weil sie ihn im Elend gesehen und getröstet wurde.
Meine Frau hat später geschrieben: „Ich muss mir eingestehen, mein bisheriges Christsein passte in eine behütete Familie, in ein stilvolles Wohnzimmer, in abgeschottete Gemeindehäuser oder in mitreißende Freizeiten. Aber das passte nicht in eine Unfallklinik. Mein Glaube hatte nichts zu tun mit den Nöten unserer Zeit, mit dem Elend dieser Welt.
Aber jetzt erkenne ich: Gott hat mir durch die schwere Zeit einen Stempel aufgedrückt. Er hat meinen Glauben autorisiert. Er ist echt. Er war schon vorher da, aber er war unbeglaubigt. Er hat sich angesichts des Todes bewährt und bewahrheitet.
Ich hatte in der Schwebe zwischen Leben und Tod wirklich keine Angst. Er hat mich mit tiefem Frieden und großer Sicherheit durchgetragen. Das Wort wurde Fleisch, ich habe seine Herrlichkeit angeschaut. Ich weiß jetzt, woran ich glaube. Ich habe Gott erlebt, und ich habe seitdem eine viel größere Liebe zu meinen Mitmenschen. Sie dürfen nicht verloren gehen.
Ich kann jetzt viel überzeugender von Jesus berichten. Man nimmt mir das jetzt vielleicht auch viel eher ab. Das habe ich mir früher immer gewünscht, aber nie gekonnt.“
Merkt ihr, da ist eine Fessel durchgebrannt.
Und noch etwas Viertes, und dann sind wir auch ungefähr am Ende. Als hier die drei Freunde aus dem Ofen spazieren, steht dort: Das Haar ihres Hauptes war nicht versengt, ihre Leibröcke waren nicht verkokelt oder verändert, und der Geruch des Feuers war nicht mehr an ihnen.
Wir hatten letzte Woche ein Frühstück, und unsere Haushälterin wollte den Tisch abdecken. Dabei beugte sie sich so im Überschwang vor und wollte mein Gedeck wegnehmen, blieb aber mit ihrem offenen Haar am Kerzenständer hängen. Plötzlich stand sie da, illuminiert vor mir in hellen Flammen. Ihr Haar brannte richtig. Zum Glück konnten wir das Feuer löschen, und es ist gut ausgegangen, aber unsere Wohnung hat gestunken.
Hier kommen drei Männer aus dem Feuer heraus, und man prüft nichts. Nicht einmal die Haare sind versengt, nicht einmal die Kleidung, gar nichts. Und das ist das größte Wunder, das ich bei meiner Frau attestiere. Sie hat eine schwere Zeit durchgemacht und hat es heute noch schwer als Einarmige. Aber an ihr ist keine Verbitterung, keine Resignation und auch kein wehleidiges Selbstbedauern zu spüren. Im Gegenteil, sie trägt das eher wie einen Wohlgeruch mit sich herum.
Und das kannst du auch. Ich weiß nicht, was es bei dir ist, was dich reduziert oder traurig macht. Ob du eine chronische Krankheit hast, eine Lernschwäche oder ein anderes Problem – worin auch immer deine Kümmernisse liegen: Vielleicht kannst du sie umwandeln und Gott genau darin verherrlichen. Ja, Vater sagen und ein Wohlgeruch werden mit diesem Leid, mit dieser Reduzierung. Warte nur auf Gottes Wende. Alles reimt sich erst am Ende.
Wir haben so oft Fragen, Fragen, Fragen, und die Antworten bleiben aus. Auch in unserem Leben stolpern wir von Zeile zu Zeile und verstehen das Reimschema überhaupt nicht. Wir begreifen Gott nicht, aber wir dürfen uns gewiss sein: Gott ist gut, und seine Gedanken sind so viel höher als unsere Gedanken. Seine Wege sind exorbitant höher als unsere. Erst nach der letzten Zeile, nach der letzten Silbe, nach der Zeit auf dieser Erde können wir uns einen Reim darauf machen – jetzt noch nicht.
Manchmal reimt sich das auch schon zwischen den Zeilen. Jesus hat gesagt in Johannes 13,7: „Was ich jetzt tue, verstehst du noch nicht, du wirst es aber bald verstehen.“ Das ist vielleicht auch das Fragezeichen über deinem Leben: Warum macht Gott das? Warum lässt er das zu? Noch verstehst du das Reimschema nicht. „Was ich jetzt tue, weißt du nicht, du wirst es aber danach verstehen.“
Und genauso auch in Johannes 16,22: „Ihr habt jetzt zwar Traurigkeit, aber ich werde euch wiedersehen, und an jenem Tag werdet ihr mich nichts mehr fragen.“ Dann kommt die Auflösung.
Alles reimt sich erst am Ende. Das ist unsere Hoffnung. Und das wäre mein Wunsch für euch, auch als junge Leute, die vielleicht noch viel unbeschwerter sind als Ältere: In den Erprobungen des Lebens haltet fest an dem treuen Gott und seiner Güte. „Was ich jetzt tue, weißt du nicht, du wirst es bald verstehen.“ Amen.
Lasst uns noch aufstehen und gemeinsam beten.
Unser Gott, du bist nicht der ferne, jenseitige Gott, der aus einem vollklimatisierten Himmel zuschaut. Du bist der heruntergekommene Gott, der mit Leiden vertraut ist, der in allem versucht wurde wie wir. Du kannst mitempfinden, auch mit jedem hier. Dafür preise ich dich, dass du uns kennst und liebst und dass du uns auf eine Bewährungsstrecke schickst in unserem Leben.
Wir möchten dieses Ja, Vater, lernen: in deine Wege einzuwilligen und zu erkennen, dass du es gut arrangiert hast. Du hast es in deiner Weisheit so vorgesehen.
Ich möchte dich auch bitten, diese jungen Leute hier zu befähigen, in Bielefeld und Umgebung etwas zu bewirken. Lass sie ein Gegengewicht setzen gegen Islamismus oder Materialismus. Ich bitte dich, dass du sie zu lebendigen Zeugen machst, an denen man dich erkennt, Herr Jesus.
Amen.