Die Überlegenheit der Liebe in Dauer und Größe
Verse vier bis dreizehn behandeln die Überlegenheit der Liebe. Dabei wird in den Versen acht bis zwölf ihre Dauer thematisiert, und in Vers dreizehn ihre Größe.
Die Liebe ist den Gnadengaben überlegen, weil sie diese überdauert (Vers 8 bis 12).
Die unbegrenzte Dauer der Liebe im Vergleich zu den Gnadengaben
Wir lesen zuerst Vers 8.
Die Formulierung „Die Liebe fällt niemals dahin“ oder „Die Liebe vergeht niemals“ könnte man unterschiedlich übersetzen.
Paulus sagt: Ob es Weissagungen sind, also Prophezeiungen, sie werden weggetan werden. Ob Sprachen, sie werden von selbst aufhören. Ob es Erkenntnis ist, sie wird weggetan werden.
Denn stückweise kennen wir und stückweise weissagen wir. Wann aber das Vollendete kommen wird, dann wird das Stückweise weggetan werden.
In den Versen 8 bis 10 zeigt Paulus, dass die Gnadengaben nur von begrenzter Dauer sind, die Liebe jedoch von unbegrenzter Dauer.
Zuerst stellt er in Vers 8a die unbegrenzte Dauer der Liebe dar. Im Gegensatz dazu beschreibt er von der Mitte des Verses 8 bis Vers 12 die begrenzte Dauer der Gnadengaben.
Das müssen wir uns jetzt genauer anschauen.
Präzise Betrachtung der Aussage in Vers 8
Erstens schauen wir uns die Aussage in Vers 8 genau an. Mir fällt immer wieder auf, dass in Diskussionen oft nicht exakt auf den Text geachtet wird. Man liest nicht genau, was hier steht.
Die Liebe fällt niemals dahin. Aber ob es Weissagungen sind – sie werden weggetan werden. Sprachen werden von sich aus aufhören oder abklingen. Kenntnis oder Erkenntnis wird weggetan werden.
Beachten Sie die verschiedenen Wörter: „weggetan“, „aufhören“, „weggetan“. Das ist keine bloße Stilvariante. Paulus schreibt nicht dreimal „weggetan“, weil es ihm langweilig ist, sondern verwendet bewusst unterschiedliche Begriffe. Das hat eine wichtige Bedeutung.
„Weggetan“ ist ein passives Wort. „Von sich aus aufhören“ ist im Griechischen eine Verbform im Medium. Wer Griechisch kann, weiß, dass Medium eine reflexive Bedeutung hat. Es bedeutet, dass etwas von selbst aufhört oder abklingt.
Das gleiche Wort kommt zum Beispiel in Apostelgeschichte 20 vor. Vielleicht sollten wir diese Parallele kurz ansehen. In Apostelgeschichte 20, Vers 1 heißt es: „Nachdem der Aufruhr aufgehört hatte.“ Dort steht, der Aufruhr habe sich gelegt oder sei abgeklungen. Genau dieses Wort wird verwendet: abklingen, aufhören oder sich legen – also abebben.
Wenn ein Aufruhr ist, ist es zuerst sehr laut. Dann wird es immer leiser, bis schließlich wieder Ruhe einkehrt. Genau das drückt dieses Wort aus.
Die Sprachen ebben ab. Was ist mit „Sprachen“ gemeint? Nicht unsere normalen Sprachen wie Deutsch oder Englisch, sondern das, was Paulus in Kapitel 12 beschrieben hat: die Gnadengabe, in einer Fremdsprache zu sprechen, die man nicht gelernt hat.
Das Phänomen der Zungenrede in der Apostelgeschichte
Das gab es. Am Pfingsttag gab es das sogar schon. Die Apostel konnten in fremden Sprachen sprechen. Dort sind 14 Sprachen aufgeführt. Wahrscheinlich waren es die zwölf Apostel, Jakobus, der Bruder des Herrn, Judas, ebenfalls ein Bruder des Herrn, und wer sonst noch dabei war. Jedenfalls sprachen sie in verschiedenen Sprachen, ohne diese gelernt zu haben.
Die Leute, die herbeikamen und sich dafür interessierten, was dort vor sich ging, hörten, wie die Apostel in fremden Sprachen beteten. Sie priesen Gott und verkündeten die Großtaten Gottes – und zwar im Gebet – in einer Fremdsprache. Es war also ein Sprachenwunder, das dort stattfand.
Dieses Sprachenwunder kam in der Apostelgeschichte öfter vor. In Caesarea geschah es ebenfalls, als die ersten Heiden zum Glauben kamen. Auch an einigen anderen Stellen konnten Menschen in ungelernten, fremden Sprachen sprechen und beten.
Offensichtlich gab es das auch in Korinth. Die Korinther waren darauf aus, und Paulus konnte ebenfalls in fremden Sprachen beten, ohne diese gelernt zu haben. Er sagte jedoch, dass diese Gabe auch wieder abklingen werde, wie er hier erklärt.
Unterschiedliche Dauer und Beendigung der Gnadengaben
Weissagungen werden weggetan, Sprachen werden abklingen und Erkenntnis wird weggetan werden.
Ah, hier habe ich es, jetzt hätte ich gar nicht suchen müssen: Apostelgeschichte 20,1 und auch Lukas 8,24. Dort steht: Er stand auf, gebot dem Wind und dem Gewoge des Wassers nach, und sie legten sich. Das gleiche Wort: Die Wellen ebten ab, oder es hat sich wieder beruhigt, abgeklungen. Die starken Wellen wurden still.
Und genauso ist es mit den Zungenreden, den sogenannten Zungenreden oder Fremdsprachenreden. Die Prophetie wird weggetan, irgendwann, wenn das Vollendete gekommen ist. Es steht da: Wenn das Vollendete gekommen ist, wird es weggetan. Das heißt passiv, jemand anderes tut es weg.
Die Ursache dafür, dass es weggetan wird, liegt außerhalb der Prophetie. Das heißt, nicht die Prophetie selbst hört auf, sondern jemand kommt und sagt: So, Schluss mit der Prophetie, fertig.
Bei der Sprachenrede ist das anders. Bei der Sprachenrede klingt sie von selbst ab, hört von selbst auf, irgendwann. Es steht nicht da, dass jemand sie wegnehmen wird.
Und bei der Erkenntnisrede, ebenfalls eine Gnadengabe, wird sie auch weggetan, wenn das Vollendete gekommen ist.
Also merken wir uns: Sprachenrede hört von selbst auf. Und die Begründung dafür: Es wird übrigens nicht gesagt, wann genau das aufhört. Aber wann die Prophetie weggetan wird und wann die Erkenntnisrede weggetan wird, das sagt er dann in den folgenden Versen.
Von der Sprachenrede redet er nicht mehr. Sie hört irgendwann von selbst auf. Das heißt, spätestens wenn der Herr kommt, ist sie schon längst verklungen, längst vorbei.
Die stückweise Erkenntnis und Prophezeiung
Vers 19 gibt die Begründung, Vers 9 sagt: „Denn stückweise kennen wir und stückweise prophezeien wir.“
Wann immer das Vollendete aber kommen wird, dann wird das Stückweise weggetan werden. Was heißt das nun?
Ich habe bereits erwähnt, dass das Sprachenreden hier weggelassen wird. Der Grund dafür steht nicht da, warum er jetzt vom Sprachenreden nicht mehr spricht. Aber er redet vom Prophezeien und von der Erkenntnisrede.
Der Grund für das Aufhören, das Weggetanwerden der Erkenntnisrede und des Prophezeiens liegt außerhalb von ihnen. Es ist also noch unbekannt, wann genau das weggetan wird. Aber was sagt er? Die Art und Weise des Lernens, des Erkennens, geschieht stückweise. Er sagt, heute erkennen wir stückweise.
Was bedeutet das? Das heißt, wir lernen stückweise. Leider ist das nicht so, dass wir alles auf einmal wissen würden. Wir würden das alle gern so haben, oder? Es wäre praktisch, in einer Sekunde alles zu wissen. Wenn Gott uns eine Pille geben würde, die wir einnehmen, und dann wüssten wir alles – das wäre ideal. Aber so funktioniert es nicht.
Wir lernen. Kinder lernen in kleinen Häppchen, und Christen lernen auch. Wir lesen die Bibel, arbeiten uns von Kapitel zu Kapitel und von Vers zu Vers vor. Wir arbeiten viel und erkennen immer mehr, aber es geschieht immer in Häppchen, in Stücken. Das ist das Wort hier: stückweise. Das prophetische Reden, das Erkennen geschieht in Stücken.
Er sagt dann weiter: „Denn wir erkennen stückweise und wir prophezeien stückweise.“
Was bedeutet das, „wir prophezeien stückweise“? Prophezeien heißt, von Gott her etwas geoffenbart bekommen, das man dann weitergibt. Prophezeiung in der Bibel setzt immer Offenbarung voraus. Ich kann nur prophezeien, wenn Gott mir vorher etwas gezeigt hat. Sonst kann ich nicht prophezeien.
Nun bin ich kein Apostel und kann also nicht sagen: „So spricht der Herr.“ Aber es kann sehr wohl sein, dass der Herr mir etwas gezeigt hat oder Ihnen etwas gezeigt hat. Zum Beispiel hat er Ihnen durch die Schrift etwas offenbart oder vielleicht in einer schwierigen Situation etwas gezeigt.
Manchmal gibt es ganz verworrene Situationen, und man fragt sich, wie wir da eine Lösung finden können. Die Gemeinde betet: „Herr, was ist die Lösung?“ Dann kommt jemand und sagt: „Geschwister, mir ist etwas klar geworden.“ Und die anderen sagen: „Mensch, warum haben wir das vorher nicht gesehen?“ Da hat der Herr diesem Menschen eine Lösung gezeigt. Die lag irgendwie auf der Hand, aber niemand hatte sie vorher. Jetzt ist sie da, und allen ist klar: Das ist die Lösung.
Es gibt Seelsorgefälle, schwierige Situationen, und da sagt der Seelsorger etwas in eine Situation hinein, das löst das Problem. Das ist oft Prophezeien. Manchmal merkt man gar nicht, dass man prophezeit hat. Ich habe das auch schon erlebt.
Ich habe einem Bruder gesagt – er hat lange überlegt, ob er umziehen soll. Er war ein sehr guter Mann in der Gemeinde, hat viel gearbeitet. Er merkte, seine Arbeit sei irgendwie getan, er solle umziehen. Aber dann dachte er an die Familie und die Kinder und sagte: „Nein, ich bleibe doch am Ort.“ Er hatte mir das schon gesagt, und ich wusste, dass ihn das beschäftigt.
Er kam ins Büro, wo wir uns manchmal getroffen haben. Es war nur ein Gespräch zwischen Tür und Angel. Er hatte seine Arbeit zu tun, ich war zufällig da. Ich sagte zu ihm: „Warum ziehst du nicht nach Salzburg? Schau, da gibt es viele Gründe, die dafür sprechen.“ Er hörte zu und sagte später: „Danke.“
Später erfuhr ich, dass er an diesem Morgen gebetet hatte: „Herr, ich brauche Klarheit. Gib mir doch klare, handfeste Argumente, dass ich umziehen soll.“ Und dann habe ich diese Sachen gesagt – ohne es zu wissen, war ich die Antwort auf seine Gebete. Ich habe für ihn prophezeit, eigentlich ohne zu wissen, dass ich prophezeit habe. Ich habe Licht in seine Situation gebracht.
Das gibt es oft. Manchmal predigt der Prediger etwas, und einer denkt: „Der redet nur für mich. Woher weiß der das?“ So etwas gibt es. Dann hat der Herr Licht in eine Sache gebracht, das ist Prophezeien.
Oder jemand hat eine Last auf dem Herzen – nicht Licht, sondern Last. Er trägt eine Last, und der Herr legt sie ihm schwer aufs Herz. Er muss darüber sprechen, mit einer Person oder predigen. Dann kommt er und sagt: „Ich muss dir das sagen.“ Für den anderen ist es genau das, was er brauchte.
Der Prophet hat Licht von Gott, und er hat eine Last von Gott. Aber das sind immer Stücke, nie das Fertige. Es sind immer kleine Stücke: ein Stückchen Licht hier, ein Stückchen Licht da, eine kleine Last hier, eine kleine Last dort.
Prophezeien geschieht stückweise, so wie das Erkennen stückweise geschieht. Prophezeien und Erkennen sind Tätigkeiten, die nur bruchstückhafte Einblicke liefern. Sie werden weggetan, wenn das Vollkommene, das Reife, das Vollendete da ist.
Das Vollkommene und der Übergang vom Kind zum Erwachsenen
Nächste Frage: Was ist das Vollkommene? Das erklärt Paulus in den nächsten Versen.
In Vers 11 sagt er: „Als ich ein unmündiges Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte ich wie ein Kind, rechnete ich wie ein Kind. Als ich aber ein Mann wurde, tat ich das Kindische weg.“
Paulus bringt hier ein persönliches Beispiel, um die begrenzte Dauer der Gnadengaben zu verdeutlichen. Er zeigt, dass es einen Zeitpunkt geben wird, an dem das Vollendete kommt. Dabei stellt er zwei Zustände mit entsprechenden Fähigkeiten gegenüber: den Zustand als Kind und den Zustand als Erwachsener.
Er sagt: „Als ich ein Kind war...“ und dann: „Als ich ein Mann wurde.“ Das Wort für erwachsen heißt in der Bibel auch reif oder vollkommen. Das Griechische kennt für reif, erwachsen und vollkommen nur ein Wort: teleios. Dieses Wort bedeutet reif, erwachsen und vollkommen.
Also: Als ich vollkommen wurde, das heißt, vollkommen in der Größe, dann wächst man nicht mehr weiter. Jetzt ist man erwachsen, ausgewachsen. Es gibt also einen Kindeszustand und einen Erwachsenenzustand, die hier gegenübergestellt werden.
Was meint Paulus genau? Er sagt, er war früher ein Kind, dachte und rechnete wie ein Kind. Dann wurde er ein Mann und dachte und rechnete nicht mehr kindisch.
Nun folgt die Übertragung: „Jetzt sehen wir in einem Spiegel in undeutlichem Umriss.“ Die Spiegel damals waren aus Kupfer und nicht so scharf wie unsere heutigen Spiegel. Man sieht unscharf, verschwommen.
„Dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, so wie auch ich erkannt wurde.“ Es geht also nicht darum, was man erkennt, sondern wie man erkennt. Die Art und Weise des Erkennens wird sich einmal ändern.
Irgendwann wird ein Zeitpunkt kommen, an dem wir den jetzigen Zustand ablegen und anders erkennen. Heute erkennen wir nur stückweise, später aber vollkommen, von Angesicht zu Angesicht. Der Ausdruck „von Angesicht zu Angesicht“ spricht von Begegnung und Beziehung.
Zu jenem zukünftigen Zeitpunkt erwartet Paulus, dass die Art des Erkennens vollständig sein wird. Dann werden wir mit einem Schlag alles erkennen. Wenn wir heute Fragen haben, werden diese dann sofort beantwortet sein.
Wann ist das? Wenn wir ihn von Angesicht zu Angesicht sehen, dann ist es so. Das ist der Zeitpunkt.
Die Gnadengaben sind begrenzt und dauern nur eine begrenzte Zeit. Sie gibt es nur für eine gewisse Zeit. Eines Tages kommt die Zeit, in der die Gnadengaben nicht mehr da sind. Aber die Liebe bleibt.
Die bleibende Bedeutung von Glaube, Hoffnung und Liebe
In Vers 13 kehrt Paulus zu dem Punkt zurück, dass die Liebe größer ist. Die Liebe ist größer als die anderen Tugenden, nicht nur als die Gnadengaben. Er sagt: „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; die größte aber von diesen ist die Liebe.“
Das „nun aber“ steht im Gegensatz zu „dann“ in Vers 12, wo es heißt: „dann werde ich erkennen, ganz oder so, wie ich erkannt worden bin.“ Das „nun“ bezieht sich auf die Gegenwart, also heute. Das „dann“ meint den Zeitpunkt, wenn ich von Angesicht zu Angesicht den Herrn Jesus sehe. Bis zu diesem Zeitpunkt bleiben Glaube, Liebe und Hoffnung.
Wenn Paulus sagt, „die Liebe bleibt“, meint er nicht, dass sie aufhört, wenn der Herr kommt. Wenn er sagt, „der Glaube bleibt“, heißt das nicht, dass der Glaube aufhört, wenn Jesus kommt. Und wenn er sagt, „die Hoffnung bleibt“, bedeutet das nicht, dass die Hoffnung endet, wenn der Herr Jesus kommt. Nein, diese Tugenden bleiben auch dann.
Jetzt, für heute, bleiben Glaube, Liebe und Hoffnung. Auch wenn die Gnadengaben spätestens dann aufhören, wenn der Herr Jesus kommt, wird die Liebe weiterbleiben, der Glaube wird weiterbleiben, und die Hoffnung wird ebenfalls weiterbestehen.
Warum ist das so? Die Hoffnung ist doch erfüllt, wenn der Herr Jesus da ist, oder? Bedeutet das, dass wir dann nichts mehr hoffen? Ist das Leben in der Ewigkeit hoffnungslos? Nein, ich möchte nicht hoffnungslos sein in der Ewigkeit. Es geht immer weiter, es geht immer weiter.
Warum? Weil Gott so groß ist und noch mehr hat. Man könnte sagen: „Ja, aber haben wir dann nicht alles?“ Doch, wir haben alles, aber wir sind keine Götter. Ich hatte eine Diskussion mit meiner Frau. Sie sagte, wenn wir beim Herrn sind, dann wissen wir alles, und es gibt keine Zunahme an Erkenntnis mehr. Wir erkennen alles.
Aber es gibt trotzdem eine Zunahme an Erkenntnis. Stellen Sie sich vor, Sie wissen alles und denken: „Boah, was soll ich jetzt machen? Jetzt weiß ich alles.“ Und am nächsten Tag in der Ewigkeit denkst du: „Wie überstehe ich den nächsten Tag? So langweilig, ich weiß schon alles.“ Niemals!
Gott ist unermesslich, unausforschlich. Was heißt das? Du kannst forschen und forschen und forschen, und nach Millionen Jahren in der Ewigkeit bist du noch immer am Anfang und sagst: „Mensch, ich bin erst ein kleines Kind, ich fange gerade erst an, etwas zu erforschen.“ Gott ist unausforschlich.
Wir werden Gott immer besser kennenlernen. Er ist die herrlichste Person des Universums – nein, nicht nur des Universums, sondern der über uns im Universum stehende, die Quelle des ganzen Universums, die Quelle allen Wissens.
Das heißt, es soll keine Hoffnung mehr geben in der Ewigkeit? Doch, es wird immer weiter Hoffnung geben. Ich freue mich schon auf den nächsten Tag und den nächsten Tag in der Ewigkeit. Und wie wird es erst in tausend Jahren in der Ewigkeit sein? Das ist Hoffnung. Es geht weiter.
Hoffnung bedeutet, dass etwas noch nicht ganz zu Ende ist, und die Ewigkeit ist niemals ganz zu Ende. Die eine Hoffnung, dass der Herr Jesus wiederkommt, wird erfüllt werden, keine Frage.
Wenn hier steht, dass Liebe, Glaube und Hoffnung bleiben, dann bleiben sie in aller Ewigkeit.
Die bleibende Bedeutung des Glaubens in der Ewigkeit
Glaube – warum bleibt Glaube? Was ist eigentlich Glaube? Wir sehen doch, wir brauchen keinen Glauben mehr. Ja, wir werden sehen, aber was bedeutet Glauben wirklich?
Glauben heißt nicht einfach nur, etwas nicht zu sehen. Glauben bedeutet, eine Beziehung zu haben – eine Vertrauensbeziehung zu jemandem, den man gerade kennenlernt. Wie ist das in der Ehe? Glauben Sie an Ihre Frau beziehungsweise glauben Sie Ihrer Frau? Nein, Sie vertrauen ihr. Ist da eine Vertrauensbeziehung? Ja, die Ehe beginnt mit Vertrauen.
Beziehung beginnt mit Vertrauen. Und wenn die Beziehung erst einmal da ist, vertraut man weiterhin. Dieses Vertrauen wächst ständig, und die Vertrauensbeziehung vertieft sich.
So ist es auch in der Ewigkeit. Gott wird eine ewige Vertrauensbeziehung zu uns haben, und wir werden ihm immer besser vertrauen. In der Ewigkeit werden wir keinen Schritt ohne ihn tun. Wir sagen: Herr, ich habe auf der Erde gelernt, keinen Schritt ohne dich zu tun, und jetzt lerne ich, in der Ewigkeit keinen Schritt ohne dich zu gehen.
Alles wird mit Gott gemacht in der Ewigkeit. Liebe ist größer als die anderen Haupttugenden, weil sie alle anderen überdauert.
Exkurs: Das Vollkommene und der Kanon der Schrift
Darf ich einen kurzen Exkurs machen? Manche Leute haben vielleicht schon gehört, dass das Vollkommene in 1. Korinther 13,10 nicht der Zeitpunkt ist, wenn der Herr kommt, sondern der Kanon. Haben Sie das schon gehört? Manche sagen, das Vollkommene sei, wenn das Wort Gottes fertig ist. Zum Zeitpunkt von Paulus war das Wort Gottes, also der Kanon, noch nicht vollständig. Das Neue Testament, so wie wir es heute haben, war damals noch nicht fertig geschrieben.
Wenn der Kanon vollständig ist, dann ist alles fertig, dann erkennen wir, und die Gaben hören auf. So sagen sie, dass die Gaben heute nicht mehr vorhanden sind, weil wir jetzt die Bibel haben. Das ist gut gemeint, aber nicht gut ausgelegt. Der Text spricht nicht vom Kanon. Man liest etwas in den Text hinein, was er gar nicht hergibt.
Es wird ein Unterschied gemacht zwischen dem Sprachenreden und den anderen zwei Gnadengaben. Das Sprachenreden wird aufhören, die anderen zwei Gaben, nämlich das Prophezeien und das stückweise Erkennen, bleiben bis zu einem gewissen Zeitpunkt. Denn es heißt, wir schauen von Angesicht zu Angesicht. Das passt nicht zum vollendeten Kanon. Man kann nicht sagen, dass im Jahr 70 oder wann auch immer die Bibel fertig war, das von Angesicht zu Angesicht Schauen gemeint ist.
Nein, das hat nichts mit dem Kanon zu tun. Das Wort „vollendet“ oder „vollkommen“ als Bezeichnung für den Abschluss des Kanons wäre absolut unüblich. Es passt aber gut zur Begegnung mit dem Herrn. In der Bibel wird oft gerade die Begegnung mit dem Herrn so beschrieben: Wir werden ihn von Angesicht zu Angesicht sehen.
Im Text geht es um die Art und Weise des Erkennens, nicht um einen Erkenntnisgegenstand wie den Kanon. Das Vollkommene bringt eine Veränderung des Erkennenden, nicht eine Veränderung des Zuerkennenden. Es geht also um die Veränderung von uns, nicht um die Veränderung der Bibel.
Ein weiteres Argument: Der Kindeszustand steht dem erwachsenen Zustand gegenüber. Es geht nicht um eine Ergänzung oder ein Wachstum in ein anderes Stadium, sondern das eine wird weggetan, das andere kommt – es ist ein Austausch. Das Kindische wird weggetan, aber die zur Zeit des Paulus bereits vorhandene Schrift wurde nicht weggetan, sondern ergänzt. Das passt überhaupt nicht auf den Kanon.
Der Kanon ist gewachsen, die Bibel ist gewachsen. Bis zu dem Zeitpunkt, als die Apostel gestorben sind, war der Kanon fertig, das Neue Testament komplett. Aber Paulus spricht hier nicht von Wachsen, sondern von Austauschen.
Der Übergang von „wir“ zu „ich“ in Vers 12 zeigt, dass Paulus noch lebt. Zum Zeitpunkt des vervollständigten Kanons war er jedoch schon tot. Also spricht Paulus von sich. Aber als der Kanon fertig war, war Paulus schon tot. Das passt auch nicht.
Paulus sagt: So wie ich erkannt wurde, werde ich eines Tages erkannt werden. Unsere Stückhaftigkeit ist jedoch seit Vollendung des Kanons nicht aufgehoben. Wie erkennen wir seit der Vollendung des Kanons? Hat sich das geändert? Gibt es jemanden unter uns, der sagt: „Ich erkenne jetzt anders, ich erkenne jetzt schlagartig alles“? Nein, das gibt es nicht. Das passt auch nicht.
Vers 13 bringt einen wichtigen erklärenden Zusatz: Gerade weil wir noch das Stückhafte haben, brauchen wir jetzt Glaube, Hoffnung und Liebe, die nicht stückhaft sind und die bleiben. Weissagung und Kenntnisrede sind begrenzte Hilfen. Glaube, Hoffnung und Liebe hingegen sind von grundsätzlicher und bleibender Wichtigkeit.
Die Liebe ist größer als die beiden anderen, weil sie im Gegensatz zu ihnen ewig ist. Die Liebe bleibt und ist die Basis für die anderen beiden. Ohne Liebe kein Glaube, ohne Liebe keine Hoffnung. Das geht gar nicht anders. Glaube und Hoffnung können nicht sein ohne die Liebe.
Das war der Exkurs. Jetzt darf wieder aufgepasst werden, für alle, die eingeschlafen sind.
Die Wunder und ihr Ende in der Kirchengeschichte
Zum Schluss noch: Wie ist es mit den Wundern? Hören sie auf? Wie ist es mit den Zungenreden? Da hat er gesagt, dass sie aufhören. Wann hören sie auf? Das steht nicht im Text. Aber wir haben eine Parallelstelle, die interessant ist.
Diese Parallelstelle spricht ebenfalls vom Aufhören oder eigentlich indirekt vom Aufhören. Sie befindet sich in Hebräer 2,3-4. Dort geht es um das Thema Wunder, Wunderkräfte und die Austeilung des Heiligen Geistes nach seinem Willen. Wir lesen:
„Wie werden wir entrinnen, wenn wir ein derart großes Heil missachten, welches seinen Anfang in der Verkündigung durch den Herrn nahm und im Weitergeben an uns von denen bestätigt wurde, die ihn gehört hatten, wobei Gott Zeugnis gab mit Zeichen und Wundern und mancherlei Kraftwirkungen und Austeilungen des Heiligen Geistes nach seinem Willen.“
Hier habe ich zwei Wörter rot markiert: „bestätigt wurde“ und „Zeugnis gab“. Warum habe ich das herausgestrichen? Warum habe ich das rot gemacht? Hier ist die Rede von Vergangenheit. Zum Zeitpunkt, als der Brief an die Hebräer geschrieben wurde, sagt der Schreiber: Früher gab es Wunder. Es gab Wunder, das Wort wurde bestätigt. Das heißt, er sagt nicht: „Es gibt immer noch Wunder, ihr Hebräerchristen.“ Was ist euer Problem? Schaut doch nach links und nach rechts! Die Totenauferweckungen, die Leute, die auf dem Wasser wandeln, die Menschen, die überall gesund werden, das Taschentuch, das vorbeigeht und die Leute gesund macht – nichts von dem geschah.
Als der Hebräerbrief geschrieben wurde, in den späten sechziger Jahren oder Mitte der sechziger Jahre, gab es keine Wunder mehr. Gerade deshalb gab es ja das Problem unter den Hebräerchristen, dass sie unsicher wurden. Er sagt: Damals wurde das Wort bestätigt. Damals, früher, als die Apostel noch gepredigt haben, wurde das Wort bestätigt. Gott hat Zeugnis gegeben, damals mit Zeichen und Wundern.
Jetzt, zu dem Zeitpunkt, als der Hebräerbrief geschrieben wurde, war das offensichtlich nicht mehr vorhanden oder jedenfalls nicht mehr in dem Maße, vielleicht sehr, sehr selten. Also das Aufhören der Wunder – man muss sagen, das Aufhören der häufigen Wunder – war schon im ersten Jahrhundert. Die vielen Wunder, die da geschahen, fanden im ersten Jahrhundert statt. Und das Zungenreden war auch jedes Mal ein Wunder. Wenn jemand in einer Fremdsprache reden konnte, die er nie gelernt hatte, und ein anderer diese Fremdsprache übersetzen konnte, die er nie gelernt hatte, dann war das ein Wunder.
Die Kirchengeschichte bestätigt das übrigens. Augustinus sagt, dass die Wunder der Vergangenheit angehören. Er hat keine mehr erlebt. Chrysostomus im vierten Jahrhundert, Isidor von Sevilla – sie alle haben sich zum Thema Wunder geäußert und bestätigt, dass die Wunder früher da gewesen waren, dass es Zungenreden gab, aber jetzt nicht mehr.
Und die heutige Erfahrung zeigt das ebenfalls. Es gibt keine Auferstehungen von halbverwesten Leichen mehr. Oder haben Sie irgendwo davon gehört? In Mannheim ist eine Leiche auferstanden? Nein. Es gibt keine Leichen, die schon vier Tage im Grab waren oder halb verwest sind und dann wieder auferstanden sind. Nein! Kein auftuendes Auge bei Blindgeborenen. Ich habe von niemandem gehört, dass irgendwo ein Blindgeborener durch ein Wunder sehend gemacht wurde. Das waren ganz besondere Wunder damals, zum Beispiel in Johannes 11 und Johannes 9. Von denen hören wir heute nichts mehr.
Es gibt natürlich auch heute Wunder, aber sehr, sehr selten. Oft sind die Berichte über Wunder nicht eindeutig. Man weiß nicht, ob es wirklich ein Wunder war oder ob übertrieben wurde. Das weiß ich nicht. Aber wir wollen nicht leugnen, dass es keine Wunder mehr geben soll. Warum sollte es keine Wunder mehr geben? Gott kann jederzeit Wunder tun, wenn er möchte. Aber die Häufigkeit gibt es nicht mehr.
Wir verfügen nicht über die Wunder. Ich kann nicht hier aufstehen und sagen: „Liebe Leute, morgen Abend haben wir eine Heilungsversammlung, und der Herr wird heilen.“ Bin ich Gott, dass ich bestimmen kann, wann er heilt? Das geht nicht.
Das ist es für heute. Ich denke, wir machen hier Schluss.