Einführung in die messianischen Prophezeiungen und Jesaja 53
Im Studium der messianischen Stellen im Alten Testament, die prophetisch auf Jesus Christus und sein erstes Kommen hinweisen, sind wir zu Jesaja 53 gekommen. Wir haben gerade erst damit begonnen und setzen heute die vertiefende Betrachtung fort.
Zu Beginn lesen wir Jesaja 52. Dieses Kapitel leitet das große Kapitel über den leidenden Messias ein, das von Jesaja 52,13 bis zum Ende von Kapitel 53 reicht.
Darf ich vorlesen:
„Siehe, mein Knecht wird einsichtig handeln, er wird erhoben und erhöht werden und sehr hoch sein. Wie sich viele über dich entsetzt haben: So entstellt war sein Aussehen mehr als das irgendeines Mannes und seine Gestalt mehr als die der Menschenkinder. Ebenso wird er viele Nationen besprengen, über ihn werden Könige ihren Mund schließen, denn sie werden sehen, was ihnen nicht erzählt worden war, und was sie nicht gehört hatten, werden sie wahrnehmen.
Wer hat unserer Verkündigung geglaubt? An wem ist der Arm des Herrn offenbar geworden? Er ist ein Trieb vor ihm aufgeschossen und wie ein Wurzelspross aus dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt und keine Pracht, und als wir ihn sahen, da hatte er kein Aussehen, dass wir Gefallen an ihm gefunden hätten.
Er war verachtet und von den Menschen verlassen, ein Mann, der Schmerzen und mit Leiden vertraut ist. Wie einer, vor dem man das Gesicht verbirgt. Er war verachtet, und wir haben ihn nicht geachtet. Jedoch unsere Leiden hat er getragen, und unsere Schmerzen hat er auf sich geladen. Wir aber hielten ihn für bestraft, von Gott geschlagen und niedergebeugt.
Doch er war durchbohrt um unserer Vergehen willen, zerschlagen um unserer Sünden willen. Die Strafe lag auf ihm zu unserem Frieden, und durch seine Striemen ist uns Heilung geworden. Wir alle irrten umher wie Schafe, wir wandten uns jeder auf seinen eigenen Weg. Aber der Herr ließ ihn treffen unser aller Schuld.
Er wurde misshandelt, aber er beugte sich und tat seinen Mund nicht auf, wie das Lamm, das zur Schlacht geführt wird, und wie ein Schaf, das stumm ist vor seinen Scherern. Und er tat seinen Mund nicht auf.
Aus Drangsal und Gericht wurde er hinweggenommen, und wer wird über sein Geschlecht nachsinnen? Denn er wurde abgeschnitten vom Land der Lebendigen. Wegen des Vergehens seines Volkes hat ihn Strafe getroffen.
Man gab ihm bei Gottlosen sein Grab, aber bei einem Reichen ist er gewesen in seinem Tod, weil er kein Unrecht begangen hat und kein Trug in seinem Mund gewesen ist.
Doch dem Herrn gefiel es, ihn zu zerschlagen, er hat ihn leiden lassen. Wenn er sein Leben als Schuldopfer eingesetzt hat, wird er nachkommen sehen, er wird seine Tage verlängern. Und was dem Herrn gefällt, wird durch seine Hand gelingen.
Um der Mühsal seiner Seele willen wird er Frucht sehen, er wird sich sättigen. Durch seine Erkenntnis wird der Gerechte, mein Knecht, den vielen zur Gerechtigkeit verhelfen, und ihre Sünden wird er sich selbst aufladen.
Darum werde ich ihm Anteil geben unter den Großen, und mit Gewaltigen wird er die Beute teilen. Dafür, dass er seine Seele ausgeschüttet hat in den Tod und sich zu den Verbrechern zählen ließ.
Er aber hat die Sünde vieler getragen und für die Verbrecher Fürbitte getan.“
(Jesaja 52,13–53,12)Die Bedeutung von Jesaja 53 für die jüdische Bekehrung
Dieses Kapitel ist ein Schlüsselkapitel für Juden, die sich bekehren. Man schätzt, dass es heute weltweit etwa 400 bis 500 bekehrte Juden gibt. In Israel selbst sind es zwischen 10.000 und 20.000. Die meisten leben also in der Diaspora, in der Zerstreuung.
Wenn man diese Menschen einzeln befragt, stellt man fest, dass für die meisten dieses Kapitel der entscheidende Schlüssel war, um zum Glauben zu kommen. Man nennt es das schlechte Gewissen des Judentums. Es wird nie in der Synagoge gelesen, und das lässt sich gut nachweisen.
Denn es gibt ein weltweit gültiges Verzeichnis, die Haftara, in dem alle Abschnitte verzeichnet sind, die während der Sabbatlesungen im Laufe des Jahres gelesen werden. So durchläuft man in einem Jahr alle fünf Bücher Mose. An jedem Sabbat sind bestimmte Abschnitte aus den Propheten vorgesehen. Dabei wird jedoch nie das gesamte Alte Testament gelesen.
Man sieht also, dass Jesaja 53 nicht in der Haftara-Lesung enthalten ist. Das bedeutet, der Durchschnittsjude, der zuhause kein Bibelstudium betreibt, kommt eigentlich nie mit diesem Kapitel in Berührung. Wird er jedoch mit diesem Kapitel konfrontiert, löst das eine starke Reaktion aus.
Viele sind gerade mit Hilfe dieses Kapitels zur Überzeugung gekommen, dass Jesus Christus der Messias ist. In ihm hat sich genau das erfüllt, was Jesaja über 700 Jahre vor Christus aufgeschrieben hat.
Historische jüdische Interpretationen des leidenden Messias
Und was wichtig ist: Es gibt manche Leute, die denken, dass es sich hier einfach um eine christliche Interpretation handelt, nämlich dass man dieses Kapitel nachträglich auf Jesus Christus bezieht.
Aber wir können sehr eindrücklich bis ins antike Judentum zurückverfolgen, dass im Judentum die Überzeugung allgemein verbreitet war, dass dieses Kapitel vom Messias spricht.
Dazu ein Beispiel aus dem Kommentar Midrasch Tanchuma, wohl etwa aus dem neunten Jahrhundert, also aus dem Mittelalter. Dort heißt es zu Jesaja 53, zu dem Satz in Kapitel 52, Vers 13: „Siehe, mein Knecht wird klug handeln, dies ist der König Messias, welcher hoch und erhöht und sehr erhaben ist, erhabener als Abraham, erhöht über Moses, höher als die dienenden Engel.“
Wenn wir vielleicht nochmals den Vers 13 lesen, liest das jemand bitte? Jesaja 52,13: „Siehe, mein Knecht wird einsichtig handeln, er wird erhoben sein, erhöht werden und sehr erhaben sein.“
Jawohl, diese drei Wörter „erhoben“, „erhöht“ und „erhaben“ werden hier ausgelegt. „Sehr erhaben“ bedeutet, er ist erhabener als Abraham, erhöht über Moses und höher als die dienenden Engel.
Das erinnert sofort an Hebräer 1 im Neuen Testament, wo genau vom Messias gesagt wird, dass er erhaben ist über alle und auch erhabener als die Engel.
Dann ein anderes wichtiges Zitat von Rabbi Al-Schesch aus dem sechzehnten Jahrhundert. Ich habe ja letztes Mal erklärt, dass im Mittelalter Rabbiner wie Raschi und Abrabanel die bis dahin übliche Interpretation geändert haben.
Sie sagten, um eben missionarische Versuche an Juden abzuwehren, dass dieses Kapitel nicht mehr auf den Messias bezogen werden sollte, sondern auf das Volk Israel. Der leidende Knecht sei das Volk Israel, das so viel gelitten hat in der Vergangenheit.
Aber eben noch Rabbi Al-Schesch im sechzehnten Jahrhundert sagte zu Jesaja 53: „Unsere alten Rabbinen haben auf das Zeugnis der Tradition hin angenommen, dass hier die Rede vom König Messias sei, Melech Maschiach auf Hebräisch. Daraus nehmen auch wir ihnen folgend an, dass für das Subjekt dieser Weissagung David, das ist der Messias, gehalten werden müsse, wie dies offenbar ist.“
Also sieht man die Klarheit der Gedanken, die Klarheit der Überzeugung: Es geht hier um den Messias.
In einer der ältesten Übersetzungen des Alten Testaments, im Targum Ben Uzziel zu den Propheten – das ist eine aramäische Übersetzung der Propheten – findet man oft nicht nur eine wörtliche Übersetzung, sondern auch interpretierende Zusätze.
Und hier bei „Siehe, mein Knecht“ wird in den Text eingesetzt: „Siehe, mein Knecht, Meschicha“, das ist Aramäisch für „der Messias“.
Auch da ist es ganz klar, und dieser Kommentar ist in allen Rabbinerbibeln enthalten. Die typischen Rabbinerbibeln in mehreren Bänden umfassen den ganzen Text des Alten Testaments in den größten Buchstaben im Druck.
Daneben steht in kleinerem Druck die aramäische Übersetzung, etwa Targum Onkelos, Targum Jonathan, Ben Uzziel usw. Darunter befinden sich die Kommentare aus dem Mittelalter, wie von Raschi, Abrabanel und anderen. Je nachdem, wie wichtig oder weniger wichtig ein Kommentator ist, wird die Schriftgröße angepasst.
So hat man auf einer Seite eine Fülle von Grundtext, mehrere Übersetzungen oder wenigstens eine Übersetzung in Aramäisch – bei den fünf Büchern Mose sind es sogar mehrere – und dann verschiedene Kommentare.
In jeder Rabbinerbibel steht also in der aramäischen Übersetzung: „Siehe, mein Knecht, der Messias.“
Die Dreifaltigkeit des Messias: Sieg, Leiden und Erhöhung
Beim letzten Mal haben wir bereits gesehen, dass der erste Vers in diesem Gedicht über den Gottesknecht zunächst den Sieg und das Endziel beschreibt, bevor die erschütternden Leiden des Messias dargestellt werden. Er wird erhoben – ein Hinweis auf die Auferstehung am dritten Tag. Er wird erhöht werden – ein Hinweis auf die Himmelfahrt vierzig Tage später. Und er wird sehr hoch sein, ein Hinweis darauf, dass er zur Rechten Gottes sitzt, so wie es auch schon in Psalm 110 verheißen wurde.
Nun kommen wir zu den Leiden. Liest jemand nochmals Vers 14?
„Gleichwie sich viele über dich entsetzen, so sehr war sein Angesicht entstellt, mehr als das irgendeines Mannes, und seine Gestalt mehr als die der Menschenkinder.“
Ja, bis dahin. Hier geht es um die Entstellung des Messias durch die Misshandlungen, die ihm angetan werden sollten. Es ist etwas schwierig zu übersetzen. Ganz wörtlich steht hier nämlich, dass sein Aussehen – das heißt, entstellt war sein Aussehen – mehr als das irgendeines Mannes, seine Gestalt mehr als die der Menschenkinder. Eigentlich steht im Hebräischen „weg von den Menschenkindern“. Das heißt, sein Aussehen war nicht mehr menschenähnlich, so entstellt. Also weg von dem eines Mannes und seine Gestalt weg von der der Menschenkinder.
Schlagen wir auf in Johannes 19. Es fällt auf, dass in den Berichten der Evangelien die Brutalität, die die Soldaten vor und während der Kreuzigung gegenüber dem Herrn ausübten, nur sehr knapp beschrieben wird. Sie wird nicht breit ausgeführt. Auch in Johannes 19, Vers 1, lesen wir:
„Darauf nahm Pilatus Jesus und ließ ihn geißeln. Und die Kriegsknechte flochten eine Krone aus Dornen, setzten sie ihm auf das Haupt und legten ihm einen Purpurmantel an.“
Ganz knapp und kurz wird beschrieben: „ließ ihn geißeln“. Aber natürlich wusste damals jedermann, was das bedeutete. Die römische Geißelung wurde von einem Soldaten ausgeführt, der so etwas wie ein Bodybuilder war. Er hatte nicht nur einfach eine Geißel, sondern an den Enden befanden sich Widerhaken oder spitze metallene Stücke. Dadurch wurde der gesamte Rücken des Gegeißelten aufgerissen und in eine blutige Masse verwandelt.
So verstehen wir, was es bedeutet, wie es hier steht:
„Gleichwie sich viele über dich entsetzt haben, so entstellt war sein Aussehen mehr als irgendeines Mannes und seine Gestalt mehr als der Menschenkinder.“
Wenn wir dazu noch einen Vers aufschlagen in Psalm 129, hören wir in Vers 3 die Stimme des Erlösers. Liest jemand?
„Auf meinem Rücken haben die Pflüger gepflügt und ihre Furchen langgezogen.“
Hier wird dichterisch ausgedrückt, was diese Geißelung bedeutete. Wie Pflüger, die ihre Furchen durch den Acker ziehen, so wurde der Herr misshandelt.
Auch auffällig ist, dass die Evangelien nicht im Detail beschreiben, wie das mit der Dornenkrone war. Aber natürlich wusste jeder in Israel, wie diese Dornen sein können: mehrere Zentimeter lang. Wenn man eine solche Krone aufsetzt, durchsticht sie die Haut an unzähligen Stellen, lässt das Blut in Rinnsalen herunterfließen, verfilzt sich mit dem Haar und ergibt eine furchtbare Erscheinung.
Im Alten Testament wird das mehr als 700 Jahre im Voraus beschrieben, und die Reaktion der Menschen wird sein, dass sich viele über ihn entsetzen. Das sehen wir auch sehr eindrücklich, als der Herr dann mit dem Kreuz nach Golgatha geführt wurde.
Schlagen wir kurz auf Lukas 23. Ich meine natürlich Kapitel 23. In Johannes 19 steht ergänzend, dass der Herr sein Kreuz tragend hinausging aus dem Stadttor. Es ist wichtig zu wissen, dass damals mit „Kreuz tragen“ nur der Querbalken gemeint war. Der Verurteilte trug nicht das ganze Kreuz. Die Soldaten setzten am Hinrichtungsort einen Stamm in den Boden, und der Querbalken wurde dem Verurteilten auf die Schultern gelegt. Auch dieser Querbalken wird im Griechischen „Stauros“ genannt. Dieses Wort kann das ganze Kreuz meinen, aber auch nur einen Pfahl oder nur den Querbalken. Der Kontext macht jedoch klar, dass, wenn es heißt, der Herr trug sein Kreuz und ging hinaus, damit der Querbalken gemeint ist.
Damit ist auch ein Beweis geliefert gegen Irrlehrer, die behaupten, das Kreuz Jesu sei kein Kreuz, sondern ein Pfahl gewesen. Theoretisch hätte es ein Pfahl sein können, aber im Fall des Herrn war es eben ein Kreuz.
Nun lesen wir Lukas 23, Vers 26:
„Und als sie ihn wegführten, ergriffen sie einen gewissen Simon von Kyrene, der vom Feld kam, und legten das Kreuz auf ihn.“
War das eine Nachhilfe für Jesus? Ja, wir müssen uns vorstellen: Der Rücken war in eine fleischige Masse verwandelt worden. Der Herr musste auf diesem Rücken diesen Holzquerbalken tragen. Das tat er eine Strecke lang. Dann, als Simon vorbeikam, musste er ablösen, und ihm wurde dieses „Patibulum“ aufgelegt. Im Lateinischen gibt es ein Wort für den Querbalken, das ganz spezifisch ist: das Patibulum.
Weiter heißt es:
„Es folgte ihm aber eine große Menge Volks und Frauen, die wehklagten und ihn bejammerten. Jesus wandte sich aber zu ihnen und sprach: ‚Töchter Jerusalems, weint nicht über mich, sondern weint über euch selbst und über eure Kinder. Denn siehe, Tage kommen, an denen man sagen wird: Glückselig die Unfruchtbaren und die Leiber, die nicht geboren, und die Brüste, die nicht gestillt haben! Dann werden sie anfangen, zu den Bergen zu sagen: Fallt auf uns! Und zu den Hügeln: Bedeckt uns!‘“
Denn wenn man dies tut am grünen Holz, was wird an den Türen geschehen?
Es wurden auch zwei andere hingeführt, Übeltäter, um mit ihm hingerichtet zu werden. Als sie an den Ort kamen, der Schädelstätte genannt wird, kreuzigten sie dort ihn und die Übeltäter, den einen zur Rechten, den anderen zur Linken.
Genau so, wie diese Menschenmassen entsetzt waren, als sie ihn sahen – „gleichwie sich viele über dich entsetzt haben, so entstellt war sein Aussehen“ – so beklagten und bejammerten ihn die Frauen.
Der Herr spricht zu ihnen und sagt, sie sollten besser über ihre eigenen Kinder jammern. Dabei deutet er die Katastrophe an, die als Gericht Gottes über die Verwerfung des Messias über Jerusalem kommen würde.
Tatsächlich haben die Römer im Jahr 70 Jerusalem vollständig zerstört. Das betraf auch die Kindergeneration. Der Herr sagt, dass man dann sagen wird: „Glückselig, die nicht geboren haben!“
So war es also. Knapp vierzig Jahre später kam die Zerstörung Jerusalems, bei der mehr als eine Million Menschen ums Leben kamen. Die Römer kreuzigten unzählige Juden rund um Jerusalem, und etwa hunderttausend wurden in die Kriegsgefangenschaft abgeführt.
Der Herr sagt: „Wenn man dies am grünen Holz tut, was wird an dem Dürren geschehen?“ Er war das grüne Holz. Und all jene, die keine lebendige Beziehung zu Gott hatten, werden mit dürren Holzstücken verglichen. Was wird mit ihnen geschehen?
Weiter sehen wir auch wieder, wie die Evangelisten nur das Nötigste sagen, ohne unnötige Ausschmückungen: „Und sie kreuzigten ihn daselbst.“
Wie das genau vonstattenging, kann man sich kaum vorstellen. Die meisten Menschen würden das heute gar nicht ertragen. Die Schreie der Gekreuzigten wären kaum auszuhalten.
Auch hier stellt sich die Frage: Wie wurde der Herr gekreuzigt? Die Römer gingen verschieden vor. Es konnte sein, dass jemand mit Stricken gebunden wurde. Aber im Fall des Herrn wissen wir, dass er genagelt wurde.
Woher wissen wir das? In Johannes 20 sehen wir, wie der Herr die Wundmale in seinen Händen und Füßen zeigt – die Wundmale der Nägel. Das haben wir in anderem Zusammenhang schon besprochen.
Heute wissen wir genau, wie die Römer das getan haben. Bis vor einigen Jahren hatte man nie Überreste von Gekreuzigten gefunden. Normalerweise wurden die Gekreuzigten verbrannt oder anderweitig entsorgt.
Aber eine Ausnahme gab es: Vor einigen Jahren, bei Straßenarbeiten in Jerusalem, wurde eine Höhle freigelegt. Dort fanden sich viele Ossuarien. Das sind kleine Steinboxen, in die man die Knochen der Toten legte.
Zuerst wurden die Toten ausgelegt, etwa ein Jahr lang auf einer Steinbank. Sobald das Fleisch verwest war, sammelte man die Knochen und legte sie in ein solches Ossuarium zum Zweitbegräbnis. Diese Ossuarien wurden in den Grabkammern in kleine Nischen eingesetzt. So konnte eine ganze Familie in einer kleinen Grabhöhle beerdigt werden.
Im Fall einer Ausnahme wurde nun Folgendes gefunden: Die Knochen eines Mannes, dessen Name auf dem Ossuarium stand – Jochanan, hebräisch Hans. Am Fersenknochen war noch ein etwa zehn Zentimeter langer Nagel vorhanden. Man zog den Nagel nicht mehr aus der Ferse heraus. An diesem Nagel befanden sich kleine Reste von Olivenholz. Daraus lässt sich schließen, dass dieser Mann an einem Ölbaumholz gekreuzigt worden war.
Außerdem waren beide Unterschenkel gebrochen. Die führenden Juden wollten, dass die Gekreuzigten noch vor Schabbatbeginn abgenommen werden, weil in der Tora steht, dass man Gehängte nicht über Nacht hängen lassen soll. Da es ein Festtag war, hatten sie bei Pilatus angefragt, ob sie die Gekreuzigten vorher herunterholen könnten, und er stimmte zu.
Um den Tod zu beschleunigen – denn eine Kreuzigung konnte unter Umständen bis zu 14 Tage dauern, was das Extremste war –, schlugen Soldaten den Mitgekreuzigten mit Hammerschlägen die Schenkelknochen. Dadurch konnten sie nicht mehr auf ihren Nägeln stehen, um Luft zu holen, und starben innerhalb von etwa drei Minuten.
Als die Soldaten dann zum Herrn kamen, stellten sie fest, dass er schon tot war. Darum brachen sie ihm die Knochen nicht, wie es im Psalm 34, Vers 20 vorausgesagt war:
„Kein Knochen wird an ihm gebrochen werden.“
Gott ließ keine weitere Schändung mehr zu.
In Jesaja 53, Vers 9 lesen wir:
„Und man bestimmte sein Grab bei Gottlosen, aber bei einem Reichen war er in seinem Tod, weil er kein Unrecht getan hatte und kein Betrug in seinem Mund gewesen ist.“
Vorgesehen war das Grab der Gesetzlosen, der Reschaim – das sind die Rebellischen, die Gesetzesbrecher, die sich gegen Gott auflehnen. Das hätte die Verbrennung bedeutet.
Aber bei einem Reichen war er in seinem Tod.
Lukas 23 berichtet, wie Joseph von Arimathia, einer der höchsten Priester im Tempel von Jerusalem, sein eigenes Grab zur Verfügung stellte. Schlagen wir Lukas 23 ab Vers 50 auf. Liest jemand?
„Und siehe, ein Mann mit Namen Joseph, der ein Ratsherr war, ein guter und gerechter Mann, der nicht eingewilligt hatte in ihren Rat und ihre Tat, von Arimathäa, einer Stadt der Juden, der das Reich Gottes erwartete. Dieser ging hin zu Pilatus und bat um den Leib Jesu. Und als er ihn abgenommen hatte, wickelte er ihn in ein Leinentuch und legte ihn in eine Felsen gehauene Gruft, worin noch nie jemand gelegen hatte.“
Joseph von Arimathia hatte sich zu Lebzeiten mit seinem eigenen Tod auseinandergesetzt und deshalb sein Felsengrab schon bereitgestellt. Das ist ein interessanter Gedanke, denn in unserer Gesellschaft wird das Sterben so weit wie möglich verdrängt. Hier sehen wir, dass es offensichtlich nicht unüblich war, sein eigenes Grab zu Lebzeiten bereit zu stellen.
Joseph war ein Ratsherr. Was bedeutet dieser Titel? Man könnte denken, er sei ein Mitglied des Hohen Rates. Aber das ist nicht der Fall.
Zum Beispiel wird in Johannes 3 über Nikodemus gesagt, dass er ein Oberster war – das griechische Wort „Archon“ bezeichnet ein Mitglied des höchsten Gerichtshofs Israels unter der Leitung des Hohenpriesters. Es gab siebzig Richter, also insgesamt einundsiebzig, wobei der Hohe Priester der oberste Richter war.
Der Begriff „Ratsherr“ hier ist ein spezieller Ausdruck, der im Neuen Testament nur hier vorkommt und auch im Talmud. Der Talmud ist ja aramäisch und hebräisch. Dort gibt es im Hebräischen ein Wort, das genau nach diesem griechischen Wort „Ratsherr“ gebildet ist – eigentlich ein Fremdwort im Hebräischen.
Dieses Wort bezeichnet eine Gruppe von vierzehn Priestern, die die vierzehn höchsten Priester nach dem Hohen Priester waren. Das war ein spezieller Priesterrat.
Zur Zeit Jesu gab es sogar einen speziellen Zugang von Süden her in den innersten Vorhof, der „Kammer der Ratsleute“ genannt wurde. Das war ein Versammlungsraum im Bereich des innersten Vorhofs, in dem sich diese vierzehn Ratsleute trafen.
Mit anderen Worten: Joseph von Arimathia war einer der höchsten Priester Israels, direkt unter dem Hohen Priester.
Er war zunächst ein versteckter Jünger Jesu, wurde schließlich mutig, trat aus der Verborgenheit heraus und stellte sein Grab dem Herrn zur Verfügung. So wurde Jesaja 53,9 erfüllt.
Die Wirkung des leidenden Messias auf die Nationen
Ja, gehen wir weiter zu Kapitel 52, Vers 15. Liest nochmals jemand Vers 15?
Ebenso wird er viele Nationen in Staunen versetzen. Über ihn werden Könige ihren Mund verschließen, denn sie werden sehen, was ihnen nicht erzählt worden war und was sie nicht gehört hatten. Werden sie wahrnehmen? Ja.
Eigentlich ist das ja ein Satzteil. Das Ganze beginnt ja in Vers 14: „Wie sich viele über dich entsetzt haben.“ Dann folgt dieser Einschub: „So entstellt war er, dass er nicht mehr menschenähnlich war.“ Und dann heißt es weiter: „Ebenso wird er viele Nationen in Staunen versetzen.“ So, wie er viele zum Entsetzen gebracht hat, so wird er viele zum Staunen bringen.
Das hebräische Wort hier könnte theoretisch nach Wörterbuch auch „besprengen“ bedeuten. Die Person, die vorhin gelesen hat, hatte das auch so in der Übersetzung. Aber sinngemäß und vom Textzusammenhang her ist es besser, „in Staunen versetzen“ zu sagen. Und das ist dann auch der Kontrast: So wie sich viele entsetzt haben, so wird er viele in Staunen versetzen. Also: Ebenso wird er viele Nationen in Staunen versetzen. Über ihn werden Könige ihren Mund verschließen.
Hier werden die Völker dieser Welt ins Visier des Propheten gerückt. Es wird gesagt, dass viele Nationen einmal von der Misshandlung des Messias erfahren werden. Wenn wir dann zurückblicken ab dem ersten Jahrhundert, können wir sagen: Ja, tatsächlich wurde die Botschaft von Jesus Christus ausgebreitet und hat im Laufe der Jahrhunderte und jetzt Jahrtausende tatsächlich alle Nationen der Welt erreicht.
Millionen von Nichtjuden haben diese Botschaft gehört, von dem misshandelten Messias, der für unsere Sünden leiden sollte. Und eben hier wird sogar gesagt, viele Könige werden ihren Mund verschließen, wenn sie das hören – also aus Ehrfurcht ergriffen.
Wir sehen, wie das begonnen hat: Wo sehen wir im Neuen Testament schon einen ersten König, der mit der Botschaft des Evangeliums konfrontiert wurde? König Agrippa. Der Apostel Paulus hat ja als Angeklagter eine evangelistische Rede gehalten (Apostelgeschichte 26). Später kam der Apostel Paulus vor den Kaiser von Rom. Er war zwei volle Jahre in Gefangenschaft, so endet die Apostelgeschichte. Dann kam er vor den Kaiser und konnte dort das Evangelium bezeugen.
Welcher Kaiser war das? Das war Kaiser Nero. Also er hat direkt von Apostel Paulus die Botschaft gehört. Das ist die Anfangszeit. Aber wenn wir daran denken, dass das Evangelium durch alle Jahrhunderte hindurch zu unzähligen Königen und Millionen von Menschen aus den Nationen gelangt ist, sehen wir, dass viele diese Botschaft gehört und sind in Staunen versetzt worden.
Denn das Evangelium ist wirklich etwas, das gar nicht menschengemäß ist. Es gibt keine Religion, die eine Ähnlichkeit mit dieser Botschaft hat: Dass Gott von oben zu uns kommt, um stellvertretend für unsere Sünden zu leiden – als Mensch am Kreuz – und dann wieder aufzuerstehen. Das ist ohne Parallele.
Man sieht, das ist ein Gedanke, der den Menschen gar nicht in den Sinn gekommen wäre, ihn zu erfinden. Sonst gäbe es doch irgendwo in allen möglichen Religionen Parallelen. Aber zum Evangelium gibt es keine Parallele. Es ist absolut einzigartig, und Millionen haben darüber gestaunt.
Dann wird weiter gesagt: „Denn sie werden sehen, was ihnen nicht erzählt worden war, und was sie nicht gehört hatten, werden sie wahrnehmen.“ Sie werden eine Botschaft wahrnehmen. Der Apostel Paulus sagt zum Beispiel in Galater 3, er hätte ihnen „Jesus Christus als gekreuzigt vor Augen gemalt“. Und da hat sich erfüllt, dass sie sehen, was ihnen nicht erzählt worden war, durch diese anschauliche Predigt, und eben hören, was sie sonst noch nie gehört hatten.
Als Georg Friedrich Händel den Messias komponiert hatte, wurde das Werk zum ersten Mal in London aufgeführt. Als der Chor und das Orchester das Halleluja aufführten, stand King George spontan auf, der König, aus Ehrfurcht. Dann standen alle Leute auf, und so ist es heute üblich. Bei uns weniger, aber in der englischsprachigen Welt ist das üblich: Immer wenn der Messias von Händel beim Halleluja aufgeführt wird, stehen alle Zuhörer auf – ebenso wie der König damals aus Ehrfurcht.
Ja, daran habe ich gedacht, eben in Verbindung mit der Aussage „Über ihn werden Könige ihren Mund verschließen“ – staunen über diese Botschaft des Messias.
Unglaube im jüdischen Volk und Erfüllung der Prophezeiung
Ja, dann gehen wir weiter zu Kapitel 53. Vers 1 lautet: „Wer hat unserer Verkündigung geglaubt, und der Arm des Herrn, wem ist er geoffenbart worden?“
Der Prophet ist von Staunen erfüllt. Er fragt sich, warum dieser Botschaft so wenig Glauben geschenkt wird. Vorhin sagte er, viele Nationen würden erstaunt sein. Doch jetzt fragt er: Wer hat unserer Verkündigung geglaubt, und wem ist der Arm des Herrn offenbar geworden?
In den weiteren Versen beschreibt der Prophet, wie sein eigenes Volk dem Messias mit Ablehnung begegnet. Es geht also um den Unglauben im jüdischen Volk gegenüber dem Messias.
Wenn wir diese Stelle im Johannesevangelium nachschlagen, sehen wir, dass genau diese Stelle von Johannes zitiert wird. Wir lesen in Johannes 12,37-41: Obwohl Jesus so viele Zeichen vor ihnen getan hatte, glaubten sie nicht an ihn. Damit erfüllte sich das Wort des Propheten Jesaja, der gesagt hatte: „Herr, wer hat unserer Verkündigung geglaubt, und wem ist der Arm des Herrn geoffenbart worden?“
Johannes sagt, obwohl Jesus Christus sich als Messias durch all die Zeichen und Wunder bewiesen hatte, die die Propheten angekündigt hatten und die er in seinem Leben vollbrachte, glaubten nur wenige an ihn.
Als Beleg zitiert Johannes Jesaja 53,1: „Herr, wer hat unserer Verkündigung geglaubt, und wem ist der Arm des Herrn offenbar geworden?“ Jesaja 53,1 zeigt das Erstaunliche am Unglauben im jüdischen Volk, während Vers 15 das Erstaunliche zeigt, wie viele Millionen unter den nichtjüdischen Völkern den Messias erkennen werden.
Genau das ist eingetreten. Wenn wir auf 2000 Jahre Missionsgeschichte zurückblicken, sehen wir, dass tatsächlich Millionen von Menschen eine bewusste Hinwendung zu Jesus Christus gemacht haben. Sie bekannten ihre persönliche Schuld vor Gott im Gebet und nahmen Jesus Christus als ihren Retter an, der stellvertretend für sie gestorben ist.
Doch durch die Jahrhunderte hindurch waren es immer sehr wenige Juden, die zum Glauben an den Messias Jesus kamen.
In Johannes 12,39-40 wird weiter erklärt, warum sie nicht glauben konnten: „Gott hat ihre Augen verblendet und ihr Herz verhärtet, damit sie nicht mit den Augen sehen, noch mit dem Herzen verstehen und sich bekehren.“
Dieser Vers ist ein Zitat aus Jesaja 6, wo Jesaja die Herrlichkeit Gottes gesehen hatte. Dort sah er den Ewigen auf dem Thron – das war die Herrlichkeit Jesu. Er hat also den Sohn Gottes in seiner Herrlichkeit gesehen, noch bevor dieser Mensch wurde.
In Jesaja 6 wird gesagt, dass als Gericht eine Verblendung über das jüdische Volk kommen würde. Gott hat ihre Augen verblendet und ihr Herz verstockt.
So erfüllt sich die Prophezeiung, dass durch die Jahrhunderte hindurch so wenige Juden zum Glauben kamen, obwohl sie aus den rabbinischen Schriften wussten, dass Jesaja 53 vom Messias spricht. Jesus von Nazareth hat genau das erfüllt, was in Jesaja 53 steht, und dennoch kamen nur wenige zum Glauben – aber Millionen unter den Heiden, den nichtjüdischen Völkern.
Jesaja 6,10 stellt die Frage, wie lange diese Verblendung andauern wird. Die Antwort lautet: „Bis das Land entvölkert und entleert ist, bis die Städte verwüstet und zu Ruinen geworden sind. Und wenn noch ein Zehntel darin ist, wird auch dieser Zehntel noch vertilgt werden.“
Das bedeutet, die Verstockung dauert so lange, wie das Land Israel von Juden entvölkert wird.
Im Jahr 70 nach Christus zerstörten die Römer Jerusalem und den Tempel. Hunderttausende wurden in Kriegsgefangenschaft gebracht, und viele flohen aus dem Land, vor allem ins Gebiet des heutigen Irak.
Auch im Krieg von 132 bis 135 flohen nochmals Hunderttausende Juden ins Ausland. Dieser Prozess der Entvölkerung setzte sich durch die Jahrhunderte fort.
Im 7. Jahrhundert kamen die Muslime kurz nach dem Tod Mohammeds aus dem heutigen Saudi-Arabien ins Land der Bibel und eroberten Jerusalem. In der Folge gerieten die Juden unter starken Druck.
Der Judenhass ist im Koran verankert, und durch diesen islamischen Druck verließen immer mehr Juden das Land. So wurden die Juden weltweit auf alle fünf Kontinente zerstreut, wie es in 5. Mose 28,64 vorausgesagt ist: „Von einem Ende der Erde bis zum anderen Ende der Erde.“
Es blieb immer ein Überrest im Land, doch die Zahl ging immer weiter zurück.
Der Tiefpunkt wurde um 1800 erreicht, als es noch etwa fünf Juden im Land gab. Danach stieg die Zahl langsam wieder an.
1882 begann die erste Einwanderungswelle, 1904 die zweite, und heute sind über drei Millionen Juden aus aller Welt zurückgekehrt.
Im 19. Jahrhundert kam die Wende in der Judenmission. Noch nie zuvor in den Jahrhunderten davor hatten sich so viele Juden bekehrt wie in diesem Jahrhundert.
Und nicht nur Menschen am Rand der Gesellschaft, sondern auch Rabbiner bekehrten sich.
Diese Entwicklung hält bis heute an. Deshalb habe ich eingangs gesagt, dass heute etwa eine halbe Million Juden glauben, dass Jesus der Messias ist.
So kam die Wende. Die Verblendung dauerte, solange das Land entvölkert wurde. Sobald die jüdische Zahl ab dem 19. Jahrhundert wieder zunahm, kam die Wende.
Wenn man das prozentual betrachtet, könnte man sogar sagen, dass es heute für einen Juden einfacher ist, sich zu bekehren als für einen Deutschen oder Schweizer.
Das Ganze hat sich heute gedreht, doch 2000 Jahre lang war es anders.
Es ist vielleicht auch gut zu wissen, dass Luther, als er die Erweckung ab dem 31. Oktober 1517 erlebte, dachte, dass sich nun auch die Juden in Europa bekehren würden.
Tausende Mönche und Nonnen verließen die Klöster, erkannten die Gnade Gottes und fanden Frieden mit Gott. Luther erwartete, dass sich auch die Juden bekehren würden.
Er hatte ein echtes Anliegen für die Judenmission, doch es geschah nichts.
Daraufhin verbitterte er sich. Das erklärt, warum sich der späte Luther so ungehörig und schlimm über die Juden äußerte und sie als ein „verstaubtes Volk“ bezeichnete.
Das erklärt sich aus seinem Unverständnis: Wie ist es möglich, dass in Europa eine solche Erweckung geschieht, die Menschen zur Bibel zurückkehren, aber die Juden nicht?
Er musste warten, bis das 19. Jahrhundert die Wende brachte.
20 Minuten Pause.
Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse und weitere Auslegung
Wir haben also gesehen, dass in Jesaja 52,15 das Wunder der Nationen vorgestellt wird. Diese Nationen sollen positiv auf die Botschaft des leidenden Messias reagieren. Viele Nationen werden in Staunen versetzt, und sogar ihre Könige werden den Mund verschließen, weil sie eine völlig unerwartete Botschaft vernehmen.
In Jesaja 53,1 finden wir den Unglauben der Masse des auserwählten Volkes. Dort heißt es: Wer hat unserer Verkündigung geglaubt, und wem ist der Arm des Herrn offenbar geworden? Es wird beschrieben, wie der Messias in Niedrigkeit erscheinen würde.
Wenn man weiterliest, steht dort: Er ist wie ein Trieb, der vor ihm aufgeschossen ist, wie ein Wurzelspross aus dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt und keine Pracht. Als wir ihn sahen, hatte er kein Aussehen, das uns gefallen hätte. Hier wird die Ablehnung durch das eigene Volk zum Ausdruck gebracht. Das „wir“ bezieht sich auf das jüdische Volk. Es heißt, dass er kein Ansehen hatte, das wir begehrt hätten.
Doch wie soll der Messias da aufwachsen? Er wird mit einem Trieb oder Reis und mit einem Wurzelspross verglichen. Das ist ein sehr überraschender Kontrast. Aus dürrem Erdreich erwartet man nicht, dass eine Weltregulation entsteht, und doch treibt etwas Grünes hervor. So war es auch bei Jesus. Er wuchs in Nazareth auf, in einem Judentum, das stark von Äußerlichkeit und toter Gesetzesreligion geprägt war.
Wenn wir bedenken, wie der Herr das Pharisäertum zu seiner Zeit aufdeckte, in dem viel Heuchelei herrschte, entspricht das dem dürren Erdreich. In diesem ungünstigen Umfeld ist Jesus aufgewachsen.
Wir haben bereits in Lukas 23 gesehen, dass der Herr sich mit grünem Holz vergleicht. Wenn man das an grünem Holz tut, was wird dann mit dem dürren geschehen? Er wird mit einem Wurzelspross, mit einem Trieb verglichen, der aufschießt. Wichtig ist, dass es heißt: „Wie ein Trieb vor ihm aufschoss“, also in Gemeinschaft mit Gott.
Das sehen wir auch sehr schön in Lukas 2, dem einzigen Evangelium, das ausführlich über die Kindheit, Geburt und Jugend Jesu spricht. Lukas betont besonders die Menschheit Jesu, was bedeutsam ist, da er als Arzt dieses Evangelium geschrieben hat.
Lesen wir Lukas 2, Verse 39 und 40: „Und als sie alles nach dem Gesetz des Herrn vollendet hatten, kehrten sie nach Galiläa zurück, in ihre Stadt Nazareth. Das Kind aber wuchs und erstarkte, erfüllt mit Weisheit, und Gottes Gnade war auf ihm.“
Der Herr Jesus war also von Geburt an, von kleinster Kindheit an, in völliger Gemeinschaft mit dem Vater. So war Gottes Gnade in einzigartiger Weise auf ihm.
Ab Vers 41 wird über den zwölfjährigen Jesus berichtet, der im Tempel war und sich inmitten der Lehre Israels befand. Wir wissen genau, wo das im Tempel war, denn es war üblich, dass an Festtagen, am Schabbat und an Festen wie Pessach und Schawuot die großen Lehrer des Sanhedrins, die ihren Sitz in der südlichsten Halle hatten, auf die Terrasse kamen. Diese Terrasse befand sich südlich vom innersten Vorhof, vor einer Tür, die in die Kammer der Ratsleute führte.
Dort durfte das Volk biblische Fragen stellen, und die Lehrer beantworteten diese Fragen. In diesem Abschnitt finden wir den zwölfjährigen Jesus inmitten der Lehre. Es steht nicht nur, dass er sie befragte, sondern auch, dass sie ihn befragten. Die Lehrer erkannten, dass dieser Zwölfjährige die Tora wie kein anderer kannte. Plötzlich begannen sie, ihn zu befragen. Das war absolut unüblich. Die größten Lehrer Israels befragten also den Zwölfjährigen.
Am Schluss dieses Abschnitts lesen wir in Vers 52: „Jesus nahm zu an Weisheit und Alter und Gunst bei Gott und Menschen.“ Das entspricht dem Satz in Jesaja 53, dass er wie ein Reis oder Trieb vor Gott aufgeschossen ist, unter der Gnade Gottes, in völliger Gemeinschaft mit dem Vater.
Ich möchte noch daran erinnern, dass wir früher Psalm 22 durchgearbeitet haben. Dort sagt der Messias: „Von Mutterleibe an bist du mein Gott.“ Das könnte keiner von uns sagen, denn man kann nur von dem Moment an sagen, in dem man eine persönliche Beziehung zu Gott hat. Der Herr Jesus musste sich nie bekehren und konnte deshalb sagen: „Von Mutterschoße an bist du mein Gott.“ Diese Gemeinschaft war von Anfang an da.
Dann haben wir bereits gelesen, dass er keine Gestalt und keine Pracht hatte, und als wir ihn sahen, hatte er kein Ansehen, das wir begehrt hätten. Er erschien nicht so, wie die meisten es erwartet hatten. Die meisten erwarteten, dass der Messias als mächtiger König kommen würde, der das Joch der Römer, der fremden Besatzungsmacht, abwerfen und Israel befreien würde.
Diese Vorstellung entsprach dem Herrn überhaupt nicht. Er kam in Niedrigkeit und Schlichtheit. Darum wird hier ausgedrückt: „Wir hatten kein Gefallen an ihm.“ Das bedeutet nicht, dass er als Mensch hässlich gewesen wäre. Nein, seine Erscheinung in Niedrigkeit und Schlichtheit war nicht das, was man erwartet hatte.
Natürlich wusste man im Judentum, dass es Stellen gibt, die vom herrschenden Messias sprechen, und andere, die vom leidenden Messias sprechen. Deshalb entwickelte sich im Judentum die Theorie von zwei Messiasen: Maschiach ben Joseph, der leiden würde, und Maschiach ben David, der herrschen würde. Man verstand diese als zwei verschiedene Messiasse.
Man wusste vom leidenden Messias, aber das interessierte die meisten nicht. Sie sahen die Notwendigkeit der Sündenvergebung nicht so klar, wie sie in Jesaja 43 zentral dargestellt wird. Sie sahen vor allem die politischen Probleme. Das ist auch heute noch so. Schon in der Zeit der 68er-Bewegung glaubten viele, die Probleme seien politischer Natur. Man müsse nur die Gesellschaft politisch umkrempeln, dann werde eine wunderbare Zukunft entstehen.
Aus diesem Versuch wurde nichts, denn das Grundproblem liegt nicht in der Politik, sondern in der Natur des Menschen. Das Grundproblem ist unsere Sündhaftigkeit, und das muss zuerst gelöst werden.
Schon damals wollten viele Menschen das Grundproblem nicht sehen. Sie sagten, die wichtigste Sache sei politische Befreiung. So wurde der Aspekt der Sündenvergebung im Hintergrund gelassen, obwohl er bekannt war. Man betonte das Königtum.
Das führt dazu, dass er keine Gestalt und keine Pracht hatte, und als wir ihn sahen, da hatte er kein Ansehen, das wir begehrt hätten.
Lesen wir jetzt Vers 3: „Ein Mann, der Schmerzen und mit Leiden vertraut ist, wie einer, vor dem man das Gesicht verbirgt. Er war verachtet, und wir haben ihn nicht geachtet.“
Hier heißt es, er sei verlassen von den Menschen. Die grammatikalische Form im Hebräischen ist besonders. Es wird nicht das normale Wort für Menschen „Anachim“ verwendet, sondern „Ischim“, das speziell Männer von hohem Rang meint. Dieser Vers weist darauf hin, dass besonders die führenden Leute ihn ablehnen würden.
Sinngemäß könnte man sagen: Er war verachtet und verlassen von den hochgestellten Menschen, ein Mann, der Schmerzen und Leiden vertraut ist, und vor dem man das Angesicht verbirgt.
Wir sehen, dass die Ablehnung des Herrn Jesus in erster Linie von der Führerschaft kam. Noch vor Pilatus waren es die Führer zusammen mit dem Hohenpriester, die das Volk aufwiegelten, um die Kreuzigung zu verlangen. Die Masse folgte ihnen blind.
Hier wird also besonders hervorgehoben, dass die Ablehnung ganz besonders von der führenden Schicht kam.
Lesen wir Vers 4: „Jedoch unsere Leiden hat er getragen, und unsere Schmerzen hat er auf sich geladen. Wir aber hielten ihn für bestraft, von Gott geschlagen und niedergebeugt.“
Der erste Satz in Vers 4 wird im Neuen Testament erläutert. Hier geht es nicht um Sünden, sondern um Leiden und Schmerzen. Erst in Vers 5 heißt es: „Doch um unserer Übertretungen willen war er verwundet.“ Dort geht es um unsere Sünden.
In Matthäus 8,16-17 finden wir die Auslegung des Heiligen Geistes zu diesem Vers: „Als es Abend geworden war, brachten sie viele Besessene zu ihm, und er trieb die Geister mit einem Wort aus und heilte alle Kranken, damit erfüllt würde, was durch den Propheten Jesaja gesagt ist: ‚Er hat unsere Gebrechen weggenommen und unsere Krankheiten getragen.‘“
Das ist ein Zitat aus Jesaja 53,4. Hier wird erklärt, dass sich diese Prophetie nicht am Kreuz erfüllte, sondern zu Lebzeiten, indem der Herr Mitgefühl für die Leidenden hatte und innerlich das Leiden der Menschen mittrug.
Das ist wichtig, denn in der charismatischen Bewegung wird dieser Vers oft so ausgelegt, dass Christus am Kreuz nicht nur unsere Sünden, sondern auch unsere Krankheiten getragen habe. Daraus wird gefolgert, Christen sollten gar nicht mehr krank sein. Wenn sie doch krank sind, liege das an mangelndem Glauben. Diese Lehre ist falsch.
Die Bibel sagt, diese Stelle bezieht sich auf das Leben Jesu, nicht auf das Kreuz. Er trug die Leiden der Menschen mit. Er war verachtet und abgelehnt und litt dadurch, aber er trug auch die Nöte und Krankheiten der Menschen innerlich mit.
Lesen wir nochmals den zweiten Satz in Vers 4: „Wir aber hielten ihn für bestraft, von Gott geschlagen und niedergebeugt.“ Der Ausdruck „geschlagen“ oder „bestraft“ ist im Hebräischen „Nagua“. Dieser Begriff wird speziell für jemanden verwendet, der von Lepra geschlagen ist, als Strafe für sein sündiges Leben.
Im Talmud, dem wichtigsten theologischen Werk im Judentum nach der Bibel, wird im Traktat Sanhedrin 98b die Frage gestellt: Wie heißt der Messias? Es werden verschiedene Namen genannt, einer davon ist „Nagua“, der Aussätzige, der Geschlagene. Das kommt direkt aus Jesaja 53.
So zeigt der Talmud, dass Jesaja 53 auf den Messias bezogen wird und der Name „Nagua“ als Name des Messias verwendet wird.
Man dachte, der Messias sei jemand, der unter göttlicher Strafe steht, ein Volksverführer oder Irrlehrer. Die führenden Leute versuchten das zu belegen. Jesus heilte wiederholt am Sabbat Kranke. Sie sagten, das sei eine Verletzung des Sabbatgebots, und er könne deshalb nicht der Messias sein, weil er die Tora bricht.
Die Tora sagt in den Zehn Geboten klar, dass man den Sabbat heiligen und an ihm nicht arbeiten darf. Doch der Herr hatte keine Mühe, Menschen zu heilen. Er konnte einfach die Krankheit befehlen und sie waren gesund. Er konnte die Hand auflegen, und sie wurden gesund. Das war keine Arbeit.
In ihrer Engstirnigkeit werteten sie das dennoch als Arbeit und als Bruch des Sabbatgebots. Deshalb behaupteten sie, er sei kein Messias, sondern ein Verführer, der unter göttlichem Zorn steht.
Wir hielten ihn also für bestraft, als „Nagua“, von Gott geschlagen und niedergebeugt. Nun kommt die Erkenntnis: „Doch um unserer Übertretungen willen war er verwundet.“
Er war der Vollkommene, der Reine, der Sündlose, aber er nahm das Leiden am Kreuz wegen unserer Schuld auf sich. Das bezieht sich auf das Kreuz.
Diese Stelle wird auch in 1. Petrus 2 direkt auf das Leiden des Herrn am Kreuz bezogen. Wichtig ist: Vers 4 bezieht sich, wie Matthäus erklärt, auf das Leben Jesu. Vers 5 und die weiteren Verse beziehen sich auf sein Tragen der Sünde am Kreuz.
Jesaja 53,5: „Doch um unserer Übertretungen willen war er verwundet, um unserer Missetaten willen zerschlagen.“ Aftal übersetzt hier „durchbohrt“. Das hebräische Wort „Chalal“ bedeutet „durchbohren“ in seiner Grundbedeutung.
Es ist interessant, dass bei der Passafeier ungesäuerte Brote verwendet werden, wie es in 2. Mose 12 vorgeschrieben ist. Im Judentum werden diese Brote an vielen Stellen durchstochen, sodass sie längs Streifen oder Vertiefungen haben.
Man fragt sich, warum das so gemacht wird. Die Antwort lautet: Es ist Tradition und muss so gemacht werden.
Das Brot ist durchbohrt und hat Striemen, die auf den Durchbohrten hinweisen, durch dessen Striemen uns Heilung geworden ist.
Man muss daran denken, dass der Herr beim letzten Passafest eine solche Matze nahm und daraus das Brot des Abendmahls machte.
Er nahm den dritten Kelch, im Ablauf gab es vier Kelche. Der dritte Kelch heißt auf Hebräisch „Kos Bracha“, der Kelch der Segnung. Diesen Kelch machte er zum Abendmahlskelch.
Der Apostel Paulus sagt in 1. Korinther 10, wenn er über das Abendmahl spricht: „Der Kelch der Segnung, den wir segnen, ist ja nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi; das Brot, das wir brechen, ist es nicht die Gemeinschaft des Leibes.“
In 1. Korinther 10 wird also genau dieser Ausdruck vom Kelch der Segnung aus dem Judentum übernommen.
Das Brot selbst ist traditionell so gemacht, dass es auf den Durchbohrten und auf den hinweist, durch dessen Striemen uns Heilung geworden ist.
Lesen wir weiter Vers 6: „Wir alle irrten umher wie Schafe, jeder wandte sich auf seinen Weg.“ Wir sind alle einen falschen Weg gegangen, doch jetzt erkennen wir, dass er die Strafe für unsere Ungerechtigkeit auf sich genommen hat. Er hat alles getroffen.
Lesen wir Vers 7: „Wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Schäfer, tut er seinen Mund nicht auf.“ Hier wird der Prozess Jesu beschrieben. Er tat seinen Mund nicht auf.
In Matthäus 27 ist das eindrücklich beschrieben. Lesen wir Matthäus 27, Vers 62: „Die Hohenpriester und der ganze Hohe Rat suchten falsches Zeugnis gegen Jesus, um ihn zu Tode zu bringen. Sie fanden keines, obwohl viele falsche Zeugen hertraten. Zuletzt traten zwei falsche Zeugen herbei und sagten: ‚Dieser sagte, ich kann den Tempel Gottes abbrechen und in drei Tagen ihn wieder aufbauen.‘ Der Hohepriester stand auf und sprach zu ihm: ‚Antwortest du nichts? Was zeugen diese gegen dich?‘ Jesus aber schwieg.“
Das Erstaunliche ist, dass der Herr sich überhaupt nicht mehr verteidigte und auf diese Vorwürfe nicht einging.
Warum? In den Evangelien sehen wir, dass der Herr bei Diskussionen und Auseinandersetzungen antwortete und seine Widersacher widerlegen konnte. Aber bei diesem letzten Prozess schwieg er.
Denn von Anfang an stand fest, dass er sterben sollte. Es konnte nicht mehr geändert werden. Es ging nicht mehr um die Wahrheit, sondern nur noch darum, den Prozess durchzuziehen.
Der Herr nahm das auf sich, weil er wusste, dass er nach Golgatha gehen musste. Es war nicht umkehrbar.
Im Talmud wird gesagt, dass bei lebensbedrohlichen Angelegenheiten keine Gerichtsverhandlung nachts stattfinden darf. Doch der Herr wurde nach der Passafeier, also am Anfang der Nacht, verhaftet.
Die Führer wollten, dass alles schnell ging, um keinen Volksaufstand zu riskieren.
Sie versammelten sich in Privathäusern bei Kajafas und seinem Schwiegervater Annas und führten inoffiziell das ganze Prozedere durch. Für sie war das keine Gerichtsverhandlung, da es ein Privathaus war.
Doch alles war vorbereitet, wie die Evangelien beschreiben.
Sobald die Sonne aufging, gingen sie ins Sanhedrin, denn mit dem Sonnenaufgang durfte man Gerichtsverhandlungen führen.
Die Verhandlung musste so schnell wie möglich durchgezogen werden, da alles schon in der Nacht besprochen worden war.
Der Herr antwortete nichts mehr, keine Verteidigung. So erfüllt sich das Bild vom Lamm, das zur Schlacht geführt wird, und vom Schaf, das stumm ist vor seinen Scheren. Er tat seinen Mund nicht auf.
Nun ein schwieriger Vers, Jesaja 53,8: „Im Verlauf von Drangsal und Gericht wurde er weggenommen. Wer wird aber sein Geschlecht beschreiben? Denn er wurde aus dem Land der Lebendigen weggerissen. Wegen der Übertretungen meines Volkes hat ihn Strafe getroffen.“
Das „Weggenommen“ oder „Hingegeben“ deutet an, dass er schnell durch das Gericht gezogen wurde. Es sollte ein kurzer Prozess sein.
„Wer wird sein Geschlecht beschreiben?“ ist eine rhetorische Frage. Niemand kann diese Generation von damals in ihrer Bosheit beschreiben, die so entschlossen war, dass er sterben muss.
Dann wird erklärt: „Denn er wurde abgeschnitten aus dem Land der Lebendigen.“ Sie haben ihn ermordet, es war ein Justizmord.
Aber: „Wegen der Übertretungen meines Volkes hat ihn Strafe getroffen.“ Gott spricht hier, dass er nicht aus eigener Schuld stirbt, sondern die Schuld des Volkes Israel auf sich nimmt.
Dieser Satz ist wichtig, um mittelalterliche Rabbiner wie Raschi und Abrabanel zu widerlegen, die gesagt haben, dieses Kapitel spreche nicht vom Messias, sondern vom Volk Israel.
Man kann sagen: Nein, unmöglich, denn der Leidende stirbt an Stelle des Volkes Gottes. Er kann nicht das Volk sein, wenn er für das Volk stirbt.
Vers 9 haben wir schon besprochen: Eigentlich wäre sein Ende die Verbrennung gewesen, das Grab der Gesetzlosen. Aber er bekam das Grab eines Reichen, weil er kein Unrecht begangen hat und kein Trug in seinem Mund war.
Interessant ist, dass das Wort für „tot“ im Hebräischen im Plural steht. Das drückt die Schmerzlichkeit und Qual der Todesart aus.
Man kann das nicht übersetzen, aber als Kommentar in einer Fußnote ist es hilfreich, um das Kapitel tiefer zu verstehen.
Lesen wir Vers 10: „Aber dem Herrn gefiel es, ihn zu zerschlagen. Er ließ ihn leiden. Wenn er sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat, so wird er Nachkommen sehen und seine Tage verlängern. Das Vorhaben des Herrn wird in seiner Hand gelingen.“
Es ist jetzt fünf Uhr, wir sollten zum Schluss kommen und nächstes Mal die Verse 10 bis 12 behandeln und dann weiter in Jesaja lesen.
Was ich noch sagen möchte: In Vers 10 wird vom Schuldopfer gesprochen, hebräisch „Ascham“. Das ist der Fachausdruck für das Blutopfer im dritten Buch Mose, das für Schuld dargebracht werden musste, wenn Schaden angerichtet wurde.
Hier haben wir also einen Begriff aus dem Tieropferdienst des Tempels.
Es wird erklärt, dass der Messias, der Knecht Gottes, als Ascham, als Schuldopfer sterben wird.
Schon im Alten Testament war klar, dass das gesamte Opfersystem Israels in der Stiftshütte und im Tempel auf den Messias hinweist.
Die Tieropfer selbst können keine Sünde wegnehmen, aber sie weisen auf das eine Opfer hin, das der Messias bringen wird, um unsere Schuld zu tragen.
So konnten die Menschen im Alten Testament verstehen, dass wenn sie im Tempel ein stellvertretendes Opfer brachten, das auf den hinweist, der einmal kommen muss.
Man muss immer daran denken: Wenn man ein Sündopfer oder Schuldopfer brachte, musste der Schuldige die Hände auf den Kopf des Opfers legen. „Samach“ heißt nicht nur auflegen, sondern aufstützen. Man übertrug gewissermaßen das ganze Gewicht seiner Person auf das unschuldige Tier.
Ein Schaf kann nicht sündigen. Das Tier war unschuldig, aber der Schuldige identifizierte sich mit dem Opfer und musste konkret bekennen, was er begangen hatte.
Dann sagt das dritte Buch Mose, Kapitel 1 bis 7, dass das Opfertier geschlachtet werden musste. Das Blut musste fließen, und dadurch bekam man Vergebung.
Alttestamentlich konnte man also schon mit Jesaja 53 wissen: Nicht dieses Schaf nimmt meine Schuld weg, sondern es ist nur ein Bild, eine Vorausschau auf den, der als Opfer sein Leben geben wird, den Messias.
An dieser Stelle wollen wir für heute Schluss machen.
Aktuelle politische Entwicklungen und biblische Perspektiven
In der Pause wurde ich noch gefragt, ob ich vielleicht ganz kurz etwas aus biblischer Sicht zu den Revolutionen in den arabischen Ländern sagen könnte. Ich denke, das interessiert auch diejenigen, die nicht direkt bei den Fragestellern dabei waren.
Ganz kurz gesagt: Es war eigentlich zu erwarten, dass diese Revolutionen kommen mussten. Mich hat es eher erstaunt, dass sie nicht schon längst stattgefunden haben. Denn 1979, als der Umsturz im Iran kam, war das eine klare Vorzeigerevolution. Alle halbislamischen Regierungen sollten gestürzt und durch wirklich islamische Regierungen ersetzt werden. Der Iran war also das Vorbild für das, was in allen arabischen Ländern folgen sollte. Eine weitere Stufe wäre dann die Eroberung der restlichen Welt für den Islam.
Mich hat überrascht, dass in den letzten Jahrzehnten nicht viel stärker an der Islamisierung der übrigen Welt gearbeitet wurde. Und jetzt kommen diese Revolutionen. Die Masse auf den Straßen denkt, es kämen Freiheit und Demokratie, und sie hoffen darauf. Das ist natürlich ein Glücksspiel für sie. In all diesen Staaten sind verschiedene Kräfte am Werk, und nun wird sich zeigen, wer diese instabile Situation zu seinem Vorteil ausnutzen kann.
Mit Islamisten meine ich die Muslime, die den Islam hundertprozentig ausleben wollen. Sie sagen sich: Das ist jetzt der Moment, an dem wir an die Macht kommen können. Sie fürchten die Idee von Demokratie nicht, denn Demokratie ist ideal, um den Islamismus später an die Macht zu bringen. Wie war das in Gaza? Dort sprach man auch von Demokratie, und dann hat die Hamas die demokratischen Wahlen gewonnen – und dazu noch geputscht. Jetzt haben wir dort auf demokratischer Basis ein wirklich islamisches Regime, verbunden mit dem Iran und dem Libanon.
Der Libanon war eines der wenigen christlichen Länder im arabischen Raum – christlich in Anführungsstrichen, also Namenschristentum. Dennoch war er seit Jahrhunderten ein Dorn in der islamischen Welt. Libanon ist ein arabisches Land, das christlich geprägt war. Es war das Zufluchtsland für Christen aus dem Irak, aus Syrien und anderen Ländern. Immer wenn sie verfolgt wurden, fanden sie im Libanon Zuflucht.
Ich war einmal dort, im Gebirge, in einer riesigen Höhle, in der sich eine große Kirche befindet. Es war schwierig, dorthin zu gelangen. Der Libanon war eben das Zufluchtsland für verfolgte Christen. Das blieb so bis zum Bürgerkrieg. Das Gesetz verlangte, dass der Präsident von Libanon immer ein Christ sein müsse. Dann kam dieser verheerende Bürgerkrieg, und die Christen verloren dort fast alles. Seither sind die Präsidenten Muslime, also heute sind sie Muslime.
Nun hat die Hisbollah die Macht übernommen. Das ist wieder ein terroristisches islamistisches Regime, das direkt mit der Hamas in Gaza und mit dem Iran verbunden ist. Jetzt stellt sich natürlich die Frage: Man hat eine sehr gefährliche Dreierfront gegen Israel von Islamisten. Aus deren Sicht wäre Ägypten sehr willkommen.
In Ägypten spielt die Muslimbruderschaft eine wichtige Rolle. Das ist eine islamische Bewegung, die direkt mit Al-Qaida verbunden ist. Wenn sie nun in dieser Instabilität die Macht übernehmen könnten, würde das genau ihrem Schema entsprechen.
Wir leben in einer Zeit, in der alles ungewiss ist, wie sich die einzelnen Länder entwickeln werden. Aber insgesamt muss man davon ausgehen, dass die islamische Welt immer mehr Druck macht mit dem Ziel, Israel zu vernichten. Ich habe bereits die Prophetie über den König des Nordens erwähnt, der Israel in der Zukunft noch überrennen wird.
In der erfüllten Prophetie war der König des Nordens immer Syrien – aber Großsyrien, also Libanon, Syrien bis nach Pakistan. Das ist heute alles islamisches Gebiet. Pakistan besitzt schon längst die Atombombe. Nach der Prophetie steht noch aus, dass die große Drangsal damit beginnen wird, dass der König des Nordens Israel von Norden her überrennen wird.
Dann heißt es in Daniel 11, dass Libyen sein Gefolge sein wird. Tatsächlich wird auch Kusch, das ist Sudan, auf dieser Seite stehen. Libyen wird in der letzten Phase auf jeden Fall auf der Seite der Islamisten stehen, zusammen mit den Leuten, die heute mit ihnen verbunden sind.
Wollen wir noch beten zum Schluss?
Herr Jesus, wir danken dir, dass wir dein Wort haben. Wir finden darin dich und deine Herrlichkeit. Wir finden darin bestätigt, dass du wirklich der bist, auf den wir warten mussten. Wie wunderbar, dass wir dich erkennen durften als den, der alles gut gemacht hat am Kreuz. Danke für dieses vollkommene Opfer, das für jeden reicht, der kommt und seine Schuld dir im Gebet bekennt.
Herr Jesus, danke, dass dein Wort uns auch über die Zukunft unterrichtet. So dürfen wir wissen, dass alles in deiner Hand ist und wir nicht blindem Schicksal ausgeliefert sind. Auch unser persönliches Leben liegt ganz in deiner Hand. So möchten wir uns für die weitere Zeit und auch für unseren Heimgang von hier dir und deiner Gnade anvertrauen. Amen.