Einführung in das Thema Gebet und Fürbitte
Ich begrüße euch nochmals zur Fortsetzung, dem vorletzten Teil unserer Predigtreihe „Gebet – Atmen der Seele“.
Vielleicht sind einige von euch heute zum ersten Mal dabei oder haben nicht die ganze Reihe mitverfolgt. Wir haben uns bisher mit der Notwendigkeit des Gebetes für Menschen beschäftigt, die an Gott glauben. Dabei haben wir über die Inhalte des Gebetes gesprochen und auch über die Ernsthaftigkeit, mit der wir beten sollten.
Im letzten Teil haben wir uns einige Prinzipien angesehen, die ein Gebet ausmachen, wenn Gott es erhören möchte. Diese Prinzipien sind auch eine Art von Bedingungen.
Heute wollen wir uns mit der Frage beschäftigen: Für wen sollen wir eigentlich beten?
Gibt es jemanden unter euch, der Jurist ist oder Jura studiert hat? Oder war jemand von euch schon einmal in einem Gerichtsprozess als Beteiligter? Ich selbst war das schon einige Male, ebenso Antje und Dirk – also doch einige hier.
Ich wurde schon öfter verklagt, das passiert im Geschäftsleben ganz normal. Keine Sorge, es waren keine Strafprozesse, sondern ganz gewöhnliche Zivilverfahren. Zum Beispiel wenn es Mietstreitigkeiten gab oder jemand gekündigt wurde und wieder eingestellt werden wollte. Solche Dinge passieren im normalen Geschäftsleben, ohne dass man etwas Böses getan hat. Gerichte sind ja schließlich auch dazu da, Sachverhalte zu klären.
Mehrfach musste ich sogar in einem Strafprozess aussagen. Das läuft noch, und dafür durfte ich ins Berliner Landgericht beziehungsweise Kammergericht. Dort wurde mir noch einmal ganz praktisch deutlich, was ich in meinem Studium gelernt habe.
Parallelen zwischen Gericht und Gebet
Ich muss einige Semester Jura absolvieren, unter anderem für Anfänger und Kaufleute. Beim Gericht ist es eigentlich ganz interessant, denn man muss einige Dinge beachten. Zum Beispiel darf man nicht zum falschen Gericht gehen.
Wenn jemand eine Klage in Arbeitssachen hat, etwa weil der Chef sich schlecht benommen hat oder unrechtmäßig gekündigt wurde, bringt es nichts, zum Sozialgericht zu gehen. Man ist einfach falsch verbunden. Du kannst noch so viele Seiten schreiben, die werden sagen: Mit einer Klage können wir nichts anfangen. Sie nehmen sie nicht einmal an und lesen sie nicht ordentlich durch. Es ist also sehr wichtig, dass man zuerst zum richtigen Gericht geht.
Das Zweite ist: Ab dem Amtsgericht aufwärts darf man nicht mehr alleine hingehen. Das heißt, wenn du zu deinem Kammergerichtsprozess gehst – oder wir lassen das Strafverfahren mal außen vor und tun so, als wären es Zivilverfahren – also zum Landgericht, der zweithöchsten Instanz von unten gesehen, und du willst dich dort verteidigen, dann schaut der Richter im Raum herum und sagt: „Ja, Herr Ising, sind Sie denn da?“ Du kannst laut nicken und schreien. Der Richter sagt: „Für mich sind Sie nicht da.“ Denn es gibt eine Vertreterregelung vor Gericht. Nur wenn du durch einen Anwalt vertreten wirst, der von der Kammer, also der Institution für Anwälte, zugelassen ist, bist du als Partei auch bei einem Landgerichtsprozess anwesend.
Es ist sogar noch strenger: Der Anwalt könnte neben dir sitzen, alle warten, der Richter eröffnet die Verhandlung, schaut sich um und wundert sich: „Na ja, blauer Pullover, weiße Jacke, blaues Hemd, rotes Hemd – wo ist denn dein Anwalt?“ Du sagst: „Der sitzt doch hier rechts.“ Der Richter antwortet: „Nein, ist nicht. Wenn der nicht seine Robe anhat, darf er dich nicht vertreten.“
Das heißt also: In einem normalen Gericht gibt es einige Regelungen. Erstens, du musst zum richtigen Gericht gehen. Zweitens, du musst dich vor dem Landgericht vertreten lassen. Und derjenige, der dich vertritt, muss bestimmte Zutrittsregeln einhalten, zum Beispiel das Tragen der Robe.
Warum erzähle ich dieses Beispiel? Ich erzähle es, weil es auch in der Bibel ein ähnliches Prinzip gibt. Das finden wir schon ganz früh in der Bibel. Dort heißt es nicht „Anwalt“ oder „Rechtsverdreher“ oder andere Begriffe, die wir heute für Menschen in Gerichtsprozessen verwenden. Stattdessen spricht die Bibel von Priestern.
Die Rolle der Priester als Vermittler zwischen Mensch und Gott
Ein Priester hat in der Bibel viele Funktionen, die man mit denen eines Anwalts vergleichen kann. Allerdings ist seine Aufgabe nicht, in einem Gerichtsprozess tätig zu sein, sondern eine Vermittlerrolle zwischen den Menschen und Gott einzunehmen. Im Alten Testament und auch in vielen anderen Religionen gibt es Priester, die diese Funktion übernehmen. Sie vermitteln, vertreten die Menschen und bringen deren Anliegen, etwa in Form von Opfergaben oder Geschenken, zu Gott oder den Gottheiten.
Die Bibel lehrt uns, dass der Zutritt zu Gott eine sehr ernste Angelegenheit ist. Man muss sie genauso ernst nehmen, wie einen Gang zum Landgericht oder Kammergericht in Berlin. Es ist keine Sache, die man leichtfertig angeht, ohne die richtige Kleidung oder den passenden Vertreter.
Am Ende der Einleitung sei noch eine bemerkenswerte Geschichte erwähnt, die ich nicht im Detail erzählen möchte. Wer sie nachlesen will, findet sie in 2. Mose 6,6-8. Darin versucht König David, die Bundeslade – einen besonderen Kasten, der von Gott eingeweiht wurde – nach Jerusalem zurückzuholen. Er lässt sie auf einem Ochsenkarren ziehen. Auf dem langen Weg aus Philistia beginnt der Wagen plötzlich zu wackeln und droht umzukippen. Die heilige Bundeslade, das Zeichen der besonderen Gemeinschaft, steht kurz davor, herunterzufallen.
Ein Helfer namens Usa springt hinzu, um die Lade festzuhalten. Es gelingt ihm, doch sofort danach fällt er tot um. König David, der dabei war, wird vor Schrecken heiß. In 2. Mose 6,8 heißt es, dass David erschrak, weil der Herr Usa so plötzlich weggerissen hatte. Der Text macht deutlich, dass Usa nicht etwa durch einen Sturz gestorben ist, sondern dass Gott ihn wegen Unehrbietigkeit getötet hat. Usa hatte der heiligen Lade nicht mit der gebotenen Ehrfurcht genähert.
David erschrickt nicht nur, weil ein Mensch tot umfällt, sondern auch, weil er die Verantwortung trug. Im Gesetz hatte Gott ausdrücklich bestimmt, dass die Bundeslade nur von Priestern getragen werden durfte. Diese besondere Ehre war für die Priester bestimmt: Sie mussten die Lade an Stangen tragen. Die Tatsache, dass die Lade auf einem Ochsenkarren gezogen wurde, mag für uns eine formale Kleinigkeit sein. Für Gott aber war es so ernst, dass er den wohlmeinenden Helfer sofort bestrafte.
David versteht das und ist tief erschüttert. Er bricht fast zusammen und bricht die ganze Aktion ab. Den großen Triumphzug zurück nach Jerusalem stoppt er. Die Lade wird zunächst an einem Ort abgestellt. David nimmt sich Zeit, um in Ruhe darüber nachzudenken, wie er besser vorgehen kann.
Der Zutritt zu Gott ist eine heilige und ernste Angelegenheit. Das entspricht dem Charakter und Wesenszug Gottes.
Die Bedeutung des Priesterdienstes im Neuen Testament
Warum beginne ich so? Weil ich sagen möchte: Wenn wir uns fragen, für wen wir beten sollen, dann stoßen wir genau auf die Frage, was die Bibel unter dem Priesterdienst versteht.
Wenn wir für andere beten, übernehmen wir die Rolle des Priesters, des Vertreters oder Anwalts zwischen Gott und den Menschen. Zuerst müssen wir uns anschauen, was die Bibel über diesen Priesterdienst sagt.
Als zweiten Punkt möchte ich einige gute Beispiele aus der Bibel nennen, in denen wir sehr gute Vorbilder finden, wie man als Priester für andere eintritt. Wir werden mit dem Beispiel des Herrn Jesus abschließen. Danach, als vierten Punkt, werden wir das Brot brechen. Zum Schluss möchte ich noch einige praktische Dinge und Zusammenfassungen ansprechen.
Kommen wir zum ersten Punkt: Was lehrt uns die Bibel über diesen Priesterdienst?
Erstens: Jeder Gläubige im Neuen Testament ist ein Priester. Es ist unsere Pflicht, als Priester für andere einzustehen. In der Theologie wird das manchmal als das allgemeine Priestertum bezeichnet. Heute ist es nicht mehr so, dass – wie früher – nur bestimmte Menschen diesen Auftrag von Gott haben. Warum sich das verändert hat, werden wir noch sehen.
Was macht ein Priester? Leiten wir das einmal am Beispiel des Anwalts ab: Im Alten Testament bringt der Priester zunächst Opfer für sich selbst dar. Denn ein Mensch ist vor Gott immer schuldig. Er muss erst einmal für seine eigene Beziehung zu Gott sorgen, bevor er überhaupt für einen anderen vor Gott eintreten darf.
Das sieht man sehr deutlich in den Mosebüchern, wie dort vorgegangen werden musste, wenn ein Priester in den besonderen Bereich, das Zelt der Zusammenkunft, gehen durfte.
Zweitens bringt der Priester natürlich auch als Stellvertreter Opfergaben vor Gott dar. Früher konnte nicht jeder einfach kommen und sagen: „Ich habe hier ein Lamm, das ich Gott geben will.“ Das durfte er zwar, aber er musste es durch einen Priester opfern lassen.
Das heißt, der Priester war Stellvertreter für das, was der opferwillige Mensch Gott brachte. Man könnte sagen, ein Priester stellt sich für Menschen vor Gott ein und vertritt Gottes Anliegen auf der Erde.
Wer dazu Bibelstellen nachlesen möchte, um zu sehen, dass ich mir das nicht ausgedacht habe: Hebräer 8,3 sagt: „Denn jeder hohe Priester wird eingesetzt, um Gaben und Opfer darzubringen.“
Praktische Bedeutung des Fürbittens im Leben der Gläubigen
Mal ganz praktisch: Warum glaubt ihr an Gott? Hier sind bestimmt dreißig Gläubige versammelt. Warum sind wir immer noch bei Gott und haben uns trotz der Wirrungen des Lebens nicht in unserem Glauben gestrauchelt? Warum ist Gott uns immer noch gnädig, obwohl wir so oft selbstverschuldet von seinen Wegen abweichen?
Natürlich ist es immer Gottes Sache, und Gott gebührt alle Ehre dafür. Aber wisst ihr, liebe Geschwister, ich glaube, dass ein Grund dafür auch ist, dass andere für mich und für euch als Priester vor Gott eintreten und eure Anliegen als Anwalt vor Gott tragen. Ich glaube, viele von ihnen kennen wir gar nicht mehr.
Ein Beispiel war meine Großmutter. Ich will nicht jede Predigt über meine Großmutter halten, aber sie hat mir einfach jedes Mal, wenn ich sie sah oder mit ihr telefonierte, gesagt: „Markus, ich bete für dich.“ In ihrer Schlaflosigkeit nachts, wenn sie stundenlang nicht schlafen konnte, weil der Tag für sie auch nicht mehr anstrengend war – sie lag also nur noch da –, hat sie die ganzen Nächte für uns Enkel gebetet.
Erst im Himmel werde ich erkennen, wie viel Bewahrung in meinem Leben und wie viel Segen Gottes, vielleicht auch wie viel Wachstum dadurch gekommen ist, weil zum Beispiel meine Großmutter auf ihren Knien für mich und ihre anderen Enkelkinder gefleht hat.
Wisst ihr, dass ihr hier noch sitzt und nicht vom Teufel weggerissen seid? Das ist natürlich Gottes Gnade. Aber der Himmel wird zeigen, wie viele Menschen es auch gab, die euer Leben vor Gott getragen haben – und meins.
Deshalb, glaube ich, sollten wir uns mal ein paar Beispiele in der Bibel ansehen, was Menschen ganz praktisch in diesem Dienst getan haben. Daraus können wir auch erkennen, für wen wir beten sollen.
Denn die Frage „Für wen soll ich beten?“ ist nicht nur: „Hier ist deine Liste, arbeite sie ab und dann hast du der Bibel Genüge getan.“ Vielmehr ist das sich für einen anderen Einsetzen vor Gott im ursprünglichen Sinne der Gedanke der Vertretung, des Eintretens, des Anwaltseins, des Deine Sache zu meiner Sache Machens und davor vor Gott Kämpfens.
Beispiele für den Priesterdienst in der Bibel
Schauen wir uns also einige Beispiele in der Bibel an. Ein sehr prägnantes Beispiel ist Abraham. Natürlich denken alle an 1. Mose 18. Als ich die Bibel durchblätterte, fiel mir jedoch auf, dass Abraham, als er sich für Sodom einsetzt, eigentlich im Kapitel 2 seines Priesterdienstes steht. Deshalb ist es immer gut, vorne anzufangen. Wir beginnen also bei Kapitel 1.
In 1. Mose 14,12-16 steht: Verschiedene Könige, deren Namen ich mir jetzt spare, nahmen alle Habe von Sodom und Gomorra sowie all ihre Nahrungsmittel und zogen davon. Sie nahmen auch Lot mit, den Sohn von Abrams Bruder, sowie seine Habe, denn er wohnte in Sodom. Ein Entkommener berichtete Abraham, dem Hebräer davon. Abraham wohnte unter den Teribindern Mamres, des Amoriter, des Bruders von Eschkol und des Bruders von Aner. Diese waren Abrahams Bundesgenossen.
Als Abraham hörte, dass sein Bruder gefangen weggeführt worden war, ließ er seine bewährten Männer, seine Hausgeborenen, ausrücken. Es waren dreihundertachtzehn Mann. Er jagte ihnen nach bis nach Hoba, das links von Damaskus liegt. Dort teilte er sich nachts und fiel über sie her, er und seine Knechte, und schlug sie. Er brachte die ganze Habe zurück, auch Lot, seinen Neffen, samt dessen Habe. Ebenso befreite er die Frauen und das Volk.
Wenn wir an Abraham denken, dann ist der erste Priesterdienst, in dem er sich wirklich für einen anderen einsetzt, nicht das Flehen vor Gott. Vielmehr ist es das tatkräftige und praktische Eintreten, das Rausboxen aus der Gefangenschaft für seine Familienmitglieder.
Wenn ich mir die erste Frage stelle – für wen sollen wir beten, für wen sollen wir eintreten – dann komme ich zu dem erschreckenden Ergebnis, dass der erste Punkt wohl unsere Familienmitglieder sind. So wie Abraham hier ganz praktisch eingreift und nicht zulässt, dass Lot, obwohl er in Sodom und Gomorra wohnt – dazu später mehr –, vielleicht sogar teilweise selbstverschuldet durch die Wahl seines Wohnortes, jedenfalls nicht unter die Räder kommt.
Abraham zögert nicht lange. Er schickt seine dreihundertachtzehn Männer los und riskiert sein Leben, um sie herauszuholen. Eintreten vor Gott für andere kann und sollte also auch die Konsequenz einschließen, für sie aktiv etwas zu tun.
Während der Predigt fielen mir zwei Dinge auf: Wenn wir über diesen Priesterdienst nachdenken oder für andere beten, ist das immer der einfachere Teil. Es ist einfach, weil man das zu jedem Zeitpunkt tun kann, auf den Knien oder auch nicht. Aber wer betet, sollte auch bereit sein, für den anderen etwas zu tun.
Das war für mich die erste eigene Anwendung aus diesem Text. Ich war überrascht, dass „für einen eintreten“ auch tatkräftiges Tun einschließen sollte. Wir dürfen es nicht nur auf das fromme Beten reduzieren. Ihr wisst, dass ich nichts gegen das Beten sagen werde. Ich will nur den anderen Punkt am Anfang betonen.
Das zweite ist, dass offensichtlich das Eintreten für Familienmitglieder etwas ganz Wichtiges ist. Es kann Gerangel in Familien geben. Ich sage das nicht, weil ich euch ansehe, sondern weil ich selbst letzten Samstag beim Blätterhaken ein sehr unangenehmes Gespräch in meiner Familie hatte. Ich denke mir einfach: Man kann immer über die Argumente nachdenken und sagen, ja, ich hatte Recht, du hattest Recht. Aber die Frage ist: Bin ich wirklich für ihn eingetreten? Bin ich jemand, der ihm helfen will, der verantwortlich für ihn ist? Egal, ob er mir wehtut oder ungerechtfertigt etwas fordert.
Da musste ich ganz schön stottern.
Okay, das war das erste Beispiel von Abraham.
Abraham als Fürbitter für Sodom und Gomorra
Nehmen wir das zweite Beispiel, das einem meist als erstes einfällt, wenn man im Alten Testament an Priester- und Anwaltstätigkeiten denkt. Es steht in 1. Mose 18, Vers 20 bis 21. Dort sagt Gott zunächst: „Und der Herr sprach: Das klagende Schreien über Sodom und Gomorra ist wahrlich groß, und ihre Sünde ist sehr schwer.“
Offensichtlich gab es Menschen, die Gott wegen dieser Sünde, die Sodom und Gomorra häuften, bedrängten. Doch Gott schwieg zunächst. Die Menschen fragten Gott, warum er das zulässt, warum er dieses Elend und diese Abartigkeiten nicht verhindert.
Dann kündigt Gott an: „Ich will doch hinabgehen und sehen, ob sie ganz nach ihrem Schreien, das vor mir gekommen ist, gehandelt haben. Wenn nicht, so will ich es wissen.“ Gott will also prüfen, bevor er das Gericht über Sodom und Gomorra vollzieht. Er möchte sich die Sache genau ansehen.
In dieser Phase redet Abraham. In 1. Mose 18, Vers 22 heißt es: „Aber Abraham blieb vor dem Herrn stehen.“ Abraham trat hinzu und sagte: „Willst du wirklich den Gerechten mit dem Ungerechten wegraffen? Vielleicht gibt es fünfzig Gerechte innerhalb der Stadt. Willst du sie denn wegraffen und dem Ort nicht vergeben um der fünfzig Gerechten willen, die da drin sind?“
Fern sei es von dir! So sagt Abraham zu Gott, so etwas zu tun – den Gerechten mit dem Ungerechten zu töten, sodass der Ungerechte gleichgestellt wäre mit dem Gerechten. „Fern sei das von dir! Sollte der Richter der ganzen Erde nicht Gerechtigkeit üben?“
Da sprach der Herr: „Wenn ich in Sodom fünfzig Gerechte in der Stadt finde, so will ich um ihretwillen dem ganzen Ort vergeben.“
Abraham antwortete: „Siehe, doch, ich habe mich erdreistet, zu dem Herrn zu reden, obwohl ich Staub und Asche bin. Vielleicht fehlen an den fünfzig Gerechten nur fünf. Willst du wegen der fünf die ganze Stadt vernichten?“
Da sprach Gott: „Ich will sie nicht vernichten, wenn ich dort fünfundvierzig finde.“ Abraham fuhr fort und sprach weiter: „Vielleicht werden dort vierzig gefunden.“ Und Gott antwortete: „Ich will es nicht tun, um der vierzig willen.“
Abraham sagte: „Der Herr möge doch nicht zürnen, dass ich noch einmal rede. Vielleicht werden dort dreißig gefunden.“ Und Gott sprach: „Ich will es nicht tun, wenn ich dort dreißig finde.“
Abraham sagte: „Siehe doch, ich habe mich erdreistet, zu dem Herrn zu reden. Vielleicht werden dort zwanzig gefunden.“ Und Gott sprach: „Ich will nicht vernichten um der zwanzig willen.“
Abraham sagte: „Der Herr möge doch nicht zürnen. Ich will nur noch dieses eine Mal reden. Vielleicht werden dort zehn gefunden.“ Und Gott sprach: „Ich will nicht vernichten um der zehn willen.“
Der Herr ging weg, als er mit Abraham ausgeredet hatte.
Hier sehen wir Menschen, die sich bei Gott über die Sünde beschweren. Gott kündigt Gericht an und will, um Gerechtigkeit zu üben, die Sache genau prüfen. Abraham schimpft jedoch nicht auf die Gerechten oder Ungerechten. Was tut er stattdessen? Er tritt für die Ungerechten vor Gott ein. Er macht sich zum Anwalt für die Gerechten, die nicht vernichtet werden sollen. Gleichzeitig betet er damit auch für die Ungerechten um Aufschub des Gerichts.
Welche Einstellung haben wir, wenn wir an Berlin denken oder an unsere Nachbarn und Freunde? Sind wir eher diejenigen, die berechtigterweise über alles klagen, was schiefläuft? Es gibt genug Gründe dafür. Gott sagt auch nicht, dass das Unrecht und falsches Verhalten, über das sich die Menschen über Sodom und Gomorra beklagen, unwahr wären.
Aber lernen wir an Abrahams Einstellung, dass er sich verwendet und mit Gott quasi verhandelt – wie ein Anwalt vor Gericht, der das Strafmaß verhandelt, unabhängig von der Frage, ob jemand schuldig ist. Sind wir solche Menschen, die vor Gott für andere eintreten? Haben wir jemals so vor Gott gerungen? Und gleichzeitig sind wir doch demütig geblieben?
Abraham sagt nicht zu Gott: „Du musst!“ Er sagt: „Bitte verzeih, dass ich noch einmal rede. Ich bin Staub und Asche, ich habe hier nichts zu sagen, und dein Wille ist souverän. Aber bitte hör mich an.“ Das ist die richtige Einstellung, wie er zu Gott geht.
Das Krasse ist, liebe Geschwister: Gott ändert seinen Vorsatz, er ändert das, was er vorhat. Gott lässt sich von uns erbitten, wenn wir zu ihm kommen. Sonst würde die Geschichte nicht in der Bibel stehen.
Lasst uns eintreten – auch für die Ungläubigen – und lasst uns auch für die Gerechten, so wie Abraham es hier tut, einstehen.
Mose als Fürbitter für das Volk Israel
Eine zweite Person, die mir besonders herausragend erscheint, ist Mose. In 2. Mose 32,7 begegnen wir einer sehr bedeutsamen Situation im Volk Gottes. Genau in dem Moment, als Gott Mose die Gesetzestafeln gibt – also den Bund am Sinai schließt und die zehn Gebote den Menschen übergibt, von Gott selbst handgeschrieben auf steinernen Tafeln.
Mose ist auf dem Berg und kehrt zurück. Doch er sieht, dass das Volk nicht treu und ausdauernd ist. Weil Gott offensichtlich nicht mehr reagiert und Mose seit Tagen oder Wochen nicht zurückgekehrt ist, bauen sie sich neue Götzen. Sie schmelzen ihre Ringe, Ohrhänger, Piercings und andere Schmuckstücke zusammen und formen daraus ein goldenes Kalb. Dieses Tier wollen sie als Symbol für ihre Gottheit nehmen, weil es ihnen näher und greifbarer erscheint als der Gott, der scheinbar auf dem Berg vergessen hat.
In 2. Mose 32,7-10 spricht der Herr zu Mose: „Geh, steig hinab, denn dein Volk, das du aus dem Land Ägypten heraufgeführt hast, hat schändlich gehandelt. Sie sind schnell von dem Weg abgekommen, den ich ihnen geboten habe.“ Es ist interessant, wie Gott die Zeit anders beurteilt. Das Volk wartet seit Tagen und Wochen und hat keine Schätzung, wann Mose zurückkommen könnte. Gott aber sagt: „Sie sind schnell von dem Weg abgekommen, den ich ihnen geboten habe.“
Sie haben sich ein gegossenes Kalb gemacht, sind vor ihm niedergefallen, haben ihm geopfert und gesagt: „Das sind deine Götter, Israel, die dich aus dem Land Ägypten heraufgeführt haben.“ Weiter sagt der Herr zu Mose: „Ich habe dieses Volk gesehen, und siehe, es ist ein halsstarriges Volk. Nun lass mich doch meinen Zorn gegen sie entbrennen und sie vernichten. Dich, Mose, aber will ich zu einer großen Nation machen.“
Wow, ist das eine Chance! Endlich dieses halsstarrige Volk loszuwerden, das sowieso nur Ärger macht. Mose könnte sagen: „Okay, Gott, ich war sowieso die ganze Zeit deiner Meinung, und jetzt fängst du mit mir an. Das ist ein Karrieresprung, da ist ein echtes Angebot in der Luft.“
Doch was macht Mose? Lesen wir weiter in Vers 11: „Mose jedoch flehte den Herrn, seinen Gott, an und sagte: Wozu, o Herr, entbrennt dein Zorn gegen dein Volk, das du mit großer Kraft und starker Hand aus dem Land Ägypten herausgeführt hast?“ Gott sagt: „Du hast das Volk rausgeholt.“ Mose antwortet: „Nein, nein, ich war der Diener, aber du warst der Handelnde.“
Mose fährt fort: „Wozu sollen die Ägypter sagen, in böser Absicht hat er sie herausgeführt, um sie im Gebirge umzubringen und von der Fläche des Erdbodens zu vertilgen? Lass ab von der Glut deines Zorns und lass dich das Unheil gereuen, das du über dein Volk bringen willst. Denke an deine Knechte Abraham, Isaak und Israel, denen du bei dir selbst geschworen hast und gesagt hast: Ich will eure Nachkommen so zahlreich machen wie die Sterne des Himmels. Und dieses ganze Land, von dem ich gesagt habe, ich werde es euren Nachkommen geben, das werden sie für ewig in Besitz nehmen.“
Da gereute den Herrn das Unheil, das er seinem Volk antun wollte. Ist das nicht stark? Ein Mann fleht vor Gott für etwa 600.000 Männer, dazu Frauen und Kinder – grob geschätzt zwei Millionen Menschen plus Vieh in der Wüste – und erreicht, dass Gott sie nicht vernichtet.
Wir wissen, dass Gott souverän ist und auch vorher wusste, dass Mose eintreten würde. Gott wusste auch, dass er gnädig sein würde in dieser Situation. Aber ist es nicht beeindruckend? Wie viele Menschen könnt ihr retten?
Berlin hat etwa 3,5 Millionen Einwohner. Für jeden von uns wären das zwei Drittel Berlins. Wenn wir so wären wie Mose und so reagieren würden für dieses halsstarrige Volk – treten wir ein für die Gläubigen um uns herum, die alle ihre Ecken und Kanten haben. Mose kannte die Ecken und Kanten seines Volkes ziemlich gut. Doch das stand hier nicht zur Diskussion.
Es ging nicht darum, ob das Urteil Gottes angemessen war. Mose sagt: „Gott, um deiner Selbst willen, vernichte nicht dein Volk. Sei gnädig mit ihnen, bitte verzeih uns, aber hör nicht auf. Es ist deine Gemeinde.“ Mit anderen Worten: „Ja, und Bruder X hat seine Macken, aber bitte sei ihm gnädig.“
Elija und die Ausrichtung des Priesterdienstes auf Gott
Noch ein kurzer Gedanke zum Leben von Elija:
In 1. Könige 17,1 tritt Elija erstmals in der Bibel auf. Dort steht ein Vers, der mir wichtig geworden ist. Er kündigt die Trockenheit an und sagt: „So wahr der Herr lebt, vor dem ich stehe.“ Dasselbe wird in Kapitel 18, Vers 15 noch einmal wiederholt: „Der Herr, vor dem ich stehe.“
Mir wurde bei diesem Gedanken bewusst, dass dieser Priesterdienst, den Elija tut, in erster Linie ein Dienst ist, der auf Gott ausgerichtet ist. Übertrage ich das auf mich, bedeutet das: Mein Dienst, euer Dienst als Fürbitter, als Priester für andere im Reich Gottes, sollte in erster Linie auf Gott ausgerichtet sein. Er darf nicht allein aus der sozialen Not der Menschen heraus motiviert sein.
Versteht ihr, was ich meine? Es gibt unheimlich viel Elend, und wir könnten uns von diesem Elend der Menschheit dazu drängen lassen, ihnen aus Barmherzigkeit alles Mögliche zu tun. Ja, das ist auch richtig. Aber es gibt auch die andere Seite: Derjenige, der als Priester vor Gott steht, tut seinen Dienst ganz besonders in der Nähe Gottes. Er hat Gottes Angesicht vor Augen.
Elija kündigt seine Taten immer damit an, dass er sie nicht tut, weil die Menschen so böse sind. Seine Motivation ist nicht, das zu tun, was für die Menschen gut ist, sondern er handelt aus dem Auftrag Gottes.
Dieser erste Punkt, über den ich gesprochen habe – dass der Priesterdienst eine Aufgabe von uns allen ist – zeigt, dass es ein Dienst wirklich vor Gott ist. So wie Elija das ankündigte und so wie auch die Priester im Alten Testament ihren Auftrag taten, weil Gott ihnen das gegeben hatte, nicht weil das Elend der Menschen so groß war.
Beide Punkte müssen wir sehen.
Jesus Christus als vollkommener Priester und Fürbitter
Und zuletzt das vierte Beispiel: Für einen Priester, der sich verwendet, ist unser Herr Jesus.
Das Problem der Opfer im Alten Testament ist, dass sie weder vollkommen noch ewig sind und auch nicht wirklich wirksam. Das heißt, alles, was die Priester im Alten Testament taten, hatte einen Wert, denn es war gehorsam gegenüber Gott und hatte auch einen symbolischen Charakter. Aber es war nie in der Lage, wirklich Vergebung zu bringen.
In Hebräer 10,3 heißt es: „Doch in jenen Opfern ist alljährlich ein Erinnern an die Sünden. Denn unmöglich kann Blut von Stieren und Böcken Sünden hinwegnehmen.“ Erst der Herr Jesus, der kam, war der vollkommene Priester vor Gott. Er hat ein vollkommenes Opfer gebracht.
Und wisst ihr, das Besondere im Alten Testament war immer: Der Priester kam mit etwas, was ein anderer ihm gab. Du brachtest das Opfer zum Priester, und der Priester trug es in der richtigen Art und Weise vor Gott vor. Der Herr Jesus hingegen ist als vollkommener Priester mit seinem eigenen Blut vor Gott getreten.
Er ist Priester und Opfer gleichzeitig. Weil es keinen anderen gab, der ein vollkommenes Opfer bringen konnte, ist er mit seinem eigenen Leben, symbolisiert durch dieses Blut, vor Gott getreten und hat dort eine ewige Erlösung bewirkt.
Im Hebräerbrief wird dieser Zusammenhang ausführlich erklärt. Zwei Lieblingskapitel für mich sind Hebräer 9 und 10. Dort wird genau beschrieben, wie wertvoll auf der einen Seite die Dinge des Alten Testaments und auch der ganze Priesterdienst waren, aber wie die ganze Mühe nur darauf hindeutete, dass der Herr Jesus letztendlich derjenige war, der diese Symbole wirklich erfüllt hat.
Christus ist mit seinem eigenen Blut ein für allemal in das Heiligtum gegangen und hat eine ewige Erlösung bewirkt (Hebräer 9,11).
Er hat nicht nur auf der Erde Sühnung erwirkt, nicht nur Vergebung, damit wir noch heute leben dürfen, sondern er hat auch im Himmel Sühnung erwirkt. Wisst ihr, das, was der Herr Jesus als Opfer gebracht hat, zählt vor Gott in der Zeitlosigkeit des Himmels, dort, wo Ewigkeit herrscht. Dort hat das, was der Herr Jesus auf dieser Erde getan hat, einen Wert (Hebräer 9,24).
Denn der Christus ist in den Himmel selbst hineingegangen, um durch sein Opfer die Sünde aufzuheben.
Und wisst ihr, was das Schöne für uns ist, die wir unser ganzes Leben und unser Vertrauen auf den Herrn Jesus als diesen Mittler setzen? Wenn wir bei Gott ankommen und sagen: „Ja, ich habe nichts vorzubringen, ja, meine Sünde spricht gegen mich“, und wenn Gott fragt: „Warum soll ich dich in den Himmel lassen?“ Dann werden wir wahrscheinlich stumm zur Seite gucken.
Aber auf der Seite steht der Herr Jesus. Denn in Hebräer 10,14 heißt es: „Denn mit einem Opfer hat er die, die geheiligt werden, für immer vollkommen gemacht.“
Wisst ihr, es ist eine vollkommene Errettung im Himmel, die vor Gott auf alle Ewigkeit zählt. Es ist total unvorstellbar, dass auf der Erde vor zweitausend Jahren ein Ereignis passiert ist, das in sechs Stunden vorbei war. Und dieses Ereignis hat vor Gott im Himmel so einen großen Wert, dass auf alle Ewigkeit unsere Errettung feststeht.
Und wisst ihr, der Herr Jesus ist nicht nur im Himmel und wartet auf uns, sondern er tut dort nach wie vor noch diesen Dienst, indem er sich als Anwalt und als Priester für uns verwendet.
In Hebräer 7,25 steht, dass er uns vor Gott vertritt. Daher kann er auch völlig erretten, die durch ihn Gott nahekommen. Durch den Herrn Jesus können wir zu Gott treten, weil er immer lebt, um sich für sie einzusetzen.
Wisst ihr, weil Jesus auferstanden ist, haben wir einen Priester im Himmel, der sich für uns verwendet. Und wenn der Herr Jesus seinerzeit auf der Erde zu Petrus sagt: „Petrus, ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht aufhöre“, und dieser Glaube hat nicht aufgehört, dann ist es der gleiche Dienst, den der Herr Jesus auf der Erde für seine zwölf Jünger tat oder für die siebzig, ich weiß nicht genau, wie viele es waren. Diesen Dienst tut er jetzt im Himmel fort.
Zugang zu Gott durch Jesus und praktische Konsequenzen für das Leben
Und deswegen sind wir noch dabei. Bevor wir nun das Brot brechen und den Kelch trinken, möchte ich uns an das erinnern, was in Hebräer 10,19 steht. Dort wird die Zusammenfassung dieses besonderen Dienstes beschrieben, der deutlich macht, dass unser Zugang zu Gott ein anderer ist.
Wir müssen nicht auf einen Priester warten, wir müssen nicht auf einen Menschen warten, der unser Gebet, unsere Gabe oder irgendetwas vor Gott trägt. Denn der Herr Jesus ist für uns, die wir glauben, der vollkommene Zugang zum Vater geworden.
Deshalb steht in Hebräer 10,19:
„Da wir nun, Brüder – und das gilt auch für alle Schwestern – im Herrn Jesus durch das Blut Jesu Freimütigkeit haben zum Eintritt in das Heiligtum, den er uns bereitet hat, als einen neuen und lebendigen Weg durch den Vorhang, das ist durch sein Fleisch, und einen großen Priester über das Haus Gottes, so lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen in voller Gewissheit des Glaubens, die Herzen besprengend und damit gereinigt vom bösen Gewissen und den Leib gewaschen mit reinem Wasser. Lasst uns das Bekenntnis der Hoffnung unwandelbar festhalten, denn treu ist er, der die Verheißung gegeben hat.“
Der Abschnitt geht noch weiter, und wir werden ihn nachher auch noch lesen. Herr Jesus ist dieser Priester für uns geworden. Als Zeichen dieser Verbundenheit mit dem Blut und dem Opfer des Herrn Jesus möchte ich jetzt mit euch das Brot brechen.
Lasst uns aufstehen und das Brot brechen. Es ist ein Segen, dass wir diesen freimütigen Zugang zum Herrn Jesus haben. Ich wünsche uns, dass wir uns viel öfter darüber freuen können, dass der Herr Jesus uns überhaupt ermöglicht hat, Zugang zu Gott zu haben. Deshalb freue ich mich auch, dass wir gerade dieses Abendmahl miteinander feiern konnten.
Dieser Zugang zu Gott bedeutet aber auch etwas Praktisches für unser Leben. Deshalb geht der Vers in Hebräer 10 noch weiter. Er erinnert noch einmal daran: „Da wir nun Brüder durch das Blut Jesu Freimütigkeit haben zum Eintritt in das Heiligtum.“ Das ist die Voraussetzung. Und dann folgen einige Konsequenzen.
Die erste lautet: „So lasst uns hinzutreten.“ Lasst uns wirklich diesen Zugang zum Thron der Gnade nutzen. In den letzten Wochen haben wir uns in den Predigten daran erinnert, was für ein großes Geschenk und welche Gnade es ist, diesen Zutritt zu Gott zu haben. Lasst uns das weiterhin nutzen.
Die zweite Konsequenz haben wir auch schon gelesen: „Lasst uns das Bekenntnis der Hoffnung unwandelbar festhalten.“ Liebe Geschwister, weil wir diesen Zugang zu Gott haben, der ewig ist – und das ist alles, was in den Kapiteln davor stand, von denen ich einiges zitiert habe –, lasst uns nicht aufhören zu hoffen und zu glauben.
Gib nicht auf, wirf deine Zuversicht nicht weg! Die Schrift sagt, dass eine große Belohnung auf uns wartet. Lasst uns diese Hoffnung unwandelbar festhalten. Ja, es gibt Zeiten, da kommt Mose vielleicht nicht vom Berg herunter, und du weißt nicht, was gerade der Plan ist. Oder es gibt Zeiten, in denen du dich fühlst wie in Sodom und Gomorra.
Halte die Hoffnung fest! Es lohnt sich. Gott hat seine Zeitplanung, und Gott macht keine Fehler. Wenn du jemals Zweifel hast, ob es sich lohnt, noch weiter auf Gott zu hoffen, dann schau dir das Leben von Jesus an. Sieh, was Gott in seiner ewigen Richterfunktion seinem Sohn Jesus angetan hat.
Schau dir an, wie Jesus die Hoffnung nicht aufgegeben hat und wie sehr es sich gelohnt hat. Darum hat Gott ihn erhoben über jeden Namen und ihm Ehre gegeben. Jedes Knie wird sich vor ihm beugen. Es hat sich für Jesus gelohnt, und es war härter für ihn, als es für jeden anderen sein kann.
Gemeinschaft und gegenseitige Ermutigung in der Gemeinde
Also gib auch du nicht auf.
In Hebräer 10 gibt es noch zwei weitere Dinge, die wir uns anschauen wollen. Vers 24 lautet: „Und lasst uns – ihr habt gemerkt, das fängt immer mit ‚lasst uns‘ an – aufeinander Acht haben, um uns zur Liebe und zu guten Werken anzureizen.“
Weiter heißt es in Vers 25: „Indem wir unser Zusammenkommen nicht versäumen, wie es bei einigen Sitte ist, sondern einander ermuntern, und das umso mehr, je mehr ihr den Tag herannahen seht.“
Der Schreiber des Hebräerbriefs ergänzt hier zwei wichtige Punkte. Erstens: Lasst uns aufeinander Acht haben.
Liebe Geschwister, ihr seid nicht einfach nur zufällig Banknachbarn. Ihr seid auch kein zusammengewürfelter Haufen, nur weil ihr bei Enter the Rock ein Papier unterschrieben habt – oder es noch unterschreiben werdet. Wenn wir wirklich Gemeinde Jesu sein wollen und uns als Ortsgemeinde verstehen, dann haben wir die Aufgabe, füreinander Priester zu sein. Das bedeutet, aufeinander Acht zu geben und uns gegenseitig zur Liebe und zu guten Werken anzureizen.
Ich weiß, dass man sich auch zu anderen Dingen anreizen kann – zum Beispiel zum Piesacken oder zum Zorn. Besonders die Väter werden in der Bibel ermahnt, das nicht zu tun. Es gibt viele andere Dinge, zu denen man sich reizen lassen kann. Euch fallen sicher spontan noch weitere ein, die nicht so gut sind.
Doch bin ich jemand, der euch zur Liebe zueinander anreizt, zum Herrn Jesus? Bist du jemand, durch den andere mehr gute Werke tun? Bist du einer, durch den die Hoffnung anderer gestärkt wird? Selbst wenn du selbst nicht viel Ermutigung bekommst, dann sei du einer für einen anderen.
Das ist die Folge davon, dass wir freimütigen Zugang zu Gott haben.
Wofür sollen wir beten? Das ist immer noch unser Thema. Liebe Geschwister, wenn wir nicht verstanden haben, was die Last dieses Priesterdienstes bedeutet – dieses Füreinander-Eintreten –, dann wird auch das Eintreten für einen anderen nur ein kurzes Strohfeuer sein.
Deshalb wünsche ich uns, dass wir neu begeistert werden von dem Gedanken, dass wir zum Thron der Gnade gehen dürfen und dort vor Gott etwas bewegen können.
Für wen sollen wir beten? Konkrete Zielgruppen
Der erste Punkt, für wen wir beten sollten, ist unsere Familie. Dabei denke ich besonders an unsere Kinder.
Der zweite Punkt betrifft die Menschen in der Welt, wie die in Sodom und Gomorra.
Der dritte Punkt ist besonders im Neuen Testament sehr wichtig. Paulus schreibt viel darüber, dass wir für das geistliche Wachstum und die geistliche Bewahrung unserer Geschwister beten sollen. Damit sind unsere Mitmenschen gemeint, die mit uns auf dem Weg zu Gott sind.
Ein Vers ist mir in diesem Zusammenhang besonders wertvoll, und ich erschrecke immer ein wenig, dass er in der Bibel steht. Wer mitlesen möchte, kann mit mir Judas 22 und 23 lesen. Judas ist der letzte Brief in der Bibel vor der Offenbarung – zumindest je nachdem, wie man die Bücher sortiert. Judas hat nur ein Kapitel. Am Ende dieses Buchs steht eine Ermahnung an die Empfänger des Briefes:
„Und erbarmt euch der einen, die zweifeln; rettet sie, indem ihr sie aus dem Feuer reißt. Der anderen aber erbarmt euch mit Furcht, indem ihr sogar das vom Fleisch befleckte Kleid hasst.“
Hier werden uns zwei Gruppen gegenübergestellt, denen wir Erbarmen zeigen sollen. Die erste Gruppe sind Menschen, die zweifeln und durch unser Erbarmen aus dem Feuer gerettet werden. So sagt es der Text zunächst.
Liebe Leute, der Priesterdienst ist keine leichtfertige Sache. Stellt euch vor, Mose hätte auf dem Berg gesagt: „Na ja, gut, okay Gott, habe ich verstanden.“ Ich will gar nicht wissen, was dann passiert wäre. Was passiert, wenn wir nicht die Geschwister, die hier in diesem Raum sind, immer wieder als Priester vor Gott tragen und für sie einstehen?
Vielleicht ist dann nächstes Jahr noch jemand weniger da, den der Teufel weggerissen hat. Ihr wisst, was ich meine. Gott fordert Erbarmen für diejenigen, die zweifeln.
Ich habe mir Gedanken gemacht, warum hier gerade das Zweifeln erwähnt wird. Letzten Sonntag habe ich darüber gepredigt, wie wichtig es ist, Gott als den Guten wirklich glaubend zu verstehen. Und ich glaube, für Gläubige ist der größte Zweifel oft der daran, ob Gott wirklich der Gute ist.
Ja, global und galaktisch ist er der Gute, aber ist er das noch in deinem Leben? Ist er noch derjenige, aus dessen Hand wirklich das Gute kommt?
Die Bibel sagt, was passiert, wenn wir zweifeln: Dann brauchen wir andere, die uns aus diesem Feuer reißen, damit wir nicht in Traurigkeit verschlungen werden.
Ich wünsche uns als Gemeinde, dass wir Zeugnisse sind, ein lebendiges Beispiel dafür, dass wir aufeinander achten und darauf aufpassen, dass der Teufel niemanden wegreißt.
Nicht nur, weil ewiges Verlorensein auf dem Spiel steht, sondern weil auch unser Zeugnis vor Gott und die Wirksamkeit unseres Lebens auf dem Spiel stehen – deines und meines.
Ich möchte euch ermutigen, besonders für diejenigen zu beten, die Verantwortung tragen – für Jürgen und alle anderen, die im Dienst sind. Denn sie sind besonders angefochten.
Die Bibel würde es nicht so dramatisch schreiben, wenn es nicht ernst gemeint wäre. „Aus dem Feuer reißen“ heißt, jemanden kurz bevor er verloren ist, noch herausziehen. Das ist der Gedanke.
Vor zwei Wochen hat mich Florian angerufen. Ich war gerade in Wolfsburg auf dem Weg zum Zug. Er sagte: „Markus, du musst dringend für mich beten. Ich sitze hier in Afrika fest.“ Es gab eine ziemlich üble, lebensbedrohliche Situation. Ich möchte nicht ins Detail gehen, weil es auf Band aufgenommen wird, aber ihr könnt euch vorstellen, wie unangenehm es ist, ungerechtfertigt in einem afrikanischen Gefängnis zu landen, ohne diplomatischen Dienst.
Flo hat mich angerufen, ebenso einige andere Brüder. Ich war sehr dankbar für den Anruf, denn so konnten wir den ganzen Abend und die ganze Nacht beten. Ihr wisst, ich komme auch nicht jeden Morgen zum Gebet, aber in dieser Nacht hat der Herr mir das aufs Herz gelegt, und ich konnte nicht schlafen, bis morgens um sechs oder acht die SMS von Flo kam, dass er gut in Amsterdam gelandet ist.
Geschwister, ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn Florian nicht die Hand gehoben hätte. Warum versteckt ihr euch als Christen in eurer Ecke und sagt nicht, wie es euch geht? Warum sagt ihr nicht, dass ihr im Feuer steht? Wie sollen andere für euch beten?
Ihr müsst nicht alles mir erzählen. Hier gibt es noch dreißig andere Beter. Spielt nicht mit dem Feuer.
Lasst uns, das war mein dritter Punkt, wirklich für die geistliche Bewahrung und das Wachstum von uns als Geschwister beten.
Weitere Gebetsanliegen und Schlusswort
Paulus ermahnt uns eindringlich. Ich fasse die letzten Punkte schnell zusammen, da die Zeit knapp ist.
Viertens fordert Paulus uns auf, uns für das Verkündigen des Evangeliums einzusetzen. Gleichzeitig bittet er um Gebet für uns. In Kolosser 4 heißt es: Betet, dass Gott uns eine Tür für das Wort öffnet und wir das Geheimnis Christi verkünden können.
Fünftens sollen wir besonders für die beten, die Verantwortung tragen. In 1. Timotheus 2,1 steht: Betet mit Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, besonders für Könige und alle, die in hoher Verantwortung stehen. So können wir ein ruhiges und stilles Leben in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit führen, wie Luther es schreibt. Betet für die Verantwortlichen in Stadt und Land, in Gemeinden, Familien, Schulen, bei Arbeitgebern und überall dort, wo Verantwortung getragen wird.
Sechstens: Wofür sollen wir beten? Wir sollen beten, wenn besondere Entscheidungssituationen in unserem Leben oder im Leben von Gläubigen anstehen.
Und zuletzt: So wie Flo mich anrief, sollten wir auch füreinander beten, wenn es konkrete Bitten um Bewahrung gibt.
Ich komme zum Schluss: Als Gläubige sind wir Priester und haben ein lebenswichtiges Amt. Ich möchte euch ermutigen.
Der Brief des Judas endet mit folgendem Segenswunsch: Dem aber, der euch ohne Straucheln bewahren und vor seine Herrlichkeit tadellos mit Frohlocken hinstellen kann, dem alleinigen Gott, unserem Heiland durch Jesus Christus, unseren Herrn, sei Herrlichkeit und Majestät, Gewalt und Macht vor aller Zeit, jetzt und in alle Ewigkeit.
