Einführung und Lesung des Predigttextes
Guten Abend, ich möchte alle herzlich begrüßen. Wir sind immer noch bei Lukas 8, aber heute Abend schließen wir dieses Kapitel ab und beginnen anschließend mit Kapitel 9, je nachdem, wie wir vorankommen.
Darf ich bitten, dass wir zu Beginn Lukas 8,40 bis zum Schluss des Kapitels lesen:
Es geschah aber, als Jesus zurückkehrte, nahm ihn das Volk auf, denn alle erwarteten ihn. Und siehe, es kam ein Mann mit Namen Jairus, der Vorsteher der Synagoge war. Er fiel Jesus zu Füßen und bat ihn, in sein Haus zu kommen, denn er hatte eine einzige Tochter von etwa zwölf Jahren, die im Sterben lag.
Während er aber hinging, drängte ihn die Volksmenge. Eine Frau, die seit zwölf Jahren an einem Blutfluss litt und obwohl sie ihren ganzen Lebensunterhalt an Ärzte ausgegeben hatte, von niemandem geheilt werden konnte, kam von hinten herzu und berührte die Quaste seines Kleides. Sogleich hörte ihr Blutfluss auf.
Jesus sprach: „Wer ist es, der mich angerührt hat?“ Als aber alle es abstritten, sagte Petrus: „Meister, die Volksmenge drängt und drückt dich, und du fragst, wer mich anrührt?“ Jesus aber antwortete: „Es hat mich jemand angerührt, denn ich habe gespürt, dass Kraft von mir ausgegangen ist.“
Als die Frau sah, dass sie nicht verborgen blieb, kam sie zitternd und fiel vor ihm nieder. Sie berichtete vor dem ganzen Volk, aus welchem Grund sie ihn angerührt hatte und wie sie sogleich geheilt worden war. Er aber sprach zu ihr: „Tochter, dein Glaube hat dich geheilt. Geh hin in Frieden!“
Während er noch redete, kam einer vom Haus des Synagogenvorstehers und sagte zu ihm: „Deine Tochter ist gestorben, bemühe den Lehrer nicht.“ Als Jesus dies hörte, antwortete er ihm: „Fürchte dich nicht, glaube nur, und sie wird gerettet werden.“
Als er aber in das Haus kam, erlaubte er niemandem, hineinzugehen, außer Petrus, Johannes, Jakobus sowie dem Vater und der Mutter des Kindes. Alle anderen weinten und beklagten sie. Er aber sprach: „Weint nicht, denn sie ist nicht gestorben, sondern sie schläft.“ Sie verlachten ihn, weil sie wussten, dass sie gestorben war.
Als er aber alle hinausgetrieben hatte, ergriff er das Mädchen bei der Hand und rief: „Kind, steh auf!“ Ihr Geist kehrte zurück, und sogleich stand sie auf. Jesus befahl, ihr zu essen zu geben. Die Eltern gerieten außer sich, er aber gebot ihnen, niemandem zu sagen, was geschehen war.
Überblick über die Kapitel und thematische Einordnung
Vielen Dank. Wir haben ausführlich gesehen, dass Kapitel 7 und 8 einen Teil im Lukasevangelium darstellen. Dieser Teil ist Teil vier. Er besteht aus acht Abschnitten.
Das, was wir jetzt gelesen haben, ist gerade noch Abschnitt 7, von Vers 40 bis 48, sowie Abschnitt 8, die Auferweckung der Tochter des Jairus, Verse 49 bis 56.
Mit Kapitel 9 beginnt dann ein neuer Teil, Teil 5. Er umfasst Kapitel 9, Vers 1 bis einschließlich Vers 50. Dort endet der erste Hauptteil des Lukasevangeliums.
Mit 9,51 beginnt der zweite Hauptteil, der bis zum Schluss reicht. Wir haben bereits gesehen, dass der erste große Hauptteil im Lukasevangelium das Kommen des Sohnes des Menschen in diese Welt zeigt. Ab 9,51 beschreibt das Evangelium das Weggehen des Sohnes des Menschen.
In den Kapiteln 7 und 8 geht es ganz speziell um das Thema Rettung und die Frage, wer der Retter ist. In Kapitel 9, im fünften Teil, wird dann das Thema Reich Gottes besonders hervorgehoben.
Analyse der Verse 40 bis 48: Zwei verschachtelte Geschichten
Jetzt schauen wir uns die Verse 40 bis 48 genauer an. Dabei erkennen wir, dass zwei Geschichten miteinander verflochten sind.
Zunächst beginnt es in den Versen 40 bis 42 mit der Geschichte der Tochter des Jairus. Danach folgt eine eingeschobene Geschichte über die Frau mit dem Blutfluss. Anschließend geht die Erzählung weiter und erreicht in den Versen 49 bis 56 ihren Höhepunkt mit der Auferweckung der Tochter des Jairus.
Zwischen diesen beiden Geschichten muss ein besonderer Zusammenhang bestehen. Es fällt zum Beispiel auf: Wie alt war die Tochter? Zwölf Jahre. Und wie lange war die Frau mit dem Blutfluss krank? Ebenfalls zwölf Jahre.
Wenn man zudem die Fortsetzung im Kapitel 9, Vers 1 beachtet, heißt es: „Als er aber die Zwölf zusammengerufen hatte, gab er ihnen Kraft und Gewalt über alle Dämonen. Und sie mussten in Israel das Reich Gottes verkündigen.“ Hier sind die zwölf Apostel gemeint, die vom Herrn in der Zahl genau für die zwölf Stämme Israels ausgewählt wurden.
Die Zahl zwölf hat also offensichtlich eine besondere Bedeutung in Verbindung mit Israel, genauer gesagt mit dem zwölfstämmigen Volk.
Die blutflüssige Frau: Hintergrund und Gesetzesbezug
Jetzt schauen wir uns diese blutflüssige Frau genauer an. Können wir zusammentragen, was das Problem dieser Frau war? Sie war bankrott, und zwar warum? Die Ärzte waren damals schon teuer, und wenn die Behandlung nichts nützte, gab man den ganzen Lebensunterhalt dafür aus.
Aber was genau war das Problem der Frau? Niemand durfte sie anfassen, und sie durfte auch niemanden anfassen. Sie war gewissermaßen unberührbar. Aber warum? Genau, jetzt kommen wir der Sache näher! Der Blutfluss war eine Unreinheit nach dem Gesetz, wie es im 3. Buch Mose (Levitikus) beschrieben ist.
Ganz natürlich ist der Blutfluss während der Periode. Diese blutflüssige Frau hatte jedoch eine Periode, die nie aufhörte. Das ist die Situation, die im 3. Mose 15 beschrieben wird. Dort finden wir ein Kapitel über die Ritualbäder. Diese waren etwas ganz Grundlegendes im Judentum. Man musste sich ständig mit Ritualbädern reinigen.
Ein Ritualbad war vorgeschrieben. Kann jemand 3. Mose 15, Verse 19-22 vorlesen?
Gerne:
„Und wenn eine Frau flüssig ist und ihr Fluss an ihrem Fleisch Blut ist, so soll sie sieben Tage in ihrer Unreinheit sein. Und jeder, der sie anrührt, wird unrein sein bis an den Abend. Alles, worauf sie in ihrer Unreinheit liegt, wird unrein sein, und alles, worauf sie sitzt, wird unrein sein. Jeder, der ihr Lager anrührt, soll seine Kleider waschen und sich im Wasser baden, und er wird unrein sein bis an den Abend. Jeder, der irgendein Gerät anrührt, worauf sie gesessen hat, soll seine Kleider waschen und sich im Wasser baden, und er wird unrein sein bis an den Abend.“
Im normalen Fall einer Periode wurde eine Frau dadurch nach dem Gesetz Mose unrein. Gleiches gilt für einen Mann, wenn ein Samenerguss entweicht. Lies dazu bitte 3. Mose 15, Vers 16:
„Und wenn einem Manne der Samenerguss entgeht, so soll er sein ganzes Fleisch im Wasser baden. Und er wird unrein sein bis an den Abend.“
Der Ausdruck „im Wasser baden“ meint ein Ritualbad. Das gehörte zum ABC des Judentums. In Hebräer 6 wird den Hebräern, das sind Judenchristen, erklärt, dass man die Grundlagen des Glaubens stehen lassen soll. Zu den Grundlagen wird unter anderem die Lehre von den Waschungen genannt. Das ist eben die Lehre der Ritualbäder, die zum jüdischen Sein gehören.
Im Kapitel 3. Mose 15 wird das Ritualbad mehrfach erwähnt: in Vers 5, 6, 7, 8, 10, 11, 13, 16, 18, 21 und 27. Das ist die Lehre der Waschungen.
Dann wird erklärt, was passiert, wenn ein krankhafter Blutfluss vorliegt. Lies bitte ab Vers 25:
„Wenn eine Frau ihren Blutfluss viele Tage hat, außer der Zeit ihrer Unreinheit, oder wenn sie den Fluss hat über ihre Unreinheit hinaus, so soll sie alle die Tage des Flusses ihrer Unreinigkeit sein wie in den Tagen ihrer Unreinheit, sie ist unrein.“
Weiter in Vers 27 bis 30:
„Und jeder, der sie anrührt, wird unrein sein, und der soll seine Kleider waschen und sich im Wasser baden, und er wird unrein sein bis an den Abend. Wenn sie rein geworden ist von ihrem Fluss, so soll sie sich sieben Tage zählen, und danach wird sie rein sein. Am achten Tag soll sie sich zwei Turteltauben oder zwei junge Tauben nehmen und sie dem Priester bringen an den Eingang des Zeltes der Zusammenkunft. Der Priester soll die eine als Sündopfer und die andere als Brandopfer opfern. So tue der Priester Sühnung für sie vor dem Herrn wegen des Flusses ihrer Unreinheit.“
Danke! Jetzt haben wir also den normalen Fall ab Vers 19 und den krankhaften Fall ab Vers 25 betrachtet. Das ist genau der Hintergrund der Geschichte in Lukas 8.
Wir sehen aber wieder, wie der Herr Jesus diese Frau heilt. Danach war auch klar, dass sie die Anweisungen aus 3. Mose 15 erfüllen musste, einschließlich des speziellen Opfers.
Diskussion über die Praxis der Ritualbäder heute
Christoph, hast du eine Frage? Ja, das mit den Ritualbeten gibt es immer noch.
Viele Gebote der Tora können heute jedoch gar nicht mehr praktiziert werden, weil sie mit dem Tempel zusammenhängen. Zahlreiche Gebote setzen die Existenz des Tempels in Jerusalem voraus. Man kann sich kaum vorstellen, was im Jahr 70 geschah, als der Tempel zerstört wurde. Er konnte seitdem nie wieder aufgebaut werden.
Damals wurde dem Judentum gewissermaßen das Herz herausoperiert, denn etwa ein Drittel aller Gebote – und man zählt im Judentum stolz 613 Gebote – kann gar nicht mehr praktiziert werden, weil der Tempel fehlt.
Die Ritualbäder sind jedoch nach wie vor möglich. Sie werden vor allem bei den Ultraorthodoxen praktiziert. Während der Periode werden Mann und Frau getrennt und es wird genau nach 3. Mose 15 verfahren.
Das hat natürlich einen Nebeneffekt: In einer Ehe gibt es immer wieder diese Art von Zurückstehen. Dadurch wird das Eheleben intensiver. Das ist gerade in der modernen Zeit ein Thema, denn durch die verschiedenen Verhütungsmittel ist es möglich, dass der eheliche Verkehr nahezu immer stattfindet.
Das führt manchmal zu Überforderung bei Mann und Frau. Dieses Pausieren hat jedoch seinen Sinn. Gott hat es so in die Natur und die Schöpfung hineingelegt. Es belebt und erneuert das Eheleben immer wieder.
Das nur als kleine Nebenbemerkung.
Symbolik der Unreinheit und ihre theologische Bedeutung
Aber jetzt ganz wichtig, damit man diese Gebote in Bezug auf Unreinheit versteht: Wenn hier im Dritten Mose von Unreinheit gesprochen wird, hat das nichts mit Sünde zu tun. Eine Frau ist in der Zeit der Periode nicht irgendwie sündig dadurch. Und der Mann im Zusammenhang mit dem Samenerguss – das ist nicht das Problem, dass das Sünde ist. Das gehört zum Eheleben.
Es ist eine symbolische Unreinheit. Alle diese symbolischen Dinge im Gesetz haben einen Hinweis auf das Evangelium und illustrieren es.
Was uns auffällt, ist, dass Ausflüsse aus den Geschlechtsorganen verunreinigen. Wenn man sich jedoch zum Beispiel in den Finger schneidet und Blut herauskommt, verunreinigt das nach dem Gesetz nicht. Es ist wirklich nur das Blut der Periode. Das hat irgendwie etwas mit dem Ursprung des Lebens zu tun.
Eine zweite wichtige Quelle der symbolischen Verunreinigung nach dem Gesetz ist das Ende des Lebens. 4. Mose 19 macht deutlich: Wenn man einen Toten berührt, ist man unrein und muss sich mit einem Ritualbad reinigen. Dort wird es sogar noch komplizierter, denn es gibt auch die Asche der roten jungen Kuh. Das wird ausführlich erklärt in 4. Mose 19.
Dieses Gebot mit 4. Mose 19 kann man heute im Judentum nicht mehr praktizieren, weil das Opfer der roten Kuh vorausgesetzt wird. Dieses Opfer kann man nur in Verbindung mit dem Tempel durchführen. Darum hat man zwar wieder die passenden roten Kühe, wie du sagst, aber den Tempel noch nicht. Deshalb kann man das Ritual der roten Kuh nicht ausführen, sondern nur die Ritualbäder.
Jetzt verstehen wir: Es hängt zusammen mit dem Ursprung des Lebens und mit dem Ende des Lebens. Das sind zwei ganz wichtige Grundlagen des Evangeliums.
Verbindung zu neutestamentlichen Texten über Sünde und Tod
Schlagen wir die Bibel auf, Römer 6,23: „Denn der Lohn der Sünde ist der Tod; die Gnadengabe Gottes aber ist ewiges Leben in Christus Jesus, unserem Herrn.“
Ebenso lesen wir in Römer 5,12: „Darum, wie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod, so ist der Tod zu allen Menschen durchgedrungen, weil alle gesündigt haben.“ Weiter heißt es, „wie durch des einen Menschen Ungehorsam die vielen in die Stellung von Sündern gesetzt worden sind, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen in die Stellung von Gerechten gesetzt werden.“
Durch Adam, durch seinen Sündenfall, kam die Sünde in die Welt (Römer 5,12). Diese sündige Natur, die Adam seit dem Sündenfall hatte, hat er von Generation zu Generation vererbt. Jede Generation von Menschen trägt somit diese sündige Natur in sich. Das ist auch der Grund, warum wir in uns eine Kraft spüren, die uns zum Bösen hinzieht – ein Impuls, der uns antreibt zur Sünde. Diese Sünde in uns ist durch Adam in die Welt gekommen und wurde weitergegeben.
Das ist sehr demütigend für jeden Menschen: Er kann immer nur einen Sünder zeugen, nie einen Gerechten. Die Babys sind zwar lieblich und anmutig, wenn man sie ganz klein auf den Armen hält, solange sie noch nicht sprechen können. Doch schon sehr bald kommen die bösen Wörter – so unglaublich schnell. Dann merkt man: Das ist ein Problem.
Die Verunreinigung aus den Geschlechtsorganen drückt aus, dass wir Sünder sind und nur Sünder hervorbringen können. Die Verunreinigung des Todes zeigt die letztliche Konsequenz der Sünde, nämlich den Tod. Doch all dies war eine Vorbereitung auf das Evangelium, denn der Messias, der verheißene Erlöser, sollte kommen und dieses Problem lösen.
Wir haben gelesen in Römer 5,19: „Durch den Ungehorsam Adams sind die vielen in die Stellung von Sündern gesetzt worden. Aber jetzt, durch den Gehorsam des einen, Jesus Christus, der am Kreuz für uns gestorben ist, werden die vielen in die Stellung von Gerechten versetzt.“ Das ist die Reinigung.
Darum weist das Ritualbad auf die Möglichkeit einer Reinigung von diesem Bösen hin. Diese symbolischen Handlungen gelten im Zusammenhang mit dem Gesetz. Das Gesetz ist gültig bis zum Tod Christi; dort endet das Zeitalter des Gesetzes. Deshalb haben diese Gebote keine konkrete Anwendung mehr in der Gemeinde. Die Gemeinde steht nicht unter dem Gesetz Mose.
Wir haben jedoch den reichen Gewinn, dass wir all diese symbolischen Dinge im Licht des Neuen Testaments geistlich verstehen können. Christus ist derjenige, der Sünder in die Stellung von Gerechten versetzt. Davon spricht die Reinigung mit dem Reinigungsbad.
Wie wir in Römer 6,23 gelesen haben: „Der Lohn der Sünde ist der Tod; die Gnadengabe Gottes aber ist ewiges Leben in Christus Jesus, unserem Herrn.“ So spricht auch das Opfer der Reinigung in 4. Mose 19 von der Verunreinigung des Todes, vom Opfer des Herrn Jesus, das ewiges Leben bringt und von der Verunreinigung der Sünde und des Todes freimacht.
Symbolische Unreinheit und wahre Sünde im Evangelium
Es gibt eine sehr eindrückliche Stelle in Markus 7, Vers 20. Wir haben diese Sündhaftigkeit weiter betrachtet, und das auf sehr eindrückliche Weise. Ja, wir können es gerade nachlesen: Markus 7, Vers 20.
Dort erklärt Jesus, dass die symbolischen Verunreinigungen des Gesetzes wirklich nur symbolisch sind. Sie weisen auf die wirkliche Verunreinigung hin, und das ist die Sünde.
Lassen wir uns vielleicht Markus ab Vers 19 vorlesen: „Denn es geht nicht in sein Herz hinein, sondern in den Bauch, das, was ein Mensch isst, und es geht heraus in den Abort, in dem alle Speise gereinigt wird.“
Im Zusammenhang geht es also um unreine Speise. Jesus sagt aber: „Was aus dem Menschen herauskommt, das verunreinigt den Menschen.“ Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken hervor: Unzucht, Dieberei, Mord, Ehebruch, Habsucht, Bosheit, Arglist, Ausschweifung, Neid, Lästerung, Hochmut, Torheit.
Alle diese bösen Dinge kommen von innen heraus und verunreinigen den Menschen.
Der Herr zeigt hier also, was die eigentliche Verunreinigung ist. Alles andere, die symbolische Unreinheit, ist keine wirkliche Unreinheit, sondern symbolisiert nur diese wahre Verunreinigung.
Lehre der Erbsünde im Judentum und Christentum
Ja, Carlo? In der kirchlichen Geschichte war die Lehre der Erbsünde immer bekannt. Sie geht zum Beispiel auf den Römerbrief zurück, wo das deutlich gelehrt wird ab Römer 5,12.
Hättest du uns aber gefragt: Wie ist es mit dem Judentum? Wird die Lehre der Erbsünde im Judentum auch anerkannt? Dann muss man sagen: Im rabbinischen, pharisäischen Judentum nein. Dort wird gelehrt, dass der Mensch im Mutterleib schon zwei Tendenzen hat. Er habe den Jäzer-Ra, das ist die Neigung zum Bösen, und den Jäzer-Tov, das ist die Neigung zum Guten. Der Mensch müsse quasi frei entscheiden zwischen der bösen und der guten Neigung.
Der Mensch ist also nicht wirklich völlig verdorben. Der Calvinismus lehrt diesen Punkt ganz korrekt, nämlich dass der Mensch völlig verdorben ist. Im rabbinischen Judentum sagt man hingegen, der Mensch sei nicht völlig verdorben, sondern habe beide Tendenzen und könne sich einfach entscheiden.
Der Römerbrief macht aber klar, dass der Mensch durch den Sündenfall völlig verdorben ist. Darum braucht er auch eine völlige Erneuerung durch das Werk des Herrn Jesus.
Was ich sagen will: Im Alten Testament wird die völlige Verdorbenheit des Menschen schon gelehrt. Schauen wir mal in 1. Mose. Kurz nach dem Sündenfall liest man in Kapitel 4, Verse 25 bis 26:
„Adam erkannte abermals sein Weib, und sie gebar einen Sohn und gab ihm den Namen Seth, denn Gott hat mir einen anderen Samen gesetzt anstelle Abels, weil Kain ihn erschlagen hat. Und Seth bekam auch einen Sohn und gab ihm den Namen Enos. Damals fing man an, den Namen des Herrn anzurufen.“
Man muss sich genau vor Augen halten, was hier beschrieben wird. Der Erstgeborene, Kain, war so ein hoffnungsvoller Sprössling. Doch dann wird er größer und wird zum Mörder. Man fragt sich: Was ist mit uns Menschen geschehen seit dem Sündenfall?
Aber Eva bekommt wieder einen Sohn, Seth. Das bedeutet Ersatz. Er sollte ein Ersatz sein für den ermordeten Abel. Seth bekommt auch ein Kind. Und wie wird dieser genannt? Enos.
Enos heißt Mensch auf Hebräisch, aber das ist nicht das normale Wort für Mensch. Mensch sagt man auf Hebräisch „Ben Adam“, also Adams Sohn, „Menschenkind“. Das ist die wörtliche Übersetzung von „Ben Adam“.
Hier haben wir aber das Wort „Enosch“, das ebenfalls Mensch bedeutet, aber von „Anasch“ kommt. Das heißt böse sein, sterblich sein und schwach sein. Man muss sich vorstellen, diesem kleinen Baby geben sie den Namen „Böse“, „sündig“. Man hat verstanden: Mit uns Menschen ist ein Problem, wir haben das Böse schon in uns.
Dann sehen wir, wie sich das immer deutlicher offenbart. In 1. Mose 6,5 steht:
„Und der Herr sah, dass des Menschen Bosheit groß war auf Erden, und alles gebildete Denken seines Herzens nur böse war den ganzen Tag.“
Auch hier wird deutlich, dass der Mensch in seiner Natur seit dem Sündenfall völlig verdorben ist.
Das hätte man also auch schon im Alten Testament wissen können. All diese Gebote im Zusammenhang mit Unreinheit im dritten Buch Mose waren dazu da, dem Volk Israel diese Lektion im täglichen Leben zu geben: Der Lohn der Sünde ist der Tod. Und durch einen Menschen kam die Sünde in die Welt und ist durch alle Generationen durchgedrungen.
Gottes Liebe trotz der Verdorbenheit des Menschen
Jemand wollte etwas fragen? Oh, das ist eine sehr gute Frage: Was liebt Gott an uns, wenn wir völlig verdorben sind? Hat jemand eine Antwort? Ja, sehr gut, dann kann ich es auf den Punkt bringen. Gott liebt uns, weil wir seine Geschöpfe sind.
Wir sind zwar gefallene Geschöpfe, aber doch Geschöpfe Gottes. Und als Geschöpfe liebt Gott den Sünder. Das hatten wir ja sehr eindrücklich gerade im Lukas-Evangelium. Das ist wichtig, weil es ja Leute gibt, die sagen, Gott liebt den Sünder gar nicht.
Aber in Lukas haben wir diesen Schimpfnamen, den die Feinde des Herrn dem Erlöser gegeben haben: Lukas 7,34: „Der Sohn des Menschen ist gekommen, der da isst und trinkt. Und ihr sagt: Siehe, ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund von Zöllnern und Sündern.“
Jawohl, das war also ein verächtlicher Ausdruck, den die Feinde für den Herrn Jesus verwendet haben: ein Freund von Zöllnern und Sündern. Und „Freund“ heißt auf Griechisch „Philos“. Das kommt von „phileo“, lieben. Das ist also der Liebende, der den Sünder liebt.
Aber Gott hasst die Sünde, doch er liebt den Sünder. Darum ist der Herr Jesus gekommen, um eben Sünder zur Buße zu rufen. Johannes 3,16 drückt das auch aus: „Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab.“
Hast du noch eine Zusatzfrage? Also, wie gesagt, Gott liebt nicht das Sündige im Wesen des Menschen, sondern hasst es. Aber Gott liebt die Person – die Person aus Geist, Seele und Körper.
Dann kommt natürlich noch etwas dazu, was wir jetzt gar nicht angesprochen haben: Gott sah auch, was er aus denen machen wird, die einmal umkehren. Darum wird zum Beispiel die Liebe des Herrn Jesus ganz konkret auf die Gemeinde in Epheser 5 beschrieben.
Das ist jetzt nicht dasselbe wie Johannes 3,16, „Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt“, sondern dort heißt es: Er hat die Gemeinde geliebt. Kann man das auch am Mikrofon vorlesen? Und zwar Epheser 5,25: „Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch der Christus die Gemeinde geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat, um sie zu heiligen, indem er sie reinigte durch das Wasserbad im Wort, damit er die Gemeinde sich selbst verherrlicht darstellte, die nicht Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen hat, sondern dass sie heilig und tadellos sei.“
Jawohl, also das kommt dann noch dazu. Gott hat jeden Menschen als Geschöpf geliebt – also auch die, die einmal verloren gehen werden. Ihnen galt auch seine Liebe.
Und jetzt sehen wir hier im Blick auf die, die das Opfer annehmen und zur Gemeinde gehören – das sind die Gläubigen von Pfingsten bis zur Entrückung – dass sie in besonderer Weise Gegenstand der Liebe des Herrn Jesus sind. Dort heißt es: Christus hat die Gemeinde geliebt und sich selbst für sie hingegeben.
Gottes Liebe zu Sünder und das Opfer Christi
Ja, genau. Bis zu Römer 5, Vers 8 wird deutlich gezeigt, dass es Behörden gibt, auch wenn wir noch Sünder sind. Ganz genau, das können wir gerade lesen.
Römer 5,6 zeigt die Liebe Gottes zu verlorenen Menschen. Denn Christus ist für Gottlose zur bestimmten Zeit gestorben, als wir noch kraftlos waren. Kaum wird jemand für einen Gerechten sterben, und für den Gutgesinnten möchte vielleicht jemand zu sterben wagen.
Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren.
Jetzt haben wir gesehen, wie diese Liebe Gottes allen Menschen gilt und wie das trotz der Verdorbenheit des Menschen möglich ist.
Rückkehr zur blutflüssigen Frau und Parallelen zu anderen Geschichten
Nun kehren wir zurück zu Lukas 8, wo uns die Geschichte der blutflüssigen Frau eindrücklich vorgestellt wird. Zwölf Jahre lang war sie rituell, also symbolisch, immer unrein. Sie hatte ihren gesamten Lebensunterhalt an die Ärzte abgegeben, konnte aber nicht geheilt werden.
Wir haben bereits gesehen, dass dieser Abschnitt in acht Teile gegliedert ist, jeweils vier und vier. Vielleicht erinnert man sich daran, dass ich früher schon erklärt habe, wie die Geschichte der blutflüssigen Frau parallel zur Geschichte der Sünderin im Haus des Pharisäers Simon verläuft. Die Parallelen sind sehr auffällig.
Auf der einen Seite steht eine wirklich sündige Frau, eine unmoralische, eine Prostituierte. Auf der anderen Seite haben wir eine symbolisch unreine Frau. Von beiden Frauen heißt es, dass sie von hinten zum Herrn kommen und ihn berühren. Beide erkennen, dass es keine andere Möglichkeit zur Hilfe gibt als nur bei Jesus.
In beiden Fällen wird ihnen durch den Herrn geholfen. Doch hier sehen wir, dass die blutflüssige Frau ihren gesamten Lebensunterhalt für die Ärzte ausgegeben hat. Im Abschnitt über die Sünderin, der sich in Lukas 7,36 bis Kapitel 8,3 erstreckt, wird gesagt, dass ihr viel vergeben wurde. Deshalb hat sie viel geliebt und alles für den Herrn aufgewendet.
Sie kommt mit einer teuren Alabasterflasche mit Salböl und schenkt sie dem Herrn. In den Versen, die an diese Geschichte angehängt sind, lesen wir von verschiedenen Frauen, die der Herr geheilt und gerettet hat: Maria, Johanna, Susanna und viele andere Frauen (Lukas 8,3). Diese Frauen dienten Jesus mit ihrem Haar, das heißt, sie setzten ihre Finanzen für den Herrn ein.
In der parallelen Geschichte gab es eine Frau, die ihre Finanzen für Spezialisten ausgegeben und alles verloren hatte. Doch der Herr schenkte ihr die völlige Gesundheit zurück.
Bedeutung der Quaste am Kleid Jesu
Und jetzt ganz wichtig: Sie berührt den Herrn – aber wo? An der Quaste. Eine Erklärung zur Quaste, bitte.
Ein, zwei, drei Schritte zu weit. Die Quasten sind ein Symbol für die Gebote, das werden wir gleich sehen. Aber fangen wir ganz vorne an. Jemand weiß vielleicht nicht, was Quasten sind. Am Kleid eines jüdischen Mannes, ja? Ja, bitte, natürlich, korrekt. Riemen, Gebetsriemen, Fäden? Nein, nicht die Gebetsriemen, das sind die Tefillin. Das sind diese Lederbänder, die man um den linken Arm wickelt. Dort ist ein Kästchen befestigt, und im Kästchen sind Verse aus der Bibel, ganz speziell 5. Mose 6: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben.“
Man trägt dann auch einen Riemen um die Stirn, weil in 5. Mose 6 gesagt wird, dass dieses Wort, den Herrn zu lieben, aufs Herz geschrieben und zwischen die Augen gelegt werden soll. Also da, beim Frontallappen, wo unser Zentrum zum Planen und Organisieren ist, sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben. Wenn man es hier am linken Arm trägt, ist es aufs Herz geschrieben – so kann man es aufs Herz schreiben.
Aber eben, die Tefillin, die Gebetsriemen, das ist etwas aus 5. Mose 6. Aber das sind nicht die Quasten. Ja, also an … Die Schellen und diese Granatäpfel sind nur beim Hohen Priester an seiner Kleidung zu finden, 2. Mose 28. Aber die Quasten? Ja, schlagen wir auf, wo die Quasten beschrieben werden. Jawohl, schlagen wir auf: 4. Mose 15. Wir lesen die Verse 37 bis 41.
Und der Herr sprach zu Mose und sagte: „Rede zu den Kindern Israel und sprich zu ihnen, dass sie sich eine Quaste an den Zipfeln ihrer Oberkleider machen bei ihren Geschlechtern und dass sie an die Quaste des Zipfels eine Schnur von blauem Purpur setzen. Und es soll euch zu einer Quaste sein, dass ihr, wenn ihr sie anseht, alle Gebote des Herrn gedenkt und sie tut, und dass ihr nicht umherspürt mit eurem Herzen und euren Augen, nach denen ihr nachhuret, damit ihr alle meine Gebote gedenkt und sie tut und heilig seid eurem Gott. Ich bin der Herr, euer Gott, der euch aus dem Land Ägypten herausgeführt hat, um euer Gott zu sein. Ich bin der Herr, euer Gott.“
Danke. Also hier geht es um ein Kleidungsstück, das ein Tuch ist, das man so um sich herum trägt. An die Ecken dieses Tuches wird eine Quaste angebracht. Das Wort Quaste bedeutet ein Bündel von Fäden. Quaste heißt also Fädenbündel. Wenn man von Leinkleidern ausgeht, dann sind das weiße Fäden. Aber dann wird noch erklärt in Vers 38, dass an diese Quaste auch eine Schnur aus blauem Purpur gesetzt werden soll. So hat man also Weiß und Blau kombiniert.
Im orthodoxen Judentum wird das bis heute praktiziert. Man trägt nicht mehr diese Kleider von früher mit den Tüchern, sondern man macht das bei den Männerhosen an der Seite – diese Fäden hängen auf beiden Seiten herunter. Das soll eine Erinnerung im Alltag sein. Man muss ja immer wieder mal die Kleider zurechtrücken, und dann sieht man diese Fäden. Sie sollen daran erinnern, dass man die Gebote Gottes auch im Alltag umsetzt.
Ich habe das mal versucht zu erklären in Thailand. Dort habe ich den Thailändern gesagt: „Schau dir das an, das ist so etwas Ähnliches. Wenn Tante Pi Na um fünf Uhr am Bahnhof kommt, damit man das Jahr nicht vergisst, kann man ins Taschentuch einen Knopf machen. Und dann, wenn man wieder mal muss, sieht man den Knopf und denkt: ‚Oh, ein Knopf drin! Natürlich, ich muss die Tante am Bahnhof abholen!‘“ So hilft ein Knoten, sich an etwas zu erinnern.
Nachher habe ich erfahren, dass das Beispiel nicht gut war, denn die Thailänder haben gar keine Taschentücher. Sie benutzen nur Papiertaschentücher. Und bei uns ist es oft auch so: Es geht nicht mehr. Aber eben, irgendetwas im Alltag, das man mit einer bestimmten Bedeutung verbindet, und dann weiß man: „Ah, das erinnert mich an das und das.“ Das war die Idee. Gott wollte mit diesen Fäden immer wieder daran erinnern, das Wort Gottes im Alltag.
Und jetzt zu diesen beiden Farben: Was haben sie zu bedeuten? Weiß und Blau? Blau ist die Farbe des Himmels und erinnert daran, dass die Gebote in der Bibel keine menschlichen Gebote sind. Was wir in der Bibel haben, ist hundert Prozent Gottes Wort, vom Himmel her. Und die weißen Fäden? Das Weiße steht für die gerechten Gebote und dafür, dass wir diese Gerechtigkeit im Alltag umsetzen sollen – gerecht leben nach dem Wort Gottes, das wird da ausgedrückt.
Jetzt allerdings, wenn man so in Jerusalem herumgeht und die Orthodoxen mit ihren Fäden sieht, was fällt auf? Sie haben nur noch weiße. Es gibt ein paar wenige, die das Blau noch haben, aber das ist schon abgedatet. Das war jahrhundertelang ein Problem, weil blauer Purpur eine ganz spezielle Farbe ist. Das Wissen, wie man blauen Purpur produziert, ging etwa ab 700 nach Christus im Judentum verloren.
Man wusste wirklich nicht mehr, wie man ihn herstellen sollte. Darum sagten die Rabbiner: Man kann nicht einfach irgendein Blau nehmen, lieber gar kein Blau als ein falsches – nur blauer Purpur. Aber es ist eine spannende Geschichte, beginnend im 19. Jahrhundert, wie man schließlich wieder herausfand, wie man den blauen Purpur produziert – und zwar aus Murex trunculus, der Purpurschnecke.
Das Spezielle ist, diese Schnecken sind ganz schwierig zu finden im Mittelmeer. Sie können in großen Tiefen leben, und um genügend zu sammeln, braucht man einiges. Wenn man diese Schnecken hat, muss man sie am richtigen Ort eindrücken, dort, wo die Eingeweide sind. Drückt man sie aus, erhält man einen durchsichtigen Tropfen.
Wenn man diesen Tropfen dem Sonnenlicht aussetzt – jetzt habe ich wieder ein technisches Problem – sonst gibst du mir das andere Mikrofon. J'adore! Also, wenn man diesen Tropfen dem Sonnenlicht aussetzt, entsteht ein chemischer Prozess, und es wird blauer Purpur. Wenn man den Tropfen aber vor dem Licht schützt, entsteht ein chemischer Prozess, und es wird roter Purpur.
Mit dem gleichen Tropfen kann man also roten oder blauen Purpur produzieren. Es ist ein chemischer Prozess, der dann stabilisiert wird, sodass die Farbe bleibt. Die Farbe ist so wertvoll und teuer, dass sie unbezahlbar ist. Wenn man beispielsweise das Kleid des Hohen Priesters aus blauem Purpur färben soll, ist das unbezahlbar. Diese Farbe ist wertvoller als Gold.
Es gibt die Firma Pigmente und Co in Eichstetten in Deutschland, die heute einen Gramm blauen Purpur für über zwei Euro verkaufen. Gold ist dagegen nichts im Vergleich zu dieser so wertvollen Farbe. Was sagst du? Also man hat das jetzt auf jeden Fall wieder eingefärbt in Jerusalem für die Kleider des Hohen Priesters. Diese blaue Toga hat zusammen mit den anderen Kleidungsstücken dann eine halbe Million gekostet – wirklich unbezahlbar.
Israel liegt am Mittelmeer, Rainer, aber das Problem ist, in so großer Zahl ist es schwierig, die Schnecken zu bekommen. Diese Farbe wurde etwa 1750 v. Chr. auf Kreta entdeckt, eben im Mittelmeerraum. Man musste tauchen, tauchen. Es gibt auch das Phänomen, dass manchmal Schnecken durch das Meer angespült werden, aber das ist sehr selten.
Man entdeckte diese Farbe 1750 v. Chr. auf Kreta und merkte sofort, dass es eine tolle Farbe ist, um Klassenunterschiede zu markieren. Das konnten sich nicht die Reichen, sondern nur die Superreichen leisten. Darum trugen die solche Kleider in Blau und Rot.
Aber das war 1750 v. Chr. Nach strenger biblischer Chronologie war der Auszug aus Ägypten 1606 v. Chr., und Gott hat bei den Anweisungen zum Bau der Stiftshütte blauen und roten Purpur vorgeschrieben. Er hat diese Farben nicht benutzt, um Klassenunterschiede zu markieren – die sind da, aber ob man die so noch herausstreicht, ist etwas anderes.
Er hat sie benutzt, um auf die Herrlichkeit des Sohnes Gottes, Jesus Christus, hinzuweisen. Und jetzt etwas Besonderes: In 4. Mose 15 hat Gott angewiesen, dass alle Israeliten Blau und Purpur tragen müssen, nicht nur die Reichen, sondern alle Schichten, die Armen und die Reichen. Denn für Gott ist jeder, der zum Volk Gottes gehört, etwas Besonderes, etwas Edles, unabhängig vom Reichtum.
Jeder musste es also tragen, um sich dadurch an das Wort Gottes zu erinnern, das vom Himmel kommt – Blau – und an die Gerechtigkeit Gottes, die in diesen Geboten ausgedrückt und im Alltag umzusetzen ist.
Zur Kleiderordnung im ultraorthodoxen Judentum: Man kann nicht einfach sagen „im Judentum“, sondern im ultraorthodoxen Judentum, das etwa zwanzig Prozent der Bevölkerung in Israel ausmacht. Woher kommt diese Kleiderordnung mit den schwarzen Kleidern? Das kommt aus Osteuropa. Das ist die typische Kleidung der aschkenasischen Juden aus Osteuropa.
Die Juden aus Marokko, Iran oder Jemen kleiden sich nicht so. Das ist also typisch osteuropäisch. Sie haben eine ganz bestimmte Mode, die vor ein paar Jahrhunderten eingefroren, fossilisiert und bis heute beibehalten wurde.
Das Schwarz hängt damit zusammen, dass sie sagen: „Wir tragen Schwarz, solange Jerusalem in Trauer ist. Wenn der Messias kommt und Jerusalem wirklich befreien wird, dann werden wir uns weiß kleiden.“ Das ist die Überlegung. Sie sind in Trauer wegen Jerusalems.
Roger, eine Frage: Ich habe in 4. Mose 15 einen violetten Purpur, ist das falsch? Du hast in deiner Übersetzung violetter Purpur. Das hebräische Wort lautet „Drelet“ und meint eben diesen blauen Purpur. Violett kommt daher, dass der Übersetzer dachte, mit Violett trifft er vielleicht diesen Farbton besser.
Ich habe leider vergessen, eine Quaste mitzubringen heute Abend. Ich kann das nächstes Mal tun, dann sieht man wirklich, wie die Farbe ist. Es ist nicht violett, es ist blau.
Diese Farbe hat eine besondere Bedeutung. Und jetzt geht es um die Quasten des Messias in Lukas 8. Sie hat ja die Quaste des Herrn Jesus angerührt. Wir müssen uns im Klaren sein: Diese Quasten sollten alle Israeliten darauf hinweisen, dass sie schuldig sind, nach der Bibel zu leben.
Aber keiner hat es geschafft, weil sie alle verloren sind, weil sie alle unrein sind – wie diese Frau, die zwölf Jahre lang blutflüssig war. Sie ist ein Bild der Nation Israel. Sie sind alle unrein, unfähig.
Aber sie hat Zuflucht gesucht bei dem Herrn Jesus. Er ist der Einzige, der die ganze Tora wirklich eingehalten hat. Wir können dazu aufschlagen: Matthäus 5, Verse 17 bis 18.
„Meint nicht, dass ich gekommen sei, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen. Ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen. Denn wahrlich, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, soll nicht ein Jota oder ein Strichlein vom Gesetz vergehen, bis alles geschehen ist.“
Dieser Ausdruck „Ich bin gekommen, nicht aufzulösen, sondern zu erfüllen“ bedeutet im Griechischen, etwas völlig zur Geltung zu bringen oder völlig zum Ausdruck zu bringen. Das hat er getan in seinem Leben. Er war der Einzige, der sündlos gelebt hat.
Er konnte den Pharisäern in Johannes 8 sagen: „Wer von euch überführt mich der Sünde?“ Keiner konnte etwas sagen. Sie fragten ihn auch in Johannes 8: „Wer bist du?“ Und er sagt durchaus das, was er zu ihnen redet. Das heißt, alles, was er redete, war der Ausdruck dessen, was er war.
Bei uns ist oft das Problem, dass Sprechen nicht mit unserem Leben übereinstimmt. Aber bei Jesus war es so: Er konnte sagen, dass das, was er zu ihnen sagt, alles gerecht, echt und wahr ist.
In Johannes 11 sagt er zum Vater: „Ich wusste, dass du mich allezeit hörst.“ Er war in allem wohlgefällig. Darum hat sich auch der Himmel bei der Taufe am Jordan geöffnet. In Lukas 3 haben wir das gesehen, und Gott sagt: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe.“
Bald kommen wir in Lukas 9 zu dem Abschnitt, wo Jesus auf dem Berg der Verklärung war. Dort spricht Gott wieder aus dem Himmel: „Dieser ist mein geliebter Sohn.“ Er hat das vollkommen ausgelebt.
Jetzt sehen wir diese Frau, die mit eigener Leistung, mit all ihrem Geld – und Geld ist gespeicherte Arbeit – alles für die Ärzte ausgegeben hat, und niemand konnte ihr helfen. Das ist ein eindrückliches Beispiel für Israel als Nation, die versucht hat, durch eigene Leistung von Gott anerkannt zu werden.
Aber Gott muss sagen: „Unrein, unrein!“ Diese Frau hat Zuflucht gesucht bei dem, der vollkommen war in seinem Leben und darum Retter werden konnte.
Das ist das Thema, das wir immer wieder in den Kapiteln sieben und acht sehen. Dort haben wir immer wieder das Wort „retten“ gehabt. Ich möchte noch einmal erinnern, zum Beispiel Lukas 8, Vers 26 und folgende. Letztes Mal haben wir die Rettung von einem Schwerstbesessenen betrachtet – Rettung aus der Macht des Teufels, der Macht der Finsternis.
Hier haben wir Rettung von Unreinheit und danach, ab Vers 49, Rettung vor der Macht des Todes. Wir hatten schon früher bei der sündigen Frau in Lukas 7 gesehen, wie Jesus sogar eine zutiefst moralisch gefallene Frau aus dem Sumpf der Sünde befreit und rettet.
Er ist der Einzige, der das kann, weil er selbst in seinem Leben vollkommen war.
Erwähnung der Quasten in den Evangelien und Zeugnis der Frau
Wenn man sich notieren möchte, wo in den Evangelien die Quasten des Herrn Jesus erwähnt werden, findet man diese Stellen in einem anderen Zusammenhang in Matthäus 9,20, Matthäus 14,36 und Markus 6,56. Die vierte Stelle ist hier im Lukas-Evangelium.
Wir hatten bereits die parallel gestellte Geschichte mit der Sünderin betrachtet, die ebenfalls von hinten kommt und den Herrn berührt. Der Pharisäer denkt dabei: Wenn dieser Mann wirklich ein Prophet wäre, dann wüsste er, was für eine schlimme Frau das ist. So lautete seine Überlegung.
In der hier parallel gestellten Geschichte kommt eine Frau aus der Volksmenge und berührt den Herrn. Jesus fragt: „Wer hat mich angerührt?“ Petrus antwortet in Vers 45: „Meister, die Volksmengen umdrängen und drücken dich.“ Und Jesus fragt dennoch: „Wer ist es, der mich angerührt hat?“ Er wusste ganz genau, wer es war.
Warum hat er diese Frage gestellt? Weil diese Frau ein Zeugnis und ein Bekenntnis ablegen sollte. Sie war sehr schüchtern, doch der Herr holte sie aus dieser Schüchternheit heraus, damit sie ein Bekenntnis ablegt. Dieses Bekenntnis wird nun seit zweitausend Jahren in der ganzen Welt verkündigt.
Bedeutung der Kraft, die von Jesus ausgeht
Wie muss man verstehen, dass von ihm Kraft ausgegangen ist? Heute hört man oft in bestimmten Kreisen, dass eine gewisse Kraft durchströmt. Wie kann man das verstehen?
Ja, das ist typisch im Okkultismus. Oft wird das, was von Gott kommt, imitiert, nachgemacht oder nachgeäfft. Zum Beispiel in 1. Mose 1: Gott spricht, und dann entsteht etwas. Der Teufel kopiert das in der Magie. Dort sagt jemand einen Zauberspruch, und es soll etwas geschehen.
Das ist nichts anderes als eine Nacheffung Gottes. Damit die Welt entstehen konnte, brauchte es die Kraft Gottes. Ebenso brauchte es die Kraft Gottes, damit diese Frau geheilt werden konnte.
Im Okkultismus wird das kopiert. Deshalb wird dort ständig von Kraftströmen, Lebensströmen und Ähnlichem gesprochen. Aber in diesem Sinne ist es eine teuflische Nacheffung.
Beispiel eines Aussätzigen und die Umkehrung der Unreinheit
Noch etwas? Ja. Dort haben wir ein noch schlimmeres Beispiel als den Blutfluss: einen Aussätzigen. Die Aussätzigen mussten Abstand zu den Leuten halten und ganz besonders streng darauf achten, dass dieser Abstand eingehalten wird.
Im 3. Buch Mose 13 heißt es sogar: Wenn ein Aussätziger sieht, dass jemand in die Nähe kommt, muss er rufen: „Unrein, unrein!“ Das musste diese Frau nicht, aber der Aussätzige.
Und jetzt, Matthäus 8, könntest du die Verse 1 bis 4 lesen:
Als Jesus von dem Berg herabgestiegen war, folgte ihm eine große Volksmenge. Siehe, ein Aussätziger kam herzu, fiel vor ihm nieder und sprach: „Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen.“
Jesus streckte seine Hand aus, berührte ihn und sprach: „Ich will, sei gereinigt!“ Und sogleich wurde sein Aussatz gereinigt.
Jesus sagte zu ihm: „Siehe, sage es niemandem, sondern geh hin, zeige dich dem Priester und bring die Gabe dar, die Mose angeordnet hat, ihnen zum Zeugnis.“
Ist es hier wirklich so? Der Herr berührt diesen Unreinen, und was geschieht? Der Unreine wird rein. Im Prinzip ist es genau hier auch so: Die Frau war unrein, sie berührt den Herrn, aber nicht er wird unrein, sondern sie wird rein, sie wird gesund. Also kehrt er das alles um.
In diesem Zusammenhang noch ein Detail: In Jerusalem gibt es das goldene Tor, das zugemauert ist. Es steht genau an der Stelle, wo früher das Osttor zum Tempel war. Dieses Gebäude stammt aus byzantinischer Zeit, also etwa dem 5. Jahrhundert nach Christus.
In diesem Gebäude sind noch die originalen Torpfosten erhalten: ein Monolith, viereinhalb Meter hoch, und der andere dreieinhalb Meter hoch. Das sind die originalen Torpfosten des Osttors des Tempels.
Aber jetzt ist es so: Dieser Torgang, das Goldene Tor, wurde von den Muslimen zugemauert. Und zwar, weil sie wissen, dass nach Sacharja 14 der Messias einmal auf dem Ölberg kommen wird, gerade gegenüber vom Goldenen Tor.
Damit wollten sie verhindern, dass der Messias der Bibel nach Jerusalem hineingehen kann. Als zweite Sicherung haben sie dort noch etwas Bauliches eingerichtet, nämlich einen muslimischen Friedhof.
Übrigens werden die Selbstmordattentäter in jüngerer Vergangenheit gerade dort beim Goldenen Tor bestattet. Das ist echt schockierend.
Sie wissen natürlich, dass im Zusammenhang mit 4. Mose 19 das Gesetz sagt: Wenn man einen Toten berührt und auch Gräber, wird man unrein. Darum ist der muslimische Friedhof eine doppelte Sicherung, damit der Messias nicht nach Jerusalem kommen kann.
Aber eben, wie war das mit den geschlossenen Türen nach der Auferstehung? Die Jünger hatten die Türen aus Furcht vor den führenden Juden verschlossen. Plötzlich steht der Herr Jesus in ihrer Mitte als Mensch und sagt: „Shalom Aleichem – Friede euch!“
Kein Problem, das geschlossene Tor. Ja, und auch die Verunreinigung ist kein Problem: Wenn der Herr einen unreinen Aussätzlichen berührt, wird dieser rein und gesund. Das Gleiche gilt bei der blutflüssigen Frau.
Psalm 24 beschreibt das Kommen des Messias in Macht und Herrlichkeit nach Jerusalem. Dort steht in Psalm 24, Vers 7: „Erhebt, ihr Tore, eure Häupter, und erhebt euch, ihr ewigen Pforten, dass der König der Herrlichkeit einziehe!“
Noch ein Vers: „Wer ist dieser König der Herrlichkeit? Der Herr, stark und mächtig, der Herr, mächtig im Kampf.“
Jawohl, das schließt genau an Sacharja 14,3 an: Der Herr kommt als dieser König der Herrlichkeit auf dem Ölberg und geht dann nach Jerusalem. Hier werden die Tore Jerusalems aufgerufen, sich zu öffnen, wenn er kommt.
Es steht aber nicht nur das Goldene Tor, sondern in der Mehrzahl „Ihr Tore“ – also überhaupt die Tore Jerusalems werden aufgehen, wenn er kommt. Das Goldene Tor ist auch eines davon.
Es heißt dort „Ihr Tore der Urzeit“, das sind also die ganz alten Tore von Jerusalem, die aufgehen sollen. Und hier wird gesagt: „Ihr Tore, erhebt eure Häupter!“
Was ist das Haupt eines Tors? Beim Goldenen Tor ist das ganz eindrücklich: der Überbau über den vermauerten Toröffnungen ist das Haupt des Tors. Also „Erhebt, ihr Häupter!“ – und die sollen sich so öffnen für das Kommen des Herrn der Herrlichkeit.
Aber selbst wenn die Tore verschlossen wären, habe ich ja erklärt: Der Herr käme trotzdem durch. Doch sie werden geöffnet werden.
Gott macht das weg, das Tor öffnet sich, sogar mit dem Haupt. Die Häupter sollen sich heben, damit der König einziehe.
Abschluss zu Lukas 8 und Ausblick auf Lukas 9
Ja, das war jetzt ein kleiner Exkurs, unerwartet, nicht wahr?
Jetzt kehren wir zurück zu Lukas 8, um den Schluss zu finden. Danach kommt das zwölfjährige Töchterlein, das gestorben ist. Der Herr erweckt sie und befreit sie von der Macht des Todes.
Hier begegnet uns wieder die Zahl zwölf, dieses zwölfjährige Töchterchen. Sie weist auf Israel hin, das eine ganz besondere Verheißung hat. In Hesekiel 37 wird beschrieben, dass Gott dieses Volk als Nation in der Endzeit auferwecken wird.
Wir haben jetzt nicht die Zeit, um das näher anzuschauen, denn wir müssen abschließen. Hesekiel 37 beschreibt die endzeitliche Wiederherstellung Israels in drei Phasen. Die letzte Phase ist, dass dieses Volk wieder zum Glauben kommt und völlig erneuert wird. Diese Erneuerung wird mit einer Auferweckung von den Toten verglichen.
Dieses Töchterchen ist ein Bild dafür. Und wer kann dieser Messias sein, wenn nicht Jesus? Er ist der Retter, der in Lukas 7 und 8 so gewaltig und großartig vorgestellt wird.
Nächstes Mal kommen wir dann zum neuen Abschnitt, Lukas 9. Dort geht es darum, dass dieser Retter auch der kommende König ist. Es geht um das Reich Gottes. Wir wechseln also vom Thema Retter zum Thema König.