Einführung: Die Bedeutung Jerusalems und der zehn Tore
Liebe Geschwister, liebe Freunde,
wir wollen uns heute Abend mit den zehn Toren Jerusalems beschäftigen, so wie sie in Nehemia 3 aufgeführt sind. Das Thema Jerusalem ist aus verschiedenen Gründen aktuell für uns.
Einerseits wird in diesem Jahr die Dreitausendjahrfeier begangen: Jerusalem – 3000 Jahre jüdische Hauptstadt. Um 1004 v. Chr. hat David diese Stadt erobert und sie dann zur Hauptstadt seines Reiches gemacht. Heute, im Jahr 1996, ist also ein besonderes Jubiläum.
Jerusalem ist nicht irgendeine Stadt. Nach den Aussagen des Propheten Hesekiel, Kapitel 5, Vers 5, ist sie das geographische Zentrum der Heilsgeschichte. Hesekiel sagt dort: „Dies ist Jerusalem, ich habe es mitten unter die Nationen gesetzt und Völker um es her.“ Tatsächlich liegt diese Stadt an einer außergewöhnlichen Stelle, nämlich am Schnittpunkt der drei Kontinente Europa, Asien und Afrika.
Diese Stadt hat Gott als Zentrum seiner Heilsgeschichte erwählt. Vor den Toren Jerusalems ist der Sohn Gottes am Kreuz gestorben und hat dort das Heil errungen. Somit steht diese Stadt im Heilsplan Gottes ganz zentral da.
Es braucht uns daher nicht zu überraschen, wenn wir in Nehemia 3, wo wir Jerusalem zur Zeit des fünften Jahrhunderts vor Christus betrachten, in diesen Toren ganz praktische und konkrete Belehrungen über das Heil Gottes finden und darüber, wie es sich im Menschen entfaltet.
Nehemiah 3: Der Wiederaufbau der Stadtmauer und das Schaftor
Wir beginnen in Nehemia 3 und lesen die ersten Verse ab Vers 1.
Und Eliaschib, der Hohepriester, und seine Brüder, die Priester, machten sich auf und bauten das Schaftor. Sie heiligten es und setzten seine Flügel ein. Sie heiligten es bis an den Turm Mea, bis an den Turm Hanan-el. An seiner Seite bauten die Männer von Jericho, und ihnen zur Seite baute Sakur, der Sohn Imris.
Zunächst halten wir hier an.
Wir finden hier das erste erwähnte Tor, das Schaftor. Vielleicht noch etwas zum Hintergrund: Dieses Kapitel führt uns zurück ins Jahr 445 v. Chr. Jerusalem lag immer noch in Schutt und Asche. Der Tempel war allerdings schon wieder aufgebaut worden, nach der Rückkehr aus dem babylonischen Exil. Die Stadt selbst war jedoch praktisch noch nichts.
In diesem Jahr, also 445 v. Chr., kommt Nehemia nach Jerusalem und baut die Stadtmauer wieder auf. So wird die Stadt gewissermaßen vorbereitet für den künftigen Empfang des Erlösers einige Jahrhunderte später.
Nun sehen wir also hier in Nehemia 3, wie das Volk ans Werk geht. Nach dem Motto, das Nehemia in Kapitel 2, Vers 17, in der Mitte nennt: „Und lasst uns die Mauer Jerusalams wieder aufbauen.“
Wir machen gewissermaßen einen Rundgang um die ganze Stadt herum. Hier beginnt es mit dem Schaftor. Ich habe auf dem Blatt bemerkt, dass das Schaftor an der Nordmauer des Tempelplatzes damals lag.
Der Tempelplatz damals war halb so groß, wie er heute ist. Das liegt daran, dass Herodes der Große den Tempelplatz auf die doppelte Größe durch künstliches Aufschütten vergrößern ließ.
Damals war es also noch der kleine Platz, ein Quadrat von etwa 250 Ellen Seitenlänge. Dieses Quadrat war gewissermaßen gebaut wie eine Festung, eine Burg. So wird das auch genannt, übrigens in Kapitel 2, Vers 8:
„Und einen Brief an Asaf, den Hüter des Königswaldes, dass er mir Holz gebe, um die Tore der Burg zu bauen, welche zum Hause gehört, und für die Mauer der Stadt und für das Haus, in welches ich ziehen werde.“
Da haben wir die drei Bauprojekte von Nehemia: Erstens die Burg, hebräisch die Birah, das ist diese Festung, die zum Haus Gottes gehörte und das Haus Gottes schützte. Zweitens die Mauer der Stadt und drittens das Haus von Nehemia.
Wir beginnen nun an der Nordseite des Tempelplatzes mit dem Schaftor. Wir verstehen, dass es gerade die Priester waren, die dort bauten, denn das gehörte ganz speziell zu ihrem Bezirk, zu ihrem Arbeitsbereich.
Das Schaftor: Symbol der Bekehrung und des Opfers
Nun spricht uns das Schaftor über die Bekehrung. Wenn wir an Johannes 10, Verse 7 und 9 denken – ich habe das hier auf dem Blatt aufgeführt – sagt der Herr Jesus: „Ich bin die Tür der Schafe.“ Und weiter: „Wer durch mich eingeht, wird errettet werden.“ Damit haben wir einen deutlichen Hinweis auf den Retter und auf die Bekehrung.
Als Führer beim Bau war Eliaschib, der hohe Priester, tätig. Der Name Eliaschib bedeutet auf Deutsch ganz wörtlich „Gott bewirkt, dass er sich bekehrt“. Das bestätigt nochmals das Ganze.
Ich hatte damals in der Mittelschule eine Auseinandersetzung mit dem Pfarrer über die Frage: Muss der Mensch sich selbst bekehren, oder bekehrt Gott den Menschen? Er sagte, Gott bekehrt den Menschen, ich dagegen meinte, der Mensch müsse sich selbst bekehren. Was ist richtig?
Der Name Eliaschib gibt uns die Antwort: Gott bewirkt, dass er sich bekehrt. Es sind also beide Seiten beteiligt – Gottes Werk und die Entscheidung des Menschen. Das finden wir auch in Jeremia 31, Vers 18: „Bekehre mich, auf dass ich mich bekehre.“ In gewissem Sinn hatten wir also beide recht.
In Apostelgeschichte 3, Vers 19 sagt Petrus: „So tut nun Buße und bekehret euch.“ Das ist ein klarer Appell, dass der Mensch sich bekehren muss. Gleichzeitig ist es aber Gottes Werk, wie in Römer 2, Vers 4 steht: „Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte und Geduld und Langmut, nicht wissend, dass die Güte Gottes dich zur Buße leitet?“
Wie kommt es überhaupt, dass ein Mensch sich bekehren kann und auf die Idee kommt, sich zu bekehren? Römer 2, Vers 4 macht deutlich, dass es Gottes Güte ist, die den Menschen zur Buße führt. Das Prinzip ist allgemein, wie es in Römer 3, Verse 10-11 heißt: „Da ist keiner, der Gott sucht.“ Also käme der Mensch von sich aus nie auf die Idee, Gott zu suchen. Wenn der Mensch Gott sucht, dann ist es, weil Gott ihn zur Buße leitet.
Darum habe ich auch diese weiteren Stellen aufgeführt: Johannes 6, Vers 44, wo der Herr Jesus sagt: „Niemand kann zu mir kommen, es sei denn, dass der Vater ihn ziehe.“ Und in Lukas 19, Vers 10 sagt er: „Der Sohn des Menschen ist gekommen, zu suchen und zu erretten, was verloren ist.“
Der Sohn Gottes, der Sohn des Menschen, sucht den Menschen und führt ihn zur Rettung. In Johannes 16, Vers 8 spricht der Herr Jesus über den Heiligen Geist, den Sachwalter, und sagt, dass er, wenn er kommt, die Welt überführen wird von Sünde.
So haben wir das Werk Gottes, das Werk des dreieinigen Gottes: Der Vater zieht, der Sohn sucht, der Heilige Geist überführt. Gottes Werk leitet den Menschen zur Buße. Diesen Zug erlebt jeder Mensch.
Wenn der Mensch diesem Zug nicht nachgibt und sich nicht zur Buße leiten lässt, dann geschieht das, was Römer 2, Vers 5 sagt: „Nach deiner Sturheit und deinem unbußfertigen Herzen häufst du dir selbst Zorn auf am Tag des Zornes und der Offenbarung des gerechten Gerichts Gottes, welcher einem jeden vergelten wird nach seinen Werken.“
Je mehr der Mensch dem Zug Gottes widersteht, desto mehr häuft er sich Zorn auf und macht das Gericht noch größer. Die Bekehrung ist also ein Werk Gottes, aber der Mensch muss diesem Werk nachgeben, sonst geht er verloren. Gott bewirkt, dass er sich bekehrt.
Eigentlich beantwortet dieser kleine Name Eliaschib, oder besser gesagt, dieser lange Name, in Nehemia 3 die ganze Frage nach Gottes Souveränität und dem freien Willen des Menschen. In diesem kurzen Satz haben wir die Antwort.
Das Schaftor an der Nordseite des Tempelplatzes war das Tor, durch das die Opfertiere zum Tempelplatz geführt wurden. Wenn man auf das Schaftor zukam, lag links der große Teich, der Israel-Teich. Dort wurden die Opfertiere zuerst gewaschen, dann führte man sie durch das Schaftor hinein, um sie zu schlachten.
So weist das Schaftor ganz deutlich auf das Opfer Jesu Christi hin und auf sein für uns vergossenes Blut. Wir können beides sehen: Der Opfernde kam durch das Schaftor mit dem Opfer hinein. Dadurch, dass er mit dem Opfer kam und vor Gott erschien, erhielt er Vergebung.
In allen Hinsichten zeigt uns das Schaftor das Werk Gottes. Ganz in der Nähe, ebenfalls an der Nordseite des Tempelplatzes, finden wir den Turm Mea und den Turm Hananel. Diese beiden hebräischen Worte bedeuten „Mea“ – hundert, und „Hananel“ – Gnade Gottes hundert.
An die Zahl hundert können wir denken, wie der Herr Jesus sie in Markus 4, Vers 8 symbolisch gebraucht. Dort spricht er über Frucht, die aufgeht, und sagt von dem Gesäten: „Eines trug dreißig, eines sechzig und eines hundertfältig.“ Das ist die Fruchtfülle.
Im gleichen Evangelium, Kapitel 10, Vers 30, spricht er darüber, wie die Nachfolger belohnt werden für ihren Verzicht. Er sagt, sie werden hundertfältig empfangen – also wirklich über die Maßen.
So haben wir den Turm Mea und den Turm Hananel, Gnade Gottes, beieinander. Das symbolisiert schön, was in Römer 5, Vers 20b steht: „Da die Sünde groß geworden ist, ist die Gnade noch viel größer geworden.“
In Nehemia 3 lesen wir, dass in diesem Gebiet auch Leute aus Jericho arbeiteten. Wenn wir an Josua 6, Vers 26 denken, war Jericho eigentlich die Stadt des Fluches. Wir sehen also Menschen, die unter dem Fluch stehen, hier in Verbindung mit der überwältigenden Gnade Gottes – Mea hundert – in Verbindung mit dem Schaftor und mit dem Namen Eliaschib: Gott bewirkt, dass er sich bekehrt.
Doch das Ziel ist mit der Bekehrung noch nicht erreicht. Dann beginnt Gottes Programm mit uns. Das ist der Ausgangspunkt. So sind wir gerettet, um zu dienen.
Es gibt ein Grab im Berner Oberland von einem Evangelisten, und auf seinem Grabstein steht: „Sowohl gerettet als auch zum Dienen.“
Das Fischtor: Berufung zum Dienst als Menschenfischer
Und das führt uns zum nächsten Tor, dem Fischtor, das in Vers 3 erwähnt wird. Das Tor erhielt seinen Namen, weil es in der Nähe des Fischmarktes lag. Das ist die naheliegende Erklärung für den Namen.
Wenn wir jedoch daran denken, was der Herr Jesus in Matthäus 4,19 bei der Berufung der drei Jünger sagt, erhält das Ganze eine geistliche Bedeutung für uns. Er spricht zu ihnen: „Kommt mir nach, und ich werde euch zu Menschenfischern machen.“ Durch dieses Tor wurden viele Fische in die Stadt gebracht.
Herr Jesus gibt denen, die die Gnade Gottes erlebt haben, den Auftrag, auch andere zu gewinnen. Das ist also die zweite Klasse, die man in der Schule Gottes nach Nehemia 3 lernen kann: ein Menschenfischer zu sein.
In Vers 5 gibt es eine interessante Bemerkung in Verbindung mit diesem Mauerabschnitt beim Fischtor: „Und ihm zur Seite besserten die Tekoiter aus, aber die Vornehmen unter ihnen beugten ihren Nacken nicht unter den Dienst ihres Herrn.“
Das bedeutet, dass es solche gab, die zu vornehm waren, um beim Fischtor zu arbeiten. Wir kennen das auch heute: Manche Christen sind zu vornehm, um Zeugnis abzulegen. Gerade ihr vornehmes Wesen und ihre vornehme Stellung sind oft ein Hindernis, freimütig Zeugnis abzulegen.
Dieses negative Beispiel ist jedoch als Ansporn gedacht, damit wir in der zweiten Klasse nicht versagen.
Das Tor der alten Mauer: Rückbesinnung auf das Wort Gottes
Wir gehen weiter zur dritten Klasse, zum dritten Tor, in Vers 6: „Das Tor der alten Mauer besserten aus Jojada, der Sohn Paseachs, und Meschulam, der Sohn Besodias“ usw.
Wir gehen an der Mauer entlang, von Norden nach Süden. Dort gab es einen Mauerabschnitt, der besonders alt war. In der Geschichte der Könige lesen wir zum Beispiel, wie ein großer Mauerabschnitt von einem König der zehn Stämme verwüstet wurde – mehr als hundert Ellen. Diese Mauer wurde damals zerstört und musste neu aufgebaut werden.
Hier jedoch haben wir eine Stelle, an der eine sehr alte Mauer stand. Deshalb erhielt das Tor den Namen „Tor der alten Mauer“. Dieses Tor weist uns auf die alte Zeit Jerusalems hin. Dazu ein Wort aus Jeremia 6,16: „So spricht der Ewige: Tretet auf die Wege und seht und fragt nach den Pfaden der Vorzeit, welches der Weg des Guten sei, und wandelt darauf, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.“ Doch sie antworten: „Wir wollen nicht darauf wandeln.“ Der Prophet verweist also auf den alten Weg.
Damit ist natürlich nicht gemeint, dass je älter eine Tradition ist, desto besser sie sei. Das ist ein großes Missverständnis unter Gläubigen. Je älter eine Tradition, desto heiliger und erhabener wird sie oft angesehen. Aber es geht nicht um Tradition, sondern um das Wort Gottes, das alt ist.
Ich habe dazu eine ganze Reihe von Stellen aus dem 1. und 2. Johannesbrief angeführt. Dort wird immer wieder über das gesprochen, was von Anfang an war – hinweisend auf die Zeit, als der Sohn Gottes als Mensch kam und den Aposteln seine Lehre mitgab. Johannes fordert die Gläubigen immer wieder auf, an dem festzuhalten, was von Anfang an war, an dem alten Wort Gottes, an der Lehre des Apostels.
Wenn wir das ganz konkret für uns nehmen, haben wir eine Verheißung: Danach fragen und darauf wandeln, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Eine herrliche Verheißung, um innerlich zur Ruhe zu kommen.
Die Frage stellt sich oft: Sollen Christen konservativ oder progressiv sein? Man könnte denken, alle heiligen Christen seien konservativ und statisch, denn das Wort Gottes ändert sich nicht. Doch das ist nicht ganz richtig. Christen sind beides: konservativ im Blick auf das Wort Gottes, das sich nicht ändert und nicht entwickelt.
Aber das Wort Gottes selbst ist lebendig und wirksam (Hebräer 4,12). Es verändert und lässt keine Zustände einfach so beim Alten. Das Wort Gottes weckt auf und bewirkt Veränderung. In Prediger 12 wird es mit Treibstacheln verglichen, mit denen man Kühe von hinten anstößt, damit sie nicht passiv am gleichen Ort bleiben, sondern dorthin gehen, wo sie sollen.
Das Wort Gottes bewirkt also dynamische Veränderung. So haben wir beides in einem: Einerseits das bleibende, unveränderliche Wort Gottes, andererseits ein Wort, das uns stets verändert, erneuert und dynamisch nach vorne zum Ziel führt.
Noch etwas Schönes: Bei den Mitarbeitern am Tor der alten Mauer – das ist übrigens die wörtliche Übersetzung. Es gibt auch Übersetzungen, die „das alte Tor“ sagen, aber es ist korrekter, „Tor der alten Mauer“ zu übersetzen – finden wir einen Mitarbeiter namens Besodias. Sein Name bedeutet etwa „Be-im-sot“, Geheimer Rat, Jahr des Ewigen.
So sehen wir: Wenn wir das Wort Gottes lieben, darin forschen und nach dem Weg der Vorzeit fragen, will Gott uns gewissermaßen in eine ganz intime Sphäre mit ihm führen.
In Psalm 25,14 finden wir genau diesen Ausdruck noch einmal: „Das Geheimnis des Ewigen ist für die, welche ihn fürchten, und seinen Bund, um ihnen denselben kundzutun.“ Das Geheimnis, das heißt wieder „Sod“, das gleiche Wort wie bei Besodias. „Sod Jahwe“, das Geheimnis des Ewigen, oder wie es die alten Elberfelder in der Fußnote erklärten: die vertraute Mitteilung oder der vertraute Umgang mit Gott.
So sehen wir, dass das Wort Gottes nicht einfach ein altes Buch ist, mit dem moderne Menschen, wie wir, die an der Schwelle zum einundzwanzigsten Jahrhundert stehen, sich beschäftigen. Das Wort Gottes ist das Wort, durch das der Herr heute ganz direkt, aktuell und persönlich zu uns spricht. Das ist dieser geheime Umgang mit Gott.
Das Taltor: Prüfungen und Gotteserfahrungen im Tal
Wir kommen nun zum Taltor in Vers 13. Der Name entstand, weil sich vor diesem Tor ein Tal befand, eines der vielen Täler um Jerusalem. Der Gedanke an das Tal führt uns schnell zu Psalm 23, Vers 4, wo es heißt: „Und wenn ich schon wanderte im Tale des Todesschattens, so fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir.“
Das Taltor erinnert uns somit sehr naheliegend an das Thema der Prüfungen. Prüfungen sind etwas, das man nicht umgehen kann. Sie gehören schlicht zum Christenleben dazu und sind so normal, dass der Apostel Paulus in Apostelgeschichte 14, Vers 22 den eben Bekehrten lehrte: „Und sie ermahnten sie, im Glauben zu verharren und dass wir durch viele Trübsale in das Reich Gottes eingehen müssen.“
Prüfungen gehören also zum normalen Glaubensleben. Dies steht natürlich nicht ganz auf der Linie der heutigen Power-Evangelisation, bei der es vielmehr als Beweis der Treue gilt, wenn man einen guten Wagen fährt oder Ähnliches. Dort wird auch oft gesagt, Krankheit sei eigentlich nicht nötig. Man müsse nur treu sein und die Verheißungen Gottes in Anspruch nehmen, dann könne man auch dieses Problem abhaken.
Diese Sichtweise wird biblisch damit begründet, dass der Herr Jesus am Kreuz die Erlösung vollbracht hat. Er hat nicht nur die Sünde selbst, sondern auch die Folgen der Sünde besiegt. Komisch ist dann nur, warum man noch sterben darf. Sollte der Tod nicht verboten sein? Denn der Tod ist ja die Konsequenz, die Folge der Sünde. Warum können dann Erlöste noch sterben?
Offensichtlich deshalb, weil nach Römer 8 unser Leib noch nicht erlöst ist. Das Werk des Herrn Jesus ist zwar vollendet, aber unser Körper wird die vollen Konsequenzen erst zukünftig erfahren, wenn er bei der Entrückung umgewandelt wird und gleichzeitig bei der Auferstehung.
Prüfung gehört also zum Christenleben. Dabei denken wir auch an Psalm 84, wo wir lesen, wie unsere Haltung zum Leiden vieles verändern kann. Psalm 84, Vers 6 lautet: „Glückselig der Mensch, dessen Stärke in dir ist, in deren Herzen gebahnte Wege sind, durch das Tränental gehend machen sie es zu einem Quellenort.“
Schon im Vers davor heißt es: „Glückselig der Mensch, dessen Stärke in dir ist, in dessen Herzen gebahnte Wege sind.“ Mit dem Tränental wird hier eine Verbindung zu Jerusalem hergestellt.
Wir sehen also, dass erlöste Menschen, die offene Herzen für den Herrn haben und gebahnte Wege in ihrem Herzen, durch das Tränental gehen und es zu einem Quellenort machen. Sie erleben dort den Segen Gottes.
Es ist eine Tatsache, dass man es in unserer heutigen Zeit besonders als Mangel empfindet, Gotteserfahrungen machen zu können. Dieses Problem haben Christen heute viel mehr als im letzten Jahrhundert. Damals war es nicht so sehr ein Problem. Gläubige versuchen heute auf verschiedenste Arten und Weisen, Gotteserfahrungen zu erzwingen.
Dabei gibt es in der Bibel sehr viele Anweisungen, wie wir Gotteserfahrungen machen können. Gerade das Leiden ist eine Möglichkeit, ganz besondere Gotteserfahrungen zu machen. Jesaja 57, Vers 15 sagt: „Denn so spricht der Hohe und Erhabene, der in Ewigkeit wohnt und dessen Name der Heilige ist: Ich wohne in der Höhe und im Heiligtum und bei dem, der zerschlagenen und gebeugten Geistes ist, um zu beleben den Geist der Gebeugten und zu beleben das Herz der Zerschlagenen.“
Wenn man unter Gläubigen darüber spricht, wie sie den Herrn ganz besonders erlebt haben, ist es interessant, dass immer wieder Menschen bezeugen, den Herrn gerade in Zeiten großer Not besonders erlebt zu haben.
Es ist eigenartig: Man wünscht sich solche Zeiten nicht zurück, aber manchmal sind es genau diese Momente, in denen man die Gegenwart Gottes unmittelbar und fast spürbar erlebt. Man sieht nichts, man hört nichts, aber innerlich weiß man ganz deutlich um die Gegenwart Gottes. Diese eigenartige Erfahrung können wir auch im Zusammenhang mit dem Taltor lernen.
Wir haben vom Tränental gelesen. Auf Hebräisch heißt es Baka, was Tränen bedeutet. Das kann uns zum Nachdenken über 2. Chronik 20, Vers 26 bringen. Dort war ein frommer König Judas in höchster Bedrängnis. Krieg stand vor den Toren, und er suchte im Gebet Zuflucht bei Gott. Danach erhielt er den Sieg.
Anschließend gingen sie ins Tal Beraka und lobten den Herrn dafür. Interessant ist, dass die Namen dieser beiden Täler im Grundtext so ähnlich sind, dass es sich um Wortspiele handelt: das Bakatal und das Brakatal.
So können wir aus dem Bakatal ein Brakatal machen, wenn wir den Herrn erleben, wirklich bei ihm Zuflucht suchen und ihm dadurch näherkommen.
Das Misstor: Reinigung durch Selbstgericht und Loslassen des Abfalls
Und das führt uns zum nächsten Tor, dem Misttor. Man kann es auch als Abfalltor im Vers 14 übersetzen. Dieses Tor lag ganz im Süden der Stadt, direkt zum Tal Hinnom hin.
Das Tal Hinnom ist ein grässliches Tal. Es ist ein tief eingeschnittenes Tal vor den Mauern Jerusalems, wo früher Kinder dem Moloch verbrannt wurden. Dabei wurden die Kinder zuerst getötet, dann wurde der Moloch, eine große Metallfigur, die mit Feuer aufgeheizt wurde, so heiß gemacht, dass sie glühte. Anschließend warf man die Kinder in den Rachen dieser Figur. Das ist eine Perversion in höchstem Maße.
Ein treuer König wollte damit Schluss machen. In 2. Könige 23, Vers 10 wird berichtet, dass Josia das Tal Hinnom entweiht hat. Wie genau er das getan hat, wird nicht näher erklärt. Aber später sehen wir, dass dieses Tal zur Müllverbrennungsanlage Jerusalems wurde. Dort wurde der Abfall verbrannt. Da der Abfall ins Tal Hinnom gebracht wurde, betrachteten die Götzendiener das Tal als entweiht und hörten auf, dort ihre Gräuel zu praktizieren.
Weil im Tal Hinnom ständig ein unerlöschliches Feuer brannte, wurde es zum Bild für die Hölle. Das ist naheliegend. Auf Hebräisch heißt das Tal Gey Hinnom. Dieses Wort hat im Neuen Testament zur Bezeichnung Gehenna geführt. Gehenna kommt zwölfmal im Neuen Testament vor und wird jedes Mal mit Hölle übersetzt. Das Wort Hölle im Neuen Testament bedeutet also eigentlich Tal Hinnoms, das Tal der Söhne Hinnoms.
So ist dieses Tal vor den Mauern der Stadt des Friedens – denn Jerusalem heißt Stadt oder Gründung des Friedens – zum Bild der Hölle geworden, außerhalb des Friedens Gottes im ewigen Feuer.
Das Misstor zeigt uns, dass der Abfall aus Jerusalem hinausgeführt wurde ins Tal Hinnom, um dort verbrannt zu werden. Wohin aber sollen wir mit unserem eigenen Abfall, dem Mist in unserem Leben?
Auch wir müssen unseren Mist wegbringen, ins Selbstgericht. Nach 1. Johannes 1, Vers 9 heißt es: Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit.
Das ist absolut notwendig: Wir müssen all unseren Mist aus unserem Leben hinaustun, um den Frieden Gottes wirklich, tief und beglückend erleben zu können. Es sollte ganz normal sein, dieses Selbstgericht, dieses Aufräumen. Wir dürfen nicht Dinge in unserem Leben stehen lassen.
Wir sollten dem Herrn im Gebet sagen, was am Tag nicht richtig war. In diesem Punkt sind manche Kinder den Erwachsenen voraus. Viele Erwachsene warten oft bis Samstagabend oder sogar noch länger, um zu beten. Das ist schwer nachzuweisen, aber es scheint so zu sein. Wenn überhaupt.
Diese Kinder sind uns ein Vorbild. Doch wir könnten noch eine bessere Methode vorschlagen: Wir sollten auch sofort Dinge ordnen, im Moment. Auch solche Seufzergebete, die niemand hört und niemand sieht, aussprechen – so wie Nehemia, der sogar in Nehemia 2 vor dem König beten konnte.
Dieser Kontakt zu Gott sollte etwas ganz Normales sein, das auch durch den Tag funktioniert. Nichts darf stehen bleiben, kein „Konto“ mit Schuld darf aufgebaut werden. Alles muss hinaus zum Misstor.
Wir sehen, dass das Taltor vorausgeht. Oft kann Prüfung und Schwierigkeit uns helfen, die Wichtigkeit des Misstores neu zu erkennen. Aber Gott bleibt nicht in der Situation stehen. Er hat ein Ziel.
Wir sehen auch da die Dynamik des bleibenden Wortes Gottes, des unveränderlichen Wortes. Dieses Wort soll uns gewissermaßen hinführen zum Quelltor in Vers 15.
Das Quelltor: Die Kraft des Heiligen Geistes und lebendiges Wasser
Das Quelltor, das wir beim genauen Lesen dieser Verse sehen, war in der Nähe vom Siloahteich. Wir befinden uns also immer noch im Süden der Stadt, im Süden der Stadt Davids.
Jerusalem begann als eine ganz kleine Stadt am Abhang des Berges Moria. Auf dem Berg Moria gab es keine Häuser am Abhang. Warum gerade dort? Warum nicht auf einem der anderen Hügel, zum Beispiel auf dem Ölberg oder einem der anderen Hügel? Dafür gibt es einen besonderen Grund, und das ist die Gihon-Quelle, die sich gerade unten im Kidrontal befand. Also ganz in der Nähe des Abhangs des Berges Moria oder Zion, wie er auch genannt wird.
Die Gihon-Quelle ist eine großartige Quelle, die bis zu fünfzigtausend Liter pro Stunde liefert. Unwahrscheinlich viel. Sie wird gespeist vom Regenwasser vieler Hügel Judäas. Dieses Wasser gelangt in eine wasserführende Schicht, und aus der Gihon sprudelt es heraus. Gihon bedeutet darum auch „der Hervorbrechende“. So war die Stadt also von dieser Quelle abhängig.
Das Problem war, dass die Stadt natürlich auf einer Anhöhe gebaut werden musste, damit es Abhänge und Täler als Schutz gegen Feinde gibt. Die Quelle musste jedoch außerhalb der Stadt liegen, was strategisch sehr ungünstig war.
König Hiskia löste dieses Problem. Er ließ die Gihon-Quelle zudecken, sodass man sie von außen nicht mehr sehen konnte. Außerdem baute er einen Tunnel in die Stadt Davids, 533 Meter lang, der durch den Felsen führte. Das Ende dieses Tunnels war dann der Siloahteich. Der Siloahteich wurde also ständig von frischem Wasser aus der Gihon-Quelle gespeist, etwa 1200 Kubikmeter Wasser am Tag. Gewaltig!
Nun also das Quelltor in Verbindung mit diesem herrlichen Wasser beim Siloahteich. Der Herr Jesus sagt in Johannes 7,37: „Und am letzten Tag, dem großen Tag des Festes, stand Jesus auf und rief: Wenn jemand durstig ist, komme er zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, wie die Schrift gesagt hat, aus dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ Johannes erklärt dann: „Dies aber sagte er von dem Geist, welchen die an ihn Glaubenden empfangen sollten.“
Das Wasser, das der Herr Jesus hier erwähnt, spricht also vom Heiligen Geist.
Der Herr sagte dies genau am Laubhüttenfest, am letzten Tag. Was hat das zu bedeuten? Im Judentum wurde das Laubhüttenfest unter anderem so gefeiert, dass in einer gewaltigen Zeremonie Wasser aus dem Siloahteich geholt und dann die Stadt Davids hinauf zum Tempelplatz und zum Altar gebracht wurde. Dort wurde es in ein Gefäß gegossen, das beim Altar befestigt war. Dieses Gefäß hatte unten eine Öffnung, sodass das Wasser langsam wieder herausfloss.
Das war dieses großartige Wasserritual. Die Rabbiner erklärten, dass dieses Wasser vom Heiligen Geist spricht. Man betete in diesem Zusammenhang, denn das Laubhüttenfest war im Herbst, vor der Regenzeit. Man betete um den kommenden Regen. So war das Laubhüttenfest besonders ein Fest, bei dem man für die kommende bruchbare Zeit betete.
Die Rabbiner erklärten, dass dieser Regen, der nach dem Laubhüttenfest im Herbst kommt, ein Bild für den Heiligen Geist ist, der einmal über Israel ausgegossen werden wird.
Wenn man diesen Hintergrund kennt, sieht man, dass es ein ganz besonderes Freudenfest war. In diesem Zusammenhang sagte der Herr Jesus: „Wenn jemand durstig ist, komme er zu mir und trinke.“ Das Wasser aus dem Siloahteich wird hineingelehrt – das ist Trinken. Und dann fließt es unten aus dem Gefäß heraus. Jesus sagt: „Aus dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ Das ist der Heilige Geist.
Wir sehen, dass der Heilige Geist in unserem Leben wirksam werden kann, wenn wir den „Mist“ in unserem Leben hinaustun. Dann sind die Hindernisse für sein Wirken aus dem Weg geräumt. Sonst ist das Gefäß verstopft und es kommt unten nichts heraus.
So sehen wir hier eine wunderbare Erklärung zum Quelltor und zur Kraft des Heiligen Geistes, der uns erfüllen will, damit wir anderen überströmend zum Segen sein können – nicht nur ein bisschen.
Interessant ist, dass der Apostel Paulus im ersten Korintherbrief zu den Leuten in Verbindung mit den Gaben sagt: „Also auch ihr, da ihr um geistliche Gaben eifert, so sucht, dass ihr überströmend seid zur Erbauung der Versammlung“ (1. Korinther 14,12).
Man fragt sich, wie lange die Korinther wohl schon bekehrt gewesen sein müssen, dass Paulus so allgemein sagen kann: „Sucht, dass ihr überströmend seid zur Erbauung der Versammlung.“
Hier eine kleine Rechnung: Der Korintherbrief wurde um das Jahr 57 geschrieben, und fünf Jahre zuvor kamen die Korinther zum Glauben. Für den Apostel Paulus reichen also fünf Jahre Glaubensleben aus, um zu erwarten, dass man überströmend zur Erbauung der Versammlung sein kann.
Das ist eigenartig. Manchmal sind die Maßstäbe, die wir heute haben, ganz anders als die, die wir im Wort Gottes finden. Aber das soll uns als Ansporn dienen.
Das Wassertor: Die Verbindung von Heiligem Geist und Wort Gottes
Und dann kommen wir zum siebten Tor, dem Wassertor, das nun nördlich vom Quelltor lag. Bei diesem Wassertor, das in Vers 26 erwähnt wird, gab es einen großen Platz.
Wir schlagen Nehemia Kapitel 8 auf. Dort lesen wir etwas über diesen Platz: „Und als der siebente Monat herankam und die Kinder Israel in ihren Städten waren, da versammelte sich das ganze Volk wie ein Mann auf dem Platz, der vor dem Wassertor liegt. Und sie sprachen zu Esra, dem Schriftgelehrten, dass er das Buch des Gesetzes Moses bringen sollte, welches der Herr Israel geboten hatte. Am ersten Tag des siebten Monats brachte Esra, der Priester, das Buch vor die Versammlung – sowohl der Männer als auch der Frauen und aller, die Verständnis hatten, um zuzuhören. Er las darin vor dem Platz, der vor dem Wassertor liegt, vom lichten Morgen bis zum Mittag in Gegenwart der Männer, Frauen und der, die Verständnis hatten. Die Ohren des ganzen Volkes waren auf das Buch des Gesetzes gerichtet.“
Wir haben die Erklärung von Johannes gefunden, in Johannes 7,38, dass dieses strömende Wasser vom Heiligen Geist spricht. Aber Wasser ist in der Bibel auch ein Bild für Gottes Wort, weil Gottes Wort reinigt. So sagt es Epheser 5,25-26, wo von der Reinigung durch das Wort Gottes gesprochen wird.
Nun ist der Heilige Geist der Autor der Bibel, und darum kann sein Werk auch mit Wasser verglichen werden. Hier sehen wir genau diesen Zusammenhang: Beim Wassertor wurde die Bibel so intensiv gelesen und studiert – das ganze Volk, ausgerechnet auf dem Platz vor dem Wassertor.
Wir sehen also ganz besonders hier im Wassertor nicht den Heiligen Geist wie bei anderen Stellen, sondern das Wort Gottes. Diese Verbindung ist tiefsinnig: Der Heilige Geist führt uns nicht zu blinder Schwärmerei, sondern er führt zum Wort Gottes hin.
Es ist eine ganz logische Konsequenz: Eine wahre Erweckung führt zur Neuentdeckung des Wortes Gottes und zu einem neuen Erleben der Lebendigkeit des Wortes.
Das Rosttor: Die Nachfolge als zielstrebiges Jagen
Und dann kommen wir achten zum Rosttor in Vers 28. Der Name sagt es bereits: Es hat etwas mit Pferden zu tun. Dort sind die Pferde aus der Stadt hinausgeritten.
Dazu eine Stelle aus dem Philipperbrief – nur so nebenbei: Philipper bedeutet „Pferdeliebhaber“. Ausgerechnet in diesem Brief schreibt der Apostel Paulus in Vers 12: „Nicht, dass ich es schon ergriffen habe oder schon vollendet sei, ich jage ihm aber nach, ob ich es auch ergreifen möge, indem ich auch von Christus Jesus ergriffen bin. Brüder, ich halte mich selbst nicht dafür, es ergriffen zu haben. Eines aber tue ich: Vergessend, was dahinten liegt, und mich ausstreckend nach dem, was vorn ist, jage ich dem Ziel nach, indem ich den Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus anstrebe.“
Das Rosttor zeigt uns, dass das Wort Gottes uns nicht zu Passivität oder Stagnation führen will. Paulus sagt: „Ich jage, ich jage – aber nicht irgendeinem Ziel nach.“ Es gibt viele Menschen, die in dieser Welt und unserer Gesellschaft verschiedenen Zielen nachjagen und ihre ganze Energie investieren.
Worum es aber wirklich geht, ist das Ziel hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus. Wenn der Herr Jesus Christus wirklich unser Ziel ist und wir dieses mit ganzer Energie verfolgen, dann sind wir gut beraten.
Das Wort Gottes, gelesen am Wassertor, motiviert uns und stellt uns auf.
Das Osttor: Ausblick auf die Herrschaft Christi und Erlösungswerk
Und so kommen wir einen Vers weiter zum Osttor, Vers 29. Ich liebe dieses Tor ganz besonders. Es entspricht übrigens dem goldenen Tor, dem bekannten, zugemauerten goldenen Tor an der Ostseite der Altstadt.
Diese Mauerlinie dort ist unverändert geblieben seit der Zeit Salomos. In alle anderen Richtungen sind die Mauern verschoben und ausgeweitet worden. Aber weil an der Ostseite das steil abfallende Kidron-Tal liegt, wurde sie nie erweitert. Diese Linie blieb immer gleich, auch damals, als Herodes den Tempel so prächtig ausbauen ließ.
Der Erlöser kam in diesen prächtigen Tempel. Als Herodes den Tempelplatz ausbauen ließ, hat er diese Seite stehen lassen. Das Tor, so wie man es von außen sieht, stammt aus frühislamischer Zeit, dem siebten Jahrhundert nach Christus. Es wurde aber auf den Überresten des alten Tores aus biblischer Zeit aufgebaut.
Man hat sogar zwei große Monolithen, also große Steinblöcke, gefunden. Pfosten von dreieinhalb und viereinhalb Metern, die noch original aus der Zeit stammen, wohl sogar vor Nehemia, wahrscheinlich aus der Zeit von Hiskia, also jedenfalls aus der Zeit Nehemias oder noch früher.
Dieses Osttor spricht uns eine ganz besondere Sprache. In Sacharja 14 sehen wir, dass der Herr Jesus, der Messias Israels, zurückkehren wird – östlich von der Stadt. Sacharja 14, Vers 3: „Und der Ewige wird ausziehen und wieder mit allen Nationen streiten, wie an dem Tag, da er streitet, an dem Tag der Schlacht. Seine Füße werden an diesem Tag auf dem Ölberg stehen, der vor Jerusalem gegen Osten liegt.“
Er kommt auf den Ölberg. So richtet das Osttor unsere Gedanken ganz besonders auf die Herrlichkeit des Sohnes Gottes und seine Bereitschaft, die Weltherrschaft zu übernehmen. Das zeigt uns, dass es eine Dynamik im Glaubensleben gibt – aber nicht irgendeine blinde Dynamik, sondern die Herrschaft des Herrn Jesus Christus soll vor unseren Augen stehen. Zuerst denken wir an das Reich Gottes, das Königreich Gottes, und seine Gottesgerechtigkeit.
So erinnert uns das Osttor an den kommenden Messias. Eigentümlich ist, dass die Moslems dieses Tor im siebten Jahrhundert geschlossen haben. Im siebzehnten Jahrhundert, also tausend Jahre später, wurde es sogar zugemauert – mit der klaren Absicht, dem Messias Israels den Zugang zur Stadt zu verwehren.
Sie haben dort sogar einen Friedhof angelegt, einen muslimischen Friedhof. Das taten sie bewusst, weil sie wussten, dass der jüdische Messias König und Priester sein wird. Nach dem Priestergesetz darf ein Priester nicht mit Gräbern und Toten in Verbindung kommen, da er sich verunreinigt. So wollte man dem Messias den Zugang erschweren, indem man dort eine Gräberanlage anlegte. Diese steht noch heute, und man darf nichts daran verändern.
Das ist besonders interessant, denn auf dieser Seite, zum Kidron-Tal hinunter, wurde fast alles von der Zerstörung des Tempels im Jahr 70 n. Chr. von den Römern dort hinuntergeworfen. Auf dem Tempelplatz selbst gibt es praktisch keine Überreste mehr. Das meiste wurde hinuntergeworfen.
Wenn man dort graben könnte, würde man wohl die originalen Steine vom Heiligtum, vom Allerheiligsten und so weiter finden. Das wäre gewaltig, aber es geht halt nicht.
Der Herr Jesus wird kommen. In Psalm 24, Vers 7, wird von dem König der Herrlichkeit gesprochen, der kommen wird. Dort heißt es in Vers 7: „Erhebt, ihr Tore, eure Häupter, und erhebt euch, ihr ewigen Pforten, dass der König der Herrlichkeit einziehe!“
Nochmals in Vers 9: Diese ewigen Pforten, das sind diese uralten Tore, und das Osttor ist wirklich das älteste Tor, das wir in Jerusalem kennen. Es muss offensichtlich geöffnet werden, und der Herr Jesus wird kommen.
Was die Verunreinigung anbetrifft, ist das kein Problem für ihn. Wenn man einen Aussätzigen berührt hat, wurde man nach dem Gesetz unrein. Das ist eine schreckliche Krankheit. Wenn die Haut richtig aufbricht, ist sie sehr ansteckend.
Doch der Herr Jesus berührt in Markus 1 am Schluss einen Aussätzigen. Dabei wird nicht er unrein, sondern der Aussätzige wird rein. Das ist gewaltig – das ist unser Herr.
Er wird kommen. Auch lesen wir vom Osttor im Neuen Tempel in Hesekiel 43, Vers 1, dass die Schechina, die Wolke der Herrlichkeit, die seit der Zerstörung des Tempels durch die Babylonier 586 v. Chr. nie mehr gekommen ist, zurückkehren wird. Sie wird durch das Osttor vom Ölberg her in die Stadt eingehen.
Ich habe die Stellen angegeben, auch wo sie weggegangen ist: Hesekiel 10, Verse 18-19. Nach Kapitel 43 wird sie zurückkehren. In Kapitel 44 wird erklärt, dass dieses Tor dann geschlossen wird und nie mehr geöffnet werden darf.
Manche haben gedacht, das sei wahrscheinlich die Prophetie, dass das Tor heute geschlossen ist. Aber so sollte man mit Prophetie nicht umgehen. Nur weil etwas übereinstimmt, ein geschlossenes Tor, darf man nicht meinen, es sei dasselbe.
Das ist nicht dasselbe. Es wird einmal geschlossen werden – aber erst dann, wenn die Schechina, die Wolkensäule, hindurchgegangen ist.
Warum wird es dann geschlossen? Weil Gott in Jerusalem bleiben wird und nie mehr weichen wird. So endet Hesekiel 48 mit der Aussage, dass die Stadt genannt wird: Yahweh Schammah, der Ewige, daselbst. Gott wird nie mehr gehen.
Darum wird das Tor geschlossen, weil er nie mehr geht. Jetzt ist es geschlossen, weil die Moslems nicht wollen, dass er kommt. Aber er wird trotzdem kommen, und wenn er dann da ist, wird er nie mehr gehen. Wunderbar.
So gibt uns dieses Osttor Ausblicke auf die Zukunft.
Noch mehr: In biblischer Zeit, bis zum Jahr 70, wurde durch das Osttor der Sündenbock am großen Versöhnungstag aus der Stadt hinausgeführt, dann auf den Ölberg hinüber und in die Wüste gejagt.
Auch die rote junge Kuh aus 4. Mose 19, für das Opfer der Reinigung, wurde durch das Osttor hinausgeführt auf den Ölberg und dort verbrannt.
Dieses Tor spricht uns also sowohl von der kommenden Herrlichkeit und Herrschaft Christi als auch von seinem Erlösungswerk auf Golgatha.
Das Tor Mifkat: Der bestimmte Ort der Vergeltung und Belohnung
Da kommen wir noch zum Tor Mifkat. Das Tor Mifkat lag einige Meter unterhalb des Osttors. Es gab nämlich eine weitere Stadtmauer, die dort parallel zur heutigen bestand. Und also dort drin, vor dem goldenen Tor, war das Tor Mifkat, auf Deutsch das Tor des bestimmten Ortes.
In Hesekiel 43,21 wird von dem Sündopfer gesprochen, das an einen bestimmten Ort außerhalb der Stadt gebracht werden sollte, um verbrannt zu werden. Dieser Ausdruck „bestimmter Ort“ heißt auf Hebräisch Mifkat.
Dieses Tor spricht uns auch vom Sündopfer. Dort wurden der Sündenbock und auch die rote junge Kuh hinausgeführt. Aber eben auch das Sündopfer wurde an den bestimmten Ort der Verbrennung außerhalb der Stadt gebracht.
Warum hat der Herr Jesus nicht in Jerusalem, sondern außerhalb Jerusalems gelitten? Aus zwei Gründen: Sünde ist für Gott so schrecklich, dass er sagt: „Hinaus aus meiner Stadt!“ Als der Herr Jesus in den drei Stunden der Finsternis am Kreuz war, da war er von Gott verlassen. Gott musste ihn verlassen, weil er der Sünden-Träger war. Das zeigt uns etwas von der Schrecklichkeit der Sünde.
Aber Hebräer 13 erklärt das gerade umgekehrt und zeigt: Jesus hat außerhalb des Tores gelitten, weil das Volk ihn nicht mehr haben wollte. Weil das Volk so unheilig war, dass sie ihn nicht mehr wollten, darum haben sie ihn hinausgetan.
Das Wort Mifkat kann auch bedeuten „das Tor der Vergeltung“. Das verstehen wir, wenn da die Opfer, diese besonderen Opfer, hinausgingen. Aber es kann auch „das Tor der Belohnung“ bedeuten.
Wenn wir schon an die Vergeltung denken, die der Herr Jesus auf Golgatha erduldet hat, dann können wir auch an Vergeltung und Belohnung denken – so wie in Offenbarung 22,12, wo Jesus sagt: „Ich komme bald, und mein Lohn ist mit mir.“
Nach 1. Korinther 3,12 wird gezeigt, dass es für uns als Erlöste ein Offenbarwerden vor dem Richterstuhl Christi geben wird. Unsere Werke im Leben werden im Feuer geprüft, und alles, was nicht besteht, wird verbrennen.
Es heißt sogar in 1. Korinther 3,15: „So wird er Schaden leiden, er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer.“
Dieses Tor kann uns auch daran erinnern: Wenn wir schon erlöst sind, dann geht es nicht einfach darum zu denken, jetzt sind wir erlöst und fertig. Es gibt eine Lohnabrechnung in der Zukunft. Das soll zeigen, wie wichtig auch der Moment des Alltags im Licht der Ewigkeit ist.
Abschluss: Rückkehr zum Schaftor und das Blut als Grundlage der Rettung
Und wie sollen wir schließen mit dem letzten Vers aus Nehemia 3? Dort wird nämlich plötzlich wieder das Schaftor erwähnt.
Jetzt sind wir rund um die Stadt gekommen, wir haben den Kreis geschlossen. Wenn wir einmal in der Herrlichkeit sind, werden wir zurückblicken zum Schaftor. Jahr 32 – was werden wir denken? Alles nur Gnade, alles nur, weil er hineingegangen ist und sein Blut gegeben hat.
Und denken wir an die Passafeste in der Zeit des Herrn Jesus, in der Zeit der Evangelien. Damals kamen etwa bis zu fast drei Millionen Leute nach Jerusalem. Das heißt, auf all diese Familien und Gruppen verteilt, musste man am Passafest etwa zweihundertfünfzigtausend Passalämmer durch das Schaftor auf den Tempelplatz hineinführen.
Das Ganze begann um drei Uhr – die Stunde des Todes am Kreuz, die gleiche Stunde. Da wurden die Lämmer geschlachtet. Alle Priesterklassen, alle vierundzwanzig, mussten anwesend sein. Tausende von Priestern waren im Tempel aktiv, und die Lämmer mussten innerhalb von zwei Stunden alle geschlachtet werden.
Jetzt rechnen wir mal aus: Es waren junge Lämmer. Erwachsene Lämmer haben fünf Liter Blut, also nehmen wir mal vier Liter. Da ist also innerhalb von zwei Stunden etwa eine Million Liter Blut auf dem Tempelplatz geflossen.
Man denkt, ja gut, die Priester haben ja viel aufgefangen mit dem Gefäß, mit der Opferschale. Aber sie haben nur jeweils den Anfang, wenn das Blut spritzte beim Schächten, aufgenommen. Den Rest ließ man auf dem Boden. Das kann man sich ja vorstellen. Das gibt doch einen Fluss von fünf Meter Tiefe, zehn Meter Breite und 25 Meter Länge Blut.
Man hatte allerdings ein Wassersystem unten am Tempelplatz hindurch, im Aquädukt. Den hat man gestaut, dann ist das Wasser zwischendurch wieder hochgekommen und hat das Blut weggespült, als ins Kidrontal hinunter. Also Ströme von Blut – und sie haben keine Sünde hinweggetan.
Aber wenn wir denken an das Blut, das kostbare Blut Christi, das uns so befreit und glücklich gemacht hat für die Ewigkeit, dann zeigt uns das die zehn Tore Jerusalems, gerettet und um zu dienen.
