Guten Abend, ich möchte alle ganz herzlich begrüßen. Wir kommen heute Abend zum letzten Teil des Lukas-Evangeliums. Vor uns liegt der Teil B5, also Kapitel 19,28 bis zum Schluss.
Diesen letzten Abschnitt von den zehn Teilen des Lukas-Evangeliums können wir mit „Der Weg zur Herrlichkeit“ überschreiben. Er zeigt, wie der Herr Jesus nach Jerusalem einreitet und schließlich in die himmlische Herrlichkeit zurückkehrt. Gleichzeitig wird dargestellt, wie er in Jerusalem leiden muss, um dann in die Herrlichkeit einzuziehen.
Auch dieser letzte Teil ist wieder ganz symmetrisch strukturiert aufgebaut, wie wir noch im Detail sehen werden. Ich schlage vor, dass wir nun in Kapitel 19 ab Vers 28 lesen, zunächst bis zum Schluss des Kapitels.
Man beachte Vers 28: Dort steht erneut ein Refrain, eine Beschreibung, wie der Herr Jesus unterwegs ist und vorangeht. Das haben wir bereits gesehen. Alle diese fünf Teile in Abschnitt B sind am Anfang streng nach Schema mit einer Bemerkung über seinen Weg charakterisiert worden. Ja, bitte: Der Einzug Jesu in Jerusalem. Und...
Der triumphale Einzug und erste Reaktionen
Als er das gesagt hatte, zog er fort und reiste nach Jerusalem hinauf.
Als er sich Bethphage und Bethanien näherte und an den Ölberg kam, sandte er zwei seiner Jünger und sagte: „Geht hin ins Dorf gegenüber! Wenn ihr hineinkommt, werdet ihr einen Fohlen angebunden finden, auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat. Bindet es los und bringt es her. Und wenn euch jemand fragt, warum ihr es losbindet, dann sagt zu ihm: Der Herr braucht es.“
Die er gesandt hatte, gingen hin und fanden es, wie er ihnen gesagt hatte. Als sie aber das Fohlen losbanden, sagten seine Herren zu ihnen: „Warum bindet ihr das Fohlen los?“ Sie antworteten: „Der Herr braucht es.“
Sie brachten das Fohlen zu Jesus, warfen ihre Kleider auf das Fohlen und setzten Jesus darauf. Dann breiteten sie ihre Kleider auf dem Weg aus.
Als er sich schon dem Abhang des Ölbergs näherte, fing die ganze Schar der Jünger an, fröhlich Gott zu loben mit lauter Stimme über alle Wundertaten, die sie gesehen hatten. Sie riefen: „Gelobt sei, der da kommt, der König im Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe!“
Einige der Pharisäer im Volk sagten zu ihm: „Meister, weise doch deine Jünger zurecht!“ Er antwortete ihnen: „Ich sage euch, wenn diese schweigen, so werden die Steine schreien.“
Als er nah herankam, sah er die Stadt und weinte über sie. Er sagte: „Wenn doch auch du, gerade du, zumindest an diesem deinem Tag erkannt hättest, was zu deinem Frieden dient! Aber nun ist es vor deinen Augen verborgen, denn es werden Tage über dich kommen, an denen deine Feinde um dich einen Wall aufschütten, dich belagern und von allen Seiten bedrängen werden. Sie werden dich und deine Kinder in dir zu Boden werfen und keinen Stein auf dem anderen lassen, weil du die Zeit deiner Heimsuchung nicht erkannt hast.“
Als er dann in den Tempel kam, fing er an, die hinauszutreiben, die darin verkauften und kauften. Er sagte zu ihnen: „Es steht geschrieben: Mein Haus ist ein Bethaus, ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht.“
Er lehrte täglich im Tempel. Die Hohenpriester, Schriftgelehrten und die Vornehmsten im Volk trachteten jedoch danach, ihn umzubringen. Sie wussten aber nicht, was sie tun sollten, denn das ganze Volk hing ihm an und hörte ihm zu.
Überblick über die Struktur des letzten Evangelienteils
Der gesamte letzte Teil ist folgendermaßen aufgebaut: Im ersten Abschnitt, den wir gerade gelesen haben, geht es um das Kommen des Königs in Herrlichkeit nach Jerusalem. Wir haben bereits ein wenig davon gelesen. Die religiöse Führung Israels stellt sich gegen ihn, hinterfragt seine religiöse Vollmacht und fordert ihn heraus.
In einem weiteren Abschnitt sehen wir eine Herausforderung im Zusammenhang mit seiner politischen Vollmacht. Dort fragen sie ihn: "In welchem Recht tust du das, dass du den Tempel reinigst?" Darauf antwortet er mit einer Gegenfrage: "Die Taufe von Johannes – war sie von Gott oder von den Menschen?" Wenn sie sagen, sie sei von Gott, wird er fragen: "Warum habt ihr dann keine Buße getan?" Denn viele Menschen aus dem einfachen Volk haben sich taufen lassen, doch die Mehrheit der Führer hat sich dem widersetzt. Wenn sie sagen würden, sie sei von Menschen, müssten sie befürchten, dass das Volk einen Aufstand macht. Schließlich antworten sie: "Wir wissen es nicht." Damit versuchen sie, sich herauszuwinden. Es geht also genau um die Frage: In welcher Vollmacht tust du diese Dinge?
Danach folgt ein Frontalangriff. Sie versuchen, ihn mit Fragen zu fangen, und stellen die Frage: "Darf man dem Kaiser Steuern geben oder nicht?" Es geht um ein politisches Thema. Der Herr gibt darauf eine wunderbare Antwort, die die Wahrheit Gottes offenbart.
Im nächsten, vierten Abschnitt geht Jesus mit den Jüngern auf den Ölberg und hält dort die Endzeitrede. Er spricht über sein Kommen in Macht und Herrlichkeit auf dem Ölberg in der Zukunft. Somit geht es im ersten Teil um das erste Kommen des Königs und im zweiten Teil um das zweite Kommen des Königs. Deshalb habe ich das auch mit Pfeilen gekennzeichnet. Wie man sieht, gibt es innerhalb dieses ersten Blocks solche Symmetrien.
In der zweiten Hälfte bis zum Schluss des Evangeliums finden wir in Kapitel 22 nochmals das Kommen des Königs nach Jerusalem. Diesmal ist es ein ganz heimliches Kommen – nämlich am Donnerstagabend, als der Herr einen Obersaal reserviert hatte, um das Passa mit den Jüngern zu feiern. Dort wird beschrieben, wie er nicht auf öffentliche, sondern auf sehr heimliche Weise als König nach Jerusalem kommt.
Anschließend wird er verhaftet und zuerst vor jüdische Gremien gestellt, um verhört zu werden – also vor der religiösen Obrigkeit. Danach wird er an die Römer überliefert, an Pontius Pilatus. Dort erfolgt das Verhör durch die politische Obrigkeit, was ihn schließlich ans Kreuz bringt.
Im letzten Abschnitt sehen wir, wie der Herr Jesus als der Auferstandene wieder in Jerusalem auftritt – als König. Er hat verschiedene Begegnungen in Jerusalem und fährt schließlich in den Himmel auf.
Auch hier zeigen sich interessante Parallelen zwischen den beiden Blöcken: das sichtbare, öffentliche Kommen des Königs und das verborgene Kommen des Königs; die religiöse Vollmacht und das Verhör durch die religiöse Obrigkeit; die politische Vollmacht und das Verhör durch die politische Obrigkeit. Sein zweites Kommen in Macht und Herrlichkeit steht im Zusammenhang mit seinem Auftreten damals als der Auferstandene.
Innerhalb der Abschnitte gibt es noch viele weitere Symmetrien, doch dies ist eine grobe Übersicht.
Geographischer und symbolischer Hintergrund des Einzugs
Gut, jetzt gehen wir der Reihe nach vor. Wir haben gesehen, dass Jesus noch in Jericho unten war. Dort fand die Heilung des Blinden statt und auch die Rettung von Zachäus. Wir haben beobachtet, wie der Herr hinaufging nach Jerusalem.
Jetzt, ab Vers 29, beginnt der Einzug, und zwar vom Ölberg aus. Das heißt, er ist in Vers 29 immer noch in der Wüste, östlich vom Ölberg. Er naht Bethphage und Bethanien. Das sind zwei Ortschaften auf dem Ölberg, aber auf dem Ostabhang. Von diesem Ostabhang sieht man noch nicht Jerusalem, das liegt eher seitlich, wenn man von Jericho herkommt.
Bethphage bedeutet „Haus der Frühfeigen“ und Bethanien „Haus des Elends“ – oder auf gut Deutsch: Elendshausen und Frühfeigenhausen. Frühfeigenhausen erinnert uns an den Feigenbaum, von dem der Herr Jesus schon im Lukas 13,6-9 im Gleichnis gesagt hat, dass er dort drei Jahre lang vorbeikam und keine Frucht fand. Dieser Feigenbaum symbolisiert den Teil von Israel, der den Messias, den König, ablehnen würde.
Bethanien, das „Haus des Elends“, ist der Ort, wo Lazarus, Maria und Martha wohnten. Das Wort „Anien“, also „Anna“, ist ein Ausdruck, der in den Psalmen öfter für die Armen und Elenden gebraucht wird, die Gott die Treue halten. Das Haus des Elends war also wirklich dieser Ort, an dem der Herr Jesus Menschen hatte, die ihn als Messias erkannt hatten und in ihren Herzen an ihm festhielten.
Wir werden gleich sehen, dass bei diesem Einzug des Königs nach Jerusalem die ganze Menge ihn feiert. Aber es gibt auch schon Widerstand, nämlich von der Führerschaft, den Pharisäern. Das sind die zwei Gruppen: Israel ohne Frucht und der treue Überrest, der am Herrn festhält.
Jesus kommt also zum Ölberg hin und schickt zwei Jünger voraus. Diese müssen in das gegenüberliegende Dorf gehen, um dort ein Eselsfohlen loszubinden und damit den triumphalen Einzug nach Jerusalem vorzubereiten. Interessant ist, wie sie es begründen müssen, falls die Besitzer berechtigte Fragen stellen.
In Vers 31 heißt es: „Der Herr benötigt es“, und in Vers 34 wiederum: „Der Herr benötigt es.“ Dabei ist es so, dass Gott uns eigentlich nicht braucht. Jesus hat auch darauf hingewiesen, dass wir, wenn wir ihm treu gedient haben, sagen sollen: „Wir sind unnütze Knechte; wir haben nur getan, was wir tun mussten.“ Es ist eine Gnade, wenn Gott uns braucht, aber er bräuchte uns nicht.
Wir sehen das auch in der Geschichte von Esther. Esther war berufen, Israel, das jüdische Volk, zu retten. Aber Gott war nicht auf Esther angewiesen. Es war eine Gnade für sie, dass sie so gebraucht werden durfte. Ihr Onkel Mordechai sagt sogar: „Wenn du in dieser Zeit schweigst, wird Gott Rettung von woanders her entstehen lassen.“ Gott hat also auch andere Wege. Wenn wir nicht handeln würden, kann er seinen Ratschluss trotzdem durchführen. Aber es ist eine Gnade, wenn er uns trotzdem benutzt.
Von einem Esel wird im Lukasevangelium gesagt: „Der Herr benötigt ihn.“ Warum benötigt er diesen Esel? Warum ist er so wichtig? Um eine Schrift zu erfüllen – um die Heilige Schrift zu erfüllen.
Und zwar welche? Zacharja. Schlagen wir auf...
Die prophetische Bedeutung des Esels im Einzug
Zacharja 9, Vers 9. Darf ich bitten, Edmund, dass du uns diesen Vers vorliest? Zacharja 9, Vers 9: „Aber du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Sieh, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Sieger. Demütig ist er und reitet auf einem Esel, und zwar auf einem Fohlen der Eselin.“
Das ist eigentlich der Titel des Matthäusevangeliums. Dort wird uns ganz besonders das Thema gezeigt: „Siehe, dein König wird zu dir kommen.“ Im Markusevangelium ist der Titel besonders aus Zacharja 3: „Siehe, mein Knecht.“ Und das Lukasevangelium könnte man überschreiben mit Zacharja 6: „Siehe, ein Mann, sein Name ist Spross.“ Das ist der Messias, der wahre Mensch.
Markus beschreibt ihn als den Knecht Gottes, Matthäus als den König. Nun ist es so, dass alle Evangelien den Herrn Jesus als König beschreiben. Wir haben diesen Einzug nach Jerusalem auch in den anderen Evangelien, aber wir werden sehen, dass Matthäus auf diese Stelle mehr eingeht als die anderen Evangelisten.
Du nimmst gerade warum? Übrigens, das Johannesevangelium könnte man überschreiben mit „Siehe, dein Gott kommt“ aus Jesaja 35: „Siehe, dein König“, „siehe, mein Knecht“, „siehe, ein Mann“ und „siehe, euer Gott“.
Ja, die Frage ist: Wenn man Zacharja 9 liest, diese Prophetie, die sich eben an Palmsonntag bei diesem triumphalen Einzug erfüllt hat, wie viele Tiere werden in diesem Vers erwähnt? Nämlich? Muttertier und das Fohlen. Genau.
Und zwar sollte es korrekt übersetzt so heißen: „Er wird zu dir kommen, gerecht, und ein Retter ist er, demütig und auf einem Esel reitend, und auf einem Fohlen, einem Jungen der Eselin.“ Das ist also effektiv das Muttertier und dann das Junge, das Fohlen.
Aber in Lukas haben wir jetzt nur von dem Fohlen gehört. Im Matthäusevangelium können wir das als Parallele aufschlagen. Dort wird auch der Vers zitiert aus Zacharja 9. Liest du gerade Vers 5 oder 4 schon?
„Das alles aber geschah, damit erfüllt würde, was dort dem Propheten gesagt wurde. Der spricht: Sagt der Tochter Zion, siehe, dein König kommt zu dir, sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Fohlen, dem Jungen der Eselin.“
Jetzt wird die Erfüllung gezeigt. Vers 6: „Die Jünger gingen hin und taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte, und brachten die Eselin und das Fohlen und legten ihre Kleider darauf, und er setzte sich darauf. Aber eine sehr große Menschenmenge breitete ihre Kleider auf dem Weg aus, andere hieben Zweige von den Bäumen und legten sie auf den Weg.“
Da werden das Muttertier und das Fohlen erwähnt, und es wird auch gesagt, dass der Herr sich auf beide gesetzt hat. Man hat auch Kleider auf beide gelegt, quasi als Sattel. So hat der Herr, muss man sich vorstellen, Platz genommen auf dem Muttertier und mit den Füßen, mit den Beinen auf das weniger belastbare Fohlen.
Das ist dann so neben der Mutter hergegangen, und das Ganze muss natürlich sehr sorgfältig und langsam gewesen sein – ein feierlicher, langsamer Einzug den Westabhang des Ölbergs hinunter. Ich habe gesagt, im Vers 29 ist das der Ostabhang, Betfage, Betanien, gegen den Berg hin, und der Westabhang ist in Vers 37.
„Als er sich aber schon dem Abhang des Ölbergs näherte, fing die ganze Menge der Jünger an, mit lauter Stimme Gott freudig zu loben.“ Da geht er den Westabhang hinunter, durchs Kitterontal und dann durch das Stadttor, und zwar das nächste Tor war dann das Tor auf dem Ofel, gerade südlich vom Haupteingang des Tempels.
Matthäus legt also große Betonung darauf, wie genau sich die Prophetie aus Zacharja erfüllt hat, dass es eben zwei Tiere sein sollten. Aber Lukas erwähnt nur das Fohlen. Diesen Unterschied haben wir immer wieder gefunden im Lukasevangelium.
Während es zum Beispiel in Matthäus zwei Gadarener, besessene Gadarener sind, wird in Lukas nur einer erwähnt. Während es in Matthäus zwei Blinde sind, die geheilt werden in Jericho, ist es in Lukas nur einer, der erwähnt wird. Und da wird auch nur ein Esel erwähnt.
Das ist kein Widerspruch, sondern für Matthäus, der für Juden schreibt, ist es sowieso immer wichtig, wenn zwei Zeugen da waren, die zwei Zeugen zu erwähnen. Denn vor einem jüdischen Gericht muss alles durch mindestens zwei Zeugen belegt sein.
Lukas betont mehr das Einzelschicksal. Er war Arzt und es ging ihm um das Schicksal des einzelnen Menschen. Darum wird das hervorgehoben, während Matthäus eine andere Absicht hat. Und jetzt kann man nicht sagen, es geht um das Einzelschicksal, aber sogar dieses einzelne Wesen, das der Herr benutzte, um sein Wort zu erfüllen, wird hier hervorgehoben.
Nun ist ganz wichtig: Zacharja 9 sagt also, der Messias wird auf zwei Eseln nach Jerusalem kommen. Aber jetzt schlagen wir auf in Daniel 7. Dort haben wir eine andere messianische Prophetie. Liest du uns Daniel 7, Verse 13 und 14 vor?
„Ich sah in dieser Vision in der Nacht, und siehe, es kam einer in den Wolken des Himmels wie ein Menschensohn bis zu dem Alten und wurde vor ihn gebracht. Der gab ihm Macht, Ehre und Königtum, dass ihm alle Völker, Leute und Sprachen dienen sollten. Seine Herrschaft, die nicht vergeht, ist ewig, und sein Königreich hat kein Ende.“
Diese beiden Stellen waren im alten Judentum völlig klar messianische Stellen, die vom Kommen des Messias sprechen. Und das gab einen Konflikt, der im Talmud behandelt wird.
Warum steht in Daniel 7, der Messias kommt in den Wolken des Himmels, und in Zacharja steht, er kommt auf einem Esel oder eben auf zwei Eseln? Es wird dann von den alten Rabbinen so beantwortet: Das sind wohl zwei verschiedene Möglichkeiten.
Wenn wir unwürdig sind und die Tora nicht einhalten, dann wird der Messias auf dem Esel kommen. Und wenn wir würdig sind und die Tora einhalten, dann wird der Messias auf den Wolken des Himmels kommen.
Aber die Wahrheit ist die: Es gibt zwei Kommen des Messias. Das erste Mal sollte er kommen in Niedrigkeit, als Retter. Da haben wir in Zacharja 9 gelesen: Ein Retter, im Hebräischen wörtlich gewissermaßen „einer mit Rettung Begabter“, ein mit Rettung Begabter. Das ist das erste Kommen des Messias.
Dann später sollte er kommen auf den Wolken des Himmels. Das haben wir genau in Lukas 21. Können wir das kurz vorwegnehmen? Wir kommen ja später ausführlich darauf zu sprechen.
Lukas 21, Vers 27: „Und dann werden Sie den Menschensohn in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit kommen sehen. Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann blickt auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“
Das ist das zweite Kommen in Macht und Herrlichkeit, aber auf einer Wolke! Der Herr macht klar: So ist das Problem zu lösen, es sind zwei verschiedene Kommen.
Und natürlich ist es nicht ganz falsch, was diese Rabbiner gesagt haben, denn die große Masse beim ersten Kommen war nicht bereit und war eben nicht würdig, den Messias zu empfangen.
Wenn man denkt: An diesem Sonntag hat die Masse geschrien, aber fünf Tage später war eine Volksmenge vor Pilatus, die sagte, er werde gekreuzigt. Es war unwürdig, da kam er auf dem Esel.
Effektiv, wenn er kommen wird, einmal in den Wolken des Himmels, das ist der Moment, an dem dann ein Drittel aus Israel umgekehrt sein wird und ihn würdig empfangen wird, wie Zacharja 12 uns das zeigt.
Ja, aber da ist es ein Überrest, der wirklich ihn im Herzen hat. Und da lesen wir nochmals Vers 37: „Als er sich schon dem Abhang des Ölbergs näherte, fing die ganze Menge der Jünger an, mit lauter Stimme Freude Gott zu loben wegen aller Wunderwerke, die sie gesehen hatten, indem sie sagten: ‚Gepriesen sei der König, der da kommt im Namen des Herrn!‘“
Woher haben sie dieses Wort? Psalm 118. Schlagen wir auf: Psalm 118. „Gelobt sei, der kommt im Namen des Herrn! Wir segnen euch, die ihr vom Haus des Herrn seid.“
Das war ein Satz, von dem die Rabbiner gesagt haben: Wenn der Messias kommt, dann müsst ihr ihn mit diesem Vers willkommen heißen.
Ich muss vielleicht noch erklären: Wenn jetzt im Deutschen je nachdem übersetzt wird, Psalm 118, Vers 26, „gesegnet“ oder „gepriesen“ der, der kommt im Namen des Herrn, „gesegnet der, der kommt“ oder „gepriesen sei, der da kommt“ – baruch haba ist auf Hebräisch der normale Ausdruck, um zu sagen: Willkommen.
Wenn ihr bei jemandem eingeladen seid in Israel, an der Tür läutet und sie machen die Tür auf, dann sagen sie „Baruch haba“, wörtlich „gesegnet, der da kommt“. Aber das heißt: Willkommen!
Und wenn es mehrere sind, dann sagen sie „Bruchim habaim“ – Gesegnete, die gesegnet sind, die da kommen. So bedeutet also dieser Ausdruck effektiv: „Willkommen, der da kommt im Namen des Herrn.“
Und genau das haben sie gesagt bei diesem Einzug nach Jerusalem, ihn willkommen geheißen. Aber das Schreckliche an der ganzen Sache ist, dass fünf Tage später die Kreuzigung in dieser selben Stadt geschehen ist.
Die Spannung zwischen Empfang und Ablehnung
Wir haben dann weitergelesen: Der Herr Jesus weint über diese Stadt.
Zuvor sind jedoch die Pharisäer sehr erbost, dass die Jünger ihn so als Messias willkommen heißen. Sie fordern ihn auf: „Lehre deine Jünger zurecht“ (Vers 39). Daraufhin macht Jesus klar, dass er nicht von den Jüngern abhängig ist. Er sagt, wenn sie schweigen würden, dann würden die Steine schreien.
Es hätte ja sein können, dass die Jünger nicht wollen. Dann hätten eben die Steine gerufen: „Baruch haba beschem Adonai!“
Im Alten Testament werden die Bewohner Jerusalems auch „Söhne Zions“ genannt, auf Hebräisch „Banim Zion“. Hier liegt ein Wortspiel vor, denn das Wort für „Sohn“ (Ben) wird fast gleich geschrieben wie das Wort für „Stein“ (Eben). In der Druckschrift unterscheidet sich nur ein Buchstabe.
Jesus sagt also: Wenn diese Steine (Abanim) schweigen, dann werden eben die Söhne (Banim) schreien.
In Vers 41 weint der Herr über diese Stadt und sagt: „Wenn du auch erkannt hättest, und wenigstens an diesem deinem Tag, was zu deinem Frieden dient.“
Warum sagt er „an diesem deinem Tag“? Was ist das für ein Tag?
Das ist eine Anspielung auf Daniel 9. Der 173. Tag nach dem Erlass von Artaxerxes zum Wiederaufbau Jerusalems wird hier gemeint. Diese Prophezeiung steht in Daniel 9,25: 69 Jahrwochen vom Erlass bis zum Messias. Der Erlass wurde von König Artaxerxes II. am 14. März 445 v. Chr. gegeben. Am 6. April 32 nach Christus ist der Herr Jesus in Jerusalem eingezogen.
Das war der Tag Jerusalems, der 173. Tag aus der Prophetie Daniels, wenn man die 69 Jahrwochen in Tage umrechnet: 69 mal 7 mal 360 Tage, denn die prophetischen Jahre der Bibel dauern 360 Tage. So erhält man diese Zahl.
Es war also ein dramatischer Tag, an dem die Prophetie erfüllt wurde. Doch der Herr wusste, dass sie ihn ablehnen würden. Wie geht die Prophetie nach diesen Jahrwochen weiter?
Nach diesen Jahrwochen wird der Messias ausgerottet werden und nichts haben.
Das wird in Hosea 5,15 genau ausgedrückt. Dort hört man die Stimme des Messias: „Ich will gehen, wieder an meinen Ort zurückkehren, bis sie ihre Schuld erkennen und mein Angesicht suchen. Wenn es ihnen schlecht geht, dann werden sie mich ernstlich suchen.“
Das meint den Überrest von Israel, wenn der Messias wiederkommt. Sie werden sagen: „Kommt, lasst uns zu dem Herrn umkehren, denn er hat zerrissen und wird uns heilen.“
Der Messias sagt also, dass er wieder zurück in den Himmel geht – und zwar nicht für immer, sondern bis sie ihre Schuld büßen. Es wird eine lange Zeit sein, in der der Messias im Himmel ist und Israel schwere Zeiten durchlebt. Doch schließlich werden sie sein Angesicht suchen und rufen: „Willkommen, der da kommt im Namen des Herrn!“
Dazu passt auch die Parallelstelle in Matthäus 23, Verse 37-39. Dort heißt es:
„Jerusalem, Jerusalem, die du die Propheten tötest und steinigst, die zu dir gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel sammelt, und ihr habt nicht gewollt! Seht, euer Tempel soll euch wüst hinterlassen werden. Denn ich sage euch: Ihr werdet mich von jetzt an nicht sehen, bis ihr sagt: Gelobt sei der, der kommt im Namen des Herrn! Baruch Haba!“
Der Herr sagt also, der Tempel wird verwüstet werden – was im Jahr 70 geschah („Siehe, euer Haus wird euch öde gelassen“).
„Ihr werdet mich von jetzt an nicht sehen“ – das entspricht Hosea 5,15, wo gesagt wird, dass der Messias zurückkehrt an seinen Ort. Er kommt aber wieder, bis sie sprechen: „Gepriesen sei der, der da kommt im Namen des Herrn!“
Beim zweiten Kommen wird der Überrest ihn mit denselben Worten begrüßen. Dann kommt er auf dem Ölberg mit den Wolken, nicht mehr auf einem Esel.
Dazu passt auch Jesaja 40, Verse 1 und 2. Edmund, kannst du bitte Jesaja 40,1-2 lesen?
Israel muss nach der Verwerfung des Messias schwere Wege durchgehen, aber das soll ein Ende finden. Sie werden sein Angesicht suchen, wie Hosea 5,15 sagt. Dann wird der Herr zum zweiten Mal kommen und sein Volk trösten.
Jesaja 40,1-2 lautet:
„Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott! Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass ihr Frohdienst ein Ende hat, denn ihre Schuld ist vergeben; denn sie hat von der Hand des Herrn das Doppelte empfangen für alle ihre Sünden.“
Mein Volk, das Händel so schön in seinem Messias vertont hat, wird das dann Realität werden beim zweiten Kommen.
In Lukas 19 weint der Herr über Jerusalem, weil sie an diesem außergewöhnlichen Tag Jerusalems nicht erkannt haben, was zu ihrem Frieden dient. Er sagt: „Jetzt aber ist es vor deinen Augen verborgen.“ Sie waren blind und haben ihn nicht erkannt.
Dieser Abschnitt mit dem Einzug nach Jerusalem steht parallel zu dem Abschnitt, wo der Herr Jesus über sein zweites Kommen spricht.
Lesen wir nochmals Lukas 21, Vers 27:
„Und dann werden sie den Menschensohn in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit kommen sehen.“
Jetzt ist es vor ihren Augen verborgen, sie erkennen nicht, wer da nach Jerusalem hineinkommt. Aber dann werden sie ihn sehen, wenn er kommt in einer Wolke mit Macht und großer Herrlichkeit.
Der Herr beschreibt auch, was im Jahr 70 geschehen sollte. Tage werden über dich kommen (Vers 43).
Deine Feinde werden einen Wall gegen dich aufschütten, dich umzingeln und von allen Seiten bedrängen.
Josephus Flavius, ein Augenzeuge des Untergangs im Jahr 70, beschreibt genau, wie die Römer diesen Krieg geführt haben – während 140 Tagen, bis Jerusalem dem Erdboden gleichgemacht wurde.
In seinem Bericht „Der jüdische Krieg“ beschreibt er, wie die Römer einen Wall um Jerusalem aufgestellt haben.
Er schildert auch die furchtbare Endschlacht, in der die römische Legion schließlich in Jerusalem und den Tempel eindrang.
Er beschreibt ausführlich, dass es kein Pardon mehr gab und kein Ansehen vor Alter. Alle wurden abgeschlachtet, unabhängig vom Alter. Es wurde quasi nur noch in Massen getötet – genau so, wie der Herr Jesus es hier beschreibt:
„Sie werden dich dem Erdboden gleichmachen und deine Kinder in dir zu Boden strecken und in dir nicht einen Stein auf dem anderen lassen.“
Josephus berichtet, dass Titus sogar befohlen hatte, die Stadtmauern schleifen zu lassen.
Die Ruinen der Stadtmauer hätten noch stehen können, aber sie wollten alles dem Erdboden gleichmachen.
Der Herr sagt: „Darum, dass du die Zeit deiner Heimsuchung nicht erkannt hast.“
Heimsuchen bedeutet hier, dass Gott sich gnädig annimmt – seine gnädige Annehmung. Dafür hatten sie überhaupt keine Augen.
Der Herr weint über diese Stadt.
Die Tempelreinigung und die wachsende Feindschaft
Und dann geht es weiter mit Vers 45, wo ganz kurz und knapp die Tempelreinigung beschrieben wird. Wenn man Lukas liest, könnte man denken, dass das am gleichen Tag geschah, nicht wahr? Es war aber nicht am gleichen Tag.
Im Markus-Evangelium wird für jeden Tag ab Palmsonntag ganz genau die Zeitangabe gemacht. Das Markus-Evangelium legt am meisten Gewicht auf die Chronologie, ebenso wie das Johannesevangelium. Aber diese Woche wird im Markus-Evangelium nur ganz genau beschrieben, und dort kann man jeden Tag genau ausmachen.
Markus macht deutlich, dass der Herr an Palmsonntag in die Stadt hineinging, dann in den Tempel ging und – was nur in Markus steht – dass er im Tempel umherblickte und die Gebäude betrachtete. Das drückt seine Liebe zum Tempel aus, den er ja als das Haus seines Vaters bezeichnete (Johannes 2).
Aber dann war es spät, und darum sagt Markus, dass der Herr wieder hinaus auf den Ölberg ging. Er übernachtete dort, und am nächsten Tag kam er dann gleich in den Tempel hinein und reinigte die königliche Säulenhalle. Das war diese südliche, prächtigste Halle im Tempel, wo der Markt war. Dort warf er die Verkäufer hinaus und machte ihnen den Vorwurf: „Ihr aber habt es zu einer Räuberhöhle gemacht.“ Das ist ein Zitat aus Jeremia 7,11.
In Johannes 2 wird ganz am Anfang, bevor der Herr Jesus öffentlich zu predigen begann, gesagt, dass er den Tempel gereinigt hatte. Daraus folgt, dass der Herr am Anfang seines öffentlichen Dienstes und am Ende eine Tempelreinigung durchgeführt hat. Aber die Situation bei der zweiten Tempelreinigung war schlimmer.
In Johannes 2 sagt er nämlich nur: „Macht nicht das Haus meines Vaters zu einem Kaufhaus.“ Also sollte es kein Markt sein, das ist die Aussage. Im Talmud wird diese südliche Halle nicht, wie wir es im Deutschen sagen, „königliche Säulenhalle“ genannt, sondern „der Chanut“. Das ist der Ausdruck für Kaufhaus.
Herr Jesus sagt genau das in Johannes 2: Macht nicht das Haus meines Vaters zu einem Chanut. Aber hier ist es noch schlimmer. Er sagt nicht nur, es soll kein Kaufhaus sein, sondern er sagt, ihr habt es zu einer Räuberhöhle gemacht.
Auch dazu gibt es im Talmud Klagen darüber, dass die Preise der Opfer völlig überhöht waren. Da haben sich Leute auf schändliche Art im Haus Gottes bereichert. Es geht um das Thema Geld und Geist. Wir wissen, dass dieses Thema sich durch die ganze Kirchengeschichte hindurchgezogen hat.
Wenn es mit Geld Skandale gibt, ist das eine schreckliche Verunehrung des Namens Gottes. Da muss der Herr eingreifen, und das hat er hier auch so getan.
Aber warum kommt diese Tempelreinigung gerade nach dem Einzug nach Jerusalem? Beim Einzug nach Jerusalem wurde der Herr als König begrüßt, als König Messias. Am nächsten Tag geht er in den Tempel, und zwar in die königliche Säulenhalle.
Das war ein Gebäude, gebaut im Stil einer Basilika. Eine Basilika bedeutet wörtlich „königliche Säulenhalle“. Darin steckt das Wort Basileus, „König“ – Basilika, Basileus. Es ist eine Architekturform, die in der griechisch-römischen Welt in großen Städten üblich war.
Wenn ein König oder Fürst zu Besuch kam, hatte er dort seinen pompösen Auftritt. Dort war der Sitz des Gerichts und auch der Markt. Im Tempel war es genauso: In der Südostecke war der Sitz des Sanhedrins, also des obersten Gerichts, ab dem Jahr 30. In der Halle war der Ort, um die Opfer zu verkaufen.
Am Montag kommt der Herr Jesus in diese königliche Säulenhalle und sagt: „Raus!“ Man muss sich aber im Klaren sein, dass der oberste Gerichtshof die Erlaubnis gegeben hatte, hier Opfer zu verkaufen. Jetzt kommt ein Mann aus Nazareth und sagt „Raus!“ – im Kontrast zum obersten Gerichtshof.
Das ist ganz wichtig: In 5. Mose wird gesagt, dass man auf diesem Gerichtshof, an dem Ort, an dem Gott seinen Namen wohnen lassen wird, bei einer zu schweren Gerichtsangelegenheit hingehen muss. Und was die Richter dort sagen, das muss man tun. Wer nicht auf das Wort dieser Richter hört, muss sterben.
Widerspruch gegen den Sanhedrin bedeutete also Todesstrafe, so sagt es die Tora. Wenn jemand den Tempel räumt und sich gegen den Sanhedrin stellt, hat er im Prinzip die Todesstrafe verdient – außer er ist höher als der Sanhedrin.
Sie wurden jetzt wirklich nochmals gezwungen, Stellung zu nehmen: Wer ist dieser Mann? Ist das ein Verführer oder ist das der Messias?
Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag wurde er gekreuzigt. In dieser selben Halle hat Kaiphas beschlossen, dass er sterben muss. In dieser gleichen Halle fand dann der Prozess gegen ihn statt.
Das gehört so direkt zusammen: das Kommen am Palmsonntag und das Räumen des Tempels am Montag.
Lukas fasst dann für die Passionswoche ganz allgemein zusammen, in Vers 47: „Und er lehrte täglich im Tempel. Aber die hohen Priester und Schriftgelehrten und die Vornehmsten im Volk trachteten danach, ihn umzubringen, wussten aber nicht, was sie tun sollten. Denn das ganze Volk hing ihm an und hörte ihm zu.“
Für sie war er unerträglich, und sie wollten ihn umbringen, weil er sich im Gegensatz zu ihnen stellte. Das Problem war: Heute würde man sagen, er war populär. Das Volk hörte gerne seine Verkündigung, fand sie wirklich interessant. Das ganze Volk hing an seinen Lippen, aber sie wollten ihn umbringen.
Die Bedeutung des Psalms 118 im Kontext
Und jetzt noch etwas: Wir haben gesehen, dass Psalm 118 beim Einzug nach Jerusalem zitiert wurde mit den Worten: „Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn.“ Können wir den Psalm nochmals aufschlagen?
Diese Pharisäer, diese Kenner des Alten Testaments, wussten natürlich auch, was ein paar Verse vorher noch steht. Das war Vers 26: „Willkommen, der da kommt im Namen des Herrn.“ Und dann Vers 22: „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden. Das ist vom Herrn geschehen, und es ist ein Wunder vor unseren Augen.“
Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden. Und das war auch klar: Der Eckstein ist der Messias. Das war eine eindeutige Interpretation.
Interessant ist, dass der Ausdruck „Bauleute“ vor zweitausend Jahren im Judentum ein Begriff für Gesetzeslehrer war. Diesen Ausdruck benutzte man so. Man kann das auch so verstehen, wenn man predigt: Eine Predigt sollte ja auferbauend sein. Darum sind die Kenner der Bibel „Bauleute“.
Dieser Vers sagt also, dass der Stein, den die Bauleute verworfen haben... Und genau das machen sie hier. Sie sind diejenigen, die ihn ablehnen. Sie sind es, die sagen: „Lehre deine Jünger zurecht“ (Vers 39). Es sind sie, die in Vers 47 suchten, ihn umzubringen.
Und jetzt lesen wir weiter in Kapitel 20. Edmund, liest du uns bis Vers 16?
Die Herausforderung der religiösen Führung und das Gleichnis vom Weinberg
Als er das Volk im Tempel lehrte und das Evangelium predigte, traten die Hohenpriester und Schriftgelehrten mit den Ältesten zu ihm und fragten: „Sag uns, aus welcher Vollmacht tust du das, und wer hat dir diese Vollmacht gegeben?“
Er antwortete ihnen: „Ich will euch auch eine Frage stellen. Sagt mir, die Taufe des Johannes – war sie vom Himmel oder vom Menschen?“
Sie überlegten bei sich selbst und sagten: „Sagen wir vom Himmel, wird er fragen: ‚Warum habt ihr ihm denn nicht geglaubt?‘ Sagen wir aber vom Menschen, wird uns das ganze Volk steinigen, denn sie bestehen darauf, dass Johannes ein Prophet war.“
Sie antworteten schließlich: „Wir wissen nicht, woher sie war.“ Da sagte Jesus zu ihnen: „Dann sage ich euch auch nicht, aus welcher Vollmacht ich das tue.“
Dann begann er dem Volk dieses Gleichnis zu erzählen: Ein Mensch pflanzte einen Weinberg, vertraute ihn Weingärtnern an und verreiste für längere Zeit ins Ausland. Als die Zeit kam, sandte er einen Knecht zu den Weingärtnern, damit sie ihm von der Frucht des Weinbergs gäben. Aber die Weingärtner schlugen ihn und schickten ihn mit leeren Händen fort.
Dann sandte er einen anderen Knecht. Sie aber schlugen ihn ebenfalls, verhöhnten ihn und schickten ihn mit leeren Händen fort. Er sandte noch einen dritten Knecht, doch auch den misshandelten sie und stießen hinaus.
Da sagte der Herr des Weinbergs: „Was soll ich tun? Ich will meinen geliebten Sohn senden. Vielleicht werden sie sich scheuen, wenn sie ihn sehen.“
Als die Weingärtner den Sohn sahen, überlegten sie bei sich selbst: „Das ist der Erbe. Kommt, lasst uns ihn töten, damit das Erbe uns gehört.“ Sie stießen ihn zum Weinberg hinaus und töteten ihn.
Was wird nun der Herr des Weinbergs ihnen antun? Er wird kommen, diese Weingärtner umbringen und den Weinberg anderen geben.
Als sie das hörten, sagten sie: „Nur das nicht!“ Er aber sah sie an und sagte: „Was bedeutet denn das, was geschrieben steht? Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. Wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschellen. Auf wen er aber fällt, den wird er zermalmen.“
Ich habe das eigentlich schon eingangs erklärt: Dies ist ein Angriff auf seine geistliche Vollmacht. Sie fragen, woher er diese Vollmacht hat. Das geschieht gerade, weil er den Tempel reinigt und Dinge tut, die der Sanhedrin nicht möchte.
Der Herr stellt eine Gegenfrage. Vielleicht haben wir in unserer Erziehung gelernt, dass Gegenfragen unanständig sind. Doch der Herr macht das im Evangelium oft. Das ist nicht immer unanständig. Eine Gegenfrage kann den Fragenden auf etwas bringen, das ihm sonst nicht bewusst wäre.
Warum stellt der Herr hier eine Gegenfrage zur Taufe Johannes des Täufers? Das scheint zunächst nichts mit dem Thema zu tun zu haben. Doch Johannes der Täufer kam damals als Prophet und kündigte an, dass Jesus der Messias sei. Er sagte am Jordan bei Jericho: „Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt“ (Johannes 1).
Damit war klar: Das ist der Knecht des Herrn aus Jesaja 53, der für unsere Sünden sterben wird. Johannes hat also gesagt, Jesus ist der Messias.
Jetzt war es entscheidend: War Johannes ein falscher oder ein echter Prophet? Josephus Flavius, der jüdische Geschichtsschreiber aus dem ersten Jahrhundert, beschreibt Johannes den Täufer als eine Sensation.
Man hatte seit 400 Jahren keine Propheten mehr gehabt. Maleachi, um 400 vor Christus, war der letzte Prophet. Dann folgte eine Zeit ohne Schriftpropheten. Plötzlich trat Johannes auf mit einer Autorität, wie man sie seit Jahrhunderten nicht mehr gekannt hatte, und sagte: „Das ist der Messias.“
Wenn Johannes Recht hatte, dann ist Jesus der Messias und hat das Recht, den Tempel zu reinigen. Darum diese Frage.
Die große Masse des Volkes sah Johannes wirklich als echten Propheten. Wenn wir sagen, das war nicht von Gott, dann ist unsere Macht dahin, wir verlieren alle Legitimation.
Sagen wir aber, es war von Gott, dann wird er fragen: „Warum habt ihr nicht Buße getan?“ Denn in Lukas 7,30 heißt es, dass die Pharisäer den Ratschluss Gottes wirkungslos gemacht haben und sich nicht taufen ließen. Sie sagten also Nein.
Um nicht dumm dazustehen, lügen sie und sagen: „Wir wissen es nicht.“ (Vers 7). Jesus sagt darauf: „Dann sage ich es euch auch nicht.“ Er beantwortet die Frage nicht direkt. Doch die Frage ist beantwortet – man muss nur nachdenken, was mit Johannes war.
Dann erzählte Jesus ein Gleichnis, und die Volksmenge war entsetzt. Das merkt man in Vers 16 am Schluss: „Als sie das hörten, sagten sie: ‚Nur das nicht!‘“ Sie sind schockiert über die Aussage des Gleichnisses.
Dann fügte Jesus genau den Vers aus Psalm 118 an: „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden.“ Sie wissen genau, dass sie eigentlich die Bauleute sind, die den Messias verwerfen.
Jesus war gerade nach Jerusalem eingezogen, und das Volk rief: „Willkommen, der da kommt im Namen des Herrn!“ Ein paar Verse vorher heißt es, dass die Bauleute den Stein verwerfen – den Messias.
In Vers 19 heißt es: „Die Schriftgelehrten und Hohenpriester suchten in derselben Stunde, die Hände an ihn zu legen, denn sie fürchteten das Volk, da sie erkannten, dass er dieses Gleichnis auf sie bezogen hatte.“ Sie wussten ganz genau, worum es ging, denn das Wort traf sie.
Man stelle sich vor: Das war am Dienstag. Nach den Einteilungen von Markus fand diese Diskussion an einem Dienstag statt. Da sagt Jesus: „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben...“
Am Mittwoch geschah nichts Besonderes, und am Donnerstagabend waren diese Führer jeder bei sich zu Hause. Dann liest man die Passaliturgie – Psalmen 112 bis 118 – und feiert ein schönes Fest in der Familie mit dem Pascha-Mahl.
Ganz am Schluss kommt die Lektüre mit Psalm 118: „Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn! Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden.“ Das haben sie nochmals gelesen!
Natürlich feierte auch Jesus mit seinen Jüngern im Obergeschoss am Donnerstagabend. Im Matthäusevangelium heißt es, dass sie am Ende des Mahls noch ein Loblied sangen und dann zum Ölberg hinausgingen.
Dieses letzte Loblied ist Teil der Passa-Liturgie: Psalm 118, „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden.“
Am nächsten Morgen stand Jesus vor dem Sanhedrin und wurde zum Tod verurteilt. Diese Abläufe sind ganz dramatisch.
Die politische Intrige und das Vorgehen der Führer
Wie haben sie es dann geschafft, innerhalb von wenigen Tagen das ganze Volk umzustellen? Die Pharisäer und Führer wussten, dass Jesus Christus populär war, ebenso wie Johannes. Deshalb hatten sie das Volk gefürchtet. Aber wie haben sie es schließlich geschafft, ihn doch hinrichten zu können?
Wir lesen in den Evangelien, dass sie sagten, man solle nicht während des Festes handeln, damit kein Aufruhr entstehe. Schließlich trafen sie die Abmachung mit Judas. In der Nacht auf dem Ölberg sollte Jesus verhaftet werden – also ganz an der Volksmasse vorbei. Danach wurde er in einer Nachtaktion in die Privathäuser des Hohen Priesters Caiaphas und Annas gebracht, wo er verhört wurde.
Das geschah heimlich, damit am nächsten Tag, sobald die Sonne aufging – denn Prozesse um Leben und Tod durften nur am Tag durchgeführt werden – ein kurzer, offizieller Prozess in der Säulenhalle stattfinden konnte. Von dort ging es dann zu Pilatus. Die Verantwortlichen versuchten also, möglichst viel in der Nacht zu erledigen, um einen Volksauflauf zu vermeiden. Und so gelang es ihnen schließlich.
Es ist beeindruckend, wie der Herr genau im richtigen Moment nochmals das Bibelwort aus Psalm 118 auftauchen lässt: beim Einzug, dann am Dienstag in der Diskussion mit den Führern und schließlich in der eigenen Liturgie zuhause. So kann der Herr durch Bibelverse zu uns sprechen.
Ist es nicht eine wunderbare Erfahrung, immer wieder zu erleben, wie der Herr einen plötzlich auf einen Bibelvers stoßen lässt – genau im richtigen Moment? In den letzten Monaten habe ich mich überhaupt nicht mit diesem Vers beschäftigt, und jetzt taucht er genau dann auf. Vielleicht steht er auf einem Kalenderzettel, wird gerade in der Gemeinde vorgelesen oder jemand schickt eine Karte mit genau diesem Vers.
Spätestens dann muss es Joseph von Arimathäa aufgefallen sein. Sein Name bedeutet, dass er an ihrem Entschluss nichts beigestimmt hat. Es muss ihm also geläutet haben, wenn nicht schon vorher.
Was ich sagen will: Hier hatten die Schriftgelehrten noch einmal eine große Gelegenheit, eine Chance zur Umkehr. Hätten sie sich doch nur sagen lassen, was ihnen gesagt wurde! Dort sehen wir Gottes Gnade, dass er immer wieder eine Chance gibt.
Auch bei Judas werden wir im weiteren Verlauf der Kapitel auf den Verrat eingehen. Wir wissen, dass er am Donnerstag in der Nacht nach der Vorspeise des Passahmahls hinausging, wie Johannes 13 berichtet. Dann erfüllte Satan ihn. Aber sogar dann hätte Judas noch eine Chance gehabt.
Als er im Garten Gethsemane den Herrn mit einem Kuss begrüßte, sagte Jesus zu ihm: „Wozu bist du gekommen, Freund?“ Judas antwortete: „Freund.“ Da hätte er noch zusammenbrechen können.
Man könnte sagen, er war ja besessen. Doch auch für besessene Menschen gibt es Hoffnung. Wir dürfen nicht denken, dass Menschen, die stark okkult belastet oder besessen sind, nicht gerettet werden könnten. Das ist weiterhin möglich.
Dieses Wort des Herrn hätte Judas zum Umdenken bringen können. Aber auch diese Chance ließ er vorbeigehen.
Schon am Abend zuvor war er bei der Vorspeise des Passahmahls dabei. Dort erhielt der geehrteste Gast eine Matze, die eingetaucht wurde, um das Essen zu eröffnen. Judas bekam diese Matze – er war an diesem Abend der Ehrengast. Danach ging er hinaus.
Und dann kam es zu dem Gespräch: „Freund, wozu bist du gekommen?“ So sehen wir hier eine Verkettung von Ereignissen, wie Gott im letzten Moment nochmals ruft – manchmal mit ganz feinen Mitteln, die die Herzen hätten erreichen können.
Doch es gab Menschen, die ihre Herzen bis zum Schluss einfach verschlossen hielten.
Wir wollen an dieser Stelle für heute schließen. Beim nächsten Mal betrachten wir ab Kapitel 20, Vers 9 das Gleichnis, das wir jetzt nur gelesen haben. Danach geht es weiter mit Vers 20, wo die politische Vollmacht ein Thema sein wird.