
Guten Tag, ich begrüße alle ganz herzlich.
Wir sind in Matthäus 27 und haben bis Vers 10 gelesen. Jetzt lesen wir gleich weiter von Vers 11 bis Vers 26.
Bitte, Christian.
Jesus wurde dem Statthalter vorgeführt. Dieser fragte ihn: „Bist du der König der Juden?“ Jesus antwortete: „Du sagst es.“
Als Jesus von den Hohenpriestern und den Ältesten angeklagt wurde, schwieg er. Darauf sprach Pilatus zu ihm: „Hörst du nicht, wie viele sie gegen dich vorbringen?“ Doch Jesus antwortete nicht auf ein einziges Wort. Das verwunderte den Statthalter sehr.
Zum Fest war es üblich, der Volksmenge einen Gefangenen freizulassen, den sie verlangten. Damals gab es einen berüchtigten Gefangenen namens Barabbas. Als die Menschen versammelt waren, fragte Pilatus sie: „Wen wollt ihr, dass ich euch losgebe? Barabbas oder Jesus, der Christus genannt wird?“ Er wusste, dass sie Jesus aus Neid ausgeliefert hatten.
Während Pilatus auf dem Richterstuhl saß, sandte seine Frau ihm eine Nachricht: „Habe nichts zu schaffen mit jenem Gerechten, denn im Traum habe ich heute um seinetwillen viel gelitten.“
Die Hohenpriester und Ältesten überredeten die Volksmenge, Barabbas zu fordern und Jesus umzubringen. Pilatus fragte erneut: „Welchen von den beiden wollt ihr, dass ich euch losgebe?“ Sie antworteten: „Barabbas!“
Pilatus fragte: „Was soll ich denn mit Jesus tun, der Christus genannt wird?“ Alle riefen: „Er soll gekreuzigt werden!“ Pilatus erwiderte: „Was hat er denn Böses getan?“ Doch sie schrien noch lauter: „Er soll gekreuzigt werden!“
Als Pilatus sah, dass er nichts ausrichten konnte und ein Tumult entstand, nahm er Wasser, wusch seine Hände vor der Volksmenge und erklärte: „Ich bin schuldlos an dem Blut dieses Gerechten, seht ihr zu!“ Das ganze Volk antwortete: „Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder!“
Dann ließ Pilatus ihnen Barabbas frei. Jesus ließ er geißeln und überlieferte ihn, damit er gekreuzigt werde.
Wir haben gesehen, wie der Herr Jesus durch drei Prozessphasen des jüdischen Gerichts hindurchgezogen wurde. Es war ein kurzer Prozess.
Dann haben wir in Matthäus 27,2 gesehen, dass Jesus gleich nach der Urteilsverkündigung im Sanhedrin abgeführt und Pontius Pilatus, dem Statthalter, übergeben wurde. Vers 2 lautet: „Und nachdem sie ihn gebunden hatten, führten sie ihn weg und überlieferten ihn dem Statthalter Pilatus.“
Der Prozess vor dem Sanhedrin, der in Matthäus 27,1 beschrieben wird („Als die Sonne aufgegangen war“), fand in der sogenannten Königs-Säulen-Halle im Tempel statt. Diese südliche, gigantische Halle befand sich am Südende des Tempelplatzes, dort, wo heute die Al-Aqsa-Moschee steht.
Der direkte Weg vom Tempel zu Pontius Pilatus, der seinen Sitz beim heutigen Jaffator in der Altstadt von Jerusalem hatte, führte über eine Brücke von der Westmauer des Tempels. Diese Brücke ist heute noch teilweise zugänglich.
Sie war ideal, um Jesus zum Prätorium zu führen – und zwar völlig abseits von möglichen Volksmengen, ganz diskret.
Ab Vers 11 beginnt nun der Prozess vor Pilatus.
Frage: Warum übergeben die jüdischen Führer Jesus Christus an Pontius Pilatus? Warum vollstrecken sie die Todesstrafe nicht selbst?
Sie durften es nicht. Aber warum?
Um das Jahr sechs nach Christus wurde Judäa eine Provinz unter der Aufsicht eines römischen Statthalters. Dies geschah, nachdem Archelaus, ein Sohn von Herodes dem Großen, dem Kindermörder, von den Römern abgesetzt wurde.
Von diesem Zeitpunkt an war das Recht zur Vollstreckung der Todesstrafe den jüdischen Führern entzogen. Deshalb lesen wir im Johannesevangelium, dass die jüdischen Führer zu Pilatus sagen, sie könnten die Todesstrafe nicht selbst ausführen.
Das war der Grund, warum sie Jesus an die Römer übergeben mussten.
Das bedeutet auch: Wäre Jesus Christus vor dem Jahr sechs nach Christus aufgetreten, wäre Psalm 22 nicht in Erfüllung gegangen. Denn dort wurde vorausgesagt, dass der Messias an Händen und Füßen durchbohrt werden sollte.
Psalm 22 beschreibt David bereits über tausend Jahre zuvor, also im elften Jahrhundert vor Christus, den Tod des Messias. Viele Details haben sich dabei wörtlich erfüllt.
So lesen wir in Psalm 22, Vers 17: „Denn Hunde haben mich umgeben, eine Rotte von Übeltätern hat mich umzingelt, sie haben meine Hände und meine Füße durchgraben.“
Die Erwähnung von durchbohrten Händen und Füßen ist besonders bemerkenswert. Im Judentum hätte man den Herrn Jesus gesteinigt. In diesem Fall wäre die Erfüllung dieser Prophezeiung nicht möglich gewesen.
Aus weltgeschichtlicher Sicht musste es daher zu einer Veränderung kommen. Die Römer eroberten Israel im Jahr 63 v. Chr. Ab dem Jahr 6 nach Christus wurde Judäa in eine römische Provinz verwandelt, die unter der Aufsicht eines Statthalters stand.
Dies war die Voraussetzung dafür, dass der Sanhedrin seine Todesstrafe den Römern überlassen musste. So wurde der Herr Jesus schließlich gekreuzigt.
Und vielleicht noch ein Detail in Psalm 22, wenn wir schon dabei sind: Wie werden die Feinde in Vers 17 im Zusammenhang mit der Durchbohrung genannt? Dort sind es Hunde, und Hunde sind keine koscheren Tiere.
In Psalm 22 werden aber auch Menschen mit koscheren Tieren verglichen. Lies einmal Vers 13: „Viele Stiere haben mich umgeben, starke Stiere von Baschan haben mich umringt. Sie haben ihr Maul gegen mich aufgesperrt, wie ein Löwe reißend und brüllend.“
Wir haben also Feinde, die als Stiere bezeichnet werden. Dann wird ein brüllender Löwe erwähnt und Hunde.
Aus Apostelgeschichte 10 kennen wir die Geschichte von Petrus, der in einer Vision unreine Tiere sah, die er essen sollte. Später wird erklärt, dass diese unreinen Tiere ein Bild für Heiden, also Nichtjuden, sind. Folglich sind die reinen, koscheren Tiere in der Bibel ein Bild für Juden.
In Psalm 22 haben wir also Stiere von Baschan, gewaltige Stiere von Baschan, die den Herrn als Feinde umringen. Das sind die jüdischen Führer. Die Durchbohrung wird jedoch nicht den Stieren, sondern den Hunden zugewiesen.
So haben die Römer den Herrn gekreuzigt, aber die jüdischen Führer haben ihn zum Tod verurteilt. Hinter all dem stand der brüllende Löwe.
Der Ausdruck „brüllender Löwe“ wird wörtlich aufgegriffen in 1. Petrus 5,8, wo es heißt: „Der Teufel geht umher wie ein brüllender Löwe.“ Das ist ein Zitat aus Psalm 22. Hinter all diesen Feinden stand also der Satan.
Ja, jetzt gehen wir zurück zu Matthäus 27. Dort sehen wir in einem Vers die Frage: Bist du der König der Juden?
Was war die Anklage, die gegen ihn vor Pilatus erhoben wurde? Diese wird hier nicht so deutlich genannt, aber sie wird eigentlich vorausgesetzt. Schlagen wir kurz die Parallelstelle in Lukas auf, dort finden wir vier Anklagepunkte.
Lukas 23,2: "Sie fingen aber an, ihn zu verklagen und sagten: Diesen haben wir befunden als einen, der unsere Nation verführt und sie davon abhält, dem Kaiser Steuer zu geben, indem er sagt, dass er selbst Christus, ein König, sei."
Pilatus fragte ihn: "Bist du der König der Juden?" Er antwortete: "Du sagst es." Pilatus sprach zu den hohen Priestern und den Volksmengen: "Ich finde keine Schuld an diesem Menschen." Sie bestanden jedoch darauf und sagten: "Er wiegelt das Volk auf und lehrt durch ganz Judäa hin, angefangen von Galiläa bis hierher."
Also gibt es vier Anklagepunkte:
Erstens, er verführt unsere Nation – ein gefährlicher Volksverführer. Angeblich, weil er den Juden sagt, sie sollen den Römern keine Steuern zahlen. Für die Römer war das eine relevante Anklage.
Vor dem Sanhedrin war der Anklagepunkt, der zur Todesstrafe führen sollte, ein anderer. Dort wurde nichts gesagt von "Er will nicht, dass man den Römern Steuern bezahlt." Das Volk umwiegeln, ja, aber was haben sie vor dem Sanhedrin gesagt? Das sagen sie jetzt Pilatus, nicht wahr? "Er wiegelt auf."
Vor dem Sanhedrin, das haben wir im letzten Mal gesehen, in Kapitel 26, wurde Jesus vom Hohen Priester unter Eid gefragt, ob er der Messias, der Sohn Gottes sei. Er hat es bejaht. Das war in Vers 63 und 64: Er sagte "Du hast es gesagt", also "Jawohl, das bedeutet Ja." Dann sagte er: "Von jetzt an werdet ihr den Sohn des Menschen zur Rechten der Macht sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen."
Der Hohe Priester zerriss daraufhin seine Kleider und sprach: "Er hat gelästert." Jesus wurde also der Gotteslästerung angeklagt.
Wir haben beim letzten Mal auch gesehen, dass der Talmud beziehungsweise die jüdische Tradition sagt, die Anklage der Lästerung sei nur zulässig, wenn der Name Yahweh ausgesprochen wird und nicht ein Ersatzname.
Aber das war das Argument: Er hat Gott gelästert, weil er gesagt hat, er sei der Sohn Gottes. Für die Römer war das jedoch völlig bedeutungslos und egal.
Darum: Die jüdischen Führer verurteilten ihn wegen Lästerung, gingen dann aber zu Pilatus und sagten etwas ganz anderes.
Erstens, er habe das Volk verführt. Zweitens, er habe gesagt, man solle den Römern keine Steuern zahlen. Das war für die Römer relevant, denn das bedeutete Rebellion gegen die römische Herrschaft.
Wir wissen aber genau, dass an diesem Dienstag vor Karfreitag, den wir ausführlich angeschaut haben, die Frage gestellt wurde: Darf man dem Kaiser Steuern zahlen oder nicht? Jesus antwortete: "Gebt mir eine Münze." Man gab ihm einen Dinar mit dem Bild des Kaisers. Jesus fragte: "Wessen Bild ist das?" – "Des Kaisers." Er sagte: "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist." Damit konnte niemand weiter argumentieren.
Jetzt wird hier behauptet, er würde gegen das Steuernzahlen reden, was eine reine Lüge war.
Drittens die Anklage: Er sagt, dass er Christus, ein König, sei. Das war für die Römer relevant, denn jeder konnte sagen, er sei der Messias. Aber hier wird gesagt, der Messias sei ein König. Damit war er eine Gegenmacht gegen den Kaiser und stellte die Autorität des Kaisers in Frage. Jemand, der sich zum König macht, ohne von den Römern genehmigt worden zu sein, war eine Bedrohung.
Viertens: Er wiegelt das Volk auf (Lukas 23,5), indem er durch ganz Judäa lehrt.
Für die Römer war relevant, dass er das Volk zum Aufstand aufwiegelte.
Das waren alle relevante Anklagepunkte für die Römer – aber jeder einzelne war eine Lüge.
Ich habe noch eine Frage zu Jesus.
Jesus nimmt im Prozess den Namen Gottes nicht als Grund für eine Anklage. Er bestätigt, dass Herr Nürnberg eigentlich keinen Gesetzesbruch begangen hat. Wir haben ja beim letzten Mal, als wir den Prozess studiert haben, beziehungsweise vorletztes Mal, gesehen, dass die jüdischen Richter mehr als zwanzig Gesetze in diesem Prozess gebrochen haben.
Ein Gesetz, das sie gebrochen haben, war die Behauptung, jemand habe gelästert, ohne dass der Name Yahweh ausgesprochen wurde. Das war nicht relevant. Jesus hat eben nicht „Jahwe“ gesagt, sondern ein hebräisches Wort, „Gevura“, das als Ersatzname für „Jahwe“ verwendet wurde. Nach jüdischem Recht wäre das jedoch nicht relevant für die Todesstrafe gewesen.
Ist das so klar? Gut. Aber genau so argumentieren sie nicht. Stattdessen argumentieren sie bei den Römern ganz anders. Sie behaupten, die Römer seien wirklich aufgeschreckt. Das wird hier zusammengefasst.
Bei Lukas wird gesagt, sie behaupteten, Jesus sage, er sei ein König. Nun sind wir schon einen Schritt weiter, hier in Vers elf von Matthäus 27. Der Statthalter fragt ihn: „Bist du der König der Juden?“ Jetzt geht es um den Kern der Sache. Was sagt der Angeklagte zu diesem Punkt?
Jesus bestätigt es: „Du sagst es.“ Im Altgriechischen ist das die Art, eine Aussage zu betonen, also ein klares „Jawohl, so ist es“. Das ist nicht wie im Deutschen, wo man sagen kann „das sagst du“, um zu zeigen, dass man etwas nicht meint. „Du sagst es“ ist im Griechischen eine Bestätigung.
Wer das nicht glaubt, kann es in der Standardgrammatik von Blas de Brunner nachschauen, dort wird das schön erklärt. Jesus bestätigt also, dass er ein König ist.
Aber das war dennoch nicht relevant. Warum nicht? Weil er erklärte, dass sein Reich nicht von dieser Welt sei (Johannes).
Ja, genau. In den Parallelstellen im Johannesevangelium erklärt Jesus, dass sein Reich nicht von dieser Welt ist. Können wir kurz nachschlagen? Wie? Johannes 18. Ja. Wir wollen es genau lesen, und zwar ab Vers 33:
Pilatus ging nun wieder hinein in das Prätorium, rief Jesus und sprach zu ihm: „Bist du der König der Juden?“
Jesus antwortete: „Sagst du dies von dir selbst aus, oder haben dir andere von mir gesagt?“
Pilatus antwortete: „Bin ich etwa ein Jude? Deine Nation und die hohen Priester haben dich mir überliefert. Was hast du getan?“
Jesus antwortete: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wenn mein Reich von dieser Welt wäre, so hätten meine Diener gekämpft, damit ich den Juden nicht überliefert würde. Jetzt aber ist mein Reich nicht von hier.“
Da sprach Pilatus zu ihm: „Also bist du noch ein König?“
Jesus antwortete: „Du sagst es, dass ich ein König bin. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis gebe. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme.“
Pilatus spricht zu ihm: „Was ist Wahrheit?“
Und als er dies gesagt hatte, ging er wieder zu den Juden hinaus und sprach zu ihnen: „Ich finde keinerlei Schuld an ihm. Es ist aber ein Brauch bei euch, dass ich euch an das Passa einen losgebe. Wollt ihr nun, dass ich euch den König der Juden losgebe?“
Da schrien wieder alle und sagten: „Nicht diesen, sondern den Barabbas!“
Barabbas aber war ein Räuber.
Danke. Also sagt Jesus: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ und erklärt, dass seine Diener nicht kämpfen. Damit war die Sache erledigt. Pilatus war klar, dass Jesus ein König der Juden ist, aber er setzt kein Königreich gegen die römische Macht durch.
Ganz wichtig ist das Wort „jetzt“ in Vers 36: „Jetzt aber ist mein Reich nicht von hier.“ Der Herr Jesus kam in diese Welt und begann mit etwa dreißig Jahren zu predigen. In Matthäus 4 lesen wir, was er gesagt hat. Wir können kurz nachschlagen, denn dort wird seine Predigt kurz zusammengefasst:
Ab Kapitel 4, Vers 17: „Von da an begann Jesus zu predigen und zu sagen: Tut Buße, denn das Reich der Himmel ist nahegekommen.“
Jawohl, Reich – „Basileia“ – bedeutet eigentlich Königreich, ähnlich wie im Englischen „Kingdom“. Das Wort „King“ steckt darin, „Basileia“ kommt von „Basileus“, was König bedeutet. Im Deutschen ist „Reich“ manchmal ein wenig schwach; „Königreich“ wäre noch klarer. Also: Das Königreich der Himmel ist nahegekommen.
„Himmel“ ist hier übrigens auch wieder ein Ersatzwort für Yahweh. Die Rabbiner haben nicht nur „Quora Macht“ oder „Memra“ als Ersatznamen für Yahweh verwendet, wie in Johannes 1,1 am Anfang („Im Anfang war das Wort“), sondern auch „Schamayim“ – Himmel. Der verlorene Sohn in Lukas 15 sagt: „Ich will dem Vater sagen: Ich habe gesündigt vor dem Himmel und gegen dich, gegen den Himmel.“ Damit meint er Yahweh.
Also: Das Königreich Yahwehs ist nahegekommen. Jesus wäre bereit gewesen, das messianische Königreich aufzurichten, wenn sein Volk ihn mit Buße, also mit einer radikalen Umkehr von der Sünde, empfangen hätte. Aber wir haben gesehen, indem wir das Matthäusevangelium über lange Zeit studiert haben, Kapitel für Kapitel, dass die Masse des Volkes ihn als Messias abgelehnt hatte.
Darum hat der Herr dieses Reich nicht hier auf der Erde aufgerichtet. Deshalb sagte Jesus in Johannes 18: „Jetzt ist mein Reich nicht von dieser Welt.“ Das ist ganz wichtig, weil die Vertreter der sogenannten Bundestheologie – das sind die Leute, die sagen, das Reich Gottes müsse man nicht wörtlich verstehen als ein Königreich, und dass es kein wirkliches tausendjähriges Friedensreich auf dieser Erde geben wird, sondern alles übertragen zu verstehen sei – darauf verweisen, dass Jesus sagt: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ Sie sagen also, man müsse nicht mit einem tausendjährigen Friedensreich hier auf der Erde rechnen.
Doch, das kommt – aber es hängt davon ab, zu welcher Zeit. Jesus sagt: „Jetzt nicht.“ Das spricht er als der verworfene König. Aber er wird wiederkommen auf den Wolken des Himmels als der Sohn des Menschen. Das hat der Hohepriester angedeutet. Das war eine Anspielung auf Daniel 7,12-13, wo der Menschensohn auf den Wolken des Himmels kommt und dann ein Reich über alle Nationen der Welt aufrichtet.
Jetzt ist das aber noch nicht so, und Pilatus hat es gar nicht verstanden. Jesus macht keinen Aufstand gegen Rom. Darum fand die Anklage bei ihm kein Gehör.
Jetzt gehen wir zurück zu Matthäus 27. Der Herr betont: Ja, er ist ein König, aber nicht ein König, vor dem das römische Reich jetzt Angst haben müsste, dass es bald zusammenbrechen wird.
Dann lesen wir Vers zwölf nochmals in Matthäus 27.
Als er von den Hohenpriestern und den Ältesten angeklagt wurde, antwortete er nichts. Ja, da erfüllt sich wieder Jesaja 53, dass der Herr Jesus wie ein Lamm stumm ist vor seinen Scheren und ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, stumm ist. Er spricht nicht. Wir haben das gesehen, auch schon bei einem jüdischen Prozess hat er geschwiegen.
Warum? Weil das Urteil schon gefällt war, bevor der Prozess durchgeführt wurde. Es war also ein ungerechter Prozess, bei dem klar war, dass die Todesstrafe herauskommen musste. Da war es gar nicht mehr nötig, zu sprechen.
Zu früheren Gelegenheiten hat der Herr immer gesprochen. Er hat immer wieder Antwort gegeben, aber hier nicht mehr, weil es klar war.
Aber warum antwortet er jetzt vor Pilatus nicht? Nun, gegenüber Pilatus hat er doch Antwort gegeben: „Du sagst es, jawohl, ich bin ein König.“
Auf die Anklage der führenden Priester und Ältesten antwortet er jedoch nichts. Pilatus ist völlig verwundert.
Der Herr Jesus wusste, dass es gar nichts nützt. Pilatus hat die ganze Sache durchschaut. Welcher Vers macht das ganz klar? Vers 18, Christian: „Denn er wusste, dass sie ihn aus Neid überliefert hatten.“
Für ihn war es klar, dass alle Anklagepunkte nicht relevant sind. Das ist pure Bosheit.
Der Herr argumentiert nicht, weil er genau wusste: Ich muss gar nicht argumentieren. Pilatus weiß, was Sache ist, und die anderen klagen ihn aus purer Bosheit an.
Und dann kommt die Sache mit Barabbas. Die Römer wollten sich immer wieder mal ein bisschen gnädig gegenüber ihren unterworfenen Völkern zeigen. Es war ein hartes Regime.
Ich erinnere mich an etwa sechseinhalb Jahre Lateinunterricht, in denen uns vermittelt werden sollte, welche phantastische Hochkultur vor zweitausend Jahren in Europa bestand – das Römische Reich. Erst später wurde mir richtig bewusst, wie verdorben und voller Ungerechtigkeit sogar die römische Gerichtsbarkeit war und wie grausam und unbarmherzig diese Macht regierte.
Zwischendurch wollten sie aber ein Gnadenzeichen setzen und eine Begnadigung aussprechen. Das war im Römischen Reich ganz üblich und auch außerhalb der Bibel bekannt. Hier heißt es, dass zu jedem Fest ein Gefangener unverdienterweise freigelassen wurde.
Zur Debatte stand ein berüchtigter Gefangener namens Barabbas. In Lukas 23,19 wird erklärt, warum er so berüchtigt war. Schauen wir kurz nach: Lukas 23,19 sagt, dass Barabbas wegen eines Aufruhrs, der in der Stadt geschehen war, und wegen Mordes ins Gefängnis geworfen wurde.
Er war also jemand, der wirklich für Aufstand und Revolution gesorgt hatte und ein Mörder war. Unglaublich, dass er jetzt quasi als Alternative vorgestellt wird. Das jüdische Volk, das vor Pilatus stand – und damit nicht das ganze jüdische Volk – konnte wählen: Barabbas oder Jesus.
Die führenden Priester, die Ältesten, also die Richter des Sanhedrins, überredeten die Volksmenge, diesen Aufrührer und Mörder freizubekommen. Unglaublich: Sie klagen jemanden wegen Aufruhr an, weil Aufruhr als besonders schlimm gilt. Doch derjenige, der den Aufruhr nicht gemacht hat, wird abgelehnt, während der wirkliche Aufrührer gefordert wird, gnädigerweise und unverdienterweise freigesprochen zu werden.
Das zeigt die ganze Verdrehtheit der Sache.
Und jetzt kommt noch etwas dazu: Bar Abbas – was bedeutet der Name? Wie hat er „Kanonen geschossen“?
Bar Abbas – „Bar“ ist ein Wort im Hebräischen und im Aramäischen für „Sohn“. Man kennt auch das Wort „Ben“. Im Hebräischen gibt es beide Wörter, Bar und Ben. „Abbas“ hat nichts mit den Palästinensern zu tun.
Man könnte einwenden: „Abba“ heißt doch Papa, warum dann „Abbas“?
Das Matthäusevangelium ist griechisch geschrieben, daher werden die Namen so ausgesprochen, wie es im Griechischen üblich ist. So steht der Name des Messias, Jeschua, im Matthäus-Evangelium nicht als Jeshua, sondern immer als Jesus. Denn die griechische Aussprache von Jeschua ist Jesus.
Manche Leute meinen, sie seien genauer an der Bibel und der Wahrheit, wenn sie nicht mehr „Jesus“ sagen, sondern „Jeschua“. Das ist aber überhaupt nicht so. Das Neue Testament ist auf Griechisch geschrieben, und dort heißt es eben Jesus. Natürlich sage ich in Israel „Jeschua“, denn auf Hebräisch sagt man so. Aber in der Schweiz sagt man „Jesus“.
Das ist also die griechische Aussprache. Im Griechischen gibt es keinen „Sch“-Laut, deshalb kann man „Jeschua“ nicht so schreiben. Das kann man testen, wenn man Griechen, die nicht so gut Deutsch können, fragt: „Liebst du Fisch?“ Sie haben Mühe mit „Fisch“, aber „Fiss“ geht besser.
Im Griechischen setzt man den Laut ein, der am nächsten kommt, nämlich das „S“. Deshalb heißt es Jesu. Und warum dann ein „S“ am Ende? Weil Männernamen im Griechischen männlich klingen, wenn sie auf „S“ enden. Deshalb sagt man nicht „Jeremia“, sondern „Jeremias“, nicht „Jesaja“ (oder „Jeschaja“), sondern „Jesajas“, nicht „Mose“, sondern „Moses“ – und deshalb auch „Jesus“.
Es ist also genau dasselbe wie Jeschua. Man ist nicht biblischer, wenn man Jeschua statt Jesus sagt. Man kann es so oder so sagen. In Italien sage ich „Gesù“ und in Südamerika „Jesus“, entsprechend der Lautung der jeweiligen Sprache.
Bei Bar Abbas ist es also „Bar Abba“, Sohn des Vaters. Weil es in griechischen Ohren männlich klingen muss, wird noch ein „S“ angehängt: Barabbas. Aber es ist wirklich das Wort „Abba“.
So hat der Herr Jesus Gott den Vater genannt, zum Beispiel in Gethsemane, und zwar in Markus 14,35-36: „Und er sprach: Abba, Vater, alles ist dir möglich, nimm diesen Kelch von mir weg; doch nicht, was ich will, sondern was du willst.“
Dort sehen wir, wie der Herr Jesus gebetet hat – das ist vor dem Hintergrund des Judentums unglaublich. Die Rabbiner haben gesagt, man solle Gott nicht „Abba“ nennen beim Beten, weil es zu nahe sei.
„Abba“ ist eben die Art, wie Kinder ihren Vater nennen, was die Herzensbeziehung ausdrückt. Im Deutschen wäre das „Papa“ und nicht einfach „Vater“.
Bei unserem ältesten Sohn ist mir das besonders aufgefallen: Er war noch klein, und wenn er von mir sprach, draußen zu den anderen Kindern, hätte er sicher nicht gesagt: „Mein Papa hat gesagt.“ Das wäre zu nahe gewesen. Natürlich sagte er: „Mein Vater hat gesagt.“ Aber zu Hause sagte er „Papa“. Das ist wirklich ein Unterschied.
Darum haben die Rabbiner gesagt, man darf Gott Vater nennen, also darf man beten „Avinu shebashamayim“ – so steht es auch in den Gebetsbüchern des Judentums: „Unser Vater, der du bist in den Himmeln.“
In der Bergpredigt (Matthäus 6) zeigt der Herr Jesus, wie man beten soll, und zwar im Rahmen des Judentums, wie es damals üblich war. Aber der Herr Jesus hat Gott eben „Abba“ genannt.
Das Erstaunliche ist: Die Gläubigen in der heutigen Zeit dürfen Gott auch so nennen. Römer 8,15-16 sagt: „Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, wieder zur Furcht, sondern einen Geist der Sohnschaft habt ihr empfangen, indem wir rufen: Abba, Vater! Der Geist selbst zeugt zusammen mit unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind.“
Da wird also tatsächlich gesagt, dass die Gläubigen der heutigen Gemeinde Gott genauso nennen dürfen, wie der Herr Jesus den Vater genannt hat: Abba.
Das ist eine Nähe, die man im Judentum nicht kennt. Man kann das vergleichen: Im Judentum kannte man Gott als den verborgenen Gott hinter dem Scheidevorhang des Allerheiligsten.
Aber wir werden noch sehen, dass in Matthäus 27, im Moment des Todes des Herrn Jesus, der Vorhang des Tempels von oben nach unten zerrissen wurde. Das zeigt, dass jetzt der Zugang zur unmittelbaren Nähe Gottes offen ist.
Darum sagt auch Hebräer 10,19: „So lasst uns nun mit Freimütigkeit herzutreten durch den Vorhang hindurch in die Gegenwart Gottes!“
Wir haben also eine Nähe zu Gott seit dem zerrissenen Vorhang, die es vorher nicht gab. Aber der Herr Jesus hatte diese Nähe von Ewigkeit her – als der ewige Sohn.
Übrigens könnte man fragen: Warum übersetzt man dann nicht einfach „Papa“ in der deutschen Bibel? Der Grund ist folgender: Wir müssen uns vorstellen, dass der Römerbrief in Rom gelesen wurde. In welcher Sprache? Nein, nicht in Latein, sondern in Griechisch. Die Römer in Rom konnten Griechisch als Zweitsprache. Im Osten des Reiches war Griechisch sogar die erste Sprache. Man kam eigentlich im ganzen Mittelmeerraum mit Griechisch durch – außer in Spanien. Dort sprach man nicht Spanisch, sondern Latein. Spanisch gab es damals noch nicht, es entstand erst später aus dem Latein.
Es war also so, dass man damit rechnen konnte, wenn in Rom der Römerbrief auf Griechisch vorgelesen wurde, dass die Zuhörer es als Zweitsprache verstanden. In Römer 8 sagt Paulus: Wir sagen „Aba, Vater“. Dort steht „Pater“, das ist das griechische Wort für Vater, und „Abba“ ist hebräisch-aramäisch. Im Hebräischen und Aramäischen sagt man „Abba“. Paulus verwendet also eine Fremdsprache, die noch fremder ist als Griechisch, die Zweitsprache.
Warum sagt er nicht zum Beispiel im Griechischen „Patridion“? Das ist vergleichbar mit dem russischen „Papuschka“ – Väterchen. Das wäre nicht würdig gewesen für Gott. Es geht also nicht um irgendeine Kosebezeichnung für Vater. Es wurde so geschrieben, damit die römischen Christen es verstehen, und eben nicht „Patridion“ zum Beispiel. Damit wird ausgedrückt: Wir haben eine solche Nähe zu Gott. Trotzdem geschieht es nicht so, wie es in manchen Kreisen heute vorkommt, wo sie sagen „Daddy da oben“. Das geht gar nicht. Oft ist das mit einer fehlenden Ehrfurcht verbunden.
Ich sage oft, ich will mich vorsichtig ausdrücken und nicht ungerecht urteilen, aber man muss sich bewusst werden: Wenn diese Ehrfurcht fehlt, dann geht das nicht. Trotzdem haben wir diese unglaubliche Nähe und das Vertrauen, das wir haben dürfen. Darum dürfen wir sagen: „Abba, Vater!“
Die Stelle in Galater zeigt diese Sohnschaft in Verbindung mit dem Namen „Abba“. Ja, hier heißt es auch, dass wir den Geist der Sohnschaft empfangen haben, genau wie in Galater 4. Das wird nochmals unterstrichen mit „Abba, Vater“, weil wir den Geist der Sohnschaft empfangen haben.
Es gibt noch etwas: Warum steht beides, „Abba“ und „Vater“? Das ist das, was mein ältester Sohn den anderen gesagt hat. Er hätte nicht gesagt „Mein Papa hat gesagt“, sondern „Mein Pater hat gesagt“. Er hat also „Pater“ gesagt. Das ist die Vaterbeziehung, die auch mit einer Einsicht verbunden ist.
„Abba“ ist die Vaterbeziehung, die ganz stark mit Gefühlen und Emotionen verbunden ist. Beides braucht es. Wir haben als Kinder Gottes eine Beziehung zum Vater, die unsere ganzen Emotionen und Gefühle beinhaltet, aber auch unsere Einsicht in diese Beziehung. Die Einsicht, dass Jesus der ewige Sohn ist, von Ewigkeit her, und so in Gemeinschaft mit dem Vater war.
Er kam in diese Welt und hat diese Beziehung für uns geöffnet, indem er durch das Kreuz das Allerheiligste geöffnet hat.
Wenn wir also zurückgehen zu Matthäus 27, dann hat das eine sehr besondere Bedeutung. Dort wird eine schreckliche Alternative dargestellt: Ein berüchtigter Gefangener, der ein Mörder und Revolutionär war, trägt den Namen Bar Abba, was „Sohn des Vaters“ bedeutet. Jesus wird ebenfalls als „Sohn des Vaters“ bezeichnet. Normalerweise wird er als „Sohn Gottes“ genannt, aber hier wird auch der Ausdruck „Sohn des Vaters“ verwendet.
Johannes schreibt in einem Brief an eine Frau und ihre Kinder. Er sagt dort in 2. Johannes 3: „Mit uns wird seine Gnade, mit uns wird seine Barmherzigkeit und Friede von Gott, dem Vater, und von Jesus Christus, dem Sohn des Vaters, in Wahrheit und Liebe.“ Diesen Ausdruck sollte man wirklich genießen. Er kommt nur einmal vor: „der Sohn des Vaters“. Das beinhaltet sehr viel.
Ich war gerade in Johannes 17, im Gebet des Herrn Jesus am Vorabend der Kreuzigung. Dort betet er ausdrücklich zum Vater. Er sagt: „Verherrliche mich mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.“ (Johannes 17) Wichtig ist, dass der Herr Jesus nicht einfach zu Gott betet, was eine gewisse Distanz ausdrücken würde, sondern zum Vater.
Wir lesen in Johannes 17, Vers 1: „Dies redete Jesus und hob seine Augen auf zum Himmel und sprach: ‚Vater, die Stunde ist gekommen. Verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrliche.‘“ Das Gebet beginnt also mit „Vater, die Stunde ist gekommen“. In Vers 6 sagt er: „Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast.“ Welcher Name war das? Abba. Genau das, was sie zuvor nicht kannten. So durften sie ja nicht beten. Und genau das hat er ihnen mitgeteilt.
In Johannes 1, Vers 12 heißt es: „So viele aber ihn aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu sein, die an seinen Namen glauben.“ Sie wurden von neuem geboren, aus Gott geboren. Und nun lesen wir in Johannes 17, Vers 4 und 5: „Ich habe dich verherrlicht auf der Erde; das Werk habe ich vollbracht, das du mir gegeben hast, dass ich es tun sollte. Und nun verherrliche du mich, Vater, bei dir selbst mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.“
Das zeigt deutlich den ewigen Sohn, der in Beziehung zum Vater steht als Abba, Vater. Und in diese Beziehung sind wir hineingebracht worden.
Und jetzt folgt Pilatus die Alternative: Wen wollt ihr – Bar Abba, den Sohn des Vaters, des ewigen Vaters, oder Bar Abba, den Sohn des Teufels?
Jesus bezeichnet nämlich die Verlorenen als Kinder des Teufels. Wenn wir kurz in Johannes 8,44 nachschlagen, lesen wir: „Ihr seid aus dem Vater, dem Teufel, und die Begierden eures Vaters wollt ihr tun. Jener war ein Menschenmörder von Anfang an und stand nicht in der Wahrheit, weil keine Wahrheit in ihm ist.“
Also: Ihr seid aus dem Vater, dem Teufel, und dieser Mörder war ein Bar Abba – aber von dem Teufel. Und dieser wurde von der Masse gewählt. So etwas Grausames.
Doch wir sehen: Im Zusammenhang mit dem Kreuz wird die Bosheit des Menschen so deutlich, so offensichtlich und so eindeutig klar.
Und dann schenkt Gott noch Gnade. Eine Frau konnte in jener entscheidenden Nacht, in der der Herr Jesus überliefert und zum Tod verurteilt wurde, nicht gut schlafen. Sie hatte einen so unruhigen Schlaf und einen Traum, von dem sie wusste, dass er eine Bedeutung hatte.
Träume sind wichtig. Wir sind nachts oft verwirrt, damit wir am Tag wieder einigermaßen normal funktionieren können. Deshalb sagt das Buch Prediger, dass Träume durch viel Geschäftigkeit entstehen. Wir müssen das verarbeiten, es wird umgelagert, und deshalb gibt es manchmal auch Vermischungen und Verwirrungen.
In der Heilsgeschichte der Bibel sehen wir jedoch, dass Gott an ganz bestimmten Punkten durch Träume gesprochen hat. Im Matthäusevangelium war der erste Traum der von Joseph. Er war verlobt und fragte sich, wie das alles gehen sollte, denn er dachte, die Schwangerschaft von Maria müsse etwas Schlimmes sein. Er verstand es nicht und wollte sie heimlich verlassen. Doch ein Engel warnte ihn im Traum. Das war ein anderer Fall, eine schwere Situation, die schwer verständlich war.
Ich weiß, es gibt Leute, die meinen, Träume und Visionen seien dafür da, wenn man seinen Bleistift verloren hat, um ihn wiederzufinden. Nein, auch in biblischen Zeiten, als das Wort Gottes noch nicht abgeschlossen war, waren Träume nicht alltäglich.
Der Apostel Paulus hatte einen Traum in der heutigen Türkei. In Apostelgeschichte 16 sieht er jemanden, der mazedonisch gekleidet ist, also europäische Kleidung trägt. Der Mann sagt zu ihm: „Komme rüber und hilf uns!“ Am nächsten Morgen war Paulus noch nicht ganz sicher, was das bedeutete. Er besprach es mit seinen Freunden, auch mit Lukas, der ab diesem Zeitpunkt „wir“ sagt und Autor der Apostelgeschichte ist. Sie kamen zu dem Schluss, dass der Herr sie gerufen hatte. Daraufhin ging Paulus von Asien nach Europa.
Das war ein Traum, aber nicht irgendein Traum von einem verlorenen Bleistift, sondern der entscheidende Moment, als der Völkerapostel europäischen Boden betrat.
Auch in Hiob 33 muss man daran denken, dass Hiob im dritten Jahrtausend vor Christus lebte, also in einer Zeit, in der es noch keine Bibel gab. Dort sagt Elihu, dass Gott zu den Menschen durch Krankheit, Leiden, aber auch durch Träume spricht.
Wenn man das auf heute übertragen will, muss man sagen: Spricht Gott heute auch durch Träume? Üblicherweise nein. Der Apostel Paulus sagt in 2. Korinther 5,7: „Denn wir wandeln durch Glauben und nicht durch Schauen.“ Das ist der normale Grundsatz. Wir leben nicht durch Schauen, sondern durch Glauben – und zwar an das geschriebene Wort Gottes, das heute mit dem letzten Buch der Bibel, der Offenbarung, abgeschlossen ist.
Doch Gott sprach zu der Frau des Pilatus, und sie litt so sehr im Traum, dass sie eine Gesandtschaft zu ihrem Mann schickte. Dieser war damals schon um sechs Uhr morgens angezogen. Wir haben schon früher gesehen, dass in jener Nacht eine so große Sache geschah, dass die führenden Priester, der Sanhedrin, bereits Kontakt mit Pontius Pilatus aufgenommen hatten. Im Zusammenhang mit dem Verrat von Judas war schon klar: Sobald der Prozess vorbei ist, kommen sie sofort zu ihm.
Pilatus hatte auch die Erlaubnis gegeben, eine Spera, also eine Schar von römischen Soldaten – je nachdem mehrere hundert – die Verhaftung im Garten Gethsemane mit durchzuführen. Alles war abgesprochen, und deshalb war Pilatus um sechs Uhr morgens schon im Prätorium bereit.
Die Frau durfte noch ein wenig schlafen. Sie kam nicht selbst vorbei – ob sie schon angezogen war, ist unklar. Man muss sich das nicht genau vorstellen. Aber sie schickte eine Gesandtschaft und ließ ihrem Mann ausrichten: „Habe du nichts zu schaffen mit diesem Gerechten, denn viel habe ich heute, heute im Traum um seinetwillen gelitten.“
Sie merkte, dass dieser Prozess kein gewöhnlicher war. Gott warnte diese Heidin durch einen Traum – und sie hatte keine Bibel. Das ist schon eindrücklich.
An dieser Stelle machen wir nach der Pause weiter.
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