
Guten Abend, ich möchte alle herzlich begrüßen, besonders auch diejenigen, die über den Livestream zugeschaltet sind.
Wir kommen zu den letzten Versen in 1. Mose 50, der Josefsgeschichte. Wir lesen zunächst ab Kapitel 50, Vers 15 bis Vers 21. Darf ich bitten, Jerry?
„Als die Brüder Josefs sahen, dass ihr Vater gestorben war, sprachen sie: Wenn nun Joseph uns anfeindet und uns all das Böse vergelte, was wir ihm angetan haben.
Sie sandten zu Joseph und ließen ihm sagen: Dein Vater hat vor seinem Tod befohlen und gesagt: So sollt ihr zu Joseph sprechen: Ach, vergib doch die Übertretung deiner Brüder und ihre Sünde. Denn sie haben dir Böses angetan. Nun vergib doch die Übertretung der Knechte des Gottes deines Vaters!“
Und Josef weinte, als sie zu ihm redeten. Auch seine Brüder kamen und fielen vor ihm nieder. Sie sprachen: „Siehe, wir sind deine Knechte!“
Da sprach Josef zu ihnen: „Fürchtet euch nicht! Bin ich an Gottes Statt? Ihr hattet zwar Böses gegen mich im Sinn, aber Gott hatte es im Sinn, es zum Guten zu wenden, damit er tut, wie es an diesem Tag ist: ein großes Volk am Leben zu erhalten.
Und nun fürchtet euch nicht! Ich werde euch und eure Kinder versorgen.“
Er tröstete sie und redete zu ihren Herzen.
Das letzte Mal haben wir über das Unglaubliche gesprochen: die Bestattung von Vater Jakob, die ganz Ägypten in Bewegung setzte und sogar Auswirkungen bis nach Kanaan hatte. Es war wirklich etwas Grandioses.
In Ägypten wurde siebzig Tage lang getrauert. Die Ägypter beweinten Vater Jakob. Danach folgte eine riesige Delegation – eine Armee und Minister sowie die gesamte Verwandtschaft von Joseph – die nach Kanaan zur Teneatat zog. Dort fand eine weitere siebentägige Trauerfeier statt.
Anschließend wurde der Leichnam, die Mumie von Jakob, nach Hebron überführt. Dort wurde er in der Höhle Machpelah bestattet, die Abraham einst gekauft hatte. Erst danach kehrten alle gemeinsam von Kanaan nach Ägypten zurück.
Jetzt ist all das vorbei. In Vers 15 haben wir gelesen: Als die Brüder sahen, dass ihr Vater gestorben war... Vater Jakob durfte noch siebzehn Jahre in Ägypten leben und seinen Sohn Joseph noch einmal genießen. Er hatte viel wegen Joseph gelitten.
Doch es fand ein glückliches Ende: Vater Jakob erreichte den Höhepunkt seines Glaubenslebens und durfte dann in die Herrlichkeit eingehen.
Aber jetzt ändert sich plötzlich etwas im Verhältnis der Brüder zu Joseph. Plötzlich haben sie Angst, dass Joseph ihnen all das Böse, das sie ihm angetan hatten – und das war wirklich schrecklich – doch noch irgendwie vergelten könnte.
Doch haben sie Joseph gar nicht wirklich kennengelernt? Wie kommt es, dass nach 17 Jahren Zweifel aufkommen, ob diese Vergebung wirklich vollständig ist?
Wir erinnern uns: Wir gehen kurz zurück zu dem gewaltigen Moment nach einer dramatischen Vorgeschichte. Joseph, der scheinbar harte Mann und oberste Minister des Pharao in Ägypten, gibt sich seinen Brüdern zu erkennen. Er wusste, wer die Brüder waren, doch sie wussten nicht, wer er war.
Joseph sprach nur über Dolmetscher mit ihnen. Er sprach Altägyptisch, die Brüder Hebräisch, und es wurde übersetzt. Doch Joseph verstand alles.
Dann kam dieser berührende, bewegende und aufwühlende Moment. Im Kapitel 45 lesen wir:
Joseph konnte sich vor allen, die um ihn standen, nicht mehr beherrschen. Er rief: "Lasst jedermann von mir hinausgehen!" Und es war niemand bei ihm, als Joseph sich seinen Brüdern zu erkennen gab.
Er erhob seine Stimme mit Weinen. Die Ägypter hörten es, und das Haus des Pharaos hörte es ebenfalls. Joseph sprach zu seinen Brüdern: "Ich bin Joseph! Lebt mein Vater noch?"
Seine Brüder konnten ihm nicht antworten, denn sie waren bestürzt vor ihm. Da sprach Joseph zu seinen Brüdern: "Tretet doch zu mir her!" Sie traten herzu, und er sagte: "Ich bin Joseph, euer Bruder. Nun betrübt euch nicht und zürnt nicht über euch selbst, dass ihr mich hierher verkauft habt. Denn zur Erhaltung des Lebens hat Gott mich vor euch hergesandt."
"Schon zwei Jahre ist die Hungersnot im Land, und noch sind fünf Jahre, in denen es weder Pflügen noch Ernten geben wird. Gott hat mich vor euch hergesandt, um euch einen Überrest auf der Erde zu erhalten und euch am Leben zu erhalten für eine große Errettung."
(1. Mose 45)Danke, bis hierhin.
Wir sehen, dass Joseph sich innerlich nicht mehr zurückhalten kann und weint. Vor seinen Brüdern gibt er sich zu erkennen: „Ich bin Joseph.“ Auf Hebräisch sagt er: „Anni Joseph.“
In Vers 4, nachdem er sich in Vers 3 vorgestellt hat, sagt er nochmals: „Ich bin Joseph, euer Bruder.“ Die Brüder brechen daraufhin zusammen. Doch sie wissen, dass Joseph ihnen wirklich vergeben hat.
Wenn wir daran denken, dass die Josephsgeschichte viele Parallelen zu unserem Herrn Jesus enthält, ist es angebracht, hier eine Verbindung zu unserer Bekehrung zu ziehen. Der Moment, in dem wir mit unserer persönlichen Schuld zu Jesus kommen, ist entscheidend.
Dann dürfen wir erleben, dass Jesus kein harter Herr ist, wie es der böse Knecht in Matthäus 25 vorgibt. Dieser sagt: „Ich wusste, dass du ein harter Herr bist“, beziehungsweise beschreibt ihn als einen Herrn, der sich nimmt, was ihm nicht gehört. Doch Jesus ist anders.
Wir haben ihn als einen Herrn und Gott kennengelernt, der voller innigem Mitgefühl und Barmherzigkeit ist. Er hat unsere ganze Schuld erlassen. Dabei geht es nicht nur um die Schuld vom Anfang unseres Lebens bis zur Bekehrung, sondern er vergibt uns auch alle Schuld bis zum Lebensende.
Denn Jesus hat vor etwa 2000 Jahren am Kreuz alle unsere Schuld getragen – nicht nur einen Teil, sondern alles. Eine völlige Vergebung ist uns geschenkt.
Wir können dazu Kolosser 2,13 aufschlagen. Dort geht es um das Kreuz von Golgatha. In Kolosser 2,13 heißt es: „Und euch, als ihr tot wart in den Vergehungen und der Vorhaut eures Fleisches, hat er mitlebendig gemacht mit ihm, indem er uns alle Vergehungen vergeben hat.“
Hier wird deutlich, dass Jesus uns alle Vergehungen vergeben hat. Das griechische Wort ist ein Aorist, eine Zeitform, die eine in der Vergangenheit abgeschlossene Handlung beschreibt. Das bedeutet: Alle Vergehungen sind vergeben – das gesamte Leben ist darin enthalten. Alles ist vergeben.
Und wie kann es sein, dass man nach einiger Zeit im Glaubensleben plötzlich die Liebe des Herrn in Frage stellt und sich fragt, ob der Herr es wirklich gut mit einem meint oder nicht? Genau das war hier der Fall.
Wie hat Joseph darauf reagiert? Die Brüder schickten eine Delegation zu Joseph (1. Mose 50,16). Sie ließen ihm ausrichten: „Dein Vater hat vor seinem Tod befohlen und gesagt, so sollt ihr zu Joseph sprechen.“ Mit den zehn Brüdern fand also noch eine spezielle Unterhaltung statt. Jakob hatte gesagt: „Wenn ich nicht mehr da bin, geht bitte nochmals zu Joseph und bittet ihn um Vergebung.“
Aber war das wirklich nötig? Die Vergebung war bereits vollständig. Doch Vater Jakob wollte, dass sie sich noch einmal bewusst machen, wie schlimm das war, was sie Joseph angetan hatten. Sie sollten ihm das noch einmal sagen, auch wenn der Vater nicht mehr da ist.
Es ist sehr eindrücklich, was sie sagen: „Ach, vergib doch!“ Im Hebräischen heißt das „Anna, Sana, Anna“. Ursprünglich sind das drei Worte, die zusammengezogen wurden. „Ach na“ bedeutet „Ach bitte“, „Sa“ heißt „vergib, bitte“. Man kann es übersetzen mit „Ach bitte, vergib bitte die Übertretung deiner Brüder und ihrer Sünde, denn sie haben dir Böses angetan.“ Dann folgt noch einmal „Sa na“ – „vergib bitte“ oder „doch vergib“. Es ist wirklich ein flehentliches Bitten: „Vergib bitte die Übertretung der Knechte deines Vaters.“
Interessant ist, wie Josef darauf reagiert: Er weint zum siebten Mal in der Geschichte von Josef. Im Hebräischen ist das noch eindrücklicher beschrieben. Es heißt, Josef weinte „bedabram“, was so viel bedeutet wie „während sie noch sprachen“. Die Delegation war also noch am Reden, und schon brach Josef in Tränen aus.
Warum? Weil er sich fragt, wie es sein kann, dass man sein Herz so in Frage stellt. So ist es auch beim Herrn Jesus: Wenn man nach Jahren des Glaubenslebens plötzlich wieder zweifelt, ob der Herr es wirklich gut mit einem meint, dann muss er weinen.
Die Empfindungen des Herrn Jesus sind wirklich so. In Jesaja 63,9 lesen wir: „In all ihrer Bedrängnis war er bedrängt, und der Engel seines Angesichtes hatte sie gerettet. In seiner Liebe und in seinen Erbarmungen hat er sie erlöst, erhob sie empor und trug sie alle Tage der Uhrzeit.“
Hier wird der Herr so dargestellt, dass wenn wir als Gläubige in Bedrängnis sind, er sich selbst bedrängt fühlt. Er fühlt mit uns, als wäre er selbst in unserer Bedrängnis. Das zeigt uns das Herz des Herrn Jesus: „In all ihrer Bedrängnis war er bedrängt.“
Wenn wir an Hiob denken: In Jakobus 5 wird Hiob erwähnt und sein Leiden. Dort wird gesagt, wir sollen an das Ende der Hiobsgeschichte denken, um zu sehen, dass der Herr voll innigen Mitgefühls und barmherzig ist.
Hiob, in all seinem Leiden ein wahrer, treuer Gläubiger, hatte den Eindruck, dass Gott sich gegen ihn gewandt habe und nicht mehr so sei wie früher. Hiob war überzeugt, Gott sei sein Feind geworden. Trotzdem klammerte er sich an Gott. Er ging nicht vom Herrn weg und fiel niemals in seinem Glauben ab.
Er hatte jedoch den Eindruck, der Herr sei nicht mehr so, wie er einst mit ihm war. Selbst wenn der Herr sein Feind wäre, würde er sich dennoch an ihn halten. So war es. Hiob war sich jedoch nicht bewusst, dass der Herr in all seinem schrecklichen Leiden mit ihm litt und mitempfand.
Darum verstehen wir Joseph umso besser, wenn er hört, dass seine Brüder an seiner Liebe zweifeln, an seiner völligen Liebe zu ihnen, und dass sie seine echte und vollständige Vergebung bezweifeln. Da muss er weinen. Das ist bereits das siebte Mal.
Es ist schön zu sehen, dass man dabei ja gekränkt sein könnte, wenn man in seinen Qualitäten infrage gestellt wird. Das kränkt uns. Doch wie Joseph reagiert, ist so schön. In Vers 19 heißt es: „Er fürchtet euch nicht.“ Er denkt also gar nicht daran, dass er von seinen Brüdern verletzt worden ist. Stattdessen möchte er ihnen die Angst nehmen, die sie entwickelt haben – selbst nach siebzehn Jahren.
„Fürchtet euch nicht“, sagt er. So ist auch der Herr, und er sagt es oft in seinem Wort: „Fürchtet euch nicht“. Übrigens nicht 365 Mal, das ist ein Märchen, das immer wieder im Internet zu lesen ist. Vor kurzem war ich bei einer großen Veranstaltung der Gideons, wo jemand sein Zeugnis erzählte, wie er zum Glauben gekommen ist. Er sagte: „Der Herr sagt ja 365 Mal ‚Fürchtet euch nicht‘.“ Das ist ein Märchen.
Es gibt zwar viele ähnliche Ausdrücke wie „Fürchte dich nicht“ oder „Sei guten Mutes“, aber man kommt bei weitem nicht auf 365 Mal. Das brauchen wir auch nicht, denn wir können den gleichen Vers auch 365 Mal lesen oder jeden Tag über hundert Verse – oder einfach für uns nehmen. Das hängt nicht von der Anzahl ab.
Joseph sagt also: „Fürchtet euch nicht.“ Nochmals in Vers 21: „Fürchtet euch nicht“ – zweimal. Und schließlich am Schluss von Vers 21: „Und er tröstete sie und redete zu ihrem Herzen.“
Er denkt wirklich nicht an sich und seine Verletzung. Stattdessen gibt er sich Mühe, ihnen diese Sicherheit und Gewissheit der Vergebung zu vermitteln. So ist unser Herr.
Man fragt sich, ob die Brüder das erfunden haben, dass der Vater das gesagt hat. Ich habe einen Kommentar von einem ganz bekannten jüdischen Ausleger gelesen, der meinte, sie hätten gelogen, sie hätten das erfunden. Doch der Text gibt uns keinen Hinweis darauf, dass das gelogen war oder erfunden wurde. Es wird einfach so berichtet, und es zeigt auf jeden Fall, dass in ihren Herzen eine Verunsicherung vorhanden war, eine tiefe Verunsicherung.
Diese Verunsicherung wird dann durch die Reaktion von Joseph wirklich ausgelöscht. Er macht ihnen Mut, indem er sie tröstet. Noch mehr: Es wird sogar noch stärker gesagt, dass er zu ihrem Herzen redete. Dieser Ausdruck kommt einige Male in der Bibel vor, wenn es darum geht, jemandem wirklich nahe zu sein und ihn innerlich zu erreichen.
Zum Beispiel in Richter 19, Vers 3. Dort geht es um eine Frau, die untreu geworden war. Ihr Mann machte sich auf die Reise zu ihr nach Bethlehem, und es heißt, er redete zu ihrem Herzen. Er versuchte also, ihr Herz zu gewinnen und sie zurückzuholen. Das war nicht einfach so eine beiläufige Aufforderung wie: „Du weißt, du könntest ja wiederkommen, so schlecht hast du ja schließlich auch nicht gekocht“ oder etwas Ähnliches. Nein, er versuchte wirklich, ihr Herz zu erreichen und sie im Innersten zu gewinnen. Genau das meint „zum Herzen reden“.
Es gibt noch einige andere Stellen, wo dieser Ausdruck vorkommt. Zum Beispiel in Jesaja 40, Vers 2 – sehr dramatisch. Dort beginnt ein ganz neuer Teil in Jesaja, der vor allem die Botschaft von Trost für Israel enthält. Es heißt dort: „Tröstet, tröstet mein Volk!“ Die Menschen werden aufgerufen, Jerusalem zu sagen, dass alles vergeben ist. Es heißt dort: „Redet zum Herzen Jerusalems, dass ihre ganze Schuld weg ist.“
Zum Herzen reden heißt also wirklich, mit ganzer Seele und mit ganzen Emotionen jemanden für die Wahrheit zu gewinnen. In Jesaja 40 geht es um die Wahrheit der Vergebung. Und auch bei dem Mann in Richter 19 ging es um die Wahrheit der Vergebung, wenn er zum Herzen redete. Es bedeutet schlichtweg, bewegend und beeindruckend zu sprechen.
Und noch etwas, was Joseph in Vers 19 sagt: „Fürchtet euch nicht, denn bin ich an Gottes Statt?“ Damit macht er klar, dass es beim Thema Rache Gott vorbehalten ist. Die Rache gehört Gott. Genau so lesen wir es auch am Schluss von Römer 12, wo Gott sagt: „Mein ist die Rache.“ Wir sollen niemals vergelten oder uns rächen. Gott aber nimmt sich der Sache an und wird einmal für Gerechtigkeit sorgen – das wissen wir.
Wenn uns jemand Unrecht tut, ist es wichtig, dass wir ihm von Herzen sofort vergeben, auch bevor die Person kommt und das einsieht. Das ist die grundsätzliche Vergebung. Der Herr Jesus spricht ja in Lukas 16 darüber, wo jemand am gleichen Tag siebenmal kommt, um um Vergebung zu bitten. Und der Herr sagt jedes Mal: „Vergib ihm.“
Wenn jemand kommt und man dann vergibt, ist das eine zusätzliche Vergebung, bei der die Beziehung auch wieder repariert wird. Das ist nicht dasselbe. Man muss diese zwei Arten von Vergebung grundsätzlich unterscheiden: die Vergebung im Herzen, auch wenn die Sache nicht gut ist, und die Vergebung, bei der die Beziehung neu gemacht wird.
Ich habe das einmal sehr eindrücklich erlebt mit einer Person, wo ich dann sagen musste: „Seitdem ist das Verhältnis viel besser als je zuvor.“ Es war vorher gut, dann kam etwas Trauriges dazwischen, aber mit dieser Neuordnung wurde es besser als vorher. Ganz ähnlich wie der spätere Wein in Kana, der besser war als der erste Wein – ein Bild der natürlichen Freude.
So haben wir also hier Joseph, der sagt: „Wenn ich an Gottes Statt bin, ist Rache überhaupt nicht mein Thema. Das ist Gottes Sache.“ Dann erklärt er ihnen den Ratschluss Gottes: „Ihr hattet Böses gegen mich im Sinn, Gott aber hatte im Sinn, es gut zu machen, damit er täte, wie es an diesem Tag ist.“
Er erklärt ihnen also: Ihr habt wirklich böse gehandelt. Und das ist wichtig: Vergebung bedeutet nicht, dass man plötzlich das Böse bagatellisiert. Es ist auch wichtig, wenn man im Herzen jemandem vergibt, der es nicht eingesehen hat, dass man niemals sagt: „Ja, es war eigentlich gar nicht so schlimm.“ Nein, man darf anerkennen, was es war. Man muss es nicht beschönigen. Vergebung heißt nicht beschönigen, vergeben heißt vergeben, zudecken.
Er sagt hier: „Ja, ihr hattet wirklich den Plan, Böses zu tun.“ Und so ist es: Gott hat dieses Böse zugelassen. Gott lässt das Böse in dieser Welt in genau dem von ihm vorgegebenen Maß zu. So war es auch bei Hiob. Gott ließ in Hiob 1 und 2 Satan in einem bestimmten Spielraum wirklich Böses gegen Hiob ausüben.
Seinen ganzen Besitz zerstörte Satan, seine zehn Kinder wurden ausgelöscht – das war wirklich böse. Schließlich machte er Hiob auch noch krank mit Pest. Hiob hat so gelitten, Satan hat wirklich ein böses Werk an ihm getan. Doch Gottes Macht besteht darin, dass er das Böse in unserem Leben in Segen umwandeln kann.
Das heißt aber nicht, dass das Böse nicht so schlimm war, weil Gott es für etwas Gutes benutzt hat. Nein, das Böse bleibt so böse, wie es ist. Aber Gottes Macht besteht darin, dass er das Böse in Segen verwandeln kann.
Dazu schlagen wir doch Römer 8,28 auf. Dort heißt es: „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken, denen, die nach seinem Vorsatz berufen sind.“ Das ist ein unfassbarer Vers. Er macht klar, dass Gott alles in unserem Leben, selbst das Böse und Schlimme, zum Guten wirken lässt.
Das gilt für die Kinder Gottes, die hier genannt werden – die Gott lieben. Eine Illustration haben wir eben mit der Geschichte von Joseph: Gott konnte das Böse so umwandeln, dass dadurch die ganze Familie Jakobs und viele Menschen überleben konnten – nämlich ganz Ägypten und auch ganz Kanaan.
Und über Kanaan hinaus auch alle, die über die Kanaaniter hinaus nach Ägypten kamen, um Nahrung zu kaufen. So hat Gott das Böse umgewandelt.
Und was wir hier eigentlich haben, ist nichts anderes als das Rätsel von Simson. Wie lautet das Rätsel von Simson? Er hat es den Philistern gestellt: „Aus dem Fresser kommt Süßes.“ Aus dem Fresser kam Fraß, und aus dem Gewalttätigen Süßigkeit.
Schlagen wir doch auf: Das Rätsel von Simson müssen wir immer präsent haben. Es steht im Richterbuch, Kapitel 14. Nein, nicht sechzehn, sondern vierzehn. Dort gibt er ihnen ein Rätsel auf. In Richter 14, Vers 14 liest du: „Und es sprach zu ihnen: Aus dem Fresser kam Fraß, und aus dem Starken kam Süßigkeit.“
Ja, sie haben das nicht herausgefunden. Aber schließlich wurde durch Indiskretion – ja, es wurde verraten – und dann haben sie ihm das auch beantwortet. Nämlich in Vers 18: „Da sprachen die Männer der Stadt zu ihm am siebten Tag, ehe die Sonne unterging: Was ist süßer als Honig, und was ist stärker als der Löwe?“ Und er sprach zu ihnen: „Ja, das reicht, das ist die Antwort des Rätsels.“
Also, was bedeutet das genau? Kannst du das erklären, Jerry, oder jemand hilft dir? Ja, dass Gott viele krumme Wege der Menschen zu etwas Gutem machen kann und auch diese Wege, die krumm sind, wieder gerade macht.
Ja, es ist so: Der Fresser, das ist ein Kontrast. Aus dem Fresser kommt Fraß. Fraß – also normalerweise geht beim Fresser der Fraß rein, der kommt da nicht raus. Und der Starke beziehungsweise der Grausame – das bedeutet das Wort – aus dem Grausamen kommt Süßigkeit. Da kommt Bitteres heraus, nicht wahr?
Und zwar geht es eben um einen Löwen. In den Versen vorher liest man, wie Simson einen Löwen angetroffen hatte, der gebrüllt hatte. Simson ging auf ihn los und hat ihn einfach umgebracht, getötet. Nach einiger Zeit ist er wieder zu diesem Löwen hingekommen, den er zerrissen hatte. Und was war geschehen? Bienen hatten einen Wabenstock in das Skelett des Löwen getan.
Biologisch sehr ungewöhnlich. Bienen sind sehr saubere Tiere. Sie wollen mit Aas gar nichts zu tun haben – genau wie ein Nasiräer auch mit Aas nichts zu tun haben sollte. Und Simson war ja ein Nasiräer. Er ging zu diesem Löwenskelett, nahm den Honig und aß ihn. Seinen Eltern hat er nichts davon erzählt, denn die hätten Horror gehabt.
„Was, Simson, wir haben uns so Mühe gegeben, dass du von Kind auf ein Nasiräer bist, und jetzt gehst du da zu einem Aaslöwen?“ Aber eben, der war so vollständig aufgelöst, so sauber. Die Bakterien und alle ihre Kollegen hatten daran gearbeitet. Da war wirklich nichts mehr von Aas. Unter der orientalischen Sonne war es vollständig ausgetrocknet. Da war nur noch das Skelett.
Und dort haben die Bienen nicht gezögert, ihre Honigwaben einzusetzen. So hat Simson haarscharf sein Nasiräer-Gelübde gebrochen. Aber meine Kinder haben mir schon beigebracht: Wenn irgendetwas Schlimmes fast geschehen wäre, habe ich gesagt: „Jetzt wäre fast etwas geschehen.“ Sie haben gesagt: „Fast ist überhaupt nicht.“
Ja, also er hat fast sein Nasiräer-Gelübde gebrochen, aber das war eben überhaupt nicht so. Das hat ihm dann die Idee gegeben, dieses Rätsel zu stellen: „Aus dem Fresser kam Fraß, und aus dem Starken kam Süßigkeit.“
So kann Gott eben trotz allem bewirken, dass aus dem Bösen etwas Nützliches für uns entsteht. Der Satan wird in 1. Petrus 5 als ein brüllender Löwe beschrieben, der umhergeht und versucht, wen er verschlinge von den Gläubigen. Trotzdem kann Gott bewirken, dass aus seinem bösen Handeln etwas Nützliches für uns kommt – nämlich Honig.
Der Fraß hier ist Essen. Übrigens sagt man im Hebräischen „Achal“ für Essen und für Fraß, man hat nicht diesen Unterschied. Darum: Aus dem Esser kam Essen. Aber dieser Esser hier ist wirklich ein Fresser, ein Löwe, und das, was da herauskommt, ist feiner Honig.
Aus diesem Gewalttätigen kommt etwas Süßes. So kann Gott das Bittere unserer Leiden in unserem Leben, auch die Dinge, die wir nicht verstehen, warum Gott sie so zugelassen hat, in Süßigkeit verwandeln. Das, was Gott daraus macht, ist das Gute.
Das macht das Böse nicht irgendwie besser. Das Böse ist böse, und so war es auch böse – zum Beispiel das, was die Brüder Joseph angetan haben. Aber Gott hat es umgewandelt. Gott aber hatte im Sinn, es gut zu machen. Damit hat er ein großes Volk am Leben erhalten (1. Mose 50,20).
Ja, jetzt wollen wir noch etwas anschauen. Im Verlauf der Josefsgeschichte haben wir immer wieder gesehen, wie Josef weint. Ich habe bereits erwähnt, dass es insgesamt sieben Stellen gibt, an denen er weint. Man könnte auf acht kommen, weil an einer Stelle das Weinen zweimal erwähnt wird, aber eigentlich zählt man das nur einmal.
Wir können kurz aufschlagen bei Kapitel 42. Dort sehen wir das erste Mal, wie Josef weint. Josef hat sich als harter Mann gegenüber seinen Brüdern verstellt, die nach Ägypten gekommen sind. Diese Brüder gerieten in Ägypten wirklich in Not, und er stellte sie als Spione dar. In Vers 21 heißt es: "Da sprachen sie zueinander: Wahrhaftig, wir sind schuldig wegen unseres Bruders, dessen Seelenangst wir sahen, als er zu uns flehte, und wir hörten nicht. Darum ist diese Drangsal über uns gekommen." Ruben antwortete ihnen: "Habe ich zu euch gesprochen und gesagt: Versündigt euch nicht an dem Knaben? Aber ihr hörtet nicht. Und siehe, sein Blut wird auch gefordert."
Die Brüder wussten nicht, dass Josef sie verstand, denn ein Dolmetscher war zwischen ihnen. Josef wandte sich von ihnen ab, weinte und kehrte zu ihnen zurück, um weiter mit ihnen zu reden. Er nahm Simeon aus ihrer Mitte und band ihn vor ihren Augen.
Man muss sich vorstellen, dass sie völlig unbedarft Hebräisch untereinander sprechen und denken, in Ägypten versteht man das nicht. So kann man sich manchmal täuschen. Man meint, mit seiner Frau könne man eine Fremdsprache sprechen, ohne dass jemand es versteht, aber das kann dumm ausgehen. Hier war es wirklich so: Josef verstand jedes Wort. Er sah, dass sie ihre Schuld erkannten, und das bewegte ihn so sehr, dass er hinausgehen musste. Er wollte sich noch nicht zu erkennen geben, aber er musste weinen.
Das zeigt auch, dass Josef damals nie Bitterkeit in seinem Herzen behielt. Er war bereit zu vergeben, doch der Zeitpunkt war noch nicht reif, um es den Brüdern zu sagen. Man muss etwas reifen lassen und im richtigen Moment die Vergebung zusagen.
Nun gehen wir zu Kapitel 43, Vers 30. Die Brüder kommen mit Benjamin nach Ägypten, und Josef sieht seinen jüngeren Bruder nach all den Jahren wieder. Es heißt: "Nachdem er zu ihm gesagt hatte: Gott sei dir gnädig, mein Sohn, eilte Josef, denn sein Innerstes wurde erregt wegen seines Bruders. Er suchte einen Ort, um zu weinen, ging in das innere Gemach und weinte dort."
Es war noch nicht Zeit, sich zu erkennen zu geben, aber die ganze Sache mit Benjamin bewegte ihn so sehr, dass er nach all den Jahren seinen Bruder wieder sah und weinen musste – aber nur für sich.
Dann kommen wir zu Kapitel 45, das wir bereits gelesen haben. Das war der Moment, in dem Josef sich seinen Brüdern zu erkennen gibt. In Vers 2 heißt es: "Und er weinte laut, sodass die Ägypter es hörten." Er konnte seine Gefühle ausdrücken, wenn es nötig war, auch als Mann.
Weiter in Kapitel 45, Vers 13: "Berichtet meinem Vater alle meine Herrlichkeit in Ägypten und alles, was ihr gesehen habt, und eilt und bringt meinen Vater hierher herab." Josef fiel seinem Bruder Benjamin um den Hals und weinte, und Benjamin weinte an seinem Hals. Er küsste alle seine Brüder, weinte auch an ihnen und redete danach mit ihnen.
In einer früheren Folge habe ich das als zwei getrennte Weinanlässe gezählt, weil er einerseits an Benjamin und andererseits an seinen Brüdern weinte. Aber an seinen Brüdern könnte man das zehnmal zählen, denn er umarmte jeden einzelnen – ob Issachar, Naftali, Ruben oder Juda – und weinte mit ihnen. Doch das war eigentlich ein Ereignis, deshalb ist es besser, das als Nummer vier zu zählen.
Nachdem er sich den Brüdern offenbart und ihnen den Auftrag gegeben hatte, zu Vater Jakob zu gehen und ihm zu sagen, dass sein Sohn noch lebt, überkam ihn das so sehr. Besonders Benjamin umarmte er innig und weinte an seinem Hals, danach auch mit den anderen Brüdern.
Das fünfte Mal finden wir das Weinen in Kapitel 46, Vers 28: "Und er sandte Juda vor sich hin zu Josef, um vor ihm herzuweisen nach Gosen. Als sie in das Land Gosen kamen, spannte Josef seinen Wagen an und zog seinem Vater Israel entgegen. Als er ihn sah, fiel er ihm um den Hals und weinte an seinem Hals."
Israel sprach zu Josef: "Nun kann ich sterben, nachdem ich dein Angesicht gesehen habe, dass du noch lebst." Das sind bewegende Momente. Es gibt so viele berührende Stellen in der Josefsgeschichte. Es schaudert mich immer wieder, wenn ich daran denke, wie Josef seinen Vater nach all den Jahren wieder sieht. Vater Jakob dachte, Josef sei tot. Er hatte das Zeugnis erhalten, ein wildes Tier habe Josef gefressen. Innerlich brach Jakob zusammen und wäre am liebsten gestorben, doch er musste weiterleben.
Dass er schließlich erleben durfte, nach Ägypten zu kommen und seinen Sohn Josef als obersten Herrscher Ägyptens nach dem Pharao zu sehen, war unglaublich. Josef sah seinen Vater wieder, fiel ihm um den Hals und weinte lange an seinem Hals.
Das sechste Mal hatten wir beim letzten Mal betrachtet, in Kapitel 50. Vater Jakob starb, nachdem er seine zwölf Söhne gesegnet hatte. Er war innerlich entlastet, zog seine Füße auf das Bett und starb. In Kapitel 50, Vers 1, heißt es: "Josef fiel auf das Angesicht seines Vaters und weinte über ihm und küsste ihn. Dann befahl er seinen Knechten, den Ärzten, seinen Vater einzubalsamieren." Josef umarmte also nochmals seinen toten Vater und weinte.
Das war das sechste Mal. Das siebte Mal haben wir gerade eben in Kapitel 50 gelesen, als Josef sein Herz in Frage stellte. Das hat etwas zu sagen, dass dies das siebte Weinen in der Josefsgeschichte ist.
So geht es auch dem Herrn Jesus, wenn wir plötzlich Zweifel an seiner Vergebung haben. Diese Geschichte eignet sich besonders in der Seelsorge. Manchmal verlieren Gläubige die Heilsgewissheit. Das kommt immer wieder vor. Ich habe sogar festgestellt, dass seit Corona solche Fälle zugenommen haben. Viele Gläubige glauben, der Herr habe sie verworfen und sie könnten nicht mehr zurückkommen. Dabei sind sie wirklich bekehrt und haben ihre Schuld bekannt, aber sie denken, Gott nehme sie nicht mehr an.
In solchen Situationen kann man diese Geschichte erzählen. Wenn Josef schon so weinte und dann wiederholt sagte: "Fürchtet euch nicht" und sie tröstete sowie zum Herzen redete, wie viel mehr wird Jesus das tun.
Ja, und jetzt gehen wir weiter in der Geschichte. 1. Mose 50, liest du bis zum Schluss, Jerry.
Joseph und seine Familie wohnten in Ägypten, im Haus seines Vaters. Joseph lebte hundertzehn Jahre. Er sah die Kinder der dritten Generation von Ephraim. Auch die Söhne Makirs, des Sohnes Manasses, wurden auf die Knie Josephs geboren.
Joseph sprach zu seinen Brüdern: „Ich sterbe. Aber Gott wird sich euch gewiss zuwenden und euch aus diesem Land hinaufführen in das Land, das er Abraham, Isaak und Jakob zugeschworen hat.“ Joseph ließ die Söhne Israels schwören und sagte: „Gott wird sich euch gewiss zuwenden, so führt meine Gebeine von hier hinauf.“ Joseph starb im Alter von hundertzehn Jahren. Man balsamierte ihn ein und legte ihn in eine Lade in Ägypten.
Ein schönes Alter: 110 Jahre. In Ägypten lag die durchschnittliche Lebenserwartung damals bei etwa 30 Jahren. Durchschnittlich bedeutet natürlich, dass viele Kinder früh starben. In den ägyptischen Textüberlieferungen gibt es eine ganze Reihe von Beispielen, in denen gerade das Alter von 110 Jahren als etwas ganz Besonderes gelobt wird. Ausgerechnet diese Zahl 110.
Ich habe auch schon beim letzten Mal gesagt: In der Josephsgeschichte gibt es viele Bezüge zur Ägyptologie, also dem, was wir heute durch Wissenschaft über die Geschichte und Archäologie Ägyptens wissen. Man sieht, dass alles vollständig authentisch ist. Das konnte niemand einfach so erfinden. Es ist tief verwurzelt in der echten Geschichte Ägyptens.
Auch das ist ein Beispiel: Die Zahl hundertzehn ist sehr speziell. Weiter wird berichtet, dass Joseph nicht nur Kinder bekam – hier werden Ephraim und Manasse in Vers 23 erwähnt –, sondern dass diese selbst auch wieder Kinder bekamen. So durfte Joseph in Ägypten Vater, Großvater und sogar Urgroßvater werden. Das war ihm sehr wichtig.
Das sehen wir daran: In Vers 23 heißt es, „Auch die Söhne Makirs, des Sohnes Manasses, wurden auf die Knie Josephs geboren.“ Was bedeutet das? Dieser Ausdruck kommt in der Bibel noch öfter vor, wenn nach der Geburt jemand einem anderen auf die Knie gelegt wird.
Zum Beispiel im Buch Rut: Dort wird Naomi, die einst verbittert war und sich „Mara“ nannte, was „Bittere“ heißt, am Ende des Buches ihr Enkel auf die Knie gelegt, also auf den Schoß. Das drückt die Großmutter- oder Großvaterbeziehung zur nächsten Generation aus. Hier sind es die Urenkel, die auf die Knie Josephs gelegt werden.
Gleich nach der Geburt bringt man das Baby zuerst zur Mutter, die es umarmt – das ist normal. Es ist ein besonderer Moment, wenn das Neugeborene auf die Brust der Mutter gelegt wird. Aber hier wird es auch Joseph gebracht und auf seine Knie gelegt.
In Vers 24 gibt Joseph seinen Brüdern ein letztes Vermächtnis. Er sagt: „Ich sterbe.“ Wie wir zuvor bei Jakob gesehen haben, gibt er damit die letzten Anweisungen (vgl. 1. Mose 49). Nun sagt er: „Ich sterbe. Und Gott wird sich euch gewiss zuwenden.“ Das hebräische Wort „pakat“ bedeutet, jemanden mit Zuwendung und Sorge zu umgeben und sich seiner anzunehmen.
Gott wird sich also mit Fürsorge euch zuwenden und euch aus diesem Land hinaufführen in das Land, das er Abraham, Isaak und Jakob versprochen hat. Joseph wusste um den Exodus. Er wusste, dass Israel aus Ägypten ausziehen würde.
Das ist interessant. Man kann sagen, die Familie Jakobs hat Asyl in Ägypten erhalten. Das ist ein sehr aktuelles Thema. Aber ich will jetzt keine europäische Politik oder die Problematik des Asylwesens diskutieren. Es gibt sowohl Notwendigkeit als auch Nutzen von Asylwesen.
Es ist jedoch bemerkenswert: Sie haben tatsächlich Asyl in Ägypten bekommen, und zwar das beste Land – Goschen. Aber von Anfang an war klar, dass sie nicht dauerhaft dort bleiben würden, sondern wieder in ihr Land zurückkehren würden.
Das war sehr wichtig, denn Gott hat Abraham, Isaak und Jakob nicht Ägypten versprochen, sondern das Land Israel. So beginnt die Geschichte Abrams: Gott ruft ihn aus Ur in Chaldäa, um in das Land zu ziehen, das spätere Land Israel, das Gott den Erzvätern und ihren Nachkommen geben würde – für alle Zeit, solange die Erde besteht.
Damit ist der Besitzanspruch auf das Land Israel biblisch geklärt. Joseph wusste das, und auch Abraham wusste um den Exodus.
Wir müssen jetzt weiter zurückblättern. Wir müssen bedenken, dass all das, was wir in 1. Mose finden – Schöpfung (Kapitel 1), Sündenfall (Kapitel 3), Kain und Abel (Kapitel 4) bis zur Sintflut, Sprachenverwirrung in Babel, Völkerwanderung und Auswanderung Abrahams, Isaaks und Jakobs – alles geistlicher Familienbesitz in der Familie Jakobs war. Das war das Wissen um Gottes Wort.
Sie wussten, was Gott Abraham alles zugesagt hatte. In 1. Mose 15 bestätigt Gott den Bund mit Abraham. Abraham musste dabei tief schlafen. In 1. Mose 15,12 heißt es: „Und es geschah, als die Sonne untergehen wollte, da fiel ein tiefer Schlaf auf Abraham, und siehe, Schrecken, dichte Finsternis überfiel ihn.“
Gott sprach zu Abraham: „Du sollst sicher wissen, dass deine Nachkommen Fremde sein werden in einem Land, das nicht das ihre ist, und sie werden ihnen dienen. Sie werden sie bedrücken vierhundert Jahre. Aber ich werde die Nation, der sie dienen werden, auch richten. Danach werden sie ausziehen mit großer Habe. Du wirst zu deinen Vätern eingehen in Frieden und in gutem Alter begraben werden. In der vierten Generation werden sie hierher zurückkehren, denn die Ungerechtigkeit der Amoriter ist bis hierher noch nicht voll.“
Es geschah, als die Sonne unterging und dichte Finsternis eingetreten war, da erschien ein rauchender Ofen und eine Feuerflamme, die zwischen den Stücken hindurchfuhr. An diesem Tag schloss der Herr einen Bund mit Abraham und sprach: „Deiner Nachkommenschaft gebe ich dieses Land vom Strom Ägyptens bis zum großen Strom, dem Euphrat, mit den Kenitern, Kenisiter, Katmonitern, Hethitern, Perisitern, Rephaim, Amoriter, Kanaaniter, Gergasiter und Jebusitern.“
Bei diesem Bund fiel Abraham in einen Tiefschlaf und hatte einen Albtraum – ausnahmsweise ein Albtraum von Gott. Schrecken und dichte Finsternis überfielen ihn. Das war ein Hinweis auf die Zukunft Israels und was diese Nachkommenschaft in Ägypten erleben würde.
Bis Joseph war die Zeit in Ägypten gut für Israel. Dann kam die Zeit, in der die Ägypter Israel versklavten. 2. Mose 1 berichtet, dass nach Josephs Tod ein neuer Pharao kam, der Joseph nicht kannte. Dieser versklavte Israel und befahl, alle neugeborenen Jungen zu töten.
Die Hebammen wurden angewiesen, die Tötung der Kinder durchzuführen. Also Frauen, die eigentlich Leben fördern sollten, wurden eingesetzt, um Leben zu vernichten – ein Holocaust über Israel. Deshalb diese Finsternis und dieser Schrecken.
Gott sagte: „Deine Nachkommenschaft wird fremd sein und als Sklaven dienen (hebräisch: ’awad kann sowohl dienen als Diener als auch als Sklave bedeuten). Sie werden bedrückt.“ Das ist die Unterdrückung durch die Ägypter.
Aber dann heißt es: „Ich werde die Nation auch richten.“ Abraham wusste vom Gericht der zehn Plagen, die über Ägypten kommen sollten. Das führte zum Zusammenbruch des ägyptischen Reiches.
„Ich werde die Nation auch richten, der sie dienen werden, und danach werden sie ausziehen mit großer Habe.“ Schon damals war vorausgesagt, dass Israel als Sklavenvolk große Habe mitnehmen würde.
Die Ägypter waren sehr darauf bedacht, dass die Israeliten endlich gehen, damit nicht noch eine elfte Plage käme. Sie beluden sie mit Reichtümern, und Israel forderte Gold, Silber und vieles mehr, damit sie endlich ziehen durften. So zogen die Israeliten aus.
Warum nahmen sie so viel mit? Das war die Auszahlung, die Lohnauszahlung, die ausgeblieben war. In Jakobus 5 wird vor Arbeitgebern gewarnt, die ihre Angestellten nicht auszahlen. Dort heißt es: „Der Lohn der Schnitter ist vor die Ohren des Herrn gekommen.“ Gott will gerechte Löhne.
Das brauchen wir nicht den Kommunisten zu überlassen. Das wissen wir aus der Bibel: Gott will gerechte Löhne. Darum hat er Israel auszahlen lassen. Sie bekamen die ganze unbezahlte Sklavereiarbeit in Ägypten ausbezahlt.
Das Schöne ist, dass sie mit viel Gold und Silber die Stiftshütte, das Haus Gottes in der Wüste, bauen konnten. Wäre der Lohn vorher ausgezahlt worden, wäre kaum noch etwas übrig gewesen. Das war von Gott so vorgesehen, auf ein Konto gelegt, damit es später richtig verwendet wird.
Das Problem ist, manche verdienen und verbrauchen es falsch. Gott sorgt für ein Konto, das für spätere Zeiten bestimmt ist. Das wusste Abraham alles, und Joseph glaubte daran. Den Glauben von Urgroßvater Abraham, Großvater Isaak und Vater Jakob hatte er sich angeeignet.
Wir sehen, dass Joseph die Beziehung zu den Enkeln bis zu den Urenkeln suchte. Es war sein Anliegen, dass dieser Glaube und dieses Wissen weitergegeben werden.
Das sehen wir nun in 1. Mose 50: Joseph gibt die Anweisung: „Ihr müsst mir versprechen, wenn Gott euch schließlich aus diesem Land hinaufführt ins verheißene Land, das er Abraham, Isaak und Jakob geschworen hat, dann müsst ihr meine Gebeine mitnehmen.“
Er wurde in Ägypten begraben, im Gegensatz zu Jakob, der im Land Kanaan bestattet wurde. Wir haben beim letzten Mal den großen Zug nach Kanaan gesehen. Joseph blieb in Ägypten, wollte aber, dass seine Gebeine beim Exodus mitgenommen werden.
Das ist tatsächlich so geschehen. 2. Mose 13 berichtet: Im Kapitel 12 ist der Auszug der Kinder Israel aus Ägypten. In Kapitel 13, Vers 19 heißt es: „Mose nahm die Gebeine Josefs mit sich, denn er hatte die Kinder Israel ausdrücklich schwören lassen und gesagt: ‚Gott wird sich euch gewiss zuwenden, so führt denn meine Gebeine mit euch von hier hinauf.‘“
Nächstes Mal werde ich noch eine Computerrekonstruktion vom Grab Josephs in Ägypten und von den Gräbern der Brüder in Ägypten zeigen. Wir haben alles in Ramses-Stadt gefunden.
Der Punkt ist: Joseph hatte diesen tiefen Glauben, dass der Exodus kommen wird, und deshalb gab er sterbend diesen Auftrag, dass sie so mit ihm verfahren sollten.
Wie es sich erfüllt hat, dass er letztlich doch in Kanaan begraben wurde, das kommt noch.
Zur Einbalsamierung muss ich sagen: Nach den 40 Jahren Exodus haben sie die einbalsamierte Leiche Josephs mit sich geführt. Unter Josua begann die Landnahme mit sechs Jahren Eroberungszügen.
Josua 24, Vers 32 berichtet: „Und die Gebeine Josephs, die die Kinder Israel aus Ägypten heraufgebracht hatten, begruben sie in Sichem auf dem Stück Feld, das Jakob von den Söhnen Hemors, des Vaters Sichems, für hundert Kesit gekauft hatte. Sie wurden den Kindern Josefs zum Erbteil.“
Sichem ist heute Nablus. Dort sieht man immer noch das Grab Josephs: ein weißes Gebäude mit weißer Kuppel. Die Palästinenser haben es wiederholt geschändet und verbrannt.
Aber es ist ganz klar: Dort ist das Grab Josephs, am Fuß des Berges Garizim, des Segensbergs.
So hat sich alles erfüllt.
Und nun: Wir haben doch beim letzten Mal gesehen, dass auch Vater Jakob einbalsamiert wurde. Der Grund dafür war nicht einfach nur, die Verwesung zu verhindern. Vielmehr sollte er nach Kanaan gebracht werden, und das nach siebzig Tagen Trauer. Man wollte also keine halbverweste Leiche nach Kanaan bringen, sondern er wurde einbalsamiert.
Wie das genau ablief, habe ich beim letzten Mal erklärt. Dieses komplizierte Prozedere nahm insgesamt siebzig Tage in Anspruch, wie es im Alten Ägypten üblich war. Geschrieben steht das in 1. Mose 50.
Es gibt jedoch noch einen weiteren Punkt. Jemand hat aufmerksam beim Livestream zugehört und dann die Frage gestellt, wie es kommt, dass Joseph seinen Vater Jakob so mumifizieren ließ, wenn man doch weiß, dass die Ägypter viele okkulte und wirklich dunkle Rituale damit verbinden.
Man muss hier genau 1. Mose 50, Vers 2 lesen: „Und Joseph befahl seinen Knechten, den Ärzten, seinen Vater einzubalsamieren, und die Ärzte balsamierten Israel ein.“
Ich habe erklärt, dass das Prozedere sehr kompliziert ist: Zuerst wird die Leiche entwässert mit Salz. Die Organe, wie das Gehirn – das ist das Erste – werden entnommen. Das Gehirn wird verflüssigt und dann über die Nase herausgezogen und speziell in ein Gefäß getan. Auch die Eingeweide, der Magen und die Lunge werden entnommen.
Wenn man die Bibel hier genau liest, ist man überrascht, warum hier von „Ärzten“ die Rede ist. Im alten Ägypten waren es nämlich nicht die Ärzte, sondern die Priester, die diese Arbeit ausführten. Joseph aber gab diese Aufgabe nicht den ägyptischen Priestern, weil er keine okkulten Rituale wollte, sondern den Ärzten.
Die Ärzte waren in Anatomie sehr erfahren. Sie wussten genau, wie man das Gehirn entfernt, wie man die Lunge entnimmt und so weiter. Das konnten sie sehr gut, aber sie führten keine Rituale durch. Das war Joseph wichtig.
Dieses Detail zeigt wieder, wie präzise das Wort Gottes ist, wenn man genau liest.
Ja, und so möchten wir noch abschließend Hebräer 11,22 betrachten. Dort wird im Neuen Testament das Leben Josephs als ein besonderes Highlight beschrieben.
Hebräer 11,22: "Durch Glauben gedachte Joseph, als er starb, an den Auszug der Söhne Israels und gab Befehl wegen seiner Gebeine."
Das war ein Ausdruck seines Glaubens. Er kannte das prophetische Wort und handelte auch aufgrund dieses prophetischen Wortes.
Für Gläubige heute ist es ebenso wichtig: Wir müssen das prophetische Wort kennen, also wissen, was Gott über die Zukunft der Gemeinde, Israels und der Völker sagt. Aufgrund dieses Wissens ist es dann entscheidend, dass wir richtig handeln.
Es ist tragisch, dass gerade in unserer Zeit, in der sich das prophetische Wort so eindrücklich erfüllt – besonders im Zusammenhang mit Israel und der Rückkehr der Juden aus aller Welt ins Land der Väter – viele Christen völlig verschlossen oder blockiert sind. Sie wissen nicht, in welcher Zeit wir leben.
Doch es ist wichtig, zu wissen, in welcher Zeit wir leben, um auch die besonderen geistlichen Herausforderungen dieser Zeit zu erkennen.
Erlauben Sie mir noch eine letzte Stelle zum Schluss. In der Armee Davids gab es eine Truppe, die auf diesem Gebiet besonders fit war. Schlagen wir auf 1. Chronik 12,33 nach:
"Und von den Kindern Isaschar waren Männer, die Einsicht hatten in die Zeiten, um zu wissen, was Israel tun musste; ihre Häupter waren zweihundert, und alle ihre Brüder folgten ihrem Befehl."
Diese Leute aus Isaschar hatten eine besondere Einsicht in die Zeiten. Die Elberfelder Bibel erklärt in der Fußnote, dass dies ein richtiges Urteil in der Erwägung der Zeitverhältnisse bedeutet.
Wir müssen wissen, in welcher Zeit wir leben – gemäß dem prophetischen Wort. Um zu wissen, was Israel tun musste und um richtig handeln zu können, müssen wir das prophetische Wort kennen.
Joseph kannte das prophetische Wort. Deshalb gab er mit Glauben den Befehl im Hinblick auf den Auszug.
Damit wollen wir schließen. Die Josephserie ist damit aber nicht zu Ende. Wir werden noch all die vielen Punkte nachholen, in denen Joseph einen prophetischen Hinweis auf den Messias gibt.
Bisher haben wir nämlich nur etwa sechzig solcher Punkte betrachtet. Ich habe mich bisher mehr auf die Geschichte selbst konzentriert, um das Thema nicht zu überladen.
Jetzt werden wir zurückgehen und dann bis zum Schluss all diese wichtigen Parallelen auf den Messias, den Herrn Jesus, aufzeigen.
Vielen Dank an Roger Liebi, dass wir seine Ressourcen hier zur Verfügung stellen dürfen!
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