Einführung in die neutestamentliche Übersicht
Wir haben heute ein sehr gewagtes Thema vor uns. In einem Morgen wollen wir uns einen Überblick über das gesamte Neue Testament verschaffen. Ich glaube jedoch, wir werden erstaunt sein, dass dies tatsächlich in dieser kurzen Zeit möglich ist – zumindest im Sinne einer Übersicht.
Die Gemeinde ist, nach Epheser 2,20, auf die Apostel und Propheten gegründet. Dabei sind die neutestamentlichen Propheten mitgemeint, ebenso die Apostel Jesu Christi. Diese Apostel gibt es heute nicht mehr. Man kann sagen, sie sind ausgestorben. Der letzte Apostel war Johannes, der ungefähr um das erste Jahrhundert nach Christus verstarb.
Auch die neutestamentlichen Propheten sind heute nicht mehr da. Sie haben keine Nachfolger gefunden. Doch in den Schriften des Neuen Testaments haben wir ihre Botschaft. Diese grundlegende Botschaft für die Gemeinde wurde durch den Heiligen Geist inspiriert. Dieses Fundament ist bis zum heutigen Tag erhalten geblieben – durch alle Jahrtausende hindurch.
Die Dreiteilung des Alten Testaments und der Begriff Tanach
Nun zunächst ein paar Gedanken zur Einteilung der Bibel. Das Alte Testament besteht aus drei Teilen.
In Lukas 24,27 geht es um den Auferstandenen mit den Emmaus-Jüngern. Ich lese schon ab Vers 25: „Er sprach zu ihnen: O ihr Unverständigen und Trägen Herzens, zu glauben an alles, was die Propheten geredet haben! Musste nicht der Christus, das heißt der Messias, dies leiden und in seine Herrlichkeit eingehen?“ Von Mose und von allen Propheten anfangend erklärte er ihnen in allen Schriften das, was ihn betraf.
Später, als der Herr dann den Aposteln erschienen war, lesen wir in Vers 44: „Er sprach aber zu ihnen: Dies sind die Worte, die ich zu euch redete, als ich noch bei euch war, dass alles erfüllt werden muss, was über mich geschrieben steht im Gesetz Mose und den Propheten und Psalmen.“
Daraus ergeben sich drei Teile: Das Gesetz Mose, die Propheten und die Psalmen. Diese Dreiteilung entspricht der des Alten Testaments im Judentum.
Die Tora bezeichnet die fünf Bücher Mose. Mit den Propheten meint man nicht nur die Propheten im engeren Sinn, wie Jesaja, Jeremia, Hesekiel und die zwölf kleinen Propheten. Man spricht von den vorderen und den hinteren Propheten. Die vorderen Propheten umfassen auch die Geschichtsbücher wie Josua, Richter, Samuel und Könige. Die hinteren Propheten sind die Prophetenbücher im engeren Sinn.
Dann kommt ein dritter Teil, den man im Judentum meist einfach die Schriften nennt, die Ketuvim. Weil im jüdischen Kanon meist die Psalmen an der Spitze dieses dritten Teils stehen, wird dieser Teil auch schlicht die Psalmen genannt. In den Qumran-Handschriften findet man ebenfalls diese Bezeichnung für den dritten Teil.
Dieser umfasst die poetischen Bücher wie Psalmen, Hohes Lied, Prediger und so weiter. Überraschenderweise gehört auch das Buch Daniel sowie die Erste und Zweite Chronik in diesen dritten Teil.
Darum nennt man im Judentum das Alte Testament gewöhnlich Tanach. Der Name Tanach besteht aus drei Konsonanten: T, N und K, weich ausgesprochen als Tanach. T steht für Torah, das Gesetz; N für Nevi'im, die Propheten; und K für Ketuvim, die Schriften.
Es ist übrigens gut, wenn man mit Juden über ihre Bibel spricht, nicht vom Alten Testament zu sprechen. Nicht weil es falsch wäre, es so zu nennen – das ist durchaus richtig –, aber für sie klingt es wie eine Abwertung. Es ist, als würde man sagen, dieses Buch sei nicht mehr wichtig, es sei alt und vergangen. Das wäre jedoch ganz falsch.
Darum ist es besser, um keinen unnötigen Anstoß zu geben, vom Tanach zu sprechen.
Die Entstehung und Gliederung des Neuen Testaments
Das Neue Testament erwähnt den Herrn Jesus prophetisch in seinen Abschiedsreden in Johannes 14 bis 16. So kündigt er in Johannes 14,26 den Heiligen Geist an: „Der Sachwalter aber, der Heilige Geist, den der Vater senden wird in meinem Namen, jener wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“
Diese Aussage hat sich schließlich in der Abfassung der vier Evangelien kristallisiert. Denn die vier Evangelien hätten nie geschrieben werden können, wenn nicht der Heilige Geist gewirkt hätte, um „euch alles zu lehren und euch an alles zu erinnern, was ich euch gesagt habe.“ So bilden die vier Evangelien den ersten Teil des Neuen Testaments – sie sind die Erinnerung.
In Johannes 15,26 sagt Jesus weiter: „Wenn aber der Sachwalter gekommen ist, den ich euch von dem Vater senden werde, der Geist der Wahrheit, der von dem Vater ausgeht, so wird er von mir Zeugnis ablegen.“ Der Heilige Geist wird also nicht nur erinnern, sondern auch Zeugnis ablegen.
Dieses durch ihn gewirkte Zeugnis hat sich auf ganz besondere Weise im Neuen Testament in der Apostelgeschichte niedergeschlagen. Die Apostelgeschichte ist die erste Kirchengeschichte, die jedoch durch den Heiligen Geist inspiriert wurde. Sie zeigt das Zeugnis der ersten Christen in den ersten drei Jahrzehnten des Christentums.
In Johannes 16,12 sagt Jesus: „Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen.“ Doch er verspricht: „Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekommen ist, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selbst reden, sondern was immer er hören wird, wird er reden.“
Der Herr hat auf Erden nicht alles offenbart. Er sagt: „Ich habe noch vieles zu sagen, ihr könnt es jetzt nicht ertragen.“ Wann ist denn diese volle Offenbarung gekommen? Erst mit Pfingsten, mit dem Kommen des Heiligen Geistes auf die Erde.
Diese Offenbarung hat sich in den 21 Briefen des Neuen Testaments niedergeschlagen. Dort finden wir beispielsweise viele Geheimnisse, die Paulus offenbart wurden. Er sagt ausdrücklich in Epheser 3, dass diese Geheimnisse in früheren Generationen verschwiegen waren und nicht im Alten Testament zu finden sind.
Der Herr Jesus hat sie auf Erden noch nicht so entfaltet, weil die Menschen es damals noch nicht tragen konnten. Doch in den Briefen finden wir die Tatsache, dass der Geist Gottes in die ganze Wahrheit geleitet hat.
Schließlich sagt Jesus in Johannes 16,13: „Und das Kommende wird er euch verkündigen.“ Im ganzen Neuen Testament finden wir Prophetie. In ganz besonderer Weise hat sich diese Ankündigung in der Abfassung des letzten Buches der Bibel, der Offenbarung, niedergeschlagen. Die Offenbarung ist das einzige Buch im Neuen Testament, das zu hundert Prozent Prophetie ist.
So haben wir im Neuen Testament eigentlich vier Teile: Erstens die Evangelien – die Erinnerung, zweitens die Apostelgeschichte – das Zeugnis, drittens die Lehrbriefe – die Wahrheit, und viertens die Offenbarung – das Kommende.
All dies hat nur ein Ziel oder dieses ganz erhabene Ziel, wie es Johannes 16,14 beschreibt: „Er wird mich verherrlichen, denn von dem Meinen wird er empfangen und euch verkündigen.“
Im ganzen Neuen Testament finden wir Christus in seiner Herrlichkeit – sowohl in seiner Erniedrigung als auch in seiner darauf erfolgten Erhöhung.
Die Vollendung des neutestamentlichen Kanons und seine Bedeutung
Nun fällt uns vielleicht auf, dass drei und vier zusammen sieben ergeben. Die Zahl sieben ist die Zahl der Vollkommenheit. Gott hat sein Schöpfungswerk vollendet, abgeschlossen und als vollkommen sehr gut gemacht. Dies wurde gekrönt durch den siebten Tag.
Die Bibel ist abgeschlossen; der Kanon ist nicht mehr ergänzungsbedürftig. Darum wird auch im letzten Buch der Bibel, Kapitel 22, gesagt: Wer zu diesem Buch hinzufügt, also neue Offenbarungen, dem wird Gott von den Plagen hinzufügen.
Weil mit der Offenbarung die neuen Enthüllungen Gottes abgeschlossen worden sind, bedeutet das, dass wir dem Neuen Testament gar nichts mehr an neuen Offenbarungen hinzufügen können. Wer es trotzdem tut, fällt unter göttliches Gericht. Es ist vollendet.
Darum sind nach den letzten Aposteln und Propheten des Neuen Testaments keine weiteren mehr gekommen, und das gilt durch all die Jahrhunderte hindurch. Die Bibel ist nie mehr ergänzt worden; sie ist abgeschlossen und so allgenügsam.
Das ist ein Prinzip, das auch die Reformatoren entdeckt haben: die Allgenügsamkeit der Schrift. Das heißt, wir haben in diesen Büchern der Bibel, im Alten und Neuen Testament, alles, was wir brauchen, um auf gottgemäße Art ans Ziel zu kommen.
Das sind natürlich ganz wichtige Gedanken in Verbindung mit den heutigen Bewegungen, wo man nach der Wiederherstellung des apostolischen Amtes ruft und verkündet, dass es neue Propheten gibt. Das hat alles nichts mehr zu tun mit dem, was wir im Neuen Testament finden.
Überblick über die Evangelien: Matthäus, Markus, Lukas und Johannes
Das Matthäusevangelium als Brücke zwischen Altem und Neuem Testament
Jetzt wollen wir die einzelnen Bücher des Neuen Testaments durchgehen und beginnen mit dem Matthäusevangelium. Oft sagt man, das älteste der Evangelien sei das Markusevangelium. Das ist auch die verbreitete Ansicht in der liberalen Theologie.
Es gibt jedoch sehr starke und gute Argumente dafür, dass die Reihenfolge der Entstehung der Evangelien tatsächlich so ist, wie sie in der Bibel dargestellt wird: Matthäus, Markus, Lukas und dann, sehr spät, das Johannesevangelium. Diese Reihenfolge stimmt auch mit den Informationen überein, die Augustin um das Jahr 400 weitergegeben hat. Somit haben wir ein gutes Zeugnis für diese Abfolge.
Matthäus betont, dass Jesus Christus der König Israels ist, der verheißene Messias des Alten Testaments. Deshalb wird in diesem Evangelium mehr Wert darauf gelegt als in den anderen, nachzuweisen, dass sich in Jesus die Voraussagen der Propheten über den kommenden Erlöser erfüllt haben. So stellt dieses Buch eine wunderbare Brücke vom Alten zum Neuen Testament dar. Es zeigt, wie die Erfüllung jetzt in Jesus Christus gekommen ist. Er ist der Messias, auf den die Schriften des Alten Testaments hingewiesen haben.
Das Buch beginnt mit den Worten: „Buch des Geschlechts Jesu Christi, des Sohnes Davids“. Der Begriff „Sohn Davids“ war ein spezieller Titel für den Messias im Judentum, der Ben David. Matthäus erwähnt das gleich im ersten Vers, im Gegensatz zu den anderen Evangelisten. Es geht darum zu zeigen, dass Jesus der Verheißene aus dem Stamm Davids ist, der das Anrecht hat, König zu sein.
Nur im Matthäusevangelium finden wir die Geschichte der Weisen aus dem Morgenland. Diese kommen mit der Frage: „Wo ist der König der Juden?“ Durch das ganze Evangelium hindurch kann man so zeigen, dass Matthäus Christus mit dem Akzent darstellt, dass er der verheißene Messias und König Israels ist.
Das Markusevangelium: Jesus als vollkommener Diener Gottes
Das Markus-Evangelium stellt im Gegensatz dazu Jesus Christus als den vollkommenen Diener Gottes dar. Das ist ein deutlicher Gegensatz. König zeigt die Erhabenheit Christi, Diener hingegen die Erniedrigung Christi. Er hat sich erniedrigt, um Gottes Diener zu sein.
Darum betont das Markus-Evangelium besonders die Taten Jesu. Von allen Evangelien enthält es die wenigsten Worte Jesu. Wenn man alle Verse in den Evangelien zählt, in denen Jesus Christus spricht, und dann den prozentualen Anteil pro Evangelium berechnet, sieht man objektiv, dass Jesus im Markus-Evangelium am wenigsten spricht. Die Betonung liegt auf den Taten.
Markus lässt die Geburtsgeschichte weg, die bei Matthäus so wichtig ist, ebenso das königliche Geschlechtsregister, mit dem Matthäus im ersten Kapitel beginnt. Nach einer knapp gehaltenen Einleitung beginnt Markus sogleich mit der Beschreibung des öffentlichen Dienstes Jesu in Israel. Er ist der Diener.
Es gibt einen Vers, Markus 7,37, der das Anliegen dieses Evangeliums ganz prägnant umschreibt. Diese Geschichte kommt in allen Evangelien nur in Markus vor. Das ist der eigentliche Schlüsselvers: 7,37. Dort heißt es, dass die Leute erstaunt waren und sprachen: „Er hat alles wohlgemacht.“ Er macht sowohl die Tauben hören als auch die Stummen reden. Er hat alles wohlgemacht – der vollkommene Diener Gottes.
Das Lukasevangelium: Jesus als der vollkommene Mensch mit Mitgefühl
Das Lukasevangelium beschreibt Jesus Christus als den vollkommenen Menschen. Ähnlich wie Markus betont auch Lukas die Erniedrigung Christi: Gott ist Mensch geworden. Das Evangelium wurde von einem Arzt geschrieben, Doktor Lukas.
In diesem Buch wird ausführlich über die wunderbare Geburt des Erlösers gesprochen. Ein Spezialist behandelt die Jungfrauengeburt. Nur hier wird die Abstammung Jesu dargestellt – und zwar die Linie von Maria, also die eigentliche biologische Linie, die bis auf Adam zurückverfolgt wird (Lukas 3,23-38). Gewissermaßen soll damit gezeigt werden, dass der vollkommene Mensch Jesus mit der ganzen Menschheit verwandt ist.
Die Geschlechtsregister-Linie im Matthäusevangelium Kapitel 1 ist hingegen die Linie von Joseph. Das ist nicht die biologische Linie, sondern die rechtliche, die juristisch beglaubigte Linie. Joseph war der Pflegevater Jesu und gab ihm so das juristische Anrecht auf die Linie von David über Salomo und die jüdischen Könige.
Maria hingegen stammt aus einer anderen Linie. Sie geht zwar auch auf David zurück, aber nicht über die königliche Linie, sondern über eine Nebenlinie. Dem Doktor Lukas geht es eben um die Linie, die beweist, dass Jesus Christus wirklicher Mensch ist – nicht nur juristisch irgendwie mit David und der Königslinie verbunden, sondern dass er wirklich von David abstammt durch die Jungfrauengeburt.
Nirgends wird so betont, wie viel Mitgefühl Jesus Christus für die Menschen in der Not hat. Man achte auf all die Geschichten, die nur im Lukasevangelium vorkommen. Dort findet man eine Fülle von Erzählungen, in denen das Erbarmen Jesu über Kranke, über Menschen am Rand der Gesellschaft oder auch über Ausländer zum Ausdruck kommt.
Das passt natürlich auch zum Beruf des Autors als Arzt. Wenn ein Arzt kein Mitgefühl mit Menschen in der Not hat, ist er ein schlechter Arzt. Aber das war Lukas wichtig, und genau das zeigt er am Erlöser besonders hervor.
Lukas betont sehr, dass die Gnade Gottes sich nicht auf Israel beschränkt, sondern den Menschen aus allen Völkern gilt. Er ist der einzige Bibelschreiber, von dem wir wissen, dass er kein Jude war. Darum war es für ihn so wichtig zu zeigen, dass Jesus Christus nicht nur für das jüdische Volk gekommen ist, sondern für alle anderen Völker.
So findet man viele Hinweise im Lukasevangelium, die genau das zeigen: Die Gnade Gottes sprengt die Grenzen Israels. Ein Beispiel findet sich in Lukas 4. Der Herr Jesus predigt in der Synagoge von Nazareth und sagt: In der Zeit von Elia gab es viele Witwen, aber Elia ging nur in den Libanon zu der Witwe von Sarepta. Naaman, der Syrer, wurde geheilt, während alle israelitischen Aussätzigen krank blieben.
Daraufhin wurden die Leute in der Synagoge wütend und wollten ihn umbringen. Jesus zeigt an alttestamentlichen Beispielen, wie die Gnade Gottes hinauswill über die Grenzen Israels zu den Heiden hin.
Das Johannesevangelium: Jesus als ewiger Gott und Offenbarer des Vaters
Das Johannesevangelium zeigt auf einzigartige Weise, dass der Mensch Jesus Christus zugleich ewiger Gott ist. Bereits die Eingangsverse, die ohne Parallele sind, verdeutlichen dies: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Dieses war am Anfang bei Gott. Alles wurde durch dasselbe, und ohne dasselbe wurde auch nicht eines, das geworden ist.“
Der Ausdruck „Wort“ bezeichnet in der rabbinischen Sprache den ewigen Gott, Yahweh. Es ist allgemein bekannt, dass man im Judentum bereits in alttestamentlicher Zeit aus Ehrfurcht vor Gott seinen Eigennamen nicht mehr einfach so aussprach. Yahweh ist der Eigenname Gottes, der etwa siebentausend Mal im Alten Testament vorkommt. Man begann, ihn beim Schreiben durch Ersatzworte wie „der Herr“ oder „Himmel“ zu ersetzen. So heißt es zum Beispiel: „Ich habe gesündigt gegen den Himmel und gegen dich“ – das ist gegen Yahweh gemeint.
Auch die Majestät wird durch solche Ausdrücke betont, etwa in Hebräer 1: „Er hat sich gesetzt zu Rechten der Majestät in der Höhe.“ Es gibt verschiedene andere Ersatzworte, und eines davon war „Memra Adonai“ – das Wort des Herrn. In den aramäischen Targumim, den aramäischen Umschreibungen des Alten Testaments, findet man diesen Begriff häufig als Ersatzbezeichnung für Yahweh.
Wenn Johannes vom Wort spricht, meint er also den Memra Adonai, Yahweh, den Ewigen und Unwandelbaren. Gleich in Vers 3 wird erklärt, dass durch dieses Wort alles erschaffen wurde. Es gibt nichts, das je erschaffen wurde, das nicht durch das Wort erschaffen worden ist. Hier wird eindeutig klar: Er selbst ist ewig. Wenn er, wie zum Beispiel die Zeugen Jehovas sagen, die erste Schöpfung Gottes wäre, dann gäbe es etwas, das geschaffen wurde, das nicht durch ihn geschaffen worden ist.
Doch hier wird mathematisch eindeutig formuliert: „Alles wurde durch dasselbe.“ Man könnte sagen: „Ja, alles, manchmal fast alles.“ Nein, es wird umgedreht: „Und ohne dasselbe ward auch nicht eines, das geworden ist.“ Damit wird klargestellt, dass „alles“ jedes Ding einschließt und kein Ding ausschließt.
Das Johannesevangelium beginnt also mit der klaren Darstellung: Jesus Christus ist Yahweh, der Schöpfer. Er ist Gott. Es teilt uns mit, dass Gott sich in seinem Sohn vollkommen geoffenbart hat. Kein anderes Evangelium betont so stark, wie Jesus Christus Gottes Sohn ist und dass diese Beziehung als Sohn zum Vater von Ewigkeit her besteht.
Jesus ist in diese Welt gekommen, um uns zu zeigen, wer der Vater ist. Deshalb findet man im Johannesevangelium so viele Hinweise auf den Vater. Das betont die Gottessohnschaft Christi, und zwar die ewige Gottessohnschaft. Die Jünger entwickelten dadurch eine tiefe Sehnsucht.
In Johannes 14, nachdem der Herr etwa 118 Mal über den Vater gesprochen hat, stellt ein Jünger die Frage: „Herr, zeige uns den Vater, und es genügt uns.“ Jesus antwortet ihm: „So lange Zeit bin ich bei euch, und du hast mich nicht erkannt, Philippus. Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“ Der Sohn Gottes offenbart den Vater.
Diese Erkenntnis des Vaters ist nicht nur eine intellektuelle Einsicht. Das Johannesevangelium zeigt, dass alle, die den Sohn Gottes im wahren Glauben aufnehmen, selbst Kinder Gottes werden und das ewige Leben erhalten. Das heißt, sie kommen durch den Glauben in dieselbe Beziehung als Kinder zum Vater, wie der Sohn sie von Ewigkeit her hatte.
Das Johannes-Evangelium hat daher eine sehr direkte Bedeutung für die Erlösten. Dadurch, dass Gott sich so durch den Sohn geoffenbart hat, ist etwas ganz Neues möglich geworden: Menschen können in diese Sohnschaft hineingeführt werden.
Die Gläubigen werden im Johannesevangelium jedoch nie Söhne Gottes genannt. Paulus nennt die Gläubigen zwar Söhne Gottes, zum Beispiel in Römer 8, doch Johannes tut dies bewusst nicht. Er nennt die Gläubigen nur Kinder Gottes, wie in Johannes 1,12: „So viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden.“ Dies geschieht, um kein Missverständnis entstehen zu lassen, dass unsere Sohnschaft dieselbe Qualität habe wie die ewige Sohnschaft Jesu Christi.
Daher gilt: Wir sind Kinder Gottes, aber er ist der ewige Sohn Gottes.
Die Apostelgeschichte: Die Ausbreitung der Kirche und das Zeugnis der ersten Christen
So kommen wir bereits zur Apostelgeschichte. Wie schon gesagt, beschreibt sie die ersten drei Jahrzehnte der Weltmission. Ausgangspunkt dafür ist das Vier-Punkte-Programm des Messias, das in Apostelgeschichte 1,8 formuliert ist: „Aber ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch gekommen ist, und ihr werdet meine Zeugen sein, sowohl in Jerusalem als auch in ganz Judäa und Samaria und bis an das Ende der Erde.“
Nachdem er dies gesagt hatte, wurde er emporgehoben. Die Reihenfolge Jerusalem, Judäa, Samaria und bis ans Ende der Erde bildet das Prinzip, nach dem die Apostelgeschichte aufgebaut ist.
Sie zeigt bis Kapitel 7 das Zeugnis der ersten Christen in Jerusalem. Erst danach geht es über Jerusalem hinaus nach Judäa, bereits in Kapitel 8 zu den Samaritern und dann besonders zur Weltmission des Apostels Paulus bis ans Ende der Erde. Damals war der Endpunkt Rom.
Die Apostelgeschichte endet jedoch überraschend abrupt. Wer das Buch zum ersten Mal liest, ist gefesselt von dieser dramatischen Geschichte. Einige Kapitel vor dem Ende liest man, wie Paulus sich auf den Kaiser beruft und zum Kaiser gehen will. Lukas beschreibt diese dramatische Reise nach Rom. Auch den Schiffbruch beschreibt er so eindrücklich und detailliert, dass dieser Bericht in Apostelgeschichte 28 der ausführlichste und detaillierteste Schifffahrtsbericht aus der Antike ist.
Er ist vollgespickt mit Fachausdrücken aus der Schifffahrt. Schon deshalb ist dieses Kapitel für Schiffsleute ein ganz besonderes Kapitel.
Paulus kommt schließlich lebend nach Rom. Und es geht uns immer noch um den ersten Leser der Apostelgeschichte. Nun fragt er sich, was vor dem Kaiser geschieht.
Es heißt, Paulus muss zwei Jahre als Gefangener in einer Mietswohnung warten, und es geschieht nichts mehr. Die Pointe fehlt. Die große Frage, was nun bei dem Kaiser von Rom geschieht, wird in diesem Buch nicht beantwortet.
Aber hier endet nur der Bericht des Lukas. Die Mission sollte weitergehen. Dieser offene Schluss soll literarisch zum Ausdruck bringen: Hier haben wir nur die ersten drei Jahrzehnte, aber denkt nicht, dass die Missionsgeschichte am Ende ist – sie geht weiter.
Beeindruckend ist das allerletzte Wort der Apostelgeschichte, das auf Griechisch „ungehindert“ lautet. Der letzte Vers lautet: „Indem er das Reich Gottes predigte und die Dinge, welche den Herrn Jesus Christus betreffen, mit aller Freimütigkeit ungehindert lehrte.“
Im griechischen Grundtext ist „ungehindert“ das letzte Wort. Das Wort Gottes ist nicht gebunden, sagt Paulus in 2. Timotheus 2. Paulus selbst war ein Gefangener, aber das Wort Gottes ist nicht gebunden.
Der Römerbrief: Die universelle Schuld und die Erlösung durch Christus
Der Römerbrief ist eine umfassende Darstellung der Bedeutung des Kreuzestodes des Herrn Jesus im Hinblick auf Menschen aus allen Völkern der Welt. Zunächst zeigt der Römerbrief, dass sowohl die Nichtjuden, die Heiden, als auch die Juden, obwohl sie die Bibel haben, ohne Ausnahme vor Gott schuldig sind.
In den ersten Kapiteln finden wir daher eine rigorose Religionskritik. Die Religionen der Heiden werden kritisiert: Obwohl sie den höchsten Schöpfergott eigentlich erkannt haben – dank der Ordnung und Weisheit in der Schöpfung –, haben sie ihn nicht verehrt. Stattdessen begannen sie, die Natur und Naturgötter zu verehren. So werden sie vor Gott verantwortlich und schuldig gesprochen.
Auch die Juden, die zwar den wahren Gott kannten, sogar durch die schriftliche Offenbarung der Heiligen Schrift, werden schuldig gesprochen. Sie haben sich nicht an die Heilige Schrift gehalten. Das führt zum Höhepunkt in Kapitel 3, Vers 23: „Denn es ist kein Unterschied zwischen Juden und Nichtjuden, denn alle haben gesündigt und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes.“
Nach dieser harten Diagnose folgt die Therapie: Die Menschen werden umsonst gerechtgesprochen durch Gottes Gnade, durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist. Im Anschluss an die Diagnose wird die Befreiung von der Sündenlast und der Macht der Sünde im Menschen eindrücklich dargestellt. Dieser Abschnitt umfasst die Kapitel 1 bis 8.
Wichtig ist zuerst die Erkenntnis, dass alle Menschen gesündigt haben (Römer 3,23). Später, ab Kapitel 5, Vers 12, wird gezeigt, dass alle Menschen die Sünde in sich tragen. Der Ausdruck „die Sünde“ im Singular meint hier nicht eine bestimmte Tat, sondern die Natur des Menschen, die wir von Adam geerbt haben. Adam ist gefallen, und alle seine Nachkommen haben seine gefallene Natur geerbt.
Die Sünde ist also das Wesen in uns, diese Kraft, die uns zum Sündigen treibt. Woher kommt es, dass der Mensch eine Neigung zum Bösen hat? Das kommt aus dieser sündigen Natur, die nichts anderes kann als sündigen und nichts anderes will als sündigen. Darum wird sie schlicht „die Sünde“ oder auch „das Fleisch“ genannt.
Nicht, weil unser Körper an sich schlecht wäre, sondern weil wir Menschen durch diese Natur geprägt sind. Diese Natur kann nichts tun, sie braucht unsere Hände, um zu handeln, unsere Füße, um an falsche Orte zu gehen, unsere Ohren, um Falsches zu hören, unsere Augen und so weiter – auch unser Gehirn! Und diese Teile unseres Menschseins werden ebenfalls als „Fleisch“ bezeichnet. Die sündige Natur braucht unser Menschsein, um überhaupt aktiv werden zu können. Deshalb wird sie auch schlicht „das Fleisch“ genannt.
Paulus zeigt in diesen Kapiteln, dass Jesus Christus auch für das Problem unserer sündigen Natur gestorben ist – nicht nur für das, was wir getan haben, sondern auch für das, was wir sind. Darum ist es wichtig, dass der Mensch nicht nur erkennt, dass er böse gehandelt hat, sondern auch bekennt, dass er verdorben ist.
„Ich elender Mensch!“ heißt es in Römer 7,24: „Wer wird mich retten von diesem Leib des Todes?“ Darauf folgt der Aufblick nach oben: „Ich danke Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn.“
An diese Erlösung schließt sich der Höhepunkt in Kapitel 8 an, wo gezeigt wird, wie der erlöste Mensch völlige Sicherheit des Heils in Christus findet. So endet dieser Teil mit dem feierlichen Bekenntnis, dass es nichts gibt, nichts und niemanden, der uns von der Liebe Gottes scheiden kann.
Ausführlich wird anschließend über Gottes Plan mit Israel gesprochen (Kapitel 9 bis 11). Das erscheint zunächst überraschend, nachdem die Lehre des Heils dargelegt wurde. Doch es ist ein Rechenschaftsbericht über die Aussage in Kapitel 3, Vers 23: Paulus sagt, es ist kein Unterschied zwischen Juden und Heiden – alle haben gesündigt.
Was ist also das Besondere daran, Jude zu sein? Es wird gezeigt, dass das etwas Besonderes bleibt. Gott hat dieses Volk nicht endgültig verworfen, sondern nur vorübergehend auf die Seite gestellt als Nation für eine bestimmte Periode. Die Völker dieser Welt haben nun die besondere Chance, das Heil im Messias kennenzulernen.
Wenn aber die Vollzahl, die von Gott vorgesehene Zahl, erreicht ist, wird Gott sich Israels wieder annehmen. Ganz Israel, das heißt alle, die die große Drangsal überleben, werden dann gerettet werden.
Dieser Einschub ist wichtig, um zu zeigen: Vor Gott und in Bezug auf das Heil bedeutet das Jude-Sein nichts. Doch weil dieses Volk das auserwählte Volk ist und Gott seine Verheißungen und Berufungen nie zurücknimmt, hat Israel als Nation im Heilsplan immer noch einen besonderen Platz – und zwar in der Zukunft. Das ist eindrücklich.
Der Römerbrief wurde im Jahr 57 geschrieben, und wir können heute, zweitausend Jahre später, zurückblicken: Tatsächlich sagt Paulus, Israel sei zum Teil Verstockung widerfahren. Durch die Jahrhunderte hindurch sind nur wenige Juden zum Glauben gekommen, doch es gibt immer einen Überrest nach der Wahl der Gnade (heute, Römer 9).
Millionen von Nichtjuden haben den Erlöser in aller Welt erkannt, auf allen fünf Kontinenten. Heute sehen wir, wie die Juden zurückkehren ins Land ihrer Väter. So bereitet sich der Moment vor, in dem Israel als Nation wieder voll auf den Plan kommt – ganz im Sinne des Römerbriefs.
Es ist bereits heute so, dass möglicherweise Juden leichter zum Glauben kommen als Schweizer, statistisch gesehen. Das ist phänomenal. Die Statistik von „Johnston Gebet für die Welt“ sagt, dass seit den 1960er Jahren fast hunderttausend Juden zum Glauben gekommen sind. Weltweit gibt es etwa dreizehn Millionen Juden.
Übertragen auf die Schweiz mit etwa sieben Millionen Einwohnern und einer grob geschätzten Hälfte der Bevölkerung, müssten seit den 1960er Jahren circa 50 Schweizer zum Glauben gekommen sein. Das erscheint mir zu hoch. Dann könnte man von einer Erweckung sprechen. Dennoch ist es interessant, dass sich hier eine Wende abzeichnet.
Der Schluss des Römerbriefs zeigt, welche praktischen Auswirkungen die Erlösung im alltäglichen Leben der Gläubigen hat beziehungsweise haben muss. Das sind die Kapitel 12 bis 16. Besonders betont sei ein Wort in Kapitel 12, Vers 1: „Ich ermahne euch nun, Brüder, durch die Erbarmungen Gottes, eure Leiber darzustellen als ein lebendiges, heiliges, gottwohlgefälliges Schlachtopfer.“
Dieses Wort „nun“ zeigt, dass diese Ermahnung die Schlussfolgerung aus all den vorangegangenen neun Kapiteln ist. Wenn uns Gott eine so große Erlösung geschenkt hat, dann ist die Konsequenz daraus, dass wir unser Leben wie ein Opfer Gott zur Verfügung stellen.
Die Briefe an die Gemeinden: Korinth, Galater, Ephesus, Philippi, Kolossä
Der erste Korintherbrief: Umgang mit Gemeindeschwierigkeiten
Der erste Korintherbrief beschäftigt sich mit den realen Problemen einer christlichen Ortsgemeinde. Diese Probleme waren in Korinth sehr ausgeprägt. Der Brief zeigt auf, wie konkrete Schwierigkeiten angegangen und gelöst werden müssen.
Zudem gibt er viele detaillierte Anweisungen, die grundsätzlich wichtig sind, um an einem bestimmten Ort eine biblische Ortsgemeinde zu gestalten. Wenn wir das so erkannt haben, wird uns klar, dass der erste Korintherbrief ganz besonders wichtig ist, zum Beispiel wenn eine neue Gemeinde entsteht.
Der Fokus wird dabei nicht auf die Christen weltweit oder auf die Gemeinde weltweit gerichtet, sondern auf eine Gemeinde an einem bestimmten Ort. Dort gibt es immer Probleme, und diese müssen angegangen werden. Es gibt Spaltungen in der Gemeinde, Streit unter Geschwistern, Unordnung und auch moralische Probleme.
Diese Schwierigkeiten können nicht einfach ignoriert werden. Sie müssen gottgemäß geregelt werden. Dafür ist der erste Korintherbrief eine wertvolle Fundgrube, um eine Ortsgemeinde zu verwirklichen – trotz aller realen Schwierigkeiten.
Der zweite Korintherbrief: Dienst und Ermutigung in Schwierigkeiten
Der zweite Korintherbrief spricht ausführlich über den Dienst für Gott, und das inmitten vieler Schwierigkeiten und Nöte, sowohl persönlicher als auch gemeinsamer Art. Er ist voll praktischer und mutmachender Belehrung für jeden, der sein Leben Gott ganz zur Verfügung stellen möchte.
Der Brief beginnt mit einem Lobpreis Gottes, des Vaters, der uns in allen Nöten tröstet. Das Ziel ist, dass wir dann selbst andere, die in Nöten sind, trösten können – und zwar mit dem Trost, den wir selbst von Gott erhalten haben.
Im ersten Kapitel zeigt Paulus, wie er in Ephesus in eine so schwierige Situation geraten war, dass er am Leben verzweifelte. In der Apostelgeschichte 19 sehen wir zwar nicht, dass Paulus verzweifelt ist, doch hier öffnet er sein Herz und sagt, dass er damals wirklich mit dem Leben abgeschlossen hatte. Trotzdem hat Gott ihm eine Befreiung geschenkt.
Wir haben es mit einem Gott zu tun, der in unserem Leben wirkt, wenn wir ihm dienen wollen.
Ferner geht es, ähnlich wie im ersten Korintherbrief, um verschiedene Missstände in der Korinthergemeinde. Paulus möchte seelsorgerlich helfen und die zum Teil schon im ersten Korintherbrief behandelten Probleme endgültig lösen.
Man könnte die beiden Briefe mit zwei Worten charakterisieren: Der erste Brief ist mehr korrektiv, der zweite restaurativ. Der erste korrigiert mehr, der zweite stellt wieder her. Alles, was noch nicht ganz in Ordnung gekommen ist, wird hier zum Abschluss gebracht.
Der Galaterbrief: Warnung vor Gesetzlichkeit und Betonung der Gnade
Ja, es läutet, es ist Pause – eine Viertelstunde Pause. Wir kommen nun zum Galaterbrief.
Der Galaterbrief warnt vor der Irrlehre, die besagt, man könne durch eigenen Verdienst und durch das Einhalten der Gebote des Gesetzes Mose einen Beitrag zur eigenen Erlösung leisten. Er betont daher die Vollgültigkeit des Erlösungswerkes Jesu Christi am Kreuz.
Ferner warnt er ernstlich vor dem Irrweg, dass nichtjüdische Christen beginnen, nach jüdischen Geboten zu leben. Der Galaterbrief ist offensichtlich der erste Brief, den Paulus geschrieben hat. Er gehört also noch in die Zeit der ersten Missionsreise hinein.
Paulus war auf der ersten Missionsreise in Lystra und Derbe, das ist Südgalatien. An diese südgalatischen Gemeinden richtet sich dieser Brief.
Übrigens hat Paulus selbst die jüdischen Gebote weiterhin eingehalten. Er hat zum Beispiel einmal ein Naziräer-Gelübde auf sich genommen (Apostelgeschichte 18). Er ging in den Tempel und wollte die Kosten für jüdische Christen übernehmen, die ebenfalls ein Naziräer-Gelübde hatten, aber verunreinigt worden waren durch einen Toten. Sie mussten mit der Asche der roten Kuh das siebentägige Ritual durchmachen. Da war Paulus bereit, quasi die Opfer für sie zu bezahlen.
Der Galaterbrief spricht jedoch nicht über das Problem, ob Juden, die zum Glauben an den Messias gekommen sind, solche Gebote noch einhalten dürfen. Mit aller Schärfe wird aber darüber gesprochen, dass Nichtjuden, die zum Glauben gekommen sind, überhaupt nichts davon praktizieren dürfen.
Für die Juden gab es eine sehr wichtige Übergangszeit. Sie konnten nicht einfach von einem Tag auf den anderen eine Rechtsumkehr machen, das hätte ein Problem im Gewissen gegeben. Das ist nicht das Thema, das im Galaterbrief behandelt wird.
Es geht um nichtjüdische Christen, die gar nichts mit den jüdischen Geboten zu tun haben dürfen. Deshalb ist dieser Brief eigentlich einer der schärfsten Briefe im Neuen Testament überhaupt.
Das ist heute sehr aktuell, denn es gibt solche Tendenzen, gerade unter evangelikalen Christen, das Christentum mit dem Judentum zu vermischen. Man versucht, Leute zu motivieren, am Laubhüttenfest teilzunehmen und Ähnliches.
Das Christentum ist jedoch etwas völlig Neues. Es ist weder jüdisch noch heidnisch, sondern etwas ganz Neues, das Gott geschaffen hat. Und das darf nicht vermengt werden.
Die Irrlehre, die im Galaterbrief angesprochen wird, besagt nicht, dass nur Werke retten. Sie sagt aber, dass man durch Werke einen Beitrag zur Erlösung leisten kann.
So ist dieser Brief durch alle Jahrhunderte hindurch ein hochaktueller Brief geblieben. Wenn wir daran denken, dass das römisch-katholische Heilssystem genau so arbeitet: Jesus Christus hat zwar am Kreuz gelitten, aber der Mensch muss zu dieser Rettung mit seinen Werken beitragen.
Dieses System fällt unter das harte Urteil des Galaterbriefs: „Ein anderes Evangelium“, das gar kein Evangelium ist. Es fällt unter das Urteil, verflucht zu sein, wer so etwas lehrt.
Interessant ist übrigens der Ausdruck „verflucht“ in Galater 1,8-9. Dort heißt es „Anathema“. Das ist der Ausdruck, den die katholische Kirche in den Verfluchungen der sogenannten Irrlehrer immer wieder gebraucht hat.
Zum Beispiel wurden die Reformatoren, die das Heil aus Glauben allein gelehrt haben, im Konzil von Trient mit dem Anathema belegt. Das ist dieser Fluch, der eigentlich auf die fällt, die ein Evangelium bringen, in dem der Mensch mit seinen Werken zur Erlösung beitragen müsste.
Das ist schon ironisch.
Der Epheserbrief beschreibt in den Kapiteln 1 bis 3 die einzigartige Stellung der Christen als ein neues Volk, das weder jüdisch noch heidnisch ist. Es ist vielmehr ein himmlisches Volk mit himmlischen Segnungen, im Gegensatz zu Israel als irdischem Volk Gottes mit speziell irdischen Segnungen.
Darum beginnt dieser Brief mit diesem Lobpreis: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern, in Christus, wie er uns auserwählt hat in ihm vor Grundlegung der Welt, dass wir heilig und tadellos sein vor ihm in Liebe, und hat uns zuvorbestimmt zur Sohnschaft usw.“
Da wird gezeigt: Das Christentum ist zwar etwas völlig Neues, aber es ist eigentlich noch älter als das Judentum, denn wir sind außerhalb der Welt vor Grundlegung der Welt. Der Plan war schon längst da, aber jetzt erst ist er realisiert worden.
Dieser Brief zeigt aber auch, wie dieser himmlische Charakter der Erlösten, die zur Gemeinde Gottes gehören, sich in den alltäglichen Beziehungen auf Erden auswirken muss – in der Gemeinde, in der Familie, in der Ehe und in der täglichen Arbeit.
Das sind die Kapitel 4 bis 6. Sie sind miteinander so verbunden, dass es in Kapitel 4, Vers 1 heißt: „Ich ermahne euch nun.“ Das kennen wir auch aus dem Römerbrief.
Aus der Darstellung des Heils in Kapitel 1 bis 11 wird die Schlussfolgerung gezogen: „Ich ermahne euch nun.“ Hier wird aus der Darstellung der himmlischen Stellung der Erlösten die praktische Konsequenz gezogen, wie wir in der Gemeinde, in der Familie, in der Ehe und am Arbeitsplatz leben sollen.
Wir sind Menschen nach wie vor auf der Erde, aber durch unseren himmlischen Charakter nehmen wir gewissermaßen diese himmlische Herrlichkeit in die ganz alltäglichen irdischen Beziehungen hinein.
Das macht natürlich plötzlich all das ganz Gewöhnliche, Alltägliche und Familiäre erhaben in Gottes Augen.
Der Philipperbrief: Freude, Demut und Zusammenhalt in der Gemeinde
Der Philipperbrief, geschrieben aus dem Gefängnis in Rom, ist eine wunderbare Abhandlung über die Lebensführung der Christen als eine Schicksalsgemeinschaft. Er wurde im Jahr 62 verfasst. Paulus kam am Ende der Apostelgeschichte nach Rom. Während seiner zweijährigen Gefangenschaft schrieb er den Philipperbrief.
Er betont, dass die Christen durch Sinn für Mission, Demut, Zusammenhalt und Freude im Herrn ausgezeichnet sein sollen. Die Begriffe „freuen“, „sich freuen“, „Freude“ und „froh sein“ kommen sechzehnmal in dem Brief vor. Es ist ein Brief der Freude. Mission, Demut, Zusammenhalt und Freude im Herrn sollen die Christen kennzeichnen.
Der Herr Jesus Christus ist das vollkommene Vorbild. Er soll den Christen stets als Ansporn vor Augen stehen. Der Weg des Christen wird als ein Laufen auf der Rennbahn beschrieben, wie in Kapitel 3. Dabei soll Jesus Christus selbst das alleinige Ziel sein.
Jesus Christus wird in jedem Kapitel auf ganz besondere Art vorgestellt. In Kapitel 1 sagt Paulus: „Das Leben ist für mich Christus“ (Philipper 1,21). In Kapitel 2 ist Jesus das vollkommene Vorbild. Ab Vers 5 wird die Erniedrigung Christi und seine schließliche Erhöhung dargestellt.
In Kapitel 3 ist Jesus das Ziel. Paulus spricht von einer Kampfbahn, auf der er das Ziel anschauend jagt (Philipper 3,14). Christus ist das Ziel. In Kapitel 4 ist Christus unsere Kraft. Dort heißt es: „Alles vermag ich in dem, der mich kräftigt“ (Philipper 4,13).
Zusammenfassend kann man sagen: Kapitel 1 – Christus ist mein Leben, Kapitel 2 – Christus ist mein Vorbild, Kapitel 3 – Christus ist mein Ziel, Kapitel 4 – Christus ist meine Kraft.
Der Kolosserbrief: Die überragende Herrlichkeit Christi gegen mystische Irrlehren
Der Kolosserbrief ist eine Antwort auf die Gefahr der Verführung durch eine mystische Irrlehre, die griechische und jüdische Elemente miteinander vermischt. Er stellt als Gegensatz die überragende Herrlichkeit der Person Jesu dar, so wie Paulus sie kennt. Die Stellung des Christen in Christus wird dabei deutlich gemacht. Es wird klargestellt, dass all die verführerischen Angebote mystischer Bewegungen im Vergleich zu dem, was ein Gläubiger als reines Geschenk in Christus besitzt, völlig wertlos sind.
Im Kolosserbrief wird diese überragende Größe Christi aufgezeigt, zum Beispiel in Kapitel 1, Vers 16. Dort wird Jesus als Schöpfer aller Dinge dargestellt. In Vers 18 heißt es, dass er das Haupt der Gemeinde ist. Gottes Ziel ist es, dass Jesus in allen Dingen den Vorrang hat (1,18). Damit wird die einzigartige Stellung Jesu Christi betont.
Schließlich heißt es in Kapitel 2, Vers 9 und 10: „Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig.“ Das bedeutet, dass der dreieinige Gott in dem Menschen Jesus Christus gegenwärtig ist – leibhaftig, in der ganzen Fülle der Gottheit. Und weiter: „Und ihr seid vollendet in ihm.“
Die mystischen Irrlehrer behaupteten, man müsse bestimmte Übungen machen, um eine höhere Stufe im Glauben zu erreichen und zu höherer Erkenntnis zu gelangen. Paulus widerspricht dem: „Habt ihr das alles nicht nötig, ihr seid schon vollkommen gemacht in Christus.“ Das ist nicht, weil ihr besonders gut seid, sondern weil ihr in Christus seid. Wenn ihr mit ihm als Gläubige verbunden seid, seid ihr bereits in ihm vollendet. Eine Stufenentwicklung ist also nicht notwendig.
Dieses Thema ist heute sehr aktuell, denn Mystizismus ist nach wie vor populär. Seit den 1960er Jahren, mit dem Aufkommen von Rockmusik, Drogen, östlicher Religion und Esoterik, ist unsere westliche Gesellschaft von Mystik und der Suche nach mystischer Erfahrung geradezu überrollt worden. Das hat auch Einfluss auf Christen genommen. Viele Christen suchen ebenfalls nach mystischen Erfahrungen. Es gibt viele, die glauben: Wenn man bekehrt ist, ist das gut, aber es braucht noch eine höhere Erfahrung. Das ist genau das Prinzip der Mystik.
Dem können wir widerstehen, indem wir sagen: Paulus schreibt, „In ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig, und ihr seid vollendet in ihm.“ Letztlich widerspricht die Mystik der Vollkommenheit Christi. Sie behauptet, dass wir durch den Glauben nicht alles bekommen hätten. Deshalb ist dieser Schlüsselvers so wichtig: Wir haben in Christus bereits alles.
Wenn uns die Größe von Jesus Christus bewusst wird, verblasst alles andere daneben. Das gilt auch für aktuelle Trends. Heute ist es zum Beispiel sehr verbreitet, durch ständiges Wiederholen von Refrains und Liedern innerlich eine höhere Stufe erreichen zu wollen. Das hat etwas Mystisches an sich, wenn man das sehr intensiv und häufig macht. Interessanterweise wird dann oft nur über „Überanbetung“ gesprochen, nicht über den Inhalt der Anbetung selbst.
Man sollte einmal vergleichen, wie Lieder heute geschrieben werden, mit den Texten aus frühen Jahrhunderten. In diesen alten Liedern steckt in einer einzigen Strophe eine Fülle neutestamentlicher Lehre – ein reines Konzentrat. Moderne Ausdrücke wie „Wir wollen anbeten“, „Let us worship“ oder „Wir wollen deinen Namen erheben“ sprechen meist über die Anbetung an sich, nicht über die Anbetung als Handlung.
Der Kolosserbrief zeigt uns jedoch im Detail, wer Jesus Christus ist. So werden wir von Grobbetrachtern zu Detailisten. Wir können sagen: „Herr, ich danke dir für alles, es ist alles großartig.“ Dann sind wir Grobbetrachter. Gott möchte aber, dass wir sagen: „Was finden wir denn an Jesus Christus so großartig?“ Und dafür bietet der Kolosserbrief eine Fülle von Antworten.
Im Brief wird uns im Detail gesagt, wer Jesus Christus ist: Er ist das Haupt des Leibes, der Versammlung, der Anfang, der Erstgeborene von den Toten und vieles mehr. Das hilft uns, wahre Anbetung kennen zu lernen.
Interessant ist auch die Herkunft des Wortes „Kolosser“. Es kommt von „kolossal“ und bedeutet „riesengroß“. Gerade im Kolosserbrief wird die überragende Größe der Person des Herrn Jesus Christus dargestellt.
Die Thessalonicherbriefe: Ermutigung und Korrektur zur Wiederkunft Christi
Der erste Thessalonicherbrief klärt eine junge, bereits durch manche Verfolgung erprobte Gemeinde über verschiedene Missverständnisse auf, insbesondere in Verbindung mit der Wiederkunft Christi. Er zeigt auf, dass der Herr Jesus Christus in der Zukunft alle Erlösten entrücken wird (1. Thessalonicher 4,13 und folgende), um später mit ihnen zusammen aus dem Himmel wiederzukommen als Richter der Welt.
Dieser Brief ermutigt in den Nöten des Lebens durch die beständige Erwartung des Kommens des Herrn Jesus. Die Thessalonicher waren also erst vor kurzem bekehrt worden, und dann kam dieser erste Brief. Es ist sehr beeindruckend, wie in jedem Kapitel dieses Briefes über die Wiederkunft Christi gesprochen wird. Manchmal ist es die Entrückung, manchmal das zweite Kommen in Herrlichkeit mit allen Gläubigen. Es kann in einem Kapitel beides zusammen sein, aber in jedem Kapitel wird über die Wiederkunft Christi gesprochen.
Das ist schon beeindruckend, denn dieses Thema ist ja oft in der Kirchengeschichte vernachlässigt worden, bis es gewissermaßen totgeschwiegen wurde. Aber das zeigt uns, dass solche Dinge für Frischbekehrte schon ganz wichtig sind. Wir stehen in einer lebendigen Erwartung des Herrn Jesus für die Gemeinde und dann sein Kommen mit ihm in Herrlichkeit. Das gibt uns Mut und Kraft, um Christen zu sein in den Schwierigkeiten des Lebens.
Der zweite Thessalonicherbrief ist eine Antwort auf das Missverständnis, dass die Zeit der göttlichen Gerichte über die Welt schon gekommen sei. Die Thessalonicher gingen durch Nöte und Verfolgung, und dann sagten ihre Lehrer: „Schaut, das ist nun schon der Gerichtstag Gottes über die Welt.“ Paulus erklärt, dass die Verfolgungen und Nöte der Christen nicht mit der Zeit der Gerichte der Endzeit verwechselt werden dürfen.
Die Endzeitgerichte können erst kommen, nachdem zuvor die Verführung durch den Antichristen, den Sohn des Verderbens, stattgefunden hat. Dieser Brief warnt ferner ernstlich davor, dass die Erwartung der Wiederkunft Jesu niemals zu einer unnüchternen Lebensführung Anlass geben darf. Man darf dabei die Verantwortung für die täglichen Belange und Pflichten nicht vernachlässigen.
Im letzten Kapitel geht es um solche in der Gemeinde, die nicht mehr arbeiten wollten. So etwas hätte man ja irgendwie begründen können: „Was sollen wir denn noch groß tun? Ich meine, die Wiederkunft Christi kommt ja sowieso bald.“ Aber dieser Brief zeigt uns, wie wichtig es ist, in der lebendigen Erwartung der Wiederkunft Christi zu stehen, jedoch niemals mit dem Fehlschluss, dass unsere Verantwortung – sei es in der Arbeit, im Beruf oder in der Familie – darunter leiden soll.
Denn das wäre ein unordentlicher Lebenswandel. Paulus sagt sogar, wenn jemand unordentlich lebt, dann muss die Gemeinde ihn zurechtweisen. Es gibt also eine gewisse Gemeindezucht, die nicht auf Ausschluss abzielt, sondern darauf, dass der Betreffende zur Einsicht kommt.
Die Pastoralbriefe: Anleitung für Gemeindeleitung und Glaubensleben
Im ersten Timotheusbrief gibt Paulus dem jungen Mitarbeiter Timotheus Anweisungen für seine Aufgaben unter den Gläubigen in Ephesus. Man sollte in diesem Schreiben besonders auf die vielen konkreten Befehle achten. Es lohnt sich, mit einem Farbstift alle Befehlsformen in diesem Brief zu markieren. So kommt man auf etwa dreißig Befehle und weiß dann, was zu tun ist.
Es gibt Menschen, die manchmal den Eindruck haben, dass bibelgebundenes Christentum nur Theorie sei. Sie sagen: „Wir wollen Erfahrung, wir wollen Leben.“ Das spiegelt den heutigen Widerstreit des Zeitgeistes wider, der erfahrungsbetont ist, im Gegensatz zur Betonung von Prinzipien und Überlegungen. Genau das finden wir auch in der christlichen Gemeinde wieder. Heute wird viel mehr die Erfahrung betont, während das Wort oft vernachlässigt wird.
Aber das Wort ist sehr praktisch und konkret für das Leben. Es ist kein theoretisches Buch, sondern gibt Gottes Lehre für das praktische Leben. Wenn jemand wissen möchte, wie er leben soll, dann genügt es, den ersten Timotheusbrief zu lesen und die etwa dreißig Befehle zu befolgen. Das wäre schon ein guter Anfang, und danach kann man mit dem zweiten Timotheusbrief weitermachen. Aber bleiben wir zunächst beim ersten.
Übrigens, ganz nebenbei: Expo 02 illustriert dieses Problem genau. Dort gehen Lehrer mit Schülern hin, die das dahinterstehende Prinzip nicht erklären können. Sie haben zwar ein Büchlein mit Erklärungen bekommen, aber das Wesentliche steht dort nicht drin. Man muss es einfach erleben. Hinter diesem Erlebnis stehen Chefideologen mit klaren Absichten, die über das Erfahrungsmäßige unbewusst bestimmte Inhalte vermitteln wollen.
Die Leute sind sowieso auf Erfahrung aus, und das können sie dort haben. Es gibt eine Theorie dahinter, aber die wird nicht offen gesagt, weil sie unbewusst wirken soll. Das ist genau das Gegenteil davon, wie Gott arbeitet. Gott spricht unseren Willen und unser Bewusstsein direkt an. Der Herr Jesus sagt zu Jerusalem: „Hättest du doch diesen deinen Tag wahrgenommen, aber du hast nicht gewollt! Wie oft habe ich dich versammeln wollen wie eine Henne ihre Küken, aber du hast nicht gewollt.“
Das Problem ist der Wille des Menschen. Gott spricht den Willen an, und wenn der Mensch nicht will, geht er verloren. Der Teufel versucht hingegen, den Willen zu umgehen, um Menschen auf anderen Wegen für seine Theorie zu gewinnen. Gottes Wort spricht aber immer unser Bewusstsein und unseren Willen direkt an, ohne das zu umgehen.
Das war ein kleiner Exkurs. Der erste Timotheusbrief zeigt, wie man ein gesundes Glaubensleben führen kann und wie man krankhaften Entwicklungen entgegenwirkt. Deshalb spricht der Brief immer wieder über ungesunde Lehre. Es gibt auch eine gesunde Lehre, aber die ungesunde Lehre ist eine christliche Lehre, die sich in der Heilung verändert hat und Abweichungen enthält. Diese machen die Leute krank.
Die Frage, ob Glaube krank machen kann, ist mit Ja zu beantworten. Aber dann ist an der Lehre etwas krank. Gesunde Lehre fördert gesundes Christentum, ungesunde Lehre macht Christen krank. Wenn Christen krank werden, obwohl sie glauben, ist irgendwo etwas schiefgelaufen – entweder bei denen, die lehren, oder beim Verständnis der Lehre. Dieses Problem zeigt sich auch oft in der Seelsorge. Falsche Gedanken können tatsächlich krank machen.
Der Brief gibt ferner Anweisungen zu den Themen Gebet, Stellung der Frau, Leiterschaft in der Gemeinde, also Ältestenschaft und Diakonendienst. Die Ausführungen über das Geheimnis der Gottseligkeit in 1. Timotheus 3,16 bilden einen besonderen Höhepunkt dieses Schriftstücks. Es ist eigentlich ein poetisches Stück, eine Zusammenfassung fundamentaler Wahrheiten des Christentums, die die Gemeinde durch alle Jahrhunderte aufrechterhalten sollte.
Der zweite Timotheusbrief hat einen besonders feierlichen Charakter. Er ist das letzte Schreiben von Paulus im Neuen Testament, verfasst um 66 nach Christus aus seiner Todeszelle in Rom. Es gibt Hinweise darauf, dass Paulus nach seiner Gefangenschaft am Ende der Apostelgeschichte zunächst frei wurde, nochmals herumreiste, wieder gefangen genommen wurde und schließlich in Rom in die Todeszelle kam.
Dieser Brief ist das Testament des Paulus. Er sah, wie sein Lebenswerk unter schlechten Einflüssen zu degenerieren begann, ohne dass er noch persönlich eingreifen konnte. Seinen längsten Missionsdienst leistete er in Ephesus – drei Jahre lang (Apostelgeschichte 19). Dort gab er jeden Tag Bibelunterricht. Innerhalb dieser Zeit hörten alle in der Provinz Asia – Juden und Nichtjuden – das Wort des Herrn.
Die Provinz Asia ist etwa so groß wie die Schweiz. Innerhalb von drei Jahren wurde also ein Gebiet von dieser Größe evangelisiert. Nicht indem man sagte, Bibelstudium sei unwichtig, sondern durch tägliches Bibelstudium wurde evangelisiert. Im zweiten Timotheusbrief sagt Paulus: „Du weißt, dass alle, die in Asia sind, mich verlassen haben“ (2. Timotheus 1,15). Er hat ein riesiges Werk aufgebaut, das nicht vom Glauben abgefallen ist, aber Paulus war für sie vorbei.
Er wusste, dass er in der Todeszelle war und nichts mehr direkt dagegen unternehmen konnte. Dies nimmt er zum Anlass, um über die letzten Tage, die Endzeit der Christenheit, zu sprechen (Kapitel 3, Verse 1 und folgende). Was in der Zeit des Paulus im Ansatz geschah, sollte in großem Maß die Christenheit in der Endzeit vor der Wiederkunft Christi kennzeichnen. Deshalb ist dieser Brief heute so aktuell.
Wir kennen das: Paulus hatte seine Auffassungen. „Alle, die in Asia sind, haben mich verlassen.“ Ein Brief, der uns Auskunft gibt, wie wir in der Endzeit leben sollen. Dieser Brief enthält viele konkrete und persönliche Verhaltensanweisungen in einer Zeit des allgemeinen Abweichens von biblischen Belehrungen. Ein hochaktueller Brief in einer Zeit der Verführung und des unaufhaltsamen Niedergangs.
In diesem Brief finden wir die klassische Inspirationsstelle: „Alle Schrift ist von Gott eingegeben“ (2. Timotheus 3,16). Genau unsere Zeit ist die Zeit, in der die Inspiration und Autorität der Bibel massiv in Frage gestellt wird. Früher geschah das in der Landeskirche durch die liberale Theologie, heute auch unter Evangelikalen. In den letzten Jahren wurde in Ausbildungsstätten immer deutlicher, dass die volle Inspiration und Autorität der Bibel infrage gestellt wird. Dies wird sich in den kommenden Jahren weiter verstärken.
Interessanterweise führt uns der zweite Timotheusbrief wieder zum Fundament zurück und betont: „Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und wovon du völlig überzeugt bist; bleibe darin fest“ (2. Timotheus 3,14).
Der Titusbrief und der Philemonbrief: Gemeindeleitung und praktische Liebe
Im Titusbrief gibt der Apostel Paulus Anweisungen an seinen Mitarbeiter Titus bezüglich seines Dienstes unter den Gemeinden auf der Insel Kreta. Er betont die Wichtigkeit gesunder Leiterschaft, das heißt der Ältestenschaft, unter dem Volk Gottes. Diese ist notwendig, um ihrem Lehrauftrag nachzukommen und krankhaften Entwicklungen wirksam begegnen zu können.
Paulus spricht konkret über den christlichen Lebenswandel unter Berücksichtigung verschiedener Gruppen: der Alten, der Jungen, der Frauen, der Männer und der Sklaven. Die Bezeichnung „Sklaven“ kann man heute gut auf Menschen übertragen, die in einem Abhängigkeitsverhältnis am Arbeitsplatz stehen. Darüber hinaus wird auch die richtige Haltung gegenüber dem Staat und den ungläubigen Mitmenschen thematisiert.
Der Philemonbrief ist ein eindrucksvolles Plädoyer von Paulus für einen davongelaufenen, einst unnützen Sklaven namens Onesimus. Der Name Onesimus bedeutet so viel wie „der Nützliche“. Paulus war in Rom zwei Jahre lang gefangen, wie am Ende der Apostelgeschichte berichtet wird. Während dieser Gefangenschaft kam er mit einem Sklaven in Berührung, der seinem Herrn davongelaufen war. Durch den Apostel Paulus kam dieser Sklave in dieser Zeit zum Glauben.
Paulus schrieb nun an den Herrn von Onesimus, Philemon, der ein Christ in der Provinz Asia war, genauer gesagt in Kolossä. Dieser Brief wurde zusammen mit dem Kolosserbrief im Jahr 62 versandt – zur gleichen Zeit wie auch der Philipperbrief und der Epheserbrief.
Paulus ermahnt Philemon, den Herrn von Onesimus, den Davongelaufenen als seinen Bruder in Christus liebevoll wieder aufzunehmen. Man kann sagen, dieser Brief ist ein Juwel christlichen Takts und feinfühliger Umgangsweise bei heiklen Angelegenheiten. Es geht dabei überhaupt nicht darum, jemanden scharf zu kritisieren oder zu bestrafen. Vielmehr zeigt Paulus, wie man sehr heikle Probleme auf eine feine, nicht hinterhältige und dennoch diplomatische Art löst – mit Takt und Feinfühligkeit.
Die Briefe an die Hebräer, Jakobus und Petrus: Glaube, Werke und Hoffnung
Der Hebräerbrief: Die Überlegenheit Christi gegenüber dem Alten Bund
Der Hebräerbrief richtet sich an jüdische Christen, also an Hebräer. Der Titel „Hebräerbrief“ ist eine spätere Bezeichnung, denn das Wort kommt im Brief selbst nicht vor. Die Titel sind nicht inspiriert, nur der Brief selbst.
Es geht um jüdische Christen, und dieser Brief zeigt, dass das Alte Testament mit seinen vielen Riten und Opfern lediglich ein Schattenbild dessen ist, was durch das Kommen des Messias Jesus Wirklichkeit geworden ist. Deshalb wird immer wieder betont, dass das, was Christus gebracht hat, besser und größer ist.
Beeindruckend und klar stellt dieser Brief die Einzigartigkeit, Größe und Herrlichkeit der Person, des Herrn Jesus Christus, dar. Mit diesem Brief kann man auch wieder lernen, anzubeten. Denn hier wird sehr detailliert erklärt, wer Jesus Christus ist und was an ihm so wunderbar ist.
Der Brief beginnt übrigens ohne Nennung des Autors oder der Adressaten. Alle Menschen – der Schreiber und die Adressaten – sollen in den Hintergrund treten. Es geht um die Größe von Jesus Christus.
Ich habe gesagt, der Hebräerbrief ist im klassischen Griechisch verfasst, zusammen mit den Schriften von Lukas eine der schönsten und literarisch anspruchsvollsten Sprachen im Neuen Testament. Das soll die Erhabenheit des Herrn Jesus Christus unterstreichen.
Zum Beispiel beginnt der Brief mit einem fünffachen Stabreim. Ein Stabreim bedeutet, dass mehrere Wörter mit demselben Anfangsbuchstaben beginnen, wie „Mann und Maus“ oder „Haus und Hof“. Der Brief beginnt mit dem Explosivlaut „Pi“: Polymeroskai, Polytropos, Palae, Hoteos lalesas und dann wieder bei den Vätern, Patrasin, in den Propheten, Entheus, Prophet, Prophetheus. Fünfmal knallt es am Anfang, hier ist das „Pi“.
Es gibt dieses Erhabene, und dann wird gesagt: Jesus Christus ist gekommen. Nachdem Gott so lange durch Propheten gesprochen hat, ist ab jetzt der Sohn da.
Der Jakobusbrief: Glaube zeigt sich in Werken
Der Jakobusbrief zeigt, dass sich echter Glaube in konkreten Taten ausdrückt. Ein Glaube, der nur ein Lippenbekenntnis ist, muss als tot bezeichnet werden. Der Brief macht sehr deutlich, was in Gottes Augen gute Werke sind. Dabei können es unter Umständen Dinge sein, die Menschen als schlecht ansehen.
Ein Beispiel dafür ist Rahab. Was hat sie getan? Landesverrat. Sie hat die Spione aufgenommen. Doch sie handelte aus Glauben, weil Gott das Gericht über Jericho beschlossen hatte. Ein weiteres Beispiel ist Abraham, der seinen Sohn opfern sollte. Auch das würde man heute nicht unbedingt als Beispiel für gute Werke ansehen. Es geht hier um Gehorsam gegenüber Gott. Abraham musste seinen Sohn nicht wirklich opfern, aber es ging um die volle Anerkennung der Autorität Gottes über ihm.
Gute Werke müssen sich also in Taten zeigen und sind Ausdruck wahren Glaubens. Jakobus richtete diesen Brief an jüdische Christen in der Anfangszeit des Christentums. Wie bereits erwähnt, war diese Epoche eine Übergangszeit, in der die Judenchristen sowohl die Synagoge als auch die christliche Gemeinde besuchten.
In Kapitel 2 spricht Jakobus über das Verhalten beim Synagogenbesuch. In Kapitel 5 geht es um die Ältesten der Ekklesia, der Gemeinde. Im gleichen Brief sehen wir dieses Nebeneinander in der Übergangszeit der ersten Jahrzehnte des Christentums.
Die Petrusbriefe: Hoffnung und Standhaftigkeit in der Zerstreuung
Der erste Petrusbrief richtet sich erneut an jüdische Christen, insbesondere an jene in der Zerstreuung, also in der Diaspora – ein Fachausdruck für Juden, die im Ausland leben. Diese Christen mussten lernen, was es bedeutet, an einen unsichtbaren Messias zu glauben, dessen Weltreich noch in der Zukunft liegt.
Das war anfangs eine große Schwierigkeit für die Juden. Wie kann Jesus der Messias sein, wenn er ja gar nicht mehr hier ist? Wie kann Jesus der Messias sein, wenn es auf Erden keinen Frieden gibt? Petrus erklärt, dass dies alles eine Frage der Zeit ist. Der Messias ist jetzt im Himmel und wird kommen, um sein Reich aufzurichten. In der Zwischenzeit sind wir als seine Diener hier auf Erden und müssen auch durch Leiden hindurchgehen.
Dieser Brief zeigt, wie Christen in der Zeit zwischen dem Weggang des Herrn Jesus und der Aufrichtung des messianischen Reiches bei der Wiederkunft Christi leben sollen. Immer wieder wird das Leben Jesu hier auf Erden als Vorbild hingestellt, dem wir in seinen Fußstapfen nachfolgen sollen. Wenn Menschen uns lästern, sollen wir nicht zurückgeben – genauso wie Christus gelästert wurde und nicht zurückgab.
Der zweite Petrusbrief wurde übrigens ebenfalls aus der Todeszelle geschrieben. Er ist das Testament des Petrus. Dieser Brief richtet die Blicke der Gläubigen auf das kommende messianische Königreich und die damit verbundene Wiederkunft Christi.
In diesem Brief erwähnt Petrus nochmals die Erfahrung auf dem Berg der Verklärung (Matthäus 17), wo er zusammen mit Jakobus und Johannes Jesus Christus in seiner königlichen Herrlichkeit gesehen hatte. Sein Angesicht strahlte wie die Sonne. Petrus erklärt, dass sie gewissermaßen Christus in der Herrlichkeit gesehen haben, wie er in der Zukunft kommen wird. Diese Erfahrung auf dem Berg war ein Vorgeschmack darauf, was noch kommen wird.
Das war ein wichtiges Pfand für die Juden, die zum Glauben kamen und sich fragten: Warum ist der Messias eigentlich nicht da? Warum haben wir kein Friedensreich? Petrus sagt, dass wir durch diese Erfahrung, wie in 2. Petrus 1,19 beschrieben, das prophetische Wort „befestigt“ besitzen. Wenn in manchen Übersetzungen nur „befestigt“ steht, ist das zu wenig wörtlich. Es heißt tatsächlich „befestigter“. Warum? Das prophetische Wort der Bibel ist an sich schon glaubwürdig. Doch diese Erfahrung auf dem Berg gibt ein zusätzliches Argument, dass Jesus Christus als König über die Welt in der Zukunft kommen wird.
Das prophetische Wort, das diese Hoffnung nährt, wird mit einer Lampe verglichen, die an einem dunklen Ort scheint (2. Petrus 1,19). Kapitel 2 beschreibt ausführlich das verderbliche Werk von Irrlehrern, um die Erlösten vor ihren Taktiken und Verführungen zu schützen.
Petrus schrieb diesen Brief, wie gesagt, kurz vor seinem Märtyrertod. Er ist sein Testament. Das verleiht diesem Schreiben einen ganz feierlichen Charakter – es sind die letzten Worte des führenden Apostels der Zwölf, ähnlich wie der Zweite Timotheusbrief das letzte Wort des Heidenapostels Paulus ist.
Die Johannesbriefe und der Judasbrief: Warnungen vor Irrlehren und Aufruf zur Treue
Der erste Johannesbrief: Kampf gegen gnostische Irrlehren
Der Erste Johannesbrief warnt vor gnostischen Irrlehren, die die Wahrheit über die Person des Herrn Jesus Christus massiv angreifen. Diese Lehren leugnen, dass Jesus wahrer Mensch und wahrer Gott in einer Person ist.
Die Gnostiker, eine Irrlehre-Bewegung im ersten Jahrhundert, stellten eine der Hauptgefahren für die Christen dar. Diese Gedanken stammen aus der griechischen Philosophie. Im griechischen Denken gilt der Geist als etwas Besonderes, während der Körper als minderwertig angesehen wird. Der Körper wird als Gefängnis der Seele betrachtet, und Materie insgesamt gilt als minderwertig. Das, was erhaben ist, ist das Ideelle, das Gedankliche.
Daraus folgte die Überlegung, dass die sichtbare Schöpfung minderwertig sei. Wenn Gottes Sohn in diese Welt gekommen ist, dann sei er ganz bestimmt nicht ein wirklicher Mensch geworden, denn sonst hätte er etwas Minderwertiges angenommen. Deshalb behaupteten die Gnostiker, Jesus sei nur ein scheinbarer Mensch gewesen, aber nicht wirklich Mensch geworden. Auch seine ewige Gottessohnschaft wurde von ihnen geleugnet.
Dieser Brief ist daher ein Kampfbrief gegen diese verderbliche Irrlehre. Es wird darin erklärt: Wer in dieser Weise den Sohn Gottes leugnet, ist ein Antichrist – jemand, der sich gegen Christus stellt. Wer aber den wahren biblischen Jesus kennt und Gemeinschaft mit ihm hat, der hat auch Gemeinschaft mit Gott, dem Vater.
Der wahre und unverfälschte Glaube an den Sohn Gottes zeigt sich durch Gehorsam gegenüber Gottes Wort und durch Liebe zu den Glaubensgeschwistern. Deshalb wird hier betont, zum Beispiel in Kapitel 4, Vers 6: „Wir sind aus Gott. Wer Gott kennt, hört uns.“ Johannes macht sich damit eins mit allen Aposteln und Propheten.
„Wir sind aus Gott, und wer Gott kennt, der hört auf sie.“ Das ist ein Kennzeichen dafür, ob jemand echten Glauben hat: Er erkennt und akzeptiert die Schriften des Neuen Testaments bedingungslos. „Wer aus Gott ist, hört. Wer nicht aus Gott ist, hört nicht.“ So sagt Johannes weiter: „Wer nicht aus Gott ist, hört uns nicht. Hieraus erkennen wir den Geist der Wahrheit und den Geist des Irrtums.“
In Kapitel 5, Vers 1 heißt es: „Jeder, der glaubt, dass Jesus der Christus ist, ist aus Gott geboren, und jeder, der den liebt, welcher geboren hat, liebt auch den, der aus ihm geboren ist.“ Ein wahrer Christ zeichnet sich dadurch aus, dass er die Gemeinschaft mit anderen Gläubigen sucht und liebt. Wenn er jemanden neu kennenlernt und merkt, dass bei dieser Person Glaube an Jesus Christus vorhanden ist, fühlt er sich sofort verbunden. Das ist eine Auswirkung des neuen Lebens.
Der zweite und dritte Johannesbrief: Warnung vor Irrlehrern und Ermutigung zur Unterstützung
Der zweite Johannesbrief richtet sich an eine Mutter und ihre Kinder. Sehr speziell warnt der alte Apostel Johannes sie vor dem Umgang mit Antichristen. Dabei handelt es sich um Irrlehrer, die die biblische Lehre über die Person von Jesus Christus verfälschen oder nicht richtig weitergeben.
Johannes sagt, wenn jemand zu euch kommt, der die Lehre Christi nicht bringt – das heißt, die Lehre darüber, wer Christus ist – dann ist das die schwerste Irrlehre, die es gibt. Zum Beispiel ist es nicht dasselbe, wenn jemand eine Lehre vertritt, die vielleicht einzelne Bibelstellen abschwächt, als wenn jemand sagt, Jesus Christus sei nicht Gottes Sohn. Das ist die schlimmste Form von Irrlehre.
Man kann also nicht jede Irrlehre auf dieselbe Stufe stellen. Diese Irrlehre ist so schwerwiegend, dass Johannes sagt: Eine solche Person darf man niemals ins Haus aufnehmen (2. Johannes 10-11). Gleichzeitig dient diese Haltung auch als Schutz vor Verführung. Es ist notwendig, sich von solchen Personen zu trennen.
Der dritte Johannesbrief richtet sich an einen Christen namens Gaius. Johannes erklärt ihm, wie wichtig es ist, Missionare, wenn sie vorbeikommen, zu unterstützen und sie für ihre Reisen auszurüsten. Ich lese: „Geliebter, du tust treu, was immer du an den Brüdern getan hast, und zwar an Fremden, die von deiner Liebe Zeugnis gegeben haben vor der Gemeinde. Du wirst wohltun, wenn du sie auf eine gotteswürdige Weise leitest, denn für den Namen sind sie ausgegangen und nehmen nichts von denen aus den Nationen. Wir nun sind schuldig, solche aufzunehmen, damit wir Mitarbeiter der Wahrheit werden“ (3. Johannes 5-8).
Interessant ist, dass der zweite Johannesbrief sagt: Nicht aufnehmen, während der dritte Johannesbrief sagt: Aufnehmen. Lehrer, die Irrlehren verbreiten, müssen abgewiesen werden. Wahre Missionare hingegen sollen unterstützt werden. Johannes betont, dass diese Missionare nichts von den Heiden annehmen, also sich nicht finanziell von Nichtchristen unterstützen lassen. Das lehnen sie ab.
Während der zweite Brief gebietet, irreführende Lehrer konsequent abzuweisen, ermahnt der dritte Brief dazu, bibeltreue Missionare aufzunehmen. Außerdem warnt er vor Machtmenschen in der Gemeinde. Es geht hier um Diotrephes, der gerne der Erste sein will.
Hier wird ein schwerwiegendes Problem angesprochen, unter dem die Gemeinde in den letzten zweitausend Jahren immer wieder gelitten hat: Machtmenschen in der Gemeinde. Das ist ein großes Problem, denn es kann sein, dass jemand kein Irrlehrer ist, aber trotzdem ein Machtmensch. Solche Personen können großen Schaden anrichten.
Interessanterweise hat man in der Seelsorge festgestellt, dass Machtmenschen meistens nicht geheilt werden können. Warum? Bei ihnen ist sowieso alles in Ordnung, während alle anderen nicht in Ordnung sind. Sie sehen sich als die Einzigen, die richtig liegen, und gehen oft nicht in die Seelsorge, weil sie kein Problem haben. Andere Menschen neben ihnen zerbrechen jedoch an ihrem Verhalten.
Der dritte Johannesbrief zeigt uns, dass solche Machtmenschen nicht einfach ignoriert oder stehen gelassen werden dürfen.
Der Judasbrief: Warnung vor falschen Lehrern und Ermutigung zum Glaubenstreue
Der Judasbrief spricht über die Infiltrierung der christlichen Gemeinde durch unechte Christen, also Menschen, die keine persönliche Beziehung zu Gott haben. Judas schreibt: „Denn gewisse Menschen haben sich eingeschlichen, die schon längst zu diesem Gericht zuvor aufgezeichnet waren, gottlose Menschen.“ Dabei handelt es sich nicht um Atheisten, sondern das griechische Wort bedeutet solche, die keine Ehrfurcht vor Gott haben. Diese Menschen verkehren die Gnade unseres Gottes in Ausschweifung und verleugnen unseren alleinigen Gebieter und Herrn Jesus Christus.
Das sind also Leute, die Einfluss unter den Christen gewinnen und vermitteln, dass man den Lebensstil sehr locker nehmen kann. Zweitens verleugnen sie die Autorität von Jesus Christus. Dieses Problem ist auch heute noch sehr aktuell: ein unbiblischer Lebensstil und die Nichtanerkennung der völligen Autorität Gottes in der Gemeinde.
Judas schildert eine völlig verkommene Christenheit, die voll von Unmoral und Rebellion gegen Gottes Willen ist. Es herrscht ein offener Abfall vom biblischen Glauben. Dennoch ermutigt Judas die wahren Christen zu einem überzeugenden christlichen Lebenswandel und schließt mit einem wunderbaren Lobpreis.
Er sagt den ganzen moralischen Zerfall der Christenheit voraus, der bis heute anhält. Doch der Brief endet nicht mit Wehklagen, sondern mit einer eindrücklichen Doxologie, einem Lobpreis. In Vers 24 heißt es: „Dem aber, der euch ohne Straucheln zu bewahren und vor seiner Herrlichkeit tadellos darzustellen vermag, mit Frohlocken, dem alleinigen Gott, unserem Heiland, durch Jesus Christus, unseren Herrn, sei Herrlichkeit, Majestät, Macht und Gewalt vor aller Zeit und jetzt und in alle Ewigkeit. Amen.“
Die Offenbarung: Das prophetische Buch über das kommende Reich Christi
Die Offenbarung ist das einzige durchweg prophetische Buch des Neuen Testaments. In Kapitel 1 erscheint Christus in seiner Herrlichkeit als Richter und Herrscher der Welt. Die Kapitel 2 und 3 enthalten Briefe an sieben Gemeinden.
In der prophetischen Auslegung dieser Kapitel sieht man hier eine Beschreibung der gesamten Kirchengeschichte, eingeteilt in sieben Zeitalter. Es zeigt sich also, dass man in der Reihenfolge der Sendschreiben die ganze Kirchengeschichte dokumentiert findet – von den Tagen der Apostel bis heute.
Als Teenager, als ich das zum ersten Mal so gelernt habe und gelesen habe, wie man das auf die Kirchengeschichte beziehen kann, habe ich mir den Spaß gemacht, auszurechnen, wie viele Möglichkeiten es gäbe, die Sendschreiben falsch anzuordnen. In der Schule haben wir gelernt, dass man das mit der Fakultät berechnen kann.
Das heißt: Wie kann man sieben Schüler, die nebeneinander auf Stühlen sitzen, verschieden anordnen? Das ergibt sieben Fakultät, also sieben Ausrufezeichen. Man rechnet: 1 × 2 × 3 × 4 × 5 × 6 × 7 = 5040. Das bedeutet, es gibt 5.039 falsche Anordnungsmöglichkeiten. Aber Johannes hat genau die richtige Reihenfolge niedergeschrieben.
Die Kapitel 4 bis 22 beschreiben ausführlich die Gerichte, die in der Endzeit, das heißt in der Zeitepoche, in der das jüdische Volk aus der weltweiten Zerstreuung ins Land der Väter zurückkehrt, die Welt treffen werden. Diese Gerichte sollen den Weg bereiten, damit die Weltherrschaft von Jesus Christus gerichtet wird.
Wir werden heute Nachmittag an diesem Punkt anschließen und sehen, dass eigentlich alle Kapitel ab Kapitel 4 noch zukünftig sind. Sie stellen gewissermaßen das Gottesprogramm ab der Entrückung der Gemeinde dar.
So endet die Bibel, das Neue Testament, mit einer nochmals ganz persönlichen Ansprache des Herrn Jesus Christus an seine Gemeinde: „Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt, euch diese Dinge zu bezeugen in den Gemeinden.“ Wie oft wird in den Gemeinden über die Offenbarung gepredigt? Aber sie wurde gegeben, um das in den Gemeinden zu bezeugen, nicht einfach nur für privates Studium.
Und dann, in Vers 20: „Der diese Dinge bezeugt, spricht: Ja, ich komme bald.“ Darauf antworten wir: „Amen, komm Herr Jesus.“
Die Gnade des Herrn Jesus Christus sei mit allen Heiligen. Amen.
Es ist viertel nach, jetzt kommt die Mittagspause.