Wir sind zurück in der Predigtreihe „Gebete am Rande der Verzweiflung“. Es handelt sich um eine seelsorgerliche Predigtreihe aus den Psalmen. Insgesamt wollen wir uns in dieser Reihe sieben Psalmen anschauen.
Drei haben wir bisher betrachtet: Psalm 13 – „Wenn dein Leid kein Ende nimmt“, Psalm 44 – „Wenn Gottes Handeln keinen Sinn ergibt“ und zuletzt Psalm 56 – „Wenn die Angst dich packt“. Heute schauen wir uns Psalm 77 an. Das Thema meiner Predigt lautet: „Wenn deine Gedanken dich quälen“.
Ich möchte mit einem Zitat von Pastor Craig Rochelle einleiten, der Folgendes gesagt hat: „Deine Gedankenwelt ist ein Schlachtfeld, und die meisten Schlachten des Lebens werden in deiner Gedankenwelt gewonnen oder verloren.“ Das ist so wahr.
Ich glaube, die meisten von uns – oder besser gesagt, alle von uns – kennen nicht nur Gedanken, die uns erfreuen, sondern auch solche, die uns wirklich runterziehen können. Manchmal sind es Gedanken, die wir schnell wieder abschütteln können. Aber manchmal sind es sehr hartnäckige Gedanken. Sie kommen plötzlich in unseren Kopf geschossen, und wir werden sie nicht los. Das kann nicht nur über Tage dauern, sondern manchmal Wochen oder sogar Monate.
Wenn du mit quälenden Gedanken zu tun hast, dann ist diese Predigt heute für dich. Sie richtet sich an verzagte Seelen, die Ermutigung brauchen. Für diese Personengruppe ist die heutige Predigt gedacht.
Aber ich glaube, wir alle – auch wenn wir gerade nicht in dieser Situation stecken – werden viel mitnehmen können für zukünftige gedankliche Kämpfe, die ganz sicher kommen werden.
Ich packe heute ein sehr großes Thema an. Es gibt so unzählige Gedanken, und ich werde in einer Predigt nicht alles abdecken können, was man zu diesem Thema sagen könnte. Mein Anliegen ist es, Psalm 77 zu predigen. Damit werde ich nicht alles gesagt haben, was man über quälende Gedanken sagen kann, aber hoffentlich alles, was Psalm 77 über quälende Gedanken sagt.
Es kann sein, dass die Gedanken, die den Beter in Psalm 77 quälen, dieselben sind, die dich quälen. Es kann aber auch sein, dass es ganz andere Gedanken sind, die dich momentan beschäftigen als die, über die wir heute reden.
Dennoch glaube ich, dass du gerade im zweiten Teil, wenn es darum geht, wie man aus quälenden Gedanken wieder herauskommt, wertvolle Prinzipien für dich mitnehmen kannst.
Psalm 77 ist ein sehr realistischer Psalm, wie alle Psalmen. Allerdings finden wir in diesem Psalm nicht eine ganz große Bandbreite von Emotionen, wie wir es vielleicht von anderen Psalmen kennen.
Der Psalm beginnt, und man hat den Eindruck, dass der Beter fürchterlich verzweifelt ist – und das ist er auch. Am Ende jedoch ist er nicht auf Wolke sieben und preist den Herrn überschwänglich. Einen solchen emotionalen Sprung macht Psalm 77 nicht.
Am Anfang ist der Beter ziemlich am Ende, doch am Ende findet er ein Gegenargument zu seinen quälenden Gedanken. Dadurch kann er weiterleben. Das ist relativ realitätsnah. Nicht immer durchleben wir eine Achterbahn der Gefühle in unseren Gedanken, aber wir finden wieder neuen Halt in unserer Gedankenwelt.
Das ist auch mein Wunsch für dich: dass du durch diese Predigt neuen Halt für den Alltag und für die neue Woche bekommst.
In Psalm 77 geht es um nächtliche Grübeleien. Vielleicht kennst du das – vielleicht kennst du diese Nächte, in denen du nicht schlafen kannst, schweißgebadet im Bett liegst und deine Gedanken sich verselbständigen. Sie ziehen dich immer weiter nach unten.
In genau dieser Situation befindet sich Asaf in Psalm 77.
Mein erster Punkt lautet: die quälenden Gedanken. Wir schauen uns die ersten elf Verse an. Zunächst lese ich die ersten drei Verse, dem Chorleiter nach, in Jeduton. Ein Psalm von Asaph:
„Meine Stimme ruft zu Gott, und ich will schreien, meine Stimme ruft zu Gott, dass er mir Gehör schenke. Am Tag meiner Bedrängnis suchte ich den Herrn, meine Hand war des Nachts ausgestreckt und ließ nicht ab.“
Der Psalm beginnt hier sehr emotional. Es ist ein Psalm am Rande der Verzweiflung. Asaph betet und schreit in seiner Not zu Gott. Man kann in seiner Not einfach nur schreien oder man kann zu Gott schreien. Es gibt Situationen in unserem Leben – und ich bin mir sicher auch in deinem Leben – die sind einfach zum Schreien. Entscheidend ist, ob du einfach nur schreist oder zu Gott schreist. Das ist ein riesiger Unterschied.
Asaph hat sich entschieden, zu Gott zu schreien. Schaut mal in Vers 3: Dort haben wir sogar eine Gegenüberstellung von Tag und Nacht. Das bedeutet, er ist ständig im Gebet, in seiner Notsituation. Es gibt immer wieder Leute und scheinbar auch Christen, die in ihrer Not es nicht für selbstverständlich halten, dauernd ins Gebet zu gehen.
In Hosea 7,14, einer Anklage Gottes, heißt es: „Und sie rufen nicht von Herzen zu mir, sondern jammern auf ihren Lagern, sie liegen einfach nur im Bett und heulen. Aber sie beten nicht zu mir.“
Das ist das, was ich dir am Anfang der Predigt mitgeben möchte, bevor wir hier gleich ins Detail gehen: Ich möchte dich neu ermutigen, mit deiner Not auf Gott zu schauen und zu ihm zu schreien, wenn dir zum Schreien zumute ist. Nicht einfach resignieren.
In den nächsten Versen nimmt uns Asaph hinein in sein persönliches Ergehen. Ich lese die Verse 3 bis 7:
„Meine Seele weigerte sich, getröstet zu werden. Denke ich an Gott, so stöhne ich, sinne ich nach, so verzagt mein Geist. Du hieltest offen die Lieder meiner Augen, ich war voll Unruhe und redete nicht. Ich durchdachte die Tage vor Alters, die Jahre der Urzeit, gedachte ich. Ich sah nach des Nachts, in meinem Herzen überlegte ich, und es forschte mein Geist.“
Asaph kämpft in Psalm 77 mit Gedanken, die ihn quälen. Schaut mal, ich habe hier im Text markiert, wie viele Verben sich um das Denken drehen: Ich denke, ich sinne nach, ich durchdachte, ich gedachte, ich sah nach, ich überlegte, mein Geist forschte. Er grübelt und grübelt und grübelt und kommt nicht zur Ruhe.
Kennst du das? Ich kenne das. Ich bin so ein Grübler. Ich bewundere manchmal oder beneide die Leute, die so völlig nüchtern sind und nicht so viel Wert auf ihre Gedanken legen.
Asaph grübelt, und dann heißt es in Vers 3: „Meine Seele weigerte sich, getröstet zu werden.“ Wisst ihr, was in der Regel passiert, wenn Gedanken in unseren Kopf schießen, die uns Angst machen oder uns runterziehen? Wir fangen an, mit uns selbst zu reden – nicht laut, aber in Gedanken suchen wir Gegenargumente gegen diesen Gedanken. Wir reden uns selbst ein: Mensch, jetzt vertraue doch mal ein bisschen mehr auf den Herrn.
Das ist das, was wir in Psalm 42,6 sehen. Da war der Beter auch völlig am Ende, weiß aber nicht so genau warum. Dort heißt es: „Was betrübst du dich, meine Seele?“ Er redet zu sich selbst, führt Selbstgespräche: „Was bist du betrübt, meine Seele, und bist du unruhig in mir? Harre auf Gott!“
Wir müssen lernen, in Notsituationen und bei gedanklichen Anfechtungen Selbstgespräche zu führen – und zwar die richtigen Selbstgespräche. Genau das hat Asaph gemacht in Psalm 77. Aber seine Seele weigerte sich, getröstet zu werden. Er hat versucht, sich selbst zu trösten, doch es hat nicht funktioniert.
Warum nicht? Weil der Einzige, der imstande wäre, seine Seele zu trösten, der Auslöser innerhalb seiner Gedankenwelt für seine negativen Gedanken ist – nämlich Gott.
Schaut mal im nächsten Vers, Vers 4: „Denke ich an Gott, so stöhne ich, sinne ich nach, so verzagt mein Geist.“ Normalerweise ist der Gedanke an Gott ein tröstender Gedanke. Ich habe Angst, aber ich halte mir vor Augen, wer Gott ist, und das tröstet mich. Hier jedoch ist Gott der Auslöser für die negativen Gedanken.
Kennst du das aus deinem Leben? In dem Moment, wo du an Gott denkst, triggert dich etwas, obwohl eigentlich Gott derjenige ist, zu dem du laufen müsstest, um Trost zu bekommen.
Warum das so ist, dazu kommen wir gleich. Aber hier sehen wir, dass diese negativen Gedanken in Vers 5 zu Schlaflosigkeit und Unruhe führen. Wir sehen, dass der Beter mehr und mehr resigniert.
Am Anfang hat er noch zu Gott geschrien, voller Emotionen. Am Ende von Vers 5 heißt es: „Ich war voll unruhig und redete nicht.“ Er kapituliert, er resigniert vor seinen negativen Gedanken.
Die Gedanken machen sich dann selbständig. Ich vergleiche das immer mit Tornados im Kopf. Kennt ihr Tornados im Kopf? Sie gehen herum in alle Richtungen, du kannst sie nicht einfangen. Während sie herumwirbeln, richten sie überall Verwüstung an in deinen Emotionen – Tornados im Kopf.
Hier gehen die Gedanken in die Vergangenheit: „Ich durchdachte die Tage vor Alters, die Jahre der Urzeit, gedachte ich.“ Er denkt zurück an eine Zeit, in der Gott scheinbar ganz anders gehandelt hat, als er noch der gnädige Gott für ihn war.
Manchmal kann der Gedanke an die Vergangenheit hilfreich sein. Aber der Gedanke an eine bessere Vergangenheit lässt die Gegenwart auch noch dunkler erscheinen. Und das ist hier der Fall.
Früher war alles besser, früher war die Welt bunt, jetzt ist sie nur noch grau oder schwarz. Früher war ich so lebensfroh, jetzt will ich morgens gar nicht mehr aus dem Bett. Ich habe keine Motivation, weil mich meine Gedanken fertig machen.
In den Versen sieben bis zehn bekommen wir einen Einblick in seine Gedankenwelt. Bisher haben wir nur gesehen, dass er quälende Gedanken hat. Ab Vers sieben erfahren wir nun, was der Inhalt dieser quälenden Gedanken ist.
„Ich sah nach des Nachts in meinem Herzen, überlegte mich, und es forschte mein Geist: Wird der Herr auf ewig verwerfen und künftig keine Gunst mehr erweisen?“ Darüber grübelt er. Wird Gott nicht mehr gnädig sein? Ist seine Gnade für immer zu Ende? Hat das Wort, also Gottes Heilszusage, aufgehört von Generation zu Generation? Hat Gott vergessen, gnädig zu sein? Hat er im Zorn seine Erbarmungen verschlossen?
Ihr Lieben, das sind fünf Fragen, die allesamt in dieselbe Richtung gehen. Gibt es für mich noch Hoffnung, oder bin ich ein hoffnungsloser Fall? Ist Gott immer noch der gnädige Gott, oder hat Gott mich verworfen? Es sind Gedanken des Zweifels, und wir können das nachvollziehen. Das sind existenzielle Zweifel. Wenn Gott nicht mehr gnädig ist, hat das Leben keinen Sinn mehr. Es sind Gedanken, die Angst machen. Wenn Gott kein Erbarmen mehr hat, dann wartet auf mich nur noch der Zorn – „Sünder in der Hand eines zornigen Gottes“. Das macht Angst.
Nichts ist schlimmer, als auf einen zornigen Gott zu treffen. Nichts. Es sind Gedanken, die depressiv machen. Wenn Gott mich verworfen hat, gibt es keine Hoffnung mehr für mich. Dann ist der Rest meines Lebens – vielleicht lebe ich noch Jahrzehnte – einfach nur ein Dahinvegetieren und Warten auf das göttliche Gericht. Keine Hoffnung.
Und dann sehen wir in Vers 11 sein Fazit: „Da sprach ich: Das ist mein Schmerz, das macht mich fertig, das quält mich, dass sich die Rechte des Höchsten geändert hat, die Rechte des Höchsten, meines Gottes, handeln.“ Schaut mal: Gerade hat Asaph noch Fragen gestellt – das waren seine Zweifel. Da hat Gott aufgehört, gnädig zu sein. Jetzt sagt er mit anderen Worten, er hat aufgehört, er hat sich geändert. Gott ist nicht mehr der gnädige Gott, wie wir ihn kennengelernt haben. Sein Erbarmen ist zu Ende.
Asaph fängt hier an, eine Lüge zu glauben. Er beginnt, seinen negativen Gedanken, die am Anfang einfach Anfechtungen waren, wirklich zu glauben. Und in dem Moment, wo wir unseren Gedanken Beachtung schenken und ihnen eine Berechtigung geben, werden sie hartnäckiger. Das kennen wir, oder? Vielleicht kennst du solche Gedanken, die aus deinen Grübeleien entstehen – negative Gedanken über Gott.
Du hast Gott früher als Helfer erlebt, aber deine aktuelle Lebenssituation interpretierst du so, als wenn Gott nicht mehr dein Helfer ist. Du bist einsam, er hört dein Gebet nicht, und du glaubst immer mehr: Gott ist nicht gut. Gott hat für dich keine guten Absichten, für andere ja, aber für dich nicht. Je mehr du diese Gedanken glaubst, desto mehr ziehen sie dich runter.
Vielleicht sind es andere Gedanken: Du hörst in einer Predigt den Satz „Nicht jeder, der ›Herr, Herr‹ sagt, wird ins Himmelreich kommen.“ Der Prediger hat mit diesem Satz gar nicht dich als Kind Gottes gemeint. Aber deine sensible Seele bezieht diesen Satz voll auf sich selbst. Du gehst aus einem Gottesdienst, der dich ermutigen sollte, und bist fertig. „Bilde ich mir das nur ein? Bin ich einer von denen, die ›Herr, Herr‹ sagen, und Jesus sagt: ›Ich habe dich nie gekannt‹?“
Dann liest du in der Bibel von der Sünde gegen den Heiligen Geist, die nicht vergeben wird. Dir kommt sofort der Gedanke: Habe ich diese Sünde begangen? Und in dem Moment, wo du das denkst, kommt dir vielleicht sogar ein gotteslästerlicher Gedanke gegen den Heiligen Geist in den Kopf geschossen. Du denkst: Jetzt habe ich sie ja begangen, und die Abwärtsspirale beginnt.
Kennst du das? Ich kenne das.
Oder du liest von der Verstockung des Pharaos, den Gott verstockt hat, um an ihm sein Gericht zu vollziehen. Oder du liest von Judas und denkst: Bin ich der? Bin ich verstockt? Bin ich ein Sohn des Verderbens? Du liest in der Bibel von der Erwählung und bekommst Angst: Bin ich vielleicht nicht erwählt? Hat Gott sich vielleicht nicht entschieden, mich auch noch zu retten?
Vielleicht hast du wiederholt gesündigt in deiner Lieblingssünde. Du denkst dir: Ich bin jetzt für immer unten durch bei Gott. Ich habe mein Heil jetzt für ewig verloren. Ich habe die rote Linie Gottes überschritten. Bis hierhin war er gnädig, aber das war zu viel. Oder vielleicht bin ich nicht wirklich errettet und bilde mir das alles nur ein.
Zweifel am eigenen Heil können zum Beispiel bei einem Kennenlernabend entstehen, wo jemand sein Zeugnis erzählt, wie klar die Sünde vor Augen war und er unter Tränen Buße getan hat. Das sind wunderbare Zeugnisse, und du schaust auf dein eigenes Zeugnis und sagst: Ich habe nicht unter Tränen Buße getan. Ich war mir zwei, drei Sünden bewusst und habe Jesus gebeten, mir zu vergeben. Aber war das wirklich? Habe ich so tief begriffen, wie ich sollte? Vielleicht bin ich gar nicht errettet.
Kennst du solche Gedanken? Du grübelst und grübelst und denkst weiter: Aber im Nachhinein kam ja noch mal die evangelistische Predigt, wo der Prediger zum Kreuz gerufen hat, und ich bin nicht gegangen. War das der letzte Ruf? Und aus meiner Gemeinde, wo ich herkam, wurde immer gepredigt: Gott ruft nur zwei, drei Mal. Habe ich das jetzt verpasst?
Ganz ehrlich: Ich kenne alle diese Gedanken von mir. Alle. Wenn du diese Gedanken hast, willkommen im Club. Es sind Anfechtungen, es sind Pfeile, die gegen dich als Kind Gottes geschossen werden.
Über berechtigte Schuldgedanken werde ich in einer anderen Predigt meiner Reihe sprechen. Hier geht es um Gedanken, die eine Lüge sind, die du aber anfängst zu glauben, weil sie vielleicht einen gewissen Wahrheitsgehalt haben.
All diese Gedanken machen die Gnade Gottes klein und rauben dir die Freude am Herrn. Schon mal, wenn du nicht wirklich sagen kannst: Ich bin errettet, Gott liebt mich, dann sitzt du hier und bist betrübt. Aber weißt du, was die Bibel sagt? „Die Freude am Herrn ist unsere Stärke.“ Deswegen ist der Widersacher doch immer bemüht, dir die Freude an Jesus zu rauben. Darauf schießt er.
Diese Gedanken, die ich gerade aufgezählt habe, können aus zwei Quellen kommen. Einmal können sie aus unserem eigenen Herzen kommen. Das Herz ist in der Bibel auch der Sitz unserer Gedankenwelt. Die Bibel geht davon aus, dass unsere eigenen Gedanken uns Lügen erzählen können, die vielleicht sogar sehr fromm verpackt sind, aber doch nicht wahr sind.
In 1. Johannes 3,19 heißt es: „Hieran werden wir erkennen, dass wir aus der Wahrheit sind, und wir werden vor ihm unser Herz zur Ruhe bringen, dass, wenn das Herz uns verurteilt, Gott größer ist als unser Herz und alles kennt.“ Weißt du, das ist so ein Trost für mich immer wieder. Das ist der Trost für die Grübler.
Unsere eigenen Gedanken können manchmal sehr fromm klingen und doch völlig falsch sein, weil sie ein falsches Evangelium predigen. Deine Gedanken können zu Irrlehrern werden, die ein falsches, ein leistungsbasiertes Evangelium predigen. Hier heißt es: Gott ist größer als unser Herz. Unsere Gefühle und Gedanken sind nicht immer der Barometer für das, was wahr ist. Sie können uns betrügen.
Aber dann gibt es natürlich auch Angriffe Satans, der seine feurigen Pfeile gegen uns als Kinder Gottes schießt. Die Bibel sagt, er geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlingen kann. Satan wird auch in der Bibel als der Verkläger der Brüder bezeichnet. Das heißt immer, dass er dir Gedanken der Verdammnis geben will. Er will dich verdammen. Er führt entweder deine Vergangenheit an oder deine nicht ganz so unter Tränen geschehene Bekehrung. Das führt er alles an, um dich neu zu verdammen.
Satan weiß genau, wie er dich kriegen kann. Beim Jagen ist es so, dass ein Jäger in seiner Jagdausbildung – das wird in Deutschland auch das „grüne Abitur“ genannt – genau studieren muss, bei welchem Tier er wohin schießen muss. Und bevor sich jetzt die Tierschützer melden: Das ist ein guter Gedanke, weil man nicht will, dass das Tier sich quält. Wo muss ich hinschießen, dass das Tier sich nicht quält, sondern direkt tot ist? Und das ist von Tier zu Tier anders. Beim Fuchs und Hasen ist es der Kopfschuss, beim Rotwild der Blattschuss – also Schulterblatt, weil dahinter die lebenswichtigen Organe liegen – bei der Ente der Brustschuss. Das muss der Jäger alles wissen, das muss er studieren.
Weißt du was? Satan hat dich studiert. Er weiß genau, wo er bei dir hinschießen muss. Satan schießt nicht dahin, wo du stark bist. Satan schießt immer dahin, wo du schwach bist, weil er dich da kriegen kann, weil er dir dort deine Freude rauben kann. Wenn du ein Grübler bist, schießt er auf dein Heil.
Martin Luther kannte solche Gedanken, Gedanken der Anfechtungen. Einer betroffenen Person gab er folgende Antwort: „Erstens müsst ihr fest in euer Herz fassen, dass solche Gedanken gewiss des leidigen Teufels Einblasen und feurige Pfeile sind, solches sagt die Schrift. Darum ist gewiss, dass so etwas nicht aus Gott, sondern aus dem Teufel kommt. Der plagt ein Herz damit, auf dass der Mensch Gott feind werde und verzweifle, was ihm doch Gott im ersten Gebot alles hart verboten hat und will, dass man ihm vertrauen, ihn lieben und loben soll, davon wir leben.“
Luther, der diese quälenden Gedanken auch kannte, bringt es hier gut auf den Punkt. Satan will uns Gott als einen überstrengen Gott ausmalen. Das macht er schon im Garten Eden. Er will uns von Gott entfremden, sodass wir ihn nicht als liebenden Vater sehen. Nicht als unseren Retter, der alles für uns getan hat und an dem wir uns freuen können. Sondern als den Strengen, bei dem ich noch etwas tun muss, wo ich nicht einfach so Gnade in Anspruch nehmen kann.
Das sind Pfeile des Satans. Deswegen lass diesen Gedanken schon einmal zu, dass deine Gedanken oder die Pfeile Satans dir gerade ein falsches Evangelium predigen, wenn du mit solchen quälenden Gedanken zu kämpfen hast.
Asaf geht im zweiten Teil des Psalms so vor, dass er sich aus dem Gedankenchaos herausmanövriert. Das ist ein ganz wichtiger seelsorgerlicher Punkt. Der zweite Punkt meiner Predigt lautet: der Ausweg aus dem Gedankenchaos.
In den Versen 12 und 13 nimmt unser Psalm eine komplette Wende. Er geht in eine ganz andere, viel hoffnungsvollere Richtung. Hier ist nicht mehr vom nächtlichen Grübeln die Rede, sondern von Zuversicht. Wie kommt Asaf dahin? Ich lese die Verse 12 bis 13:
„Ich will gedenken der Taten Jahs. Jahs, das ist eine Kurzform für Yahweh. Ja, deiner Wunder von alters her will ich gedenken, ich will nachdenken über all dein Tun, und über deine Taten will ich sinnen.“
Hier finden wir ein vierfaches „Ich will“. Und mein erster Rat, den ich dir mitgeben möchte: Wenn du mit quälenden Gedanken zu kämpfen hast, resigniere nicht anhand deiner Gedanken! Raus aus der Resignation!
Schaut mal, da finden wir gleich viermal den Entschluss „Ich will, ich will“. Am Anfang haben wir gesehen, dass der Psalmist zu Gott geschrien hat. Er wusste: Ich brauche den Herrn, ich brauche seine Hilfe, um aus dieser Situation herauszukommen.
Aber das ist kein Widerspruch dazu, dass er selbst Verantwortung übernimmt und sagt: Ich will kämpfen. Ich brauche den Herrn, deswegen bete ich um Hilfe. Aber ich will mich jetzt aus dieser Situation mit den Waffen, die Gott mir gibt, herausmanövrieren.
Weißt du, es ist so entscheidend, dass du nie vor deinen quälenden Gedanken kapitulierst. Vielleicht hast du das schon getan. Vielleicht sagst du: Ich kann nicht anders, ich bin meinen Gedanken hilflos ausgeliefert. Das ist eine Lüge – bist du gar nicht.
Du bist deinen Gedanken nicht hilflos ausgeliefert. Klar, wenn sie lange da sind und sich verfestigt haben, sind sie sehr hartnäckig. Aber du bist nie deinen Gedanken einfach nur hilflos ausgeliefert. Das ist eine Lüge, die auch Satan dir wieder einredet. Es gibt Hoffnung!
Schaut mal in 2. Korinther 10,3-5. Da sagt Paulus in den Versen 3 und 5 Folgendes:
„Denn obwohl wir im Fleisch wandeln, kämpfen wir nicht nach dem Fleisch, denn die Waffen unseres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern mächtig für Gott zur Zerstörung von Festungen. So zerstören wir überspitzte Gedankengebäude und jede Höhe, die sich gegen die Erkenntnis Gottes erhebt, und nehmen jeden Gedanken gefangen unter dem Gehorsam Christi.“
Wenn du deine eigene Bibel dabei hast, unterstreiche dir mal diesen Satz: „Wir nehmen Gedanken gefangen unter dem Gehorsam Christi.“
Wisst ihr, Gedanken entwickeln ihre Kraft, wenn wir entweder Angst vor ihnen haben – ich darf das nicht denken, ja, dann denken wir daran – oder wenn wir ihnen eine Berechtigung geben. Zum Beispiel: Ja, das stimmt, die sind jetzt völlig berechtigt. Gott ist wirklich nicht mehr gnädig. Dann werden sie stärker.
Dabei hat Gott uns Waffen gegeben, um diese Gedanken, die in unserem Kopf sind, gefangen zu nehmen.
Wie kann das praktisch aussehen? Es kann so aussehen, dass mir plötzlich der Gedanke kommt – durch eine Predigt, die ich höre, oder bei einem Kennenlernabend –, André, damals deine Bekehrung, als du vier oder fünf warst, als Kind, du hast nicht das ganze Ausmaß der Sünde verstanden, du bist in Wirklichkeit gar nicht wirklich bekehrt, du bist Pastor der EF Köln und bist nicht wiedergeboren.
Solche Gedanken schießen mir schon mal durch den Kopf. Und dann gehe ich nirgendwo anders hin als in die Bibel selbst und lese den Vers: „Wer den Sohn hat, hat das Leben.“ Wer an Jesus glaubt, wird gerettet.
Und dann führe ich mir vor Augen: Ich glaube an Jesus, ich glaube, dass er mein Herr und Retter ist. Und dann nehme ich diesen Gedanken gefangen.
Weißt du, es ist egal, ob du damals alles richtig gemacht hast. Wenn du heute an Jesus glaubst, dass er dein Herr und Retter ist, bist du gerettet. Punkt.
Dann kannst du das mit Freude annehmen und nimm diesen Gedanken gefangen und sagst: Hier steht das Bibelwort, das dagegen spricht.
Ich mache das sogar manchmal wirklich so, dass ich mir die Gedanken aufschreibe. Diesen Gedanken denke ich gerade, der quält mich. Ich schreibe ihn mir auf, dann suche ich einen Bibelvers und schreibe den daneben. Sage: Gefangen genommen! Dieser Gedanke hat keine Berechtigung, den nehme ich jetzt, den setze ich ins Gefängnis.
Zwischendurch meldet er sich noch aus dem Gefängnis. Aber dann weiß ich, der ist gefangen. Dem muss ich keine Aufmerksamkeit mehr geben.
Wir können ja nicht immer beeinflussen, was für Gedanken uns in den Kopf schießen. Aber wir haben es einmal geklärt, schwarz auf weiß, mit der Autorität des Wortes Gottes. Erledigt!
Ich kann viel bessere Gedanken denken. Es gibt so viele gute Gedanken, die wir denken können.
So mache ich das, und ich will dich ermutigen: Gehe deine Gedanken an, systematisch, und nimm sie gefangen. Du bist kein Opfer deiner Gedanken.
Punkt zwei: Verändere die Richtung deiner Gedanken.
Schaut mal, in den Versen 12 und 13 heißt es ja: „Ich will gedenken der Taten Jahrs, ja deiner Wunder will ich gedenken.“ Diesem vierfachen „Ich will“ haben wir auch wieder vier Verben des Nachdenkens.
Und das ist so spannend: Weißt du, wie du aus quälenden Gedanken rauskommst? Durch Gedanken!
Der Weg aus dem Gedankenchaos geht über Gedanken, aber über andere Gedanken, über ein Umdenken.
Ich habe euch mal einige Markierungen gemacht vom ersten Teil des Psalms. Schaut mal, was da im Fokus war: Ich, meiner, meine, mein Geist, mein. Worauf schaut der Beter? Nach innen.
Ganz ehrlich, wenn wir zu viel nach innen schauen, werden wir nur verzweifeln können, oder?
Worauf schaut er jetzt, nachdem er sich entschlossen hat: Ich will?
Der zweite Teil, guck mal, wie der Psalm weitergeht. Das erste Wort ist schon mal Gott. Dein, nicht mehr mein, sondern dein. Nicht mehr meine, sondern deine. Nicht mehr ich, sondern du. Nicht mehr ich, sondern Gott.
Für Asaf nimmt die Notsituation da eine Wende. Er kommt aus dem gedanklichen Chaos raus, indem er gar nicht mehr über sich denkt, sondern seine Blickrichtung von innen nach oben ändert.
Und das ist das, was ich dir mitgeben möchte: Schau nicht in dich selbst hinein! Da findest du keine Ermutigung.
Schau auf den Herrn! Schau auf den Herrn!
Und die Bibel geht davon aus, dass wir unsere Gedanken lenken können. Du bist nicht Opfer deiner Gedanken.
Schaut mal in Philipper 4,8. Da heißt es:
„Ansonsten denkt über das nach, meine Geschwister, was wahrhaftig, was anständig, was gerecht ist. Richtet eure Gedanken – wir können unsere Gedanken lenken – richtet eure Gedanken auf das Reine, auf das Liebenswerte, auf das Bewundernswerte, auf alles, was Auszeichnung und Lob verdient.“
Die Frage ist also: Was redest du dir selbst für Gedanken ein? Das ist die Frage.
Paul David Tripp, ein Seelsorger und Autor, den ich sehr schätze, möchte ich mal hier zitieren:
„Sag, niemand übt mehr Einfluss auf dein Leben aus als du selbst, weil niemand mehr mit dir spricht als du selbst.“
Es ist eine Tatsache: Du und ich, wir stehen im ständigen Gespräch mit uns selbst.
Bei diesen innerlichen Diskussionen reden wir dauernd über Gott, das Leben, andere und uns selbst.
Du redest dir selbst etwas ein von einem Gott, der weit weg ist, der passiv und gleichgültig ist, oder von einem Gott, der nahe, fürsorglich und aktiv ist.
Du denkst immer wieder an etwas, das dich entweder veranlasst, in seiner Weisheit zu ruhen, oder das dich ein wenig erschreckt, weil es so scheint, als gäbe es keine Antwort.
Es ist wirklich wahr: Niemand redet mehr mit dir, als du es selbst tust.
Doch Gott hat dir in seiner Gnade sein Wort gegeben. So kannst du in solchen Augenblicken, wenn der Einzige, der mit dir redet, du selbst bist, wenigstens das sagen, was wahr ist.
Ich möchte dich einladen, Selbstgespräche zu führen – nicht hörbar.
Ich möchte dich einladen, deine Gedanken immer wieder auf Gott zu richten.
Es ist so befreiend, von sich selbst wegzuschauen, von seinen Umständen wegzuschauen, auf den Herrn zu schauen, wie er ist.
Wisst ihr, das hier ist kein psychologischer Trick. Das hier ist nicht einfach positives Denken.
Hier geht es um Wahrheit und Lüge.
Und Jesus sagt: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch freimachen.“
Ihr Lieben, und das möchte ich dir heute sagen: Du kannst frei werden von deinen quälenden Gedanken.
Aber du kannst es nur tun, indem du Lüge durch Wahrheit ersetzt in deinen Gedanken, indem du dich entscheidest: Ich will auf das schauen, was wirklich wahr ist, auf das, wie Gott sich wirklich darstellt in seinem Wort, nicht wie ich meine Lebenssituation interpretiere.
Ich kann ja – aber meine Auslegung kann ja irrtümlich sein.
Ich will auf den Herrn schauen.
Und das führt uns zum letzten Punkt. Asaph konzentriert sich ganz auf Gottes Wesen und Gottes Heilshandeln.
Vers 14: „Gott, dein Weg ist im Heiligtum, wer ist ein so großer Gott wie unser Gott? Und du bist der Gott, der Wunder tut, du hast deine Stärke kundgetan unter den Völkern.“
Asaph entscheidet sich: „Ich will an Gott denken. Ich will darüber nachdenken, wie er ist.“ Und wisst ihr, was das Besondere ist? In Vers 4 hat Gott doch eigentlich negative Gedanken bei ihm ausgelöst. Und das ist der Punkt, an dem du dich entscheiden musst. Bis dir Satan will, dass wir negativ über Gott denken. Und wenn du dann einfach sagst: „Gut, ich habe negative Gedanken, wenn ich an Gott denke, dann denke ich nicht mehr an Gott“, dann gibt es auch keine Lösung für dich.
Was der Psalmist hier gemacht hat, ist Folgendes: Obwohl ich negative Gedanken bekomme, wenn ich über Gott denke, bleibe ich dran. Ich will wirklich wissen, wie Gott ist. Und er geht hier zurück in die Geschichte und will sich dessen vor Augen führen, wie Gott wirklich ist.
Martin Luther sagt dazu: „Wenn du daher einmal schlecht über Gott denkst, als ob er sich deiner nicht erbarmen wolle, wolle dich verderben und töten, oder wenn du daran denkst, dass du doch sterben musst, dann folgere sogleich: Dieser Gedanke kommt vom Teufel und nicht von Gott. Denn Gott macht keine traurigen Gedanken, er schreckt nicht, er tötet nicht, sondern er ist der Gott der Lebendigen. Deshalb hat er auch seinen eingeborenen Sohn gesandt, nicht um uns zu schrecken, sondern um uns zu trösten.“
Was für wunderbare Worte von Martin Luther, der sich mit quälenden Gedanken auskannte! Wenn dir Gott plötzlich als überstreng in deinem Kopf erscheint, der dich ablehnt als Kind Gottes, sollst du wissen: Das ist nicht der Gott der Bibel, das ist nicht der Gott, der gute Gedanken über dich hat.
Jetzt will Asaph auch historisch festmachen. Er will seinen Zweifeln Fakten entgegenstellen und geht zurück in die Heilsgeschichte, ab Vers 16:
„Du hast dein Volk erlöst mit deinem Arm, die Söhne Jakobs und Josefs. Dich sahen die Wasser, Gott, dich sahen die Wasser, sie bebten, ja es erzitterten die Fluten. Die Wolken ergossen Wasser, das Gewölk ließ eine Stimme erschallen, und deine Pfeile fuhren hin und her. Die Stimme deines Donners war im Wirbelwind, Blitze erleuchteten die Welt, es zitterte und bebte die Erde. Durch das Meer führt dein Weg und deine Pfade durch große Wasser. Doch deine Fußspuren erkannte niemand. Wie eine Herde hast du dein Volk geleitet durch die Hand Moses und Aarons.“
In Vers 16 geht es hier um den Exodus, um die Befreiung aus der Sklaverei von Ägypten. Israel war 430 Jahre lang versklavt, ohne Chance auf eigene Rettung. Und Gott führt sie heraus – durch seine Gnade, nicht weil Israel so gut war, sondern weil Gott so gnädig ist, befreit er sie.
In den Versen 17 bis 20 ist immer wieder vom Wasser die Rede, vom Meer. Hier geht es um die Befreiung durch das Schilfmeer. Das Volk stand nach dem Auszug aus Ägypten vor dem großen Meer, und hinter ihm kam die ägyptische Armee. Gott tut ein Wunder, teilt das Meer und führt sein Volk sicher hindurch.
In diesen Versen werden auch Donner, Blitze und Erdbeben erwähnt. Das können poetische Ergänzungen sein, aber ich glaube, dass Asaph hier den Bundesschluss am Sinai mitverarbeitet. Denn dort haben wir genau diese drei Phänomene, und Gott sagt am Berg Sinai: „Ihr sollt mein Volk sein, und ich will euer Gott sein.“
Dann denkt er zurück in Vers 21, wie Gott sein Volk wunderbar durch die Wüste geführt hat. Er führt sich die Gnadenerweise Gottes in der Geschichte vor Augen.
Weißt du, was ich dir heute sagen möchte? Du kannst als Kind Gottes auf noch viel mehr Gnade zurückschauen als Asaph damals. Du schaust nicht nur zurück auf die Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei, du kannst zurückschauen auf deine Befreiung aus der Sünde.
Du brauchst nicht nur zurückzuschauen auf den Bundesschluss am Berg Sinai, du schaust auf den Hügel Golgatha, wo Jesus rief: „Es ist vollbracht! Ich habe alles für dich getan.“
Du schaust nicht nur auf das geteilte Meer, du schaust auf den zerrissenen Vorhang im Tempel, der dir freien Zugang zum Thron der Gnade ermöglicht.
Du schaust nicht nur darauf zurück, wie Gott sein Volk durch das Rote Meer geführt hat, du schaust darauf zurück, wie Gott seinen Sohn aus den Toten herausgeführt hat. Jesus lebt, du hast Hoffnung für dein Leben.
Und weißt du, was jetzt passieren kann? Gerade vielleicht jetzt, in diesem Moment, wo Hoffnung erscheint, kommt ein destruktiver Gedanke: „Ja, so ist Gott, aber nicht mehr für mich. Was für ein Recht habe ich, mich einfach auf das Kreuz zu konzentrieren? Was für ein Recht hast du, anklagende Gedanken, die jetzt vielleicht kommen? Was hast du für ein Recht, dich, so wie du letzte Woche gelebt hast, jetzt auf die Gnade Gottes zu fokussieren?“
Dann möchte ich dir raten: Du kannst diesen Gedanken sofort gefangen nehmen anhand von 1. Petrus 1,13. Dort heißt es nämlich: „Bemüht euch daher um ein klares, nüchternes Denken.“ Da sind wir wieder bei den Gedanken und Selbstbeherrschung. Das heißt auch, unsere Selbstbeherrschung ist gefragt.
Und jetzt kommt es: „Setzt eure ganze Hoffnung auf die Gnade, die euch bei der Wiederkehr von Jesus Christus erwartet.“ Sich als Christ das Evangelium, die Gnade Gottes immer wieder vor Augen zu führen, ist nicht nur eine Möglichkeit, sondern es ist sogar deine Aufgabe. Von dieser Hoffnung leben wir.
Wisst ihr, wir fühlen das nicht immer. Ich möchte das vergleichen mit einer Situation im Cockpit. Wenn ein Pilot unterwegs ist – in diesem Fall ist es eine Cessna – und durch die Scheibe schaut, kann es passieren, dass er, wenn er in den Wolken drin ist, nichts mehr sieht.
In diesem Moment kann ein Pilot eine gestörte Wahrnehmung haben, weil er den Horizont nicht sieht und nicht weiß, in welcher Lage sich gerade das Flugzeug befindet. Er kann wirklich davon ausgehen, dass er geradeaus fliegt, dabei ist sein Flugzeug in einer gefährlichen Schräglage.
Deswegen muss jeder Pilot bei seiner Ausbildung irgendwann die Blindfluglizenz erhalten. Das ist der Instrumentenflug: Auch wenn er nichts sieht – wenn nur Wolken da sind, wenn er keine klare Sicht mehr auf seine Umstände hat –, fliegt er einfach nur nach Instrumenten und kommt sicher ans Ziel.
Weißt du was? Wenn deine Gedanken dir die Sicht vernebeln – die Sicht auf das Evangelium, die Sicht auf die Gnade Gottes –, fliege einfach nach Instrumenten. Fliege einfach nach Instrumenten!
Wenn dir die Gedanken kommen: „Gott kann dir deine Schuld aus der Vergangenheit nicht vergeben“, weißt du was? Du musst das gar nicht fühlen. Zum Glück ist Wahrheit nicht an unsere Gefühle gekoppelt. Du schlägst einfach erst Johannes 1, Vers 9 auf: „Wenn wir unsere Sünde bekennen, ist er treu und gerecht, dass er vergibt.“
Das musst du nicht sofort fühlen, das fühlst du vielleicht erst Wochen später. Aber du kannst den Gedanken schon mal gefangen nehmen – das ist purer Glaube. Wenn die Gefühle mitspielen, dann ist das so, als wenn wir Stützräder haben. Aber manchmal nimmt Gott sogar die Stützräder weg, sodass einfach nur der nackte Glaube da ist.
Da steht es – das nehme ich an.
Deswegen möchte ich dich heute vor allem zum Abschluss der Predigt ermutigen: Lerne es in deinem Glaubensleben, einfach nach Instrumenten zu fliegen.
Wir legen heutzutage viel zu viel Wert auf Emotionen in unserem Glauben. Und ich bin ein emotionaler Mensch, ich weiß das. Aber viel wichtiger als die Frage, wie du dich fühlst, ist die Frage, was du weißt. Viel, viel wichtiger!
Ich möchte dich ermutigen: Geh aus diesem Gottesdienst, wie wir es von Dennis gehört haben, geh in die Schrift und fliege einfach nach Instrumenten! Das kann manchmal sehr, sehr hartnäckig sein, das ist manchmal ein großer Kampf.
Ich war 2018 in einer Lage, in der Gedanken in meinem Kopf geschossen sind, die ich nicht einordnen konnte, Gedanken, die mich so runtergezogen haben. Und ich habe als Pastor der EF Köln 2018 wirklich mein Heil in Frage gestellt: „Du bist Pastor, aber du bist nicht wirklich errettet.“
Diese Gedanken haben mich so runtergezogen. Das fühlt sich so an, als wenn du fällst und fällst und fällst und du kriegst dich nicht mehr gehalten. Und ich habe in dieser Phase lernen müssen, zu ankern. Da steht es. Damit mache ich jetzt weiter.
Besonders hart waren für mich Autofahrten, weil ich da nicht abgelenkt war, ich war allein im Auto. Wisst ihr, was ich gemacht habe? Ich habe mir Römer 8 angemacht und mir vorlesen lassen während der Fahrt.
Ihr Lieben, ich weiß, was Kämpfe sind – gedankliche Kämpfe. Das ist kein einfacher Weg. Es ist nicht so, dass du jetzt aus dem Gottesdienst gehst, ein Gebet sprichst und alles ist super. Aber es ist der Schlüssel, es ist der Schlüssel, wodurch Gott dich führen möchte – durch deine gedanklichen Kämpfe.
Und ich möchte dir so viel Mut machen jetzt am Ende: Schau auf Jesus, höre auf die Worte, die er dir heute zuspricht: „Es ist vollbracht, ich habe alles für dich getan, du musst nichts mehr tun. Setze einfach deine Hoffnung – ob zum ersten Mal oder zum wiederholten Mal, spielt keine Rolle – setze deine Hoffnung ganz auf das, was ich für dich getan habe. Schau auf Jesus.“
Jesus sagte in Matthäus 11,28, und damit möchte ich schließen: „Kommt her zu mir alle, ihr Mühseligen und Beladenen, und ich werde euch Ruhe geben.“
Das ist eine Zusage Jesu. Vielleicht bist du beladen von deinen Gedanken. Ich möchte dich einladen: Komm heute neu zum Kreuz. Nimm diese Last mit, geh zum Kreuz und sag: „Im Namen Jesu nehme ich diese Gedanken gefangen, die mich stören. Ich möchte nach Instrumenten fliegen.“
Du kannst das alleine mit Jesus machen, hier vorm Kreuz. Wenn du ein Gebet brauchst, werde ich da stehen. Dann komm einfach auf mich zu.
Und wir wollen jetzt als Antwort auf die Predigt diesen wunderbaren Namen Jesu besingen: „Oh, wie schön dieser Name ist!“ Denn im Namen Jesu müssen alle Gedanken, die dich quälen, verschwinden, wenn der Name Jesu ausgesprochen wird.
Das möchten wir jetzt tun. Lasst uns gemeinsam aufstehen und mit diesem Lied antworten.