Einführung in das erste Buch der Könige und seine Bedeutung
Nachdem wir in unserer fortlaufenden Übersicht über die Bibelbücher von 1. Mose an mit 2. Samuel fertig geworden sind, kommen wir nun zum ersten Buch der Könige.
In den Samuelbüchern haben wir gesehen, wie Gott den Aufbau der Königsdynastie Davids bewirkt und geführt hat. Das erste Buch der Könige setzt die Heilsgeschichte an dieser Stelle fort. Zunächst wollen wir uns die Zeitgeschichte der Königsbücher anschauen. Diese umfassen die Jahre von circa 970 bis 560 v. Chr. Das heißt, von den letzten Tagen Davids bis zur Freisetzung Jojakins aus der babylonischen Gefangenschaft. Das Buch endet also mit dem siebenunddreißigsten Jahr der babylonischen Gefangenschaft.
Die Königsbücher sind von großer Bedeutung, weil sie die Verheißung an David aus 2. Samuel 7 illustrieren. Die Erfüllung dieser Verheißung hat Gott durch den Propheten Nathan ausrichten lassen. Ich lese aus dem Zusammenhang heraus ab Vers 10:
„Und ich werde einen Ort setzen für mein Volk, für Israel, und werde es pflanzen, dass es an seiner Stätte wohne und nicht mehr beunruhigt werde. Die Söhne der Ungerechtigkeit sollen es nicht mehr bedrücken wie früher, seit dem Tage, da ich Richter über mein Volk Israel bestellt habe. Und ich habe dir Ruhe verschafft vor allen deinen Feinden. Und der Herr tut dir kund, dass der Herr dir ein Haus machen wird.“
Haus bedeutet hier eine Dynastie. „Wenn deine Tage voll sein werden und du bei deinen Vätern liegen wirst“ – das ist genau der Anfang von 1. Könige – „so werde ich deinen Samen nach dir erwecken, der aus deinem Leib kommen soll, und werde sein Königtum befestigen.“
Dabei geht es zunächst um Salomo, dem viele Kapitel im ersten Buch der Könige gewidmet sind. „Der wird meinem Namen ein Haus bauen.“ Wir kommen dann ausführlich zum Tempelbau in 1. Könige. „Und ich werde den Thron seines Königtums befestigen auf ewig. Ich will ihm Vater sein, und er soll mir Sohn sein, so dass, wenn er verkehrt handelt, ich ihn entsühnen werde mit einer Menschenrute und mit Schlägen der Menschenkinder.“
Wir werden sehen, wie Salomo am Ende seines Lebens abweicht (1. Könige 11) und wie dann Gottes Zucht über Israel kommt. „Aber meine Güte soll nicht von ihm weichen, wie ich sie von Saul weichen ließ, den ich vor dir weggetan habe. Und dein Haus und dein Königtum sollen vor dir beständig sein auf ewig, dein Thron soll fest sein auf ewig.“
Das heißt, die Königslinie soll weitergehen bis zum Messias und das Königtum über Israel haben. Die Königsbücher zeigen jedoch, wie die Nachkommen Davids untreu geworden sind und wie deshalb Gottes Zucht über sie und über Israel kommen musste.
So zeigen die Königsbücher die Erfüllung dieser prophetischen Ankündigungen.
Politische und religiöse Perspektiven der Königsbücher
Jetzt wollen wir die Geschichte aus zwei Perspektiven betrachten: zuerst die politische Geschichte und dann die religiöse Geschichte. Dabei ist uns bewusst, dass sie natürlich eine Einheit bilden. Diese Trennung erfolgt nur, um das Verständnis zu erleichtern.
Die Geschichte des Königtums von Juda und Israel wird in diesen Büchern behandelt – vom Höhepunkt unter David und Salomo bis hin zum totalen Untergang des Königtums.
Nach Salomo herrschten im Nordreich zwanzig Könige, die aus zehn verschiedenen Dynastien stammten. Im Südreich gab es ebenfalls zwanzig Könige, wobei auch die illegale Königin Atalia mitgerechnet ist.
Nur acht Könige im Südreich handelten, was in den Augen des Herrn recht war. Im Nordreich waren alle Könige verkehrt, ebenso die meisten im Südreich. Ausnahmen im Südreich sind Asa, Josaphat, Joas, Amatzia, Usia, Jotham, Hiskia und Josia.
Politische Entwicklungen und Weltmächte
Politisch betrachtet zeigt sich diese Zeit im Vakuum der Weltmächte. Zur Zeit von David und Salomo war es möglich, dass unter ihrer Herrschaft ein Großreich entstand, ein Großisrael, das bis zum Euphrat reichte. Dieses Reich umfasste große Gebiete des heutigen Israels sowie besetzte Gebiete im Libanon, Syrien und Jordanien. Das war das Großisrael unter David und Salomo.
Im Anschluss kam es zum Aufstieg der Weltmacht Assyrien. Dieses Weltreich führte im Jahr 722 v. Chr. zum Untergang des Nordreiches Israel, womit dieses Königtum beendet wurde. Das Südreich bestand zunächst weiter.
Nach der Blütezeit der assyrischen Weltmacht stieg eine andere Großmacht auf: das Babylonische Reich. Dieses Reich bewirkte schließlich den Untergang des judäischen Südreiches. Im Jahr 586 v. Chr. wurde der Tempel in Jerusalem zerstört, die Stadt verwüstet und das jüdische Volk deportiert.
So stellt sich die politische Situation dar: Zunächst das Großreich unter David und Salomo, danach zwei fremde Reiche, die nacheinander aufsteigen. Das eine zerstört das Nordreich Israel, das andere das Südreich.
Religiöse Geschichte und der erste Tempel
Nun zur religiösen Geschichte: Eigentlich können wir sagen, dass die Königsbücher die Geschichte des ersten Tempels beschreiben. Dieser wurde im Jahr 960 vor Christus fertiggestellt und bestand bis zu seinem Untergang im Jahr 586 vor Christus.
Die israelitische Religionsgeschichte erreichte ihren Höhepunkt mit dem Bau des ersten Tempels in Jerusalem. In gewisser Weise kam der Gottesdienst in Israel dadurch zu einem noch nie dagewesenen Höhepunkt. Alles war größer, herrlicher, schöner und prächtiger als zuvor in der Stiftshütte.
Dennoch beobachten wir einen zunehmenden religiösen Zerfall. Salomo baute am Ende seines Lebens Kultstätten für seine heidnischen Frauen. Er war der erste König, der so etwas tat. Allgemein wurde auf vielen Hügeln von den Menschen Götzendienst betrieben. Teilweise geschah dies sogar für den wahren Gott, doch das war illegal. Neben dem Tempel in Jerusalem durfte es keine weiteren Opferstätten für den wahren Gott geben. Daher war der Höhekult falsch, auch wenn er dem wahren Gott galt. Meistens jedoch diente er falschen Göttern (1. Könige 14,2-3).
Im Nordreich führte Jerobeam zu Beginn seiner Herrschaft einen Kälberkult in Dan und Bethel ein (1. Könige 12,25-33). Diese Mischreligion verband den israelitischen Glauben mit ägyptischen Vorstellungen und verfremdete ihn.
Später kam es zu einer neuen Welle des Niedergangs durch den kanaanitischen Baal- und Aschera-Kult, der von Ahab und seiner Frau Isabell, einer Frau aus dem Libanon, eingeführt wurde. Dadurch wurde das Nordreich religiös völlig verfremdet (1. Könige 16,29-33).
Durch eine Tochter von Ahab und Isabell, die einen jüdischen König heiratete, wurde dieser Baal- und Aschera-Kult auch massiv ins Südreich eingeführt (2. Könige 8,18).
Als Folge dieses Götzendienstes und der Abwendung vom einen wahren Gott im Nord- und Südreich kam es zum Untergang. Das Nordreich fiel 722 v. Chr., das Südreich 586 v. Chr.
Trotz dieser traurigen Geschichte des fortschreitenden Niedergangs gab es auch Reformationen, Neuanfänge und Erweckungen. Diese fanden unter acht jüdischen Königen statt, die zu Gott und seinem Wort zurückkehrten: Asa, Josaphat, Joas, Amatzja, Usia, Jotham, Hiskia und Josia.
Diese Geschichten sind besonders wichtig, weil sie zeigen, welche biblischen Voraussetzungen für eine Erneuerung unter dem Volk Gottes nötig sind. Wir können daraus lernen, dass die Rückkehr zu Gott und zu seinem Wort prinzipiell entscheidend für eine Erweckung ist.
Verfasser und Quellen der Königsbücher
Wer hat die Bücher der Könige geschrieben? Im Talmud, im Traktat Baba Batra 15a, überliefern die alten Rabbiner, dass es Jeremia gewesen sei.
Ich habe bereits erklärt, dass die Bücher Josua, Richter, Samuel und Könige in der hebräischen Bibel zum Teil gehören, der „Die Propheten“ genannt wird. Die Schreiber dieser Bücher, die als inspiriert gelten, wurden daher ebenfalls als Propheten angesehen. Das passt gut zusammen, wenn man bedenkt, dass Jeremia, der Prophet, auch die Königsbücher geschrieben haben soll.
Ganz auffällig ist, dass der zweite Teil von 2. Könige, Kapitel 24 bis zum Schluss in Kapitel 25, sehr gut mit Jeremia 52 übereinstimmt. Das zeigt die Verbindung zwischen den Königsbüchern und dem Buch Jeremia.
Ursprünglich waren die Königsbücher nur ein Buch. Sie wurden erst später in zwei Bücher aufgeteilt. Diese ursprüngliche Einheit sieht man auch noch in Qumran. Dort wurden Überreste von drei Schriftrollen entdeckt, von denen zwei Überreste aus den ersten und zweiten Königsbüchern enthalten. Diese zwei Rollen bildeten zusammen eine Einheit.
Diese Rolle trägt die Bezeichnung 4QRegA. „4“ steht für die vierte Höhle von elf Qumran-Höhlen, „Q“ für Qumran, „Reg“ ist die Abkürzung für „Reges“, das lateinische Wort für Könige, und „A“ bedeutet, dass es die erste Rolle ist. Wenn man eine zweite Rolle findet, wird diese mit „B“ bezeichnet.
Eine zweite Rolle, die uns zeigt, dass es eine Einheit war, heißt 6QReg. „Pap“ ist die Abkürzung für Papyrusrolle und nicht für eine Lederrolle, „Sex“ steht für die sechste Höhle, „Q“ für Qumran und „Reg“ für Könige. Diese Rolle stammt aus dem zweiten Jahrhundert vor Christus. Das zeigt, dass es in vorchristlicher Zeit nicht die Königsbücher, sondern das Königsbuch oder das Buch der Könige gab.
Interessant ist Folgendes: Die Königsbücher und auch schon die Bücher Samuel geben verschiedene historische Quellen an, die für die Abfassung benutzt wurden. Hier eine Zusammenstellung:
Das Buch der Geschichte Salomos wird in 1. Könige 11,41 erwähnt. Dann das Buch der Geschichte der Könige von Israel, das achtzehnmal genannt wird. Weiter das Buch der Geschichte der Könige von Juda, das fünfzehnmal erwähnt wird.
Außerdem stimmen Jesaja Kapitel 36 bis 39 sehr gut mit 2. Könige 18 bis 20 überein. Das Jesajabuch stammt aus früher Zeit, ungefähr aus dem Jahr 700 v. Chr., während das Königsbuch nach 560 v. Chr. verfasst worden ist, da es bis dahin reicht. Somit ist Jesaja auch eine Quelle.
Dann gibt es noch das Buch der Geschichte des Königs David, das in 1. Chronik 27 erwähnt wird, die Geschichte des Sehers Samuel in 1. Chronik 29, die Geschichte Gads des Sehers ebenfalls in 1. Chronik 29, sowie die Geschichte Nathans des Propheten. Weiterhin werden die Weissagung Ahias des Silaniters und die Visionen Iddos des Sehers genannt.
Nun könnte man denken, dass die Verwendung von geschichtlichen Quellen ein Problem für die Inspiration darstellt. Das ist aber überhaupt nicht der Fall! Schauen wir nur einmal den Anfang des Lukas-Evangeliums an. Lukas schreibt, er sei all den Augenzeugen von Anfang an genau nachgegangen, um alles von Anfang an zu rekonstruieren.
Er richtet sich an Theophilus, den Adressaten des Lukas-Evangeliums, damit dieser die Zuverlässigkeit der Dinge erkennen kann. Lukas ging vor wie ein Historiker. Er war ein Historiker und hat alles sorgfältig recherchiert. Unter der Inspiration des Heiligen Geistes verfasste er so das Lukas-Evangelium.
Genauso ist es auch mit den alttestamentlichen Büchern: Die Propheten benutzten oft älteres schriftliches Material. Unter Inspiration schufen sie daraus das Bibelbuch, das für alle Zeiten bestehen sollte.
All diese erwähnten Quellen sind verloren gegangen. Keine einzige von ihnen existiert heute noch. Doch die Propheten hatten sie damals zur Verfügung.
Noch etwas, was man daraus lernen kann: Vielleicht denkt man manchmal, man sollte keine anderen Geschichtsbücher oder ähnliches heranziehen, wenn man die Bibel studiert. Aber hier sehen wir eine ganz positive Haltung gegenüber außerbiblischen Informationsquellen.
Wenn wir Informationen über das Umfeld der Bibel haben, kann das nur nützlich sein. Es ist zwar nicht die Bibel selbst, und wir dürfen es nicht mit der Bibel gleichsetzen, aber es zeigt uns, dass Geschichtsquellen eine wichtige Rolle spielen. Auch Gläubige sollten sie zu Rate ziehen.
Vergleich und Verhältnis zu den Chronikbüchern
Es ist so, dass die Bücher der Könige und die Bücher der Chroniker viele Überschneidungen aufweisen. Warum haben wir also diese Texte quasi doppelt?
Ein ähnliches Phänomen kennen wir auch aus dem Neuen Testament. Dort gibt es vier Evangelien, die ebenfalls viele Überschneidungen haben. Doch es hat einen Sinn, dass wir vier Evangelien und nicht nur eines haben. Jedes Evangelium legt einen anderen Akzent. Matthäus betont, dass Jesus der König ist, Markus stellt ihn als den Knecht dar. Im Gegensatz dazu hebt Lukas hervor, dass Jesus der vollkommene Mensch ist, und Johannes betont, dass er der wahrhaftige Gott ist.
Man sieht hier, wie zwei Aspekte miteinander korrespondieren: König und Knecht, Mensch und Gott. Ähnlich verhält es sich bei den parallelen Berichten im Alten Testament. Die Bücher der Chroniker wurden viel später verfasst, nämlich nach der babylonischen Gefangenschaft. Sie beschreiben ausschließlich das Südreich, nicht aber das Nordreich der zehn Stämme.
In den Königsbüchern finden wir die Verknüpfung und Verwicklung zwischen den beiden israelitischen Reichen. Chroniker hingegen konzentrieren sich auf das Südreich und die messianische Linie. Man kann sagen, dass in den Büchern der Chroniker der stärkere Akzent auf Gottes Gnade liegt, während in den Königsbüchern mehr die Verantwortung betont wird.
Zum Beispiel wird der Abfall Salomos am Ende seines Lebens in den Königsbüchern berichtet, nicht aber in den Chronikabüchern. Dort geht es weniger um das Versagen des Menschen und seine Verantwortung, sondern mehr um Gottes Gnade und die Linie seiner Verheißung.
Es gibt eine Synopsis von Könige und Chroniker, nämlich das wunderbare Buch „Magpilot beim Mikra“ oder auf Englisch „Parallels in the Bible“ von Abba Ben David. Dort findet man die Texte in Spalten nebeneinander: Königsbücher und Chronik. Dabei ist immer ersichtlich, wo es Unterschiede gibt – diese sind rot markiert.
Man sieht sogar, wenn nur ein Buchstabe anders ist, da ist die Markierung. Oft handelt es sich nur um ganz kleine Nuancen. So kann man die Texte wunderbar miteinander vergleichen und sich fragen, warum der Heilige Geist diese Unterschiede gemacht hat.
Auf diese Weise ist ein detailliertes Studium der Texte möglich. Übrigens sind in dieser Textausgabe auch alle anderen Parallelen im Alten Testament so zusammengestellt. Man staunt, wie viele es gibt. Selbst in den prophetischen Büchern sind alle Parallelen schön zusammengetragen.
Allerdings muss man Hebräisch lesen können, um das zu verstehen. Vielleicht wird das ja irgendwann einmal auf Deutsch gemacht – das wäre doch auch sehr hilfreich.
Ich gebe das einfach so weiter, damit man weiß, wo man was findet und was es überhaupt alles gibt.
Das Problem der Chronologie und seine Lösung
Nun möchte ich noch über ein Problem sprechen, und zwar das Problem der Chronologie. Die Zahlen der Könige von Juda im Südreich und der Könige von Israel im Nordreich, wie sie in den Königsbüchern und in den Büchern der Chronik angegeben sind, passen nicht zusammen. Es wird beispielsweise angegeben, wie lange ein König geherrscht hat oder in welchem Jahr des Nordreich-Königs der Südreich-König zur Macht kam. Wenn man diese Zahlen sorgfältig auflistet, ergeben sie jedoch keinen stimmigen Zusammenhang. Sie stehen zueinander im Widerspruch.
Dieses Problem wurde nicht erst von klugen Leuten seit der Aufklärung entdeckt. Schon im Judentum war man sich dessen in vorchristlicher Zeit bewusst. In der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, der Septuaginta aus dem dritten Jahrhundert vor Christus, versuchte man, durch Anpassungen in der Übersetzung die Zahlen in Einklang zu bringen. Im Judentum wurde der Grundtext sehr genau abgeschrieben, doch in der Übersetzung erlaubte man sich Freiheiten, die man beim Grundtext nicht zugelassen hätte. So wurden die Zahlen leicht verändert, um eine Harmonie herzustellen. Das Problem war also bereits damals bekannt.
Doch es wird noch komplizierter: Durch die moderne Archäologie wurde die Chronologie der Assyrer entdeckt. Diese Chronologie ist auf Keilschrifttafeln authentisch aus der damaligen Zeit überliefert. Das passt gut, denn die Königsbücher überschneiden sich zeitlich zu einem großen Teil mit der assyrischen Weltreichszeit. Diese ist sehr gut dokumentiert; wir haben für lange Zeit jedes Jahr mit den assyrischen Herrschern genau festgehalten.
Die Zahlen der Könige von Juda und Israel passen jedoch weder untereinander noch mit der assyrischen Chronologie zusammen. Verständlich ist daher, dass liberale Theologen sagen, das Alte Testament sei schlecht überliefert und nicht geschichtlich zuverlässig. Der Glaube jedoch hat kein Verständnis für solche Aussagen. Er stützt sich auf die Aussagen des Erlösers, dass sein Wort nicht untergeht und ewig bleibt.
Was muss man also tun, wenn man ein solches Problem hat? Warten! Geduld ist eine Frucht des Geistes und gehört zur Frucht des Geistes. Übrigens war sich auch Hieronymus in der frühen Kirche des Problems bewusst. Er gab den Rat, sich nicht zu viel Zeit mit der Lösung des Problems zu nehmen, weil man es nicht lösen könne. Das war jedoch kein Unglaube gegenüber Gottes Wort, das er ja ins Lateinische übersetzte – die Vulgata stammt von ihm. Niemand wusste damals eine Lösung. Das zeigt, wie wichtig es ist zu erkennen: Man hat nicht erst seit der Aufklärung begonnen, über solche Probleme nachzudenken.
Es ist vermessen zu glauben, im Altertum seien die Menschen mythisch gewesen und hätten sich nicht für historische Fakten interessiert. Das ist nicht wahr. Die Menschen damals waren sehr intelligent, sie erkannten die Probleme, aber offenbar auch ihre Grenzen.
Ich habe einmal eine Stellungnahme zu diesem Problem von Kenneth Kitchen gelesen. Er ist heute einer der führenden Ägyptologen, ein Engländer, und gläubig. Er steht auch für die Inspiration der Bibel ein. Er sagte, wahrscheinlich stecke ein Zählsystem dahinter, das wir heute nicht mehr kennen. Er hätte auch sagen können: Ich bin einer der besten Orientalisten der Welt, und wenn ich es nicht zusammenkriege, dann ist es eben falsch. Das wäre Nationalismus! Wenn jemand nur weiße Schwäne gesehen hat, sagt er fälschlicherweise, es gäbe keine schwarzen. Das ist ein beschränktes Weltbild.
Man muss also Bescheidenheit haben und anerkennen, dass wir derzeit keine Lösung haben. Eine verblüffende Lösung wurde jedoch durch Edwin Thiele möglich. Sein Werk heißt „The Mysterious Numbers of the Hebrew Kings“. Die Neuauflage stammt von 1994, doch er hat die Lösung schon Jahre früher gefunden. Er hat mit den Zahlen experimentiert und geprüft, was möglich ist. Plötzlich passten alle Zahlen zwischen Nord- und Südreich zusammen und stimmten auch mit der assyrischen Chronologie überein – und das, ohne den Text zu ändern.
Das ist der Punkt: Die Zahlen sind geheimnisvoll. Thiele stellte fest, dass dies mit unterschiedlichen Zählweisen zusammenhängt. Im Nahen Osten kennt man eine Zählung, bei der das Thronbesteigungsjahr eines Königs als „Jahr Null“ gilt, und ab dem zweiten Jahr zählt man dann Jahr eins, zwei, drei und so weiter. Es gibt aber auch eine andere Zählung, bei der das Thronbesteigungsjahr bereits als Jahr eins gezählt wird.
Außerdem unterscheiden sich die Zählweisen bei den nördlichen Völkern darin, ob das neue Jahr im Frühjahr oder im Herbst beginnt. Unser neues Jahr ist etwas ungewöhnlich. Die Logik des Frühlings ist die Tag-Nacht-Gleiche am 21. März, und es gibt ein ähnliches Phänomen im Herbst.
Vor dem Auszug aus Ägypten war die biblische Jahreszählung ab dem Herbst, der Tag-Nacht-Gleiche, angesetzt. Doch bei dem Auszug aus Ägypten sagte Gott in 2. Mose 12, dass der betreffende Monat nun der erste Monat sein soll. Seitdem hat Israel beide Jahreszählungen. Sie können also im Prinzip zweimal im Jahr Neujahr feiern – im Frühjahr und im Herbst. Wenn sie im Ausland leben, sogar ein drittes Mal, wenn der Januar beginnt.
Man muss die Feste eben feiern, wie sie fallen. Thiele stellte fest, dass im Nord- und im Südreich unterschiedlich gezählt wurde und es sogar Wechsel des Systems gab. Solche Wechsel traten etwa dort auf, wo Nord- und Südreich durch Heiraten miteinander verbunden waren. Dort änderte sich die Zählweise plötzlich.
Thiele hat das sehr schön dargestellt. Man kann es in seinem Buch nachlesen, und es ist eine wahre Freude, diese Lösung zu finden. Mathematisch betrachtet passten Südreich und Nordreich zunächst nicht zusammen, und beide passten nicht zur assyrischen Chronologie. Doch Thiele brachte alle drei Systeme zusammen. Das ist wirklich beeindruckend.
Das zeigt erneut, dass es sich lohnt zu warten, wenn man auf bestimmte Fragen keine Antwort hat. Manchmal muss man eben mehr als zweitausend Jahre warten – hier sogar mindestens zweitausenddreihundert Jahre.
Jetzt dreht sich der Spieß um: Das zeigt, wie genau das Alte Testament überliefert wurde. Die Abschreiber ließen diese Zahlen, die für sie eigentlich nicht passend waren, unverändert. Sie änderten sie nicht – zumindest nicht im Originaltext. In der Übersetzung schon, aber das ist etwas anderes.
Was heute in Übersetzungen manchmal erlaubt wird, ist oft erstaunlich. Doch der Urtext, der Grundtext, wurde in der masoretischen Überlieferung streng und scheinbar mit „falschen“ Zahlen festgehalten.
Noch etwas: Bereits zur Zeit der Septuaginta im dritten Jahrhundert vor Christus kannte man diese Zählsysteme nicht mehr. Das zeigt, dass die Königsbücher sehr alt sein müssen und nicht späte Redaktionen darstellen, die ohnehin viel Unhistorisches und Falsches enthalten würden.
Das Ganze führt also zu einem schönen Argument für die Genauigkeit der Überlieferung des hebräischen Alten Testaments.
Aufbau des ersten Buches der Könige
Nach diesen Problemen wenden wir uns nun dem Aufbau des Buches zu. Es geht um das erste Buch der Könige, wobei wir uns bewusst sind, dass das erste und zweite Buch der Könige eigentlich eine Einheit bilden.
Die Kapitel 1 bis 11 beschreiben das geeinte Reich unter Salomo. Der zweite Teil, Kapitel 12 bis 22, behandelt das gespaltene, das geteilte Reich, und zwar bis zu den Herrschern Joram beziehungsweise Ahasja.
Man kann das geeinte Reich unter Salomo weiter unterteilen. Zunächst finden wir in den ersten Kapiteln Salomos guten Anfang (Kapitel 1 bis 4), dann den Bau des ersten Tempels (Kapitel 5 bis 8) und schließlich den Aufstieg und Niedergang Salomos (Kapitel 9 bis 11).
Der zweite Teil beginnt mit Kapitel 12. Dort wird beschrieben, wie es zur Reichsspaltung kam, also wie Israel in zwei Staaten auseinanderfiel. Danach werden beide Reiche im Detail behandelt.
Salomos Thronbesteigung und frühe Regierungszeit
Jetzt gehen wir in der Übersicht das erste Buch der Könige durch. Es beginnt mit einem alten David, der das Ende seines Lebens vor Augen hat. Danach folgt die kritische Fortsetzung.
Adonia, einer seiner Söhne, will sich selbst zum König machen und Nachfolger Davids werden. Doch dieser Rebell wird schließlich an seinen Platz gesetzt, und Salomo wird König – genau wie Gott es David prophetisch angekündigt hatte. Im ersten Kapitel wird Salomo offiziell als König über Israel gesalbt, als Nachfolger Davids.
Kapitel 2 beschreibt Davids letzte Anweisungen an Salomo. Danach stirbt David und wird begraben. Adonia, der die Herrschaft an sich reißen wollte, wird daraufhin hingerichtet (1. Könige 2,13-25).
Abjatar war ein hoher Priester aus der Linie von Eli. Eli kennen wir aus dem ersten Samuelbuch; er hatte Samuel aufgezogen. Abjatar wird von Salomo als hoher Priester verstoßen. Damit erfüllt sich die Prophetie, die Samuel als Kind erhalten hatte. Samuel musste Eli, dem alten hohen Priester, sagen, dass Gott seine Familie richten werde. Das Priestertum werde ihm weggenommen, weil er untreu gewesen sei.
Eli hatte vollkommen perverse Söhne, die das Priestertum Israels in den Schmutz zogen. Als oberster Richter Israels unternahm er nichts gegen sie. Die Söhne waren erwachsen, daher konnte man nicht einfach sagen, Eli hätte sie als Vater durchprügeln sollen. Körperstrafe hatte zu dieser Zeit ohnehin schon an Bedeutung verloren. Der Vorwurf war vielmehr, dass Eli als oberster Richter nichts gegen seine Söhne unternommen hatte.
Deshalb sollte das Priestertum einem treuen Priester übergeben werden. Das erfüllte sich nun, indem Zadok hoher Priester wurde. Ich lese 1. Könige 2,26:
„Und zu Abiathar, dem Priester, sprach der König Salomo: Gehe nach Anatot auf deine Felder, denn du bist ein Mann des Todes. Aber an diesem Tag will ich dich nicht töten, weil du die Lade des Herrn vor meinem Vater David getragen und weil du gelitten hast in allem, worin mein Vater gelitten hat.“
So verstoß Salomo Abiathar, damit er nicht mehr Priester des Herrn wäre, um das Wort des Herrn zu erfüllen, das er zu Silo über das Haus Elis geredet hatte. Das ist eine Anspielung auf 1. Samuel 2,31-36. So wurde Samuel als wahrer Prophet bestätigt, weil seine Prophetie viele Jahre später erfüllt wurde.
Nebenbei bemerkt ist das ein Akzent in den Königsbüchern: Immer wieder wird gezeigt, wie sich die Worte der Propheten in der Geschichte erfüllen. Dieser ganze Niedergang war nicht das Ergebnis eines Zufalls, sondern alles war in Gottes Voraussicht schon gesehen.
Nun weiter mit Vers 35:
„Und der König setzte Benaja, den Sohn Jojadas, an seiner Stadt über das Heer. Und Zadok, den Priester, setzte der König an die Stelle Abiatars.“
So war Zadok der erste hohe Priester im salomonischen Tempel. Alle hohen Priester im ersten Tempel waren Zadokiden. Später, nach der babylonischen Gefangenschaft, wurde der zweite Tempel gebaut. Der erste hohe Priester war Jeshua, den man aus Esra 5 sowie den Propheten Haggai und Sacharja kennt. Jeshua war ein Zadokide, und alle seine Nachfolger waren Zadokiden bis in die Zeit der Makkabäer.
In diesem Niedergang Israels wurde das zadokidische Priestertum beendet, und es kamen illegale hohe Priester an die Macht. Auch später in den Evangelien waren Annas, der von 6 bis 15 nach Christus hoher Priester war, und sein Schwiegersohn Kajaphas, der von 15 bis 36 amtierte, keine Zadokiden. Sie waren illegale hohe Priester und haben sich am Messias vergangen. Das war ein schwerer Verstoß gegen göttliches Recht, denn nach Gottes Plan sollten nur Zadokiden dieses Amt ausüben.
In einer langen Fußnote auf Seite zwei habe ich das näher ausgeführt: Nach der Prophetie Hesekiels über den Endzeittempel, den dritten Tempel, wird deutlich gesagt, dass schließlich nur noch zadokidische Nachkommen im dritten Tempel den vollen Priesterdienst ausüben werden (Hesekiel 40,46; 43,19; 44,10 und folgende; sowie 48,11).
Er zeigt uns also diesen großen heilsgeschichtlichen Bogen beim Thema zadokidisches Priestertum. Die Weichen werden in den Königsbüchern gestellt.
Nun weiter: Joab war der General der israelitischen Armee zur Zeit Davids. Er hat sich viel Unrecht erlaubt. Salomo lässt ihn hinrichten. Benaja, den wir gerade erwähnt haben, wurde dann General an Joabs Stelle.
Auch Simei, der David viel Böses getan hatte, wird in den Schlussversen von Kapitel 2 hingerichtet. Man kann sagen, Salomo richtet alle wichtigen Leute hin, die eine Gefahr für sein Friedensreich darstellten. Er sorgt für Ordnung.
Salomos Weisheit und Reich
Kapitel drei: Gott erscheint Salomo in einem Traum und lässt ihn wünschen, was er möchte. Salomo wünscht sich jedoch nicht Reichtum, sondern Weisheit.
Ich lese aus 1. Könige 3,9: „So gib denn deinem Knecht ein verständiges Herz, um dein Volk zu richten, zu unterscheiden zwischen Gutem und Bösem, denn wer vermöchte dieses dein zahlreiches Volk zu richten?“ Dieses Wort gefiel dem Herrn, weil Salomo darum gebeten hatte.
In Vers 12 heißt es: „Siehe, so habe ich nach deinem Wort getan. Siehe, ich habe dir ein weises und einsichtsvolles Herz gegeben, das deinesgleichen vor dir nicht gewesen ist und deinesgleichen nach dir nicht aufstehen wird. Und auch was du nicht erbeten hast, habe ich dir gegeben, sowohl Reichtum als Ehre.“
Ein wunderbarer Anfang bei Salomo: Er strebt nicht nach Ehre und Reichtum, sondern möchte das Volk Gottes gerecht führen. Gott schenkt ihm diese sprichwörtliche Weisheit. Dies wird gleich sichtbar im ersten salomonischen Urteil: Zwei Frauen, beide Huren, kommen zu ihm. Die eine hat ein totes Kind, die andere ein lebendiges. Sie streiten sich darum, wem das lebendige Kind gehört. Wir kennen diese Geschichte aus der Sonntagsschule, hoffe ich zumindest.
Salomo nimmt das lebendige Kind und sagt: „Gut, dann halbieren wir es, dann hat jede etwas davon.“ Die eine Frau sagt: „Nein, auf keinen Fall!“ Die andere erwidert: „Toll, machen wir das so.“ Daraufhin gibt Salomo der richtigen Frau das Kind zurück. Dieses erste salomonische Urteil illustriert seine gewaltige Weisheit.
Kapitel vier beschreibt die Größe des salomonischen Königreiches. Zuerst werden seine Obersten vorgestellt, dann die Aufseher. Schließlich wird gezeigt, wie groß die Ausdehnung seines Reiches war. Seine Herrschaft reichte vom Euphrat im Norden bis zur Grenze Ägyptens. Dabei hatte er Herrschaft über Gebiete, nicht nur über das heutige Israel und besetzte Gebiete, sondern auch über Libanon, Syrien und Jordanien.
Das war bereits eine teilweise Erfüllung der Grenzverheißungen Gottes an Abraham. In 1. Mose 15,18 verspricht Gott das ganze Land vom Strom Ägyptens (dem Nil) bis zum Euphrat. Es gibt auch Stellen, die vom Bach Ägyptens sprechen, doch das ist ein eingeschränkteres Gebiet. Die großen Grenzen sind vom Strom Ägyptens bis zum Euphrat (1. Mose 15,18). Nach göttlichem Recht gehört auch der Sinai zu Israel, obwohl das Gebiet bereits zweimal an Ägypten zurückgegeben wurde.
Das zweite Mal geschah dies in den 1950er Jahren, um Frieden zu schaffen. Doch Frieden kam nicht. Als Israel in seiner Existenz bedroht wurde, wurde das Gebiet zurückerobert. Dann wurde es wieder zurückgegeben, um Frieden zu ermöglichen. Der Frieden mit Ägypten ist jedoch kaum als echter Frieden zu bezeichnen.
Weiterhin spricht Kapitel vier über Salomos Pferde sowie seine Weisheit und sein literarisches Werk. So lesen wir in Kapitel 4,29: „Und Gott gab Salomo Weisheit und sehr große Einsicht und Weite des Herzens wie der Sand, der am Ufer des Meeres ist.“
Manche Bibeln haben eine andere Verszählung, dann wäre das Vers 20. Der Inhalt bleibt jedoch derselbe, nur die Nummerierung ist unterschiedlich.
Ich lese nun Vers 30: „Und die Weisheit Salomos war größer als die Weisheit aller Söhne des Ostens und als alle Weisheit Ägyptens. Und er war weiser als alle Menschen, als Ethan, der Esrachiter, und Heman, und Chalkoll, und Darda, die Söhne Macholls. Und sein Name war unter allen Nationen ringsum, und er redete dreitausend Sprüche, und seine Lieder waren tausendundfünf. Er redete über die Bäume, von der Zeder, die auf dem Libanon ist, bis zum Isop, der an der Mauer herauswächst, und er redete über das Vieh und über die Vögel und über das Gewürm und über die Fische.“
Menschen aus allen Völkern kamen, um die Weisheit Salomos zu hören, von allen Königen der Erde, die von seiner Weisheit gehört hatten. Das war eine Attraktion für die Heidenvölker. Seine Weisheit übertraf alles, was bis dahin in der Geschichte bekannt war.
Übrigens verfasste Salomo 3000 Sprüche, von denen ein Teil im Buch der Sprüche erhalten ist. Er dichtete 1005 Lieder und war somit auch ein begabter Musiker. Allerdings sind nicht alle Lieder überliefert. Wir besitzen nur zwei Lieder von Salomo: eines in den Psalmen, das Stufenlied (Psalm 127), und das schönste Lied, das er geschrieben hat – Shir haSchirim, das Lied der Lieder. Luther übersetzte es als das Hohe Lied.
Dieses Lied ist ein Liebeslied, das die Ehebeziehung zwischen Salomo und Sulamit beschreibt. Es ist daher wörtlich ein gutes Buch, das uns Eheunterricht gibt. Es vermittelt einen guten Unterricht über Sexualität in der Ehe. Es geht nicht um eine Beziehung vor der Ehe, auch wenn die Sulamit Braut genannt wird. Sie ist die junge Ehefrau, sie sind verheiratet.
Darüber hinaus hat das Lied eine typologische Bedeutung. Die Beziehung zwischen Salomo und Sulamit symbolisiert die Beziehung Gottes zu Israel, dem wahren Israel der Zukunft, sowie die Beziehung Gottes zur Gemeinde heute – der Braut, der Frau Christi.
Der Tempelbau und seine Bedeutung
Wir gehen weiter zu Kapitel fünf. Es geht hier um Hiram, den König von Tyrus. Damals bestand eine wunderbare Freundschaft zwischen dem Libanon und Israel. Hiram von Tyrus war ein libanesischer – ich will sagen kanaanitischer – König, und es lag ihm am Herzen, Salomo beim Tempelbau zu unterstützen. Die Libanesen waren damals außerordentlich geschickte Handwerker. Deshalb schickte Hiram Spezialisten aus dem Libanon nach Israel, um beim Tempelbau zu helfen.
Die Bauleute werden hier beschrieben, in Kapitel 5. Ich lese etwas daraus, Vers 15: „Und Salomo hatte siebzigtausend Lastträger und achtzigtausend Steinhauer im Gebirge, ohne die Oberaufseher Salomos, welche über die Arbeit waren, dreitausenddreihundert, die über das Volk walteten, das an der Arbeit beschäftigt war. Der König gebot, und sie brachen große Steine, wertvolle Steine, um den Grund des Hauses zu legen, behauene Steine. Und die Bauleute Salomos und die Bauleute Hirams und die Geblitter beheben sie, und sie richteten das Holz und die Steine zum Bau des Hauses zu.“
Also ganz toll: siebzigtausend Lastenträger und achtzigtausend Steinhauer im Gebirge. Im Neuen Testament wissen wir, dass der Tempel einerseits ein Bild der Gemeinde ist. In 1. Korinther 3,16 heißt es: „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid?“ Die einzelnen Bausteine stellen die einzelnen Erlösten dar. Denn Petrus erklärt die Typologie der Tempelsteine in 1. Petrus 2,4: Er spricht dort vom gütigen Herrn, zu welchem man kommt als zu einem lebendigen Stein, der von Menschen zwar verworfen, bei Gott aber auserwählt und kostbar ist. „Seid auch ihr selbst als lebendige Steine aufgebaut zu einem geistlichen Haus.“ Christus ist der Eckstein, und die Bausteine sind die Erlösten. Sie sind lebendige Steine und kommen alle zu diesem Stein, Christus, hinzu.
Die moderne Archäologie hat durch die Arbeit von Lane Rittmeier gezeigt, dass der Fels auf dem Zionsberg, auf dem Tempelberg, die natürliche Bergspitze ist, die als Fundament und auch als Eckstein für den salomonischen und auch für den zweiten Tempel diente.
Und zwar ist es so: Die Spur der Südmauer sieht man noch auf dem Felsen in der Oma-Moschee. Die Spur misst genau 3,15 Meter, was sechs Königsellen entspricht. Die Königselle ist 52,5 Zentimeter lang. In dem Plan in 1. Könige 6 und den folgenden Kapiteln wird gesagt, dass die Dicke der Mauern des Allerheiligsten sechs Ellen betrug. Die Spur der Südmauer sieht man noch auf dem Felsen. So war dieser Stein eben das Fundament für den Felsen. Die Südmauer lag also auf dem Felsen, der Fels war das Fundament.
Die Nord-, West- und Nordmauer hingegen wurden entlang der natürlichen scharfen Böschung des Felsens gebaut. So ergibt sich von Mauer zu Mauer, von Süden nach Norden, ein Abstand von genau zwanzig Königsellen. Das entspricht der Angabe in 1. Könige 6: Das Allerheiligste wird dort genannt „der Sprachort“, denn dort, wo Gott zwischen den Cherubim der Bundeslade redete, richtete er den Sprachort im Innersten des Hauses ein, um die Lade des Bundes des Herrn dort zu setzen.
Das Innere des Sprachortes maß 20 Ellen in der Länge, 20 Ellen in der Breite und 20 Ellen in der Höhe. Dieses 20-Ellen-Quadrat kann man heute gut rekonstruieren. Dabei fällt eine Vertiefung im Zentrum dieses Quadrats auf, die genau zweieinhalb auf eineinhalb Ellen misst. Das ist das Maß der Bundeslade nach 2. Mose 25. Diese Vertiefung kann man heute noch im Felsendom, in der Oma-Moschee, sehen. Die Seitenlinien verlaufen genau parallel zu den Mauerlinien.
Hier lesen wir jedoch: „Den Sprachort im Innersten des Hauses richtete er zu, um die Lade des Bundes des Herrn dahin zu setzen.“ Das spricht von dieser Vertiefung auf dem Felsen, die bewirken sollte, dass die Lade nicht irgendwie unwürdig auf dem Felsen wackelte. Also war der Fels das Fundament der Südmauer, aber auch der Eckstein. Nach der Ausrichtung dieses Felsens mussten die Tempelmauern ausgerichtet werden, der Verlauf der Mauern.
So ist Jesus Christus dieser Stein, zu dem die lebendigen Steine kommen. Er ist das Fundament. Die Gemeinde gründet sich auf Christus – glücklicherweise nicht auf Petrus. Nur die römische Kirche ist auf Petrus gegründet. Die Gemeinde der Erlösten aber ist gegründet auf Christus. Auf diesen Felsen werde ich meine Gemeinde bauen – das ist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Er ist nach Epheser 2,20 der Eckstein, nach dem sich alles ausrichten muss. Nicht nach unseren Vorstellungen und nicht nach irgendwelchen Beschlüssen der Menschen, sondern nach seinem Wort. Das ist die Norm.
Gut, und nun haben wir hier diese 80 Steinhauer im Gebirge. Was bedeutet das? Das sind Evangelisten. Das ist die evangelistische Arbeit. Wie wird man ein lebendiger Stein am Tempel der Gemeinde? Man muss durch die Verkündigung des Evangeliums aus den Bindungen dieser Welt herausgelöst werden. Diese Steine mussten herausgeholt werden.
Das reicht aber noch nicht für einen Tempel. Was nützen uns diese herausgeschlagenen Steine im Steinbruch, wenn sie nicht auf dem Tempelplatz stehen? Das ist zum Beispiel die Arbeit vom Hauskreis zur Gemeinde. Da kommen Leute im Hauskreis zum Glauben. Es gibt weitere Beispiele, wie Frauenfrühstück und so weiter – das ist alles Steinbrucharbeit. Oder am Arbeitsplatz, das ist ebenfalls Steinbrucharbeit.
Aber dann müssen die, die zum Glauben gekommen sind, hinübergetragen werden. Dazu braucht es diese 70 Lastenträger. Das ist eine ganz entscheidende Arbeit. Wir haben gelesen: „Zu welchem kommend als zu einem lebendigen Stein.“ Das ist der Transport der Steine hin zu Christus, dem Fundament und Eckstein der Gemeinde.
Das sind ganz wichtige Arbeiten. Dafür braucht es Personal. Und wir haben dauernd Personalmangel, nicht weil es zu wenig Leute gäbe, sondern weil zu viele arbeitslos sind. Da ist man wirklich herausgefordert.
Jetzt haben wir wieder ein Beispiel für Typologie im Alten Testament. Diese Sprache, diese bildliche Sprache des Alten Testaments spricht uns einfach an. Dabei wird die historische Bedeutung voll unterstrichen. Das sind keine Erfindungen, sondern es ist historisch genau so geschehen.
Schauen wir noch etwas, Kapitel 5, Vers 17: „Und der König gebot, und sie brachen große Steine, wertvolle Steine, um den Grund des Hauses zu legen, behauene Steine.“
Wenn man zum Glauben kommt, müssen diese Bausteine dann noch bearbeitet werden. Das erleben wir Tag für Tag, wie der Herr an uns arbeitet. Dazu braucht er unsere Geschwister. Das Wort Gottes verändert uns, damit wir wirklich diese schönen, behauenen Steine werden.
Herr Lindsay hat nach seiner Bekehrung einen Englischkurs besucht, weil er als Amerikaner nicht gut Englisch konnte – es ist ja Englisch, aber er sprach so übel, dass er sich klar war: Als Christ muss ich ein neues Englisch lernen. Das war eine solche Arbeit zum Beispiel. Aber wir können tausend andere Dinge in diesem Bild erkennen.
Wir gehen weiter zu den Kapiteln sechs und sieben, die wir schon ein bisschen angerissen haben. Dort finden wir eine detaillierte Beschreibung des salomonischen Tempels und seiner Bauausführung. Man könnte so ähnlich sagen wie in Hebräer 9,5, „von welchen Dingen jetzt nicht im Einzelnen die Rede sein soll.“
Wir könnten den ganzen Bitteschuhtag nur über den salomonischen Tempel machen. Aber ich habe beispielhaft etwas angerissen, was man für Schätze heben kann – und heben muss.
Vielleicht noch ein Detail möchte ich erwähnen, mit den Steinen, Kapitel 7, Vers 12: „Der große Hof, also der große Vorhof des salomonischen Tempels, bestand ringsum aus drei Reihen behauener Steine und einer Reihe Zedernbalken. So war es auch mit dem inneren Hof des Hauses des Herrn und mit der Vorhalle des Tempelhauses.“
Das sind Details: drei Steinreihen und dann Zedernholz. Was soll das?
Aus der Archäologie wissen wir, dass das eine Bauweise ist, die wir zum Beispiel aus Ugarit in Nordsyrien kennen. Drei Steinlagen, dann eine Kiesschicht dazwischen, die abgedeckt wird durch Holz. Das sieht schön aus. Dann kommt die nächste dreifache Lage.
Dieses Bauprinzip wurde auch hier angewendet. Ich habe zum Beispiel einmal mit einer Gruppe in Megiddo, in Nordisrael, die Ausgrabungen angeschaut und gezeigt: Schaut mal, das Stadttor hat drei Steinlagen und dazwischen eine Holzschicht, dann wieder Bausteine. Warum? Das war eine Erdbebensicherung.
Israel ist sehr erdbebengefährdet durch diesen gewaltigen Grabenriss von der Türkei, der hinunter südlich durch Israel bis nach Eilat verläuft, dann im Meeresboden weitergeht, und dann hinauf nach Afrika und weiter bis nach Südafrika.
Ein riesiger Grabenbruch von 12.000 Kilometern Länge. Das erklärt übrigens auch, warum das Jordantal und das Tote Meer so tief liegen. Das Tote Meer ist der tiefste Punkt der Welt, 400 Meter unter dem Meeresspiegel. Wenn man auf Nullhöhe im Bus sitzt, müsste man die Taucherbrille anziehen, denn dann geht es hinunter zum Toten Meer.
Das gehört zu diesem Grabenbruchsystem, bei dem Platten auseinandergebrochen sind. So ist Jerusalem sehr erdbebengefährdet. Deshalb braucht es diese Erdbebensicherung.
Dadurch kann die Erde wackeln, aber durch die Flexibilität in der Kiesschicht kracht nicht gleich alles zusammen.
Jetzt übertragen wir das: Wir brauchen in der Gemeinde Erdbebensicherung. Es wackelt immer wieder mal. Es ist nicht ungewöhnlich, wenn es in einer Gemeinde Schwierigkeiten gibt – die kommen garantiert.
Aber das Ganze sollte dann nicht zusammenkrachen. Es braucht Geschwister, die flexibel sind und so helfen, dass nicht gleich alles zusammenstürzt.
Ich habe noch auf Esra 6,4 verwiesen: Beim Bau des zweiten Tempels wurde diese Methode wieder angewendet. Drei Steinlagen und dann eine Schicht mit Holz.
Es ist eine wunderbare Bildersprache, die uns so konkret und praktisch anspricht.
Einweihung des Tempels und Gottes Gegenwart
Wir kommen zu Kapitel acht. Nach dem Bau des salomonischen Tempels, der übrigens nicht der Phantasie entsprang, sondern David hatte von Gott eine genaue Inspiration über den Bau des salomonischen Tempels erhalten. Auch hier wieder vertikale Typologie nach dem himmlischen Vorbild. David schrieb das in eine Rolle und übergab diese Tempelrolle dann Salomo.
Ich gebe das nur schnell an, wo das steht: 1. Chronik 28,11: „Und David gab seinem Sohn Salomo das Muster der Halle des Tempels und seiner Häuser und seiner Schatzkammern und seiner Obergemächer und seiner inneren Gemächer und des Hauses des Sühnedeckels und das Muster von allem, was durch den Geist in ihm war.“ Der detaillierte salomonische Plan war keine Nachahmung architektonischer Vorbilder aus der Umwelt, sondern göttlich inspiriert.
Nach Vollendung kam es dann zu diesem wunderbaren Einweihungsfest in Kapitel acht. Noch etwas habe ich aber vergessen: Die Datierung in Kapitel sechs, Vers eins. Salomo begann den Tempel nämlich siebeneinhalb Jahre vor der Einweihung zu bauen. Es geschah im 480. Jahr nach dem Auszug der Kinder Israel aus Ägypten, im vierten Jahr der Regierung Salomos über Israel, im Monat Ziv, dem zweiten Monat. Da baute er dem Herrn das Haus.
Hier gab es wieder ein Problem in der Theologie: Im 480. Jahr. Wenn man aber die Zahlen in den früheren Büchern nachrechnet, kommt man auf 594 Jahre und nicht 480. Was soll man da machen? Wieder so ein Problem. Man hat gesagt, es könnte ein Abschreibfehler sein, aber sehr oft greift man zu dieser Möglichkeit, ohne dass eine Handschrift vorliegt, die etwas anderes hätte. Da muss man sehr vorsichtig sein, wenn man sagt, es sei ein Abschreibfehler.
Man könnte sagen, vielleicht kommt eine Handschrift ans Licht, die die korrekte Zahl enthält. Das ist möglich. Wenn man das aber so durchrechnet, sieht man im Buch der Richter, dass es 114 Jahre waren, in denen Israel unter Strafherrschaft stand. Weil Israel untreu war, kamen sie unter verschiedene Fremdherrscher als Strafe Gottes. Wenn man all diese Fremdherrschaften im Buch der Richter zusammenzählt, ergeben sie exakt 114 Jahre.
Nun: 594 minus 114 ergibt 480, stimmt’s? Ja, ohne Taschenrechner habe ich das gemacht. Das heißt, 114 Jahre waren verlorene Zeit, Zeit der Zucht. Das spricht uns natürlich auch sehr an: Als Gläubige können wir falsche Wege gehen, und Gott lässt uns diese falschen Wege gehen. Aber dann kommt die Zucht des Vaters über uns.
Rückblickend müssen wir sagen: All diese Jahre, in denen wir auf falschen Wegen waren, waren verlorene Zeit. Gottes Ratschluss wäre eine andere, eine direktere Linie gewesen. So zählt also der Heilige Geist in 1. Könige 6 die Jahre des Ratschlusses Gottes und lässt die 114 Jahre der Zucht aus.
Nun zu Kapitel acht: Die Einweihung des Tempels fand am Laubhüttenfest statt. Es wird zwar einfach gesagt, in 1. Könige 8,2: „Und alle Männer von Israel versammelten sich zum König Salomo im Monat Etanim, das ist der siebte Monat, am Fest, das Laubhüttenfest“, als das siebte der sieben Feste des Herrn. 3. Mose 23 nennt es im Alten Testament schlicht „das Fest im siebten Monat“, weil es gewissermaßen alle früheren Feste in sich vereinte.
Hachag ist einfach das Laubhüttenfest. An diesem Fest erschien dann die Schechina, diese geheimnisvolle Wolke und nachts die Feuersäule. 1. Könige 8,10: „Und es geschah, als die Priester aus dem Heiligen herausgingen, da erfüllte die Wolke das Haus des Herrn. Und die Priester vermochten wegen der Wolke nicht, da zu stehen, um den Dienst zu verrichten, denn die Herrlichkeit des Herrn erfüllte das Haus des Herrn.“
Diese Erscheinung auf der Stiftshütte bestätigt hier den salomonischen Tempel als Gottes Tempel. Die Gegenwart Gottes wurde hier so sichtbar dokumentiert.
Im zweiten Tempel kam die Schechina nicht mehr. In Hesekiel 8 bis 11 sieht man in der Vision Hesekiels, wie die Schechina in den letzten Tagen des salomonischen Tempels zögernd in Stufen den Tempel verließ. Sie ging hinaus durchs Osttor, dort, wo heute das goldene Tor ist, hinüber zum Ölberg – und dann war sie weg.
Als die Juden zurückkehrten und den zweiten Tempel bauten, kam die Schechina, die sichtbare Gegenwart Gottes, nie mehr zurück. Das war sehr demütigend, denn viele Dinge fehlten im zweiten Tempel. Auch die Bundeslade war nicht im Allerheiligsten, und es gab noch weitere fehlende Dinge.
In der Zeit des Zweiten Tempels begann man, am Laubhüttenfest gewaltige, fünfundzwanzig Meter hohe goldene Leuchter anzuzünden. Das Laubhüttenfest war ja das einzige Fest des Herrn, das Tag und Nacht gefeiert wurde. Die Tempelfeste waren sonst immer am Tag, nachts war Ruhe. Ausnahmsweise wurde Tag und Nacht gefeiert. Wer schlafen musste, konnte in die Laubhütte gehen. Aber es war Tempeldienst, also sang der Priesterchor, das Orchester spielte, und man zündete diese gewaltigen Leuchter an.
Woher kam diese Idee? Es ist die Erinnerung an das Laubhüttenfest im ersten Tempel, wo die Nacht durch die Feuersäule der Schechina erleuchtet wurde.
Herr Jesus ging ja in Johannes 7 auch zum Laubhüttenfest hinauf. In Johannes 8,12 erklärt er die messianische Bedeutung der Leuchter. Im Frauenvorhof, dort, wo der Tempelchor sang, sagte er: „Nun redete Jesus zu ihnen und sprach: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben.“
Von der Feuersäule im salomonischen Tempel über die Leuchter im Zweiten Tempel hin zur messianischen Erfüllung: Der Herr Jesus Christus ist dieses Licht in der Dunkelheit. In einer orientierungslosen Gesellschaft, die nicht mehr weiß, was rechts und links ist, oben und unten, was Recht und Wahrheit ist, sagt er: „Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben.“
So sehen wir den Bogen bis ins Neue Testament gespannt.
Salomo hat ein wunderbares Gebet gesprochen, öffentlich. Ich möchte daraus herausgreifen, wie er über Gottes Unfassbarkeit spricht, in Vers 27: „Aber sollte Gott wirklich auf der Erde wohnen? Siehe, die Himmel und der Himmel der Himmel können dich nicht fassen, wie viel weniger dieses Haus, das ich gebaut habe.“
Nicht wahr, die Götter der Heiden kann man ja in den Heiligtümern unterbringen. Das geht, sie haben Platz. Was sind die Götter der Heiden? Das sind Dämonen, nach 1. Korinther 10. Was die Heiden ihren Göttern opfern, opfern sie den Dämonen und nicht Gott.
Dämonen sind gefallene Engel, und sie sind an Raum und Zeit gebunden. Deshalb haben sie Platz in den Heiligtümern der Heiden. Aber der wahre Gott steht über Raum und Zeit. So sagt Salomo: Wie soll Gott in diesem Haus wohnen? Der Himmel und der Himmel der Himmel können ihn nicht fassen.
Dabei unterscheidet er zwei Himmel. Der erste Himmel, am zweiten Schöpfungstag, ist die Ausdehnung, die Rakia, diese hauchdünne Ausdehnung, die Atmosphäre. Diese wird von Gott Schamaim genannt, Himmel.
Aber in 1. Mose 1,1 war ja schon die Rede vom Himmel. „Am Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde.“ Das hebräische Wort für Himmel ist immer in der Mehrzahl. Es ist ein Mehrzahlwort.
Ich vergleiche das mit dem Englischen: Wie sagt man Schafe? Sheep. Es gibt kein „sheeps“. Sheep ist sowohl Einzahl als auch Mehrzahl. Ähnlich ist es mit „Fisch“. Die Amerikaner und Engländer essen keine „fisches“, sondern immer „fish“, auch wenn sie zwei auf dem Teller haben.
Umgekehrt gibt es Wörter, die immer in der Mehrzahl stehen, selbst wenn sie Einzahl sind.
Also: Am Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde, das ist das Weltall, dessen Ausdehnung nicht gemessen werden kann. Gott sagt in Jeremia, wenn einmal die Ausdehnung gemessen werden könnte, würde er Israel verwerfen. Aber man kann sie nicht messen, und darum wird er Israel nie verwerfen.
Dann haben wir die Atmosphäre, den Lufthimmel, den blauen Himmel, in dem die Flugzeuge fliegen. Als Gagarin zum ersten Mal ein bisschen über den Lufthimmel hinausging, war er im zweiten Himmel, aber natürlich nicht im dritten Himmel und konnte Gott nicht sehen.
Als Atheist ist es sowieso schwierig, Gott zu sehen. Aber er war ja sowieso nicht im dritten Himmel, denn in 2. Korinther 12,2-3 spricht Paulus über das Paradies, wo der Thron Gottes ist (vgl. Offenbarung 5,6; 4,5-6). Das Paradies, das Paulus den dritten Himmel nennt, gehört also nicht zur sichtbaren Schöpfung.
Nun sagt Salomo: Gott ist der Unfassbare. Das ganze Weltall, der Himmel und der Himmel der Himmel können ihn nicht fassen. Wie kann Gott in diesem Haus wohnen?
Wenn über das Wohnen Gottes gesprochen wird, heißt das nicht, dass Gott an einen bestimmten Punkt eingegrenzt werden kann. Wenn Gott an einem Ort wohnt, dann heißt das, hier offenbart er sich.
Der Heilige Geist ist genauso unendlich wie der Vater und der Sohn. An Pfingsten kam er auf Erden, um in der Gemeinde zu wohnen. Das heißt nicht, dass der Heilige Geist plötzlich auf die Gemeinde eingegrenzt wäre. Die Gemeinde ist der Ort, wo er sich offenbart.
„Der Sachwalter wird euch in alle Wahrheit führen.“ So wurde die Gemeinde durch die Jahrhunderte in die Wahrheit des Wortes Gottes eingeführt – durch den Heiligen Geist auf eine noch nie dagewesene Weise. Das ist eben das Wohnen des Heiligen Geistes.
Auch damals war Jerusalem der Ort, an dem man Gott auf ganz besondere Weise erfahren konnte. Das bedeutet das Wohnen.
Ich möchte noch Vers 41 lesen: „Und auch auf den Fremden, der nicht von deinem Volk Israel ist: Kommt er aus fernem Land um deines Namens willen – denn sie werden hören von deinem großen Namen und deiner starken Hand und deinem ausgestreckten Arm – kommt er und betet gegen dieses Haus hin, so höre du im Himmel, der Stätte deiner Wohnung, und tue nach allem, um was der Fremde zu dir rufen wird. Damit alle Völker der Erde deinen Namen erkennen, damit sie dich fürchten wie dein Volk Israel und damit sie erkennen, dass dieses Haus, welches ich gebaut habe, nach deinem Namen genannt wird.“
Das Ziel des salomonischen Tempels war also, die Heidenvölker anzuziehen, um den einen wahren Gott kennenzulernen. Wir haben bereits gesehen, wie aus allen Königreichen Leute zu Salomo kamen (Ende von Kapitel 5). Und wir werden sehen, wie die Königin von Saba in Kapitel 10 zu Salomo kommt.
So sehen wir: Mission ist keine neutestamentliche Sache, sondern schon alttestamentlich verwurzelt. Sie hat gewisse Unterschiede, und darüber sprechen wir nach der langen Pause: Mission im Alten Testament.
Mission im Alten und Neuen Testament
Wir haben gesehen, dass Salomo selbst durch seine göttliche Weisheit ein Anziehungspunkt für alle nahöstlichen Völker war – und zweitens auch der Tempel selbst. Salomo drückt dies im Einweihungsgebet aus: „Wenn der Fremdling aus einem anderen Land, aus einem fernen Land kommt, um deines Namens willen, denn sie werden hören von deinem großen Namen.“
Hier sehen wir, dass die alttestamentliche Mission insbesondere zentripetale Mission war. In der Physik kann man lernen, dass eine Kraft entsteht, wenn man einen Stein an einer Schnur so herumkreisen lässt. Diese Kraft zieht zum Zentrum hin und wird als Zentripetalkraft bezeichnet. Was man als Kind schon gelernt hat, ist, dass es auch eine Fliehkraft gibt. Wenn der Stein sich löst, fliegt er hinaus. In der Physik lernt man jedoch, dass die Fliehkraft eigentlich eine Scheinkraft ist. Wirklich physikalisch muss man mit der Zentripetalkraft rechnen.
Diese beiden Seiten drücken zwei Kräfte aus, die eine zum Zentrum zieht und die andere die Fluchtkraft darstellt. Analog dazu kann man sagen: Alttestamentliche Mission zieht heran nach Jerusalem, zum Tempel. Neutestamentliche Mission hingegen ist zentrifugale Mission – die Missionare werden hinausgeschickt zu den Völkern. Alttestamentliche Mission sagt: „Kommt!“, und neutestamentliche Mission sagt: „Geht!“
Dazu lesen wir Jesaja 45,21b: Gott fragt, wer die Zukunft so voraussagen kann. Es heißt: „Nicht ich, der Ewige, und es ist sonst kein Gott außer mir. Ein gerechter und rettender Gott ist keiner außer mir. Wendet euch zu mir und werdet gerettet, alle ihr Enden der Erde, denn ich bin Gott und keiner sonst.“ Die Völker werden gerufen: „Kommt her, wendet euch zu mir!“
So sollte Jerusalem zum Anziehungspunkt für die Heidenvölker werden. Dies wird eindrücklich illustriert durch die Königin von Saba, die aus dem Jemen, ganz im Süden der arabischen Halbinsel, nach Jerusalem kam, um die göttliche Weisheit Salomos zu erfahren.
Zentripetale Mission zeigt sich also im Alten Testament, und neutestamentlich lesen wir in Matthäus 28,18: „Und Jesus trat dazu und redete mit ihnen und sprach: Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden. Geht nun hin und macht alle Nationen zu Jüngern und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Und lehrt sie, alles zu bewahren, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters.“
Das jüdische Volk ist nicht in alle Welt hinausgegangen, um die Botschaft von dem wahren Gott zu verkündigen. Sie hatten das Zentrum, zu dem die Heidenvölker hingezogen werden sollten. Neutestamentliche Mission hingegen bedeutet, dass die Missionare hinausgehen bis zu den Enden der Erde.
In diesem Sinne kann man nicht sagen, Mission sei grundsätzlich etwas Neues. Der missionarische Gedanke ist alttestamentlich verwurzelt und findet sich dann als Fortsetzung im Neuen Testament. Die Art und Weise hat sich geändert – eben vom „Kommen“ zum „Geht“.
Es ist interessant, dass wir heute, in einer Zeit, in der Europa als Kontinent, der über Jahrhunderte stark unter dem Einfluss des Evangeliums stand, eine Zuwanderung aus vielen Kontinenten und Gebieten erleben, die kaum oder gar nicht evangelisiert waren. Heute erleben wir etwas Ähnliches wie die zentripetale Mission des Alten Testaments: Die Leute kommen zu uns. Muslime kommen zu uns. Wir brauchen gar nicht mehr unbedingt in die Türkei, nach Saudi-Arabien oder Marokko zu gehen. Die Menschen kommen selbst hierher und sind hier oft viel empfänglicher für das Evangelium als in ihren Ursprungsländern.
Diesen Aspekt sollte man im Zusammenhang mit der ganzen Asylantenfrage sehen. Es ist eine gewaltige missionarische Bewegung: Sie kommen zu uns. Doch das ist nur ein Aspekt. Wir brauchen immer noch die Leute, die hinausgehen in alle fünf Kontinente.
Neutestamentlich finden wir noch etwas in Johannes 12,20: Zur Zeit des zweiten Tempels sehen wir immer noch diese alttestamentlich zentripetale Mission. Es waren etliche Griechen unter denen, die hinaufkamen, um am Fest anzubeten. Man sieht, diese Nichtjuden kommen nach Jerusalem, um den einen wahren Gott anzubeten.
Dieses Zentripetale ist in neutestamentlicher Zeit also immer noch vorhanden. Genau in dieser Zeit trat der Messias im Tempel auf. Weiter lesen wir in Vers 21: „Diese nun kamen zu Philippus, dem von Bethsaida in Galiläa, und baten ihn und sagten: Herr, wir möchten Jesus sehen.“ Gewaltig! Sie kommen nach Jerusalem, um den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs kennenzulernen und begegnen hier sichtbar dem verheißenden Messias, auf den Israel so lange gewartet hatte.
Schließlich hat die zentrifugale Mission bereits an Pfingsten ihren Anfang genommen (Apostelgeschichte 2). In Kapitel 8 finden wir den Kämmerer aus Äthiopien. Der Finanzminister der Königin von Äthiopien – damals das Gebiet des heutigen Sudan – kam aus Schwarzafrika nach Jerusalem, um dort anzubeten. Er hatte eine Jesajarolle gekauft, aber nicht viel verstanden.
Auf dem Heimweg wird der Mann, der eigentlich zentrifugal missioniert werden sollte, plötzlich durch die zentrifugale Mission noch erreicht. Philippus fragt ihn: „Verstehst du, was du da liest?“ Er antwortet: „Nein, wie sollte ich, wenn mich keiner anweist?“ Philippus setzt sich zu ihm und erklärt ihm das ganze Evangelium, ausgehend von Jesaja 53. Der Mann kommt zum Glauben – der Finanzminister aus dem Sudan.
So zeigt sich die Einheit der Mission im Alten und Neuen Testament mit ihren unterschiedlichen Akzenten.
Salomos Vision und Gottes Warnung
Nun zu 1. Könige 9: Gott erscheint Salomo in einer Vision zum zweiten Mal und erklärt ihm ganz feierlich:
Ich lese Vers 3: "Und der Herr sprach zu ihm: Ich habe dein Gebet und dein Flehen gehört, das du vor mir gefleht hast. Ich habe dieses Haus, das du gebaut hast, geheiligt, um meinen Namen dahin zu setzen auf ewig. Meine Augen und mein Herz sollen daselbst sein allezeit.
Und wenn du vor mir wandeln wirst, so wie dein Vater David gewandelt hat, in Lauterkeit des Herzens und in Geradheit, dass du tust nach allem, was ich dir geboten habe, und wenn du meine Satzungen und meine Rechte beobachten wirst, so werde ich den Thron deines Königtums über Israel befestigen ewiglich, so wie ich zu deinem Vater David geredet habe, indem ich sprach: Es soll dir nicht an einem Mann fehlen auf dem Thron Israels.
Wenn ihr aber ihr und eure Kinder euch hinter mir abwenden und meine Gebote, meine Satzungen, die ich euch vorgelegt habe, nicht beobachten werdet, und werdet hingehen und anderen Göttern dienen und euch vor ihnen niederbeugen, so werde ich Israel ausrotten aus dem Land, das ich ihm gegeben habe. Und das Haus, welches ich meinem Namen geheiligt habe, werde ich von meinem Angesicht wegwerfen, und Israel wird zum Sprichwort und zur Spottrede werden unter allen Völkern usw."
Diese göttliche Offenbarung macht deutlich, was nun weiter folgt in den Königsbüchern. Es ist nicht so, als wäre Gott die Regierung aus den Händen geglitten. Der ganze Niedergang und die Katastrophe mit der assyrischen Verbannung und der babylonischen Gefangenschaft waren ganz klar vorgesehene Konsequenzen, wenn das Königtum in Israel versagt und Israel sich von dem einen wahren Gott entfernt.
Was wir weiter sehen, ist also keine Katastrophe im Sinne von: Gott hat etwas verheißen und nun nicht erfüllt. Vielmehr ist es genau die Erfüllung dessen, was Gott angedroht hat. Gehorsam führt zu Segen, Untreue jedoch zum Untergang.
Die Königin von Sheba als Beispiel für alttestamentliche Mission
Nun kommt Kapitel zehn: Die Königin von Sheba.
1 Und die Königin von Sheba hörte vom Ruf Salomos aufgrund des Namens des Herrn. Sie kam, um ihn mit Rätseln zu prüfen. Mit einem sehr großen Gefolge reiste sie nach Jerusalem, begleitet von Kamelen, die große Mengen Gewürze, Gold und Edelsteine trugen.
Sie kam zu Salomo und sprach mit ihm über alles, was in ihrem Herzen war. Salomo erklärte ihr alles, worum sie fragte. Keine Sache war dem König verborgen, die er ihr nicht erklärt hätte.
Als die Königin von Sheba all die Weisheit Salomos sah, ebenso das Haus – also das Tempelhaus, das er gebaut hatte – die Speise seines Tisches, das Sitzen seiner Knechte, das Aufwarten seiner Diener und ihre Kleidung, seine Mundschenken und den Aufgang, auf dem er in das Haus des Herrn hinaufging, das auf der Bergspitze lag, geriet sie außer sich.
Sie sprach zum König: „Das Wort ist wahr gewesen, das ich in meinem Land über deine Taten und deine Weisheit gehört habe. Ich habe den Worten nicht geglaubt, bis ich gekommen bin und meine Augen es gesehen haben. Und siehe, nicht einmal die Hälfte wurde mir berichtet. Du übertriffst an Weisheit und Gut das Gerücht, das ich gehört habe.“
„Glückselig sind deine Leute, glückselig sind deine Knechte, die beständig vor dir stehen und deine Weisheit hören.“ Nun betete sie den wahren Gott an: „Gepriesen sei der Herr, dein Gott, der Gefallen an dir gehabt hat, dich auf den Thron Israels zu setzen. Denn der Herr liebt Israel ewiglich und hat dich zum König eingesetzt, um Recht und Gerechtigkeit zu üben.“
Die Königin aus dem Jemen – in den vergangenen Jahren hat man dort viele Ausgrabungen gemacht. So ist das Königreich von Sheba ans Licht gekommen. Heute weiß man viel mehr über dieses Königreich dort unten. Diese Königin kam also und lernte den einen wahren Gott in Jerusalem kennen.
Das ist eine wunderbare Typologie, die vor uns steht. Salomo, der König des Friedens, der Mann des Friedens, ist typologisch ein Bild von Jesus Christus, dem König, dem Friedensfürsten, wie es in Jesaja 9,5 heißt: „Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter. Man nennt seinen Namen wunderbarer Berater, starker Gott, ewiger Vater, Friedefürst.“
Hier haben wir eine Heidin, die die Herrlichkeit des Königs, des Friedensfürsten, in Jerusalem kennenlernt. So entsteht ein schönes Bild, wie Menschen aus der Welt Jesus Christus erkennen können. Schließlich müssen sie, wenn sie ihn wirklich kennenlernen, sagen: „Was ich da in Christus gefunden habe, übertrifft alles, was mir die Leute früher erzählt haben.“
Natürlich hatten sie mir gesagt, es sei wunderbar, Christ zu werden. Doch die Wirklichkeit übertraf das Gerücht bei weitem. Ein wunderbares Beispiel für jemanden, der zum Glauben kommt und die Herrlichkeit Jesu Christi erkennt, ähnlich wie in Johannes 1,14: „Und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als des Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“
Paulus sagt: „Ich bin von Christus ergriffen“ (Philipper 3). Diese Ergriffenheit von Christus findet man hier. Es ist nicht einfach eine emotionale Bewegung, sondern es ist die Weisheit Gottes und die Herrlichkeit, die im Tempel symbolisch für Jesus Christus steht, die sie überwältigt hat. Ein schönes Beispiel dafür.
Wir wollen noch eine Verbindung zu Matthäus 12 herstellen. Jesus Christus ist unter seinem Volk aufgetreten, doch die große Masse hat ihn nicht erkannt. In Matthäus 12,42 heißt es: „Eine Königin des Südens wird im Gericht mit dieser Generation auftreten und sie verdammen. Denn sie kam von den Enden der Erde, um die Weisheit Salomos zu hören, und siehe, mehr als Salomo ist hier.“
Hier vergleicht der Herr Salomo mit dem Messias. Die Erfüllung des Typos ist jedoch viel größer: „Mehr als Salomo ist hier.“ Er sagt, die Königin hat einen weiten Weg von Südarabien nach Jerusalem gemacht. Diese Generation jedoch muss keinen Weg machen, denn der Messias ist selbst in ihre Mitte gekommen, und sie haben ihn nicht erkannt.
Im Endgericht wird diese Königin als Belastungszeugin auftreten. Sie wird sagen: „Diese Generation muss von Gott ewig gerichtet werden, weil sie den Messias abgelehnt hat, obwohl er in ihre Mitte gekommen war. Ich habe einen weiten Weg von Südarabien nach Jerusalem gemacht, um Salomo zu hören. Doch dieser Salomo ist nur ein kleiner Vergleich zum Messias. Ich war überwältigt, und diese Generation hat die große Chance verpasst. Deshalb müssen sie gerichtet werden.“
Das ist sehr ernst und eindrücklich! Die Königin von Sheba schattet auch die Zeit voraus, wenn Jesus Christus als Friedenskönig auf Erden herrschen wird. Dazu lesen wir in Sacharja 8,20-23, was dann geschehen wird. Es geht um die Zeit am Anfang des Friedensreiches:
So spricht der Herr der Heerscharen: „Noch wird es geschehen, dass Völker und Bewohner vieler Städte kommen werden. Die Bewohner der einen Stadt werden zu anderen gehen und sagen: ‚Lasst uns doch hingehen, um den Herrn anzuflehen und den Herrn der Heerscharen zu suchen. Auch ich will gehen.‘ Viele Völker und mächtige Nationen werden kommen, um den Herrn der Heerscharen in Jerusalem zu suchen und anzuflehen.“
So spricht der Herr der Heerscharen: „In jenen Tagen werden zehn Männer aus verschiedenen Sprachen der Nationen den Rockzipfel eines jüdischen Mannes ergreifen und sagen: ‚Wir wollen mit euch gehen, denn wir haben gehört, dass Gott mit euch ist.‘“
Dies ist eine typologische Anwendung der Königin von Sheba, die ganz auf die Zukunft hinweist. Dann werden aus aller Welt Völker Gott erkennen. Das sind Menschen, die das Evangelium noch nie gehört haben. Sie werden in der Drangsalzeit und am Anfang des Tausendjährigen Reiches zum Glauben kommen und nach Jerusalem kommen, um Gott anzubeten.
Völker, Bewohner und viele Städte werden kommen. So sehen wir im Tausendjährigen Reich wieder eine zentripetale Bewegung: Die Völker kommen nach Jerusalem. In der Zwischenzeit, also in der Zeit der Gemeinde, hat das völlig aufgehört. Jerusalem ist nicht mehr das Zentrum, und der Tempel steht seit fast 2000 Jahren nicht mehr.
Die Mission in dieser Zwischenzeit ist eine andere. Doch in der Zukunft wird der dritte Tempel gebaut, und dann wird sich das ändern. Es wird wieder eine zentripetale Mission geben. Jerusalem wird von Gott wiederhergestellt und zum Zentrum des Gottesdienstes werden.
Salomos Abfall und die Reichsspaltung
Jetzt kommen wir zu Kapitel 11. Hier wird beschrieben, wie Salomo immer mehr Frauen aus verschiedenen Völkern heiratete: moabitische, ammonitische, edomitische, zidonische und hethitische Frauen. Diese verführten ihn zum Götzendienst. Das ist sehr dramatisch, denn es zeigt, dass selbst große Weisheit nicht vor einem solchen Vorfall bewahren kann.
Gute Bibelkenntnis ist etwas Wunderbares. Aber wir dürfen nicht glauben, dass die Bibelkenntnis selbst uns bewahrt. Was uns bewahrt, ist, wenn wir täglich unsere Beziehung zum Herrn pflegen und immer wieder erneuern. Es darf nicht zugelassen werden, dass Sünde in unserem Leben bestehen bleibt. Vielmehr muss unser Leben vor Gott geordnet sein.
1. Johannes 1,9 sagt: Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit. Das bewahrt uns täglich neu. Deshalb müssen wir diese Beziehung pflegen und suchen.
Die Bibelkenntnis kann uns dabei helfen, diese Beziehung zu pflegen. Aber sie ist nicht die Beziehung selbst. Man kann sagen, sie ist ein Werkzeug. Wenn man das Werkzeug nicht richtig anwendet, ist es nicht schlecht, aber man nutzt es nicht richtig.
So sehen wir das sehr eindrücklich: Der weiseste Mann des Alten Testaments ist schließlich gefallen. Gott erscheint ihm zum dritten Mal (1. Könige 11,9-13) und sagt: Jetzt muss ich das Gericht üben.
Im gleichen Kapitel kommen dann die Widersacher und Feinde Salomos ins Spiel: Hadad der Edomiter (1. Könige 11,14-22), dann Rezon der Syrer (1. Könige 11,23-25). Außerdem erhält Jerobeam eine Prophetie, dass das Reich geteilt wird und dass er den Großteil des Reiches bekommen wird. Jerobeam stammt nicht aus der Linie Davids, sondern aus dem Stamm Ephraim.
Plötzlich wird die Welt politisch unruhig. Lange hatte Israel Frieden und Ruhe, doch nun kommt Unruhe auf. Das ist keine zufällige Sache. All diese politischen Unruhen werden von Gott so benutzt, dass sie zur Zuchtrute für Salomo werden.
Das hilft uns, die Weltgeschichte zu verstehen. Es ist nicht einfach so, dass wieder ein verrückter Mann die Macht an sich zieht. Nein, all diese Unruhen, Aufstände und Umstürze sind Teil von Gottes Wirken. Er benutzt diese Ereignisse als Zuchtrute für die Völker. So war es auch für Israel. Gott hat die Geschichte in seiner Hand.
Am Ende des Kapitels wird dann Salomos Ende beschrieben.
Die Spaltung des Reiches unter Rehabeam
Jetzt kommen wir zu Kapitel zwölf. Nach dem Tod Salomos wird sein Sohn Rehabeam im Jahr 1143 König. Rehabeam geht nach Sichem und versammelt ganz Israel dort, damit sie ihn zum König machen.
Die Volksmenge spricht Rehabeam an und sagt, es sei sehr hart gewesen unter seinem Vater. Salomo war streng und hat sie zu viel Arbeit gedrängt. Sie bitten Rehabeam, es nun etwas leichter mit ihnen zu machen als früher.
Rehabeam holt sich daraufhin Rat von seinen Beratern. Die jungen Männer raten ihm, genau das Gegenteil zu tun: Wenn das Volk nach Freiheit ruft, solle er umso strenger sein als sein Vater Salomo. So würden sie beeindruckt sein. Die älteren Berater hingegen empfehlen, die Politik zu ändern und milder zu sein.
Rehabeam entscheidet sich, dem Rat der jungen Leute zu folgen. Er sagt: „Das, was Salomo gemacht hat, war überhaupt nichts gegen das, was ich jetzt mit euch mache.“ Diese Entscheidung führt sofort dazu, dass die Familie Davids mit den zehn Stämmen im Norden Israels nichts mehr zu tun haben will. So kommt es zur Spaltung des Reiches.
Rehabeam versucht noch, die Situation zu retten, indem er Politiker schickt, der das Spaltungsproblem lösen soll. Dieser Mann heißt Adoram und ist der große Aufseher über die Frohnarbeit. Doch er ist nicht der richtige Mann für diese Aufgabe. Die Leute töten ihn sofort. Man kann sagen, Rehabeam war politisch töricht und dumm, ein Hitzkopf, der nach außen stark wirken wollte, aber in Wirklichkeit schwach war.
Warum hatte Rehabeam das Volk nach Sichem im Norden, dem heutigen Nablus, gerufen und nicht nach Jerusalem? Jerusalem war die Hauptstadt Israels und von Gott auserwählt. Dass er nach Nablus ging, war eigentlich schon eine politische Schwäche. Gleichzeitig gab er vor, der starke Mann zu sein.
Salomo schrieb am Ende seines Lebens das Buch Prediger. Offenbar war er umgekehrt und schrieb dort all seine Dummheiten nieder. Er beschreibt, wie er vergeblich Erfüllung in Dingen suchte, die keine Erfüllung bringen. Er sagt, alles sei hohl und leer. Dieses Buch schrieb er, um dem Volk zu sagen: Wiederholt nicht meine Fehler, es bringt nichts.
In Prediger 2,18 heißt es: „Und ich hasste alle meine Mühe, womit ich mich abmühte unter der Sonne, weil ich sie dem Menschen hinterlassen muss, der nach mir sein wird, und wer weiß, ob er weise oder töricht sein wird. Und doch wird er schalten über alle meine Mühe, womit ich mich abgemüht habe und worin ich weise gewesen bin unter der Sonne. Auch das ist Eitelkeit.“
Weiter schreibt Salomo: „Da wandte ich mich zu verzweifeln, ob all der Mühe, womit ich mich abgemüht hatte unter der Sonne. Denn da ist ein Mensch, dessen Mühe mit Weisheit und mit Kenntnis und mit Tüchtigkeit geschieht, und doch muss er sie einem Menschen als sein Teil abgeben, der sich nicht darum gemüht hat. Auch das ist Eitelkeit und ein großes Übel.“
Rehabeam war wirklich ein solcher törichter Sohn, der all die Mühe Salomos durch seine Hitzköpfigkeit zunichte machte.
Die Hitzköpfigkeit Rehabeams ist eine Sache. Aber wir wissen, es musste so kommen als Gericht Gottes über Salomo und sein Reich. Hier zeigt sich einerseits die Verantwortung des Menschen. Rehabeam war nicht prädestiniert, dumm zu sein – das ist niemand. Niemand ist von Gott dazu bestimmt, böse oder töricht zu sein.
Gott hat jedoch diese Dummheit in seiner Souveränität benutzt, um seinen Plan auszuführen.
Ein wichtiges Wort finden wir in 1. Könige 12. Dort kam es zur Spaltung: Das Nordreich mit den zehn Stämmen und das Südreich mit Juda und Benjamin.
Ein Prophet namens Schemaja erhielt das Wort Gottes und sprach zu Rehabeam, dem Sohn Salomos, dem König von Juda, sowie zum ganzen Haus Juda und Benjamin und zum übrigen Volk:
„So spricht der Herr: Ihr sollt nicht hinaufziehen und nicht mit euren Brüdern, den Kindern Israel, streiten und quasi wieder durch einen Krieg die Einheit erzwingen. Kehrt um, ein jeder nach seinem Haus, denn von mir aus ist diese Sache geschehen.“
Sie hörten auf das Wort des Herrn und zogen zurück.
Dieser Prophet verhinderte einen Bürgerkrieg. Doch wir sollten uns besonders das Wort merken: „Denn von mir aus ist diese Sache geschehen.“ Rehabeam war ein törichter Mann, und viel Übles spielte sich ab. Doch letztlich liegt alles in Gottes Hand.
Es war kein Zufall, dass es so kam. Dieses Wort ist ein Trost in schwierigen Situationen unseres Lebens. Wir können uns daran erinnern: Von Gott aus ist diese Sache geschehen. Obwohl Menschen ihre Verantwortung und Bosheit ausüben, liegt die letzte Kontrolle bei Gott.
So gibt Gottes Souveränität dem Gläubigen Ruhe in seinem Ratschluss. Wir sind in Gottes Hand, und nichts erreicht uns, was nicht von ihm gefügt ist.
Dazu passt Römer 8,28: „Denn wir wissen, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken, denen, die nach dem Vorsatz berufen sind.“
Jerobeams religiöse Neuerungen und Prophetie
Kapitel dreizehn – nein, zunächst noch etwas zu Kapitel zwölf. Am Schluss sehen wir nach der Spaltung, wie Jerobeam eine neue Art von Religion einführt. Er erkennt das Problem: Israel ist gespalten, doch nach dem Gesetz Mose müssen die Menschen immer wieder zu den Tempelfesten nach Jerusalem gehen. Jerusalem liegt im Südreich, was politisch ungünstig für das Nordreich ist.
Wenn die Leute ständig ins Südreich zu den Tempelfesten reisen müssen, besteht die Gefahr, dass sie wieder abfallen und sich mit dem Südreich verbinden wollen. Deshalb braucht Jerobeam eine religiöse Alternative zu Jerusalem. So richtet er in Dan, ganz im Norden, und in Bethel, im Süden des Nordreichs, relativ nahe bei Jerusalem, neue Kultstätten mit goldenen Kälbern ein.
Er erklärt: „Da beriet sich der König und machte zwei goldene Kälber, und er sprach zu dem Volk: Es ist zu viel für euch, nach Jerusalem hinaufzuziehen. Siehe da, Israel, deine Götter, die dich aus dem Land Ägypten heraufgeführt haben.“ (1. Könige 12,28)
Eines der Kälber stellte er in Bethel auf, das andere in Dan. Außerdem setzte er Leute aus dem Volk, die Lust hatten, Priester zu werden, als Priester ein – nicht mehr die Leviten, insbesondere nicht die Leviten aus der Familie Arons. Jeder, der wollte, durfte den Dienst übernehmen.
Zudem richtete er ein Fest am fünfzehnten Tag des achten Monats ein (Vers 33). Dieses Fest war eine Imitation des Laubhüttenfestes, das eigentlich am fünfzehnten Tag des siebten Monats gefeiert wurde. Jerobeam schuf also eine Ersatzreligion, damit die Menschen weiterhin große Volkszusammenkünfte haben konnten – allerdings etwas anders.
Er sagte: „Schaut, diese Kälber sind eure Götter, die euch aus Ägypten heraufgeführt haben.“ Nicht mehr der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Israel aus Ägypten geführt hatte, sondern diese Kälber. Das ist eine Anspielung auf den Apiskult. In Ägypten wurden Stiere als abgöttisch verehrt, als Symbol für Fruchtbarkeit und Leben.
Es handelt sich hier übrigens um männliche Kälber. Deshalb ist es nicht der Hathor-Kult, die heilige Kuh, sondern der heilige Stier. So finden wir hier das Phänomen des Synkretismus, der Religionsvermischung. Jerobeam nimmt Elemente aus der israelitischen biblischen Religion und vermischt sie mit ägyptischer Religion.
Das ist genau das, was heute viele Menschen so attraktiv finden: Alles zusammenzuführen, alles sei irgendwie gut, und man solle ein Weltethos verkünden, wie es etwa Küng fordert.
Dann kommt in Kapitel dreizehn ein Mann Gottes, der nach Bethel geht und eine Prophetie gegen diese Abgötterei ausspricht.
Ich lese aus Kapitel 13, Vers 1: „Und siehe, ein Mann Gottes kam aus Juda durch das Wort des Herrn nach Bethel, und Jerobeam stand bei dem Altar, um zu räuchern. Er rief gegen den Altar durch das Wort des Herrn und sprach: ‚Altar, Altar, so spricht der Herr: Siehe, ein Sohn wird dem Haus Davids geboren werden, Josia sein Name, und er wird auf dir die Priester der Höhen schlachten, die auf dir räuchern, und man wird Menschengebeine auf dir verbrennen.‘“
Am selben Tag gab er ein Zeichen und sprach: „Dies ist das Zeichen, das der Herr geredet hat: Siehe, der Altar wird reißen und die Fettasche, die darauf ist, verschüttet werden.“
Als der König das Wort des Mannes Gottes hörte, der gegen den Altar in Bethel gerufen hatte, streckte Jerobeam seine Hand vom Altar herab aus und rief: „Greift ihn!“ Da verdorrte seine Hand, die er ausgestreckt hatte, und er konnte sie nicht wieder an sich ziehen. Der Altar riss, und die Fettasche wurde vom Altar verschüttet.
Dieses Zeichen, das der Mann Gottes durch das Wort des Herrn gab, ist ein eindrückliches Zeugnis Gottes gegenüber dem abgefallenen Nordreich.
Dann sollte der Prophet wieder nach Juda zurückkehren, ohne bei jemandem zu übernachten. Doch unterwegs begegnete er einem alten Propheten, der im Nordreich wohnte. Dieser lud ihn ein: „Komm doch zu mir!“ Doch der Mann Gottes antwortete, er dürfe nicht, denn der Herr habe ihm verboten, Brot zu essen oder Wasser zu trinken und auf demselben Weg zurückzugehen.
Der alte Prophet entgegnete: „Ich habe auch eine Prophetie erhalten. Der Herr hat mir gesagt, du sollst zu mir kommen.“ (Vers 17)
Der alte Prophet behauptete: „Auch ich bin ein Prophet wie du, und ein Engel hat zu mir durch das Wort des Herrn gesprochen und gesagt: Bringe ihn mit dir in dein Haus, damit er Brot esse und Wasser trinke.“
Er belog den Mann Gottes. Dieser kehrte mit ihm zurück, aß Brot und trank Wasser.
Während sie zu Tisch saßen, geschah das Wort des Herrn zu dem alten Propheten, der den Mann Gottes zurückgebracht hatte. Er rief dem Mann Gottes zu, der aus Juda gekommen war, und sprach:
„So spricht der Herr: Darum, dass du gegen den Befehl des Herrn widerspenstig gewesen bist und nicht das Gebot gehalten hast, das der Herr, dein Gott, dir geboten hat, und umgekehrt bist und Brot gegessen und Wasser getrunken hast an dem Ort, von dem er zu dir gesprochen hat: Iss kein Brot und trinke kein Wasser! So soll dein Leichnam nicht in das Grab deiner Väter kommen.“
Nachdem der Mann Gottes Brot gegessen und Wasser getrunken hatte, sattelte der alte Prophet den Esel, auf dem er geritten war, und zog fort. Unterwegs fand ihn ein Löwe und tötete ihn.
Diese Geschichte ist tragisch, aber sie zeigt ein wichtiges Prinzip: Gott hat sich geoffenbart und klare Anweisungen gegeben. Ein neuer Prophet kann nicht kommen und behaupten, Gott habe ihm etwas anderes gesagt.
Gott bindet sich an sein Wort. Wenn heute moderne Propheten etwas anderes verkünden als die Schrift, können sie so lange rufen, wie sie wollen: Eine weltweite Erweckung im Jahr 2000 oder zu einer anderen Zeit wird nicht kommen.
Was soll ich sagen? Es ist nie gekommen. Mittlerweile wissen wir, dass es sich um falsche Propheten handelte, die uns belogen haben.
Hier geht es nicht um die Frage, ob es Kinder Gottes oder Gläubige oder Ungläubige sind – diese Propheten waren Lügner.
Bei diesem Propheten müssen wir nicht fragen, ob er gläubig oder ungläubig war – er war ein Lügner.
Die Bibel sagt uns, dass am Ende der Zeit, der Endzeit, in der das jüdische Volk aus der weltweiten Zerstreuung in das Land der Väter zurückkehrt, ein großer Abfall stattfinden wird.
Abfallen kann man nur dort, wo man bereits etwas hatte. Es geht hier nicht um unerreichte Völker, sondern um Völker, die das Evangelium lange gehört haben. Dort wird es zum großen Abfall kommen (2. Thessalonicher 2) – nicht zur großen Erweckung.
Wenn nun ein Prophet kommt und sagt: „Der Herr hat mir gesagt …“, dann können wir sagen: Tschüss, wir gehen zurück nach Juda.
Dieses Beispiel zeigt, wie streng Gott das ahndet, wenn jemand nicht klar an sein unverfälschtes Wort glaubt.
Übrigens ist das ein großer Unterschied zum Islam. Im Islam ist Allah nicht an sein Wort im Koran gebunden. Er kann es ändern.
Man kann sich also nicht darauf verlassen, dass es endgültig ist.
Der Gott der Bibel hingegen hat sich an das geschriebene Wort gebunden. Es ist sein Wort. Er ändert es nicht.
Darum können wir ihm vertrauen, dass er seine Verheißungen erfüllt. Alles, was im Widerspruch dazu steht, können wir von vornherein als Lüge verurteilen.
Ein sehr ernstes Kapitel. Wir haben in Römer 15 gelesen, dass alles im Voraus geschrieben wurde, damit wir durch die Schrift ermahnt werden.
Das ist eine sehr ernste Ermahnung.
Die Dynastie Jerobeams und ihre Auslöschung
Dann gehen wir weiter zu Kapitel 14. Dort wurde ein Kind von Jerobeam krank. Die Frau Jerobeams, offensichtlich eine kluge Frau, sagte sich, dass sie zu einem Propheten des Herrn gehen und ihn fragen wolle, wie es mit ihrem Sohn ausgehen würde. Man sieht, dass sie den Glauben an den Gott der Väter irgendwie nicht ganz aufgeben konnten.
Sie entschied sich, sich zu verkleiden und als jemand anderes zum Propheten zu gehen, um zu fragen, wie es mit dem Sohn weitergeht. So kam sie zu Achia, der jedoch blind war. In Vers 5 heißt es, dass der Herr ihm bereits im Voraus gesagt hatte, dass die Frau Jerobeams zu ihm kommen würde. Eigentlich hätte sich niemand verkleiden müssen, denn Achia hätte ohnehin nichts verheimlicht.
In Vers 6 steht: „Und es geschah, als Achia das Geräusch ihrer Füße hörte, als sie zum Eingang hereinkam, da sprach er zu ihr: Komm herein, Weib Jerobeams, warum stellst du dich denn fremd? Ich aber bin mit hartem Wort zu dir gesandt. Geh hin, sprich zu Jerobeams: So spricht der Herr, der Gott Israels…“ Es folgt eine Gerichtsankündigung.
Dazu gibt es eine wunderbare Anekdote von Spurgeon, einem großen Evangelisten im 19. Jahrhundert in England. Eine Frau wollte nie zu einer Evangelisation von Spurgeon gehen, wurde aber doch neugierig, was der Mann wirklich erzählte. Sie überlegte, sich zu verkleiden, damit niemand merkte, dass sie zur Evangelisation ging, weil ihr das peinlich gewesen wäre.
Sie verkleidete sich und ging hinein, allerdings nicht von Anfang an. Spurgeon predigte gerade über 1. Könige 14 und sagte: „Komm herein, Weib Jerobeams, warum stellst du dich denn fremd?“ Genau in diesem Moment ging das Wort ihr so unter die Haut, dass sie zum Glauben kam. Das ist eine schöne Anekdote aus der Missionsgeschichte.
In Vers 14 folgt dann die Prophetie über den Untergang der Dynastie Jerobeams. Der Herr wird sich einen König über Israel erwecken, der das Haus Jerobeams an jenem Tag ausrotten wird.
Ganz am Ende der Blätter habe ich die vollständigen Chronologien und Dynastien der Könige Israels im Norden und des Südens aufgelistet, basierend auf den Zahlen von Edwin Thiele. Dort sieht man die erste Dynastie Jerobeam I., dann Nadab, und danach kam eine neue Dynastie an die Macht. So hat sich alles erfüllt.
Übrigens gibt es in den Versen 19 bis 20 auch eine Prophetie an die Frau Jerobeams über die Wegführung nach Assyrien, die sich später ebenfalls erfüllte. Die Dynastie Jerobeams wurde ausgerottet, und noch später kamen die Nordstämme in die Gefangenschaft nach Assyrien.
Gottes Wort erfüllt sich Schritt für Schritt durch die Geschichte.
Die Könige Abia und Asa im Südreich
Kapitel fünfzehn
König Abia kommt auf den Thron. Ich lese Vers 3: „Und er wandelte in allen Sünden seines Vaters, welche dieser vor ihm getan hatte. Und sein Herz war nicht ungeteilt mit dem Herrn, seinem Gott, wie das Herz seines Vaters, das heißt seines Vorfahren David. Dennoch gab ihm der Herr, sein Gott, um Davids Willen eine Leuchte in Jerusalem, indem er seinen Sohn nach ihm erweckte und Jerusalem bestehen ließ, weil David getan hatte, was Recht war in den Augen des Herrn.“
Wir haben hier also das Südreich unter Abia. Wenn wir in den Königen Judas am Schluss nachschlagen, sehen wir, dass er der Sohn von Rehabeam ist. Gott gibt Gnade nicht, weil Abia so großartig war, sondern wegen seines Großvaters David – oder besser gesagt Urgroßvaters. Dein Vater ist hier der Urgroßvater. Das zeigt einen Segen, der über die Generationen hinweggeht. Das ist eindrücklich.
Man spricht ja oft vom Fluch, den die Vorfahren bringen, der über die nächsten Generationen weitergegeben wird. Dabei beruft man sich auf 2. Mose 20, wo Gott im Gebot sagt, dass er die Sünden der Väter bis ins dritte und vierte Glied rächen wird. Doch man sollte dann weiterlesen.
2. Mose 20,5: „Ich bin ein eifernder Gott, der die Ungerechtigkeit der Väter heimsucht an den Kindern, am dritten und am vierten Glied derer, die mich hassen, und der Güte erweist auf Tausende hin an denen, die mich lieben und meine Gebote beobachten.“
Der Fluch wird also nicht einfach automatisch weitergegeben. Denjenigen, die mich hassen – das sind jene, die in den Sünden ihrer Vorväter weitergehen und oft noch schlimmer sind als die Vorfahren – denen wird etwas von den Folgen der Vorfahren zuteil. Aber auf der anderen Seite sagt Gott nicht nur drei oder vier Generationen, sondern „auf Tausende hin“. Es gab noch nie Tausende Generationen seit Adam, die Gott lieben, aber es ist eine große Zusage.
Im Fall von Abia ging die Güte Gottes sogar vom Urgroßvater aus, obwohl Abia selbst auf falschen Wegen ging. Das ist ganz wichtig: Diese Fluchübertragung betrifft nicht einfach Gläubige, die Angst haben müssten, weil ihr Urgroßvater vielleicht schlimme Dinge getan hat.
Der Herr Jesus sagt zu Paulus in Apostelgeschichte 26: „Ich nehme dich aus den Völkern heraus.“ Die Gemeinde heißt ja Ekklesia, die Herausgerufene. Wir werden als Gläubige aus dem Stammbaum herausgeholt. Und es gilt nur für die, die Gott hassen.
Hier haben wir sogar einen Ausnahmefall, bei dem der Großvater schuld war, aber dennoch Gottes Güte wirkte.
Vers 4: Dann wird Asa König von Juda. Er tut, was recht ist in den Augen des Herrn. Es kommt zu einer ersten Reformation, einer Erneuerung in Juda.
Dann wird beschrieben, wie Nadab König wird. Doch dieser Nadab wird durch Baesa ermordet, und damit erfüllt sich die Prophezeiung über die Dynastie Jerobeams.
Baesa stammte aus einer tiefen sozialen Schicht, denn in 1. Könige 16,2 heißt es, dass Gott ihn aus dem Staub erhoben hat. Das ist immer gefährlich, wenn solche Menschen große Macht erhalten.
In Sprüche 30,22 heißt es: „Es ist schrecklich, wenn ein Knecht König wird.“ Warum? Oft sind das Menschen, die Unterdrückung erlebt haben. Wenn sie an die Macht kommen, rächen sie sich. Das war auch bei Ceaușescu so. Er war Schuhmacher und stieg dann so hoch auf. Seine ganze Bosheit ließ er grausam an seinem Volk aus. Das ist das Beispiel, das in Sprüche 30 als Schrecken vorgestellt wird.
Baesa kam durch den ersten politischen Königsmord in Israel an die Macht. Doch es war Gottes Zulassung, um Gericht zu vollziehen.
In Kapitel sechzehn folgt eine Prophezeiung gegen die Dynastie Baesas, die bereits in den Versen zwölf und dreizehn erfüllt wird.
Sein Sohn Ela wird König über Israel, doch auch er wird ermordet – eine traurige Geschichte.
Tirza wird zur neuen Hauptstadt. Vorher war Sichem, auch Nablus genannt, die Hauptstadt. Tirza liegt ebenfalls im heutigen Westjordanland. Wir sehen, dass dies alles zentrale Gebiete sind.
Simri ist nur sieben Tage König. Omri besiegt Simri, der daraufhin Selbstmord begeht. Omri wird König über Israel. Es kommt allerdings zu einer kurzen Spaltung des Nordreiches, also zu einem Bürgerkrieg.
Omri residiert zunächst in Tirza und siedelt dann nach Samaria über, ebenfalls im Westjordanland. Samaria bleibt dann die Königsstadt bis zum Untergang.
Schließlich kommt Ahab an die Macht. Er wird König in Israel. Dieser grausame Ahab heiratet eine Hexe, die Isabell aus Zidon heißt.
In seiner Zeit wird Jericho neu aufgebaut. Hiel, der Betheliter, führt den Wiederaufbau durch. Dabei sterben sein Erstgeborener am Anfang und ein weiteres Kind, als er fertig ist.
Das erfüllt die Prophezeiung, die Josua nach der Zerstörung Jerichos gegeben hatte. Die Mauern waren damals gefallen, und Josua sagte: Wer diese verfluchte Stadt Jericho wieder aufbaut, wird mit dem Tod seiner Kinder bezahlen. Beim Grundlegen stirbt der Erste, beim Torsetzen das weitere Kind.
Das hat sich hier nach Jahrhunderten genau so erfüllt. Wir sehen, dass Gottes Wort nicht revidiert wird, auch nicht nach vielen Jahrhunderten. Dieser Fluch über Jericho blieb gültig, wie damals, als er ausgesprochen wurde.
Elija und die Drangsalzeit
Kapitel siebzehn beschreibt den Propheten Elija zur Zeit Ahabs. Elija betet, und es regnet nicht mehr für dreieinhalb Jahre, was zu einer schweren Hungersnot führt. Alles hat eine prophetische, typologische Bedeutung. Ahab, dieser schreckliche König in Israel, ist ein Bild des Antichristen, der als falscher Messias in Israel herrschen wird. Es kommt zur großen Drangsalzeit von dreieinhalb Jahren (Offenbarung 11,3-6). Der Himmel wird verschlossen sein.
Elija stellt den gläubigen Überrest aus Israel dar, der in dieser Zeit bewahrt und von Gott ernährt wird. Elija geht in den Libanon und versorgt dort eine Witwe. Diese Witwe stellt den Überrest aus den Heidenvölkern dar, der ebenfalls durch die große Drangsal nach Offenbarung 7,9-17 gehen muss. Ihr Sohn wird auferweckt, was ein Bild von den Auferweckten am Anfang des Friedensreiches in Offenbarung 20,4 ist. So schön, wie all diese Details zusammenpassen.
Dann kommen wir zu Kapitel 18, dem Gottesbeweis auf dem Karmel. Ba'al wurde verehrt, weil Isabel diesen Kult eingeführt hatte. Ba'al war der Blitz- und Regengott der Kanaaniter. Darum hat Elija gesagt: „So, dann sollen sie mal Ba'al anrufen, damit er wieder Regen bringt, nach dieser langen Zeit von dreieinhalb Jahren.“ Die Anhänger bringen sich in Ekstase mit ihren religiösen Methoden, doch es geschieht nichts.
Elija spottet: Wahrscheinlich hört Ba'al nicht so gut, ist in Gedanken oder vielleicht auf einer Reise, sie müssen ein bisschen lauter schreien. Auch das nützt nichts. Schließlich betet Elija schlicht, und es kommt ein Blitz vom Himmel. Das Nordreich erkennt: Der Herr ist Gott, der Herr ist Gott. Ein Blitz- und Regengott sollte ja einen Blitz herabbringen und etwas Regen machen, das kann er nicht. Aber der Gott Israels kann den Blitz vom Himmel bringen, Feuer vom Himmel, und danach kommt auch der Regen.
So steht es in Joel 2,23-27: Am Ende der Drangsalzeit wird Gott den ausgebliebenen Regen wieder zurückbringen, und Israel wird den Herrn erkennen. Eine wunderbare Parallele.
Kapitel 19: Elija flüchtet vor Isabel, die schwört, den Propheten umzubringen. Auf dem Höhepunkt seiner Macht wird er plötzlich ganz depressiv. Es war keine Depression nach moderner Definition, denn wenn man einfach mal tief niedergeschlagen ist, ist man noch lange nicht depressiv. Das ist wichtig, denn viele Leute meinen, sie seien schon depressiv, wenn sie mal niedergeschlagen sind.
Nach dem Höhepunkt kam dieser Tiefpunkt. Elija geht zum Sinai. Dort erscheint ihm Gott in einem feinen, säuselnden Wind und zeigt ihm Gnade. Aber Elija sagt: „Ich bin der einzige, der übrig geblieben ist.“ Gott antwortet: „Du sollst jetzt Elisa salben als Nachfolger. Ich habe nämlich noch siebentausend in Israel, die dem Ba'al ihr Knie nicht gebeugt haben.“
Wir sehen, man kann ganz demütig sein. Unter dem Ginsterstrauch sagt der Niedergeschlagene: „Ich bin nicht besser als meine Vorfahren. Nimm mich weg.“ Dann sagt er: „Ich bin der einzige, der übrig geblieben ist. Der einzige Treue, zwar ganz schwach, aber immerhin noch besser als die Vorfahren. Zurzeit bin ich der einzige Treue.“ Und der Herr sagt: „Ich habe noch siebentausend.“ Das ist die einzige Sünde eines Gläubigen im Alten Testament, die im Neuen Testament wiederholt wird. Alle anderen werden nicht mehr erwähnt.
So eindrücklich ist dieser Hochmut bei gleichzeitiger Demut: Wir sind nicht die Letzten, nicht die einzigen Treuen. Der Herr hat sie überall, in der ganzen Welt.
Kapitel 20: Es gibt Krieg zwischen Syrien und dem Nordreich Samaria. Gott greift zugunsten von Israel ein. Das Ziel war, damit Ahab den Herrn erkennen würde. Es kommt zu einem erneuten Krieg. Gott greift wieder ein.
Die Syrer sagen: „Das ist schiefgegangen, weil wir auf den Bergen gekämpft haben, und der Gott Israels ist ein Berggott. Jetzt müssen wir das nächste Mal in den Tälern angreifen, dann haben wir Sieg.“ Das sind diese Lokalgötter, die gut für diese Quelle, für diesen Berg und für diese Täler sind. Aber der wahre Gott ist der allmächtige Gott. Darum gibt Gott wieder Sieg dem Nordreich über Syrien, damit Israel den Herrn erkennen kann.
Kapitel 21: Ahab will den Weinberg von Nabot für sich. Doch es gibt einen Grundsatz in Sprüche 23,10-11, dass man auf keinen Fall das Erbteil eines Gliedes im Volk Gottes verschieben darf. Er wollte über ihn hinweggehen und ließ ihn dann grausam und hinterhältig ermorden. Das führt dazu, dass Gott das Gericht über die Dynastie Ahabs ankündigt. Ahab demütigt sich, und dadurch wird das Urteil noch etwas aufgeschoben.
So schließen wir mit Kapitel 22: Josaphat, ein gläubiger König im Südreich, hat eine Erweckung erlebt. Dann verbündet er sich mit dem Nordreich unter Ahab. Eine Tochter Ahabs heiratet einen Sohn von Josaphat. Hier haben wir das Problem: 2. Korinther 6,14 sagt: „Seid nicht in einem ungleichen Joch mit Ungläubigen.“ Das ist eine ungöttliche Allianz. Diese hatte schwere Konsequenzen für das jüdische Volk im Süden.
Wir dürfen keine Allianz eingehen mit denen, die nicht ganz klar am Wort Gottes festhalten. Es gibt falsche Propheten und nur einen wahren Propheten. Josaphat sagt zu Ahab: „Ja, warum sollen wir da auf diese vierhundert Propheten hören? Gibt es keine Propheten des Herrn mehr?“ „Ja doch, es gibt schon einen, aber der sagt immer nur schlechtes Zeugs. Nie Gutes!“ Die falschen Propheten sagten alle, es wird gut herauskommen, der Krieg mit den Feinden.
Dann wird der wahre Prophet Micha gerufen. Er sagt: „Es wird ganz schlecht herauskommen.“ Ahab sagt: „Wie oft soll ich dir noch sagen, du sollst nur die Wahrheit sagen.“ Micha antwortet: „Gut, der Herr hat zu mir gesprochen,“ und kündigt ihm die Katastrophe an. „Siehst du, er sagt immer nur Schlechtes.“ Das ist oft das Kennzeichen der wahren Propheten. Sie kündigen viel Negatives an, wenn im Volk Gottes viel Negatives da ist. Sie sind die Spielverderber. Aber Micha war ganz modern, wie die heutigen Spielverderber.
Die anderen Propheten waren auch ganz modern: Sie sagten, es kommt Friede, und da ist kein Friede. Das Buch schließt mit den Nachkommen Ahasja, König von Israel, und Joram, König über Juda. Die Fortsetzung haben wir dann am nächsten Bibelstudientag.
Wir wollen zusammen mit Gebet schließen:
Herr Jesus Christus, wir preisen Dich, dass wir Dein Wort haben. Es ist unveränderlich und so herrlich. Diese Reichtümer, die wir darin finden, beglücken unser Herz, vertiefen unseren Glauben und machen Deine Herrlichkeit und Majestät für uns so groß. Wir bitten Dich, dass das Wort, das wir miteinander gelesen haben, mit uns geht und unser Leben verändert. Richte uns auf Dich aus, damit wir wirklich mit Hingabe Dir dienen bis zu Deinem Kommen. Wir preisen Dich dafür. Amen.
